Die Untersuchungen über die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines Bundes-Immissionsschutzgesetzes sind im wesentlichen 1970 abgeschlossen worden. Sie lassen daher keine Rückschlüsse auf die Haltung der Beteiligten in der späteren Phase der Beratungen bis zur Vorlage des Entwurfs des Bundesministers des Innern Anfang 1971 zu (d. Red.).
I. Einleitung
Der Europarat hat das Jahr 1970 zum Naturschutzjahr erklärt. Die Vereinten Nationen wollen das Jahr 1972 zum „World Year of Environment" ausrufen und eine Weltkonferenz über Umweltschutz in Stockholm abhalten Am 10. Februar 1970 legte Präsident Nixon dem Kongreß ein in der Presse weitgehend beachtetes Umweltprogramm vor Die deutsche Bundesregierung schließlich hat 1970 ein Sofortprogramm erlassen, dem ein umfassendes Umweltprogramm, „das die wirtschafts-und gesellschaftspolitischen wie auch die verfassungsrechtlichen Seiten des Umweltschutzes einbezieht", bis April 1971 folgen soll Die Aktualität des Themas „Umweltschäden" und „Umweltschutz" wird schließlich auch deutlich an der relativ intensiven Diskussion dieser Probleme in den Massenmedien
Bisher wurde die Diskussion dabei vom bloßen Konstatieren der Umweltschäden beherrscht. Kulturpessimismus oder der moralische Appell, daß etwas geschehen müsse, waren die vorherrschenden Ergebnisse Der Zusammenhang jener Probleme mit dem Wirtschafts-und Sozialsystem — und damit auch die Möglichkeiten, Chancen und Grenzen von Umweltschutz — blieben in der Regel unerwähnt. Einer Einführung in diese Thematik soll der folgende Beitrag dienen. Diese begrenzte Aufgabenstellung scheint uns deshalb sinnvoll, weil eine derartige Arbeit bisher noch aussteht
So wird im folgenden schon weitgehend bekanntes Material noch einmal zusammenge-faßt. Anderes Material dagegen stammt aus empirischen Untersuchungen, die von den Verfassern 1970 in Bonn durchgeführt wurden
Zusammenhänge aufzuzeigen und zu erklären, ist die Aufgabe dieser Studie. Vieles bleibt dabei nur angedeutet. Diese Beschränkung ergibt sich aus dem Einführungscharakter der Arbeit. Zumindest wird aber versucht, Hinweise zu geben, in welche Richtung weiterzuarbeiten ist, um die Diskussion dieser Probleme auf einer anderen Ebene fortzuführen.
Der Begriff Umwelt wird weitgehend unpräzis benutzt. Das ergibt sich zum Teil aus der Unbestimmtheit dieses Terminus, wenn man von seinem Wortsinn ausgeht. Danach ist in ihm alles enthalten, „was den Menschen in seinem Verhältnis zu den technischen und sozialen Bedingungen seiner Existenz betrifft" Der Begriff steht viel mehr im Zusammenhang mit schädlichen Auswirkungen der Technik auf die natürlichen Lebensbereiche u. a.des Menschen, wie sie sich in Luftverschmutzung, Lärmbelästigung, der Belastung des Wassers und der Landschaft zeigen Umwelt in diesem Sinne bezieht sich auf die natürlichen Ressourcen der Menschen, Tiere und Pflanzen. Ein solcher Umweltbegriff ist abzugrenzen gegen den der Soziologie, die unter Umwelt die das Individuum umgebenden sozialen Systeme wie Familie, Gruppe oder Gesellschaft etc. versteht. Ebenfalls auszuscheiden ist eine Umweltbestimmung vom Raum her, nach der Umwelt „der Raum (sei), in dem sich unser Leben abspielt, vor allem also unsere Städte und Dörfer" (räumlicher Umweltbegriff).
