Einleitung
. Eigentlich müßten die Jugendfunktionäre es geradezu erträumt haben. Da kommt eine neue Jugendbewegung über das Land. Junge Menschen brechen aus den Konventionen des bürgerlichen Lebens aus, pfeifen auf das Karrieredenken ihrer Väter und widmen der Jagd nach den Statussymbolen nur noch ein müdes Lächeln. Dabei geht es dieses Mal gar nicht um die Flucht aus der Realität. Im Gegenteil: Die Ziele sind politischer Natur, die Gesellschaft soll nicht verlassen, sondern geändert werden, die blaue Blume ist nicht gefragt, dafür aber die radikale Demokratisierung des Lebens. Und nun ist plötzlich auch alles wieder da, über dessen Abwesenheit man bislang mit bewegten Worten klagte: der Mut zum Engagement, der Wille zum kritischen Mitdenken, die Bereitschaft zum Opfer und zur Bindung an eine Gemeinschaft. Eben war da noch das Gerede der Soziologen über die angepaßte Jugend, jetzt ist alles wie weggewischt. Und auch das ist keine Frage: daß hier ein beachtlicher Teil der jungen Intelligenz auf die Straße geht, also Menschen, die bei Wohlverhalten um ihre Karriere nicht bange sein müßten. Nur einen Haken hat die Geschichte für ehemalige und gegenwärtige Jugendfunktionäre: Sie spielt sich gänzlich außerhalb der etablierten Jugendorganisationen ab. Der Bundesjugendring ist vermutlich nicht gefragt worden, ob er die Organisation der neuen Bewegung übernehmen wollte.“
Es sind inzwischen drei Jahre vergangen, seit mit diesen recht salopp formulierten Bemerkungen die Situation der Jugendverbände angesichts der jugendlichen Protestbewegung so treffend charakterisiert wurde. Der Text spiegelt in recht typischer Weise die Reaktion der Jugendverbände wider: die Überraschung der Funktionäre, die gar nicht an die klassische Jugendbewegung erinnernde neue Stoß-richtung dieser . zweiten Jugendbewegung', das Unverständnis, das die Jugendforschung hinterlassen hatte, und schließlich die neidischen Seitenblicke der Verbandsspitzen auf die Aktivitäten der freien, oft politisch sehr stark engagierten Gruppen und deren außerordentlich starke Publizität. Die Protestbewegung in ihrer manifesten Phase ist vorbei, die aktuelle Provokation für die Jugendverbände in der Bundesrepublik ebenfalls. Unsere Überlegungen gehen zurück, versuchen aufzuarbeiten, welche historischen Bindungen die Jugendverbände besitzen, unter welchen strukturellen Bedingungen sie gearbeitet haben und wie diese Situation das Verhalten der Verbände auf die Herausforderung der protestierenden Jugend beeinflußt haben könnte. Dies ist sicherlich nicht der einzige, wohl aber ein möglicher Weg, um zum Schluß die Frage nach der Zukunft der freien Jugendarbeit zu stellen, die — so meinen wir — mehr denn je in Frage gestellt ist.
I. Historischer Rückblick
er Rückgriff auf die Jugendbewegung ist für ie Beurteilung der Entwicklung der Jugendyerbandsarbeit deshalb von besonderer Be-
eutung, weil hier das Verhältnis von freien Jugendgruppen zur Jugendpflege sichtbar wird und die zunehmende Hineinnahme der Jugendbewegung in festgefügte Formen der Jugendarbeit und Jugendpflege verdeutlich werden kann. Wer sich mit der deutschen Jugendbewegung beschäftigt, steht vor einer fast unübersehbaren Fülle von Selbstzeugnissen, Quellen, Dokumenten und Darstellungen, die auf die Vielschichtigkeit der Bewegung hindeuten. Ebenso reichen die Einstellungen zu dieser Bewegung von einem glühenden Verfechten bis hin zu harter und vernichtender Kritik. Es ist deshalb recht schwierig, eindeutige Aussagen zu treffen. Immerhin, wenn man versucht, bestimmte Generationsgestalten der Jugend herauszuarbeiten, so kann man mit Schelsky darin einig sein, daß in der Jugendbewegung so etwas wie eine „erste formierte Generationsgestalt der Jugend“ vorliegt
Mag diese Interpretation nicht angemessen sein, so stellt sich doch im Verlauf dieser ersten, . klassischen'Epoche der Jugendbewegung bald ein aufbegehrender Zug und eine gewisse antizivilisatorische Haltung ein. Die Welt der Technik und Zivilisation, die den Menschen umgab, war immer differenzierter und unübersichtlicher, immer mächtiger und entfremdender geworden. In der Natur, die davon unberührt war, sah die Jugend Realisierungschancen einer neuen Form des ästhetischen Empfindens und Erlebens. „In der Jugendbewegung hat sich aber dieses Natur-erleben oft verbunden mit dem Glauben, der seine Eigenart verstellte: die Natur erschien nicht als Ausgleich, bezogen auf das Leben der Gegenwart, sondern als Flucht aus ihr.“
Entscheidendes Merkmal der frühen Jugend-bewegung war die Tatsache, daß die Jugendlichen sich freiwillig den Wandervogelgruppen anschlossen und das Wanderer-und Gruppen-leben in eigener Verantwortung organisierten und lebten, unabhängig von Erwachsenenverbänden oder jugendpflegerisch tätigen Behörden
Wehrte man sich einerseits gegen programmatische Aussagen, so bildete sich doch, besonders angeregt durch den Einfluß studentischer Gruppen, nach einigen Jahren so etwas wie eine Weltanschauung heraus. Ahlborn schrieb, daß die Hauptwurzeln der Freideutschen Bewegung in „einem Gegensatz zu Bestehendem" zu suchen seien
geigenhansl’ hingewiesen, die von der ersten zur neunten Auflage zunehmend nationalistische Tendenzen verraten
Auf dem Freideutschen Jugendtag 1913 wurde dann deutlich, daß die Bewegung schon aus zwei Richtungen Impulse erhielt: zum einen als Bewegung der Jugend selbst und zum anderen, verbunden mit schon recht ausgeprägten philosophischen und pädagogischen Überlegungen, als Bewegung älterer . Jugend-bewegter'oder der Bewegung nahestehender Personen. Gustav Wyneken und die pädagogische Reformbewegung gehörten dazu. Erstmals wird hier der Zugriff von Erwachsenen bemerkbar
Die Jugend, bisher nur ein Anhängsel der älteren Generation, aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet und auf eine passive Rolle angewiesen, beginnt, sich auf sich selbst zu besinnen. Sie versucht, unabhängig von den Geboten der Konvention sich selbst ihr Leben zu gestalten. Sie strebt nach einer Lebensfüh-rung, die jugendlichem Wesen entspricht, die es ihr aber zugleich auch ermöglicht, sich selbst und ihr Tun ernst zu nehmen und sich als ein besonderer Faktor in die allgemeine Kulturarbeit einzugliedern."
Die Bewegungen erhielten neben den jetzt veränderten und umgestalteten Formen des jugendlichen Gemeinschaftslebens auch einen Erziehungsaspekt. Zwar wurde dieser mehr unter dem Gesichtspunkt der Selbsterziehung der jungen Menschen betrachtet, doch gab der Bund den Rahmen ab und steckte bestimmte Ziele, die meist mit besonderen Weihen und Versprechen für das Mitglied verbindlich wurden. Die Bewegung stand damit in ihrer Erziehungsfunktion der Jugendpflege der welt-anschaulichen und gesellschaftlichen Groß-organisationen wesentlich näher als die klassische Jugendbewegung. Die zunächst alle Bindungen ablehnende Liberalität der Wandervogelbewegung, die oft als „eine der letzten Ausdrucksformen des liberalen Zeitalters und des Geistes schrankenloser Autonomie"
Diese Wendung hat die Bewegung geöffnet für Gruppen und Schichten, die von jeher ihr Leben in höhere Ordnungsformen eingebunden sahen: Dies gilt in spezieller Weise für die religiösen Kreise, und hier besonders für die Katholiken. Nicht zuletzt den Anschauungen von einer hierarchischen Ordnung kam die Bündische Bewegung mit ihrer Unter-und Überordnung, mit Führung und Gefolgschaft entgegen. Die sich bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in manchen Kreisen der Jugendarbeit gehaltene Idee der . Lebens-gemeinschaft'fand in diesen Jahren ihre Ausprägung. Der Gedanke an eine alle Lebensalter umfassende Gemeinschaft fand in der orts die jugendpolitische Aktivität der Bünde, Jungenschaft -Jungmannschaft -Mannschaft seinen organisatorischen Niederschlag. Einerseits unterstützte diese Entwicklung mancher-orts die jugendpolitische Aktivität der Bünde und damit auch des . Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände', wie die Dachorganisation nach 1926 hieß, andererseits verstärkte sich dadurch der Einfluß der Erwachsenen beträchtlich. Die Zeit der Bündischen Jugend bezeichnet Hastenteufel als „die letzte aus der Jugend selbst hervorgewachsene Strebung, bevor Erwachsenenorganisationen immer stärkeren Einfluß auf das Jugendleben gewinnen"
Die wichtigsten Unterschiede zwilchen der Ju-
gendbewegung im eigentlichen Sinn« und den Jugendpflegeverbänden lassen sich in wenigen Punkten zusammenfassen:
— Die freien Jugendvereinigungen standen vielfach noch unter dem Einfluß der Formel, daß die Jugendbewegung kein Programm haben dürfe. Auch das Leben in den Bünden war stark vom Selbsterziehungsgedanken geprägt. Die Jugendpflegeverbände der verschiedenen Großorganisationen wiesen Programme vor, aus denen die Erziehungsabsichten und -bemühungen der Erwachsenen abgeleitet wurden. „Die eigentliche Jugendbewegung begann , von unten', in den kleinsten Zellen, als eine echte Emanzipationsbewegung junger Menschen"
— Die Jugendpflegeverbände waren damit Institutionen der Erwachsenenwelt, weniger Selbstorganisation der Jugend. Es gab jedoch auch Ausbruchsversuche aus dem von den Erwachsenen gesetzten Rahmen. Zumeist wurden sie dadurch möglich, daß nicht alle Führungspositionen von Erwachsenen wahrgenommen werden konnten. Ein sehr effektives Instrument zur Steuerung der Jugendverbände war (und ist vielfach heute noch) ein dualistisches Leistungssystem, innerhalb dessen die jeweilige Führungsebene von einem Jungführer und einem Erwachsenen, im kirchlichen Bereich einem Geistlichen, besetzt ist. — Aus der negativen Haltung zur Umwelt heraus hatten die freien Jugendbünde nur sehr zögernd zu bestimmten Zielprojektionen gefunden. Für die Jugendpflegeverbände, ganz besonders für die weltanschaulichen und politischen, war dies keine Frage: hier gab es bereits Konzeptionen. Ein Hinweis auf den weltanschaulichen Bereich mag dies verdeutlichen: „War die allgemeine Jugendbewegung Frage und Suche nach dem Sinn des Lebens inmitten einer mechanisierten und darum fragwürdig, ja sinnlos gewordenen Zeit, so wollte die katholische Jugendbewegung eine konkrete Antwort sein, „ .. eine bestimmte, an-
schaubare, das Ganze des Seins deutende und die Tiefen des Lebens erfassende (meisternde) Antwort'
gen Konzepten zur Indoktrination ausgenutzt. — Es gehört zu den Merkmalen der Jugend-pflege, daß sie sich im Gegensatz zu den esoterischen, kleinen freien Bünden und Gruppen an die Masse der Jugendlichen wandte, Seidelmann notierte: „Ehrgeizig konkurrieren sie im Gefilde der Jugendpolitik mit ihren Millionenziffern — ein Urteil, das die heutige Situation ebenfalls trifft
Die Vokabel . Jugend’ gibt es in verschiedenen Wortbildungen schon recht lange. Zunächst aber bezeichnete sie lediglich die . Gesamtheit junger Leute’ und den Zustand des kalendarischen , Jung-seins’
Die sprachliche Entwicklung folgte einem gesellschaftlichen Prozeß: In einfachen und wenig differenzierten Gesellschaften geht der Übergang vom Kind zum Erwachsenen sozusagen nahtlos vor sich. Die Sozialisation, die Einführung in die Gesellschaft, stellt einen relativ einfachen Vorgang dar und wird deshalb in mancher Hinsicht gar nicht bewußt wahrgenommen. Auf dieser gesellschaftlichen Stufe stellt die Familie nahezu die einzige Sozialisationsinstanz dar. Indem der junge Mensch am Leben der Familie, der Verwandtschaft und Gemeinde teilhat, reproduziert er die dieser Kultur und Gesellschaft eigenen inneren und äußeren Lebensformen. „Es bedarf", bemerkt Tenbruck, „keiner oder nur unwichtiger Veranstaltungen, um die überlieferte Kultur auf die nachfolgende Generation zu übertragen und damit den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern"
Diese Situation ändert sich in dem Moment, wo sich die Struktur der Gesellschaft über das Lokalgruppenhafte hinaus differenziert und damit die Sozialisation nicht mehr allein in der Familie und im engen verwandtschaftlichen Raum stattfindet, sondern durch andere Sozialisationsträger ergänzt wird. Durch diesen gesellschaftlichen Differenzierungsprozeß werden im Umkreis der Sozialisierungsträger Kontakträume geschaffen, wo Jugendliche in altershomogenen Gruppen zusammenfinden. In einer weiteren Phase ist die Jugend „nicht mehr bloß eine durch wirtschaftliche Organisation der Gesellschaft geforderte Verzögerung der Übernahme erwachsener Rollen wegen einer zu leistenden Berufsvorbildung, die als unerwünschtes Nebenprodukt in den alters-homogenen Jugendgruppen neuartige Gemeinschaftsformen erzeugt. Hier wird mit der Verzögerung eine umfassende positive Aufgabe verbunden."
