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Jugendverbandsarbeit und Protestbewegung der Jugend | APuZ 30/1971 | bpb.de

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APuZ 30/1971 Jugendverbandsarbeit und Protestbewegung der Jugend

Jugendverbandsarbeit und Protestbewegung der Jugend

Bruno W. Nikles

/ 112 Minuten zu lesen

Einleitung

Inhalt

. Eigentlich müßten die Jugendfunktionäre es geradezu erträumt haben. Da kommt eine neue Jugendbewegung über das Land. Junge Menschen brechen aus den Konventionen des bürgerlichen Lebens aus, pfeifen auf das Karrieredenken ihrer Väter und widmen der Jagd nach den Statussymbolen nur noch ein müdes Lächeln. Dabei geht es dieses Mal gar nicht um die Flucht aus der Realität. Im Gegenteil: Die Ziele sind politischer Natur, die Gesellschaft soll nicht verlassen, sondern geändert werden, die blaue Blume ist nicht gefragt, dafür aber die radikale Demokratisierung des Lebens. Und nun ist plötzlich auch alles wieder da, über dessen Abwesenheit man bislang mit bewegten Worten klagte: der Mut zum Engagement, der Wille zum kritischen Mitdenken, die Bereitschaft zum Opfer und zur Bindung an eine Gemeinschaft. Eben war da noch das Gerede der Soziologen über die angepaßte Jugend, jetzt ist alles wie weggewischt. Und auch das ist keine Frage: daß hier ein beachtlicher Teil der jungen Intelligenz auf die Straße geht, also Menschen, die bei Wohlverhalten um ihre Karriere nicht bange sein müßten. Nur einen Haken hat die Geschichte für ehemalige und gegenwärtige Jugendfunktionäre: Sie spielt sich gänzlich außerhalb der etablierten Jugendorganisationen ab. Der Bundesjugendring ist vermutlich nicht gefragt worden, ob er die Organisation der neuen Bewegung übernehmen wollte.“

Es sind inzwischen drei Jahre vergangen, seit mit diesen recht salopp formulierten Bemerkungen die Situation der Jugendverbände angesichts der jugendlichen Protestbewegung so treffend charakterisiert wurde. Der Text spiegelt in recht typischer Weise die Reaktion der Jugendverbände wider: die Überraschung der Funktionäre, die gar nicht an die klassische Jugendbewegung erinnernde neue Stoß-richtung dieser . zweiten Jugendbewegung', das Unverständnis, das die Jugendforschung hinterlassen hatte, und schließlich die neidischen Seitenblicke der Verbandsspitzen auf die Aktivitäten der freien, oft politisch sehr stark engagierten Gruppen und deren außerordentlich starke Publizität. Die Protestbewegung in ihrer manifesten Phase ist vorbei, die aktuelle Provokation für die Jugendverbände in der Bundesrepublik ebenfalls. Unsere Überlegungen gehen zurück, versuchen aufzuarbeiten, welche historischen Bindungen die Jugendverbände besitzen, unter welchen strukturellen Bedingungen sie gearbeitet haben und wie diese Situation das Verhalten der Verbände auf die Herausforderung der protestierenden Jugend beeinflußt haben könnte. Dies ist sicherlich nicht der einzige, wohl aber ein möglicher Weg, um zum Schluß die Frage nach der Zukunft der freien Jugendarbeit zu stellen, die — so meinen wir — mehr denn je in Frage gestellt ist.

I. Historischer Rückblick

er Rückgriff auf die Jugendbewegung ist für ie Beurteilung der Entwicklung der Jugendyerbandsarbeit deshalb von besonderer Be-

eutung, weil hier das Verhältnis von freien Jugendgruppen zur Jugendpflege sichtbar wird und die zunehmende Hineinnahme der Jugendbewegung in festgefügte Formen der Jugendarbeit und Jugendpflege verdeutlich werden kann. Wer sich mit der deutschen Jugendbewegung beschäftigt, steht vor einer fast unübersehbaren Fülle von Selbstzeugnissen, Quellen, Dokumenten und Darstellungen, die auf die Vielschichtigkeit der Bewegung hindeuten. Ebenso reichen die Einstellungen zu dieser Bewegung von einem glühenden Verfechten bis hin zu harter und vernichtender Kritik. Es ist deshalb recht schwierig, eindeutige Aussagen zu treffen. Immerhin, wenn man versucht, bestimmte Generationsgestalten der Jugend herauszuarbeiten, so kann man mit Schelsky darin einig sein, daß in der Jugendbewegung so etwas wie eine „erste formierte Generationsgestalt der Jugend“ vorliegt Hier wurde wohl erstmals ein Vorgang ins allgemeine Bewußtsein gehoben, den wir mit Eisenstadt als die Entstehung alters-homogener Gruppen in komplexen Gesellschaften bezeichnen können 1. Die junge Generation zwischen Jugend-bewegung und Jugendpflege Was wir heute unter dem Begriff . Jugend-bewegung'zusammenfassen, bestand in der Wandervogelzeit zunächst, wie es einmal formuliert wurde, , in aller Einfachheit aus sich selbst', ohne programmatische Erklärungen oder besonders abgefaßte Manifeste. Ein gutes Dutzend Jahre nach der Gründung des Wandervogels am November 1901 war aus dem . Ausschuß für Schülerfahrten'eine Bewegung geworden, die verschiedenen Quellen zufolge zwischen 25 000 und 50 000 Jugendliche umfaßte 4). Die rasche Ausbreitung der kaum formulierten Ideen zeigt, daß die Zeit für diese Bewegung . reif'gewesen sein muß. „Der Ursprung der Jugendbewegung beruht in der ersten generationshaften Enttäuschung an der Welt der Erwachsenen, an der alt-und hoch-bürgerlichen Welt der Jahrhundertwende, deren Werte und Institutionen, Vorurteile und Traditionen fadenscheinig werden gegenüber der modernen Gesellschaftsstruktur und Zivilisation, die sich in dieser Zeit immer unübersehbarer und wirkungsmächtiger herausbildet.“

Mag diese Interpretation nicht angemessen sein, so stellt sich doch im Verlauf dieser ersten, . klassischen'Epoche der Jugendbewegung bald ein aufbegehrender Zug und eine gewisse antizivilisatorische Haltung ein. Die Welt der Technik und Zivilisation, die den Menschen umgab, war immer differenzierter und unübersichtlicher, immer mächtiger und entfremdender geworden. In der Natur, die davon unberührt war, sah die Jugend Realisierungschancen einer neuen Form des ästhetischen Empfindens und Erlebens. „In der Jugendbewegung hat sich aber dieses Natur-erleben oft verbunden mit dem Glauben, der seine Eigenart verstellte: die Natur erschien nicht als Ausgleich, bezogen auf das Leben der Gegenwart, sondern als Flucht aus ihr.“ Die Jugend empfand, daß sich in der Massengesellschaft der Städte und ihrer autoritären, verlogenen Moral keine Spontaneität entwickeln konnte: Sie glaubte an eine neue Lebendigkeit, die sich in selbstverantwortlichem Leben in der Natur — im . eigentlichen'Leben — und im besonderen Miteinander der Gemeinschaft erschließen würde. In der Gemeinschaft, der Gruppe oder . Horde', fanden sie die in der Anonymität der Gesellschaft verlorengegangene Unmittelbarkeit des persönlichen Kontaktes.

Entscheidendes Merkmal der frühen Jugend-bewegung war die Tatsache, daß die Jugendlichen sich freiwillig den Wandervogelgruppen anschlossen und das Wanderer-und Gruppen-leben in eigener Verantwortung organisierten und lebten, unabhängig von Erwachsenenverbänden oder jugendpflegerisch tätigen Behörden Kennzeichnend war darüber hinaus neben der Flucht in die Natur eine bestimmte esoterische Haltung der Wandervogelgruppen gegenüber den übrigen Jugendlichen, sowie eine besondere Art des Führertums. Das Sendungsbewußtsein der Gruppen war bei den meist von der Gruppe gewählten Führern in besonderem Maße ausgeprägt. Wichtig war ferner, daß die Jugendlichen sich zunächst nicht durch Programme binden und festlegen wollten. Es war mehr eine innere Überein-stimmung, die die jungen Menschen miteinander verband. Noch 1913 formulierte man: „Unsere Stärke ist tatsächlich unsere Pro-grammlosigkeit, die Beschränkung auf das eine Wollen, die jungen Menschen für alle Lebensfragen und ihre späteren Aufgaben biegsam und frisch und frei von Vorurteilen und Ein-seitigkeit zu erhalten, vorerst nur ihrem Charakter, der Entwicklung ihrer Persönlichkeit zu dienen." Schließlich soll nicht vergessen werden hervorzuheben, daß die Bewegung anfangs vor allem von Schülern und Studenten getragen wurde und damit bei aller Ablehnung der bürgerlichen Welt der Erwachsenen selbst . bürgerlich'war.

Wehrte man sich einerseits gegen programmatische Aussagen, so bildete sich doch, besonders angeregt durch den Einfluß studentischer Gruppen, nach einigen Jahren so etwas wie eine Weltanschauung heraus. Ahlborn schrieb, daß die Hauptwurzeln der Freideutschen Bewegung in „einem Gegensatz zu Bestehendem" zu suchen seien Als Beispiel für die fortschreitende Ideologisierung und Verfestigung geistiger Strömungen kann man Belege aus dem literarischen und musischen Schaffen heranziehen. Es sei nur auf die Vorworte zu dem berühmt gewordenen Liederbuch , Zupf-

geigenhansl’ hingewiesen, die von der ersten zur neunten Auflage zunehmend nationalistische Tendenzen verraten

Auf dem Freideutschen Jugendtag 1913 wurde dann deutlich, daß die Bewegung schon aus zwei Richtungen Impulse erhielt: zum einen als Bewegung der Jugend selbst und zum anderen, verbunden mit schon recht ausgeprägten philosophischen und pädagogischen Überlegungen, als Bewegung älterer . Jugend-bewegter'oder der Bewegung nahestehender Personen. Gustav Wyneken und die pädagogische Reformbewegung gehörten dazu. Erstmals wird hier der Zugriff von Erwachsenen bemerkbar Im Aufruf zum Fest auf dem Hohen Meißner vom 11. bis 13. Oktober 1913, das vor allem von den studentischen Vereinigungen als oppositionelle Veranstaltung gegen die offiziellen Jahrhundertfeiern der Schlacht bei Leipzig betrachtet wurde, hieß es — und damit erhielt die Bewegung programmatische Züge —: „Die deutsche Jugend steht an einem entscheidenden Wendepunkt.

Die Jugend, bisher nur ein Anhängsel der älteren Generation, aus dem öffentlichen Leben ausgeschaltet und auf eine passive Rolle angewiesen, beginnt, sich auf sich selbst zu besinnen. Sie versucht, unabhängig von den Geboten der Konvention sich selbst ihr Leben zu gestalten. Sie strebt nach einer Lebensfüh-rung, die jugendlichem Wesen entspricht, die es ihr aber zugleich auch ermöglicht, sich selbst und ihr Tun ernst zu nehmen und sich als ein besonderer Faktor in die allgemeine Kulturarbeit einzugliedern." Mit derartigen Aussagen hatte sich die Bewegung ein gewisses Profil gegeben, und es gab in der Tat in der Öffentlichkeit Stimmen, denen diese Proklamation der Selbstbestimmung der Jugend gar nicht paßte: In der Öffentlichkeit wurde die Meißner-Tagung „den Erwachsenen in vielen Zeitungen als eine Kette von Exzessen der deutschen Jugend, von wilden Tänzen und fanatischen Gesängen dargestellt. Die Meißner-Formel selbst wurde als offener Aufruhr gegen Staat, Kirche und Elternhaus bezeichnet“ Die Jugendbewegung setzte zu einer Zeit ein, als es in Deutschland schon lange jugendpflegerische Aktivitäten gab. Die Entwicklung der Jugendpflege kann bis weit in das 19. Jahrhundert zurückverfolgt werden. Dabei ist die freie Jugendpflegearbeit wesentlich älter als die Bestrebungen im öffentlich-staatlichen Bereich. So geht die katholische Jugendpflegearbeit bis in die Zeit der Schüler-und Stu-dentenkonkregationen des 16. Jahrhunderts zurück. Besondere Impulse erhielt die Jugend-pflege insbesondere im 19. Jahrhundert durch die gesellschaftlichen Wandlungen, die eine Freisetzung der jungen Menschen als . Jugend'bedingten. Welche Bedeutung dieser Arbeit zukam, zeigt die Jahrhunderts zurück. Besondere Impulse erhielt die Jugend-pflege insbesondere im 19. Jahrhundert durch die gesellschaftlichen Wandlungen, die eine Freisetzung der jungen Menschen als . Jugend'bedingten. Welche Bedeutung dieser Arbeit zukam, zeigt die Zahl der Mitglieder, die sich um 1908 für die katholischen Jugendvereine auf etwa 240 000 belaufen haben dürfte 14). Als Zwecke wurden ausdrücklich genannt: die religiös-sittliche Charakterbildung, die allgemeine geistige Bildung und die fachliche Fortbildung, die wirtschaftliche Förderung durch die Einrichtung von Not-und Unterstützungskassen sowie gesellige Unterhaltung und Erholung. Offiziell eingeführt wurde der Begriff . Jugend-pflege'erstmalig — und damit kommen wir zum Bereich der öffentlichen Jugendpflege — in einem Erlaß des preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts-und Medizinalangelegenheiten vom 18. Januar 1911 15). Auch der Staat verband mit den Anstren Januar 1911 15). Auch der Staat verband mit den Anstrengungen auf dem Gebiet der Jugendpflege — wie aus den Erlassen nicht immer hervorgeht — besondere Interessen: vaterländische Gesinnung und Wehrtüchtigkeit standen im Katalog der Motive. „Für den einzelnen körperliche und sittliche Gesundheit, Freude an Natur und Kameradschaft, Geistesbildung und Arbeitstüchtigkeit für Stadt und Staat Gottesfurcht, Vater-landsgefühl, Gesetzestreue und Militärtaug-lichkeit, Minderung der Strafbaren, Geistes-schwachen und Kranken.“ 16) Und schließlich sah der Staat, daß die Jugendpflege nicht unbedingt im Sinne der herrschenden Auffassungen betrieben werden kann: Einen . Mißbrauch'der Jugendpflege sah er in den Einflüssen der sozialdemokratischen Bewegung, die er durch Unterstützung anderer Träger und Organisationen einzudämmen versuchte. Die Tatsache, daß der Staat gewisse Initiativen auf dem Gebiet der Jugendarbeit finanziell unterstützte, hat dann nach dem Ersten Weltkrieg zu einem gemeinsamen Vertretungsorgan der Jugendpflegeverbände einerseits und der freien Jugendverbände andererseits geführt, dem . Ausschuß der deutschen Jugendverbände'. Kommen wir noch einmal auf die Jugendbewegung zurück, die in einer zweiten Phase nach dem Ersten Weltkrieg entscheidende Veränderungen mitmachte, die das Ende der freien Jugendbewegung einleiteten. Nicht ganz einfach ist die Frage zu beantworten, worin das Entscheidende der , Bündischen Jugend', wie sich die Gruppen nun nannten, liegt. Nicht zuletzt unter dem Einfluß der englischen Pfadfinderbewegung nahmen die Gruppen und Vereine, die sich nach dem Krieg konstituierten (aber auch solche aus der Wandervogelzeit), wesentlich geschlossenere innere und äußere Formen an. „Dem Freiheitsdrang und Gruppenindividualismus des Wandervogels tritt die verpflichtende Gau-und Bundesidee mit Führer und Gefolgschaftswillen entgegen." 17) Bei Wahrung ihrer Autonomie und einem von den Jugendlichen geprägten Gemeinschaftsleben erhielt die Form der Gemeinschaft eine oft ins Militärische gehende Härte. Dem Wandervogel stand ein Menschenbild nahe, das die autonome Persönlichkeit in den Vordergrund rückte. In der Bündischen Jugend dominiert die Eingebundenheit des jungen Menschen in die „säkularisierte Form eines religiösen Ordens" 18).

Die Bewegungen erhielten neben den jetzt veränderten und umgestalteten Formen des jugendlichen Gemeinschaftslebens auch einen Erziehungsaspekt. Zwar wurde dieser mehr unter dem Gesichtspunkt der Selbsterziehung der jungen Menschen betrachtet, doch gab der Bund den Rahmen ab und steckte bestimmte Ziele, die meist mit besonderen Weihen und Versprechen für das Mitglied verbindlich wurden. Die Bewegung stand damit in ihrer Erziehungsfunktion der Jugendpflege der welt-anschaulichen und gesellschaftlichen Groß-organisationen wesentlich näher als die klassische Jugendbewegung. Die zunächst alle Bindungen ablehnende Liberalität der Wandervogelbewegung, die oft als „eine der letzten Ausdrucksformen des liberalen Zeitalters und des Geistes schrankenloser Autonomie" bezeichnet wurde, wandte sich nun neuen Bindungen zu, in denen man die Ausformung der jugendlichen Kräfte in konzentrierterer Weise ermöglichen wollte.

Diese Wendung hat die Bewegung geöffnet für Gruppen und Schichten, die von jeher ihr Leben in höhere Ordnungsformen eingebunden sahen: Dies gilt in spezieller Weise für die religiösen Kreise, und hier besonders für die Katholiken. Nicht zuletzt den Anschauungen von einer hierarchischen Ordnung kam die Bündische Bewegung mit ihrer Unter-und Überordnung, mit Führung und Gefolgschaft entgegen. Die sich bis weit in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg in manchen Kreisen der Jugendarbeit gehaltene Idee der . Lebens-gemeinschaft'fand in diesen Jahren ihre Ausprägung. Der Gedanke an eine alle Lebensalter umfassende Gemeinschaft fand in der orts die jugendpolitische Aktivität der Bünde, Jungenschaft -Jungmannschaft -Mannschaft seinen organisatorischen Niederschlag. Einerseits unterstützte diese Entwicklung mancher-orts die jugendpolitische Aktivität der Bünde und damit auch des . Reichsausschusses der deutschen Jugendverbände', wie die Dachorganisation nach 1926 hieß, andererseits verstärkte sich dadurch der Einfluß der Erwachsenen beträchtlich. Die Zeit der Bündischen Jugend bezeichnet Hastenteufel als „die letzte aus der Jugend selbst hervorgewachsene Strebung, bevor Erwachsenenorganisationen immer stärkeren Einfluß auf das Jugendleben gewinnen" Während die Bündische Jugend im engeren Sinne rund 50 000 Mitglieder verzeichnen konnte, umfaßten die im Reichs-ausschuß führendem jugendpflegerischen Verb indc weit über 4 Millionen Jugendliche.

Die wichtigsten Unterschiede zwilchen der Ju-

gendbewegung im eigentlichen Sinn« und den Jugendpflegeverbänden lassen sich in wenigen Punkten zusammenfassen:

— Die freien Jugendvereinigungen standen vielfach noch unter dem Einfluß der Formel, daß die Jugendbewegung kein Programm haben dürfe. Auch das Leben in den Bünden war stark vom Selbsterziehungsgedanken geprägt. Die Jugendpflegeverbände der verschiedenen Großorganisationen wiesen Programme vor, aus denen die Erziehungsabsichten und -bemühungen der Erwachsenen abgeleitet wurden. „Die eigentliche Jugendbewegung begann , von unten', in den kleinsten Zellen, als eine echte Emanzipationsbewegung junger Menschen" während die Formen jugendbewegten Gemeinschaftslebens den Absichten der Großverbände dienstbar gemacht wurden und nicht länger Selbstzweck blieben.

— Die Jugendpflegeverbände waren damit Institutionen der Erwachsenenwelt, weniger Selbstorganisation der Jugend. Es gab jedoch auch Ausbruchsversuche aus dem von den Erwachsenen gesetzten Rahmen. Zumeist wurden sie dadurch möglich, daß nicht alle Führungspositionen von Erwachsenen wahrgenommen werden konnten. Ein sehr effektives Instrument zur Steuerung der Jugendverbände war (und ist vielfach heute noch) ein dualistisches Leistungssystem, innerhalb dessen die jeweilige Führungsebene von einem Jungführer und einem Erwachsenen, im kirchlichen Bereich einem Geistlichen, besetzt ist. — Aus der negativen Haltung zur Umwelt heraus hatten die freien Jugendbünde nur sehr zögernd zu bestimmten Zielprojektionen gefunden. Für die Jugendpflegeverbände, ganz besonders für die weltanschaulichen und politischen, war dies keine Frage: hier gab es bereits Konzeptionen. Ein Hinweis auf den weltanschaulichen Bereich mag dies verdeutlichen: „War die allgemeine Jugendbewegung Frage und Suche nach dem Sinn des Lebens inmitten einer mechanisierten und darum fragwürdig, ja sinnlos gewordenen Zeit, so wollte die katholische Jugendbewegung eine konkrete Antwort sein, „ .. eine bestimmte, an-

schaubare, das Ganze des Seins deutende und die Tiefen des Lebens erfassende (meisternde) Antwort' Die vor allem bei Jugendlichen anzutreffende Neigung zu besonder« klaren und gradlinigen Leitbildern wurde gerade von den politischen Erwachsenenverbänden mit radikalen, einseiti-

gen Konzepten zur Indoktrination ausgenutzt. — Es gehört zu den Merkmalen der Jugend-pflege, daß sie sich im Gegensatz zu den esoterischen, kleinen freien Bünden und Gruppen an die Masse der Jugendlichen wandte, Seidelmann notierte: „Ehrgeizig konkurrieren sie im Gefilde der Jugendpolitik mit ihren Millionenziffern — ein Urteil, das die heutige Situation ebenfalls trifft Ähnlich wie heute die Protestbewegung der Jugend auch ihren Einfluß auf die Jugendpflegeverbände ausgeübt hat, sind auch damals in die allgemeine Jugendarbeit jugendbewegte Formen und Inhalte eingegangen. Indes: „Was die Kirchen und Konfessionen, das Militär, die Berufsverbände usw. in dieser Art versuchten, wurde naturgemäß eine Mischung aus Kulturgehalten, die sich als bewiesene Autorität geltend machte, mit dem, was aus der Jugend selbst hervorquoll. Das nenne ich uneigentliche Jugendbewegung", urteilte Eduard Spranger 2. über den Zugriff der Erwachsenenwelt auf die Bewegung der Jugend Im Anschluß an Karl Mannheim hat Schelsky zwei Blickrichtungen bei der Behandlung des Themas . Jugend'unterschieden: einen gesamtgesellschaftlichen und einen jugendsoziologischen Aspekt Geht man von dem ersten Gesichtspunkt aus, so wird Jugend als Teil der Gesamtgesellschaft betrachtet, auf deren Erfassung die Untersuchung zunächst abzielt. Die zweite Blickrichtung betrifft das Jugend-verhalten als solches. Schelsky schreibt: „Im Verhältnis zum gesamtgesellschaftlichen Aspekt ist diese Fragestellung eingeschränkter und konzentriert sich auf einen relativ isolierten Gegenstand . Jugend’, konstituiert damit aber erst die Selbständigkeit einer sozialwissenschaftlichen Teildisziplin „Jugendsozio-logie'." Im konkreten Fall wird es jedoch darauf ankommen, beide Aspekte gleichermaßen zu berücksichtigen. Abgesehen davon, daß man Jugend für sich eigentlich gar nicht untersuchen kann, da die Bedingungen von Jugend gesellschaftlich sind, würde eine isolierte Betrachtung dem Phänomen nicht gerecht werden. Ebenso wie Jugend sich erst im historisch-gesellschaftlichen Prozeß konstituiert hat, muß sie in bezug auf die Gesellschaft mehr als abhängige denn als unabhängige Größe angesehen werden. Damit ist keine vollständige Abhängigkeit der Jugend von der jeweiligen Definition durch die Erwachsenen behauptet: Dies wäre angesichts jugendlicher Eigen-und Protestbewegungen als Behauptung auch nicht aufrechtzuerhalten. Immer ist Jugend aber auch das, was die Erwachsenen als Jugend bezeichnen. Für eine soziologische Analyse ist es nicht allein und in erster Linie wichtig, auf die Frage , Was ist die Jugend?'eine Antwort zu finden. Entscheidender ist die Frage: , Wer oder was gilt als Jugend?'. Die Analyse zielt damit auf die Problematik der Wandlungen der gesellschaftlichen Bedingungen von Jugend im Sinne der gesellschaftlichen Konstruktion der Wirklichkeit ab Unter diesem Blickwinkel heben sich in gewisser Weise auch die Unterscheidungen zwischen Soziologie und . Jugendsoziologie als Teildisziplin'auf. Die nachstehenden Ausführungen wollen das Verhältnis von Jugend, Erwachsenenwelt und der Entwicklung der Jugendarbeit behandeln; sie müssen in diesem Rahmen fragmentarisch bleiben.

Die Vokabel . Jugend’ gibt es in verschiedenen Wortbildungen schon recht lange. Zunächst aber bezeichnete sie lediglich die . Gesamtheit junger Leute’ und den Zustand des kalendarischen , Jung-seins’ Konkrete soziale Bestimmungsmomente erhielt das Wort erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts.

Die sprachliche Entwicklung folgte einem gesellschaftlichen Prozeß: In einfachen und wenig differenzierten Gesellschaften geht der Übergang vom Kind zum Erwachsenen sozusagen nahtlos vor sich. Die Sozialisation, die Einführung in die Gesellschaft, stellt einen relativ einfachen Vorgang dar und wird deshalb in mancher Hinsicht gar nicht bewußt wahrgenommen. Auf dieser gesellschaftlichen Stufe stellt die Familie nahezu die einzige Sozialisationsinstanz dar. Indem der junge Mensch am Leben der Familie, der Verwandtschaft und Gemeinde teilhat, reproduziert er die dieser Kultur und Gesellschaft eigenen inneren und äußeren Lebensformen. „Es bedarf", bemerkt Tenbruck, „keiner oder nur unwichtiger Veranstaltungen, um die überlieferte Kultur auf die nachfolgende Generation zu übertragen und damit den Fortbestand der Gesellschaft zu sichern"

Diese Situation ändert sich in dem Moment, wo sich die Struktur der Gesellschaft über das Lokalgruppenhafte hinaus differenziert und damit die Sozialisation nicht mehr allein in der Familie und im engen verwandtschaftlichen Raum stattfindet, sondern durch andere Sozialisationsträger ergänzt wird. Durch diesen gesellschaftlichen Differenzierungsprozeß werden im Umkreis der Sozialisierungsträger Kontakträume geschaffen, wo Jugendliche in altershomogenen Gruppen zusammenfinden. In einer weiteren Phase ist die Jugend „nicht mehr bloß eine durch wirtschaftliche Organisation der Gesellschaft geforderte Verzögerung der Übernahme erwachsener Rollen wegen einer zu leistenden Berufsvorbildung, die als unerwünschtes Nebenprodukt in den alters-homogenen Jugendgruppen neuartige Gemeinschaftsformen erzeugt. Hier wird mit der Verzögerung eine umfassende positive Aufgabe verbunden." Die gesellschaftlichen Verhältnisse erfordern jetzt eine an allgemeinen gesellschaftlichen Prinzipien und Leitbildern orientierte Erziehung der Jugendlichen. Die Entfernung dieser Erziehung vom Konkreten und die Hinwendung zu sehr abstrakten Leitbildern lassen eine stärkere Verinnerlichung notwendig werden. Um dies leisten zu können, wird den Jugendlichen eine weitgehende Entlastung von den konkreten Alltags-realitäten zugebilligt. Die Eigenständigkeit der Jugend nimmt zu, sie gewinnt einen Freiheitsraum. Die Wertvorstellungen, die diesen Freiheitsraum umgeben, sind die der Erwachsenenwelt. Im Freiheitsraum selbst jedoch entwickeln sich Vorstellungen, die keinen unmittelbaren Bezug zu der konkreten Wirklichkeit dieser Erwachsenenwelt besitzen. Es können Spannungen entstehen. In einem solchen Spannungsfeld zwischen dem Freiheitsraum und den Wertvorstellungen der Erwachsenen-welt steht geschichtlich auch die Jugendbewegung. Die genannten Bedingungen treffen besonders für die Schüler zu; deshalb war auch die Jugendbewegung zunächst eine Bewegung der bürgerlichen Jugend. Diese Jugend hat nun den ihr zur Verfügung stehenden Spielraum mit eigenen Aktivitäten gefüllt und zunehmend auch eigene Wertvorstellungen entwickelt. Diese stießen sehr bald auf die Kritik der Erwachsenen, die damit ihre eigenen Prinzipien und Normen gefährdet sahen.