Mit der Bestimmung von Umwelt durch den direkten Bezug auf die natürlichen Ressourcen der Menschen wird gleichzeitig die Nähe zu anderen gesellschaftspolitischen Bereichen deutlich, insbesondere zur Gesundheitspolitik, zum Arbeitsschutz und zur Raumordnung. Denn der Schutz der natürlichen Ressourcen hat neben ästhetischen Funktionen die Aufgabe, gesundheitliche Schäden vom Menschen abzuwenden. Aber indem Umweltschutz z. B. die rücksichtslose Ausbeutung der natürlichen Ressourcen verhindert und damit zukünftiges Wirtschaftsleben ermöglicht, geht er über die primär auf den Menschen bezogene Gesundheitspolitik hinaus. Desgleichen existieren Überschneidungen zum Arbeitsschutz. Dieser ist räumlich auf die Produktionsstätte und personell auf den Arbeitenden bezogen. Die Verhinderung von Unfällen ist sein Hauptanliegen. Die Raumordnung selbst ist eigentlich nur ein Mittel für die Durchsetzung raumwirksamer Ziele. Diese können vom Umweltschutz gesetzt sein, indem z. B. getrennte Wohnund Industriebereiche festgelegt werden. Aber auch wirtschaftspolitische und andere Ziele können mittels der Raumordnung erreicht werden. Bei Überschneidungen und Ergänzungen mit anderen Politikbereichen ist das Spezifische an der Umweltschutzpolitik der Schutz der natürlichen Ressourcen. Der jetzige Zustand der Ressourcen ist dabei zwangsläufig der Ausgangspunkt. Ziel ist nicht unbedingt die Herstellung des Zustandes aus vorindustrieller Zeit, wohl aber, die Belastung der Natur zu kontrollieren, sie insoweit einzudämmen, als der natürliche Haushalt nicht schwerwiegend gestört oder gar gefährdet bzw. vernichtet werden darf. Den Maßstab für noch zulässige Belastungen des Menschen durch Umweltschäden bilden nicht allein eindeutig nachweisbare toxische Wirkungen, sondern auch das subjektive Wohlbefinden des einzelnen
II. Die Umweltschäden in der Bundesrepublik Deutschland
1. Luftverunreinigung Nadi Schätzungen geraten in der Bundesrepublik jährlich etwa 7 Mio. t Kohlenmonoxid, 5 Mio. t Schwefeloxide, 3. Mio. t Kohlenwasserstoffe, 2, 5 Mio. t Stickoxide und 2, 5 Mio. t Stäube aller Art über der BRD in die Atmosphäre Die Folgen sind Gesundheitsgefahren für die Menschen, Schädigungen der Pflanzen, Krankheiten bei Tieren und erhebliche Schäden an Sachgütern Die hauptsächlichen Quellen der Luftverunreinigung sind industrielle und gewerbliche Anlagen, Kraftfahrzeuge und häusliche Feuerungen Die großen Feuerungsanlagen der Industrie mit ihrem Auswurf an Asche und Schwefeldioxid, die Zementfabriken, die kalkhaltigen Staub in die Atmosphäre abgeben, und die chemische Industrie, die Stäube und Gase in die Luft entläßt, sind neben Stahlwerken, Kokereien, Müllverbrennungsanlagen die größten Luftverschmutzer aus dem industriellen Bereich. Die Verunreinigungen wirken meist über weite Flächen, weil sie in der Regel in die höhere Atmosphäre entlassen werden. In die nähere Umgebung der Quelle schlagen sich dagegen die Emissionen, verursacht durch Kraftfahrzeuge und Hausbrand, nieder.
Ende 1969 waren in der BRD 10 Mio. Kraftfahrzeuge zugelassen; nach Schätzungen werden es 1980 20 Mio.sein Von den im Stadtverkehr durch die Motoren abgegebenen Gasen sind Mio.sein 17). Von den im Stadtverkehr durch die Motoren abgegebenen Gasen sind 1— 10% Kohlenmonoxid und 0, 01— 1% Kohlenwasserstoffe; 0, 005— 0, 3% Stickoxide und 5— 30 Milligramm Bleiverbindungen schließlich werden je Kubikmeter Auspuffgas ausgeworfen 18). Die große Zahl der Hausfeuerungsanlagen schließlich wirft neben Ruß bedeutende Mengen an Schwefeloxid aus. „Die Fälle sind relativ selten, wo nur ein luftverunreinigender Stoff für die nachteiligen Wirkungen auf Mensch, Tier, Pflanze sowie andere Sachgüter verantwortlich ist. In der Regel ist eine Vielzahl von luftverunreinigenden Stoffen zu beachten, deren Schädlichkeit sich addieren oder sogar potenzieren kann.“ 19) Deshalb sind besonders die dicht industrialisierten Gebiete und die Ballungsräume von Emissionen betroffen. Als ein besonders eindringliches Beispiel für das Zusammenwirken verschiedener Emissionsträger ist der Smog zu nennen, wie er in Industrie-und Stadtgebieten entsteht. Kraftfahrzeugabgase, Rauch-, Staub-und Rußauswurf der Feuerungsanlagen und der Industrie können bei spezifischer Wetterlage zu einer Katastrophe im entsprechenden Gebiet führen. In London wurde gemessen, daß bei Smog der Schwefeldioxidgehalt auf das sechsfache und der Rußanteil auf das 14fache der gewohnten Menge anstiegen. In einer Woche starben 1952 in London ca. 4000 Personen an diesen Belastungen 20). 2.
Lärmbelästigung Vom Lärm fühlt sich zumindest jeder zweite Bewohner in der BRD belästigt. 41 °/o der Erwachsenen sind tagsüber durch Lärm gestört, 25 % während der Nacht, 17 °/o sowohl tagsüber als auch während der Nacht Hier ist es der Straßen-und Fluglärm, der die größten Beeinträchtigungen verursacht — und dies wiederum in potenzierter Form in den Ballungszentren. Zwar liegen genaue Untersuchungen über Lärmsc % während der Nacht, 17 °/o sowohl tagsüber als auch während der Nacht 21). Hier ist es der Straßen-und Fluglärm, der die größten Beeinträchtigungen verursacht — und dies wiederum in potenzierter Form in den Ballungszentren. Zwar liegen genaue Untersuchungen über Lärmschäden noch nicht in ausreichendem Maße vor, dennoch läßt sich jetzt schon sagen, daß Störung des vegetativen Nervensystems eine der ernsten Folgen der Lärmeinwirkungen ist 22). 3.