Die Wandervogelbewegung hatte im Laufe der Jahre auf ihren Fahrten und , Nestaben-den" eine bestimmte Lebensweise habituali-siert. Bei der Verfestigung dieser Verhaltensweisen kann man im weitesten Sinne von einem Institutionalisierungsprozeß sprechen
Wir können feststellen, daß gerade die Verfestigung der Jugendbewegung den Erwachsenenorganisationen Anknüpfungspunkte für eine derartige Einflußnahme bot. Je deutlicher die eigenen Bedürfnisse der Jugendlichen durch die Institutionalisierungsvorgänge für die Gesellschaft sichtbar wurden, desto stärker wurden die Anstrengungen der öffentlichen und privaten Jugendpflege. Ansatzpunkte sah die Jugendpflege in der Übernahme jugend-bewegter Formen, um über sie religiöse, weltanschauliche oder politische Vorstellungen zu vermitteln und die Jugendlichen zu erziehen
Die in der Jugendpflegearbeit maßgebenden Erwachsenen gehen mit Vorstellungen von . Jugendlichkeit'und von . Jugendgemäßem'an die Arbeit, die aus ihrer eigenen Jugendzeit stammen und der Wirklichkeit nicht mehr gerecht werden. Im Extremfall treten hierbei außerordentlich starke Entfremdungserscheinungen auf, die man mit Vorbehalten als „Verdinglichung" bezeichnen könnte. Berger und Pullberg verstehen darunter einen äußersten Schritt des Objektivationsprozes-ses
Die Verdinglichung bewirkt bei den Jugendlichen eine Entfremdung von den eigenen Wünschen und Interessen. Sind einerseits Jugendgruppen im weiteren Sinn für die Jugendlichen in hochdifferenzierten Gesellschaften notwendige und sinnvolle Einrichtungen auf dem Weg zum vollen Erwerb des sozialen Status, so sind die Erwachsenen doch gerade darum bemüht, durch Einrichtung von Jugend-verbänden einen uneingeschränkten Zugriff auf den gesellschaftlichen Entscheidungsbereich hinauszuzögern bzw. so zu steuern, daß die Jugendlichen bestimmte Wertvorstellungen der Erwachsenen übernehmen. Damit wird der von Tenbruck für die heutige Jugend behauptete „fast unbeschränkte Zugang zu der konkreten Wirklichkeit der erwachsenen Welt" zu beschränken versucht
II. Die Integration der Jugendverbände in das gesellschaftliche System der Bundesrepublik
Wie wir verdeutlicht haben, hat die moderne Jugendverbandsarbeit zwei historische Wurzeln: die deutsche Jugendbewegung und die — in den ersten geschichtlichen Anfängen meist von der Kirche getragenen—Jugendpflegever-bände. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg die Jugendarbeit wieder aufbaute, war jedoch noch ein drittes Beispiel von Jugendarbeit in lebhafter Erinnerung: die staatsmonopolistische Hitlerjugend. Die verschiedenen Beispiele von Jugendarbeit aber stellten keine alternativen Vorschläge für den Wiederaufbau dar. An die Jugendbewegung wagten nur wenige wieder anzuknüpfen. Zu sehr hatte auch sie im Kreuzfeuer der Kritik am Nationalsozialismus gestanden. Ihr gestörtes Verhältnis zum demokratischen Staat, den aufzubauen man sich wieder anschickte, wurde zunehmend sichtbar. Eine neue Jugendbewegung konnte überdies nur aus der Jugend selbst hervorgehen. Neben der Tatsache, daß sie dazu keinerlei Neigung verspürte, muß hervorgehoben werden, daß es ja vor allem Ehemalige und an der Jugendarbeit interessierte Erwachsene waren, an deren Tischen die Wiedergründungsgespräche geführt wur den. Was neben der staatlichen Einheitsju gend — bald in der sowjetischen Besatzungszone unter anderen Vorzeichen wieder eingerichtet — an Möglichkeiten übrigblieb, war die Errichtung meist jugendpflegerisch orientierter Jugendverbände.
In der Form wurden jugendbewegte Elemente übernommen — in den Erziehungszielen tauchten bald wieder jugendbewegte Muster auf. Neu hinzu kam die Aufgabe, die jungen Menschen zu Bürgern eines demokratischen Staates zu erziehen. Was man jedoch darunter zu verstehen hatte, wurde einerseits vielfach vage gemessen am , so ein Durcheinander wie in der Weimarer Zeit darf es nicht mehr geben'und andererseits am , so etwas wie im Nationalsozialismus soll nie wieder Vorkommen'. Wie groß die Unsicherheit war, zeigte sich im politischen Unterricht an den Schulen bis weit in die sechziger Jahre hinein. Es wurde — prononciert ausgesprochen — unter Erziehung zur Demokratie Vermittlung von Wissen über die demokratischen Institutionen verstanden. Nicht viel anders in der Jugendarbeit. Immerhin: Im Gegensatz zu vielen Jugendbünden und Jugendverbänden der Weimarer Zeit war die Eingebundenheit und die Entwicklung von Veranwortung für die neu entstandene politische Ordnung für den Deutschen Bundesjugendring und seine Mitgliedsverbände selbstverständlich — wie noch sichtbar gemacht werden soll: zu selbstverständlich, als daß man sich die nötige Distanz bewahrt hätte, um auf jugendliche Bewegungen in angemessener Weise reagieren zu können. Wirkte in weiten Kreisen die Orientierung an der Jugendbewegung noch nach, und „sei es auch nur als schlechtes Gewissen gegenüber dem Neuen, das man als faulen Kompromiß"
1. Leitbilder der Jugendverbandsarbeit Zu den Merkmalen der bald nach dem Krieg einsetzenden Aufbauarbeit gehörte es, daß insbesondere solche Mitarbeiter und Pädagogen im Bereich der Jugendpflege eingesetzt wurden, die keine Nationalsozialisten waren. und 1960, Ebenso wie im politischen Raum griff man zurück bis in die Zeit vor 1933, und so waren es meist aus der Jugendbewegung hervorgegangene Erwachsene aus pädagogischen und sozialen Berufen, die die Aufbauarbeit in Angriff nahmen. Die reinen hündischen Gruppen waren in der Minderzahl. Das Feld beherrschten vor allem die schon vor 1933 zahlenmäßig sehr starken Jugendverbände. Der Jugendhilfe-und Jugendpflegecharakter der Arbeit stand im Vordergrund, weil enorme Initiativen notwendig waren, um die Notstände der Jugendlichen zu beheben. Zudem gab es in der amerikanischen Zone die Bemühungen der Besatzungsmacht zur Errichtung offener Jugend-klubs und offener Jugendheime
Zwei Jahre nach Kriegsende wurde die Jugendarbeit in einzelnen Zonen in erheblichem Umfang bereits wieder gefördert. Besondere Jugendoffiziere standen zur Unterstützung der Maßnahmen zur Verfügung. Ob es aber die Initiativen der Besatzungsmächte oder die freier Träger waren, die Jugendverbände wurden von „oben" ins Leben gerufen. Zwar erreichte die Zahl der Jugendlichen bald wieder die Höhe der Vorkriegszeit, doch eine Eigen-bewegung der Jugend kam nicht zustande. Eines jedoch muß hervorgehoben werden: So sehr die Jugendverbände in ihrer Mehrzahl Jugendpflegeverbände waren, so entwickelten sie sich doch bis auf die finanzielle Förderung relativ unabhängig von Staat und öffentlicher Jugendpflege. Die öffentliche Jugendhilfe mußte sich vor allem auf dem Fürsorgesektor den unmittelbaren Notständen widmen. Dies war schwierig genug, wenn man bedenkt, daß auch dieser Bereich der Verwaltung und öffentlichen Dienstleistung sich nach der nationalsozialistischen Zeit selbst wieder konsolidieren mußte. Nur auf Grund der enormen Leistungen unmittelbar nach dem Krieg ist die starke Position der freien Verbände in der Bundesrepublik voll verständlich.
Die Freiheit der Verbände war jedoch nicht immer die Freiheit der Jugendlichen. Die Grundkonzeption der Verbände wurde von Erwachsenen festgelegt: In der rasch wieder auflebenden konfessionellen Jugendarbeit waren es Geistliche und in der Gewerkschaftsjugend Gewerkschaftler, die in der amerikanischen Zone bereits 1949 den Organisationsapparat wieder aufgebaut hatten
Bei allen Unterschieden und Gegensätzlichkeiten standen Wiederaufbau und Arbeit der Verbände bis weit in die fünfziger Jahre hinein unter mehr oder weniger deutlich restaurati-ven Tendenzen. Schelsky bemerkte zur allgemeinen Situation: „In der Tat ist das Empfinden, ringsherum restaurative Tendenzen am Werk zu sehen, wohl das beherrschende so-soziale Zeitgefühl unserer westdeutschen Situation."
Solche Stimmen vermochten sich aber in der Jugendarbeit nicht durchzusetzen, denn das Beharrungsvermögen der die Jugendarbeit leitenden Kreise war zu groß. Bis weit in die sechziger Jahre hinein hielten sich Begriffe wie Fähnlein, Gau, Thing, Wölfling, Knappe oder Ritter. Aber es waren nicht allein die Begriffe: auch die inhaltlichen Konzeptionen stammten — leicht korrigiert — aus der Jugendbewegung. Nicht allein in kirchlichen Kreisen suchte man das , Unerschütterliche'und, Feste'wiederzufinden. Wenn man schon nicht die Organisation — wie bei den Kirchen der Fall — über den Krieg gerettet hatte, so waren es zumindest Einstellungen und Werte, an die man anzuknüpfen versuchte. Dort, wo sich allzu autonome Entwicklungen abzeichneten, mahnte man: „Darum muß von allen Freunden der hündischen Freiheit erwartet werden, daß sie sinn-und auftragsgemäß sich einordnen in das Ganze ..."
Nach 1945 standen für alle Jugendverbände von der Gewerkschaftsjugend bis zu den konfessionellen Verbänden — viele praktische Fragen und Probleme im Vordergrund und warteten auf eine Lösung
In dieser mangelnden Zukunftsorientierung steht die Jugendarbeit im gesellschaftlichen System der beiden Nachkriegsjahrzehnte nicht allein. Die Rückwärtsorientierung wurde auf Grund der gesellschaftlichen’ Wandlungen zu einer Orientierungslosigkeit, die für Jaide eine der vielen Ursachenkomplexe der Unruhe der Jugend in den letzten Jahren darstellt
Die Angemessenheit oder Unangemessenheit von idealistischen Leitbildern einer gesellschaftlichen Situation kann bisher noch nicht von den Sozialisationswirkungen her beurteilt werden. Der Hinweis auf zwei Leitbilder einer hündisch'orientierten Jugendpflegearbeit mag verdeutlichen, welchen Ballast die Jugendarbeit in den vergangenen Jahren hat abwer-fen müssen, um den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden
Ein erstes Leitbild ist das sogenannte . Ritter-ideal', in dem sich für die hündische Zeit charakteristisch die Forderung nach . Zucht und Maß'in den Erziehungsbemühungen eines Jugendverbandes widerspiegelten. Dieses . konkrete'Leitbild für das Leben des jungen Menschen beurteilte Bittner: „Ein solcher Rückgriff auf geschichtliche Ideale verfehlt jedoch gerade das wesentliche einer historischen Orientierung. Wer die Restauration geschichtlich gewordener und wieder vergangener Lebensformen anstrebt, läuft Gefahr, den eigenen Standort aus dem Blick zu verlieren und die Gegenwart nur nach dem Maßstab des aus der Geschichte übernommenen Norm-bildes zu bewerten ..."
Ein sehr verbreitetes Leitbild war das der Gemeinschaft. Vielfach wurde es als Lebens-bewegung, als . Lebensgemeinschaft'begriffen. Es ist wohl nicht zufällig, daß die Jugend-bewegung mit dem Gemeinschaftsgedanken in zeitlicher und wohl auch historisch-geistiger Verbindung zur Gemeinschaft bei Tönnies und zur Betonung dieses Ideals in der beginnenden pädagogischen Reformbewegung steht
Daß sich dieser Gedanke bewahrte, zeigt die Tatsache, daß er nach 1945 wiederauflebte. Er war ebenso lebendig geblieben wie die Gemeinschaftsvorstellungen im pädagogischen Bereich: „Die Unangefochtenheit, mit der hier vom Gemeinschaftscharakter der Schule wie von einem feststehenden und unbezweifelbaren Faktum gesprochen wird, hat Voraussetzung, die Hermann Nohl in wünschenswerter Deutlichkeit formulierte: , Die Bildungsgemeinschaft ist gleichzeitig Lebensgemeinschaft, und ihr Geist ist die stärkste bildende Kraft, er ist die Voraussetzung jeder einzelnen pädagogischen Einwirkung, und alle Methodik ist ihm gegenüber ganz sekundär'."