Die Wandervogelbewegung hatte im Laufe der Jahre auf ihren Fahrten und , Nestaben-den" eine bestimmte Lebensweise habituali-siert. Bei der Verfestigung dieser Verhaltensweisen kann man im weitesten Sinne von einem Institutionalisierungsprozeß sprechen Waren es anfangs nur wenig bewußt reflektierte Vorgänge, so nahmen sie doch bald deutlicher konturierte Züge an. Das, was die Jugendlichen miteinander verband, wurde aus dem subjektiv vom einzelnen Erfahrbaren heraus objektiviert. Im Rahmen der jugendlichen Gemeinschaft entstand ein verbindender, allgemein anerkannter Sinnzusammenhang. Jede gesellschaftliche Bewegung ist in dieser Weise auf eine Objektivation oder Versachlichung angewiesen, d. h. auf das Ingangsetzen eines Prozesses, durch den die Bestandteile der gemeinsamen Welt erst den Beteiligten verständlich werden. Dieser Vorgang stabilisiert die Wertvorstellungen und Verhaltensweisen und macht sie zu sozialen und kulturellen Selbstverständlichkeiten — hier im Bezugsrahmen jugendlicher Gruppen. Der Etablierung dieser Selbstverständlichkeiten kommt für die weitere Entwicklung einer Bewegung besondere Bedeutung zu: In die Vereine und Bünde kamen ja immer wieder neue Jugendliche, die die Entstehung der Bewegung selbst, sozusagen den ersten Prozeß der Objektivation, nicht erlebt hatten. Sie standen den Gruppen zunächst fremd gegenüber — bisweilen von äußeren Merkmalen angezogen. Uber einen Prozeß der .sekundären Objektivation'wurden sie nun in die Bewegung eingeführt Die Bewegung mußte sich ihnen gegenüber als eine sinnvolle Möglichkeit Jung sein zu können'legitimieren. Diese Jugend-liehen hatten mit dem Eintritt nicht mehr die Chance, alles selbst zu bestimmen: Die Chancen und Grenzen ihres Einflusses waren durch die genannten Prozesse bereits mehr oder weniger fest umrissen. Wir haben bereits von der Möglichkeit gesprochen, daß die in den jugendlichen Gruppen sich herausbildenden Wertmuster nicht unbedingt mit denen der Gesellschaft übereinstimmen müssen, und dies wird vermutlich um so mehr der Fall sein, je stärker sich eine Gesellschaft in sozialem Wandel befindet. Stellt die Gesellschaft dies fest oder vermutet sie eine derartige Entwicklung, dann wird sie versuchen, auf die jugendlichen Gruppen Einfluß zu gewinnen. Wie aber sieht dieser Versuch konkret aus?

Wir können feststellen, daß gerade die Verfestigung der Jugendbewegung den Erwachsenenorganisationen Anknüpfungspunkte für eine derartige Einflußnahme bot. Je deutlicher die eigenen Bedürfnisse der Jugendlichen durch die Institutionalisierungsvorgänge für die Gesellschaft sichtbar wurden, desto stärker wurden die Anstrengungen der öffentlichen und privaten Jugendpflege. Ansatzpunkte sah die Jugendpflege in der Übernahme jugend-bewegter Formen, um über sie religiöse, weltanschauliche oder politische Vorstellungen zu vermitteln und die Jugendlichen zu erziehen Die Jugendlichen wurden somit in einen Wirklichkeitsbereich hineingezogen, den sie selbst — noch weniger als in den autonomen Bünden — kaum ausformen, gestalten und vor allem verändern konnten.

Die in der Jugendpflegearbeit maßgebenden Erwachsenen gehen mit Vorstellungen von . Jugendlichkeit'und von . Jugendgemäßem'an die Arbeit, die aus ihrer eigenen Jugendzeit stammen und der Wirklichkeit nicht mehr gerecht werden. Im Extremfall treten hierbei außerordentlich starke Entfremdungserscheinungen auf, die man mit Vorbehalten als „Verdinglichung" bezeichnen könnte. Berger und Pullberg verstehen darunter einen äußersten Schritt des Objektivationsprozes-ses In diesem Fall wird Jugend nicht mehr als ein sich im gesellschaftlichen Wandel ständig veränderndes Phänomen gesehen: Das einmal produzierte . gesellschaftliche Produkt'Jugend wird fixiert, erhält einen sogenannten . Eigenwert’ und wird aus der Perspektive det erwachsenen Jugendpfleger oder der Erwach-senenorganisation mit der Formel pädagogisch . behandelt’: weil Jugend das ist (was sie sein soll), müssen diese und jene Maßnahmen getroffen werden. Die pädagogischen Forderungen werden nicht mehr an der Wirklichkeit überprüft.

Die Verdinglichung bewirkt bei den Jugendlichen eine Entfremdung von den eigenen Wünschen und Interessen. Sind einerseits Jugendgruppen im weiteren Sinn für die Jugendlichen in hochdifferenzierten Gesellschaften notwendige und sinnvolle Einrichtungen auf dem Weg zum vollen Erwerb des sozialen Status, so sind die Erwachsenen doch gerade darum bemüht, durch Einrichtung von Jugend-verbänden einen uneingeschränkten Zugriff auf den gesellschaftlichen Entscheidungsbereich hinauszuzögern bzw. so zu steuern, daß die Jugendlichen bestimmte Wertvorstellungen der Erwachsenen übernehmen. Damit wird der von Tenbruck für die heutige Jugend behauptete „fast unbeschränkte Zugang zu der konkreten Wirklichkeit der erwachsenen Welt" zu beschränken versucht

II. Die Integration der Jugendverbände in das gesellschaftliche System der Bundesrepublik

Wie wir verdeutlicht haben, hat die moderne Jugendverbandsarbeit zwei historische Wurzeln: die deutsche Jugendbewegung und die — in den ersten geschichtlichen Anfängen meist von der Kirche getragenen—Jugendpflegever-bände. Als man nach dem Zweiten Weltkrieg die Jugendarbeit wieder aufbaute, war jedoch noch ein drittes Beispiel von Jugendarbeit in lebhafter Erinnerung: die staatsmonopolistische Hitlerjugend. Die verschiedenen Beispiele von Jugendarbeit aber stellten keine alternativen Vorschläge für den Wiederaufbau dar. An die Jugendbewegung wagten nur wenige wieder anzuknüpfen. Zu sehr hatte auch sie im Kreuzfeuer der Kritik am Nationalsozialismus gestanden. Ihr gestörtes Verhältnis zum demokratischen Staat, den aufzubauen man sich wieder anschickte, wurde zunehmend sichtbar. Eine neue Jugendbewegung konnte überdies nur aus der Jugend selbst hervorgehen. Neben der Tatsache, daß sie dazu keinerlei Neigung verspürte, muß hervorgehoben werden, daß es ja vor allem Ehemalige und an der Jugendarbeit interessierte Erwachsene waren, an deren Tischen die Wiedergründungsgespräche geführt wur den. Was neben der staatlichen Einheitsju gend — bald in der sowjetischen Besatzungszone unter anderen Vorzeichen wieder eingerichtet — an Möglichkeiten übrigblieb, war die Errichtung meist jugendpflegerisch orientierter Jugendverbände.

In der Form wurden jugendbewegte Elemente übernommen — in den Erziehungszielen tauchten bald wieder jugendbewegte Muster auf. Neu hinzu kam die Aufgabe, die jungen Menschen zu Bürgern eines demokratischen Staates zu erziehen. Was man jedoch darunter zu verstehen hatte, wurde einerseits vielfach vage gemessen am , so ein Durcheinander wie in der Weimarer Zeit darf es nicht mehr geben'und andererseits am , so etwas wie im Nationalsozialismus soll nie wieder Vorkommen'. Wie groß die Unsicherheit war, zeigte sich im politischen Unterricht an den Schulen bis weit in die sechziger Jahre hinein. Es wurde — prononciert ausgesprochen — unter Erziehung zur Demokratie Vermittlung von Wissen über die demokratischen Institutionen verstanden. Nicht viel anders in der Jugendarbeit. Immerhin: Im Gegensatz zu vielen Jugendbünden und Jugendverbänden der Weimarer Zeit war die Eingebundenheit und die Entwicklung von Veranwortung für die neu entstandene politische Ordnung für den Deutschen Bundesjugendring und seine Mitgliedsverbände selbstverständlich — wie noch sichtbar gemacht werden soll: zu selbstverständlich, als daß man sich die nötige Distanz bewahrt hätte, um auf jugendliche Bewegungen in angemessener Weise reagieren zu können. Wirkte in weiten Kreisen die Orientierung an der Jugendbewegung noch nach, und „sei es auch nur als schlechtes Gewissen gegenüber dem Neuen, das man als faulen Kompromiß" empfand, so gibt es keinen Zweifel daran, daß aus der Jugendbewegung neben der Gesellschaft endgültig eine Jugendarbeit in der Gesellschaft geworden war — mit starker Abhängigkeit von Erwachsenenorganisationen und maßgeblich getragen durch ein staatliches Förderungssystem.

1. Leitbilder der Jugendverbandsarbeit Zu den Merkmalen der bald nach dem Krieg einsetzenden Aufbauarbeit gehörte es, daß insbesondere solche Mitarbeiter und Pädagogen im Bereich der Jugendpflege eingesetzt wurden, die keine Nationalsozialisten waren. und 1960, Ebenso wie im politischen Raum griff man zurück bis in die Zeit vor 1933, und so waren es meist aus der Jugendbewegung hervorgegangene Erwachsene aus pädagogischen und sozialen Berufen, die die Aufbauarbeit in Angriff nahmen. Die reinen hündischen Gruppen waren in der Minderzahl. Das Feld beherrschten vor allem die schon vor 1933 zahlenmäßig sehr starken Jugendverbände. Der Jugendhilfe-und Jugendpflegecharakter der Arbeit stand im Vordergrund, weil enorme Initiativen notwendig waren, um die Notstände der Jugendlichen zu beheben. Zudem gab es in der amerikanischen Zone die Bemühungen der Besatzungsmacht zur Errichtung offener Jugend-klubs und offener Jugendheime

Zwei Jahre nach Kriegsende wurde die Jugendarbeit in einzelnen Zonen in erheblichem Umfang bereits wieder gefördert. Besondere Jugendoffiziere standen zur Unterstützung der Maßnahmen zur Verfügung. Ob es aber die Initiativen der Besatzungsmächte oder die freier Träger waren, die Jugendverbände wurden von „oben" ins Leben gerufen. Zwar erreichte die Zahl der Jugendlichen bald wieder die Höhe der Vorkriegszeit, doch eine Eigen-bewegung der Jugend kam nicht zustande. Eines jedoch muß hervorgehoben werden: So sehr die Jugendverbände in ihrer Mehrzahl Jugendpflegeverbände waren, so entwickelten sie sich doch bis auf die finanzielle Förderung relativ unabhängig von Staat und öffentlicher Jugendpflege. Die öffentliche Jugendhilfe mußte sich vor allem auf dem Fürsorgesektor den unmittelbaren Notständen widmen. Dies war schwierig genug, wenn man bedenkt, daß auch dieser Bereich der Verwaltung und öffentlichen Dienstleistung sich nach der nationalsozialistischen Zeit selbst wieder konsolidieren mußte. Nur auf Grund der enormen Leistungen unmittelbar nach dem Krieg ist die starke Position der freien Verbände in der Bundesrepublik voll verständlich.

Die Freiheit der Verbände war jedoch nicht immer die Freiheit der Jugendlichen. Die Grundkonzeption der Verbände wurde von Erwachsenen festgelegt: In der rasch wieder auflebenden konfessionellen Jugendarbeit waren es Geistliche und in der Gewerkschaftsjugend Gewerkschaftler, die in der amerikanischen Zone bereits 1949 den Organisationsapparat wieder aufgebaut hatten Zu dieser Zeit waren mit Ausnahme der bürgerlichen, rechtsgerichteten politischen Verbände fast alle Richtungen aus der Zeit vor 1933 wieder vertreten: die konfessionellen, die politischen und gewerkschaftlichen Organisationen, die Sport-jugend, verschiedene andere Gruppierungen und eine ganze Reihe von hündischen Gemeinschaften. Es gab dabei keine, später Bedeutung erlangende neue Jugendorganisation, es sei denn die FDJ in der sowjetischen Besatzungszone

Bei allen Unterschieden und Gegensätzlichkeiten standen Wiederaufbau und Arbeit der Verbände bis weit in die fünfziger Jahre hinein unter mehr oder weniger deutlich restaurati-ven Tendenzen. Schelsky bemerkte zur allgemeinen Situation: „In der Tat ist das Empfinden, ringsherum restaurative Tendenzen am Werk zu sehen, wohl das beherrschende so-soziale Zeitgefühl unserer westdeutschen Situation." Mit den gleichen Worten beginnt ein Urteil über die Jugendarbeit eines konfessionellen Verbandes: „In der Tat war es ein Wiederaufbau, kein Neubau. Wir konnten an bewährte Traditionen, die der Jugendbewegung, anknüpfen, . .. aber nach der äußerlich gelungenen Restauration dieser Formen blieb ein gewisses Unbehagen, die Zeit war doch eine andere geworden ..."

Solche Stimmen vermochten sich aber in der Jugendarbeit nicht durchzusetzen, denn das Beharrungsvermögen der die Jugendarbeit leitenden Kreise war zu groß. Bis weit in die sechziger Jahre hinein hielten sich Begriffe wie Fähnlein, Gau, Thing, Wölfling, Knappe oder Ritter. Aber es waren nicht allein die Begriffe: auch die inhaltlichen Konzeptionen stammten — leicht korrigiert — aus der Jugendbewegung. Nicht allein in kirchlichen Kreisen suchte man das , Unerschütterliche'und, Feste'wiederzufinden. Wenn man schon nicht die Organisation — wie bei den Kirchen der Fall — über den Krieg gerettet hatte, so waren es zumindest Einstellungen und Werte, an die man anzuknüpfen versuchte. Dort, wo sich allzu autonome Entwicklungen abzeichneten, mahnte man: „Darum muß von allen Freunden der hündischen Freiheit erwartet werden, daß sie sinn-und auftragsgemäß sich einordnen in das Ganze ..." Dieses . Ganze'war das, was man als bewährt und gesichert ansah.

Nach 1945 standen für alle Jugendverbände von der Gewerkschaftsjugend bis zu den konfessionellen Verbänden — viele praktische Fragen und Probleme im Vordergrund und warteten auf eine Lösung Kam aber nicht gerade die Arbeit am . Konkreten'einem Konservativismus zugute und behinderte nicht umgekehrt das dem deutschen Denken von jeher nahestehende Konservative die Arbeit anneuen Entwürfen und Modellen, so wie es Mannheim einmal formuliert hatte?: „Einer der wesentlichen Charakterzüge dieses konservativen Erlebens und Denkens scheint uns das Sichklammern an das unmittelbar Vorhandene, praktisch Konkrete zu sein . . . ein ausschließ-liches Wirkenwollen in jener bestimmten unmittelbaren Umwelt, in die man hineingestellt ist, — eine radikale Abneigung gegen jedes . Mögliche'und . Spekulative Mit einem so bezeichneten Denken hing auch ein Mangel an Zukunftsorientierung zusammen. Bis auf die politische Bildung und Erziehung der Jugendlichen zu demokratischen Staatsbürgern, als einem Postulat demokratischer Jugendarbeit nach dem Kriege, blieben die alten Konzepte und Leitbilder meist unverändert gültig.

In dieser mangelnden Zukunftsorientierung steht die Jugendarbeit im gesellschaftlichen System der beiden Nachkriegsjahrzehnte nicht allein. Die Rückwärtsorientierung wurde auf Grund der gesellschaftlichen’ Wandlungen zu einer Orientierungslosigkeit, die für Jaide eine der vielen Ursachenkomplexe der Unruhe der Jugend in den letzten Jahren darstellt — und vielleicht ist auch der Rückgang der Mitgliederzahlen der Jugendverbände, zumindest in relativem Verhältnis, darauf zurückzuführen. Man bleibt im Bild des Restaurativen, wenn man mit Schelsky die Reformen seit Bestehen der Bundesrepublik betrachtet: „Die . Kleinstreform'wird der Nor-malfall politischen und sozialen Handelns." Audi die Veränderungen in der Jugendarbeit und im Bereich der Jugendpolitik vermochten kaum diesen Rahmen zu sprengen: Dies gilt beispielhaft für die Reformbemühungen um das Jugendwohlfahrtsgesetz und die Einbindung der Jugendpolitik in eine überkommene Familienpolitik, auf die wir später noch zurückkommen. über die Sozialisationswirkungen einer bestimmten Leitbildern anhängenden Erziehung in den Jugendverbänden gibt es keine Untersuchungen, die uns Auskunft geben könnten. So sind Aussagen über den normativen Horizont der Jugendverbände gebunden an eine theoretische Kritik der in Programmen und Verbandspublikationen vertretenen Ziele und Leitbilder. Mollenhauer hat mit einigen Mitarbeitern begonnen, den normativen Bereich der evangelischen Jugendarbeit aufzuarbeiten. Bislang liegt aber nur eine erste Materialsammlung als Vorstudie vor

Die Angemessenheit oder Unangemessenheit von idealistischen Leitbildern einer gesellschaftlichen Situation kann bisher noch nicht von den Sozialisationswirkungen her beurteilt werden. Der Hinweis auf zwei Leitbilder einer hündisch'orientierten Jugendpflegearbeit mag verdeutlichen, welchen Ballast die Jugendarbeit in den vergangenen Jahren hat abwer-fen müssen, um den heutigen gesellschaftlichen Anforderungen gerecht zu werden Vielfach sind Lücken entstanden, die bis heute noch nicht in angemessener Weise aufgefüllt sind.

Ein erstes Leitbild ist das sogenannte . Ritter-ideal', in dem sich für die hündische Zeit charakteristisch die Forderung nach . Zucht und Maß'in den Erziehungsbemühungen eines Jugendverbandes widerspiegelten. Dieses . konkrete'Leitbild für das Leben des jungen Menschen beurteilte Bittner: „Ein solcher Rückgriff auf geschichtliche Ideale verfehlt jedoch gerade das wesentliche einer historischen Orientierung. Wer die Restauration geschichtlich gewordener und wieder vergangener Lebensformen anstrebt, läuft Gefahr, den eigenen Standort aus dem Blick zu verlieren und die Gegenwart nur nach dem Maßstab des aus der Geschichte übernommenen Norm-bildes zu bewerten ..." Eine gewisse Neigung zu Idealisierungen ist für die jugendliche Entwicklungsphase durchaus charakteristisch. Aufgabe des Pädagogen und damit Erziehungsaufgabe eines Jugendverbandes kann es aber nicht sein, den Jugendlichen vorgeprägte und unter Umständen auch noch historische überkommene Idealbilder zu oktroyieren. Ein allzu übermächtiges überleb behindert die Entwicklung einer Ich-Identi-tät eines jungen Menschen. Hier kehrt sich das erzieherische Verhältnis geradezu um, wenn der Schüler gegen den Lehrer kämpfen muß, um sein eigenes Wesen zu bewahren Nur solche Erziehungsund Bildungsentwürfe dürften sich für eine angemessene Verarbeitung der realen Wirklichkeit durch den Jugendlichen eignen, die in dieser gesellschaftlichen Wirklichkeit diskutierbar oder aus ihr heraus entwickelbar sind.

Ein sehr verbreitetes Leitbild war das der Gemeinschaft. Vielfach wurde es als Lebens-bewegung, als . Lebensgemeinschaft'begriffen. Es ist wohl nicht zufällig, daß die Jugend-bewegung mit dem Gemeinschaftsgedanken in zeitlicher und wohl auch historisch-geistiger Verbindung zur Gemeinschaft bei Tönnies und zur Betonung dieses Ideals in der beginnenden pädagogischen Reformbewegung steht Im , Bund'— obwohl nach der Unterscheidung bei Tönnies wohl zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft einzuordnen — teilte man mit Tönnies die Vorstellung von der Gesellschaft: Die Gesellschaft galt im Grunde als etwas Pathologisches, als Verfallserscheinung. Die Unterscheidung zwischen den beiden Begriffen, die Tönnies nicht ohne Wertung zugunsten der Gemeinschaft vollzogen hat, sieht in der Gemeinschaft das natürlich, organisch gewachsene Gebilde, das dem Individuum Sicherheit und Geborgenheit vermittelt. Diese Vorstellung ist bei den Pädagogen meist verbunden gewesen mit dem Gedanken, daß nur in Gemeinschaft der Mensch als . totale Person'angesprochen werde, während ihn die Gesellschaft in Schichten zu segmentalisieren suche. Damit ist die Verbindung zwischen Lebens-bewegung und Gemeinschaftsideal hergestellt: die Lebensgemeinschaft. Mit dem Begriff verband sich die Vorstellung, daß der Bund kein Verein wie jeder andere sei, daß er zu einer neuen Gestalt des Lebens führe, „die sich nicht einfach wie der Mitgliedsausweis eines Vereins abgeben läßt, die sich durchhält, auch wenn das äußere Gehäuse einer Organisation zusammenfällt."

Daß sich dieser Gedanke bewahrte, zeigt die Tatsache, daß er nach 1945 wiederauflebte. Er war ebenso lebendig geblieben wie die Gemeinschaftsvorstellungen im pädagogischen Bereich: „Die Unangefochtenheit, mit der hier vom Gemeinschaftscharakter der Schule wie von einem feststehenden und unbezweifelbaren Faktum gesprochen wird, hat Voraussetzung, die Hermann Nohl in wünschenswerter Deutlichkeit formulierte: , Die Bildungsgemeinschaft ist gleichzeitig Lebensgemeinschaft, und ihr Geist ist die stärkste bildende Kraft, er ist die Voraussetzung jeder einzelnen pädagogischen Einwirkung, und alle Methodik ist ihm gegenüber ganz sekundär'." Dahrendorf bezeichnet dieses Gemeinschaftsideal als Stück der deutschen Ideologie und kommentiert: „Die wertende Konfrontation von Gemeinschaft und Gesellschaft ist das ideologische Gegenstück zu dem fehlenden Entschluß zur Modernität."

Im Bild der Lebensgemeinschaft wird darüber hinaus die kleingruppenhafte Intimität auf größere Ordnungsgebilde übertragen und damit in der Tendenz durch die Überbetonung privater Tugenden die Entstehung und Einübung öffentlicher Verhaltensweisen behindert. Das Gemeinschaftsideal gehört zu dem Bild des „Jugendgemäßen", das über die Pädagogen hinaus in der Erwachsenengeneration der fünfziger Jahre vorherrschte. Schelsky hat dieses Leitbi! d „zu den typischen Verspätungserscheinungen des sozialen Bewußtseins“ gezählt Es hat sich sozusagen durch die pädagogische Hintertüre in die Jugendarbeit nach dem Krieg eingeschlichen.

Die Leitbilder und die Vorstellungen der Erwachsenen stießen bei den Jugendlichen zunehmend auf Unverständnis. Zumeist paßte man sich jedoch den Vorstellungen an, ohne sich dabei damit zu identifizieren. Bis auf relativ kleine Kernkreise mit besonders hoher Kohärenz und Intensität der persönlichen Kontakte, sind in der Mehrzahl die Bindungen in jugendlichen Altersgruppen heute flüchtig, unverbindlich und relativ instabil Aus der Praxis der Jugendarbeit weiß man, wie schnell auch organisierte Gruppen auseinänderfallen, wenn einige Promotoren — seien es nun Erwachsene oder selbst Jugendliche — nicht mehr vorhanden sind.

Von intensiven und weitreichenden Bindungen Jugendlicher in der Gemeinschaft der Jugend-bewegung kann keine Rede mehr sein. Der Begriff der Lebensgemeinschaft wurde damit inhaltsleer, weil er die existentielle Situation der Jugendlichen nicht mehr traf. Ebenso erging es dem Ritterideal und ähnlichen Vorstellungen. Jugendliche sind heute keineswegs generell . bindungsscheu', wie vielfach behauptet wird Nur wollen sie sich nicht mehr total binden lassen. Sie machen dabei zwei Einschränkungen: „Erstens Bindung auf begrenzte Zeit und zweitens Bindung an ein konkretes Ziel. Bindung überhaupt, also das, was das Bündische eigentlich ausmacht, ist heute natürlich außerordentlich schwierig." Während sich an der Basis der Jugendverbände eine neue Wirklichkeit jugendlicher Interessen, Einstellungen und Wünsche herausgebildet hatte, hielten sich verbandsoffiziell die überkommenen Vorstellungen noch bis in die sechziger Jahre hinein. Diese Situation wirft ein Licht auf die innerverbandliche Kommunikation und auf die Verselbständigung des pädagogischen Denkens von der Wirklichkeit. Weiß man, daß in der Pädagogik erst um 1960 eine Auseinandersetzung über das „Jugendgemäße" einsetzte, so wird man die Entwicklung im Bereich der außerschulischen Bildung besonders verstehen können, da gerade hier sowohl die empirische Grundlagenforschung als auch die Theoriebildung einen enormen Nachholbedarf haben.

Gerade weil die Entideologisierung an der Basis der Jugendverbände während der ersten beiden Jahrzehnte nach dem Neubeginn ohne Proteste seitens der Jugendlichen gegen die Verbandsspitzen vor sich geht und damit kaum eine Auseinandersetzung zustande kommt, verlieren die Jugendgruppen und -Verbände immer mehr an Profil. Verbandsspezifische Gesichtspunkte treten in den Hintergrund, und die Organisation der Verbände stellt sich oft nur noch als Bürokratie dar. In dem Maße, in dem darüber hinaus auch noch die weltan-

schauliche oder von Ideen und Idealen geprägte Motivation abnimmt, beobachtet man eine merkliche Zunahme der methodischen Arbeit. Gruppendynamische Modelle und gruppenpädagogische Methoden bestimmen das Bild der Jugendarbeit. Häufig genug bleiben diese Methoden jedoch Selbstzweck und bringen nicht den Durchbruch zu neuen inhaltlichen Konzeptionen Soll Jugendarbeit aber in Zukunft noch eine Aufgabe haben und bei den Jugendlichen Interesse finden, so muß sie in der Lage sein, Orientierungshilfen anzubieten, mit denen die Wertvorstellungen der Umwelt und Gesellschaft und der vielfältigen Sozialisationsträger geordnet und überschaubar gemacht werden können.

Im Zusammenhang mit der Entideologisierung der Jugendarbeit wurde und wird oft der Ruf nach neuen Idealen und Leitbildern laut. Adorno hat den Begriff des Leitbildes in der Sphäre des . Jargons der Eigentlichkeit'lokalisiert Er wies auf den Charakter des von außen Gesetzten im Leitbild hin. Die kritische Ablehnung idealistischer Leitbilder bedeutet aber nicht, ins andere Extrem fallen zu müssen, in reine Wissensvermittlung: Für Adorno bedeutet Erziehung die Herstellung eines richtigen Bewußtseins. Sie ist getragen vom Gedanken einer fundamental-demokratischen Gesellschaft, in der es auf die Mündigkeit des einzelnen Menschen ankommt: Die Erziehung muß dazu beitragen, daß der Mensch gleichzeitig zu seiner Individualität findet und auch einen realistischen Blick für die Gesellschaft vermittelt bekommt, damit er sich ihr anpassen kann. Sieht man diesen Sprung, „dann muß die Erziehung auch auf diesen Bruch hinarbeiten und diesen Bruch selber bewußt machen, anstatt ihn zuzuschmieren und irgendwelche Ganzheitsideale oder ähnlichen Zinnober zu vertreten" 2. Jugendverbände als Rekrutierungs-und EinfluBfelder gesellschaftlicher Gruppen Zwei in besonderer Weise profilierte gesellschaftliche Gruppen sollen an dieser Stelle betrachtet werden: die Kirche und die kirchlich orientierte Jugendarbeit einerseits und die Jugendarbeit der Gewerkschaften andererseits.

Wer die konfessionellen Jugendverbände als Rekrutierungsorganisationen für die Kirchen bezeichnet, erhält von deren Vertretern zumeist die Antwort, daß es der Kirche nicht in erster Linie um Machtzuwachs, sondern um die Verwirklichung höherer Ziele gehe. Theologisch sind Hinweise auf die Heilsziele völlig verständlich, nur verdecken allzu sehr im theologischen Denken befangene Argumentationen, daß es sich bei der Kirche auch um eine Interessenorganisation handelt. Unbestreitbar ist, daß die Kirche zur dauernden Erreichung ihres Auftrags daran interessiert sein muß, möglichst viele Menschen anzusprechen und allgemein wie auch für die besonderen Funktionen Nachwuchs zu gewinnen.