Wasserverschmutzung Nach der Abwasserstatistik der BRD von 1963 betrug die Menge der eingeleiteten Abwässer in diesem Jahr ca. 14 Mrd. cbm 23). Pro Tag wurden 1963 über die Kanalisation der Gemeinden und Verbände 3, 5 Mio. cbm (= °/o) noch ungereinigt, 5, 3 Mio. cbm (= 40 °/o) mechanisch — und damit nicht ausreichend — gereinigt, 1, 5 Mio. cbm (= 11 %) teilbiologisch und 3, 1 Mio. cbm (= 23%) vollbiologisch gereinigt, insgesamt als 13, 4 Mio. cbm Abwässer in die Gewässer eingeleitet.
Hinzu kommen direkte Einleitungen durch Industriebetriebe, die folgende Mengen ausmachen: 1, 4 Mio. cbm/Tag (= 6, 8 %) ungereinigt, 3, 9 Mio. cbm/Tag (= 19, 7 %) ungenügend vor-behandelt und 14, 5 Mio. cbm/Tag (= 73, 5 %) Kühlwasser gemischt mit Abwasser, insgesamt 19, 8 Mio. cbm/Tag.
Auf Einwohner berechnet wurden 1963 die Abwässer von 17, 4 Mio. Einwohnern (= 30, 2 °/o) wurden mechanisch , also unvollkommen in Kläranlagen behandelt, und die Abwässer von 15,7 Mio. Einwohnern(= 23, 2%)teilbiologischbis vollbiologisch in Kläranlagen gereinigt.
Seither hat die Belastung der Gewässer trotz steigender Investitionen eher noch zugenom men. Mit ansteigenden Einwohnerzahlen nahm auch die Menge der Abwasser zu, die ungereinigt in die Gewässer fließen 24). Eben so sind die Abwassermengen der Industrie mit der Erhöhung der Produktion angestiegen Rund 73 % der gesamten Abwassermenge werden von der Industrie abgeleitet 25). Durch diese Belastung ist vor allem die Trinkwasserversorgung, aber auch die Versorgung vonhochwertigem Brauchwasser für Landwirt schäft und Industrie bedroht, wobei die Gefährdung von Grund- und Oberflächenwasser durch ausgespülte Dünge und Unkrautvernichtungsmittel und reststoffe aus unsachgemäßer Müllablagerung hinzukommt 26). Die Verschmutzung des Meeres, die durch die Einleitung von Abwässern und Feststoffen dei verschiedensten Art entsteht, wird erst sei kürzester Zeit diskutiert 4.
Abfallprobleme „Die Gesamtmenge der zur Zeit in der BRI anfallenden Abfallstoffe (ohne Abwasser wird . . . auf mehr als 200 Mio. cbm pre Jahr geschätzt." 250 kg Müll fallen pro Ein wohner und Jahr an Ca. 718 000 Auto wracks, 400 000 t Rückstände an Mineralölen, Treibstoffen und Schmierprodukten wurden 1966 verzeichnet Von 1954 bis 1962 haben an Verpackungsstoffen Hohlglas um 120 °/o, Blechpackungen um 84 0/0 und Kunststoffverpackungen um 3 780 0/0 zugenommen Bisher erfolgte die Beseitigung dieser Restbestände in der Regel durch ungeordnete und unkontrollierte Ablagerung. Hieraus ergaben sich nicht nur das Problem der Verschandelung der Landschaft, sondern — weit wichtiger — hygienische Gefahren. Besonders das Grund-und Oberflächenwasser ist durch Giftstoffe, organische und anorganische Substanzen aus derartigen Müllplätzen gefährdet 5. Die Belastung von Vegetation und Landschaft Unter Belastung der Vegetation und Landschaft sind im einzelnen die Belastungen des Bodens, der Pflanzen-und Tierwelt zu verstehen. Neben den schon erwähnten Schädigungen durch Abfall, Luft-und Wasserverschmutzungen treten Gefährdungen durch Pestizide und bauliche Maßnahmen hinzu Die übermäßige Verwendung chemischer Stoffe in der Land-und Forstwirtschaft gefährdet den Boden sowie die Pflanzen-und Tierwelt Unkontrollierte Bebauung und eine weitläufige Zersiedlung zerstören das Landschaftsbild. Die negativen Auswirkungen, z. B. auf die Erholungsgebiete, sind evident. 6. Umweltschäden als „social costs“
Ein großer Teil der Umweltschäden sind „social costs" insofern, als sie Belastungen Dritter darstellen und „in der Wirtschaftsrechnung der sie verursachenden Wirtschaftssubjekte keine Berücksichtigung finden" Nicht vom Verursacher werden also die Kosten der Schädigung getragen, sondern vom individuellen Dritten bzw. von der Allgemeinheit.