Im Bild der Lebensgemeinschaft wird darüber hinaus die kleingruppenhafte Intimität auf größere Ordnungsgebilde übertragen und damit in der Tendenz durch die Überbetonung privater Tugenden die Entstehung und Einübung öffentlicher Verhaltensweisen behindert. Das Gemeinschaftsideal gehört zu dem Bild des „Jugendgemäßen", das über die Pädagogen hinaus in der Erwachsenengeneration der fünfziger Jahre vorherrschte. Schelsky hat dieses Leitbi! d „zu den typischen Verspätungserscheinungen des sozialen Bewußtseins“ gezählt
Die Leitbilder und die Vorstellungen der Erwachsenen stießen bei den Jugendlichen zunehmend auf Unverständnis. Zumeist paßte man sich jedoch den Vorstellungen an, ohne sich dabei damit zu identifizieren. Bis auf relativ kleine Kernkreise mit besonders hoher Kohärenz und Intensität der persönlichen Kontakte, sind in der Mehrzahl die Bindungen in jugendlichen Altersgruppen heute flüchtig, unverbindlich und relativ instabil
Von intensiven und weitreichenden Bindungen Jugendlicher in der Gemeinschaft der Jugend-bewegung kann keine Rede mehr sein. Der Begriff der Lebensgemeinschaft wurde damit inhaltsleer, weil er die existentielle Situation der Jugendlichen nicht mehr traf. Ebenso erging es dem Ritterideal und ähnlichen Vorstellungen. Jugendliche sind heute keineswegs generell . bindungsscheu', wie vielfach behauptet wird
Gerade weil die Entideologisierung an der Basis der Jugendverbände während der ersten beiden Jahrzehnte nach dem Neubeginn ohne Proteste seitens der Jugendlichen gegen die Verbandsspitzen vor sich geht und damit kaum eine Auseinandersetzung zustande kommt, verlieren die Jugendgruppen und -Verbände immer mehr an Profil. Verbandsspezifische Gesichtspunkte treten in den Hintergrund, und die Organisation der Verbände stellt sich oft nur noch als Bürokratie dar. In dem Maße, in dem darüber hinaus auch noch die weltan-
schauliche oder von Ideen und Idealen geprägte Motivation abnimmt, beobachtet man eine merkliche Zunahme der methodischen Arbeit. Gruppendynamische Modelle und gruppenpädagogische Methoden bestimmen das Bild der Jugendarbeit. Häufig genug bleiben diese Methoden jedoch Selbstzweck und bringen nicht den Durchbruch zu neuen inhaltlichen Konzeptionen
Im Zusammenhang mit der Entideologisierung der Jugendarbeit wurde und wird oft der Ruf nach neuen Idealen und Leitbildern laut. Adorno hat den Begriff des Leitbildes in der Sphäre des . Jargons der Eigentlichkeit'lokalisiert
Wer die konfessionellen Jugendverbände als Rekrutierungsorganisationen für die Kirchen bezeichnet, erhält von deren Vertretern zumeist die Antwort, daß es der Kirche nicht in erster Linie um Machtzuwachs, sondern um die Verwirklichung höherer Ziele gehe. Theologisch sind Hinweise auf die Heilsziele völlig verständlich, nur verdecken allzu sehr im theologischen Denken befangene Argumentationen, daß es sich bei der Kirche auch um eine Interessenorganisation handelt. Unbestreitbar ist, daß die Kirche zur dauernden Erreichung ihres Auftrags daran interessiert sein muß, möglichst viele Menschen anzusprechen und allgemein wie auch für die besonderen Funktionen Nachwuchs zu gewinnen.
Einen den Vorstellungen der Kirche entsprechenden Nachwuchs vermag sie sich über verschiedene Steuerungsmechanismen heranzubilden. Einer dieser Mechanismen ist die Finanzierung der Verbände. Insbesondere solche Jugendverbände finden bevorzugte Unterstützung, die besonders eng mit der Kirche und den vertretenen Normen und Wertvorstellungen verbunden sind. Hier wird über die Manipulation der Verteilung von Gütern soziale Kontrolle ausgeübt. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Erwachsenenverbände, denen einzelne Jugendorganisationen zugeordnet sind. Ihr Einfluß bei kirchlichen Stellen kann sich positiv für den Jugendverband auswirken, andererseits aber seinen Handlungsspielraum in entscheidendem Maße einschränken. Von jeher hat die Kirche versucht, die Verbände an ihre Organisationsstruktur anzupassen, um damit über eine bessere Koordination Einfluß nehmen zu können. Diese Versuche spiegeln sich in der Betonung des kirchenorganischen Prinzips wider. Wie dieses Prinzip verstanden wird und nach welchen Maßstäben es in jüngster Zeit noch gemessen wurde, wird in folgenden Sätzen deutlich: „Kirchlicherseits wird betont, daß , die Organisationsformen gläubiger Menschen sich wesentlich unterscheiden müssen von Organisationen materialistisch denkender Menschen". Es geht darum, die gottgewollten Lebensordnungen der Fa-milie, des Volkes und der Kirche zu bejahen und das katholische Gemeinschaftswesen auf naturgegebenen Ebenen zu verwirklichen. Im Raum der kirchlichen Jugendgemeinschaft heißt dies: auf dem Boden der Pfarrei, des Dekanates und der Diözese."
Das kirchenorganische Prinzip ist eingehend kritisiert worden und hat inzwischen eine Relativierung erfahren. Immerhin aber haben Jugendverbände auf Grund dieses Prinzips organisatorische Änderungen durchgeführt, um in die finanzielle Förderung aufgenommen zu werden und in pastoralen Fragen mitsprechen zu können. . Verständnisvoll'heißt es: „Wir wissen um die Schwierigkeiten, die dieses kirchenorganische Prinzip mit sich bringt, aber dennoch wollen wir daran festhalten, denn der Ungeist der materialistisch geprägten Organisationen ..."
Jedoch: Die pädagogischen und organisatorischen Schwierigkeiten in der Jugendarbeit und damit letztlich die Bedürfnisse der Jugendlichen werden ideologisch begründeten Prinzipien untergeordnet. Dabei wird durch eine negative Umweltdarstellung das eigene Interesse als’lauter und richtig ausgegeben
Die jugendpflegerische Arbeit des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend zeichnete sich in der Nachkriegszeit dadurch aus, daß eine Integration mit den Erwachsenenverbänden der , Katholischen Aktion'angestrebt wurde
In der Jugendbewegung herrschte die weitverbreitete Auffassung, daß die Jugend von der Jugend selbst geführt werden müsse. Wenn heute mit besonderem Stolz auf die hohe Zahl der jugendlichen ehrenamtlichen Gruppenleiter hingewiesen wird, so müssen doch bei aller Anerkennung der Leistungen die Probleme deutlich gesehen werden. Die Jugend-gruppenleiter besitzen zumeist selbst noch nicht die Reife, die notwendig wäre, um im eigentlichen Sinne Erziehungsarbeit zu leisten, und zwar Erziehungsarbeit nicht im Verständnis der Jugendbewegung als mehr oder weniger stark ausgeprägte . Selbsterziehung. Die in den Mitarbeiterschulungen den jugendlichen Gruppenleitern vermittelten Orientierungen bleiben vielfach noch zu unreflektiert. Von daher ist es um so leichter den Erwachsenen möglich, über die jugendlichen Mitarbeiter die Arbeit der einzelnen Jugendgruppen zu beeinflussen. Zudem: Der frühe Einsatz ab Funktionsträger wird vor allem auf die Ju-gendführer selbst besonders starke sozialisierende Wirkungen haben.
Im Gegensatz zur Schule ist die Unabhängigkeit der Jugendarbeit vom Elternhaus rechtlich sehr beschränkt. Die elterliche Erziehungsgewalt wird durch die Tätigkeit der Jugendorganisationen keineswegs begrenzt. Jugendliche dürfen also nur mit Einverständnis oder Billigung der Eltern Jugendorganisationen beitreten. Die Beziehungen zwischen Elternhaus und Jugendverband sind wie die zwischen Elternhaus und Schule nicht sehr intensiv. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Behauptung von Halbfas zutrifft, daß die Elternschaft sich gleichgültig verhielte
Genaueres über die Beziehungen zwischen Elternhaus und Jugendarbeit zu erfahren, wäre schon deshalb von besonderer Bedeutung, da die Jugendarbeit am „Übergang zwischen zwei sozialen Verhaltenshorizonten, die weitgehend gegensätzlich strukturiert sind", steht
Als ein konkretes Problem, das die kirchliche Jugendarbeit besonders belastet hat und vielfach noch belastet, sei an dieser Stelle die Sexualerziehung genannt. „Kaum etwas hat den unabhängigen und sozialistischen Schülern so viel Entrüstung und Zulauf eingebracht wie die Sexualkampagne."
Die mangelnde Sexualaufklärung ging einher mit einer Ablehnung der Koedukation. In der Darstellung der hündischen Jugendbewegung hatten wir erwähnt, daß nur wenige Gruppen und Verbände koedukativ arbeiteten. Dieser Zustand hat sich auch nach dem Krieg nicht geändert. Wir können hier nicht näher auf Einzelheiten eingehen. Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Bedürfnisorientierung der Jugendverbandsarbeit von Bedeutung ist, soll hier jedoch genannt werden. Die Voruntersuchungen von Mollenhauer über die evangelische Jugendarbeit haben Anzeichen dafür gebracht, daß „die Ablehnung der Koedukation meist mit einer geringeren Bereitschaft zusammentrifft, sich in anderer Hinsicht an den jugendlichen Interessen und Bedürfnissen zu orientieren"
Im Deutschen Bundesjugendring sind neben den konfessionellen und anderen Jugendverbänden auch die beiden großen gewerkschaftlichen Jugendorganisationen vertreten: die Gewerkschaftsjugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und die Jugend der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG). Daneben betreiben auch der Deutsche Beamtenbund (DBB) und der Deutsche Handels-und Industrieangestelltenverband (DHV) eine eigene Jugendarbeit.
Die gewerkschaftliche Jugendarbeit sieht ihren Ausgangspunkt in der Arbeitnehmereigenschaft der Mitglieder. Deshalb stehen im Blickfeld insbesondere Fragen des Berufes und Arbeitsplatzes, der beruflichen Fortbildung und, bedingt durch die gesellschaftspolitische Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit, die politische Bildung. Im Vergleich zu den meisten anderen Jugendverbänden stellt die Gewerkschaftsjugend keine selbständige Jugendorganisation dar. Die gewerkschaftliche Jugendarbeit ist in organisatorischer, finanzieller wie personeller Hinsicht eng mit der Gewerkschaft verknüpft. Sowohl die Arbeit der integrierten DGB-Jugendgruppen als auch die der Einzel-gewerkschaften im DGB wird von hauptamtlich angestellten Jugendfunktionären geleitet, die bei den jeweiligen Leitungsstellen der Gewerkschaften ein eigenes Referat für Jugendarbeit bilden. „Gewerkschaftsintern wird daher sehr häufig von Jugendabteilungen gesprochen; als Mitglied der Jugendringe unter ande-ren Jugendverbänden ist die Bezeichnung Jugendverband oder Jugendorganisation üblich."
Die Gewerkschaftsjugend ist nicht nur wie andere Jugendverbände in größere Kooperationszusammenhänge eingebunden, sondern Teil der Gesamtorganisation mit einer von der Gesamtorganisation getragenen Führungsspitze. Damit ist ihr Bewegungsspielraum außerordentlich eingeschränkt. Dies führt oft „zu Spannungen, die von dem Gesichtspunkt der Gewerkschaftsjugend her eher eine Erweiterung der eigenverantwortlichen Arbeit und der Aufgabe der Jugendorganisation erforderlich machen. Der eigenverantwortliche Bereich darf wiederum auch nicht zu groß sein. Verfestigt sich beispielsweise eine Neigungsgruppe und strebt eigenen Zielen nach, so muß sich der zuständige Jugendsekretär einschalten, um die Jugendgruppe zu ihrem Mittelcharakter zurückzuführen.“
Die Gewerkschaftsjugend unterscheidet sich aber noch durch ein anderes Merkmal von anderen Jugendverbänden. Die jugendlichen Gewerkschaftsmitglieder sind automatisch Mitglied der Gewerkschaftsjugend, wenn auch von diesen nur lO°/o aktiv am Leben der Jugendgruppen teilnehmen. Wer als Jugendlicher also im gewerkschaftlichen Bereich aktiv werden möchte, kann dies faktisch nur über die Jugendorganisation. Während die jugendlichen Gewerkschaftsmitglieder, die nicht an der Jugendarbeit teilnehmen, auch später kaum gewerkschaftlich aktiv sein werden, steht die Jugendarbeit um so bewußter unter dem Aspekt einer qualitativen Nachwuchssicherung. Daß es jahrelang nicht zu eigenen gesellschaftspolitischen Konzeptionen der Gewerkschaftsjugend kam, lag einerseits an der bis in die sechziger Jahre hinein praktizierten traditionellen Jugendarbeit; andererseits auch an der allzu dirigistischen Führung durch die Jugendabteilungen der Einzelgewerkschaften und des DGB, die auf der 7. ordentlichen Bundesjugendkonferenz des DGB in Braunschweig 1968 scharf kritisiert wurde.
Die Entwicklung von der Fürsorgetätigkeit der Jugendverbände in der Notsituation nach dem Krieg über die Jugendpflege zur Jugendbildungsarbeit läßt sich an der gewerkschaftlit dien Jugendarbeit sehr klar aufzeigen. In der beruflichen Notsituation der Jugendlichen in den ersten Nachkriegsjähren hat die Gewerkschaft vor allem hier unmittelbare Hilfe geleistet. In den darauffolgenden Jahren kam es vor allem darauf an, einen breiten Nachwuchs zu gewinnen. Heute dagegen stehen ganz besonders die Bildungsfragen im Vordergrund. Immer aber blieb die gewerkschaftliche Jugendarbeit am Tätigkeitsbereich der Jugendlichen orientiert, am Betrieb, der Verwaltung und den Berufsschulen. Die existentielle Lebenssituation der Jugendlichen war und ist damit in wesentlich stärkerem Maße einbezogen als bei anderen Verbänden. Von daher ist gewerkschaftliche Jugendarbeit immer politisch-gesellschaftlich orientiert gewesen.