Einen den Vorstellungen der Kirche entsprechenden Nachwuchs vermag sie sich über verschiedene Steuerungsmechanismen heranzubilden. Einer dieser Mechanismen ist die Finanzierung der Verbände. Insbesondere solche Jugendverbände finden bevorzugte Unterstützung, die besonders eng mit der Kirche und den vertretenen Normen und Wertvorstellungen verbunden sind. Hier wird über die Manipulation der Verteilung von Gütern soziale Kontrolle ausgeübt. Eine wichtige Rolle spielen dabei auch die Erwachsenenverbände, denen einzelne Jugendorganisationen zugeordnet sind. Ihr Einfluß bei kirchlichen Stellen kann sich positiv für den Jugendverband auswirken, andererseits aber seinen Handlungsspielraum in entscheidendem Maße einschränken. Von jeher hat die Kirche versucht, die Verbände an ihre Organisationsstruktur anzupassen, um damit über eine bessere Koordination Einfluß nehmen zu können. Diese Versuche spiegeln sich in der Betonung des kirchenorganischen Prinzips wider. Wie dieses Prinzip verstanden wird und nach welchen Maßstäben es in jüngster Zeit noch gemessen wurde, wird in folgenden Sätzen deutlich: „Kirchlicherseits wird betont, daß , die Organisationsformen gläubiger Menschen sich wesentlich unterscheiden müssen von Organisationen materialistisch denkender Menschen". Es geht darum, die gottgewollten Lebensordnungen der Fa-milie, des Volkes und der Kirche zu bejahen und das katholische Gemeinschaftswesen auf naturgegebenen Ebenen zu verwirklichen. Im Raum der kirchlichen Jugendgemeinschaft heißt dies: auf dem Boden der Pfarrei, des Dekanates und der Diözese." Aus diesen Sätzen werden nicht nur eine Verkennung der gesellschaftlichen Differenzierung und einer zunehmenden Mobilität deutlich, die eine Eingrenzung auf einen nur geographisch verstandenen Gemeindebegriff kaum noch zulassen, sondern darüber hinaus eine Anwendung in-timgruppenhafter und familistischer Kategorien auf anders geartete Strukturen. Nebenbei wird dies alles als . naturgegeben'und . gottgewollt'bezeichnet, anknüpfend an bestimmte Naturrechtsvorstellungen.

Das kirchenorganische Prinzip ist eingehend kritisiert worden und hat inzwischen eine Relativierung erfahren. Immerhin aber haben Jugendverbände auf Grund dieses Prinzips organisatorische Änderungen durchgeführt, um in die finanzielle Förderung aufgenommen zu werden und in pastoralen Fragen mitsprechen zu können. . Verständnisvoll'heißt es: „Wir wissen um die Schwierigkeiten, die dieses kirchenorganische Prinzip mit sich bringt, aber dennoch wollen wir daran festhalten, denn der Ungeist der materialistisch geprägten Organisationen ..."

Jedoch: Die pädagogischen und organisatorischen Schwierigkeiten in der Jugendarbeit und damit letztlich die Bedürfnisse der Jugendlichen werden ideologisch begründeten Prinzipien untergeordnet. Dabei wird durch eine negative Umweltdarstellung das eigene Interesse als’lauter und richtig ausgegeben

Die jugendpflegerische Arbeit des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend zeichnete sich in der Nachkriegszeit dadurch aus, daß eine Integration mit den Erwachsenenverbänden der , Katholischen Aktion'angestrebt wurde Die Zusammenarbeit mit den Erwachsenenverbänden wurde so gestaltet, daß die älteren Jugendlichen nach Beendigung der Mitgliedschaft in Jugendverbänden zum Teil in diese Organisationen gingen. Ganz deutlich wird hier mit der Einbindung in den größeren Kooperationszusammenhang die Nachwuchsfrage verbunden. „Die richtunggebenden Persönlich-keiten sind heute auch im BDKJ in der Regel Erwachsene" Die Verbandspolitik liegt also weitgehend in der Hand der hauptamtlichen Mitarbeiter und Verbandsfunktionäre. Und deren Legitimation? Auch die in den Satzungen der Verbände verankerten Wahlen der geistlichen Mitarbeiter und Leiter können nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Geistlichen ihre Arbeit wohl mehr durch den priesterlichen Auftrag und die kirchliche Sendung legitimiert sehen als durch eine Wahl der Jugendlichen, Zudem haben die Jugendgruppen, wollen sie nicht auf wichtige Vorteile verzichten, nur in den seltensten Fällen die Möglichkeit, sich bei der Wahl gegen den Geistlichen zu stellen, der an die betreffende Schule oder Pfarrei versetzt wird und dort Jugendarbeit betreiben soll. Es bleibt einstweilen offen, in welcher Richtung die Lage sich durch die zunehmende Mitarbeit von erwachsenen Laien ändern wird.

In der Jugendbewegung herrschte die weitverbreitete Auffassung, daß die Jugend von der Jugend selbst geführt werden müsse. Wenn heute mit besonderem Stolz auf die hohe Zahl der jugendlichen ehrenamtlichen Gruppenleiter hingewiesen wird, so müssen doch bei aller Anerkennung der Leistungen die Probleme deutlich gesehen werden. Die Jugend-gruppenleiter besitzen zumeist selbst noch nicht die Reife, die notwendig wäre, um im eigentlichen Sinne Erziehungsarbeit zu leisten, und zwar Erziehungsarbeit nicht im Verständnis der Jugendbewegung als mehr oder weniger stark ausgeprägte . Selbsterziehung. Die in den Mitarbeiterschulungen den jugendlichen Gruppenleitern vermittelten Orientierungen bleiben vielfach noch zu unreflektiert. Von daher ist es um so leichter den Erwachsenen möglich, über die jugendlichen Mitarbeiter die Arbeit der einzelnen Jugendgruppen zu beeinflussen. Zudem: Der frühe Einsatz ab Funktionsträger wird vor allem auf die Ju-gendführer selbst besonders starke sozialisierende Wirkungen haben.

Im Gegensatz zur Schule ist die Unabhängigkeit der Jugendarbeit vom Elternhaus rechtlich sehr beschränkt. Die elterliche Erziehungsgewalt wird durch die Tätigkeit der Jugendorganisationen keineswegs begrenzt. Jugendliche dürfen also nur mit Einverständnis oder Billigung der Eltern Jugendorganisationen beitreten. Die Beziehungen zwischen Elternhaus und Jugendverband sind wie die zwischen Elternhaus und Schule nicht sehr intensiv. Es ist jedoch zweifelhaft, ob die Behauptung von Halbfas zutrifft, daß die Elternschaft sich gleichgültig verhielte Die Untersuchungen von Rosenmayr zeigen, daß die Jugendlichen sich beim Eintritt in eine Gruppe mehr oder weniger stark an der Meinung der Eltern orientieren. Ferner wird man annehmen können, daß die Anmerkung Schelskys immer noch zutrifft, „daß die Eltern danach streben, zumindest noch gewisse Rahmenbedingungen der Freizeit ihrer jugendlichen Kinder zu kontrollieren“, insbesondere in Mittelschichtfamilien Dieses Interesse dürfte sich vor allem dann artikulieren, wenn die Jugendverbände den Vorstellungen des Elternhauses diametral entgegengesetzte Erziehungsabsichten verfolgen oder wenn die Jugendgruppe beispielsweise den Jugendlichen so in die Arbeit einspannt, daß offensichtlich oder vermeintlich deshalb die schulischen Leistungen absinken.

Genaueres über die Beziehungen zwischen Elternhaus und Jugendarbeit zu erfahren, wäre schon deshalb von besonderer Bedeutung, da die Jugendarbeit am „Übergang zwischen zwei sozialen Verhaltenshorizonten, die weitgehend gegensätzlich strukturiert sind", steht Es gehört damit zu den Aufgaben der Jugendarbeit, den Ablösungsprozeß von der Familie zu unterstützen und im Sinne der Gesellschaftsfähigkeit des Jugendlichen zu fördern. Damit kann es geradezu notwendig sein, daß eine Erziehung nicht „dann am erfolgreichsten ist, wenn alle Erziehungsträger mit größter Einmütigkeit gleiche Ziele betonen“, wie Halbfas formuliert

Als ein konkretes Problem, das die kirchliche Jugendarbeit besonders belastet hat und vielfach noch belastet, sei an dieser Stelle die Sexualerziehung genannt. „Kaum etwas hat den unabhängigen und sozialistischen Schülern so viel Entrüstung und Zulauf eingebracht wie die Sexualkampagne." Was dabei für viele Erwachsene und Erzieher in schockierender Weise herausgeschrien und offen propagiert wurde, das haben katholische . Aufklärungsbroschüren'jahrelang zuchtvoll verschwiegen. Das katholische Kleinschriftenwesen ist ein besonderes Beispiel dafür, wie mit Massen-auflagen vielfach offensichtlich falsche Informationen verbreitet werden, um religiöse oder in diesem Fall sexualpädagogische Ideologien zu stützen Die kleinen, selten mehr als 30 oder 40 Seiten umfassenden Hefte erreichten nicht zuletzt durch ihre Verbreitung und ihren Verkauf in der katholischen Jugendarbeit Auflagen bis an die Millionengrenze Der Informationswert der Hefte ist außerordentlich gering. Kennzeichen dieser Broschüren ist es, daß Aufklärung nicht exakte Beschreibung heißt, sondern Umschreibung, Andeutung und Verunklärung. Die möglichen Hemmungen auf Seiten des jugendlichen Lesers werden durch die Hemmungen der Verfasser, klar und deutlich (d. h.deshalb nicht unpädagogisch) zu schreiben, potenziert. Bei sexualpädagogischen Diskussionen wird sowohl das Versagen der Eltern wie auch der Schule bei der Aufklärung der Jugendlichen und Kinder immer wieder festgestellt. Auch die Jugendverbände haben den Jugendlichen im allgemeinen keine Hilfe geben können. Der evangelische Erziehungsberater Goldstein sagte zu Beginn einer Arbeitstagung der 37. Vollversammlung des Bundesjugendringes über das Verhältnis der Jugendverbände zur Sexualität: „Sie beschäftigen sich ein Dutzend Jahre zu spät mit dem Thema." Das Schlagwort von der . Sexualisierung der Öffentlichkeit'fand gerade auch in den Kreisen der katholischen Jugendarbeit Verbreitung. Vielleicht gerade deshalb, weil dieses Vorurteil eine rationale Auseinandersetzung mit dem Thema verhinderte, trafen die Bemühungen der Jugendverbände nicht die Fragen der Jugendlichen und trugen erst recht nicht dem gewandelten, auch biologisch bedingten, Lebensgefühl Rechnung

Die mangelnde Sexualaufklärung ging einher mit einer Ablehnung der Koedukation. In der Darstellung der hündischen Jugendbewegung hatten wir erwähnt, daß nur wenige Gruppen und Verbände koedukativ arbeiteten. Dieser Zustand hat sich auch nach dem Krieg nicht geändert. Wir können hier nicht näher auf Einzelheiten eingehen. Ein Aspekt, der im Zusammenhang mit der Bedürfnisorientierung der Jugendverbandsarbeit von Bedeutung ist, soll hier jedoch genannt werden. Die Voruntersuchungen von Mollenhauer über die evangelische Jugendarbeit haben Anzeichen dafür gebracht, daß „die Ablehnung der Koedukation meist mit einer geringeren Bereitschaft zusammentrifft, sich in anderer Hinsicht an den jugendlichen Interessen und Bedürfnissen zu orientieren" Sollte sich dieses Ergebnis erhärten lassen, so ließe sich auch die ablehnende Haltung zur koedukativen Jugendarbeit in das Bild eines Syndroms einbauen: einer mehr an den Vorstellungen der Erwachsenen und Mitarbeiter als an den Bedürfnissen der Jugendlichen orientierten Jugendarbeit.

Im Deutschen Bundesjugendring sind neben den konfessionellen und anderen Jugendverbänden auch die beiden großen gewerkschaftlichen Jugendorganisationen vertreten: die Gewerkschaftsjugend des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und die Jugend der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG). Daneben betreiben auch der Deutsche Beamtenbund (DBB) und der Deutsche Handels-und Industrieangestelltenverband (DHV) eine eigene Jugendarbeit.

Die gewerkschaftliche Jugendarbeit sieht ihren Ausgangspunkt in der Arbeitnehmereigenschaft der Mitglieder. Deshalb stehen im Blickfeld insbesondere Fragen des Berufes und Arbeitsplatzes, der beruflichen Fortbildung und, bedingt durch die gesellschaftspolitische Bedeutung der Gewerkschaftsarbeit, die politische Bildung. Im Vergleich zu den meisten anderen Jugendverbänden stellt die Gewerkschaftsjugend keine selbständige Jugendorganisation dar. Die gewerkschaftliche Jugendarbeit ist in organisatorischer, finanzieller wie personeller Hinsicht eng mit der Gewerkschaft verknüpft. Sowohl die Arbeit der integrierten DGB-Jugendgruppen als auch die der Einzel-gewerkschaften im DGB wird von hauptamtlich angestellten Jugendfunktionären geleitet, die bei den jeweiligen Leitungsstellen der Gewerkschaften ein eigenes Referat für Jugendarbeit bilden. „Gewerkschaftsintern wird daher sehr häufig von Jugendabteilungen gesprochen; als Mitglied der Jugendringe unter ande-ren Jugendverbänden ist die Bezeichnung Jugendverband oder Jugendorganisation üblich."

Die Gewerkschaftsjugend ist nicht nur wie andere Jugendverbände in größere Kooperationszusammenhänge eingebunden, sondern Teil der Gesamtorganisation mit einer von der Gesamtorganisation getragenen Führungsspitze. Damit ist ihr Bewegungsspielraum außerordentlich eingeschränkt. Dies führt oft „zu Spannungen, die von dem Gesichtspunkt der Gewerkschaftsjugend her eher eine Erweiterung der eigenverantwortlichen Arbeit und der Aufgabe der Jugendorganisation erforderlich machen. Der eigenverantwortliche Bereich darf wiederum auch nicht zu groß sein. Verfestigt sich beispielsweise eine Neigungsgruppe und strebt eigenen Zielen nach, so muß sich der zuständige Jugendsekretär einschalten, um die Jugendgruppe zu ihrem Mittelcharakter zurückzuführen.“

Die Gewerkschaftsjugend unterscheidet sich aber noch durch ein anderes Merkmal von anderen Jugendverbänden. Die jugendlichen Gewerkschaftsmitglieder sind automatisch Mitglied der Gewerkschaftsjugend, wenn auch von diesen nur lO°/o aktiv am Leben der Jugendgruppen teilnehmen. Wer als Jugendlicher also im gewerkschaftlichen Bereich aktiv werden möchte, kann dies faktisch nur über die Jugendorganisation. Während die jugendlichen Gewerkschaftsmitglieder, die nicht an der Jugendarbeit teilnehmen, auch später kaum gewerkschaftlich aktiv sein werden, steht die Jugendarbeit um so bewußter unter dem Aspekt einer qualitativen Nachwuchssicherung. Daß es jahrelang nicht zu eigenen gesellschaftspolitischen Konzeptionen der Gewerkschaftsjugend kam, lag einerseits an der bis in die sechziger Jahre hinein praktizierten traditionellen Jugendarbeit; andererseits auch an der allzu dirigistischen Führung durch die Jugendabteilungen der Einzelgewerkschaften und des DGB, die auf der 7. ordentlichen Bundesjugendkonferenz des DGB in Braunschweig 1968 scharf kritisiert wurde.

Die Entwicklung von der Fürsorgetätigkeit der Jugendverbände in der Notsituation nach dem Krieg über die Jugendpflege zur Jugendbildungsarbeit läßt sich an der gewerkschaftlit dien Jugendarbeit sehr klar aufzeigen. In der beruflichen Notsituation der Jugendlichen in den ersten Nachkriegsjähren hat die Gewerkschaft vor allem hier unmittelbare Hilfe geleistet. In den darauffolgenden Jahren kam es vor allem darauf an, einen breiten Nachwuchs zu gewinnen. Heute dagegen stehen ganz besonders die Bildungsfragen im Vordergrund. Immer aber blieb die gewerkschaftliche Jugendarbeit am Tätigkeitsbereich der Jugendlichen orientiert, am Betrieb, der Verwaltung und den Berufsschulen. Die existentielle Lebenssituation der Jugendlichen war und ist damit in wesentlich stärkerem Maße einbezogen als bei anderen Verbänden. Von daher ist gewerkschaftliche Jugendarbeit immer politisch-gesellschaftlich orientiert gewesen.

Die starke Bezugnahme der Jugendarbeit auf die Interessen und die Lage der Jugendlichen in Industrie und Wirtschaft bedingte von jeher eine stärkere Mitarbeit von Erwachsenen. Allgemeine Freizeitgestaltung läßt sich auch ohne ausgebildete Jugendpfleger durchführen, interessenbestimmte Jugendarbeit wie die der Gewerkschaften dagegen kaum. Wie schwierig es für die Organisation unabhängiger und sozialistischer Schüler im AUSS war, auf Dauer eine schulpolitische Aktivität durchzuhalten, hat sich gezeigt. Nach relativ kurzer Lebensdauer mußte sich der AUSS auflösen. Interessenbestimmte Arbeit verlangt Sachkenntnisse und langfristige Planungen, die von Jugendlichen allein kaum zu bewältigen sind. Darin liegt ein fast unlösbares Dilemma nicht nur der gewerkschaftlichen Jugendarbeit, daß jugendliche Selbstbestimmung und starke Fremdbestimmung durch Erwachsene in Konfrontation zueinander stehen. Es scheint, als könne man sich nur über das Wie der Mitarbeit. und Einflußnahme der Erwachsenen in der heutigen Jugendarbeit noch unterhalten.

Das Wie hängt eng mit der jeweiligen Politik der Gewerkschaften zusammen. — Die gewerkschaftlichen Organisationen in der Bundesrepublik lassen sich in zwei Richtungen unterteilen Zum Typ der dynamisch orientierten Gewerkschaften gehören solche, die noch gewisse klassenkämpferische Züge tragen wie die Industriegewerkschaften Metall und Chemie, Papier, Keramik. In der Jugendarbeit dieser Einzelgewerkschaften stehen die solidarischen Interessen aller Arbeitnehmer im Vordergrund. Neben einer starken Betonung der achwuchsförderung wird vor allem die außer-gewerkschaftliche Werbung stark forciert. Als die gewerkschaftliche Jugendarbeit ihren Anfang nahm, erschien es den Gewerkschaftlern sinnvoll, die Jugendlichen deshalb für die gemeinsamen Ziele zu gewinnen, damit sie den gewerkschaftlichen Streikmaßnahmen und der gewerkschaftlichen Politik folgten. Die Gesamtinteressen der Gewerkschaft stehen auch heute oben an. Die Jugendarbeit ist weniger an einer Jugendpflege orientiert als vielmehr an der Sozial-und Gesellschaftspolitik der Gewerkschaften. Bei der innergewerkschaftlichen Jugendarbeit steht das Schulungsmoment über dem Bildungsaspekt. Auch wird selten zwischen jugendlichen und alten Mitgliedern unterschieden. In der Satzung der IG Metall wurde die jugendliche Gruppe nicht einmal erwähnt. Die selbstverständliche Einordnung der Jugendlichen auch in die stark allgemeinpolitische Ausrichtung dieser Gewerkschaften (Wiederbewaffnung, Atomrüstung, Notstandsgesetze) wird vorausgesetzt. Dagegen dient die Arbeit der Gewerkschaften des organisch-berufsständischen Typs mehr der Förderung der Jugend auch auf Gebieten, die nicht zum unmittelbaren Interessenkatalog der Gewerkschaften gehören. Die fachliche Jugendbildungsarbeit überwiegt hier die ideologisch-politische Schulung

Wie kaum eine andere Organisation müssen die Gewerkschaften in ihrem Tätigkeitsfeld vielfach um den Einfluß auf die Jugendlichen kämpfen. Ausdruck dafür ist die ablehnende Haltung der Gewerkschaften zu den betriebs-eigenen Bemühungen um jugendpflegerische Maßnahmen. Dies gilt vor allem für die vielfältigen Freizeitangebote der Großunternehmen für ihre jugendlichen Arbeitnehmer. Die Gewerkschaften sehen in der betrieblichen Jugendpflege und Jugendbildung die Gefahr, daß die Jugendlichen den Gewerkschaften entfremdet werden So werden die Maßnahmen der Unternehmer die gewerkschaftliche Jugendarbeit und umgekehrt die Gewerkschaften die betriebliche Jugendpflege abschwächen. Es kommt also von Seiten der Gewerkschaften darauf an, die Nützlichkeit ihrer Arbeit den Jugendlichen gegenüber zu beweisen. Die Nützlichkeit wird den Jugendlichen aber nur dann glaubhaft erscheinen, wenn statt der gewerkschaftlichen Interessen an der Nachwuchs-gewinnung die Interessen der Jugendlichen in bezug auf eine Verbesserung ihrer Situation in den Vordergrund gerückt werden. 3. Jugendarbeit, Jugendverbände und staatliche Förderung Seit dem ersten Jugendpflegeerlaß aus dem Jahre 1911 sind viele Erlasse und Gesetze aus den Beratungen der Regierungen und Parlamente hervorgegangen. Die gesellschaftliche Entwicklung bedingte eine zunehmende Problematisierung des Lebensabschnittes Jugend und damit eine wachsende Aufmerksamkeit des Staates. Es wäre jedoch verfehlt, daraus zu schließen, es hätte sich im Laufe der Zeit eine integrierte Jugendpolitik entwickelt Wir beschränken uns hier vornehmlich auf die Jugendpolitik als Förderung der Jugend-pflege und dort besonders der Jugendverbände. Um die Eingrenzung deutlich zu machen, muß darauf hingewiesen werden, daß Jugendpolitik ein wesentlich weiteres Feld umfaßt. Das Spektrum reicht vom allgemeinen Schulwesen über die Berufsausbildung, den Schutz Jugendlicher im Betrieb und in der Öffentlichkeit, über Jugendstrafrecht und Jugendfürsorge bis hin zur Jugendpflegearbeit. Allgemein wird man zur Jugendpolitik in einem demokratischen Staat alle politischen Bemühungen rechnen müssen, die darauf angelegt sind, die gesamtgesellschaftliche Lage der Kinder und Jugendlichen im Sinne einer Chancengleichheit und freien Entfaltung der Person zu sichern, zu fördern und weiterzuentwickeln. Für die Jugendpolitik gilt allgemein auch der Grundsatz des Jugendwohlfahrtsgesetzes, das die besonderen Aufgaben in bezug auf die Jugend formuliert hat: den Kindern und Jugendlichen in unserer Gesellschaft den Weg zur leiblichen, seelischen und gesellschaftlichen Tüchtigkeit zu ermöglichen. — Allzuoft wird Jugendpolitik einengend mit Jugendhilfe oder Jugendschutz assoziiert, und auch die Jugendpflegeverbände und Wohlfahrtsorganisationen können nicht davon los-gesprochen werden, die Jugendpolitik mit einem geldgebenden Instrument für die Aufgaben der Jugend-und Sozialhilfe zu verwechseln Unsere Betrachtung umfaßt also nur einen Teilaspekt der Jugendpolitik. Die Institutionen und Maßnahmen der Jugendpflegeverbände sollten jedoch immer auf dem allgemeinen Hintergrund gesehen werden.

Nur so läßt sich eine Verkürzung der Sicht vermeiden.

Im Verlauf der Industrialisierung hatten die Arbeitsschutzgesetze insbesondere der arbeitenden Jugend einen zunehmenden Freizeit-raum geschaffen. Nachdem vor allem die Familie und daneben die das soziale System maßgeblich mittragenden Kirchen Einfluß verloren hatten, wuchs die Sorge um eine sinnvolle Gestaltung dieser Freizeit. Zwar hatten die Kirchen auf dem Wege über Jugendpflegeverbände schon seit einiger Zeit versucht, die Jugendlichen anzusprechen, doch reichten diese Bemühungen keineswegs aus. Dies galt besonders für die schulentlassene Jugend. Die Jugendpflege sollte nun dazu beitragen, daß die Jugendlichen „ihre freien Abende und Sonntage in einer Weise zubringen, die ihnen zusagt und ihrer körperlichen und geistigen Entwicklung förderlich ist" Dieses Zitat aus dem ersten Erlaß von 1901 zeigt schon die Spannung zwischen jugendlichen Interessen und dem, was die Verfasser unter , für die Jugend förderlich'verstehen, über die von den Jugendlichen bevorzugte Freizeitgestaltung versuchte die Jugendpflege, ihren Einfluß geltend zu machen. Man kann jedoch kaum von einer durch die pädagogischen Probleme der Jugend bestimmten Jugend-pflege sprechen, vielmehr standen zunächst gesellschaftliche Forderungen im Blickfeld. Neben der wachsenden Beunruhigung über den falschen Gebrauch der Freizeit stand die Sorge um die Wehrertüchtigung und der Wunsch nach politischer Ruhe und Ordnung, die man gefährdet sah.

Unter der Einwirkung der Jugendbewegung erlebte die Jugendpflegearbeit nach dem Ersten Weltkrieg ein starkes Breitenwachstum. Eine umfassende rechtliche Fixierung der Jugendfürsorge und Jugendpflege brachte das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1922, das jedoch wegen finanzieller Schwierigkeiten erst 1924 in Kraft trat. Darin wird die Verpflichtung des Staates festgelegt, dem Recht jedes deutschen Kindes auf geistige, körperliche und seelische Entwicklung Geltung z verschaffen. Damit gehört auch die Jugend-pflege neben der Unterstützung und Sicherung des Sozialisationsträgers Familie und Schule zur jugendpolitischen Aktivität des Staates.

Die Jugendpflegearbeit in der Bundesrepublik knüpfte 1945 wieder an die der Weimarer Zeit an. Die Antithese der Jugendpflege zur Jugendbewegung bestimmte jedoch nicht mehr das Bild. Damals stand nicht nur die öffentliche, sondern auch die verbandliche Jugendpflege dem Selbstverständnis der Bünde entgegen. Diesen Jugendbünden war der Gedanke an eine Arbeit im Sinne eines vorbeugenden Jugendschutzes oder einer von Erwachsenen getragenen Erziehung völlig fremd. Obwohl bis 1961 im Jugendwohlfahrtsgesetz (§ 6) noch zwischen Jugendpflege und Jugendbewegung unterschieden wurde, ist diese Antithese heute weitgehend aufgehoben.

Die Jugendverbände werden heute auf drei Ebenen staatlich gefördert: auf der Gemeinde-oder Kreisebene, auf Landesebene und nach dem Bundesjugendplan. Das Jugendwohlfahrtsgesetz bezieht sich vor allem in seinen Ausführungen auf die untere Ebene. Auf Landesebene werden solche Maßnahmen gefördert, die überörtlichen und regionalen Charakter haben. Die von Land zu Land verschiedenen speziellen Förderungsprogramme und die in Einzeletats verstreuten Mittel nach den Jugendpflegegesetzen sind inzwischen meist zu Landesjugendplänen (LJP) zusammengefaßt worden, um eine bessere Übersicht zu ermöglichen.

Neben der Förderung aufgrund des Jugendwohlfahrtsgesetzes wurde 1950 durch die Bundesregierung eine neue Initiative eingeleitet: Im Einvernehmen mit Bundestag, Bundesrat, den obersten Jugendbehörden der Länder und den Verbänden der Jugendarbeit wurde der Bundesjugendplan (BJP) geschaffen Im Gegensatz zu den Finanzierungen auf Grund der Jugendwohlfahrtsgesetze handelt es sich beim Bundesjugendplan um Subventionen an die Jugendverbände, auf die es keinen — der normalen Jugendpflege gleichartigen—Rechtsanspruch gibt. Die Einrichtung des BJP beruht nicht auf einer gesetzlichen Regelung, sondern wurde auf dem Wege eines ministeriellen Erlasses verfügt. Die Gelder dieser staatlichen Förderung, die keineswegs den Jugendverbänden allein zukommen, werden als Fonds verwaltet. Es gibt drei Wege, auf denen die zweckgebundenen Mittel den Träger der Maßnahme erreichen: im Direktverfahren, wo die Träger unmittelbar vom Bund gefördert werden, im Länderverfahren, bei dem die Gelder über die Länder verteilt wer-den, und im Zentralstellenverfahren, bei dem die Zentralen der großen Jugendverbände Verwaltungshilfe leisten. Zur Abwicklung der Geschäfte sind im Bundesministerium für Familie und Jugend eigene Referate eingerichtet worden

Mit dieser dauernden Subventionierung stellt sich natürlich die Frage, warum die Mittel weiterhin über eine spezielle Fondsverwaltung des Bundes verteilt werden und nicht über einzelne Haushaltsposten. Die Antwort kann nur in der Sicherung eines möglichst großen Handlungsspielraumes liegen, auf Grund dessen die Förderung den jeweiligen gesellschaftlichen Entwicklungen und Erfordernissen angepaßt werden kann. Es muß aber bezweifelt werden, ob diese Begründung zur Rechtfertigung der Fondsverwaltung zu Recht besteht. Vor allem die parlamentarische Kontrolle der Maßnahmen -— und damit ein wichtiger Faktor bei der laufenden Prüfung der gesellschaftlichen Erfordernisse — scheint erheblichen Mängeln zu unterliegen. Die Tatsache, daß beispielsweise bei der parlamentarischen Beratung des ersten Jugendberichtes von 518 Abgeordneten nur etwa 70 anwesend waren und die Länder und Regierungsbank ebenfalls fast leer war, muß als Zeichen des mangelnden Interesses an Jugendfragen gewertet werden

Auch durch den zuständigen Parlamentsausschuß konnte dieses mangelhafte parlamentarische Interesse nicht ausgeglichen werden. Die Ausschußarbeit bewegte sich hauptsächlich im Rahmen der Vorbereitung von Gesetzesinitiativen und Gesetzesänderungen; es gab dabei „nur geringfügige Ansätze des Ausschusses, zu grundsätzlichen Fragen der Jugendpolitik außerhalb der Gesetzgebung Stellung zu nehmen Weist man neben der Bemerkung über die geringe jugendpolitische Aktivität der Abgeordneten noch auf die unzureichende Inanspruchnahme von Sachverständigen durch den Ausschuß hin, so deutet sich hier schon ein Mißverhältnis von ministerieller Arbeit, parlamentarischer Kontrolle und wissenschaftlicher Beratung an.