Als ein Beispiel für die Abwälzung von Produktionskosten auf die Allgemeinheit kann etwa die Rationalisierungsmaßnahme der Brauereien dienen, die sich auf Einwegflaschen umstellen, um das relativ teuere Säuberungsverfahren der bis dahin üblichen Flaschen zu sparen. Allein in Hamburg entstand dadurch ein zusätzlicher Müllabfall von 300 Mio. Einwegflaschen im Jahr, die einen zusätzlichen Bedarf von 58 000 Müllgefäßen zu je 110 1, 23 Müllwagen und 140 neu anzustellenden Arbeitskräften in der Müllabfuhr entstehen ließen
Nicht immer sind die Schäden in Geldwert zu berechnen. Belästigungen, auch Gesundheitsschäden, sind zumeist immaterieller Art, können aber sehr wohl mit einem fiktiven Preis berechnet werden. Andere Schäden sind entsprechend dem eingesetzten Kapital in monetären Größen faßbar. Weit schwieriger als die Berechnung von Schäden ist das Durchsetzen von Schadensersatzansprüchen gegenüber dem Verursacher. So wird bisher nur ein Bruchteil der Schäden beseitigt oder monetär aufgewogen. Die Folgen sind daher nicht nur finanzielle Einbußen, die einen hohen Stellenwert innerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamt-rechnung einnehmen — so wird allein der jährliche Schaden durch Luftverschmutzung in den Industriestaaten auf etwa 50 DM pro Einwohner geschätzt —, sondern auch das erzwungene Ertragen von Schädigungen jeder Art. 7. Das Verursacherprinzip Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß der Verursacher von Umweltschäden für die Beseitigung bzw. entsprechende Entschädigung herangezogen wird Daran erinnerte Bundeskanzler Brandt in der Erklärung zur Reformpolitik der Regierung vom 24. März 1971: Im zu erwartenden Umweltschutzprogramm sei auch über die Anwendung des Verursacher-prinzips und der Lastenverteilung auf die verschiedenen Träger zu entscheiden. „Diejenigen, die für Umweltschädigungen verantwortlich sind, werden jedenfalls einen Teil der Last zu tragen haben." Gleichzeitig wird aber deutlich gemacht, daß ein Teil der Kosten von anderen Trägern übernommen werden muß. Eine vollständige Abwälzung der Kosten auf die Verursacher hätte weitreichende Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit der entsprechenden Wirtschaftsunternehmen. Ebenso wie durch die Finanzierung der Infrastruktur wird also auch hier die Aufrechterhaltung der privaten Kapitalverwertung durch staatliche Maßnahmen garantiert in diesem Falle durch die nur bedingte Anwendung des Verursacherprinzips. In ähnlicher Weise argumentiert die Industrie, wenn sie die konstruktive Zusammenarbeit zwischen Staat und Wirtschaft beschwört und etwaiges „schuldhaftes Verhalten der Industrie" unter Hinweis auf die schwierigen „technisch-wirtschaftlichen Be-dingungen und . . . Aspekte des internationa len Wettbewerbs" zurückweist
Neben Auseinandersetzungen über die Höhe der wirtschaftlich zumutbaren Belastung der Verursacher bestehen Kontroversen dar über, wer im Einzelfall Verursacher ist. Be sonders auf dem Sektor der Konsumgüter fäll in steigendem Maße Verpackungsmaterial an Ebenso wächst die Menge von nicht mehr ver wendungsfähigen Gütern. Als Beispiele kön nen Altkraftfahrzeuge oder Einwegflascher dienen. Die Beseitigung dieser Gegenstände bereitet wachsende Schwierigkeiten und bewirkt Kosten auf seiten der Konsumenten oder der Allgemeinheit. Inwieweit der Produzent dieser Güter oder der Konsument der eigentliche Verursacher jener anfallenden Kosten ist ist umstritten Die Wirtschaft jedenfalls argumentiert in diesem Fall der Verantwortlichkeit des Käufers. Dahinter steht ein Verantwortlichkeitsbegriff, der sich auf die rechtlichen Folgen eines Kaufvertrages bezieht. Nicht aufgenommen ist dagegen, daß durch ständiges Appellieren an das Konsumverhalten schon weitgehende Zwänge aufgerichtet sind, die einem verantwortlichen Verhalten im Sinne von rationalem Abwägen aller Vor- und Nachteile des Produkts, also auch der möglichen Umweltschädlichkeit, entgegenstehen Zudem besteht in vielen Fällen keine Alternative im Kaufangebot zwischen „umweltfreundlichen" und anderen Produkten.