Die starke Bezugnahme der Jugendarbeit auf die Interessen und die Lage der Jugendlichen in Industrie und Wirtschaft bedingte von jeher eine stärkere Mitarbeit von Erwachsenen. Allgemeine Freizeitgestaltung läßt sich auch ohne ausgebildete Jugendpfleger durchführen, interessenbestimmte Jugendarbeit wie die der Gewerkschaften dagegen kaum. Wie schwierig es für die Organisation unabhängiger und sozialistischer Schüler im AUSS war, auf Dauer eine schulpolitische Aktivität durchzuhalten, hat sich gezeigt. Nach relativ kurzer Lebensdauer mußte sich der AUSS auflösen. Interessenbestimmte Arbeit verlangt Sachkenntnisse und langfristige Planungen, die von Jugendlichen allein kaum zu bewältigen sind. Darin liegt ein fast unlösbares Dilemma nicht nur der gewerkschaftlichen Jugendarbeit, daß jugendliche Selbstbestimmung und starke Fremdbestimmung durch Erwachsene in Konfrontation zueinander stehen. Es scheint, als könne man sich nur über das Wie der Mitarbeit. und Einflußnahme der Erwachsenen in der heutigen Jugendarbeit noch unterhalten.
Das Wie hängt eng mit der jeweiligen Politik der Gewerkschaften zusammen. — Die gewerkschaftlichen Organisationen in der Bundesrepublik lassen sich in zwei Richtungen unterteilen
Wie kaum eine andere Organisation müssen die Gewerkschaften in ihrem Tätigkeitsfeld vielfach um den Einfluß auf die Jugendlichen kämpfen. Ausdruck dafür ist die ablehnende Haltung der Gewerkschaften zu den betriebs-eigenen Bemühungen um jugendpflegerische Maßnahmen. Dies gilt vor allem für die vielfältigen Freizeitangebote der Großunternehmen für ihre jugendlichen Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften sehen in der betrieblichen Jugendpflege und Jugendbildung die Gefahr, daß die Jugendlichen den Gewerkschaften entfremdet werden
Nur so läßt sich eine Verkürzung der Sicht vermeiden.
Im Verlauf der Industrialisierung hatten die Arbeitsschutzgesetze insbesondere der arbeitenden Jugend einen zunehmenden Freizeit-raum geschaffen. Nachdem vor allem die Familie und daneben die das soziale System maßgeblich mittragenden Kirchen Einfluß verloren hatten, wuchs die Sorge um eine sinnvolle Gestaltung dieser Freizeit. Zwar hatten die Kirchen auf dem Wege über Jugendpflegeverbände schon seit einiger Zeit versucht, die Jugendlichen anzusprechen, doch reichten diese Bemühungen keineswegs aus. Dies galt besonders für die schulentlassene Jugend. Die Jugendpflege sollte nun dazu beitragen, daß die Jugendlichen „ihre freien Abende und Sonntage in einer Weise zubringen, die ihnen zusagt und ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung förderlich ist"
Unter der Einwirkung der Jugendbewegung erlebte die Jugendpflegearbeit nach dem Ersten Weltkrieg ein starkes Breitenwachstum. Eine umfassende rechtliche Fixierung der Jugendfürsorge und Jugendpflege brachte das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922, das jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten erst 1924 in Kraft trat. Darin wird die Verpflichtung des Staates festgelegt, dem Recht jedes deutschen Kindes auf geistige, körperliche und seelische Entwicklung Geltung z verschaffen. Damit gehört auch die Jugend-pflege neben der Unterstützung und Sicherung des Sozialisationsträgers Familie und Schule zur jugendpolitischen Aktivität des Staates.
Die Jugendpflegearbeit in der Bundesrepublik knüpfte 1945 wieder an die der Weimarer Zeit an. Die Antithese der Jugendpflege zur Jugendbewegung bestimmte jedoch nicht mehr das Bild. Damals stand nicht nur die öffentliche, sondern auch die verbandliche Jugendpflege dem Selbstverständnis der Bünde entgegen. Diesen Jugendbünden war der Gedanke an eine Arbeit im Sinne eines vorbeugenden Jugendschutzes oder einer von Erwachsenen getragenen Erziehung völlig fremd. Obwohl bis 1961 im Jugendwohlfahrtsgesetz (§ 6) noch zwischen Jugendpflege und Jugendbewegung unterschieden wurde, ist diese Antithese heute weitgehend aufgehoben.
Die Jugendverbände werden heute auf drei Ebenen staatlich gefördert: auf der Gemeinde-oder Kreisebene, auf Landesebene und nach dem Bundesjugendplan. Das Jugendwohlfahrtsgesetz bezieht sich vor allem in seinen Ausführungen auf die untere Ebene. Auf Landesebene werden solche Maßnahmen gefördert, die überörtlichen und regionalen Charakter haben. Die von Land zu Land verschiedenen speziellen Förderungsprogramme und die in Einzeletats verstreuten Mittel nach den Jugendpflegegesetzen sind inzwischen meist zu Landesjugendplänen (LJP) zusammengefaßt worden, um eine bessere Übersicht zu ermöglichen.
Neben der Förderung aufgrund des Jugendwohlfahrtsgesetzes wurde 1950 durch die Bundesregierung eine neue Initiative eingeleitet: Im Einvernehmen mit Bundestag, Bundesrat, den obersten Jugendbehörden der Länder und den Verbänden der Jugendarbeit wurde der Bundesjugendplan (BJP) geschaffen
Mit dieser dauernden Subventionierung stellt sich natürlich die Frage, warum die Mittel weiterhin über eine spezielle Fondsverwaltung des Bundes verteilt werden und nicht über einzelne Haushaltsposten. Die Antwort kann nur in der Sicherung eines möglichst großen Handlungsspielraumes liegen, auf Grund dessen die Förderung den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen und Erfordernissen angepaßt werden kann. Es muß aber bezweifelt werden, ob diese Begründung zur Rechtfertigung der Fondsverwaltung zu Recht besteht. Vor allem die parlamentarische Kontrolle der Maßnahmen -— und damit ein wichtiger Faktor bei der laufenden Prüfung der gesellschaftlichen Erfordernisse — scheint erheblichen Mängeln zu unterliegen. Die Tatsache, daß beispielsweise bei der parlamentarischen Beratung des ersten Jugendberichtes von 518 Abgeordneten nur etwa 70 anwesend waren und die Länder und Regierungsbank ebenfalls fast leer war, muß als Zeichen des mangelnden Interesses an Jugendfragen gewertet werden
Auch durch den zuständigen Parlamentsausschuß konnte dieses mangelhafte parlamentarische Interesse nicht ausgeglichen werden. Die Ausschußarbeit bewegte sich hauptsächlich im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen und Gesetzesänderungen; es gab dabei „nur geringfügige Ansätze des Ausschusses, zu grundsätzlichen Fragen der Jugendpolitik außerhalb der Gesetzgebung Stellung zu nehmen
Die Förderung durch den Bundesjugendplan setzt die Förderungswürdigkeit der Jugendverbände voraus. Zumeist geht der Bund von einer Anerkennung durch die zuständigen Länderbehörden aus. Die Bedingungen der Förderungswürdigkeit sind jedoch von Land zu Land verschieden
Die jugendpflegerisdi-erzieherische Zielsetzung ünd die Bereitschaft, an der Jugendhilfe mitzuwirken, verdeutlichen als weitere Voraussetzungen der Anerkennung, daß demnach staatlich gefördert wird, was von Erwachsenen getragene Jugendpflege ist. Neben der Anerkennung der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik müssen auch die Vorstandsmitglieder von den Mitgliedern demokratisch gewählt werden. Diese Forderung bleibt angesichts der Besetzung der Schlüsselpositionen durch Erwachsene formal. Viele Probleme und Fragen werden in den Entscheidungsgremien von den Erwachsenen als , Sachzwänge’ vorgestellt, so daß die Jugendlichen kaum anders zu entscheiden wagen. Schließlich ist die Förderung davon abhängig, ob die Verbände in der Lage sind, ordnungsgemäße Verwendungsnachweise aufzustellen. Die staatliche Förderung hat somit die Einrichtung von Verwaltungsbürokratien bei den Verbänden zur Folge. Mit detaillierten Sachkenntnissen ist die Bürokratie in den Verbänden gegenüber den pädagogisch tätigen Kräften in einer sehr starken Position. Und außerdem: Die fast völlige Abhängigkeit der Jugendverbände von der staatlichen Förderung ist ein nicht wegzuleugnendes Charakteristikum heutiger Jugendarbeit. Wenn von der Freiheit der Jugendverbände die Rede ist, wird immer wieder betont, die finanzielle Förderung aus den Jugendplänen sei vor allem Hilfe zur Selbsthilfe der Jugend und der Jugendarbeit, die auf Dauer in die Lage versetzt werden sollten, ihre Aufgaben aus eigenen Mitteln und Kräften zu erfül-len
mit finanziellen und inhaltlich pädagogischen Hilfen.
3. Die Politik der Verbände bewegt sich in dem Spielraum, den die Abhängigkeiten von anderen Großorganisationen oder vom Staat noch übrig lassen. Auseinandersetzungen mit diesen Organisationen werden vermieden; die Konkurrenz unter den Verbänden wird zum Kartell, um die eigenen Positionen und das Gleichgewicht zwischen den Verbänden zu halten.
4. Veränderungen innerhalb der Verbände auf demokratischem Wege von unten nach oben sind nur im beschränkten Maße möglich. Eigenbewegungen der Jugendlichen finden nicht ausreichende Verwirklichungschancen. Um die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Jugendverbänden und den staatlichen Stellen zu koordinieren, wurde in Rothenburg o. T. 1949 der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) gegründet. Zu den Mitgliedern gehören außer den großen auf Bundesebene arbeitenden Jugendverbänden auch die Landesjugendringe, die gleiche Aufgaben wie der DBJR auf Landesebene wahrnehmen. Bei dieser recht schnell nach dem Krieg erfolgten Gründung einer Interessenvertretung ging es auch darum, die Position der freien Verbände und Organisationen gegenüber der sich langsam koordinierenden Aktivität des Staates auf dem Gebiet der Jugendpflege zu festigen. So fand der Staat bei der Einrichtung des BJP bereits einen Verhandlungspartner vor, der bereit war, seine Arbeit in den Dienst des Wiederaufbaus, der Überwindung der Notlage der Jugend und der politischen Bildungsarbeit zu stellen.
Es sind vor allem zwei Interessen, die die Arbeit des Bundesjugendringes bestimmen: das Interesse, die verbandseigenen Aktivitäten und die Bildungsarbeit an den erfaßten Jugendlichen durch die Zuschüsse des Bundes zu sichern, und „die Wahrnehmung der Belange junger Menschen im Gesellschaftsleben’
Da der Bundesjugendring im bereits erwähnten Zentralstellenverfahren und über die Mitarbeit im Bundesjugendkuratorium Mitberatungsrecht in den Angelegenheiten der BJP-Förderungen besitzt, ist er nicht nur Interessenverband, sondern wirkt auch bei der Erfüllung dieser Interessen mit. Die Aufteilung eines Verteilerschlüssels, der dem Ministerium als Grundlage für die Mittelvergabe dient, führte rasch zu einer oligopolitischen Aufteilung des Feldes der Jugendverbandsarbeit. Immer wieder kam es wegen der Stimmenverteilung im Bundesjugendring zu Differenzen. Das jüngste Beispiel ist eine Auseinandersetzung, die zum Austritt der Deutschen Sportjugend führte. Diesem Verband, mit 3, 9 Millionen Mitgliedern der weitaus stärkste Jugendverband, ging es vor allem um eine stärkere Berücksichtigung bei der Mittelvergabe. Bei den Streitigkeiten um die Deutsche Sport-Jugend (DSJ) wurden auch die politischen Strömungen im DBJR sichtbar"
An dem Austritt der DSJ läßt sich aber noch ein weiteres zeigen. Der Vorsitzende Flegel kommentierte den Austritt in den DBJR-Informationen mit der Bemerkung: „Sie (die DSJ., d. Verf.) hat offensichtlich den Bruch, der keinem nützen kann, von vornherein einkalkuliert und dann vollzogen, ohne daß ersichtlich wäre, daß Jugendliche an dieser Entscheidung beteiligt worden wären.“
Nun ist die Frage der Interessenvertretung der Jugendlichen durch die Verbände zwar bei der Deutschen Sportjugend eine besonders heikle, weil sie im eigentlichen Sinne keinen Jugendverband darstellt, sondern sozusagen der organisatorische Zusammenschluß der Jugendabteilungen der Sportverbände und -vereine im Deutschen Sportbund (DSB) ist. Es muß jedoch betont werden, daß die Kritik des DBJR-Vorsitzenden die Interessenvertretung der anderen Verbände ebenso in Frage stellt. Ob die Jugend des Deutschen Alpenvereins tatsächlich gegen eine politische Profilierung eingestellt ist, wie es im Beitrag des „Rheinischen Merkur" behauptet wird, bleibt angesichts der Tatsache, daß es zumeist Mitglieder der Erwachsenenorganisation sind, die hier für ihre Jugendverbände als Vertreter im Bundesjugendring sitzen, fraglich. Daß man bei den Vollversammlungen des DBJR mehr Halb-glatzen als volle Haarschöpfe sieht, veranlaßte die Bundesministerin Käte Strobel zu der Bemerkung: „Es fällt mir ein bißchen schwer, an die Jugend zu denken, wenn ich in ihre Reihen blicke."
Was in den Gremien der Verbände und erst recht im Bundesjugendring vor sich geht, ist den Jugendlichen in den Verbänden meist völlig unbekannt. Die Aufsplitterung der publizistischen Arbeit in den Jugendverbänden durch eine Vielzahl kleiner und kleinster Verbandszeitschriften — allein in der katholischen Jugendarbeit gibt es mehrere Dutzend — erschwert selbst eine bescheidene Informationsarbeit. Im übrigen ist auch nicht klar zu übersehen, wen die Jugendverbände repräsentieren: Der Mitgliedsbegriff der einzelnen Verbände ist sehr verschieden; im Bundesjugendring hat es darüber bislang auch keine Einigung gegeben
Der Deutsche Bundesjugendring stellt als Dachorganisation eine gewisse Repräsentanz der organisierten Jugendlichen dar. Mit zunehmender Verlagerung der politischen Willensbildung auf höhere Gremien und Organe, die durch eine kaum vermittlungsfähige Bürokratie von den Jugendlichen getrennt sind, nimmt die jugendpolitische Diskussion und Aktion auf den unteren Ebenen ab. Die Struktur des Deutschen Bundesjugendrings brachte es ohnedies mit sich, daß ein Beitrag zu einer tragfähigen Konzeption der Jugendpolitik in der Bundesrepublik bisher ausblieb. „Es gab keine durchschlagenden Reformversuche zur Jugendpolitik und zum Bundesjugendplan, man hemmte sich gegenseitig."