Die Förderung durch den Bundesjugendplan setzt die Förderungswürdigkeit der Jugendverbände voraus. Zumeist geht der Bund von einer Anerkennung durch die zuständigen Länderbehörden aus. Die Bedingungen der Förderungswürdigkeit sind jedoch von Land zu Land verschieden Zu den Voraussetzungen gehören im allgemeinen: Die Jugend-gemeinschaften müssen sich aus freiwilligen jugendlichen Mitgliedern zusammensetzen, und zwar in fest organisierten Verbänden und Gruppen. Legt man dabei die . feste Organisation'restriktiv aus, so wird sichtbar, wie sehr die Förderung auf die Jugendverbandsarbeit als eine durchorganisierte Jugendarbeit angelegt ist. Das saarländische Jugendpflegegesetz spricht ausdrücklich von . Jugendpflegetreibenden Vereinen’. Eine Förderung spontaner jugendlicher Gruppen ist deshalb kaum möglich, es sei denn auf dem Umwege über die Heime der Offenen Tür, wo aber wieder . Jugendpflege’ stattfindet.

Die jugendpflegerisdi-erzieherische Zielsetzung ünd die Bereitschaft, an der Jugendhilfe mitzuwirken, verdeutlichen als weitere Voraussetzungen der Anerkennung, daß demnach staatlich gefördert wird, was von Erwachsenen getragene Jugendpflege ist. Neben der Anerkennung der demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik müssen auch die Vorstandsmitglieder von den Mitgliedern demokratisch gewählt werden. Diese Forderung bleibt angesichts der Besetzung der Schlüsselpositionen durch Erwachsene formal. Viele Probleme und Fragen werden in den Entscheidungsgremien von den Erwachsenen als , Sachzwänge’ vorgestellt, so daß die Jugendlichen kaum anders zu entscheiden wagen. Schließlich ist die Förderung davon abhängig, ob die Verbände in der Lage sind, ordnungsgemäße Verwendungsnachweise aufzustellen. Die staatliche Förderung hat somit die Einrichtung von Verwaltungsbürokratien bei den Verbänden zur Folge. Mit detaillierten Sachkenntnissen ist die Bürokratie in den Verbänden gegenüber den pädagogisch tätigen Kräften in einer sehr starken Position. Und außerdem: Die fast völlige Abhängigkeit der Jugendverbände von der staatlichen Förderung ist ein nicht wegzuleugnendes Charakteristikum heutiger Jugendarbeit. Wenn von der Freiheit der Jugendverbände die Rede ist, wird immer wieder betont, die finanzielle Förderung aus den Jugendplänen sei vor allem Hilfe zur Selbsthilfe der Jugend und der Jugendarbeit, die auf Dauer in die Lage versetzt werden sollten, ihre Aufgaben aus eigenen Mitteln und Kräften zu erfül-len Obwohl die Zuwendungen aus den Jugendplänen nur Beihilfen sein sollen, sieht die Wirklichkeit der Jugendverbandsarbeit jedoch wesentlich anders aus. Eine Aufrechnung der tatsächlichen Eigenleistungen der Jugendverbände würde nur einen Bruchteil der Forderungsbeträge ausmachen. Allein die Verwaltungskosten könnten durch die Mitgliedsbeiträge nicht bestritten werden. Einige der strukturellen Auswirkungen dieser Gegebenheiten können wir in folgenden Punkten zusammenfassen: 1. Die einzelnen Jugendgruppen sind nicht mehr die den Verband eigentlich tragenden Elemente, sondern der Jugendverband trägt über die Abwicklung der Jugendplanzuschüsse, durch Mitarbeiterschulungen und Arbeitshilfen die Jugendgruppen. 2. Dies bedingt einen der Demokratisierung der Verbände entgegengesetzten Prozeß, denn die Verbandsspitzen sind materiell weitgehend von den Mitgliedern unabhängig. Die Arbeit der Verbandsorgane erhält den Jugendgruppen gegenüber immer mehr den Aspekt der „Versorgung"

mit finanziellen und inhaltlich pädagogischen Hilfen.

3. Die Politik der Verbände bewegt sich in dem Spielraum, den die Abhängigkeiten von anderen Großorganisationen oder vom Staat noch übrig lassen. Auseinandersetzungen mit diesen Organisationen werden vermieden; die Konkurrenz unter den Verbänden wird zum Kartell, um die eigenen Positionen und das Gleichgewicht zwischen den Verbänden zu halten.

4. Veränderungen innerhalb der Verbände auf demokratischem Wege von unten nach oben sind nur im beschränkten Maße möglich. Eigenbewegungen der Jugendlichen finden nicht ausreichende Verwirklichungschancen. Um die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Jugendverbänden und den staatlichen Stellen zu koordinieren, wurde in Rothenburg o. T. 1949 der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) gegründet. Zu den Mitgliedern gehören außer den großen auf Bundesebene arbeitenden Jugendverbänden auch die Landesjugendringe, die gleiche Aufgaben wie der DBJR auf Landesebene wahrnehmen. Bei dieser recht schnell nach dem Krieg erfolgten Gründung einer Interessenvertretung ging es auch darum, die Position der freien Verbände und Organisationen gegenüber der sich langsam koordinierenden Aktivität des Staates auf dem Gebiet der Jugendpflege zu festigen. So fand der Staat bei der Einrichtung des BJP bereits einen Verhandlungspartner vor, der bereit war, seine Arbeit in den Dienst des Wiederaufbaus, der Überwindung der Notlage der Jugend und der politischen Bildungsarbeit zu stellen.

Es sind vor allem zwei Interessen, die die Arbeit des Bundesjugendringes bestimmen: das Interesse, die verbandseigenen Aktivitäten und die Bildungsarbeit an den erfaßten Jugendlichen durch die Zuschüsse des Bundes zu sichern, und „die Wahrnehmung der Belange junger Menschen im Gesellschaftsleben’ wobei der DBJR sich nicht als Sprecher der Jugend sieht, sich aber verpflichtet hat, „dem Wohle der gesamten Jugend zu dienen"

Da der Bundesjugendring im bereits erwähnten Zentralstellenverfahren und über die Mitarbeit im Bundesjugendkuratorium Mitberatungsrecht in den Angelegenheiten der BJP-Förderungen besitzt, ist er nicht nur Interessenverband, sondern wirkt auch bei der Erfüllung dieser Interessen mit. Die Aufteilung eines Verteilerschlüssels, der dem Ministerium als Grundlage für die Mittelvergabe dient, führte rasch zu einer oligopolitischen Aufteilung des Feldes der Jugendverbandsarbeit. Immer wieder kam es wegen der Stimmenverteilung im Bundesjugendring zu Differenzen. Das jüngste Beispiel ist eine Auseinandersetzung, die zum Austritt der Deutschen Sportjugend führte. Diesem Verband, mit 3, 9 Millionen Mitgliedern der weitaus stärkste Jugendverband, ging es vor allem um eine stärkere Berücksichtigung bei der Mittelvergabe. Bei den Streitigkeiten um die Deutsche Sport-Jugend (DSJ) wurden auch die politischen Strömungen im DBJR sichtbar" Durch die Protestbewegung der Jugend ausgelöst, versuchten einige Verbände und insbesondere der damalige DBJR-Vorsitzende Flegel (SJD — Die Falken), ein stärkeres politisches Engagement zu erreichen. Dagegen wehrten sich einige Mitgliedsverbände, neben der Sport-jugend „vor allem Gruppen, deren jugendliche Gefolgschaft zuerst einmal wandern und bergsteigen will, sich als Nachwuchs von Berufsverbänden ansieht, vor allem aber primär kein Interesse an politisch radikalem Spektakel zeigt“, bemerkte Jürgen Wahl im . Rheinischen Merkur'besorgt zum . Linkskurs 1 des Deutschen Bundesjugendringes Insbesondere die politisch konservativen Kreise waren darum bemüht, den Arbeitsgemeinschaftscharakter des DBJR beizubehalten. Kennzeichen der Arbeitsgemeinschaft ist vor allem ein Einstimmigkeitsprinzip für Beschlüsse und Verlautbarungen grundsätzlicher Art. Bei der Heterogenität der 17 Mitgliedsverbände ist somit nur außerordentlich selten eine akzentuierte politische und jugendpolitische Aussage dieses Dachverbandes zu erwarten.

An dem Austritt der DSJ läßt sich aber noch ein weiteres zeigen. Der Vorsitzende Flegel kommentierte den Austritt in den DBJR-Informationen mit der Bemerkung: „Sie (die DSJ., d. Verf.) hat offensichtlich den Bruch, der keinem nützen kann, von vornherein einkalkuliert und dann vollzogen, ohne daß ersichtlich wäre, daß Jugendliche an dieser Entscheidung beteiligt worden wären.“

Nun ist die Frage der Interessenvertretung der Jugendlichen durch die Verbände zwar bei der Deutschen Sportjugend eine besonders heikle, weil sie im eigentlichen Sinne keinen Jugendverband darstellt, sondern sozusagen der organisatorische Zusammenschluß der Jugendabteilungen der Sportverbände und -vereine im Deutschen Sportbund (DSB) ist. Es muß jedoch betont werden, daß die Kritik des DBJR-Vorsitzenden die Interessenvertretung der anderen Verbände ebenso in Frage stellt. Ob die Jugend des Deutschen Alpenvereins tatsächlich gegen eine politische Profilierung eingestellt ist, wie es im Beitrag des „Rheinischen Merkur" behauptet wird, bleibt angesichts der Tatsache, daß es zumeist Mitglieder der Erwachsenenorganisation sind, die hier für ihre Jugendverbände als Vertreter im Bundesjugendring sitzen, fraglich. Daß man bei den Vollversammlungen des DBJR mehr Halb-glatzen als volle Haarschöpfe sieht, veranlaßte die Bundesministerin Käte Strobel zu der Bemerkung: „Es fällt mir ein bißchen schwer, an die Jugend zu denken, wenn ich in ihre Reihen blicke."

Was in den Gremien der Verbände und erst recht im Bundesjugendring vor sich geht, ist den Jugendlichen in den Verbänden meist völlig unbekannt. Die Aufsplitterung der publizistischen Arbeit in den Jugendverbänden durch eine Vielzahl kleiner und kleinster Verbandszeitschriften — allein in der katholischen Jugendarbeit gibt es mehrere Dutzend — erschwert selbst eine bescheidene Informationsarbeit. Im übrigen ist auch nicht klar zu übersehen, wen die Jugendverbände repräsentieren: Der Mitgliedsbegriff der einzelnen Verbände ist sehr verschieden; im Bundesjugendring hat es darüber bislang auch keine Einigung gegeben

Der Deutsche Bundesjugendring stellt als Dachorganisation eine gewisse Repräsentanz der organisierten Jugendlichen dar. Mit zunehmender Verlagerung der politischen Willensbildung auf höhere Gremien und Organe, die durch eine kaum vermittlungsfähige Bürokratie von den Jugendlichen getrennt sind, nimmt die jugendpolitische Diskussion und Aktion auf den unteren Ebenen ab. Die Struktur des Deutschen Bundesjugendrings brachte es ohnedies mit sich, daß ein Beitrag zu einer tragfähigen Konzeption der Jugendpolitik in der Bundesrepublik bisher ausblieb. „Es gab keine durchschlagenden Reformversuche zur Jugendpolitik und zum Bundesjugendplan, man hemmte sich gegenseitig." Kamen vereinzelt politische Initiativen, so konzentrierten sie sich vornehmlich auf das unmittelbare oder mittelbare Interesse der Verbände Die Bemerkung über den DSJ-Austritt, daß es schon immer ein Mißverhältnis zwischen der Größe der Deutschen Sportjugend und ihrer jugendpolitischen Aktivität gegeben habe, fällt auf die Arbeit des Bundesjugendrings zurück

Ist die Bedeutung des Bundesjugendrings sowohl in bezug auf eine wirksame Interessenvertretung der Jugendlichen als auch im Hinblick auf die Beratung staatlicher Stellen im Bereich der Jugendpolitik gering, so arbeitet auch das eigens zur jugendpolitischen Beratung eingerichtete Bundesjugendkuratorium wenig effektiv.

Das ursprüngliche . Kuratorium für Jugend-fragen'wurde 1950 von der Bundesregierung ins Leben gerufen. Es setzte sich aus einem Beratungsgremium und einem Aktionsausschuß zusammen. Anläßlich der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes 1961 wurde das Bundesjugendkuratorium gesetzlich verankert. Die damit verbundenen Neuerungen wurden von Bundesregierung und Verbänden gleichermaßen begrüßt, da in den Jahren zuvor eine umfassende jugendpolitische Beratung nicht zustande gekommen war. Nach der Novellierung dauerte es jedoch vier Jahre, bis die Bundesregierung — ohne ein Resümee aus den vergangenen 15 Jahren gezogen zu haben — nach den neuen Richtlinien 1965 ein verändertes Bundesjugendkuratorium berief. Das neue Kuratorium umfaßte nunmehr nur noch 35 ordentliche und 35 stellvertretende Mitglieder und konnte erstmals einen Präsidenten aus den eigenen Reihen wählen. Mitglieder waren neben den Wohlfahrts-und Jugendorganisationen, den Arbeitnehmer-und Arbeitgeberorganisationen und anderen Verbänden und Institutionen auch die obersten Landesbehörden. Da die Geschäftsführung weiterhin ganz in den Händen des Ministeriums lag und auch die Geschäftsordnungen letztlich von diesem bestimmt wurden, konnten einige wichtige Anliegen nicht verwirklicht werden. So ist ein Hinzuziehen von Bundestags-oder Bundestagsausschußmitgliedern durch die ablehnende Haltung der Bundesregierung unmöglich gemacht worden. Gerade aber weil es sich bei den Mitgliedern des Bundesjugendkuratoriums nicht um unabhängige Berater, sondern um beratende Interessenvertreter handelt, wäre eine parlamentarische Beratung und damit eine Kontrolle sinnvoll gewesen. Annelie Keil scheint es dabei vor allem um den Versuch gegangen zu sein, „die parlamentarische Kontrolle vor allem als Forum größerer Publizität auszuschalten, um das möglicherweise so schneller zu erreichende friedliche Arrangement zwischen Staat und freien Trägern nicht von dritter Seite zu stören." Wir hatten von dem Schicksal des ersten Jugendberichtes vor leeren Bänken des Parlaments gesprochen. Ein deutliches Beispiel für die Situation der Politikberatung scheint auch zu sein, daß eine kritische Stellungnahme und Debatte im Bundesjugendkuratorium das Ministerium offensichtlich so verärgerte, daß eine Beauftragung von Fachausschüssen zur weiteren Ausarbeitung von Vorschlägen vom Ministerium verhindert wurde. Das Bundesjugendkuratorium verfügt nicht über das Recht, in jugendpolitischen Angelegenheiten an die Öffentlichkeit zu treten, um so das Ministerium unter Begründungszwang zu stellen. Diese Forderung kann selbstverständlich nicht grundsätzlich für jeden beratenden Ausschuß erhoben werden, denn dies würde letztlich zu einer Vielzahl „kleiner Parlamente" führen. Es sollten jedoch Überlegungen in der Richtung eingeleitet werden, ob nicht für die größeren politischen Bereiche — ähnlich einem Sachverständigenrat für die Wirtschaft — Gremien geschaffen werden können, die sowohl für das Parlament als auch für die Regierung aus selbstverantwortlicher Analyse heraus gutachterliche Tätigkeiten ausüben. Wie wenig offensichtlich auch nach der Novellierung das Bundesjugendkuratorium zu einer effektiven Arbeit in der Lage war, zeigte die erneute Änderung der Geschäftsordnung 1969, nachdem im Februar 1968 die Amtszeit des Kuratoriums bereits abgelaufen war Die häufigen Änderungen der Struktur des Bundesjugendkuratoriums lassen auf grundlegende Schwächen schließen, die hier nicht näher untersucht werden können. Immerhin zeigen die Beispiele, daß die jugendpolitische Beratung durch Parlamentsausschuß, Bundesjugendring und Bundesjugendkuratorium ein offenes Problem darstellt.

III. Erscheinungsformen der Protestbewegung der Jugend

Die Stellung des Jugendlichen ist mit recht unterschiedlichen Formulierungen umschrieben worden. Es heißt, die Jugend sei in ein (Zwischenland abgedrängt'(Lichtenstein), man habe sie in ein . Reservat und einen Naturschutzpark'gestellt (Pfaff), der Lebensraum der Jugendlichen sei ein , illdefined no man's land'(Hollingshead) oder der Jugendliche sei nicht mehr Kind und noch nicht Erwachsener (Schelsky). Gemeinsam liegt diesen Definitionen die Beobachtung zugrunde, daß Status und Rolle des Heranwachsenden in unserer Gesellschaft kaum hinreichend definiert sind. Die Auswirkungen der Entwicklung von der vorindustriellen zur modernen Gesellschaft wurden unter anderem in einer Dichotomisie-rung der Intimgruppe Familie einerseits und des öffentlichen Bereiches andererseits gesehen. Die Lage der Jugend stellt sich dann als Übergangsphase zwischen diesen gegensätzlich strukturierten Verhaltenshorizonten und im privaten Bereich als Übergang von der Herkunftszur Zeugungsfamilie dar. Stellt Schelsky fest, daß die Jugendlichen beim Übergang vom primären zum sekundären Bereich vor völlig neuartigen Strukturen und Verhaltensnormen stehen und in Zeiten raschen gesellschaftlichen Wandels diese Position zum Schnittpunkt des Gesellschaftsumbruches wird so ergänzt Eisenstadt diese Feststellung mit dem Hinweis, daß die präger der Vermittlung zwischen den beiden ereichen in den altershomogenen Gruppen zu suchen seien. Die jugendlichen Gruppen u ernehmen Funktionen bei der Entwicklung der Identität des jungen Menschen, geben ihm einen gewissen emotionalen Halt und unterstützen so seinen Übergang in die Erwachsenenwelt. Eisenstadt unterscheidet drei Typen altershomogener Gruppen

1. Die für die Eingliederung in die Erwachsenengesellschaft von dieser gegründeten Schulsysteme, die die Jugendlichen zu altershomogenen Gruppen zusammenfassen;

2. die Jugendverbände, von den Erwachsenen gegründet oder getragen, in denen manchmal jugendliche Spontaneität und Selbstbestimmung, manchmal jedoch die Erziehungsbemühungen der Erwachsenen vorherrschen-, 3. die spontanen jugendlichen Gruppenbildungen.

Mit Erreichen der geschilderten gesellschaftlichen Entwicklungsstufe stellt „Jugend" eine Phase dar, die durch besondere Probleme gekennzeichnet ist: Spannungen, die sich aus der Konfrontation von Wert-und Verhaltens-mustern der beiden gegensätzlich strukturierten Bereiche ergeben, und Konflikte, die durch das Auseinanderfallen von biologischer und sozialer Reife entstehen, sowie Verhaltens-unsicherheiten auf Grund fehlender Rollen-definitionen u. a. m. Die jeweiligen Problem-lagen bewirken bei den Jugendlichen die Herausbildung bestimmter Referenz-und Rele-vanzstrukturen in bezug auf ihre eigenen jugendlichen Altersgruppen und auf die sie umgebende Erwachsenenwelt. Die altershomogenen Gruppen bilden die Kommunikationsfelder, in denen die Jugendlichen zu intersubjektiven Definitionen der Problemlage und zu einer von mehr oder weniger allen geteilten Einschätzung und Typisierung der Umwelt gelangen.

Die daraus sich entwickelnden Wert-und Verhaltensmuster wurden in der amerikanischen Soziologie mit der These von der jugendlichen Teilkultur zu erfassen versucht. Bell formulierte: „Unter Teilkulturen verstehen wir relativ kohärente kulturelle Systeme, die innerhalb des Gesamtsystems unserer nationalen Kultur eine Welt für sich darstellen. Solche Subkulturen entwickeln strukturelle und funktionale Eigenheiten, die ihre Mitglieder in einem gewissen Grade von der übrigen Gesellschaft unterscheiden." Schon vor der erneuten Betonung der Teilkultur-These durch Bell hat es in den Vereinigten Staaten Stimmen gegeben, die auf die Schicht-und Bildungsabhängigkeit der Teilkultur hinwiesen und damit den Begriff als Typisierung der Jugend ablehnten Erstaunlich und zugleich unverständlich ist das Ignorieren dieser Einwände in der Arbeit von Tenbruck, der als erster in Deutschland in größerem theoretischen Rahmen die Teilkultur-These aufgriff. Von der Definition ausgehend: „Wenn sich innerhalb einer Gesellschaft eine Gruppe hinlänglich und bewußt von einer anderen unterscheidet, kann die Soziologie von einer Teil-kultur sprechen" spricht er davon, daß die moderne Jugend eine eigene Teilkultur besitze. Schelsky kommt zu einem Tenbruck widersprechenden Ergebnis: Die Zuschreibung einer bestimmten jugendeigenen Verhaltensform durch die Erwachsenen glaubt er als ideologische, normative Uberfolgerung von Naturtatbeständen in den sozialen Bereich auf-

decken zu können. Für ihn läßt sich Jugend weder als sozialer Stand noch als soziale Gruppe oder dergleichen bestimmen: „Im Gegenteil scheint es sich in Wirklichkeit so zu verhalten, daß . Jugend'nur eine Spielart, eine Varietät in jeder der voneinander verhältnismäßig unabhängigen Sozialrollen der modernen Menschen darstellt; man ist als junger Mensch Jugend in der Familie Berufsjugend und Betriebsjugend, Partei-jugend, Gewerkschaftsjugend, junge Kirche, Jugend im Kino usw., und selbstverständlich gibt es auch die Rolle . Jugend in jugendeigenen Verbänden'. Die Kombination dieser Sozialrollen jugendlicher Spielart zu einem Rollensystem ist für den Jugendlichen genauso wie für den Erwachsenen individuelle und persönliche Verhaltensleistung. Man kann abstrahierend und in statistischen Signifikanzen die speziellen Eigenschaften der Jugend-rollen und der individuellen Rollensysteme als . Verhalten'der Jugend zusammenfassen . .."

Will man angesichts der sehr differenzierten Situation der Jugend weiterhin das Vorhandensein einer allgemeinen Jugendkultur behaupten, dann kann dies nur auf einer sehr allgemeinen und diffusen Ebene geschehen Bevor man davon spricht, daß sich jugendliches Verhalten und jugendliche Wertorientierungen als Subkultur von der herrschenden Gesamtkultur abgrenzen lassen, ist es wichtig, zunächst die konkreten jugendlichen Gruppenbildungen als strukturelle Subgruppen der Gesellschaft zu beschreiben. Erst nach diesem Schritt wird feststellbar sein, in welchem Ausmaß mehr oder weniger manifeste gemeinsame Verhaltensmuster und Orientierungen bei allen Jugendlichen vorhanden sind und inwieweit die strukturelle Situation einigen dieser jugendlichen Gruppen Besonderheiten zuschreibt. Für die Jugendverbandsarbeit stellt sich diese Frage insbesondere in bezug auf das, was man in jüngster Zeit häufiger als Freizeitkultur zu bezeichnen pflegt, da die Verbände vornehmlich im Freizeitbereich tätig werden. Die Frage stellt sich sodann dort, wo die Normen und Werte sehr stark von den gegebenen gesamtgesellschaftlichen Mustern abweichen und obendrein von den Jugendlichen als Gegen-kultur propagiert werden: Hier wäre zentral der Erziehungsauftrag der Jugendverbände angesprochen. Unsere folgenden Bemerkungen wollen drei typische Verhaltensformen jugend licher Gruppen während der Protestbewegung kurz ansprechen

1. Konformität als Kennzeichen weiter Kreise der berufstätigen Jugend (mit latenter Protesthaltung, die im Freizeitraum integriert wird), 2. Weltflucht als extremes Verhalten einiger weniger und als Freizeitverhalten vieler Jugendlicher, 3. Rebellion in Form politischer Proteste der Schüler und Studenten.

Dabei wird erkenntlich, daß es fließende Über-gänge in den verschiedenen Protesthaltungen gibt und im Symbolbereich, in Musik und Mode gemeinsame Muster vorhanden sind.

In den letzten Jahren ist durch Nivellierungsthesen und Jugendkulturtheoreme oft der Eindruck entstanden, als gingen die Gemeinsamkeiten der Jugendlichen weit über ihren Habitus, ihre Kleidung oder ihren musikalischen Geschmack hinaus. Die Protestbewegung hat als Symptom einer allgemeinen Unruhe aber auch gezeigt, daß die objektiven Voraussetzungen, die das Leben der Schüler und Studenten, ihr Verhalten und ihr Bewußtsein prägen, von denen der berufstätigen Jugendlichen abweichen. Es waren vornehmlich Schüler und Studenten, die sich an den politischen Protestaktionen beteiligten. Nach den Ursachen des Protestes wird man also auch in den sozialen Schichten suchen müssen, aus denen die Jugendlichen jeweils stammen.

Der Protest der studierenden Jugend beschränkte sich nicht auf einstweilen unwirksame Protesthaltungen im Freizeitbereich, sein besonderes Merkmal lag im unmittelbaren Zugriff und Angriff auf die sozialen Verhältnisse, auf den Lehrbetrieb an den Schulen und Universitäten und auf andere Organisationen und Institutionen. Der Protest der berufstätigen Jugend blieb dagegen zumeist unpolitisch: Für viele fand er nach Feierabend in den Beatschuppen statt. Eine kurze Skizze der Lage der berufstätigen Jugend kann keine kausalen Zusammenhänge darstellen, wohl aber eine Grunddisposition aufweisen.

Die Schule in unserer Gesellschaft stellt eine entscheidende soziale Dirigierungsstelle dar, die auf den späteren Schichtstatus der Jugendlichen starken Einfluß hat Sie hat es je-doch — und dies ist in vielen Untersuchungen eindeutig nadigewiesen — nicht vermocht, den Einfluß der sozialen Herkunft auf den schulischen Erfolg und damit negative und nachteilige Dispositionen bei den Jugendlichen der Unterschichten aufzuheben. Nicht einmal zehn Prozent der Achtzehnjährigen waren 1964 Schüler Aus dieser Zahl wird deutlich, daß für die Mehrzahl der Jugendlichen das Berufsleben früh beginnt. Lehrzeit, berufsbegleitender Unterricht und die Bestimmungen des Jugendarbeitsschutzes (über deren Einhaltung man jedoch keine verläßlichen Angaben machen kann) zögern den vollen beruflichen Einsatz und die damit verbundene Übernahme einer selbstverantwortlichen Arbeit nur unwesentlich hinaus. Mit diesem frühen Eintritt in die industrielle Arbeitswelt trifft diese jungen Leute der Bruch zwischen Schule und Erwerbsleben in einem Alter, in dem die Schüler durch vorgezeichnete Ausbildungswege und durch eine Eingebundenheit in pädagogische Vollzüge von Eigenverantwortung und Verantwortung gegenüber der Umwelt noch weitgehend entlastet sind.

Der Umbruch trifft die Jugend um so schwerer, als die Schule sie nur ungenügend auf die neuen Umweltbedingungen, Verhaltensweisen und . Tugenden'der Berufs-und Arbeitswelt vorbereitet Die Kenntnisse der Schulentlassenen über den von ihnen gewählten Beruf sind meist völlig unzureichend, durch wirklichkeitsfremde Vorstellungen belastet und gründen nur selten auf eigenen Anschauungen Die Unerfahrenheit und Unkenntnis bewegt sich nicht allein im kognitiven Bereich eines bestimmten Wissens, sondern gerade im Feld . sozialer Fertigkeiten. So sind die Jugendlichen bei ihrem Eintritt in das Berufsleben auf sich selbst gestellt und alleingelassen. Unter diesen Voraussetzungen versuchen sie mit einer Fülle von Anpassungsproblemen und Normkonflikten fertig zu werden. Folge ist der Versuch, sich möglichst reibungslos anzupassen und dem Druck nicht entgegenzuwirken, sondern ihm partiell auszuweichen.