Aufgrund einer solchen Marktlage, aber auch weil dem einzelnen Verbraucher der individuelle Anteil an der Umweltverschmutzung nicht nachgewiesen werden konnte, wurde auf dem Gebiet der Waschmittel das sogenannte Detergentiengesetz vom 5. September 1961 erlassen. Es verbietet die Herstellung von „har-ten" Detergentien, die nicht im Wasser abgebaut werden Die vorher gebräuchlichen Waschmittel hinterließen auf den Gewässern Berge von Seifenschaum. Die individuelle, rechtliche Verantwortlichmachung des Verbrauchers war nicht möglich der Markt bot zu dieser Zeit keine anderen Produkte an. In diesem Falle wurde also das Verursacher-prinzip gegenüber dem Produzenten durchgesetzt, indem ihm Auflagen zum Marktangebot erteilt wurden Das sogenannte Altölgesetz geht einen anderen Weg. Beim Kauf von ölen und Schmierstoffen wird ein bestimmter Preisaufschlag erhoben. Diese Gelder werden an eine Ausgleichskasse abgeführt, aus der die unentgeltliche Abnahme und Vernichtung von nicht mehr gebrauchsfähigem Altöl finanziert wird. Das Gesetz steht hier als ein mögliches Beispiel für die Finanzierung von Beseitigungsmaßnahmen
III. Umweltschutz als politische Aufgabe in der BRD
Spätestens seit Mitte der fünfziger Jahre nach dem Abschluß einer ersten Phase des Wiederaufbaus der Wirtschaft begann in der Bundesrepublik eine Diskussion über die Notwendigkeit von Umweltschutzmaßnahmen. Einzelne Wissenschaftler und Politiker wiesen auf die Gefahren hin, die durch die wachsende Luft-verschmutzung und Lärmbelästigung entstehen. Erste Anfragen zum Umweltschutz wurden im nordrhein-westfälischen Landtag und im Bundestag gestellt. 1961 führte die SPD ihren Wahlkampf unter der Parole „Blauer Himmel über der Ruhr" Auch die Regierungspartei nahm dieses Thema auf. In seiner Regierungserklärung betonte der damalige Bundeskanzler Erhard seine Bereitschaft, Fragen des Umweltschutzes stärker in den Vordergrund der Regierungstätigkeit zu rücken.
Dennoch wird man feststellen müssen, daß das Interesse an Umweltfragen in den Parteien und speziell in den Fraktionen in jenen Jahren nur recht allgemeiner Art war. Nach der Selbsteinschätzung von Mitgliedern des Bundestages arbeiteten speziell an Umweltfragen nur rund ein Dutzend Abgeordnete in allen Fraktionen, im wesentlichen die „Hinterbänkler". Auch die Arbeit der Parteiorganisationen entsprach nicht dem bei Diskussionen und insbesondere im Wahlkampf vorgetragenen verbalen Interesse.
Erst als sich Ende der sechziger Jahre ein steigendes Interesse in der Öffentlichkeit bemerkbar machte und Bundesinnenminister Genscher nach der Regierungsbildung 1969 sein politisches Interesse an den Fragen des Umweltschutzes zum Ausdruck brachte kam es auch in den Parteien zu einer Aktivierung, wobei diese sich jedoch zum großen Teil unvorbereitet und ohne eigene Vorstellungen in die Diskussion einschalteten In der Vergangenheit waren es daher vor allem einzelne Bundesländer, die Interparlamentarische Arbeitsgemeinschaft (IPA), der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) und der Deutsche Arbeitsring Lärmbekämpfung (DAL), die das organisierte Interessenfeld bestimmten. Das sich daneben erst in jüngster Zeit entwickelnde Interesse der Bevölkerung, ließ sich selbst kaum aggregieren oder artikulieren und verlor sich in Einzelaktionen, wie die verschiedenen Bürgerinitiativen gegen den Flug-lärm gezeigt haben.
Unter diesem Aspekt wird es daher besonders interessant, zu analysieren, in welche Richtung, unter welchen Einflüssen und in welcher Form in der Bundesrepublik bislang Bemühungen zur Regelung des Umweltschutzes unternommen wurden. Eine derartige Analyse wird nicht nur die Voraussetzungen aktueller Umweltkonzeptionen verdeutlichen, sondern auch eine Aussage über die Bedeutung vernachlässigter Gesellschaftsbereiche im System der Bundesrepublik ermöglichen. Eine der wichtigsten Maßnahmen zur Regelung der Umwelt-probleme liegt zweifelsohne im Gesetzgebungsbereich. Hinzu kommen Finanzierungs-und Forschungstätigkeiten als „flankierende" Maßnahmen.
Ein großer und gewichtiger Teil von Umwelt-schäden ergibt sich, wie oben bereits dargestellt, durch die Luftverunreinigungen und Lärmeinwirkungen. In der Vergangenheit wurden in diesem Bereich verschiedene Versuche unternommen, die Gesetzgebung (Immissionsschutzgesetzgebung) der Entwicklung anzupassen. Eine Analyse dieser Bemühungen kann die grundsätzlichen Schwierigkeiten des Um-* weltschutzes im System der Bundesrepublik aufzeigen. 1. Bisherige Initiativen in der Gesetzgebung des Immissionsschutzes Nach anfänglichen Initiativen von einzelner Abgeordneten in den Länderparlamenten Mitte der fünfziger Jahre wurde schließlich auf Bundesebene im Rahmen der IPA der Versuch gemacht, zu einer umfassenden Regelung des Immissionsschutzes (ImSch) in der BRD zu kommen. Die IPA bot sich hierfür an, weil aufgrund ihrer Zusammensetzung aus Bundes und Ländervertretern die Koordinierung gewährleistet schien und zum anderen durch die interfraktionelle Zusammenarbeit primär die Sachprobleme im Vordergrund zu stehen schienen. 1954 unterbreitete die IPA ihren Mitgliedern den Entwurf eines Gesetzes zur Reinhaltung der Luft in Industriegebieten zur Stellungnahme Die eigentlichen Beratungen hierzu wurden im Mai 1955 aufgenommen und konzentrierten sich in einem besonders konstituierten interfraktionellen Arbeitskreis Damit begann auch die interne Anhörung von Sachverständigen.