Ist die Bedeutung des Bundesjugendrings sowohl in bezug auf eine wirksame Interessenvertretung der Jugendlichen als auch im Hinblick auf die Beratung staatlicher Stellen im Bereich der Jugendpolitik gering, so arbeitet auch das eigens zur jugendpolitischen Beratung eingerichtete Bundesjugendkuratorium wenig effektiv.
Das ursprüngliche . Kuratorium für Jugend-fragen'wurde 1950 von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Es setzte sich aus einem Beratungsgremium und einem Aktionsausschuß zusammen. Anläßlich der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1961 wurde das Bundesjugendkuratorium gesetzlich verankert. Die damit verbundenen Neuerungen wurden von Bundesregierung und Verbänden gleichermaßen begrüßt, da in den Jahren zuvor eine umfassende jugendpolitische Beratung nicht zustande gekommen war. Nach der Novellierung dauerte es jedoch vier Jahre, bis die Bundesregierung — ohne ein Resümee aus den vergangenen 15 Jahren gezogen zu haben — nach den neuen Richtlinien 1965 ein verändertes Bundesjugendkuratorium berief. Das neue Kuratorium umfaßte nunmehr nur noch 35 ordentliche und 35 stellvertretende Mitglieder und konnte erstmals einen Präsidenten aus den eigenen Reihen wählen. Mitglieder waren neben den Wohlfahrts-und Jugendorganisationen, den Arbeitnehmer-und Arbeitgeberorganisationen und anderen Verbänden und Institutionen auch die obersten Landesbehörden. Da die Geschäftsführung weiterhin ganz in den Händen des Ministeriums lag und auch die Geschäftsordnungen letztlich von diesem bestimmt wurden, konnten einige wichtige Anliegen nicht verwirklicht werden. So ist ein Hinzuziehen von Bundestags-oder Bundestagsausschußmitgliedern durch die ablehnende Haltung der Bundesregierung unmöglich gemacht worden. Gerade aber weil es sich bei den Mitgliedern des Bundesjugendkuratoriums nicht um unabhängige Berater, sondern um beratende Interessenvertreter handelt, wäre eine parlamentarische Beratung und damit eine Kontrolle sinnvoll gewesen. Annelie Keil scheint es dabei vor allem um den Versuch gegangen zu sein, „die parlamentarische Kontrolle vor allem als Forum größerer Publizität auszuschalten, um das möglicherweise so schneller zu erreichende friedliche Arrangement zwischen Staat und freien Trägern nicht von dritter Seite zu stören."
III. Erscheinungsformen der Protestbewegung der Jugend
Die Stellung des Jugendlichen ist mit recht unterschiedlichen Formulierungen umschrieben worden. Es heißt, die Jugend sei in ein (Zwischenland abgedrängt'(Lichtenstein), man habe sie in ein . Reservat und einen Naturschutzpark'gestellt (Pfaff), der Lebensraum der Jugendlichen sei ein , illdefined no man's land'(Hollingshead) oder der Jugendliche sei nicht mehr Kind und noch nicht Erwachsener (Schelsky). Gemeinsam liegt diesen Definitionen die Beobachtung zugrunde, daß Status und Rolle des Heranwachsenden in unserer Gesellschaft kaum hinreichend definiert sind. Die Auswirkungen der Entwicklung von der vorindustriellen zur modernen Gesellschaft wurden unter anderem in einer Dichotomisie-rung der Intimgruppe Familie einerseits und des öffentlichen Bereiches andererseits gesehen. Die Lage der Jugend stellt sich dann als Übergangsphase zwischen diesen gegensätzlich strukturierten Verhaltenshorizonten und im privaten Bereich als Übergang von der Herkunftszur Zeugungsfamilie dar. Stellt Schelsky fest, daß die Jugendlichen beim Übergang vom primären zum sekundären Bereich vor völlig neuartigen Strukturen und Verhaltensnormen stehen und in Zeiten raschen gesellschaftlichen Wandels diese Position zum Schnittpunkt des Gesellschaftsumbruches wird
1. Die für die Eingliederung in die Erwachsenengesellschaft von dieser gegründeten Schulsysteme, die die Jugendlichen zu altershomogenen Gruppen zusammenfassen;
2. die Jugendverbände, von den Erwachsenen gegründet oder getragen, in denen manchmal jugendliche Spontaneität und Selbstbestimmung, manchmal jedoch die Erziehungsbemühungen der Erwachsenen vorherrschen-, 3. die spontanen jugendlichen Gruppenbildungen.
Mit Erreichen der geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe stellt „Jugend" eine Phase dar, die durch besondere Probleme gekennzeichnet ist: Spannungen, die sich aus der Konfrontation von Wert-und Verhaltens-mustern der beiden gegensätzlich strukturierten Bereiche ergeben, und Konflikte, die durch das Auseinanderfallen von biologischer und sozialer Reife entstehen, sowie Verhaltens-unsicherheiten auf Grund fehlender Rollen-definitionen u. a. m. Die jeweiligen Problem-lagen bewirken bei den Jugendlichen die Herausbildung bestimmter Referenz-und Rele-vanzstrukturen in bezug auf ihre eigenen jugendlichen Altersgruppen und auf die sie umgebende Erwachsenenwelt. Die altershomogenen Gruppen bilden die Kommunikationsfelder, in denen die Jugendlichen zu intersubjektiven Definitionen der Problemlage und zu einer von mehr oder weniger allen geteilten Einschätzung und Typisierung der Umwelt gelangen.
Die daraus sich entwickelnden Wert-und Verhaltensmuster wurden in der amerikanischen Soziologie mit der These von der jugendlichen Teilkultur zu erfassen versucht. Bell formulierte: „Unter Teilkulturen verstehen wir relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden."
decken zu können. Für ihn läßt sich Jugend weder als sozialer Stand noch als soziale Gruppe oder dergleichen bestimmen: „Im Gegenteil scheint es sich in Wirklichkeit so zu verhalten, daß . Jugend'nur eine Spielart, eine Varietät in jeder der voneinander verhältnismäßig unabhängigen Sozialrollen der modernen Menschen darstellt; man ist als junger Mensch Jugend in der Familie Berufsjugend und Betriebsjugend, Partei-jugend, Gewerkschaftsjugend, junge Kirche, Jugend im Kino usw., und selbstverständlich gibt es auch die Rolle . Jugend in jugendeigenen Verbänden'. Die Kombination dieser Sozialrollen jugendlicher Spielart zu einem Rollensystem ist für den Jugendlichen genauso wie für den Erwachsenen individuelle und persönliche Verhaltensleistung. Man kann abstrahierend und in statistischen Signifikanzen die speziellen Eigenschaften der Jugend-rollen und der individuellen Rollensysteme als . Verhalten'der Jugend zusammenfassen . .."
Will man angesichts der sehr differenzierten Situation der Jugend weiterhin das Vorhandensein einer allgemeinen Jugendkultur behaupten, dann kann dies nur auf einer sehr allgemeinen und diffusen Ebene geschehen
1. Konformität als Kennzeichen weiter Kreise der berufstätigen Jugend (mit latenter Protesthaltung, die im Freizeitraum integriert wird), 2. Weltflucht als extremes Verhalten einiger weniger und als Freizeitverhalten vieler Jugendlicher, 3. Rebellion in Form politischer Proteste der Schüler und Studenten.
Dabei wird erkenntlich, daß es fließende Über-gänge in den verschiedenen Protesthaltungen gibt und im Symbolbereich, in Musik und Mode gemeinsame Muster vorhanden sind.
In den letzten Jahren ist durch Nivellierungsthesen und Jugendkulturtheoreme oft der Eindruck entstanden, als gingen die Gemeinsamkeiten der Jugendlichen weit über ihren Habitus, ihre Kleidung oder ihren musikalischen Geschmack hinaus. Die Protestbewegung hat als Symptom einer allgemeinen Unruhe aber auch gezeigt, daß die objektiven Voraussetzungen, die das Leben der Schüler und Studenten, ihr Verhalten und ihr Bewußtsein prägen, von denen der berufstätigen Jugendlichen abweichen. Es waren vornehmlich Schüler und Studenten, die sich an den politischen Protestaktionen beteiligten. Nach den Ursachen des Protestes wird man also auch in den sozialen Schichten suchen müssen, aus denen die Jugendlichen jeweils stammen.
Der Protest der studierenden Jugend beschränkte sich nicht auf einstweilen unwirksame Protesthaltungen im Freizeitbereich, sein besonderes Merkmal lag im unmittelbaren Zugriff und Angriff auf die sozialen Verhältnisse, auf den Lehrbetrieb an den Schulen und Universitäten und auf andere Organisationen und Institutionen. Der Protest der berufstätigen Jugend blieb dagegen zumeist unpolitisch: Für viele fand er nach Feierabend in den Beatschuppen statt. Eine kurze Skizze der Lage der berufstätigen Jugend kann keine kausalen Zusammenhänge darstellen, wohl aber eine Grunddisposition aufweisen.
Die Schule in unserer Gesellschaft stellt eine entscheidende soziale Dirigierungsstelle dar, die auf den späteren Schichtstatus der Jugendlichen starken Einfluß hat
Der Umbruch trifft die Jugend um so schwerer, als die Schule sie nur ungenügend auf die neuen Umweltbedingungen, Verhaltensweisen und . Tugenden'der Berufs-und Arbeitswelt vorbereitet
Unser Wissen über die Lage der Schulentlassenen und Berufsanfänger läßt eindeutige Aussagen über diese Probleme der Jugendlichen noch nicht zu. Man kann jedoch annehmen, daß die Hoffnung auf die der angepaßten 114 Lehrzeit folgenden sprichwörtlichen Herren-jähre'enttäuscht wird und dies Desillusionierung und Frustration bei den Jugendlichen hervorruft. Diese Erscheinung aber macht sich oft in einem Alter bemerkbar, „in dem die angesichts ungelöster Pubertäts-und Identitätsschwierigkeiten ungesicherte personale Struktur des Jugendlichen volle Desillusionierung noch nicht zu ertragen vermag"
Rosenmayr u. a. haben beim Vergleich der hier in wenigen Sätzen skizzierten jugendlichen Gruppen von der . bevorzugten Pubertät'der Schüler und der . benachteiligten Pubertät'der berufstätigen Jugendlichen gesprochen
Der Beat verspricht viel Ausgelassenheit und ein großes Maß an Ungezwungenheit. Anders als im Alltagsleben gibt es im Beatschuppen und bei den Treffen der Jugendlichen Freiheit zum Experiment ohne besondere Kontrollen durch die Umwelt. Einer Kontrolle durch die Erwachsenen entzieht sich das Phänomen unter anderem dadurch, daß es als Ausdruck oppositionellen Verhaltens keinen die Gesellschaft attackierenden Charakter in sich trägt, sondern mehr eine Form narzißtisch orientierter Abgrenzungen darstellt. Beat ist weniger Protest, sondern vielmehr ein Oppositionsmedium, was ihn zu einem verbindenden Element zu anderen jugendlichen Gruppen werden läßt. Dieser symbolhaft inversive Protest wird auch deutlich sichtbar in der Mode, die sich bisweilen als Anti-Mode versteht
Das Gammeln — oder die, die sich ihm auf längere oder kürzere Zeit verschrieben haben: die Gammler — gibt es nicht erst in den letzten Jahren. Früher traf man sie häufig in Künstler-und Dichterkreisen. Ein Teil der Gammler kann auch heute zu diesen Kreisen gezählt werden. Sie führen ein modernes Zigeunerleben
Die intellektuellen, ins künstlerische gehenden Züge der Gammler in Europa unterscheiden sie von den Beatniks in den Vereinigten Staaten, unter denen man auch Rauschgiftsüchtige, Radikalisten und abartig Veranlagte fand. Ihre eigenartige Trägheit, ja Apathie mochte vielfach zunächst als Vital-schwäche oder psychische Störung beurteilt werden, ist aber ganz offensichtlich von den Jugendlichen eine bewußt begründete Haltung. Bei vielen beobachtete man Versuche, nach den Lehren eines Zen-Buddhismus sich durch das , Sich-tot-Stellen'des Geistes allen äußeren Reizeinflüssen gegenüber abzuschirmen
Obwohl sie am Leistungsstreben und am Konsumverhalten der Gesellschaft nicht teilnahmen, lebten die jugendlichen , drop-outs'in Europa weitgehend in der Gesellschaft. Die Hippies in Amerika zeichneten sich dagegen durch wesentlich stärker von der Gesamtgesellschaft abweichende Verhaltensweisen aus. Teilweise zogen sie sich bewußt aus der Gesellschaft zurück. Der Protest der Gammler blieb meist in einer Negation des Bestehenden stecken und die studentische Opposition setzte ihre Hoffnungen in eine politisch zustande kommende revolutionäre Änderung des Systems. In der Ablehnung der herrschenden Verhältnisse waren sich die Hippies mit diesen jugendlichen Gruppen einig — sie setzten jedoch eine eigene Lebensform dagegen.
Dabei bleibt freilich eine Frage offen: War ihre Resignation so groß, daß sie einen Kampf gegen die etablierten Ordnungen von vornherein für sinnlos hielten? Oder war ihr Selbstbewußtsein so stark, daß sie daran glauben konnten, ihre Lebensweise und ihre Anschauungen würden sich unter den Jugendlichen rasch ausbreiten und von dorther die Gesellschaft verändern?