Unser Wissen über die Lage der Schulentlassenen und Berufsanfänger läßt eindeutige Aussagen über diese Probleme der Jugendlichen noch nicht zu. Man kann jedoch annehmen, daß die Hoffnung auf die der angepaßten 114 Lehrzeit folgenden sprichwörtlichen Herren-jähre'enttäuscht wird und dies Desillusionierung und Frustration bei den Jugendlichen hervorruft. Diese Erscheinung aber macht sich oft in einem Alter bemerkbar, „in dem die angesichts ungelöster Pubertäts-und Identitätsschwierigkeiten ungesicherte personale Struktur des Jugendlichen volle Desillusionierung noch nicht zu ertragen vermag" Die immer wieder festgestellte relative Berufszufriedenheit der Jugendlichen muß dem nicht widersprechen. Die berufstätigen Jugendlichen haben sich mit den Verhältnissen abgefunden und versuchen, zurückgebliebene Unzufriedenheiten im Freizeitraum zu kompensieren: „Die überwiegende Mehrzahl sieht ihren Lebenssinn in den Freizeitraum verlagert und bewältigt auf diese Weise ihre Probleme, die seit Marx in der Soziologie mit dem Begriff der . Fremdbestimmtheit der Arbeit'bezeichnet werden.“ Zu den allgemeinen Merkmalen der Unterschichten gehören auch die geringen Aufstiegschancen, die bei den Arbeitern dann „positiv als Abfinden mit dem gemeinsamen Schicksal, negativ als resignierende Passivität und eventuell als Abwertung aller subjektiven Aufstiegstendenzen in Erscheinung" treten Aus Apathie und Resignation resultieren Tendenzen zum Rückzug aus öffentlichen Bereichen und eine starke Betonung privater und verwandtschaftlich bestimmter Beziehungen. Mit der Neigung zu einem gewissen gesellschaftlichen Fatalismus geht eine — im Vergleich zur Mittelschicht — schwache Zukunftsorientierung einher. Der planende und Bedürfnisse aufschiebende Aspekt der Zukunftsorientierung und des Aufstiegsstrebens der Mittel-schichten ist hier nur in ganz geringem Maße vorhanden. Dem entspricht ein überaus starker Bezug auf das unmittelbar Verfügbare und damit auf den Konsum. Während die Situation der Schüler und Studenten auf die Zukunft hin offen ist, scheint die Lage der berufstätigen Jugend auf den Status quo festgelegt.

Rosenmayr u. a. haben beim Vergleich der hier in wenigen Sätzen skizzierten jugendlichen Gruppen von der . bevorzugten Pubertät'der Schüler und der . benachteiligten Pubertät'der berufstätigen Jugendlichen gesprochen Die Gesellschaft hat vor allem den berufstätigen Jugendlichen aus den Unterschichten bisher keine ausreichenden Bildungschancen gewährt und die schichtbedingten Benachteiligungen nicht aufgehoben. Damit sind diesen Jugendlichen die Möglichkeiten vorenthalten, ihre eigene gesellschaftliche und ökonomische Lage zu erkennen und eigene Interessen zu formulieren. Ihr Protest wird — wenn überhaupt — wegen der fehlenden Fähigkeit, politische und soziale Sachverhalte zu durchschauen, kaum Ansätze eines politischen Handelns entwickeln. Ihr Protest wird mehr passiv als aktiv — er wird . sprachlos'sein. Einen solchen . sprachlosen'Protest kann man im Freizeitverhalten dieser Jugendlichen sehen, dort, wo die Verhaltensmöglichkeiten noch nicht durch das gesellschaftliche Rollen-system völlig festgelegt sind. Es gibt kaum eine Erscheinung, die das Verhalten vieler Jugendlicher in der Freizeit in letzter Zeit dermaßen stark geprägt hat wie der Beat 7. Das Beat-Phänomen erstreckt sich nicht allein auf die Musik. Ähnlich den künstlerischen Happenings oder einem living-theatre’ drückt sich im Beat der Versuch aus, die „Mittelbarkeit eines verwalteten Lebens ursprünglicher Selbsterfahrung zurückzugewinnen" wobei man jedoch nicht aus einer Kulturkritik heraus die Technik ablehnt (wie etwa in der Jugendbewegung), sondern alle Möglichkeiten ausnutzt und die elektronische Technik als Befreiungsinstrument ansieht.

Der Beat verspricht viel Ausgelassenheit und ein großes Maß an Ungezwungenheit. Anders als im Alltagsleben gibt es im Beatschuppen und bei den Treffen der Jugendlichen Freiheit zum Experiment ohne besondere Kontrollen durch die Umwelt. Einer Kontrolle durch die Erwachsenen entzieht sich das Phänomen unter anderem dadurch, daß es als Ausdruck oppositionellen Verhaltens keinen die Gesellschaft attackierenden Charakter in sich trägt, sondern mehr eine Form narzißtisch orientierter Abgrenzungen darstellt. Beat ist weniger Protest, sondern vielmehr ein Oppositionsmedium, was ihn zu einem verbindenden Element zu anderen jugendlichen Gruppen werden läßt. Dieser symbolhaft inversive Protest wird auch deutlich sichtbar in der Mode, die sich bisweilen als Anti-Mode versteht Die Beatmusik gilt der überwiegenden Zahl der Jugendlichen als Ausgleich und „Ersatz für mangelnde Erlebnisse in einer erlebnis-und handlungsarmen Alltagsrealität", wie es allgemein für den Musikkonsum der Jugend registriert wurde Inzwischen ist das Phänomen nahezu vollständig integriert worden; man könnte daher von einem . gesellschaftlich integrierten Protest'sprechen, weil dieses Verhalten zur Stabilisierung der Anpassungstendenzen im Alltag beiträgt und sozusagen systemnotwendig geworden ist. Angesichts der . passiv genossenen Reizduschen’ und dem immer perfekter gesteuerten Funktionalismus der Arbeits-und Berufswelt erscheint diese Feststellung in einer . bedrückenden Perspektive'. „Man könnte sich vorstellen", bemerkt Habermas, „das gerade autoritäre Wohlfahrtsstaaten, die sich durch geplanten technischen Fortschritt und mit Hilfe des Akklamationsmechanismus einer entpolitisierten Öffentlichkeit erhalten, in Zukunft ein Zusammenspiel zwischen dem Funktionalismus des gesellschaftlichen Apparats und dem neuen Subjektivismus der Freizeitkulturen hervorbringen werden." Die Beobachtung der Protest-bewegung der Jugend und die Situation der berufstätigen Jugend läßt etwas von dieser Perspektive sehr realistisch erscheinen.

Das Gammeln — oder die, die sich ihm auf längere oder kürzere Zeit verschrieben haben: die Gammler — gibt es nicht erst in den letzten Jahren. Früher traf man sie häufig in Künstler-und Dichterkreisen. Ein Teil der Gammler kann auch heute zu diesen Kreisen gezählt werden. Sie führen ein modernes Zigeunerleben Bei den Gammlern handelt es sich um Jugendliche, die sich der Konformität des Lebens bewußt entziehen und den Versuch unternehmen, ein ungebundenes Leben zu führen. Gemeinsam ist ihnen neben äußerlichen Merkmalen der langen Haare und einer nachlässigen Kleidung, daß sie nicht zu den Revolutionären gegen die Gesellschaft gehören. Sie wollen die Verhältnisse und die herrschenden politischen Ordnungen nicht ändern oder die Leistungszwänge aufheben. Sie entziehen sich einfach der Arbeit und den Forderungen der Gesellschaft überall dort, wo es geht Nicht Umsturz, sondern Nichtbeachten ist ihre Maxime Die Gammler verzichten auf jegliche Aggressivitäten und zeigen eine resignierende und müde Passivität, übereinstimmend wurde immer wieder registriert, daß Kriminelle, die bei den Gammlern untertauchen zu können glaubten, keine Solidarität fanden. Sie selbst bilden weder Banden noch feste Gruppen. Trotz ihres narzißtischen Individualismus herrscht große Solidarität und Hilfsbereitschaft — vom Rotwein über die Zigaretten bis zum letzten Brot wird alles geteilt

Die intellektuellen, ins künstlerische gehenden Züge der Gammler in Europa unterscheiden sie von den Beatniks in den Vereinigten Staaten, unter denen man auch Rauschgiftsüchtige, Radikalisten und abartig Veranlagte fand. Ihre eigenartige Trägheit, ja Apathie mochte vielfach zunächst als Vital-schwäche oder psychische Störung beurteilt werden, ist aber ganz offensichtlich von den Jugendlichen eine bewußt begründete Haltung. Bei vielen beobachtete man Versuche, nach den Lehren eines Zen-Buddhismus sich durch das , Sich-tot-Stellen'des Geistes allen äußeren Reizeinflüssen gegenüber abzuschirmen Besonders auffallend ist ihre Gleichgültigkeit gegenüber Besitz und Statussymbolen der Gesellschaft, ihre Ablehnung all dessen, hinter dem die Konsumgesellschaft her-jagt. Die Gammler sind deshalb auch als . Zivilisationsflüchtlinge auf Zeit'bezeichnet worden Margret Kosel hat Gammler beschrieben, die sich nachts im Münchner Englischen Garten aufhielten, dionysische Weinfeste veranstalteten, zu Gitarrenmusik tanzten, in verschrobene philosophische Gespräche vertieft waren, meditierten oder beteten. Es ist freilich nur eine Vermutung, wenn man das insbesondere in Amerika starke Verlangen nach rauschhaften Zuständen oder nach pseudoreligiösen Übungen in Zusammenhang bringt mit der nüchternen puritanischen Mentalität Und der alles emotionale und seelische zu verdrängen suchenden Rationalität der amerikanischen Gesellschaft. Für viele Jugendliche ist das Gammeln eine Freizeitbeschäftigung: nach Feierabend wollen sie andere Menschen sein, sich wie Schauspieler in eine andere, selbst-gewählte Rolle hineinversetzen — eine Rolle, die nicht wie andere von der Gesellschaft vorgeschrieben wird.

Obwohl sie am Leistungsstreben und am Konsumverhalten der Gesellschaft nicht teilnahmen, lebten die jugendlichen , drop-outs'in Europa weitgehend in der Gesellschaft. Die Hippies in Amerika zeichneten sich dagegen durch wesentlich stärker von der Gesamtgesellschaft abweichende Verhaltensweisen aus. Teilweise zogen sie sich bewußt aus der Gesellschaft zurück. Der Protest der Gammler blieb meist in einer Negation des Bestehenden stecken und die studentische Opposition setzte ihre Hoffnungen in eine politisch zustande kommende revolutionäre Änderung des Systems. In der Ablehnung der herrschenden Verhältnisse waren sich die Hippies mit diesen jugendlichen Gruppen einig — sie setzten jedoch eine eigene Lebensform dagegen.

Dabei bleibt freilich eine Frage offen: War ihre Resignation so groß, daß sie einen Kampf gegen die etablierten Ordnungen von vornherein für sinnlos hielten? Oder war ihr Selbstbewußtsein so stark, daß sie daran glauben konnten, ihre Lebensweise und ihre Anschauungen würden sich unter den Jugendlichen rasch ausbreiten und von dorther die Gesellschaft verändern?

Um die vielen verschiedenen Varianten jugendlichen subkulturellen Verhaltens und das über nationale Grenzen hinweg Gemeinsame zu kennzeichnen, hat sich bald allgemein die Bezeichnung . Untergrund'durchgesetzt Insbesondere der Schöpfer des , New American Cinema', Andy Warhol, förderte dieses Wort als Bezeichnung für die subversive Kraft, die von der Hippiebewegung und den anderen Gruppen ausgehen sollte. Es entsteht jedoch der Eindruck, als sei dies mehr ein Wunsch einiger erwachsener Protagonisten der Bewegung. Ihre Vorstellung vom . Underground'soll mehr sein als ein . social disengagement’: „Underground begreift sich wesentlich als eine alternative Gesellschaftsordnung mit einer neuen Ethik, einer neuen Wirtschaftsform, mit neuen Kleidern und einer neuen Kunst. Entscheidendes Prinzip des Untergrundes ist die Freiheit des Individuums. Wir bilden die Vorstufe zu einem neuen Zeitalter und kündigen das Ende des Autoritarismus an."

Es blieb jedoch zumeist bei diesen Ankündigungen, da es sich zeigte, daß dieses Dasein eben doch für viele nur ein zeitweiser Ausbruch aus der Gesellschaft, für manche nur ein Ferienvergnügen war. Der Versuch, eine Gegenwelt aufzubauen, scheiterte nicht nur an der . Kulturindustrie'(Adorno), die sich der Symbolwelt der Bewegung bemächtigte, sondern auch an der Bewegung selbst. Ihr gelang es nicht, eine den gesellschaftlichen Realitäten standhaltende und ihnen gleichzeitig angemessene Orientierung zu entwickeln. Für die Mehrzahl der Anhänger blieb die Gegen-welt ein Traum, über längere Zeit nur durch Drogen und Rauschmittel aufrecht zu erhalten. Andere verloren sich in mystizistischen Vorstellungen, gemischt aus Buddhismus, Natur-religionen und gelegentlich urchristlichen Elementen. Zu den unmittelbar auslösenden Momenten der politischen Protestbewegung gehören Konflikte in Elternhaus und Familie wohl kaum. Allgemein besteht jedoch Grund zu der Annahme, daß mittelbar ein familiäres Konfliktpotential seinen Teil zur Protestbewegung beigetragen hat. Dieses mögliche Konfliktpotential — es handelt sich bei den bisherigen Erklärungsversuchen einstweilen nur um Hypothesen und Vermutungen — soll nachfolgend in wenigen Stichworten kurz gekennzeichnet werden

Der Jugendliche erlebt mit dem Eintritt eines gewissen Reifestadiums die Unterschiede in den Wertorientierungen und Verhaltenserwartungen der einzelnen Sozialisationsträger. Die dabei hervorgerufenen Spannungen und Auseinandersetzungen sind Auswirkungen des jugendlichen Identitätsfindungsprozesses. Vorstellungen und Vorbilder — und dies ist ein besonderes Merkmal unserer derzeitigen familiären Erziehungssituation —, an denen sich der Jugendliche messen kann, mit denen er sich auseinandersetzen möchte und muß, um auf dem Wege der Ablösung vom Elternhaus eine autonome Persönlichkeitsstruktur aufbauen zu können, fehlen in beträchtlichem Umfange. Die Unsicherheit der Erwachsenen als Folge des gesellschaftlichen und damit auch familiären Strukturwandels ist eine wichtige Ursache des unsicheren und wenig profilierten Erziehungsverhaltens. Eine der Auswirkungen dieses Strukturwandels ist das Phänomen, das Mitscherlich als das . Erlöschen des Vater bildes’ bezeichnet hat Die Unschärfe des väterlichen Identifikationsmodells, die unter anderem durch die Verlagerung der Arbeit des Vaters in außerfamiliäre Bereiche verursacht wurde, hat durch die nur schwach ausgeprägten Normen und Vorbilder gerade für den Jungen spezifische Schwierigkeiten und Probleme der Identitätsfindung verursacht. Habermas sieht in der Tatsache, daß der Protest der Jugendlichen „nicht mehr dem seit Generationen eingeschliffenen Muster des bürgerlichen Autoritätskonfliktes mit einer starken Vaterfigur" entspringt, und in der im Vordergrund stehenden Erziehung durch die Mutter ein Moment der besonderen Sensibilisierung der Jugendlichen gegen Repression, Rücksichtslosigkeit und Verletzung der Individualität

Dieses latente Konfliktpotential wird dann manifest, wenn politische Konstellationen und Umstände weiteren Konfliktstoff in sich bergen und konkrete Konfliktsituationen auftreten. Die politische Protestbewegung hat im Hinblick auf Familie und Elternhaus immer wieder auf die autoritäre und repressive Erziehung hingewiesen und sie zum Objekt ihres Protestes gemacht. Auf den ersten Blick widersprechen die Untersuchungen über das Erziehungsverhalten der Eltern sozialer Mittelschichten diesen Argumentationen: Sie erziehen ihre Kinder im Vergleich zur sozialen Unterschicht liberaler und nachgiebiger. Vieles spricht unserer Meinung nach dafür, daß gerade im , Mittelschicht‘-Elternhaus durch die oben genannten Prädispositionen und durch eine . permissive education'eine höhere Empfindlichkeit für autoritäres Verhalten bei den Jugendlichen erzeugt wird. Von daher mag die Schwelle, von der aus man von autoritärer Erziehung spricht, bei diesen Jugendlichen wesentlich niedriger als bei anderen liegen. Da die Kinder sozialer Mittelschichten früher zur Selbständigkeit und zu eigenverantwortlichem Handeln erzogen werden und die Eltern sich wesentlich intensiver um die individuelle Förderung und die besonderen Bedürfnisse der Kinder kümmern, ist bisweilen von der . befreiten Generation'die Rede gewesen. Nicht immer aber muß eine derartige Erziehung zu einer Steigerung der Ich-Identi-tät der Jugendlichen führen. Gerade der Versuch einer weniger traditionsgebundenen Er-Ziehung hat für die Kinder oft zur Folge, daß sie sich selbst eine Identität aufbauen müssen und weniger auf feste Traditionen und Normen zurückgreifen können

Mit der Verlagerung der Identitätsfindung aus der Familie heraus verbinden wir die These einer Verlagerung des Generationenkonfliktes. Die Spannungen zwischen überkommenden Wertorientierungen und aktuellen Bedürfnissen der Jugendlichen werden heute weniger in Konfrontation mit der elterlichen Erziehung, sondern mit gesellschaftlichen Bereichen ausgetragen. Anzeichen deuten darauf hin, daß wir es möglicherweise mit einer , Entindividualisierung'des Generationenkonfliktes zu tun haben. Wenn überhaupt, dann werden sich die Konflikte als Konflikte „der jungen Generation mit den überlieferten sozialen Ordnungen" im gesellschaftlichen Bereich bemerkbar machen

Auf diesem hier nur andeutungsweise aufgezeigten Hintergrund ist der politische Teil der Protestbewegung der Jugend zu beurteilen. Während die allgemeine Protestbewegung nur unterschwellig das Verhalten der Jugendverbände beeinflußt haben dürfte, sind die sichtbar gewordenen Reaktionen durch die politischen Aktionen der Studenten und Schüler provoziert worden. Nachdem den Studenten von jeher ein größerer Verhaltens-und Handlungsspielraum zugebilligt wurde und man zumindest die Anfänge der studentischen Bewegung nicht recht politisch ernst nehmen wollte, haben die darauf folgenden Unruhen an den Schulen die Öffentlichkeit in besonderem Maße beunruhigt. Politisches Engagement und direkte politische Aktion vertrugen sich nicht mit den Anschauungen von der Rolle und Aufgabe eines Schülers. Nunmehr hieß es in der Schülerbewegung: „Es gibt Schüler, die machen jetzt nicht mehr mit“ Und mit außerordentlicher Schärfe wandten sich die Gruppen des Aktionszentrums Unabhängiger und Sozialistischer Schüler (AUSS) gegen die Zustände an den Schulen: „Die Schüler sind in unserer Gesellschaft eine unverhältnismäßig rechtlose, unterdrückte und von nichtdemokratischen Institutionen abhängige Gruppe. Wir wollen in der Schule ändern, daß dort die Schüler zu primär unkritischen Bürgern einer Gesellschaft ausgebildet werden, die auf kritische Bürger keinen Wert legt, die sich formieren will. Durch unsere Arbeit sind wir so etwas wie ein politischer Keil in der Schule.“

Während die liberaleren Gruppen wie auch die bald nachziehenden etablierten Jugendverbände mit ihren Forderungen zunächst im schulischen Raum blieben, dort vor allem eine echte Interessenvertretung der Schüler, Unterrichts-und Lehrplanmitgestaltung, Öffentlichkeit der Konferenzen, Mitberatung bei Prüfungsfragen und bei der Notengebung, Sexualkundeunterricht u. a. m. forderten, stellten die sozialistischen Gruppen ihre Arbeit bald unter allgemein gesellschaftspolitische Ziele. Ihre Absicht war — und die Schule hatte nur paradigmatischen Charakter — die Revolutionierung der Gesellschaft. Ging es den erstgenannten Gruppen , nur'um eine Angleichung des Schul-und Bildungssystems an die demokratischen Zielsetzungen, um eine . Zeitgemäßheit'der Schule, um eine Verwirklichung der demokratischen Prinzipien, so war die Schule für die anderen Gruppen Ausdruck und Austragungsort des Klassenkampfes. „Darum gehen unsere Aufgaben von vornherein über die schulischen Probleme hinaus." Viele dieser Schüler agitierten und protestierten aus impulsiven Antriebskräften heraus, ohne daß sie sich selbst genügend kontrollierten und die reale Situation der Schülerschaft reflektierten. Nur wenige autonome Kräfte haben sich gegenüber der Lethargie der Schüler einerseits und einem Abgleiten in ab-gekapselte narzißtische Protesthaltungen andererseits halten können. Abkapselung und elitäre Tendenzen führten dazu, daß sie bei den Protestaktionen „vielfach Interpretationen (folgten), die entweder ungewiß oder nachweislich falsch, in jedem Falle aber unbrauchbar sind, um Handlungsmaximen daraus abzuleiten“ Die apodiktische Feststellung Habermas’, niemand dürfe sich mit einem erst noch hervorzubringenden revolutionären Bewußtsein aufgeklärter Massen vorweg identi-fizieren und in ihrem Namen schon aktiv werden ist mit dem Hinweis auf die Rolle kleiner progressiv-revolutionärer Gruppen in der Geschichte der Revolution mehrfach kritisiert worden Entscheidend aber ist die Tatsache (und damit stellt sich das Problem gar nicht), daß zwar die Widersprüche der Gesellschaft und die jugendliche Unruhe in einer Beziehung stehen, die jedoch keine wechselseitige darstellt. Ist die Unruhe Indiz für die Krise der Gesellschaft, so bewirkt nicht umgekehrt jugendlicher Protest eine revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Die revolutionäre Situation war vor allem an der Schule nicht gegeben, so daß die Klassenkampfparolen wenig Anklang fanden. Dies allerdings wird notwendig sein: „Wo das Unerträgliche auf Definition noch wartet, wo das Unrecht noch nicht manifest ist, die Empörung keine Reaktion von Massen ist, muß Aufklärung den Parolen erst vorangehen.“ Dies aber ist ein langer Prozeß. Langwierig wird dieser Prozeß insbesondere aber dort sein, wo kritische Lehrlings-Gruppen das nachzuholen versuchen, was die gewerkschaftliche Arbeit versäumt hat

Daß die studentische Bewegung in einem beachtlichen Maße eine politische Rolle gespielt hat, war für viele überraschend und neu. Habermas — obwohl selbst über das politische Bewußtsein der Studenten auf Grund eigener Forschungen gut informiert — mußte feststellen: „Diese Entwicklung ist neu und unerwartet, sie widerspricht allen geläufigen Voraussagen. — Wir waren bisher überzeugt, daß Studenten in entfalteten Industriegesellschaften keine politische Rolle spielen.“ Im Gegensatz zu den Entwicklungsländern, wo die Studenten eine besonders starke Rolle spielen, sind drei Bedingungen seiner Meinung nach in den Industriestaaten nicht erfüllt: 1. Die besondere Funktion der studentischen Elite als des zukünftigen Trägers des sozialen Wandels und die geringe Festlegung der Studenten auf konkrete gesellschaftliche Orientierungen und Modelle, 2. die Zugehörigkeit dieser Jugend zu den . Produktionsstätten'des modernen Bewußtseins, den Universitäten als Trägern der Kritik an den traditionellen Gesellschaftsstrukturen, und 3. die Parallelität zwischen der Ablösung des Studenten vom traditionellen Elternhaus und dem Wandlungsprozeß der Gesellschaft, die es ihm ermöglicht, den „epochalen Vorgang im Rahmen des eigenen Bildungsprozesses zu begreifen und umgekehrt sein privates Schicksal an das politische (zu) binden"

Die Untersuchungen zum Verhältnis von Jugend und Politik haben schon vor der Protest-bewegung der Studenten eine wesentliche intensivere Beschäftigung dieser Jugend mit politischen Fragen festgestellt. Dabei stellte sich heraus, daß sie nicht nur im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung oder zur gesamten Jugend, sondern sogar zu den jugendlichen Führern der organisierten Jugend ein wesentlich größeres politisches Interesse zeigten. Die Untersuchung von Baumert über die ideologische und politische Orientierung der Jugend in der Bundesrepublik und ihrer Führer ergab, daß etwa 50% der Führer sich nur selten oder überhaupt nicht mit Politik beschäftigen Demgegenüber registrierten Habermas u. a. in ihrer Studie über das politische Bewußtsein Frankfurter Studenten nyr einen Anteil von 38%

Das in dieser Studie näher beschriebene politische Bewußtsein der Studenten verdichtete sich auf Grund der konkreten gesellschaftlichen und politischen Situation und der besonderen Lage an der Hochschule Mitte der sechziger Jahre zu einem politischen Potential in der Studentenschaft, ausgeprägt und theoretisch fundiert vor allem in kleinen sozialistischen Gruppen. Als dem profiliertesten Teil der jugendlichen Protestbewegung zeichnete sich bei den Studenten auch besonders scharf konturiert der Erfahrungshorizont dieser Generation ab: Es handelte sich um die erste Generation, die die nationalsozialistische Zeit und die Kriegs-situation nicht mehr bewußt erlebt hat, die in einer ökonomisch gesicherten Gesellschaft groß geworden ist und vor allem die politische Ordnung aus persönlichem Erleben in anderen Systemen nicht als die bessere kennengelernt hat. Deshalb kennzeichnet sie ein unbefange-neres Verhältnis zu dieser Gesellschaft, die sie nicht als die bessere Gesellschaft, sondern als die verbesserungsbedürftige Gesellschaft erlebte.

Zudem deuten Anzeichen im ökonomischen, politischen und kulturellen Bereich darauf hin (und die Protestbewegung ist als ein Indiz dafür zu werten), daß insbesondere die Industriegesellschaften in einer Umbruchsituation stehen, die die Jugend in ihrer . Schnittpunkt-existenz'deutlich erfährt: „Es könnte sehr wohl sein, daß die Industriegesellschaft in den USA und in Europa einen Entwicklungsstand erreicht hat, auf dem Probleme des gesellschaftlichen Wandels, wie einst an der Schwelle zur Modernisierung, wiederum in den Bildungsprozessen der heranwachsenden Generationen einen entwicklungs-psydiolo-gisch gleichgestimmten Resonanzboden finden." Von den konkreten Problemen, die die studentische Bewegung aufgeworfen hat, möchten wir nur einige stichwortartig nennen. Sie scheinen insbesondere nicht unerheblich für die Reaktion der Jugendverbände zu sein: 1. Die Konfrontation der Bewegung mit den herrschenden Kräften und Autoritäten der Gesellschaft initiierte eine Auseinandersetzung über Autorität und Herrschaft nicht nur im politischen Bereich, sondern auch auf dem gesamten Feld der Erziehung, Bildung und Pädagogik.

2. Die Diskussion um die Hochschul-und Bildungsreform wurde nach jahrelangen Vorlagen von Konzepten und Denkschriften insbesondere durch die Studentenschaft in eine breitere Öffentlichkeit getragen. Parlament und Regierung wurden unter Zug-zwang gesetzt. Die Bildungsreform wurde zum Tagesereignis.

3. Die Tatsache, daß die studentische Bewegung sich nicht allein auf hochschulpolitische Probleme beschränkte, hat dem gesellschaftspolitischen Denken starke Impulse gegeben. Es ist in vielen Gebieten ein Abbau von Psychologisierungs-und Individualisierungstendenzen zu verzeichnen 4. Die von einer marxistischen Position ausgehenden Versuche der Studenten, eine Solidarisierung mit Arbeitern und arbeitenden Jugendlichen zu erreichen, scheiter-ten. Dieses Scheitern veranlaßte die studentischen Gruppen zu sozio-ökonomischen Analysen, die auch die Situation der arbeitenden Jugend in unserer Gesellschaft wieder bewußt machten. 5. Die Forderung nach einer fundamentalen Demokratisierung hat in der studentischen Bewegung von recht unterschiedlichen Positionen aus Nachdruck erhalten.

Jedoch läßt sich ein Trend sehr deutlich ablesen: es ist die Ablehnung der traditionellen liberalen Ordnungsvorstellungen. Schließlich ist es besonders auffallend, daß die jugendlichen Protestgruppen einer . Neuen Linken'angehören, zumindest aber fast alle Linkstendenzen aufweisen. Deutungen der Protestbewegung gingen sogar so weit, die Jugendrevolte als solche als einen Zweig des Sozialismus zu bezeichnen, als eine neue sozialistische Bewegung, die konservative Sozialisten ebenso wie Kapitalisten als Herausforderung ansehen müssen Mit dieser politischen Einstellung geht jedoch noch etwas sehr Wichtiges einher. Da die studentischen Vorstellungen kaum irgendwo konkrete Vorbilder finden, bedeuten sie eine Öffnung des Denkens für neue, zukünftige gesellschaftliche Entwicklungen. Um den Fortschritt der Gesellschaft zu gewährleisten, bedarf es mehr als bisher in der Geschichte nicht nur eines rein technischen Fortschritts: dieser liegt nicht zuletzt im politischen und gesellschaftlichen, im sozialen Bereich. Die von den Studenten so oft beschworene . konkrete Utopie'aber wird man nicht nur an der Einsicht messen können, daß sie notwendig ist: „Die Utopie wird zu einem überflüssigen Luxus, wenn sie nicht in unablässiger, exzessiver Weise vom Wirklichen, vom Gegebenen, von den Objekten und Subjekten der Gesellschaft, die sie ändern will, spricht und in diese einzudringen versucht... Der Zweck der Utopien, wenn man davon reden will, ist der, die Welt beweglich zu machen; und dies ist notwendig, weil das Gegenteil nur heißen kann: Man braucht nicht mehr zu wählen, man muß ertragen."