Der BDI sprach sich schon damals gegen eine spezial-gesetzliche Regelung aus und befürwortete lediglich Ergänzungen in der Gewerbeordnung (GewO). Von der Ministerial bürokratje wurden besonders im Hinblick auf die Gewerbeaufsicht gesetzliche Maßnahmen abgelehnt, solange die notwendigen technischen Daten nicht vorhanden seien, die allein Voraussetzung für eine objektive Beurteilung der Abhilfemaßnahmen bilden könnten. Das Fehlen einer ausreichenden Forschung hinsichtlich der Verfahren der Immissionsbekämpfung und zur Ermittlung technischer Im missionsgrenzwerte sollte sich fortan als stärkstes Hindernis einer effektiven Lösung erweisen. Der Vorschlag eines Spezialgesetzes zur Luftreinhaltung wurde dann im Laufe der Beratungen von der IPA vor allem aufgrund des Widerstandes des BDI fallengelassen Die Entwicklung in den Jahren von 1955 bis 1958 verdichtete sich schließlich in dem von der IPA konzipierten „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der GewO und Ergänzung des BGB" Die Initiativvorlage der IPA zur Änderung der GewO galt als erster Schritt auf dem Wege zur Regelung des Immissionsschutzes. Sie stellte lediglich ein Kompromißlösung dar, denn der ursprüngliche Versuch, ein umfassendes Gesetz gegen die Luftverunreinigung einzubringen, hätte nicht die erforderliche Mehrheit im Bundestag erhalten Andererseits wurde bei den damaligen parlamentarischen Beratungen die Notwendigkeit gesundheitspolitischer Maßnahmen klar herausgestellt. Ebenfalls wurden die grundsätzlichen Schwierigkeiten für einen effektiven Immissionsschutz aufgezeigt: so die mangelnde Forschung, die fehlende Koordination, eine unzureichende Überwachung durch die Gewerbe-aufsicht, fehlende Finanzierungsmöglichkeiten und die Industriebindung der VDI-Kommis-sionen
Der Entwurf stellte insofern einen Fortschritt dar, als er die bislang völlig unzureichenden Maßnahmen der Industrie und der Wirtschaft durch gesetzliche Maßnahmen ergänzte.
Der Unvollständigkeit des Entwurfs war man sich hingegen schon damals bewußt, da viele Forderungen unberücksichtigt blieben In den folgenden Jahren kam es dann noch zweimal zu Versuchen, die dringend notwendige Ergänzung der GewO zu erreichen. So wurde im Juni 1960 von der IPA ein Gesetzentwurf über die Entschwefelung flüssiger und gasförmiger Brennstoffe vorgelegt Mit diesem Entwurf war die Verhinderung der besonders gefährlichen SO 2-Emissionen beabsichtigt Die Auseinandersetzung um diesen Entwurf wurde in erster Linie über die technischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten von Entschwefelungsverfahren und über die Konkurrenz von Kohle und Öl geführt
Der Disput verlagerte sich in den Gesundheitsund in den Wirtschaftsausschuß des Bundestages, wo der letztere in weitgehender Übereinstimmung mit den Argumenten des Deutschen Industrie-und Handelstages (DIHT) auf die ungenügende Kenntnis der wirtschaftlichen Auswirkungen und der anfallenden Kosten verwies. Hingegen hielt der Gesundheitsausschuß eine Entschwefelung von Brennstoffen in Anbetracht der unbedingt notwendigen gesundheitspolitischen Maßnahmen wirtschaftlich für tragbar
Im Juni 1961 stellte der Wirtschaftsausschuß, indem er sich den Argumenten der Industrie anschloß, die Vorlage zurück; die Auseinandersetzung endete mit Empfehlungen an die Bundesregierung 1965 wurde abermals von der IPA der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der GewO vorgelegt. Ziel der Änderung war eine Verschärfung der Untersuchungsmöglichkeiten von Anlagen, von denen Gefahren, Nachteile und Belästigungen, die nicht abgestellt werden können, ausgehen Eine Entschädigung war festgelegt: „Der Schutz der Allgemeinheit und die Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung muß in diesem Falle grundsätzlich Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen haben." Der BDI, der DIHT 67a) und der Wirtschaftsausschuß hielten eine derartige Änderung für unnötig, da die bisherigen Regelungen ausreichen würden. Die Beratungen über diese Änderungen, die sich später durch Intervention des Bundesgesundheitsministeriums (BMGes) auf den § 25 der GewO verlagerten, wurden nicht abgeschlossen und führten lediglich zu einem Entschließungsantrag des Gesundheitsausschusses, in dem die Bundesregierung aufgefordert wurde, eine umfassende gesetzliche Regelung des Immissionsschutzes vorzubereiten So konzentrierte sich die Aktivität in bezug auf eine Regelung bis in die sechziger Jahre hinein auf Bundesebene vor allem auf die interessierten parlamentarischen Kreise, also auf einzelne Abgeordnete und vor allem auf die IPA.