Um die vielen verschiedenen Varianten jugendlichen subkulturellen Verhaltens und das über nationale Grenzen hinweg Gemeinsame zu kennzeichnen, hat sich bald allgemein die Bezeichnung . Untergrund'durchgesetzt
Es blieb jedoch zumeist bei diesen Ankündigungen, da es sich zeigte, daß dieses Dasein eben doch für viele nur ein zeitweiser Ausbruch aus der Gesellschaft, für manche nur ein Ferienvergnügen war. Der Versuch, eine Gegenwelt aufzubauen, scheiterte nicht nur an der . Kulturindustrie'(Adorno), die sich der Symbolwelt der Bewegung bemächtigte, sondern auch an der Bewegung selbst. Ihr gelang es nicht, eine den gesellschaftlichen Realitäten standhaltende und ihnen gleichzeitig angemessene Orientierung zu entwickeln. Für die Mehrzahl der Anhänger blieb die Gegen-welt ein Traum, über längere Zeit nur durch Drogen und Rauschmittel aufrecht zu erhalten. Andere verloren sich in mystizistischen Vorstellungen, gemischt aus Buddhismus, Natur-religionen und gelegentlich urchristlichen Elementen. Zu den unmittelbar auslösenden Momenten der politischen Protestbewegung gehören Konflikte in Elternhaus und Familie wohl kaum. Allgemein besteht jedoch Grund zu der Annahme, daß mittelbar ein familiäres Konfliktpotential seinen Teil zur Protestbewegung beigetragen hat. Dieses mögliche Konfliktpotential — es handelt sich bei den bisherigen Erklärungsversuchen einstweilen nur um Hypothesen und Vermutungen — soll nachfolgend in wenigen Stichworten kurz gekennzeichnet werden
Der Jugendliche erlebt mit dem Eintritt eines gewissen Reifestadiums die Unterschiede in den Wertorientierungen und Verhaltenserwartungen der einzelnen Sozialisationsträger. Die dabei hervorgerufenen Spannungen und Auseinandersetzungen sind Auswirkungen des jugendlichen Identitätsfindungsprozesses. Vorstellungen und Vorbilder — und dies ist ein besonderes Merkmal unserer derzeitigen familiären Erziehungssituation —, an denen sich der Jugendliche messen kann, mit denen er sich auseinandersetzen möchte und muß, um auf dem Wege der Ablösung vom Elternhaus eine autonome Persönlichkeitsstruktur aufbauen zu können, fehlen in beträchtlichem Umfange. Die Unsicherheit der Erwachsenen als Folge des gesellschaftlichen und damit auch familiären Strukturwandels ist eine wichtige Ursache des unsicheren und wenig profilierten Erziehungsverhaltens. Eine der Auswirkungen dieses Strukturwandels ist das Phänomen, das Mitscherlich als das . Erlöschen des Vater bildes’ bezeichnet hat
Dieses latente Konfliktpotential wird dann manifest, wenn politische Konstellationen und Umstände weiteren Konfliktstoff in sich bergen und konkrete Konfliktsituationen auftreten. Die politische Protestbewegung hat im Hinblick auf Familie und Elternhaus immer wieder auf die autoritäre und repressive Erziehung hingewiesen und sie zum Objekt ihres Protestes gemacht. Auf den ersten Blick widersprechen die Untersuchungen über das Erziehungsverhalten der Eltern sozialer Mittelschichten diesen Argumentationen: Sie erziehen ihre Kinder im Vergleich zur sozialen Unterschicht liberaler und nachgiebiger. Vieles spricht unserer Meinung nach dafür, daß gerade im , Mittelschicht‘-Elternhaus durch die oben genannten Prädispositionen und durch eine . permissive education'eine höhere Empfindlichkeit für autoritäres Verhalten bei den Jugendlichen erzeugt wird. Von daher mag die Schwelle, von der aus man von autoritärer Erziehung spricht, bei diesen Jugendlichen wesentlich niedriger als bei anderen liegen. Da die Kinder sozialer Mittelschichten früher zur Selbständigkeit und zu eigenverantwortlichem Handeln erzogen werden und die Eltern sich wesentlich intensiver um die individuelle Förderung und die besonderen Bedürfnisse der Kinder kümmern, ist bisweilen von der . befreiten Generation'die Rede gewesen. Nicht immer aber muß eine derartige Erziehung zu einer Steigerung der Ich-Identi-tät der Jugendlichen führen. Gerade der Versuch einer weniger traditionsgebundenen Er-Ziehung hat für die Kinder oft zur Folge, daß sie sich selbst eine Identität aufbauen müssen und weniger auf feste Traditionen und Normen zurückgreifen können
Mit der Verlagerung der Identitätsfindung aus der Familie heraus verbinden wir die These einer Verlagerung des Generationenkonfliktes. Die Spannungen zwischen überkommenden Wertorientierungen und aktuellen Bedürfnissen der Jugendlichen werden heute weniger in Konfrontation mit der elterlichen Erziehung, sondern mit gesellschaftlichen Bereichen ausgetragen. Anzeichen deuten darauf hin, daß wir es möglicherweise mit einer , Entindividualisierung'des Generationenkonfliktes zu tun haben. Wenn überhaupt, dann werden sich die Konflikte als Konflikte „der jungen Generation mit den überlieferten sozialen Ordnungen"
Auf diesem hier nur andeutungsweise aufgezeigten Hintergrund ist der politische Teil der Protestbewegung der Jugend zu beurteilen. Während die allgemeine Protestbewegung nur unterschwellig das Verhalten der Jugendverbände beeinflußt haben dürfte, sind die sichtbar gewordenen Reaktionen durch die politischen Aktionen der Studenten und Schüler provoziert worden. Nachdem den Studenten von jeher ein größerer Verhaltens-und Handlungsspielraum zugebilligt wurde und man zumindest die Anfänge der studentischen Bewegung nicht recht politisch ernst nehmen wollte, haben die darauf folgenden Unruhen an den Schulen die Öffentlichkeit in besonderem Maße beunruhigt. Politisches Engagement und direkte politische Aktion vertrugen sich nicht mit den Anschauungen von der Rolle und Aufgabe eines Schülers. Nunmehr hieß es in der Schülerbewegung: „Es gibt Schüler, die machen jetzt nicht mehr mit“
Während die liberaleren Gruppen wie auch die bald nachziehenden etablierten Jugendverbände
Daß die studentische Bewegung in einem beachtlichen Maße eine politische Rolle gespielt hat, war für viele überraschend und neu. Habermas — obwohl selbst über das politische Bewußtsein der Studenten auf Grund eigener Forschungen gut informiert
Die Untersuchungen zum Verhältnis von Jugend und Politik haben schon vor der Protest-bewegung der Studenten eine wesentliche intensivere Beschäftigung dieser Jugend mit politischen Fragen festgestellt. Dabei stellte sich heraus, daß sie nicht nur im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung oder zur gesamten Jugend, sondern sogar zu den jugendlichen Führern der organisierten Jugend ein wesentlich größeres politisches Interesse zeigten. Die Untersuchung von Baumert über die ideologische und politische Orientierung der Jugend in der Bundesrepublik und ihrer Führer ergab, daß etwa 50% der Führer sich nur selten oder überhaupt nicht mit Politik beschäftigen
Das in dieser Studie näher beschriebene politische Bewußtsein der Studenten verdichtete sich auf Grund der konkreten gesellschaftlichen und politischen Situation und der besonderen Lage an der Hochschule Mitte der sechziger Jahre zu einem politischen Potential in der Studentenschaft, ausgeprägt und theoretisch fundiert vor allem in kleinen sozialistischen Gruppen. Als dem profiliertesten Teil der jugendlichen Protestbewegung zeichnete sich bei den Studenten auch besonders scharf konturiert der Erfahrungshorizont dieser Generation ab: Es handelte sich um die erste Generation, die die nationalsozialistische Zeit und die Kriegs-situation nicht mehr bewußt erlebt hat, die in einer ökonomisch gesicherten Gesellschaft groß geworden ist und vor allem die politische Ordnung aus persönlichem Erleben in anderen Systemen nicht als die bessere kennengelernt hat. Deshalb kennzeichnet sie ein unbefange-neres Verhältnis zu dieser Gesellschaft, die sie nicht als die bessere Gesellschaft, sondern als die verbesserungsbedürftige Gesellschaft erlebte.
Zudem deuten Anzeichen im ökonomischen, politischen und kulturellen Bereich darauf hin (und die Protestbewegung ist als ein Indiz dafür zu werten), daß insbesondere die Industriegesellschaften in einer Umbruchsituation stehen, die die Jugend in ihrer . Schnittpunkt-existenz'deutlich erfährt: „Es könnte sehr wohl sein, daß die Industriegesellschaft in den USA und in Europa einen Entwicklungsstand erreicht hat, auf dem Probleme des gesellschaftlichen Wandels, wie einst an der Schwelle zur Modernisierung, wiederum in den Bildungsprozessen der heranwachsenden Generationen einen entwicklungs-psydiolo-gisch gleichgestimmten Resonanzboden finden."
2. Die Diskussion um die Hochschul-und Bildungsreform wurde nach jahrelangen Vorlagen von Konzepten und Denkschriften insbesondere durch die Studentenschaft in eine breitere Öffentlichkeit getragen. Parlament und Regierung wurden unter Zug-zwang gesetzt. Die Bildungsreform wurde zum Tagesereignis.
3. Die Tatsache, daß die studentische Bewegung sich nicht allein auf hochschulpolitische Probleme beschränkte, hat dem gesellschaftspolitischen Denken starke Impulse gegeben. Es ist in vielen Gebieten ein Abbau von Psychologisierungs-und Individualisierungstendenzen zu verzeichnen
Jedoch läßt sich ein Trend sehr deutlich ablesen: es ist die Ablehnung der traditionellen liberalen Ordnungsvorstellungen. Schließlich ist es besonders auffallend, daß die jugendlichen Protestgruppen einer . Neuen Linken'angehören, zumindest aber fast alle Linkstendenzen aufweisen. Deutungen der Protestbewegung gingen sogar so weit, die Jugendrevolte als solche als einen Zweig des Sozialismus zu bezeichnen, als eine neue sozialistische Bewegung, die konservative Sozialisten ebenso wie Kapitalisten als Herausforderung ansehen müssen
Inzwischen hat sich die Szene der Außerparlamentarischen Opposition in den letzten zwei Jahren gewandelt: der SDS besteht ebenso wie der AUSS nicht mehr. Darüber hinaus ist es auch um die Republikanischen Clubs, die Kampagne für Demokratie und Abrüstung und andere Gruppen stiller geworden
„Die Linken in den traditionellen Jugendverbänden bestimmen mittlerweile auch die Politik der Landesjugendringe und des Deutschen Bundesjugendringes."
IV. Zur Reaktion der Jugendverbände auf die Herausforderung der Protestbewegung
1. Zwischen Verhaltenskonformität und Protest Uber die sozialistische bzw. sozialdemokratische und gewerkschaftliche Jugendarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist gesagt worden: „An die Stelle des radikalen Umsturzes ist das Ziel getreten, die heutige Gesellschaft im konkreten Sinn zu verändern, und der Bereitschaft der Erwachsenen-Organisationen, die Jugendverbände gelten zu lassen, entspricht der Verzicht der Jugendorganisationen auf die absolute Auflehnung."
Unter öffentlicher Meinung verstehen wir Prozeß und Ergebnis der Meinungsund Willensbildung der Bevölkerung. Dies wird formell in Form politischer Akte beispielsweise bei Wahlen sichtbar. Außerordentlich wichtig ist aber auch der Bereich der Meinungsbildung, der durch die Massenmedien beeinflußt oder gesteuert wird. Wenn wir an dieser Stelle mit einigen Beispielen auf das Verhältnis von Presse, Öffentlichkeit und Jugendverbandsarbeit eingehen, so legen wir folgende These zugrunde: Die Inhalte des Massenkommunikationsmediums Presse verstärken die im öffentlichen Raum bereits vorhandenen Wertorientierungen, bieten vor allem das an, was schon sanktioniert ist und verstärken damit konformistische Tendenzen. Öffentliche Meinung, bei der das Publikum als kritisches Subjekt aktiv diese bestimmt, wird in diesem Fall reduziert. Auch die Jugendverbände handeln nicht als isolierte Gruppen, sondern sind im gesellschaftlichen Raum in vielfacher Hinsicht mit anderen Institutionen und Organisationen verbunden, in diese integriert und in bestimmte Funktionszusammenhänge eingeordnet, wie dies gezeigt wurde. Durch die Verbindung der Jugendorganisationen mit Erwachsenenverbänden und durch die Leitung der Jugendarbeit durch Erwachsene sind sie besonders von der öffentlichen Meinung abhängig. Die Bereitschaft, die Jugendverbände auch finanziell zu unterstützen, ist gebunden an Vorstellungen von dem, was Jugendverbände tun und lassen und welche Aufgaben sie wahrnehmen sollten. Um die Interessen der Jugendverbandsarbeit durchsetzen und um erwarten zu können, daß die Öffentlichkeit sie als legitim, nützlich und sinnvoll ansieht, müssen bestimmte Erwartungen dieser Öffentlichkeit beachtet werden. Diese artikulieren sich unter anderem in der Presse. Von der Bekanntheit der Jugendarbeit in der Öffentlichkeit muß angenommen werden, daß sie außerordentlich gering ist. Für Eltern stützt sich diese Behauptung auf die festgestellte Unsicherheit im Erziehungsverhalten und der geringen Neigung, sich im Normalfall in das pädagogische Geschehen anderer Sozialisierungsträger einzuschalten
Die Jugendhilfe allgemein und die Jugendverbände im besonderen haben dies erkannt und seit einiger Zeit ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt
Werden jedoch auf überregionalem Gebiet Berichte über die Jugendarbeit veröffentlicht, dann zeigen sich Tendenzen, die die eingangs aufgestellte These stützen. Dazu zunächst einige Beispiele: Im Jahre 1965 beschäftigte ein . Fall'weite Kreise der katholischen Jugendarbeit und Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen Beiträge in den Verbandszeitschriften der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und der Jungengemeinschaft im Bund Neudeutschland (ND). In einem Heft des letztgenannten Verbandes wurde kurz vor der Bundestagswahl ein vierseitiges Interview mit dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedens-Union (DFU) unter dem Titel: „Die Alternative?" veröffentlicht; das gleiche Heft brachte einen Beitrag zum Thema Sexualerziehung mit der Aufmachung: „Das Weib wird dir den Kopf zertreten — oder die Suche nach einer neuen Moral"
Mit den Begriffen . Jugendbewegung'und . Bund'werden die Jugendverbände in diesen Angriffen unter Gesichtspunkten der vergangenen deutschen Jugendbewegung beurteilt. Daneben klingen aus pädagogischen Traditionen stammende Bewahrungstendenzen an. In diesen Beiträgen wird das Bild des . Jugend-gemäßen', das Schelsky als typisch für die Haltung der Erwachsenengeneration der fünfziger Jahre herausgestellt hat, wieder reproduziert
Eine politische Betätigung durfte zudem nur im Rahmen der bestehenden konformen Erwartungen stattfinden. Wandte man sich einerseits gegen ein autonomes Jugendreich, so war es doch immer noch die Vorstellung von einem relativ abgegrenzten Jugendraum, welche die Erwartungen der Öffentlichkeit leitete. Auch die Jugendverbände selbst haben zu dieser Erwartung eines konformen Verhaltens beigetragen. So hieß es noch 1962 zum Selbstverständnis der Mitgliedsverbände des DBJR: „Die Jugendverbände verstehen sich als Glieder der Gesellschaft. Sie sehen ihr Aufgabenfeld im außerschulischen Erziehungs-und Bildungsbereich. Sie erfüllen bewußt eine ergänzende Erziehungsfunktion neben Elternhaus und Schule und isolieren sich nicht vom gesellschaftlichen Leben. Ein . autonomes Jugendreich'wird nicht angestrebt."