Inzwischen hat sich die Szene der Außerparlamentarischen Opposition in den letzten zwei Jahren gewandelt: der SDS besteht ebenso wie der AUSS nicht mehr. Darüber hinaus ist es auch um die Republikanischen Clubs, die Kampagne für Demokratie und Abrüstung und andere Gruppen stiller geworden Andererseits haben einige etablierte Verbände Veränderungen erlebt. Der Spiegel konstatierte:

„Die Linken in den traditionellen Jugendverbänden bestimmen mittlerweile auch die Politik der Landesjugendringe und des Deutschen Bundesjugendringes." Ob sie das weiterentwickeln können, was in der Protestbewegung aufgebrochen ist, bleibt einstweilen fraglich.

IV. Zur Reaktion der Jugendverbände auf die Herausforderung der Protestbewegung

1. Zwischen Verhaltenskonformität und Protest Uber die sozialistische bzw. sozialdemokratische und gewerkschaftliche Jugendarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist gesagt worden: „An die Stelle des radikalen Umsturzes ist das Ziel getreten, die heutige Gesellschaft im konkreten Sinn zu verändern, und der Bereitschaft der Erwachsenen-Organisationen, die Jugendverbände gelten zu lassen, entspricht der Verzicht der Jugendorganisationen auf die absolute Auflehnung." Die Bereitschaft der Erwachsenen, die Jugendverbände gewähren zu lassen, hat jedoch, wie die jugendliche Protestbewegung zeigte, bestimmte Grenzen, die durch die Einstellungen und Erwartungen den Jugendorganisationen gegenüber festgelegt werden. Wir wissen über das Verhältnis der Eltern zur Arbeit der Jugendverbände ebenso-wenig wie über die Beziehungen zwischen den Jugendorganisationen und den Erwachsenen-verbänden sowie über das Verhältnis der Öffentlichkeit zur Jugendarbeit. Die Protestbe-wegung hat uns jedoch einige Anhaltspunkte für Hypothesen an die Hand gegeben.

Unter öffentlicher Meinung verstehen wir Prozeß und Ergebnis der Meinungsund Willensbildung der Bevölkerung. Dies wird formell in Form politischer Akte beispielsweise bei Wahlen sichtbar. Außerordentlich wichtig ist aber auch der Bereich der Meinungsbildung, der durch die Massenmedien beeinflußt oder gesteuert wird. Wenn wir an dieser Stelle mit einigen Beispielen auf das Verhältnis von Presse, Öffentlichkeit und Jugendverbandsarbeit eingehen, so legen wir folgende These zugrunde: Die Inhalte des Massenkommunikationsmediums Presse verstärken die im öffentlichen Raum bereits vorhandenen Wertorientierungen, bieten vor allem das an, was schon sanktioniert ist und verstärken damit konformistische Tendenzen. Öffentliche Meinung, bei der das Publikum als kritisches Subjekt aktiv diese bestimmt, wird in diesem Fall reduziert. Auch die Jugendverbände handeln nicht als isolierte Gruppen, sondern sind im gesellschaftlichen Raum in vielfacher Hinsicht mit anderen Institutionen und Organisationen verbunden, in diese integriert und in bestimmte Funktionszusammenhänge eingeordnet, wie dies gezeigt wurde. Durch die Verbindung der Jugendorganisationen mit Erwachsenenverbänden und durch die Leitung der Jugendarbeit durch Erwachsene sind sie besonders von der öffentlichen Meinung abhängig. Die Bereitschaft, die Jugendverbände auch finanziell zu unterstützen, ist gebunden an Vorstellungen von dem, was Jugendverbände tun und lassen und welche Aufgaben sie wahrnehmen sollten. Um die Interessen der Jugendverbandsarbeit durchsetzen und um erwarten zu können, daß die Öffentlichkeit sie als legitim, nützlich und sinnvoll ansieht, müssen bestimmte Erwartungen dieser Öffentlichkeit beachtet werden. Diese artikulieren sich unter anderem in der Presse. Von der Bekanntheit der Jugendarbeit in der Öffentlichkeit muß angenommen werden, daß sie außerordentlich gering ist. Für Eltern stützt sich diese Behauptung auf die festgestellte Unsicherheit im Erziehungsverhalten und der geringen Neigung, sich im Normalfall in das pädagogische Geschehen anderer Sozialisierungsträger einzuschalten Von Untersuchungen über di e Kenntnis öffentlicher Erziehungseinrichtungen wissen wir, daß selbst Lehrern weite Bereiche der Jugendhilfe völlig unbekannt sind Erst recht wird dies für die dort geleistete inhaltliche und methodische Arbeit gelten. Mehr als Eltern oder berufsmäßige Erzieher sind breite Bevölkerungskreise auf Presse, Rundfunk und Fernsehen angewiesen. Während diese Kommunikationsmedien schon während der Halbstarkenkrawalle der fünfziger Jahre ausgiebig und ständig über Jugendkriminalität berichteten, fanden Jugendpflege und Jugendarbeit dermaßen geringe Berücksichtigung, daß die Jugendarbeit praktisch ohne Anteilnahme der Öffentlichkeit stattfand Wer zudem die Parteiprogramme der großen Parteien analysiert, wird auch von dorther die . Abseitsstellung'der Jugendhilfe und Jugendpflege verstehen Das Fehlen einer öffentlichen jugendpolitischen Diskussion und damit auch einer Publizität in den Massenmedien wurde, wie wir verdeutlicht haben, auch durch die bisherige Arbeit des Parlaments und der Beratungsgremien nicht beseitigt.

Die Jugendhilfe allgemein und die Jugendverbände im besonderen haben dies erkannt und seit einiger Zeit ihre Öffentlichkeitsarbeit verstärkt Nicht nur in Fällen der Jugend-fürsorge wird das Verhältnis zwischen Jugendhilfe und Öffentlichkeit durch einen oft . exhibitionistischen'Stil vieler Presseorgane belastet, auch im Normalfall’ findet man selten Rücksichtnahmen auf die oft sehr vielschichtigen pädagogischen Probleme Uber die Jugendarbeit berichtet vor allem die Lokal-presse. Die Berichterstattung in überregionalen Zeitungen und Wochenzeitungen ist außerordentlich dünn gesät. In einer Untersuchung für den Monat April 1964 wurden beispielsweise 67 Beiträge über Schulreform und Bildungspolitik, 36 Beiträge über Studenten-fragen, Hochschulreform und Wissenschaftsförderung, 20 Artikel über Fragen der Berufsausbildung und der Begabtenförderung, jedoch nur 19 Beiträge aus dem gesamten Gebiet der Jugendhilfe, davon die meisten über das Deutsch-Französische Jugendwerk, veröffentlicht. Setzt man diese Zahl in Bezug zum Anspruch der Jugendverbandsarbeit, als . dritte Erziehungskraft’ zu gelten, dann wird das Informationsdefizit deutlich

Werden jedoch auf überregionalem Gebiet Berichte über die Jugendarbeit veröffentlicht, dann zeigen sich Tendenzen, die die eingangs aufgestellte These stützen. Dazu zunächst einige Beispiele: Im Jahre 1965 beschäftigte ein . Fall'weite Kreise der katholischen Jugendarbeit und Öffentlichkeit. Im Mittelpunkt der Auseinandersetzungen standen Beiträge in den Verbandszeitschriften der Deutschen Pfadfinderschaft St. Georg (DPSG) und der Jungengemeinschaft im Bund Neudeutschland (ND). In einem Heft des letztgenannten Verbandes wurde kurz vor der Bundestagswahl ein vierseitiges Interview mit dem Bundesgeschäftsführer der Deutschen Friedens-Union (DFU) unter dem Titel: „Die Alternative?" veröffentlicht; das gleiche Heft brachte einen Beitrag zum Thema Sexualerziehung mit der Aufmachung: „Das Weib wird dir den Kopf zertreten — oder die Suche nach einer neuen Moral" Der für heutige Maßstäbe schon recht zahme Angriff auf die traditionelle Sexualpädagogik trug vor allem zu einer außerverbandlichen Diskussion bei: Die rechts-katholische Tageszeitung . Deutsche Tagespost’ (Würzburg) und die konservative Wochen-zeitung . Rheinischer Merkur’ veröffentlichten scharfe Angriffe gegen die Jugendverbände. Der . Rheinische Merkur’ stellte unter dem Titel: . Jugendbewegung in falscher Richtung'die Frage, wohin diese Entwicklung führe und meint, es ginge nicht an, daß junge Kleriker und Jugendführer aus falsch verstandener Toleranz Schutzwälle abbauten, die jede Generation katholischer Jugend brauche, um auch in der Bewährung vor Irrtümern bewahrt zu bleiben In der . Deutschen Tagespost’ heißt es resümierend: „Man kann nur alle Eltern warnen, ihre Kinder in eine solche Obhut zu geben", und: „Wir können auch unsere junge Generation nicht mehr in diesen Bünden der Gefahr ausgesetzt sehen, in politischem und religiösem Irrtum erzogen zu werden, und dies auch noch im Namen der Kirche."

Mit den Begriffen . Jugendbewegung'und . Bund'werden die Jugendverbände in diesen Angriffen unter Gesichtspunkten der vergangenen deutschen Jugendbewegung beurteilt. Daneben klingen aus pädagogischen Traditionen stammende Bewahrungstendenzen an. In diesen Beiträgen wird das Bild des . Jugend-gemäßen', das Schelsky als typisch für die Haltung der Erwachsenengeneration der fünfziger Jahre herausgestellt hat, wieder reproduziert

Eine politische Betätigung durfte zudem nur im Rahmen der bestehenden konformen Erwartungen stattfinden. Wandte man sich einerseits gegen ein autonomes Jugendreich, so war es doch immer noch die Vorstellung von einem relativ abgegrenzten Jugendraum, welche die Erwartungen der Öffentlichkeit leitete. Auch die Jugendverbände selbst haben zu dieser Erwartung eines konformen Verhaltens beigetragen. So hieß es noch 1962 zum Selbstverständnis der Mitgliedsverbände des DBJR: „Die Jugendverbände verstehen sich als Glieder der Gesellschaft. Sie sehen ihr Aufgabenfeld im außerschulischen Erziehungs-und Bildungsbereich. Sie erfüllen bewußt eine ergänzende Erziehungsfunktion neben Elternhaus und Schule und isolieren sich nicht vom gesellschaftlichen Leben. Ein . autonomes Jugendreich'wird nicht angestrebt."

Vergleicht man diese Aussagen mit denen nach der jugendlichen Protestbewegung, so ist auffallend, wie sehr die Verbände noch vor kurzer Zeit bemüht waren, ihr Integriertsein zu betonen und sich gegenüber der Jugendbewegung abzusetzen. Die Zeitungsartikel veranlaßten die Jugendverbände zu öffentlichen Stellungnahmen und Dementis. Selbst wenn die in dem zitierten Beitrag vertretene Sexual-moral von der Verbandsführung unterstützt worden wäre, hätte sie dies niemals in der Öffentlichkeit direkt zum Ausdruck bringen können. Durch die Reaktion der Verbands-spitzen wird die aufgestellte Behauptung bestätigt: Die Abhängigkeit der Verbände von der Öffentlichkeit, d. h. von den Vorstellungen der Erwachsenenverbände, von der damit zusammenhängenden staatlichen Förderung u. a. m. ist größer als die von den eigenen Verbandsmitgliedern. Auf die öffent liehen Angriffe mußte man sofort antworten, um seine Position nicht zu gefährden

Besonders auffallend ist die Tatsache, daß die Presse zumindest auf überörtlicher Ebene zumeist Negativdokumentationen über die Jugendarbeit gibt, d. h. es werden Fälle abwei-

chenden Verhaltens dargestellt, um zu zeigen, wie es nicht sein soll, ob es sich dabei um ab-

schreckende Beispiele von Orgien eines Jugendpflegers mit Minderjährigen handelt oder um infame Verbindungen von kriminellen Delikten mit der pädagogischen Arbeit in einem Haus der Offenen Tür Die an die Öffentlichkeit gebrachten . Skandale'bestärken diese in ihren Erwartungen an ein konformes Verhalten der Jugendverbände. Die Verbandsspitzen sind gehalten, diese Erwartungen der Öffentlichkeit auch noch zu bestärken, indem sie in den seltensten Fällen sich offen zu einem nicht systemkonformen Verhalten bekennen, weil sie sonst die . Prämien für ihr Wohlverhalten', die finanzielle oder auch private Förderung, aufs Spiel setzen. Nicht nur den einzelnen Jugendgruppen ist es also wichtig, was die Öffentlichkeit über sie denkt und welches Image sie gewinnt

Die jugendliche Protestbewegung brachte die Jugendverbände nun in eine außerordentlich schwierigen Lage: Einerseits richteten sich die Erwartungen der Öffentlichkeit auf konformes Verhalten auf der anderen Seite wurden durch jugendliche Gruppen außerhalb der Verbände, zunehmend aber auch in den Reihen der Verbände selbst von den Vorstellungen der Erwachsenenwelt abweichende Forderungen gestellt und ein nichtkonformes Verhalten ausgeübt. Hatten die Jugendverbände schon einige Jahre gebraucht, um sich in die Gesellschaft zu integrieren, da erst Reminiszenzen der Jugendbewegung überwunden werden mußten, so standen sie nun vor dem Problem, daß ihre Integration durch die jugendliche Protestbewegung in Frage gestellt wurde. Die bisher sorgfältig verdeckte Spannung zwischen den Wünschen und Motiven der Jugendlichen und denen der Erwachse-nenweit, in deren Auftrag viele Jugendverbände arbeiten, brach damit auf. Besonders hart wurden die Jugendverbände deshalb getroffen, weil sie sich selbst immer wieder als Verbindungsglied zwischen der Jugend-und der Erwachsenenwelt darstellten.

Die ersten Reaktionen der Jugendverbände auf die jugendliche Protestbewegung stellten sich als zögernde Vermittlungsversuche und Aufrufe zur Mäßigung nach der einen wie der anderen Seite hin dar. Es war weniger eine Auseinandersetzung mit den Ursachen und Problemen der Protestbewegung selbst, vielmehr handelte es sich um den Versuch, sich als jugendpolitischer Gesprächspartner zu bestätigen, und dies gerade in bezug auf die jugendliche Protestbewegung, die die Jugendverbände als politischen Machtfaktor offensichtlich nicht ernst nahm, denn sonst wären auch sie als Bestandteil des Establishments zu Objekten des jugendlichen oppositionellen Verhaltens geworden. Stettner meinte zu Recht, ihre politische Bedeutungslosigkeit oder Bewußtlosigkeit habe sie davor bewahrt Bevor eine innerverbandliche Diskussion einsetzte, bestand die erste Antwort der Jugend-verbandsarbeit auf die Protestbewegung in einem Versuch, sich als kompetenten jugend-politischen Gesprächspartner zu legitimieren. In den Verbänden selbst waren die Jugendlichen zu , verartigt', als daß sie protestierend hätten aktiv werden können. Erst auf die politischen Proteste reagierten die Verbände: und sie stießen dabei in ihren eigenen Reihen vielfach auf ein überraschtes und verständnisloses Publikum. 2. Erziehungsauftrag oder Interessenvertretung?

Die erste Reaktion auf die Protestbewegung war mehr eine Reaktion der Verbandsführungen auf außerhalb der Jugendverbände ablaufende Erscheinungen. Der damalige Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Deutschlands — Die Falken —, Heinz Westphal, hatte bei einem Grundsatzgespräch des Bundesjugendringes 1954 gesagt, wenn es je wieder so etwas wie eine Jugendbewegung geben sollte, dann würde sie außerhalb der Jugendverbände entstehen Er hat Recht behalten. Die Tatsache, daß in der jugendlichen Protestbewegung Interessen und Bedürfnisse einer jungen Generation aufbrachen (wir be-trachten die kleinen Protestgruppen nicht als abgekapselte Minderheiten, sondern als Extremgruppen auf einem kontinuierlichen Spektrum) und daß dies außerhalb der Verbände geschah, ließ die dargestellte Integration der Jugendverbände eigentlich zum erstenmal seit dem Wiederaufbau in voller Schärfe sichtbar werden. Offenbar aber hat nach dem ersten Schock bei den Verbandsleitungen (weniger bei den Jugendlichen selbst) in den Verbänden ein Prozeß eingesetzt, in dessen Verlauf die besonders prononciert vorgetragenen Forderungen der Protestbewegung in abgeschwächter Form Eingang in die innerverbandliehe Diskussion fanden. Die in den Jugendverbänden nun einsetzende Unruhe vermochte in den Leitungsorganen nicht mehr übergangen werden. Entscheidungen fielen — in dieser von uns als zweite Phase der Reaktion bezeichneten Zeit — zuerst gegen ein weiteres Verharren in der von der Öffentlichkeit, den Erwachsenenverbänden und durch die eigene Integration in das System bewirkten Konformität. Welche Entwicklung damit eingeleitet wurde, kann derzeit noch nicht beurteilt werden. Gerade die Verflechtungen mit den Erwachsenen-verbänden und der staatlichen Förderung werden ein , Sich-frei-Schwimmen'nicht erleichtern; es scheint geradezu eine Voraussetzung für eine Neuorientierung der Verbände zu sein, diese Verbindungen zu lockern und zu verändern. Um dies erreichen zu können, bedarf es eines neuen Selbstverständnisses der Jugendverbandsarbeit, das zuallererst auch die gesellschaftspolitischen Aspekte reflektiert, um gegenüber der Gesellschaft eine erfolgversprechende Position aufbauen zu können. Die politische Protestbewegung hat in den Verbänden zur Einsicht geführt, daß nach einer Abkapselung in der Jugendbewegung und einer Über-Integration in die Kooperationszusammenhänge der Erwachsenen das Erziehungsziel eines mündigen Menschen ohne ein gesellschaftspolitisches Verständnis oder, um einen im kirchlichen Raum gern benutzten Begriff zu gebrauchen, eine Wieder-entdeckung der . Weltverantwortung'nicht erreicht werden kann — Weltverantwortung nicht in isolierter Vorbereitung der Jugend in einem Jugendraum, nicht aus schon völlig fest-geformten Vorstellungen heraus, sondern durch ständig zur Korrektur zwingende Teilnahme der Jugendlichen am gesellschaftlichen Leben.

Verläßt man die von pädagogischen Traditionen gestützte Gemeinschaftsideologie, die immer den Hang zur Isolierung und Abkapselung von den gesellschaftlichen Vorgängen und Prozessen in sich trug, dann können die Jugendverbände nicht länger politisch neutral sein. In einer Erklärung des Bundes Deutscher Pfadfinder heißt es dazu: „Der BDP muß sich politisch engagieren für eine ständig sich wandelnde, offene Gesellschaft, die fortschreitet zur immer größeren Freiheit des einzelnen und zur Gleichberechtigung aller, für eine Gesellschaft, in der die Diskussion auch von unten nach oben gesichert ist und in der die Diskussion Veränderung bewirkt."

Ein politisch-gesellschaftliches Verständnis der Rolle der Jugendverbände schließt eine seit Jahren gestellte — immer wieder aber zurückgestellte — Frage ein: „Sind die Jugendverbände demokratisch? ” Die Protestbewegung zwang die Verbände, ihre offen zur Schau gestellte Verbandsdemokratie einer ernsthaften Prüfung zu unterziehen. Als im Zuge der Äußerungen der Verbände zu den Protestaktionen der Studenten und Schüler besonders konservative Kreise ein Arrangement der Verbandsspitzen mit den Forderungen der Protestbewegung befürchteten, protestierten diese Kreise gegen die . progressive Bevormundung'. Muß man auch die unpolitische Argumentation dieser Kreise kritisieren, so wurde doch damit die Legitimationsfrage an die Verbandsführungen gestellt. Audi in den Verbänden wurde der Widerspruch zwischen demokratischem Anspruch und Realität offensichtlich. So stehen den Recherchen daß die Jugendarbeit der DSJ innerhalb der höchsten Entscheidungsgremien ausschließlich von Erwachsenen beherrscht wird, die Satzungsstatuten entgegen: „Die Deutsche Sport-jugend führt und verwaltet sich selbst. Sie entscheidet auch über die Verwendung der ihr zufließenden Mittel in eigener Zuständigkeit." Wenn der damalige Präsident des Deutschen Sportbundes, Willy Daume, anläßlich der Olympischen Spiele in Mexiko die Forderung nach einer Demokratisierung des Sports nur im Sinne eines für jedermann freien Zugangs zum Sport verstanden hat, dann hat er die zentrale Frage — Mitbestimmung aller im Sport — verfehlt. Immer noch vermißt man eine durchgängige Delegation von Jugendvertretern von der untersten bis zu den höchsten Gremien. Mit der Forderung nach einer Demokratisierung der Verbandsstrukturen verbindet sich auch eine solche nach Aufgabe der politischen Neutralität des Deutschen Sportbundes.

Auch die Gewerkschaftsjugend meldete ihre Forderungen nach Mitbestimmung an. Die in den letzten Jahren vorgenommenen Etat-kürzungen und andere politisch zu verstehende Maßnahmen haben die Auseinandersetzungen zwischen DGB und Jugendkonferenzen verschärft. In einem Flugblatt der Delegierten einer Landesjugendkonferenz des DGB an die Delegierten des 8. ordentlichen DGB-Bundeskongresses 1969 heißt es: „Es ist für die Gewerkschaftsjugend schwierig, nach außen für die Mitbestimmung zu kämpfen, wenn man sie ihr innerhalb der Organisation verwehrt."

Entwicklen sich diese Ansätze weiter und werden die Jugendlichen in den Verbänden ihre Forderungen in Zukunft freier und damit deutlicher vortragen, dann wird dies nicht ohne Widerstand und Konflikte seitens der Erwachsenenorganisationen und der staatlichen Förderung gehen. Das extreme Beispiel des SDS hat diese Konflikte schon einmal Wirklichkeit werden lassen.

In vielen Jugendverbänden hat man inzwischen damit begonnen, durch Satzungsänderungen die Entscheidungen der Leitungsstellen auf eine größere Basis zu stellen und durchsichtiger zu gestalten, um eine Demokratisierung der Verbandsstrukturen zu erreichen. Die Demokratisierung wird bis jetzt vor allem besonders stark zwischen den mittleren und höheren Ebenen spürbar Ferner hat sich die unmittelbare Mitbestimmung der einzelnen Gruppen auf der regionalen Ebene schon weithin durchgesetzt. Die Protestbewegung mit ihrem anti-autoritären Anspruch und ihrer Forderung nach einer fundamentalen Demokratisierung hat bei den Jugendlichen der Verbände eine Sensibilisierung erreicht, die es den Verbandsleitungen immer entschiedener verwehrt, autoritäre Maßnahmen wie noch vor Jahren unwidersprochen durchzusetzen. Der Prozeß der Ablösung überholter Führungs-und Autoritätsstrukturen in den Jugendverbänden hat nicht nur die Problema182 tik des Mandates und der Legitimation der Führungskräfte zur Sprache gebracht. Auch innerhalb der Leitungsgremien setzte sich immer mehr eine Teamarbeit und eine gemeinsame Verantwortung der Führungsgremien vor den Jugendlichen durch. Die Jugendverbände versprechen sich davon ein größeres Engagement der mittleren Jahrgänge der Jugendlichen in den Verbänden. Viele Jugendliche haben auch bisher schon im Alter von 14, 15 und 16 Jahren die Verbände verlassen, da im Leitungsstil ein kaum zu überbrückender Gegensatz zwischen mehr autoritärem Führerverhalten in den Unterstufen und der Forderung nach selbständigem Handeln und Eigeninitiative sowie Einsatz für die Jugendarbeit in den älteren Altersgruppen vorhanden war Vor allem die Anlehnung der Gruppenarbeit an ein starres Konzept der Altersstufenfolge und an psychologische Altersstufen, die man weniger prozeßhaft und dynamisch, sondern eher statisch verstand, bewirkten diese Schwierigkeiten

Wird die Einführung der Jugendlichen in die Gesellschaft und die Auseinandersetzung mit bestehenden Normen als kontinuierlicher Prozeß verstanden, dann muß auch der Leitungsstil in den Jugendgruppen fortschreitend demokratisches Bewußtsein ermöglichen. Nur auf diesem Wege können die Jugendverbände wieder von den Jugendlichen als ihre Verbände akzeptiert werden. Wie wenig dies bislang der Fall war, zeigt eine Studie von Müller u. a. in bezug auf Berlin. In dieser Studie stellte man fest, daß die nichtorganisierten Jugendlichen in den organisierten meist das Bild einer um gewisse jugendliche Züge ange-

reicherten Erwachsenengeneration sehen, daß sie die Jugendverbände nicht als ihre Verbände, sondern als Instrumente der Erwachsenenwelt betrachten

Die Bemerkung, daß die Jugendpflege darum bemüht sein müsse, Jugendliche nicht merken zu lassen, daß sie Gegenstand der Jugend-pflege sind, muß im Sinne einer demokratischen Erziehung als gefährlich und unzuträglich bezeichnet werden „Die pädagogischen Bemühungen der Führerschaft haben sich in der Vergangenheit zu sehr an Bundesordnungen, Bildungsplänen, Jahresthemen, Richtlinien und Verbandsprogrammen orientiert." Im Gegensatz dazu betonen auch die konfessionellen Verbände nunmehr ausdrücklich ihre Sprecherfunktion für die junge Generation. Dabei stellte sich beispielsweise beim BDKJ heraus, daß die Mehrheit der Verbandsvertreter zu einer Auffassung neigen, die den BDKJ nicht als einzigen Träger konfessioneller Jugendarbeit sehen und damit Möglichkeiten suchen, eine stärkere Trennung von katholischer Jugendverbandsarbeit und kirchlicher Seelsorge zu verwirklichen Jedoch wird die Interessenvertretung der Jugendlichen nicht eindeutig voll bejaht: „Der BDKJ steht zwischen diesen Fronten. Seine Verantwortlichen in Bund, Glied-gemeinschaften und Diözesen haben sich jedoch bewußt vorgenommen, die Vorstellungen und Wünsche der Jugend und vor allem der Mitglieder zu artikulieren und diese Wünsche — soweit sie ihrer Ansicht nach berechtigt sind — zu vertreten."

Die Frage nach der Interessenvertretung wird in dem zitierten Aufsatz noch in einer anderen Weise . beantwortet'. Es heißt dort, daß den Gliedgemeinschaften, d. h. also den Mitglieds-verbänden des BDKJ primär die Erziehungsaufgabe und dem Dachverband die Interessenvertretung zukommen. Hier deuten sich ebenfalls wieder Entwicklungen an, die einer Demokratisierung der Jugendverbände zuwiderlaufen könnten. Bildungsprozesse und Interessenvertretung müssen als unmittelbar miteinander verbunden angesehen werden. Die bereits kritisierte Interessenvertretung und Politik, die sich nur in den Verbandsspitzen abspielt, kann und darf nicht Ziel einer demokratischen Jugendarbeit sein. Erst wenn Abhängigkeiten abgebaut sind (oder wenn dies nicht möglich ist, offengelegt werden), kann sich die Eingebundenheit von Jugendverbänden in größere Kooperationszusammenhänge voll zum Nutzen der Jugendlichen auswirken: „.. . die Zugehörigkeit zu einem Gesamtbund, dem auch Männer und Frauen angehören, ermöglicht in manchen Jugendverbänden das unmittelbare Austragen von Spannungen und Konflikten zwischen Jugendlichen und Erwach-senen."