Im Regierungsbereich selbst begann man sich erst mit der Gründung des Bundesministeriums für Gesundheit, Jugend und Familie (BMGes) 1961 allmählich mit den Problemen des Umweltschutzes intensiver zu beschäftigen. Die Bemühungen im Regierungsbereich konzentrierten sich denn auch immer stärker auf eine umfassende Gesetzgebung des Immissionsschutzes, die zur Zeit in Form eines Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) vor ihrem Abschluß stehen.2. Regierungspolitik und Umweltschutz Der zur Zeit von der Regierung unternommene Versuch, eine umfassende Konzeption zum Umweltschutz mit dem Ziel konkreter Gesetzesinitiativen zu erstellen, hat nicht nur die interessenbedingte Einschränkung zu hoher Erwartungen deutlich gemacht, sondern weist auch auf die regietungsinternen Schwierigkeiten dieses Abstimmungsprozesses hin Die bisherigen Bemühungen von Regierung und Verwaltung auf den Gebieten von Luft und Lärm hatten bereits ähnliche Schwierigkeiten hervortreten lassen. Eine eingehende Analyse der Auseinandersetzung im Regierungsbereich um eine Lösung des Immissionsschut-zes scheint daher angebracht. Die Tatsache, daß die Aufgabengebiete Luft und Lärm im neuerrichteten BMGes ressortierten, hatte zur Folge, daß die Behandlung dieser Probleme teilweise unter dem Profilierungszwang des BMGes gegenüber den anderen Ressorts litt. Die Rezeption der Umweltfragen im BMGes war anfänglich stark durch die Eigeninitiative einzelner Referenten geprägt da die politische Dringlichkeit der Materie nicht gegeben war Auch die Unterstützung für eine bun-
deseinheitliche Regelung des Immissionsschut-zes in anderen Ministerien, bei den Verbänden und in den Ländern war kaum vorhanden Das BMGes selbst konnte seinerseits auch kaum eine derartige Bundesregelung plausibel vertreten, da ein Bundes-Immissionsschutzge setz zwar die bereits bestehenden Länder-Im-missionsschutzgesetze zerschlagen, aber selbst wegen des Fehlens entsprechender Durchführungsverordnungen kaum einen Fortschritt gebracht hätte In den Jahren bis 1968 entstanden so insgesamt vier verschiedene Rohentwürfe des zuständigen Referenten, denen im August 1968 ein weiterer folgte und als vorläufiger Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Reinhaltung der Luft und zum Schutz von Lärm" die eigentliche Diskussionsgrundlage für die dann einsetzenden intensiven Verhandlungen bildete. Dieser „Diskussionsentwurf", ein intern im BMGes entwickeltes Papier, kann als erste im Regierungsbereich entwickelte Konzeption zur Regelung des Immissionsschutzproblems angesehen werden. Dieser Entwurf bildete — wenn auch mit einigen den Verfassern noch nicht bekannten Modifizierungen — bei den im Jahre 1970 neu und verstärkt einsetzenden Abstimmungsprozessen die Verhandlungsgrundlage. Inhaltlich umfaßte der Entwurf drei Kernbereiche: 1. Die Übernahme des Bundesrechts, das bisher auf das Genehmigungsverfahren nach § 16 der GewO beschränkt war, also eine Regelung in einem besonderen Gesetz außerhalb der GewO. 2. Weiterentwicklung des Bundesrechts auch auf Anlagen der kleinen und mittleren Gewerbebetriebe, die der Genehmigungspflicht nicht unterworfen sind. 3. Vorschriften über das Inverkehrbringen von Anlagen und Brennstoffen, die sich in erster Linie an den Hersteller richten. Diese können sich mittelbar auch auf den nichtgewerblichen Bereich, z. B. bei häuslichen Feuerungen, auswirken.
Der Entwurf beschränkte sich auf eine weitgehende Ausschöpfung der dem Bund gegebenen Zuständigkeit. Die wesentliche Ergänzung lag bei diesem Entwurf allein in den Vorschriften über das Inverkehrbringen, da alle anderen Bestimmungen bereits von der GewO oder den Ländergesetzen erfaßt wurden. Bemerkenswert ist noch, daß der Entwurf eine inhalt-liehe Regelung dessen brachte, was in zwei aus der Mitte des Parlaments eingebrachten Entwürfen von 1960 und 1965 gefordert worden war, aber zu der damaligen Zeit, nicht zuletzt an der ablehnenden Haltung der Ministerialbürokratie, scheiterte
Der anhand dieses Entwurfes eingeleitete Willensbildungsprozeß — sowohl innerhalb des politischen Systems (Regierung/Länder) als auch mit dem vor allem in Frage kommenden ökonomischen Subsystem —-ließ die system-bedingten Schwierigkeiten einer Regelung deutlich hervortreten. Im folgenden sollen nun die Auseinandersetzungen um die Regelung des Immissionsschutzes nacheinander im Regierungsbereich, mit den Ländern und mit den Verbänden, wie sie bis Anfang 1970 verlaufen sind, dargestellt werden. 3. Die Auseinandersetzung im Regierungsbereich Die Initiativen auf dem Gebiete des Immissionsschutzes und auch die Vorarbeiten für ein BImSchG sind im BMGes ohne Absprache und Kontakt mit den anderen Ressorts ergriffen worden. Die starke Eigeninitiative in den einzelnen Referaten des BMGes bedingte so bei Ausbleiben einer frühzeitigen Koordinierung im Regierungsapparat für den weiteren Ablauf einen zeitraubenden und reibungsvollen Abstimmungsprozeß zwischen den Ressorts. Der mangelnde Informationsfluß und das Fehlen eines Koordinierungssystems sind aber nur zusätzliche Hemmnisse einer durch politische und wirtschaftliche Interessen hervorgerufenen Restriktion gegenüber einer Lösung des Immissionsschutzproblems im Regierungsbereich. Das eigentliche Interesse und die Einschaltung der politischen Spitze des BMGes setzte erst 1966 ein, indem sie die Vorarbeiten der zuständigen Referate billigte und sich für eine Verabschiedung eines BImSchG in der V. Wahlperiode entschied. Auch nach dem Ministerwechsel in der Großen Koalition blieb die Direktive der Verabschiedung in der laufenden Legislaturperiode erhalten. Zugleich verstärkte sich das Interesse der politischen Spitze für den Entwurf, der schließlich zum Prüfstein für die Durchschlagskraft gesundheitspolitischer Forderungen gegenüber anderen Interessen und zum Einordnungskriterium des BMGes innerhalb der Regierung wurde.