Vergleicht man diese Aussagen mit denen nach der jugendlichen Protestbewegung, so ist auffallend, wie sehr die Verbände noch vor kurzer Zeit bemüht waren, ihr Integriertsein zu betonen und sich gegenüber der Jugendbewegung abzusetzen. Die Zeitungsartikel veranlaßten die Jugendverbände zu öffentlichen Stellungnahmen und Dementis. Selbst wenn die in dem zitierten Beitrag vertretene Sexual-moral von der Verbandsführung unterstützt worden wäre, hätte sie dies niemals in der Öffentlichkeit direkt zum Ausdruck bringen können. Durch die Reaktion der Verbands-spitzen wird die aufgestellte Behauptung bestätigt: Die Abhängigkeit der Verbände von der Öffentlichkeit, d. h. von den Vorstellungen der Erwachsenenverbände, von der damit zusammenhängenden staatlichen Förderung u. a. m. ist größer als die von den eigenen Verbandsmitgliedern. Auf die öffent liehen Angriffe mußte man sofort antworten, um seine Position nicht zu gefährden
Besonders auffallend ist die Tatsache, daß die Presse zumindest auf überörtlicher Ebene zumeist Negativdokumentationen über die Jugendarbeit gibt, d. h. es werden Fälle abwei-
chenden Verhaltens dargestellt, um zu zeigen, wie es nicht sein soll, ob es sich dabei um ab-
schreckende Beispiele von Orgien eines Jugendpflegers mit Minderjährigen handelt oder um infame Verbindungen von kriminellen Delikten mit der pädagogischen Arbeit in einem Haus der Offenen Tür
Die jugendliche Protestbewegung brachte die Jugendverbände nun in eine außerordentlich schwierigen Lage: Einerseits richteten sich die Erwartungen der Öffentlichkeit auf konformes Verhalten
Die ersten Reaktionen der Jugendverbände auf die jugendliche Protestbewegung stellten sich als zögernde Vermittlungsversuche und Aufrufe zur Mäßigung nach der einen wie der anderen Seite hin dar. Es war weniger eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Problemen der Protestbewegung selbst, vielmehr handelte es sich um den Versuch, sich als jugendpolitischer Gesprächspartner zu bestätigen, und dies gerade in bezug auf die jugendliche Protestbewegung, die die Jugendverbände als politischen Machtfaktor offensichtlich nicht ernst nahm, denn sonst wären auch sie als Bestandteil des Establishments zu Objekten des jugendlichen oppositionellen Verhaltens geworden. Stettner meinte zu Recht, ihre politische Bedeutungslosigkeit oder Bewußtlosigkeit habe sie davor bewahrt
Die erste Reaktion auf die Protestbewegung war mehr eine Reaktion der Verbandsführungen auf außerhalb der Jugendverbände ablaufende Erscheinungen. Der damalige Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Deutschlands — Die Falken —, Heinz Westphal, hatte bei einem Grundsatzgespräch des Bundesjugendringes 1954 gesagt, wenn es je wieder so etwas wie eine Jugendbewegung geben sollte, dann würde sie außerhalb der Jugendverbände entstehen
Verläßt man die von pädagogischen Traditionen gestützte Gemeinschaftsideologie, die immer den Hang zur Isolierung und Abkapselung von den gesellschaftlichen Vorgängen und Prozessen in sich trug, dann können die Jugendverbände nicht länger politisch neutral sein. In einer Erklärung des Bundes Deutscher Pfadfinder heißt es dazu: „Der BDP muß sich politisch engagieren für eine ständig sich wandelnde, offene Gesellschaft, die fortschreitet zur immer größeren Freiheit des einzelnen und zur Gleichberechtigung aller, für eine Gesellschaft, in der die Diskussion auch von unten nach oben gesichert ist und in der die Diskussion Veränderung bewirkt."
Ein politisch-gesellschaftliches Verständnis der Rolle der Jugendverbände schließt eine seit Jahren gestellte — immer wieder aber zurückgestellte — Frage ein: „Sind die Jugendverbände demokratisch? ”
Auch die Gewerkschaftsjugend meldete ihre Forderungen nach Mitbestimmung an. Die in den letzten Jahren vorgenommenen Etat-kürzungen und andere politisch zu verstehende Maßnahmen haben die Auseinandersetzungen zwischen DGB und Jugendkonferenzen verschärft. In einem Flugblatt der Delegierten einer Landesjugendkonferenz des DGB an die Delegierten des 8. ordentlichen DGB-Bundeskongresses 1969 heißt es: „Es ist für die Gewerkschaftsjugend schwierig, nach außen für die Mitbestimmung zu kämpfen, wenn man sie ihr innerhalb der Organisation verwehrt."
Entwicklen sich diese Ansätze weiter und werden die Jugendlichen in den Verbänden ihre Forderungen in Zukunft freier und damit deutlicher vortragen, dann wird dies nicht ohne Widerstand und Konflikte seitens der Erwachsenenorganisationen und der staatlichen Förderung gehen. Das extreme Beispiel des SDS hat diese Konflikte schon einmal Wirklichkeit werden lassen.
In vielen Jugendverbänden hat man inzwischen damit begonnen, durch Satzungsänderungen die Entscheidungen der Leitungsstellen auf eine größere Basis zu stellen und durchsichtiger zu gestalten, um eine Demokratisierung der Verbandsstrukturen zu erreichen. Die Demokratisierung wird bis jetzt vor allem besonders stark zwischen den mittleren und höheren Ebenen spürbar
Wird die Einführung der Jugendlichen in die Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit bestehenden Normen als kontinuierlicher Prozeß verstanden, dann muß auch der Leitungsstil in den Jugendgruppen fortschreitend demokratisches Bewußtsein ermöglichen. Nur auf diesem Wege können die Jugendverbände wieder von den Jugendlichen als ihre Verbände akzeptiert werden. Wie wenig dies bislang der Fall war, zeigt eine Studie von Müller u. a. in bezug auf Berlin. In dieser Studie stellte man fest, daß die nichtorganisierten Jugendlichen in den organisierten meist das Bild einer um gewisse jugendliche Züge ange-
reicherten Erwachsenengeneration sehen, daß sie die Jugendverbände nicht als ihre Verbände, sondern als Instrumente der Erwachsenenwelt betrachten
Die Bemerkung, daß die Jugendpflege darum bemüht sein müsse, Jugendliche nicht merken zu lassen, daß sie Gegenstand der Jugend-pflege sind, muß im Sinne einer demokratischen Erziehung als gefährlich und unzuträglich bezeichnet werden
Die Frage nach der Interessenvertretung wird in dem zitierten Aufsatz noch in einer anderen Weise . beantwortet'. Es heißt dort, daß den Gliedgemeinschaften, d. h. also den Mitglieds-verbänden des BDKJ primär die Erziehungsaufgabe und dem Dachverband die Interessenvertretung zukommen. Hier deuten sich ebenfalls wieder Entwicklungen an, die einer Demokratisierung der Jugendverbände zuwiderlaufen könnten. Bildungsprozesse und Interessenvertretung müssen als unmittelbar miteinander verbunden angesehen werden. Die bereits kritisierte Interessenvertretung und Politik, die sich nur in den Verbandsspitzen abspielt, kann und darf nicht Ziel einer demokratischen Jugendarbeit sein. Erst wenn Abhängigkeiten abgebaut sind (oder wenn dies nicht möglich ist, offengelegt werden), kann sich die Eingebundenheit von Jugendverbänden in größere Kooperationszusammenhänge voll zum Nutzen der Jugendlichen auswirken: „.. . die Zugehörigkeit zu einem Gesamtbund, dem auch Männer und Frauen angehören, ermöglicht in manchen Jugendverbänden das unmittelbare Austragen von Spannungen und Konflikten zwischen Jugendlichen und Erwach-senen."
Die hier als Faktizität verstandene Formulierung trifft nicht die Wirklichkeit, auch dort nicht, wo derartige Kooperationszusammenhänge bereits existieren: dort wurde und werden bislang Spannungen und Konflikte vermieden. Einen katalysierenden Effekt hatte — das kann man ohne Zweifel schon jetzt in der Jugendarbeit feststellen — die Protestbewegung auf die Entwicklung der koedukativen Arbeit. Inzwischen haben Jugendverbände, die bisher schon gleiche Ziele verfolgten, jedoch nach Geschlechtern getrennt arbeiteten, gemeinsame Organisationen gebildet. Audi eine Zusammenarbeit war durchaus nicht immer selbstverständlich: noch vor einem Jahr galt eine gemeinsame Werkwoche mit Schülern und Schülerinnen als . Experiment
Bei den Überlegungen zur Demokratisierung der Jugendverbandsarbeit blieb ein Bereich bisher unerörtert: der der staatlichen Förderung. Auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Normenkontrollklagen und Verfassungsbeschwerden zu Bestimmungen des JWG ist Mitte der 60er Jahre auch eine Neuordnung des Bundesjugendplanes eingeleitet worden. Kern dieser Neuordnung ist eine restriktivere Auslegung der Bundes-kompetenz auf dem Gebiet der Jugendförderung
Nicht allein um der Demokratisierung der Jugendverbandsarbeit willen, sondern auch um das zuständige Ministerium von un-eigentlichen Aufgaben zu befreien und damit zu befähigen, wichtige Kräfte in die Entwicklung einer Jugendpolitik zu investieren, wäre die Einrichtung einer Stiftung sinnvoll. Sie müßte paritätisch besetzt werden und könnte unabhängig von der jeweiligen Regierungspolitik und wesentlich kontinuierlicher die Förderung der Jugendverbände übernehmen, da sie nicht an jährliche Etatdebatten und an das immer wieder auftretende Tauziehen in den Vertretungsgremien gebunden wäre. Eine solche Neuordnung erscheint allerdings erst dann sinnvoll, wenn sie in ein allgemeines jugendpolitisches Konzept eingebunden werden könnte. Aus diesem Konzept heraus wäre ein angemessenes pragmatisches Operationsmodell zu entwickeln, in dem sich die einzelnen Instanzen um Klärung des Gesamtzusammenhanges der jugendpolitischen Planung bemühen und zunächst die differenzierten Interessenstrukturen zwischen staatlichem Förderer und gesellschaftlichen Zuwendungsempfängern freilegen
V. Jugendforschung, Jugendarbeit und Jugendpolitik
1. Zur Situation der Jugendforschung in bezug auf die Probleme der Jugendverbandsarbeit Die jugendliche Protestbewegung, speziell die politisch orientierte, kam nicht nur für viele Politiker und Wissenschaftler, sondern auch für die Jugendverbände recht überraschend. Die Ursachen dieser jugendlichen Ausbruchsversuche sind bis jetzt noch nicht ausreichend geklärt. Das Unverständnis und die Hilflosigkeit der Jugendverbandsarbeit wie auch der Politik diesen Erscheinungen gegenüber deutet wohl auf Mängel in der wissenschaftlichen Jugendforschung, der Erforschung der Jugendarbeit selbst und der wissenschaftlichen Politikberatung hin. Es scheint deshalb angebracht, das Verhältnis der Jugendforschung zur Jugendarbeit und zur Jugendpolitik zum Schluß noch näher zu betrachten.
Bei der Vielzahl der Fragestellungen, Untersuchungsmethoden, Gesamtdarstellungen und theoretischen Entwürfe fällt es schwer, unter einheitlichen Gesichtspunkten die Lage der Jugendforschung darzustellen. Vorherrschend waren seit dem Krieg in der deutschen Jugend-forschung ohne Zweifel soziologisch orientierte Fragestellungen. Dabei ging es insbesondere darum, die für die Generation der Erwachsenen beunruhigende und für sie oft unverständliche Andersartigkeit der Jugend, die Schelsky dann unter Inanspruchnahme geschichtsphilosophischer Denkformen unter einem universal-historischen Gesichtspunkt darzustellen versuchte, zu klären.