Die hier als Faktizität verstandene Formulierung trifft nicht die Wirklichkeit, auch dort nicht, wo derartige Kooperationszusammenhänge bereits existieren: dort wurde und werden bislang Spannungen und Konflikte vermieden. Einen katalysierenden Effekt hatte — das kann man ohne Zweifel schon jetzt in der Jugendarbeit feststellen — die Protestbewegung auf die Entwicklung der koedukativen Arbeit. Inzwischen haben Jugendverbände, die bisher schon gleiche Ziele verfolgten, jedoch nach Geschlechtern getrennt arbeiteten, gemeinsame Organisationen gebildet. Audi eine Zusammenarbeit war durchaus nicht immer selbstverständlich: noch vor einem Jahr galt eine gemeinsame Werkwoche mit Schülern und Schülerinnen als . Experiment

Bei den Überlegungen zur Demokratisierung der Jugendverbandsarbeit blieb ein Bereich bisher unerörtert: der der staatlichen Förderung. Auf Grund des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Normenkontrollklagen und Verfassungsbeschwerden zu Bestimmungen des JWG ist Mitte der 60er Jahre auch eine Neuordnung des Bundesjugendplanes eingeleitet worden. Kern dieser Neuordnung ist eine restriktivere Auslegung der Bundes-kompetenz auf dem Gebiet der Jugendförderung Man hat seinerzeit außerordentlich intensiv schwierige Detailfragen debattiert, so über das Problem der Kopflastigkeit der Förderung, wenn es nicht gelingt, die Pläne der Länder mit dem Bundesjugendplan abzustim-men,, so daß der BJP letzten Endes vor allem die Verbandsspitzen fördert und die unteren Ebenen der Verbände bei den Ländern zu kurz kommen. Die Nachfolgefinanzierung für die auslaufenden Förderungen durch die Landesjugendpläne gehörte ebenfalls zu den Sorgen der Verbände. Eine grundlegende Neuordnung der staatlichen Förderung ist jedoch nie in Erwägung gezogen worden. Die Protestbewegung hat die gesellschaftliche Verflochtenheit der Jugendverbände auf Grund der staatlichen Förderung wieder ins Bewußtsein gehoben. Immer mehr beginnen die Verbände die Förderung nicht mehr als Prämie für ihr Wohl-verhalten anzusehen. Wie aber kann eine ausreichende Unabhängigkeit auf Dauer möglicherweise besser gewährleistet werden als über einen Bundesjugendplan?

Nicht allein um der Demokratisierung der Jugendverbandsarbeit willen, sondern auch um das zuständige Ministerium von un-eigentlichen Aufgaben zu befreien und damit zu befähigen, wichtige Kräfte in die Entwicklung einer Jugendpolitik zu investieren, wäre die Einrichtung einer Stiftung sinnvoll. Sie müßte paritätisch besetzt werden und könnte unabhängig von der jeweiligen Regierungspolitik und wesentlich kontinuierlicher die Förderung der Jugendverbände übernehmen, da sie nicht an jährliche Etatdebatten und an das immer wieder auftretende Tauziehen in den Vertretungsgremien gebunden wäre. Eine solche Neuordnung erscheint allerdings erst dann sinnvoll, wenn sie in ein allgemeines jugendpolitisches Konzept eingebunden werden könnte. Aus diesem Konzept heraus wäre ein angemessenes pragmatisches Operationsmodell zu entwickeln, in dem sich die einzelnen Instanzen um Klärung des Gesamtzusammenhanges der jugendpolitischen Planung bemühen und zunächst die differenzierten Interessenstrukturen zwischen staatlichem Förderer und gesellschaftlichen Zuwendungsempfängern freilegen Die Entwicklung eines jugend-politischen Konzeptes bedarf auch einer allgemeinen Theorie über die Rolle der Jugend in der modernen Gesellschaft und einer an dieser sich orientierenden Jugendarbeit. Um dies erreichen zu können, reichen die bisherigen Kooperationsund Beratungsmodelle Wissenschaft — Praxis — Politik im Bereich der Jugendfragen nicht aus.

V. Jugendforschung, Jugendarbeit und Jugendpolitik

1. Zur Situation der Jugendforschung in bezug auf die Probleme der Jugendverbandsarbeit Die jugendliche Protestbewegung, speziell die politisch orientierte, kam nicht nur für viele Politiker und Wissenschaftler, sondern auch für die Jugendverbände recht überraschend. Die Ursachen dieser jugendlichen Ausbruchsversuche sind bis jetzt noch nicht ausreichend geklärt. Das Unverständnis und die Hilflosigkeit der Jugendverbandsarbeit wie auch der Politik diesen Erscheinungen gegenüber deutet wohl auf Mängel in der wissenschaftlichen Jugendforschung, der Erforschung der Jugendarbeit selbst und der wissenschaftlichen Politikberatung hin. Es scheint deshalb angebracht, das Verhältnis der Jugendforschung zur Jugendarbeit und zur Jugendpolitik zum Schluß noch näher zu betrachten.

Bei der Vielzahl der Fragestellungen, Untersuchungsmethoden, Gesamtdarstellungen und theoretischen Entwürfe fällt es schwer, unter einheitlichen Gesichtspunkten die Lage der Jugendforschung darzustellen. Vorherrschend waren seit dem Krieg in der deutschen Jugend-forschung ohne Zweifel soziologisch orientierte Fragestellungen. Dabei ging es insbesondere darum, die für die Generation der Erwachsenen beunruhigende und für sie oft unverständliche Andersartigkeit der Jugend, die Schelsky dann unter Inanspruchnahme geschichtsphilosophischer Denkformen unter einem universal-historischen Gesichtspunkt darzustellen versuchte, zu klären.

In eigenartiger Weise ging das schon dargestellte konservative Denken mit der Erwartung einher, die Jugend müsse doch eigentlich so sein, wie sie vor dem Nationalsozialismus gewesen war. Daß die Wirklichkeit offensichtlich anders war, gab Veranlassung, vor allem über die Leitbilder der Jugendlichen, ihre veränderten Lebensgefühle und Gesellschaftsvorstellungen und zunehmend über ihre politischen Einstellungen Untersuchungen durchzuführen. Man kann deshalb behaupten, daß bei den meisten Jugenduntersuchungen der letzten zwanzig Jahre „weniger wissenschaftlich-theoretische Fragestellungen im Vordergrund stehen, als vielmehr bestimmte Erwartungen, die man der Jugend gegenüber hegt, oder auch Enttäuschungen, die man erlebt hat" Ausnahmen machen davon nur we-nige Arbeiten, etwa die von Schelsky, Rosenmayr und Tenbruck.

Bestand einerseits die — von Rosenmayr wohl übertrieben dargestellte — Gefahr, daß „ Zeit-geist'-Diagnosen oder , epochaltheoretische'Betrachtungen die notwendigen soziologischen Differenzierungen und die wissenschaftlichen Ursachenerkenntnisse zugunsten einer mehr oder minder . intuitiven Schau'“ zurücktreten lassen, so muß für die deutsche Jugendforschung im Gegenteil eine Schlagseite zur Methodik der reinen Meinungsforschung konstatiert werden Das Problematische liegt weniger in der nur unzureichend in einen Gesamtzusammenhang zu bringenden Fülle von Daten, sondern vielmehr in der Tatsache, daß sie allein vom methodischen Ansatz nicht in der Lage sind, die gesellschaftlichen Bedingungen der Jugend hinreichend zu klären. Rosenmayr kritisiert die bloße Kumulation von . Jugend und .. .'-Forschungen, die sich in den letzten Jahren so unvergleichlich stark ausgeweitet hat und bemerkt: „Die Themen , Jugend und .. . sind zumeist sowohl wissenschaftlich wie auch praktisch konsequenzenlos, ihre Berechtigung besteht als Vorhof der Wissenschaft, die in gewissen Entwicklungsstadien ungezielter Kumulation nicht entraten kann.“ Dies gilt beispielsweise auch für den ersten Jugendbericht der Bundesregierung, auf den wir noch näher eingehen werden.

Die Datenfülle, die uns bis heute über . Jugend'vorliegt, führte häufig (wie in Reaktionen auf den Jugendbericht) zum Eindruck, daß über diese Jugend doch schon viel, um nicht zu sagen schon alles Notwendige, gesagt sei. Auswirkung der Datenfülle ist selbst in geschlossenen Publikationen wie der Blüchers, daß mehr , Sowohl-Als-auch-Aussagen zu finden sind, als daß spezifische Fragen dann auch genauer beantwortet werden Die geringe Information, die durch solche Forschungen erbracht wird, ist aber vor allem für die Praxis recht verhängnisvoll. Mit dem Hinweis auf wissenschaftliche Untersuchungen werden dann solche oder andere politische Entscheidungen getroffen. Dies fördert die Oberflächlichkeit und führt zu Verharmlosungen Ein Bericht über die Studentenunruhen, den das Institut für Demoskopie in Allensbach er-stellte, bestätigt das Gesagte Diese Untersuchung lag einer Sondersitzung des Bundesjugendkuratoriums zur Erörterung der Studentenunruhen vor. Abgesehen davon, daß der Bericht auch zum damaligen Zeitpunkt kaum neue Informationen liefern konnte, kennzeichnen dermaßen vereinfachende Thesen und Fragen diese Studie, daß er zur Beratung des Bundesjugendkuratoriums kaum etwas beitragen konnte Kennzeichnend für die jetzige Situation der Jugendforschung ist überdies, daß die Bedingungen und Wirkungszusammenhänge jugendlichen Verhaltens außerordentlich wenig untersucht wurden. In diesen Forschungen werden — obwohl es sich zumeist um soziologische Fragestellungen handelt — gesellschaftliche Gruppen in ihren Wirkungen auf die Jugend eigentlich nicht berücksichtigt. Die deutsche Jugendforschung behandelte bislang nur einen kleinen Ausschnitt dessen, was eigentlich untersuchenswert wäre, nämlich „die Summe der realen Kräfte und Einwirkungen, die den Sozialisationsprozeß ausmachen und schließlich zu einer ganz bestimmten, kulturell geformten Struktur der Persönlichkeit führen" Gerade diese Problematik zu durchleuchten wäre für die Jugendarbeit von besonderem Interesse.

Während die Jugendforschung in den letzten Jahren an Umfang stark zunahm, sind spezielle Bereiche, so beispielsweise die Jugendarbeit, weitgehend unberücksichtigt geblieben. Angesichts der von Eisenstadt herausgearbeiteten Bedingungen der Entstehung altershomogener Gruppen in der modernen Gesellschaft, der unter anderem als Reaktion auf diese gesellschaftliche Entwicklung interpretierbaren privaten und öffentlichen Bemühungen auf dem Gebiete der Jugendpflege und angesichts der Tatsache, „daß die Sozialisierung des Jugendlichen heute wesentlich in jugendlichen Gruppen und durch ihre Teilkultur bewerkstelligt wird" — wie Tenbruck behauptet muß es verwundern, daß Struktur und vor allem Wirkungen der Jugendverbandsarbeit bisher — wenige Versuche ausgenommen — unerforscht geblieben sind.

Diese Lage ist jedoch nicht allein kennzeichnend für die empirische Forschung auf diesem Gebiet, auch eine pädagogische Theorie der Jugendarbeit steckt noch in den Anfängen, sieht man einmal von den zahlreichen . theoretischen Beiträgen'im Bereich praxisorientierter Publikationen der einzelnen Träger der Jugendarbeit über die Begründung und das Selbstverständnis ihrer Arbeit ab. Was über die Jugendhilfe gesagt wurde, kann auch für das Gebiet der engeren Jugendarbeit festgestellt werden: „Die Grenzen zwischen dem faktischen Geschehen in der Jugendhilfe-Praxis, den aktuellen Weltanschauungen und den möglicherweise wirksamen Weltanschauungen werden in der internen Jugendhilfediskussion beständig verwischt und ignoriert."

Daß die Jugendarbeit nicht viel oder gar nichts über das weiß, was eigentlich in ihrem Bereich vor sich geht, kann nur zum Teil der Jugend-forschung angelastet werden, vielmehr standen besondere Einstellungen in der Jugendarbeit selbst dem im Wege. Die Jugendpflegewar — historisch gesehen — von Beginn an sehr stark von weltanschaulichen, religiösen oder politischen Werthaltungen motiviert. Gerade die recht emotional bestimmte deutsche Jugendbewegung und deren Aversion gegen jegliches . Theoretisieren'haben die Tendenzen, die Handlungen primär von derartigen Werten bestimmen zu lassen, noch verstärkt. Gerade für das Feld konfessioneller Jugend-pflege gilt die Feststellung einer Vernachlässigung wissenschaftlicher, besonders empirischer Forschung zugunsten theologischer und sozial-ethischer Ausrichtung und Begründung. Die Abnahme einer weltanschaulich-ethischen Fundierung des Handelns in der Jugendpflege und Jugendarbeit bedeutete dann eine verstärkte Hinwendung zu Methoden, die jedoch nur zum Teil auf exakten wissenschaftlichen Ergebnissen beruhten. Immer noch richtete sich sich die Aufnahme dieser Methoden und Erkenntnisse nach einem besonderen Wissenschaftsverständnis, wie es Peters für die Sozialarbeit dargestellt hat Es handelt sich um ein handlungsbezogenes Wissenschaftsverständnis, das die Wissenschaft als Instrument zur Erreichung der in der Sozialarbeit gestellten Ziele versteht. „Sie kann nicht als strukturanalytisches Instrument verstanden werden, weil eine Analyse der sozialen Strukturen die Ungeeignetheit dieser globa-len Gesellschaftsbeschreibungen zur Kennzeichnung jener sowie die spezifische handlungsfordernde Wertbesetztheit . .. erweisen müßte." Der Sozialarbeiter würde so seine Handlungsvoraussetzung, die Stabilität des Wertsystems, verunsichern. Daraus leitet sich eine ganz spezifische Selektivität in der Aufnahme von Methoden und Ergebnissen ab, in diesem Fall die Aufnahme einer volkstümlichen Gruppenpsychologie und Gruppensoziologie, die zu schematisch überschaubaren und unmittelbar einsehbaren Darstellungen neigt.

Es ist wiederholt darauf hingewiesen worden, wie eine auch in der Jugendarbeit stark verbreitete Gruppendynamik die gesellschaftlich-politischen und strukturellen Determinanten ausblendet und damit sozusagen nichts anderes mehr darstellt, als zwar gruppenvermittelte, aber . individuell-psychische Lockerungsübung'— und schließlich eine, noch weniger als bei den früher vorherrschenden Motiven durchschaubare ideologisch-moralische Aufrüstung in neuem Gewände In der Selektivität der wissenschaftlichen Ergebnisse stellen sich oft recht eigenartige Verflechtungen „verwissenschaftlicher Primärerfahrung" ein Besondere soziale Stereotype lassen auch eine Vermittlung dieser praktischen Theorien mit einer wissenschaftlichen Reflexion problematisch werden, da gerade diese Stereotype immer wieder den Schein einer Vermittlung produzieren. Diese Typisierungen leisten nicht etwa wie im Sinne der Weber-sehen Idealtypen Hilfen zum Zugang zur Wirklichkeit, sondern verstellen als , Wesenskürzel'diese soziale Wirklichkeit Wissenschaftsverständnis einerseits und soziale Stereotype andererseits hemmen eine angemessene Kooperation zwischen Wissenschaft und Praxis im Bereich der Jugendhilfe.

Die bisher veröffentlichten Arbeiten über Jugendverbände gehen kaum über das hinaus, was bereits an Vermutungen und Hypothesen im Bereich praxisorientierter Publikationen der Verbände gesagt wurde. Sehen wir von der kürzlich erschienenen Vorstudie von Mollenhauer und Mitarbeitern ab so stellt die Studie . Gruppe, Führung, Gesellschaft', 1961 von Wurzbacher veröffentlicht, die einzige Analyse eines Jugendverbandes dar Objekt der Untersuchungen war der Verband der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands. Im Hinblick auf die von uns gestellten Fragen an die Jugendforschung kommt diese Analyse über weite Bereiche nicht über einen impressionistischen Tatsachenbericht hinaus. Hypothesenreihen werden nach Maßstäben aufgestellt und getestet, die einer Beurteilung von der sozialwissenschaftlichen empirischen Forschungsmethodik her nicht standhalten 2. . Jugend'unter dem Aspekt des Verhältnisses von Wissenschaft, Praxis und Politik Das Verhältnis von Jugendhilfe, Jugendpolitik und Jugendforschung zu erörtern, ist weder umfassend noch einigermaßen exakt möglich. Dies liegt daran, daß wir bis jetzt weder eine jugendpolitische Gesamtkonzeption kennen, noch die Jugendforschung in Richtung auf Jugendpolitik und Jugendarbeit weit fortgeschritten ist. Schließlich stellt sich die Jugendhilfe als ein sehr heterogenes Gebiet, sowohl auf der strukturellen Ebene wie auf der normativen, dar.

Bei der Novellierung des Jugendwohlfahrtsgesetzes im Jahre 1961 wurde die Bundesregierung gemäß § 25 Abs. 2 verpflichtet, alle vier Jahre, erstmals zum 1. Juli 1963 Bundestag und Bundesrat einen . Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe'vorzulegen. Allein die verspätete Vorlage des ersten Berichtes am 14. Juni 1965 zeigte die großen Schwierigkeiten, die bei der Zusammenstellung des Berichts und der notwendigen wissenschaftlichen Voruntersuchungen entstanden waren. Neben der Beratung durch das 1955 errichtete Bundesjugendkuratorium sollte der Jugendbericht Grundlagen für eine jugendpolitische Diskussion schaffen und zugleich eine Art wissenschaftliche Beratung darstellen. Nun bestanden bei der Jugendhilfe zu hohe Erwartungen an den Jugendbericht, die darauf zurüdezuführen sein mögen, daß die Jugendhilfe selbst an Unterlagen interessiert war. *

Viele erhofften vom Jugendbericht nicht nur Aufschluß über das eigene Tun, sondern offenbar auch moralische Appelle an die Öffentlichkeit: „Interessant muß der Bericht sein, spannend muß er sein, aufrüttelnd muß er sein: ein Appell an das Gewissen und an das Handeln! Damit er gelesen wird!" Die Enttäuschung stellte sich bald ein. Und sie war durchaus nicht an den fehlenden moralischen Appellcharakter des Berichtes gebunden. In einer Stellungnahme des sozialpädagogischen Dozenten-Arbeitskreises an der Universität Marburg hieß es: „Der Arbeitskreis, der die Vorlage solcher Berichte grundsätzlich begrüßt, hat bei der Erörterung des Berichtes und auf Grund einiger in Fachzeitschriften publizierter Rezensionen die Überzeugung gewonnen, daß der Jugendbericht weder die Lage der Jugend wissenschaftlich zuverlässig darstellt noch die Unklarheiten, Schwächen und Lücken auf dem Gebiet der Jugendhilfe deutlich hervorhebt."

Wir greifen zur Unterstreichung dieser Stellungnahme, insbesondere zur Behauptung einer wissenschaftlich unzuverlässigen Darstellung, einen besonders problematischen Bereich der Jugendhilfe heraus. Die dem Abschnitt . Behinderte Kinder und Jugendliche'zugrunde liegende wissenschaftliche Untersuchung von Bracken stellt resümierend zum Problem der Betreuung entwicklungsgestörter Jugendlicher fest: „Gegenwärtig bietet die entwicklungsgestörte Jugend das Bild eines massiven Notstandes — sowohl in sozialer Hinsicht als auch in bezug auf ihre Bildung. In der Heilpädagogik war Deutschland früher einmal die führende Nation. Es war nicht zuletzt die Macht der Vorurteile gegen die Behinderten, die uns in der Forschung zurück-geworfen und unsere Nation geradezu in Verruf gebracht hat." Bracken ermittelte — amtliche Statistiken fehlen fast völlig — für 1962 1 670 000 entwicklungsgestörte Jugendliche zwischen 1 und 25 Jahren. Nirgends im Jugendbericht werden diese Zahlen genannt. Dagegen wird lediglich eine Zahl von 58 000 aus dem Mikrozensus von 1961 aufgeführt, wobei es sich allein um körperbehinderte Kinder bis 15 Jahre handelt Bezeichnend ist aber auch die von Petri herausgegriffene Frage des Schulwesens für behinderte Kinder: zwar wird angegeben, daß etwa 160 000 Kinder eine Sonderschule besuchen, daß aber mehr als doppelt so viele Kinder keine Sonderschule besuchen können, weil entsprechende Plätze fehlen, verschweigt der Bericht Dies aber wäre eine politisch verwertbare Aussage gewesen. Damit werden „Unklarheiten, Schwächen und Lücken der Jugendhilfe" nicht aufgedeckt. Und die jugendpolitische Funktion des Berichtes: „Der Jugendbericht will mithin eine sachliche Grundlage zur Prüfung und Entscheidung der Frage bieten, wie Jugendpolitik jeweils zeitnah und wirksam gestaltet werden kann“, kann nach der Lektüre des Berichtes, der übrigens, wie schon bemerkt, weder im Parlament noch in den entsprechenden Beratungsgremien ausreichend diskutiert wurde, als nicht gegeben gelten

Der Jugendbericht machte offenbar, daß es so gut wie keine zuverlässigen statistischen Angaben über das Gebiet der Jugendhilfe gibt. Die Aussagen der wissenschaftlichen Expertisen basieren zum Großteil auf den internen Angaben der verschiedenen Träger der Jugendhilfe, wobei die Angaben der Verbände unter verbandspolitischen Gesichtspunkten nur mit Vorsicht übernommen werden können. Die Unzulänglichkeiten des ersten Jugendberichtes, von denen hier nur andeutungsweise die Rede sein konnte, haben dazu geführt, daß der Auftrag des Jugendwohlfahrtsgesetzes geändert wurde. So sollen sich die Jugend-berichte in Zukunft nur auf einen Teilbereich der Jugendhilfe beschränken, was beim zweiten Bericht schon der Fall war. Ferner wird der Bericht von einer von der Bundesregierung berufenen Kommission erstellt. Damit wird einerseits eine Überforderung, andererseits eine gewisse Unabhängigkeit gewährleistet.

Das Aneinanderreihen von Themen und Problemkreisen, das den ersten Bericht zu einem Konglomerat von Daten und Fakten werden ließ, bestimmte jedoch auch den zweiten Jugendbericht, der sich unter anderem mit den Mitarbeiterfragen der Jugendhilfe befaßte. Die auch hier vorgetragene Formel von der . Einheit der Jugendhilfe'kann angesichts die-ser Tatsachen nur als Leerformel bezeichnet werden Das Zusammengetragene wurde mehr von Ressortzuständigkeiten abgegrenzt als von inhaltlichen Kriterien strukturiert. Auch hier fehlten sozialpolitisch und jugend-politisch relevante Aussagen. Auch nach der Änderung des Auftrags und der Erstellungsweise des Jugendberichts können wir nicht die Auffassung teilen, daß „die neue Regelung den Erwartungen, die an die Jugendberichte zu stellen sind, am ehesten entspricht" Es muß festgehalten werden, daß wir eine institutionalisierte wissenschaftliche Beratung für den Bereich der Jugendhilfe in der bisherigen Jugendpolitik noch nicht kennen. Die Joint commission'in Form des Bundesjugendkuratoriums stellt eine Kombination aus Auftraggebern (Politikern) und beratenden Interessen-vertretern dar. Allzuleicht werden durch diese Konstellation wissenschaftliche Argumente durch Interessen überspielt oder in wissenschaftliche Aussagen gekleidete'Interessen vorgetragen. Aufgrund der fehlenden und mangelhaften wissenschaftlichen Beratung wird vielfach noch rein dezisionistisch gehandelt. Anders als in dem von Habermas geforderten pragmatischen Vermittlungsmodell, bei dem ein wechselseitiger Lernprozeß, „eine wechselseitige Aufklärung von technischem Wissen und praktischem Bewußtsein" stattfindet bleibt dabei das Verhältnis von normativen politischen Entscheidungen und wissenschaftlich analysierten gesellschaftlichen Gegebenheiten unreflektiert. Handelt man pragmatisch, dann nur insofern, als man die einzelnen Interessen pragmatisch abwägt.

Wir halten dafür, die wissenschaftliche Beratung nicht mit der Beratung durch die Praxis institutionell zu verbinden. Die Gegenüberstellung von Wissenschaft und Praxis auf der einen und der Politik auf der anderen Seite scheint nicht sinnvoll. Die wissenschaftlichen Argumente werden allzuleicht verfälscht oder die Wissenschaftler unterliegen einer . Vermachtung'durch die Praxis. Wir halten ein Dreiecksverhältnis zwischen Wissenschaft, Praxis und Politik für günstig. Damit sind wesentlich mehr gegenseitige Korrekturmöglichkeiten gegeben. Ein derartiges Verhältnis würde für das Bundesjugendkuratorium eine strikte Beschränkung auf die Interessenvertretung bzw. auf eine Beratung durch die Interessenvertreter bedeuten. Daneben ist eine gemischte wissenschaftliche Kommission einzurichten. Unter Abstimmung zwischen Bundesjugendkuratorium, Regierung und wissenschaftlichem Beirat könnten von diesem Gremium spezifische Probleme zum Schwerpunkt von Expertisen gemacht und einer Sachverständigenkommission, die jeweils neu zusammengestellt wird, übergeben werden, über diesen Weg könnte dreierlei möglich werden: eine versachlichte Diskussion über die Forderungen der Jugendhilfe an die Politik, eine Erarbeitung von Lösungsmöglichkeiten für die Aufgaben der Jugendhilfe und ein Aufbrechen der durch traditionelle Verfestigungen in der öffentlichen wie privaten Jugendhilfe verdeckten Probleme Der Dialog zwischen Jugendforschung, Jugendhilfe bzw. Jugendarbeit und Jugendpolitik muß zur Lösung dieser Aufgaben klarer und durchsichtiger gestaltet werden. Für die Jugendarbeit und speziell die Jugendverbände könnte dies dazu beitragen, daß die vor Jahren getroffene Feststellung: „Die Jugendgruppen führen heute vielfach ein Leben neben dem eigentlichen Leben der Jugend“ aufgehoben wird

Schluß: Die Zukunft der Jugendverbandsarbeit

Da Jugendarbeit eine Freizeitinstitution ist, darf in ihr kein Druck oder Zwang ausgeübt werden, „weil die Jugendlichen sonst aus dem Feld der Jugendarbeit entweichen würden" Bei zunehmendem Druck und gesellschaftlichen Anpassungszwängen zeigen die Jugendlichen mehr denn je das „Bedürfnis, dem permanenten . pädagogischen Beschuß'innerhalb vieler Teilbereiche unserer Gesellschaft zu entgehen, wenigstens auf Zeit" Die Jugendarbeit muß einen repressionsfreien Raum bieten können, sonst hat sie im Freizeitbereich ihre Chancen vertan. • Die Verwirklichung einer Neuorientierung der Jugendverbandsarbeit wird davon abhängen, ob sie in der Lage ist, sich von ihren Handlungsspielraum einschränkenden Bindungen an Erwachsenen-organisationen und von einer allzu starken Abhängigkeit von staatlicher Förderung zu lösen. Erst dies wird zu einem größeren Entscheidungsspielraum für die Jugendlichen in den Verbänden führen und Voraussetzungen schaffen, daß die Jugendlichen die Jugendverbände wieder in vollem Umfang als ihre Verbände akzeptieren können.

Jugendarbeit entstand dort, wo Schule und Familie keine ausreichenden Voraussetzungen für die Eingliederung der Jugend in die Gesellschaft mehr bieten konnten. Angesichts der jugendlichen Protestbewegung muß man feststellen, daß die traditionelle Jugendverbandsarbeit offensichtlich dieses . erzieherische Brachfeld'nicht ganz auszufüllen vermochte. Es mag einerseits gewiß beruhigen, daß die Phantasie jugendlicher Ausbruchsversuche doch der . Weisheit der Pädagogen, Politiker, Psychologen und Soziologen der Anpassung'— wie Schelsky einmal formulierte — überlegen ist 2. Andererseits sind doch entscheidende Bedürfnisse der Jugendlichen von denen nicht beachtet worden, die eigentlich dafür . zuständig'wären. — Jugendarbeit morgen wird sich in zwei Formen herauskristallisieren: einmal verstärkt als offene Arbeit im Freizeit-und Bildungssektor, zum anderen als geschlossene Arbeit in wesentlich kleineren Verbänden als wir sie heute kennen.

Die Diskussion in der Jugendverbandsarbeit läßt darauf schließen, daß sich die Jugendverbände in ihrer Struktur und in ihrer methodischen Arbeit verändern. Die Professionalisierung, die Mitarbeit hauptamtlicher Kräfte im Bereich der Jugendverbandsarbeit schreitet voran. Da offene Jugendarbeit Angebot ist, muß unter den jetzigen Bedingungen ein geschultes Fachpersonal dieses Angebot ermöglichen. Dieser . Institutionalisierung'auf der einen Seite entspricht eine Lockerung auf der anderen Seite: immer häufiger fällt in der Jugendverbandsarbeit das Wort vom Jugend-club. Damit entwickelt sich der Verband zum Jugendpflege-Management und der Charakter der Jugendverbände als Mitgliederbewegung nimmt ab. Geschlossenere Formen der Jugend-verbandsarbeit, seien sie weltanschaulich, berufsständisch oder politisch orientiert, werden in kleinem Ausmaß dann Chancen haben, wenn sie sich in besonderem Maße profilieren. Dazu fehlt in den Verbänden meist der Mut: weil man damit in finanzielle Krisen geraten würde und weil Organisationen nun einmal danach tendieren, ihre eigene Struktur aufrechtzuerhalten. Sind die Bindungen an gesellschaftliche Großorganisationen nicht allzu stark, so lägen hier Chancen einer verstärkten Eigenbewegung der Jugend. Eine Parteinahme für die Bedürfnisse und Interessen der Jugendlichen ist dabei ebenso unabdingbare Voraussetzung wie eine unmittelbare Verbindung von Lernprozessen und eigener jugendlicher Aktivität im gesellschaftlichen Bereich

Um die staatlichen Förderungen dieser Aktivitäten in der für die Emanzipation der Jugend rechten Weise lenken zu können, ist es unseres Erachtens notwendig, die verschiedenen politischen Maßnahmen auf den Gegenstand . Jugend in der komplexen, industriellen Gesellschaft'zu zentrieren und auf dem Hintergrund einer Gesellschaftspolitik ein Konzept für ein politisches Handeln in bezug auf die Jugend zu entwerfen. Es ist für Gesellschaften, die sich im geplanten Umbruch befinden, oder gesellschaftliche Ordnungen verändern wollen, kennzeichnend, daß sie eine jugendpolitische Konzeption besitzen 7. Nach einer restaura-tiven Phase der Entwicklung der Bundesrepublik und einer mehr oder weniger deutlichen Eingliederung der Jugendfragen in eine überkommene Familienpolitik scheint in jüngster Zeit deutlicher sichtbar zu werden, daß auch wir in einer Umbruchsituation stehen und einen entscheidenden Entwicklungsstand erreicht haben, wo wir derartige Anstrengungen unternehmen müssen. Die pädagogischen Überlegungen zu einer Theorie der Jugendarbeit haben bisher von dieser Seite noch kein Äquivalent gefunden. Es dürfte jedoch verständlich geworden sein, daß auch eine pädagogische Theorie der Jugendarbeit diese Rahmenbedingungen und die in diesem Beitrag aufgezeigten strukturellen Determinanten nicht vernachlässigen darf, will sie dazu beitragen, der Jugendverbandsarbeit eine Zukunftschance zu geben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Heinz-Georg Binder, Die jugendliche Rebellion rn die vergesellschaftete Jugendarbeit, in : Deut-s®e Jugend, 1968, S. 218.

  2. Helmut Schelsky, Die skeptische Generation, Düsseldorf-Köln (Sonderausgabe) 1963, S. 51.

  3. Samuel N. Eisenstadt, Von Generation zu Generation, München 1966.

  4. Vgl. Walther Gerber, Zur Entstehungsgeschichte der Deutschen Jugendbewegung, Bielefeld 1957; Felix Raabe, Die Bündische Jugend, Stuttgart 1961, S. 13; Howard Becker, Vom Barette schwankt die Feder, Wiesbaden 1949, S. 105.

  5. Helmut Schelsky, a. a. O., S. 51.

  6. Hans Thiersch, Zur Jugendbewegung, aus Ania der „Grundschriften der deutschen Jugendbewe gung", in: Neue Sammlung, 1964, S. 433.

  7. Vgl. Franz Strebin, Autorität und Freiheit. Ue die Anfänge der deutschen Jugendbewegyngzoen. Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 2— 3, 19 ‘ S. 23.

  8. Zit. bei: Karl O. Paetel, Das Bild vom Menschen sdeetschen Jugendbewegung, Bad Godesberg 1954, S.15

  9. Knud Ahlborn, Das Meißnerfest der Freideut-Knen Jugend, 1913, wiederabgedruckt in: Werner ndt (Hrsg.), Grundschriften der deutschen Juvendbewegung, Düsseldorf-Köln 1963, S. 105.

  10. Vgl. Werner Kindt (Hrsg.), Grundschriften..., aa.., S. 64, 65.

  11. Zu den Vorstellungen Gustav Wynekens über szPadagogisierung" der Jugendbewegung: der-, , e’ Was ist Jugendkultur?, Vortrag aus dem re 1913, abgedruckt in: Werner Kindt (Hrsg.), Grundschriften ..., a. a. O., S. 119 ff.

  12. Zit. nach: Gustav Wyneken, Was ist Jugendkultur?, a. a. O., S. 119.

  13. Franz Strobln, n. a. O., S. 24.

  14. Staatsminister v. Hentig über den „Lohn, einer idealen Jugendpflege winkt" im Handout für Jugendpflege, Langensalza 1913l, zit. nach Wolfgang Schröderr , Uber die Bedeutung öffentlicher " Mittel für die Tätigkelt von Jugondorganisatione 'Phil. Dias. Hamburg 1961, S. 10.

  15. A. a. O„ S. 57.

  16. A. i. O., S. 50.

  17. Paul Hastenteufel, Grenzen und Möglichkelten der kirchlichen Jugendarbeit Im Zeltalter der nmdernen Technik, Phil. Diss. München 1961, S. 40,

  18. Paul I lastenteufel, n n. O., 9. 4 1.

  19. Zitat bei: Felix Raabe, n. n. O., 9. 61.

  20. Karl Seidelmann, Bund und Gruppe als Lebensformen deutscher Jugend, München 1954, S. 69.

  21. Eduard Spranger, Pädagogische Perspektiven, Heidelberg 1955, S. 50.

  22. Helmut Schelsky, Ansatz und Methodik einer Soziologie der Jugend, in: Hermann Röhrs (Hrsg.), Die Jugendfrage — eine erzieherische Aufgabe, Frankfurt 1965, S. 291— 302.

  23. Ebenda, S. 300.

  24. Vgl. Peter Berger/Thomas Luckmann, Die gesel schaftliche Konstruktion der Wirklichkeit. Ein Theorie der Wissenssoziologie, Frankfurt 1969.

  25. Vgl. die Ausführungen zum Begriff wZugen bei: Manfred Markefka, Jugend — Begriffe un Formen in soziologischer Sicht, Neuwied—Ben

  26. Friedrich H. Tenbruck, Jugend und Gesellschaft, Freiburg 1965, S. 22.

  27. Ebenda, S. 84.

  28. Vgl. Peter Berger/Thomas Luckmann, a. a. O.,

  29. Ebenda, S. 99 f.

  30. „Wir haben die Jugendbewegung in den Dienst unseres Heimwesens, unserer Erziehungsarbeit gestellt... , Zitat bei: Gertrud Herrmann, Die sozialpädagogische Bewegung der zwanziger Jahre, Weinheim—Berlin 1956, S. 66.

  31. Vgl. Peter L. Berger/Stanley Pullberg, Verding lichung und die soziologische Kritik des be seins, in: Soziale Welt, 1965, S. 97— 112.

  32. Friedrich H. Tenbruck, a. a. O., S. 93.

  33. Hermann Boventer, Ohne Mythos, Trommeln Fanfaren, in: Rheinischer Merkur vom 8. 5.

  34. Vgl. Heinrich Lades, Jugendarbeit in Deutschland 1949, in: Jahrbuch der Jugendarbeit, München 1949, S. 1 ff.; ferner: Howard Becker, Jugendbewegung und Jugendpflege, in: Verhandlungen des 9. Dt. Soziologentages, Tübingen 1949, S. 56 ff.

  35. Jahrbuch der Jugendarbeit, a. a. O., S. 12.

  36. Vgl. Hans Peter Herz, Freie Deutsche Jugend, München 1957.

  37. Helmut Schelsky, über das Restaurative in unserer Zeit, Aufsatz aus dem Jahre 1955, in: derselbe, Auf der Suche nach Wirklichkeit, Düsseldorf-Köln, 1965, S. 405 ff.

  38. Zitat aus: Leuchtturm, Ztschr.des Bundes Neu-deutschland, 1956, S. 119.

  39. Zitat bei: Paul Hastenteufel, Jugendbewegung und Jugendseelsorge, München 1962, S. 40.

  40. Vgl. die Beiträge im Jahrbuch der Jugendarbeit, a. a. O.

  41. Karl Mannheim, Das konservative Denken, in: Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik 1927, S. 85.

  42. Walter Jaide, über die Unruhe in der jungen Generation, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, 1969, Nr. 22, S. 5 und S. 10 ff.

  43. Helmut Schelsky, über das Restaurative ..., a a. O„ S. 413.

  44. Klaus Mollenhauer u. a., Evangelische Jugendarbeit in Deutschland, München 1969

  45. Wir beziehen uns hier auf den katholischen Verband »Bund Neudeutschland", der 1919 als Verband höherer Schüler gegründet wurde.

  46. Günther Bittner, Für und Wider die Leitbilder. Idealistische Lebensformen in pädagogisch-psychologischer Kritik, Heidelberg 1964, S. 67 f.

  47. Ebenda, S. 110.

  48. Das Werk „Gemeinschaft und Gesellschaft" von Ferdinand Tönnies erschien 1887, Paul Natrops „Sozialpädagogik“ 1898, die Jugendbewegung begann um 1900.

  49. Josef Stallmach, Vom Schülerbund zur Lebens-bewegung, in: Hirschberg, Ztschr.des Bundes Neu-deutschland 1969, S. 313.

  50. Horst Rumpf, Schul-Gemeinschaft als Schul-Ideologie, in: Frankfurter Hefte, 1967, S. 839.

  51. Ralf Dahrendorf, Gesellschaft und Demokratie in Deutschland, München 1968, S. 155.

  52. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O., S. 84.

  53. Vgl. Friedrich H. Tenbruck, a. a. O., S. 92.

  54. Diese Behauptung geht von einem uneingesta denen Vorurteil aus, die Jugend wäre früher dungsfreudiger gewesen. Dem widerspricht daß der Organisationsgrad der Jugend während der gesamten Jugendbewegung nie über 40 Prozent

  55. Franz Flintrop, Bund und Gruppe in Gese'ls und Kirche, Hauptreferat auf dem Thing “ er deutschen Jungengemeinschaft, 1966, Manus P druck, Köln 1967, S. 7.

  56. Vgl. Heinrich Schiller, Gruppenpädagogik als Methode der '963, S. 47. Sozialarbeit, Wiesbaden—Biebrich,

  57. Theodor W. Adorno und Hellmut Becker, Erziehung wozu

  58. Ebenda, S. 7.

  59. Siehe: Paul Hastenteufel, Jugendbewegung..., a. a. O., S. 62.

  60. Paul Hastenteufel, Grenzen und Möglichkeiten .... a. a. O.. S. 58: Zitat von einem Verbands-treffen.

  61. Vgl. Jacobus Wössner, Die ordnungspolitische Bedeutung des Verbandswesens, Tübingen 1961, S. 141.

  62. Die „Actio Catholica" wird als Sammelbecken der katholischen Laienbewegung verstanden.

  63. Paul Hastenteufel, Jugendbewegung . a. a. 0 S. 84.

  64. Hubertus Halbfas, Handbuch der Jugendseelsorge und Jugendführung, Düsseldorf 1960, S. 50.

  65. Leopold Rosenmayr, Familienbezogenheit und Freizeitverhalten jugendlicher Arbeiter, Wien 1963,

  66. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O„ S. 142.

  67. Ebenda, S. 36.

  68. Hubertus Halbfas, Handbuch .... a. a. O„ S. 51.

  69. Hans-Jürgen Haug/Hubert Maessen, Was wollen de Schüler?, Frankfurt 1969, S. 78.

  70. Vgl. Hannes Schwenger, Antisexuelle Propaganda, Reinbek b. Hamburg 1969.

  71. Einige der von Schwenger analysierten Hefte wurden vor einigen Jahren noch in den Vertriebs-abteilungen der Jugendverbände geführt.

  72. Frankfurter Rundschau vom 27. 6. 1970.

  73. Vgl. Demosthenes Savramis, Entchristlichung und Sexualisierung — Zwei Vorurteile, München 1969.

  74. Helmut Kentler, Sexualerziehung, Reinbek b. Hamburg, 1970, S. 166 ff.

  75. Klaus Mollenhauer, a. a. O., S. 134.

  76. Klaus Dielmann, Jugendarbeit der Gewerkschaf ten in der Bundesrepublik Deutschland, WiSo. D 1s 5 Erlangen—Nürnberg 1968, S. 30.

  77. Ebenda, S. 261.

  78. Ebenda, S. 26 f.

  79. Ebenda, S. 257.

  80. Ebenda, S. 266.

  81. Vgl. Annelie Keil, Jugendpolitik und Bundesjugendplan, München 1969, S. 11.

  82. Vgl. Walter Hornstein, Jugendhilfe und Jugend-politik vor den ungelösten Aufgaben, in: Mittig, der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, Nr. 57/58, 1969, S. 11.

  83. Zitat bei: Annelie Keil, a. a. O., S. 22.

  84. Die Aufgaben des BJP sind neuerdings formuperin: Richtlinien für den BJP, Erl. d. BMFa vom 10. 64, veröffentlicht in: GMB 1 1964, S. 513 f.

  85. Vgl. Annelie Keil, a. a. O., S. 90 ff.

  86. Ebenda, S. 100 f.

  87. Ebenda, S. 103.

  88. Vgl. Ingrid Fuhrmann, Jugendarbeit, Förderungswürdigkeit und staatliche Anerkennung von Jugendgruppen, in: Recht der Jugend, 1959, S. 337 ff. und S. 357 ff.

  89. Karl Dümmler, Staatliche Subventionierung Evangelischer Jugendarbeit, in: E. Weisser Hrs Freiheit und Bindung — Beiträge zur Situation Evangelischen Jugendarbeit in Deutschland, Mu chen 1963.

  90. Zitat bei: Annelie Keil, a. a. O., S. 135.

  91. Satzung des DBJR.

  92. Vgl. DBJR-Informationen 1969, Heft 4. 1.

  93. Rheinischer Merkur vom 29. 11. 1968.

  94. DBJR-Informationen, a. a. O.

  95. Frankfurter Rundschau vom 2. 12. 1969.

  96. DBJR-Informationen, a. a. O.

  97. Annelie Keil, a. a. O., S. 137.

  98. Vgl. Deutsche Jugend, 1969, S. 536.

  99. Vgl. Deutsche Jugend, 1969, S. 289.

  100. Annelie Keil, a. a. O., S. 118.

  101. Vgl. Deutsche Jugend, 1969, S. 150; 1969, S. 296.

  102. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O„ S. 30 ff.

  103. S. N. Eisenstadt, a. a. O., S. 161 ff.

  104. Robert R. Bell, Die Teilkultur der Jugendlichen, in: Ludwig v. Friedeburg (Hrsg.), Jugend in der modei nen Gesellschaft, Köln—Berlin 1965, S. 83.

  105. Vgl. u. a. die Beiträge von F. Elkin und W. A. Westley in: Ludwig v. Friedeburg (Hrsg.), Jugend ..., a. a. O.

  106. Friedrich H. Tenbruck, a. a. O., S. 55.

  107. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O., S. 91. .

  108. Vgl. Leopold Rosenmayr, Hauptgebiete Jugendsoziologie, in: Rene König (Hrsg.), Han buch der empirischen Sozialforschung, Bd. I, S u gart 1969, S. 130.

  109. In Anlehnung an: Robert K. Merton, Social Theory and Social Structure, New York 1968, S. 193 ff

  110. Helmut Schelsky, Schule und Erziehung in der industriellen Gesellschaft, Würzburg 1967, S. 17.

  111. Friedhelm Neidhardt, Die junge Generation, Opladen 1967, S. 36.

  112. Vgl. Helmut Schelsky, Schule.... a. a. O., S. 51 ff.

  113. Friedhelm Neidhardt, a. a. O., S. 48 f.

  114. Ebenda, S. 49.

  115. Viggo Graf Blücher, Freizeit in der industriellen Gesellschaft, Stuttgart 1956, S. 1.

  116. Heinrich Popitz u. a., Das Gesellschaftsbild des Arbeiters, Tübingen 1957, S. 241.

  117. Leopold Rosenmayr u. a., Kulturelle Interessen von Jugendlichen, Wien—München 1966, S. LXIII ff.

  118. Dieter Baacke, Beat — die sprachlose Opposition, München 1968.

  119. Ebenda, S. 73.

  120. Vgl. Ren König, Kleider machen Leute, Frankfurt 1967, S. 151 ff.

  121. Willy Strzelewicz, Jugend in ihrer freien Zeit, München 1965, S. 34.

  122. Jürgen Habermas, Protestbewegung und Hochschulreform, Frankfurt 1969, S. 33.

  123. Vgl. Walter Hollstein, Gammler und Provos, in; Frankfurter Hefte, 1967, S. 409- 418.

  124. Vgl. Hermann Pfütze, Sensible Rebellen - narzißtische Ideale. Jugend in der Krise der Gesellschaft, in: Soziale Welt 1967, S. 191.

  125. Margret Kosel, Gammler, Beatniks, Provos, Frankfurt 1967.

  126. Hans Heinrich Muchow, Entsteht eine neue Generation?, in: Unsere Jugend, 1968, S. 115.

  127. Hans Georg Jaedicke, Die Gammler, in: Neue Sammlung, 1968, S. 91.

  128. Dazu ausführlich: Walter Hollstein, Der Untergrund, Berlin—Neuwied 1969.

  129. Zitat bei Walter Hollstein, Hippies im Wandel, in: Frankfurter Hefte, 1968, S. 641.

  130. Dazu auch: Manfred Liebel/Franz Wellendorf, Schülerselbstbefreiung, Frankfurt 1969.

  131. Alexander Mitscherlich, Auf dem Wege zur Ysterlosen Gesellschaft, München 1963, S. 220.

  132. Jürgen Habermas, Protestbewegung..., a. a. O., «• 35.

  133. Frederick Wyatt, Motive der Rebellion, in: Psyche, 1968, Heft 8.

  134. Klaus Mollenhauer, Erziehung und Emanzipation, München 1968, S. 116.

  135. vg] dazu u. a. Manfred Riedel, Wandel des Generationenproblems in der modernen Gesellschaft, Düsseldorf—Köln 1969.

  136. Gründung', iufruf des AUSS.

  137. Zitat aus: Notstand der SMV — Unterdrückung oder Aufstand?, in: Westermanns Pädagogische Beiträge, 1968, S. 562.

  138. Beispielsweise die Katholische Studierende Jugend (KSJ). Vgl. KSJ-Informationen zur Demokratisierung der Schule, Köln o. J.

  139. R. Kahl in einem Grundsatzreferat, zit. nach: Manfred Liebel/Franz Wellendorf, a. a. O., S. 99.

  140. Jürgen Habermas, Protestbewegung ..., a. a. O., S. 194.

  141. Ebenda, S. 201. ,

  142. Vgl. auch: Günter Amendt (Hrsg.), Kinderkreuzzug oder Beginnt die Revolution an den Schulen., Reinbek b. Hamburg 1968, S. 23.

  143. Jürgen Habermas, a. a. O., S. 196.

  144. Vgl. Klaus Hendrich, Lehrlinge und Politik, i Aus Politik und Zeitgeschichte, Nr. 41, 1970., .... „

  145. Jürgen Habermas u. a., Student und Po 1 Berlin—Neuwied 1961. o

  146. Jürgen Habermas, Protestbewegung aaO S. 153.

  147. Ebenda, S. 143.

  148. DIVO, Zur ideologischen und politischen Orientierung der westdeutschen Jugend und ihrer Füh-rihtrankfurt-Bad Godesberg 1958 (Forschungsbericht)

  149. Jürgen Habermas u. a., Student und Politik, a. a. 0., S. 63.

  150. Jürgen Habermas, Protestbewegung..., a. a. O., S. 176 f.

  151. Ebenda, S. 31.

  152. Günther Nenning, Die Jugendrevolte — Protes oder reale Utopie?, Zürich 1970.

  153. Urs Jaeggi, Vom Geist der Utopie, Abschieds. Vorlesung an der Universität Bern, in: Test. Stu dentenzeitung, Dortmund 1969, S. 48.

  154. Der Spiegel, Nr. 22/1970, S. 88.

  155. Ebenda, S. 95.

  156. Helmut’ Schelsky u. a„ Arbeiterjugend gestern und heute, Heidelberg 1955, S. 180.

  157. Vgl. Rupprecht Gerds, Erwartungen an die Gruppe, in: Deutsche Jugend, 1966, S. 464— 470.

  158. Vgl. Diether Hoeger u. a., Untersuchungen über die Bekanntheit der Institutionen öffentlicher Erziehungshilfe, in: Unsere Jugend, 1966, S. 302— 310.

  159. Vgl. Wolfgang Schröder, a. a. O., S. 121.

  160. Vgl. beispielsweise: Entwurf, Modell eines demokratischen Bildungswesens, SPD, Bad Godesberg 1969: Entwurf für ein Aktionsprogramm der Christlich Demokratischen Union Deutschlands, Bonn.

  161. Vgl. Walter Thorun, Öffentlichkeitsarbeit als Gegenstand der Ausbildung für soziale Berufe, in: Unsere Jugend, 1968, S. 448 ff.

  162. Verantwortliche Jugendarbeit heute. Bericht vom Deutschen Jugendhilfetag, Schriftenreihe der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugend-fürsorge, Bd. 10, München 1964, S. 165.

  163. Nach einer Studie des Deutschen Industrie-instituts, Köln, zit. nach: Verantwortliche Jugendarbeit ..., a. a. O„ S. 163.

  164. Jugendzeitschrift „reflexe", Köln 1965, Heft 9.

  165. Rheinischer Merkur, vom 29. 10. 1965.

  166. Deutsche Tagespost, vom 22. /23. 10. 1965.

  167. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O„ S. 84 ff. . D . ..

  168. Heinz-Georg Binder, Die jugendliche Religion ..., a. a. O., S. 220.

  169. In den genannten Zeitungen teilweise ver-2rsntistt Briefe der Verbandsführungen vom 2.11.1965

  170. Willi Erl, Manipulierter Skandal um ein JugendhauS, in: Deutsche Jugend, 1968, S. 561 ff.

  171. Detief Kantowsky, Analyse der Zielsetzung und teverwirklichung einer Landjugendgruppe in 1780 eswig-Holstein • Phil-Diss. Kiel 1962, S. 24.

  172. vgl. Waldemar Reuter auf der SPD-Bundes-Mnterenz vom 13. — 15. 11. 67 in Bad Godesberg, in: Blätter für Deutsche und Internationale Politik, 1967, S. 1230.

  173. Heinrich Stettner, Die jungen Rebellen und die Jugendverbände, in: Recht der Jugend, 1968, S. 269.

  174. Deutsche Jugend, 1968, S. 289.

  175. Heinz-Georg Binder, Behält die Reform ihre Kinder?, in: Deutsdie Jugend, 1969, S. 157 ff.

  176. Peter Pott, Pfadfinder auf Linkskurs?, in: Deutsche Jugend, 1969, S. 140. ... .

  177. Paul Hirschauer, Sind die Jugendverhmnd demokratisch?, in: Deutsche Jugend, 1966, S. 4

  178. Bero Rigauer, Überlegungen zu gesellschaftlichenStrukturproblemen der Jugendverbände, Deutsche Jugend, 1969, S. 460.

  179. Deutsche Jugend, 1969, S. 465.

  180. Vgl. Hermann Kumpfmüller, Zehn Thesen zum Selbstverständnis der deutschen Jugendverbände, in: Deutsche Jugend, 1968, S. 14.

  181. Vgl. Neuordnung des „Erziehungsweges“ der Katholischen Studierenden Jugend, KSJ-Aktuell, Experiment 70, Köln o. J.

  182. Vgl. auch Ulrich Beer, Jugendreifung und Jugendarbeit im Wandel, in: Unsere Jugend 1968, S. 338— 350.

  183. C. Wolfgang Müller u. a., Organisierte und nichtorganisierte Jugend in Berlin, in: Ludwig v. Friedeburg, Jugend . .. , a. a. O., S. 524— 530.

  184. Vgl. die Anmerkung von Wolfgang Schröder, a. a. O„ S. 143.

  185. Harry Neyer, Zwischen Protest und Establishment - ein neuer BDKJ, in: Deutsche Jugend, 1968, S. 455.

  186. Deutsche Jugend, 1969, S. 148.

  187. Harry Neyer, a. a. O., S. 456.

  188. Gerold Moser, Jugendverbände als legitime Interessenvertreter der Jugend, in: Deutsche Jus gend, 1968, S. 333.

  189. Es handelt sich um eine Tagung der Katholischen Studierenden Jugend, Diözese Münster.

  190. Diese Neuordnungsüberlegungen standen i Zusammenhang mit den Novellierungen des Bundessozialhilfegesetzes und des Jugendwohlfahrtsgesetzes. Vgl. Materialien zum Gesetz zur Ände rung und Ergänzung des Reichsjugendwohlfahrtsgesetzes vom 11. August 1961, Deutsches Jugen Institut München 1963.

  191. Annelie Keil, a. a. O., S. 177.

  192. Walter Hornstein, Aufgaben der Jugendforschung, in: Mittig, der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, Dez. 1967, S. 11.

  193. Leopold Rosenmayr, Hauptgebiete ..., a. a. O., S. 87.

  194. Ebenda, S. 71.

  195. Zu Blüchers „Generation der Unbefangenen":

  196. Walter Hornstein, Aufgaben .... a. a. O., S. 11.

  197. Student und Politik, Sommer 1967, Institut für Demoskopie Allensbach, unveröff. Bericht, 19671

  198. Vgl. Niederschrift über die Sondersitzung des Bundesjugendkuratoriums am 28. 2. 1968 im Bun desministerium für Familie und Jugend.

  199. Walter Hornstein, Aufgaben ..., a. a. O., S. 1

  200. Friedrich H. Tenbruck, a. a. O., S. 96.

  201. Kaus Mollenhauer, Jugendhilfe, Heidelberg 1968, S. 13

  202. Helge Peters, Das Verhältnis von Wertsystem und Sozialwissenschaften innerhalb der beruflichen sozialarbeit, in: Soziale Welt, 1965, S. 246— 259.

  203. Ebenda, S. 256.

  204. Walter Giere, Gruppendynamik — ein Spiel ohne Folgen, in: Gruppendynamik, 1970, S. 299.

  205. Helmut Schelsky, Ortsbestimmung der deutschen Soziologie, Düsseldorf—Köln 1959, S. 131 ff.

  206. Vgl. Joachim Matthes, Soziale Stereotype in der Theorie der Fürsorge, in: Soziale Welt, 1962, S. 146.

  207. Klaus Mollenhauer u. a., Evangelische ..., a. a. O.

  208. Gerhard Wurzbacher (Hrsg.), Gruppe, Führung, Gesellschaft. München 1961.

  209. Beispielsweise die einem Abschnitt dieser Arbeit zugrunde liegende Dissertation: Siegfried Keil, Gruppen-und Führungsprobleme der Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands im Zusammenhang einer allgemeinen Theorie des Gruppenzusammenhalts, Phil. Diss. Kiel 1961.

  210. Elisabeth Bamberger, Nochmal: Der Jugend-bericht der Bundesregierung und die Wirklichkeit der Jugendhilfe, in: Unsere Jugend, 1966, S. 11.

  211. Stellungnahme des Sozialpädagogischen Dozenten-Arbeitskreises an der Universität Marburg zum Jugendbericht: Pädagogische Rundschau, 1960, S. 1094 ff.

  212. Helmut v. Bracken, Entwicklungsgestörte Ju gendliche, München 1965, S. 104— 105.

  213. Bericht über die Lage der Jugend und die Bestrebungen auf dem Gebiet der Jugendhilfe gemäß § 25 Abs. 2 des JWG - Jugendbericht -vom 14. Juni 1965, Bundestagsdrucksache IV/3515, S. l -

  214. Horst Petri, Die randständige Jugend, in: Der CDU-Staat, Bd-I, Frankfurt 1969, S. 80— 104.

  215. Jugendbericht, S. 5.

  216. Der zweite Jugendbericht, in: Deutsche Jugend, 1968, S. 49.

  217. Georg Flor, Auftrag und Grenzen der Berichte über die Lage der Jugend, in: Mittig, der Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge, Nr. 57/58, 1969, S. 42.

  218. Jürgen Habermas, Wissenschaft und Politik, in: Offene Welt, 1964, S. 415.

  219. Walter Hornstein, Jugendhilfe und Jugend Politik ..., a. a. O.

  220. Ferdinand Ranft auf einer Tagung der Evang Akademie Tutzing 1960, zit. nach Paul Hastenteue Kirchliche Jugendarbeit heute, München 1963, S. •

  221. C. Wolfgang Müller u. a., Was ist Jugen arbeit?, München 1964, S. 43. Mo.

  222. Lutz Rössner, Offene Jugendbildung. Ein M dell, München 1967, S. 21.

  223. Helmut Schelsky, Die Skeptische Generation, a. a. O„ S. 389.

  224. Vgl, dazu: Hermann Giesecke u. a., Politische Aktion und politisches Lernen, München 1970.

  225. Beispielsweise die Jugendpolitik in der DDR.

  226. Ein besonders prägnantes Kennzeichnen ist die langjährige Diskussion um die sog. „familienunabhängige" Ausbildungsförderung, die die familien-orientierten Beihilfen ablösen soll.

Weitere Inhalte

Bruno W. Nikles, Dipl. -Soziologe, geb. 8. Oktober 1947, Studium der Soziologie, Sozialpolitik und Sozialpädagogik in Münster und Bielefeld, 1968— 1970 nebenamtl. Jugendbildungsreferent, seit Mai 1971 Wiss. Assistent an der Päd. Hochschule Ruhr, Abteilung Duisburg.