In eigenartiger Weise ging das schon dargestellte konservative Denken mit der Erwartung einher, die Jugend müsse doch eigentlich so sein, wie sie vor dem Nationalsozialismus gewesen war. Daß die Wirklichkeit offensichtlich anders war, gab Veranlassung, vor allem über die Leitbilder der Jugendlichen, ihre veränderten Lebensgefühle und Gesellschaftsvorstellungen und zunehmend über ihre politischen Einstellungen Untersuchungen durchzuführen. Man kann deshalb behaupten, daß bei den meisten Jugenduntersuchungen der letzten zwanzig Jahre „weniger wissenschaftlich-theoretische Fragestellungen im Vordergrund stehen, als vielmehr bestimmte Erwartungen, die man der Jugend gegenüber hegt, oder auch Enttäuschungen, die man erlebt hat"
Bestand einerseits die — von Rosenmayr wohl übertrieben dargestellte — Gefahr, daß „ Zeit-geist'-Diagnosen oder , epochaltheoretische'Betrachtungen die notwendigen soziologischen Differenzierungen und die wissenschaftlichen Ursachenerkenntnisse zugunsten einer mehr oder minder . intuitiven Schau'“ zurücktreten lassen, so muß für die deutsche Jugendforschung im Gegenteil eine Schlagseite zur Methodik der reinen Meinungsforschung konstatiert werden
Die Datenfülle, die uns bis heute über . Jugend'vorliegt, führte häufig (wie in Reaktionen auf den Jugendbericht) zum Eindruck, daß über diese Jugend doch schon viel, um nicht zu sagen schon alles Notwendige, gesagt sei. Auswirkung der Datenfülle ist selbst in geschlossenen Publikationen wie der Blüchers, daß mehr , Sowohl-Als-auch-Aussagen zu finden sind, als daß spezifische Fragen dann auch genauer beantwortet werden
Während die Jugendforschung in den letzten Jahren an Umfang stark zunahm, sind spezielle Bereiche, so beispielsweise die Jugendarbeit, weitgehend unberücksichtigt geblieben. Angesichts der von Eisenstadt herausgearbeiteten Bedingungen der Entstehung altershomogener Gruppen in der modernen Gesellschaft, der unter anderem als Reaktion auf diese gesellschaftliche Entwicklung interpretierbaren privaten und öffentlichen Bemühungen auf dem Gebiete der Jugendpflege und angesichts der Tatsache, „daß die Sozialisierung des Jugendlichen heute wesentlich in jugendlichen Gruppen und durch ihre Teilkultur bewerkstelligt wird" — wie Tenbruck behauptet
Diese Lage ist jedoch nicht allein kennzeichnend für die empirische Forschung auf diesem Gebiet, auch eine pädagogische Theorie der Jugendarbeit steckt noch in den Anfängen, sieht man einmal von den zahlreichen . theoretischen Beiträgen'im Bereich praxisorientierter Publikationen der einzelnen Träger der Jugendarbeit über die Begründung und das Selbstverständnis ihrer Arbeit ab. Was über die Jugendhilfe gesagt wurde, kann auch für das Gebiet der engeren Jugendarbeit festgestellt werden: „Die Grenzen zwischen dem faktischen Geschehen in der Jugendhilfe-Praxis, den aktuellen Weltanschauungen und den möglicherweise wirksamen Weltanschauungen werden in der internen Jugendhilfediskussion beständig verwischt und ignoriert."
Daß die Jugendarbeit nicht viel oder gar nichts über das weiß, was eigentlich in ihrem Bereich vor sich geht, kann nur zum Teil der Jugend-forschung angelastet werden, vielmehr standen besondere Einstellungen in der Jugendarbeit selbst dem im Wege. Die Jugendpflegewar — historisch gesehen — von Beginn an sehr stark von weltanschaulichen, religiösen oder politischen Werthaltungen motiviert. Gerade die recht emotional bestimmte deutsche Jugendbewegung und deren Aversion gegen jegliches . Theoretisieren'haben die Tendenzen, die Handlungen primär von derartigen Werten bestimmen zu lassen, noch verstärkt. Gerade für das Feld konfessioneller Jugend-pflege gilt die Feststellung einer Vernachlässigung wissenschaftlicher, besonders empirischer Forschung zugunsten theologischer und sozial-ethischer Ausrichtung und Begründung. Die Abnahme einer weltanschaulich-ethischen Fundierung des Handelns in der Jugendpflege und Jugendarbeit bedeutete dann eine verstärkte Hinwendung zu Methoden, die jedoch nur zum Teil auf exakten wissenschaftlichen Ergebnissen beruhten. Immer noch richtete sich sich die Aufnahme dieser Methoden und Erkenntnisse nach einem besonderen Wissenschaftsverständnis, wie es Peters für die Sozialarbeit dargestellt hat
Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie eine auch in der Jugendarbeit stark verbreitete Gruppendynamik die gesellschaftlich-politischen und strukturellen Determinanten ausblendet und damit sozusagen nichts anderes mehr darstellt, als zwar gruppenvermittelte, aber . individuell-psychische Lockerungsübung'— und schließlich eine, noch weniger als bei den früher vorherrschenden Motiven durchschaubare ideologisch-moralische Aufrüstung in neuem Gewände
Die bisher veröffentlichten Arbeiten über Jugendverbände gehen kaum über das hinaus, was bereits an Vermutungen und Hypothesen im Bereich praxisorientierter Publikationen der Verbände gesagt wurde. Sehen wir von der kürzlich erschienenen Vorstudie von Mollenhauer und Mitarbeitern ab
Bei der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes im Jahre 1961 wurde die Bundesregierung gemäß § 25 Abs. 2 verpflichtet, alle vier Jahre, erstmals zum 1. Juli 1963 Bundestag und Bundesrat einen . Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe'vorzulegen. Allein die verspätete Vorlage des ersten Berichtes am 14. Juni 1965 zeigte die großen Schwierigkeiten, die bei der Zusammenstellung des Berichts und der notwendigen wissenschaftlichen Voruntersuchungen entstanden waren. Neben der Beratung durch das 1955 errichtete Bundesjugendkuratorium sollte der Jugendbericht Grundlagen für eine jugendpolitische Diskussion schaffen und zugleich eine Art wissenschaftliche Beratung darstellen. Nun bestanden bei der Jugendhilfe zu hohe Erwartungen an den Jugendbericht, die darauf zurüdezuführen sein mögen, daß die Jugendhilfe selbst an Unterlagen interessiert war. *
Viele erhofften vom Jugendbericht nicht nur Aufschluß über das eigene Tun, sondern offenbar auch moralische Appelle an die Öffentlichkeit: „Interessant muß der Bericht sein, spannend muß er sein, aufrüttelnd muß er sein: ein Appell an das Gewissen und an das Handeln! Damit er gelesen wird!"
Wir greifen zur Unterstreichung dieser Stellungnahme, insbesondere zur Behauptung einer wissenschaftlich unzuverlässigen Darstellung, einen besonders problematischen Bereich der Jugendhilfe heraus. Die dem Abschnitt . Behinderte Kinder und Jugendliche'zugrunde liegende wissenschaftliche Untersuchung von Bracken stellt resümierend zum Problem der Betreuung entwicklungsgestörter Jugendlicher fest: „Gegenwärtig bietet die entwicklungsgestörte Jugend das Bild eines massiven Notstandes — sowohl in sozialer Hinsicht als auch in bezug auf ihre Bildung. In der Heilpädagogik war Deutschland früher einmal die führende Nation. Es war nicht zuletzt die Macht der Vorurteile gegen die Behinderten, die uns in der Forschung zurück-geworfen und unsere Nation geradezu in Verruf gebracht hat."
Der Jugendbericht machte offenbar, daß es so gut wie keine zuverlässigen statistischen Angaben über das Gebiet der Jugendhilfe gibt. Die Aussagen der wissenschaftlichen Expertisen basieren zum Großteil auf den internen Angaben der verschiedenen Träger der Jugendhilfe, wobei die Angaben der Verbände unter verbandspolitischen Gesichtspunkten nur mit Vorsicht übernommen werden können. Die Unzulänglichkeiten des ersten Jugendberichtes, von denen hier nur andeutungsweise die Rede sein konnte, haben dazu geführt, daß der Auftrag des Jugendwohlfahrtsgesetzes geändert wurde. So sollen sich die Jugend-berichte in Zukunft nur auf einen Teilbereich der Jugendhilfe beschränken, was beim zweiten Bericht schon der Fall war. Ferner wird der Bericht von einer von der Bundesregierung berufenen Kommission erstellt. Damit wird einerseits eine Überforderung, andererseits eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet.
Das Aneinanderreihen von Themen und Problemkreisen, das den ersten Bericht zu einem Konglomerat von Daten und Fakten werden ließ, bestimmte jedoch auch den zweiten Jugendbericht, der sich unter anderem mit den Mitarbeiterfragen der Jugendhilfe befaßte. Die auch hier vorgetragene Formel von der . Einheit der Jugendhilfe'kann angesichts die-ser Tatsachen nur als Leerformel bezeichnet werden
Wir halten dafür, die wissenschaftliche Beratung nicht mit der Beratung durch die Praxis institutionell zu verbinden. Die Gegenüberstellung von Wissenschaft und Praxis auf der einen und der Politik auf der anderen Seite scheint nicht sinnvoll. Die wissenschaftlichen Argumente werden allzuleicht verfälscht oder die Wissenschaftler unterliegen einer . Vermachtung'durch die Praxis. Wir halten ein Dreiecksverhältnis zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik für günstig. Damit sind wesentlich mehr gegenseitige Korrekturmöglichkeiten gegeben. Ein derartiges Verhältnis würde für das Bundesjugendkuratorium eine strikte Beschränkung auf die Interessenvertretung bzw. auf eine Beratung durch die Interessenvertreter bedeuten. Daneben ist eine gemischte wissenschaftliche Kommission einzurichten. Unter Abstimmung zwischen Bundesjugendkuratorium, Regierung und wissenschaftlichem Beirat könnten von diesem Gremium spezifische Probleme zum Schwerpunkt von Expertisen gemacht und einer Sachverständigenkommission, die jeweils neu zusammengestellt wird, übergeben werden, über diesen Weg könnte dreierlei möglich werden: eine versachlichte Diskussion über die Forderungen der Jugendhilfe an die Politik, eine Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten für die Aufgaben der Jugendhilfe und ein Aufbrechen der durch traditionelle Verfestigungen in der öffentlichen wie privaten Jugendhilfe verdeckten Probleme
Schluß: Die Zukunft der Jugendverbandsarbeit
Da Jugendarbeit eine Freizeitinstitution ist, darf in ihr kein Druck oder Zwang ausgeübt werden, „weil die Jugendlichen sonst aus dem Feld der Jugendarbeit entweichen würden"
Jugendarbeit entstand dort, wo Schule und Familie keine ausreichenden Voraussetzungen für die Eingliederung der Jugend in die Gesellschaft mehr bieten konnten. Angesichts der jugendlichen Protestbewegung muß man feststellen, daß die traditionelle Jugendverbandsarbeit offensichtlich dieses . erzieherische Brachfeld'nicht ganz auszufüllen vermochte. Es mag einerseits gewiß beruhigen, daß die Phantasie jugendlicher Ausbruchsversuche doch der . Weisheit der Pädagogen, Politiker, Psychologen und Soziologen der Anpassung'— wie Schelsky einmal formulierte — überlegen ist
Die Diskussion in der Jugendverbandsarbeit läßt darauf schließen, daß sich die Jugendverbände in ihrer Struktur und in ihrer methodischen Arbeit verändern. Die Professionalisierung, die Mitarbeit hauptamtlicher Kräfte im Bereich der Jugendverbandsarbeit schreitet voran. Da offene Jugendarbeit Angebot ist, muß unter den jetzigen Bedingungen ein geschultes Fachpersonal dieses Angebot ermöglichen. Dieser . Institutionalisierung'auf der einen Seite entspricht eine Lockerung auf der anderen Seite: immer häufiger fällt in der Jugendverbandsarbeit das Wort vom Jugend-club. Damit entwickelt sich der Verband zum Jugendpflege-Management und der Charakter der Jugendverbände als Mitgliederbewegung nimmt ab. Geschlossenere Formen der Jugend-verbandsarbeit, seien sie weltanschaulich, berufsständisch oder politisch orientiert, werden in kleinem Ausmaß dann Chancen haben, wenn sie sich in besonderem Maße profilieren. Dazu fehlt in den Verbänden meist der Mut: weil man damit in finanzielle Krisen geraten würde und weil Organisationen nun einmal danach tendieren, ihre eigene Struktur aufrechtzuerhalten. Sind die Bindungen an gesellschaftliche Großorganisationen nicht allzu stark, so lägen hier Chancen einer verstärkten Eigenbewegung der Jugend. Eine Parteinahme für die Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen ist dabei ebenso unabdingbare Voraussetzung wie eine unmittelbare Verbindung von Lernprozessen und eigener jugendlicher Aktivität im gesellschaftlichen Bereich
Um die staatlichen Förderungen dieser Aktivitäten in der für die Emanzipation der Jugend rechten Weise lenken zu können, ist es unseres Erachtens notwendig, die verschiedenen politischen Maßnahmen auf den Gegenstand . Jugend in der komplexen, industriellen Gesellschaft'zu zentrieren und auf dem Hintergrund einer Gesellschaftspolitik ein Konzept für ein politisches Handeln in bezug auf die Jugend zu entwerfen. Es ist für Gesellschaften, die sich im geplanten Umbruch befinden, oder gesellschaftliche Ordnungen verändern wollen, kennzeichnend, daß sie eine jugendpolitische Konzeption besitzen