Die notwendigen Abstimmungen mit den Ressorts konzentrierten sich vor allem auf das Bundeswirtschaftsministerium (BMWi), da hier die GewO ressortiert und durch den Entwurf einer der wesentlichsten Teile der GewO her-ausgebrochen worden wäre. Die Auseinandersetzung mit dem BMWi spitzte sich daher zu auf die Frage: Novelle zur GewO oder Spezialgesetz im Sinne des Entwurfes. Diese Zuspitzung charakterisierte gleichzeitig die anfangs rein ressort-politisch motivierten Vorbehalte des BMWi gegenüber dem Entwurf, die anschließend noch durch wirtschaftspolitische Einwände erweitert wurden. Der ständige Aufschub einer inhaltlichen und abschließenden Stellungnahme zum Entwurf wurde dann auch mit wirtschaftspolitischen Problemen begründet, die durch den Entwurf entstanden. Ohne eine Stellungnahme der Wirtschaft, die gravierende finanzielle Folgelasten und negative Entschlüsse der Industrie hinsichtlich neuer Investitionen befürchtete sowie Einflüsse auf die Wettbewerbssituation gegenüber Handelspartnerländern sah, wollte das BMWi selbst nicht entscheiden. Damit machte sich das BMWi zum Sprecher der wirtschaftlichen Vorbehalte Dahinter stand die Absicht, eine nach vorwiegend gesundheitspolitischen Gesichtspunkten konzipierte Lösung des Immissionsschutzproblems zu verhindern. Die bilateralen inoffiziellen Gespräche, die außer mit dem BMWi mit der Arbeitsministerium, dem Justizministerium, dem BDI und dem Ar-beits-und Sozialministerium von Nordrhein-Westfalen geführt wurden und zu dem „Diskussionsentwurf" vom 22. August 1968 führten, entwickelten sich zu einer „Politik der Fristen" im Hinblick auf die auslaufende Legislaturperiode, ohne daß ernsthaft der Versuch gemacht wurde, unabhängig von politisch-strategischen Überlegungen das objektiv bestehende Bedürfnis nach einer Regelung des Immissionsschutzes zu diskutieren. Andererseits wurde ständig vom BMWi der Einwand wiederholt, daß der erwachsende Mehraufwand für die Industrie beträchtlich sein werde, wobei die Vielzahl der Ermächti-gungsvorschriften, über deren konkrete Ausgestaltung noch keine Vorstellungen bestehen, eine besonders große Unsicherheit über die tatsächlich zu erwartenden Belastungen und deren Auswirkung auf das Preisniveau mit sich bringt. Hinter diesen Äußerungen stand das konkrete Interesse an der Beibehaltung der Vorschriften der GewO bzw.deren Novellierung Im Februar 1969 kam es zu einer entscheidenden Abteilungsleiterbesprechung des BMGes und BMWi, bei der das BMWi auf eine intensive Beratung mit hinreichender Zeit bestand und abermals Bedenken gegen ein selbständiges Gesetz vorbrachte. Damit war klar, daß weder ein Kabinettsbeschluß noch eine Ressorteinigung in der laufenden Legislaturperiode möglich waren und der Entwurf vorläufig als erledigt betrachtet werden mußte. Das BMGes beschränkte sich daher darauf, mit dem BMWi bilateral weiterzuverhandeln, aber vorher den Entwurf mit Hilfe der praxisnahen Länder zu erörtern. Die Abstim-
mungsprozesse mit den anderen Ressorts ergaben keine vergleichbaren Schwierigkeiten wie mit dem BMWi Auch das Kabinett selbst hat in diesem Zeitraum auf dem hier behandelten Gebiet nie eine entscheidende Rolle gespielt. 4. Die Auseinandersetzung mit den Ländern Eine der wesentlichen Begründungen des BMGes für eine umfassende Regelung des Im-missionsschutzes in einem Spezialgesetz lag in dem Hinweis auf das Erfordernis der Bundeseinheitlichkeit. Von Anfang an wollte man daher unter keinen Umständen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit des Bundes den Ländern den Immissionsschutz überlassen. Die Länder-Immissionsschutzgesetze sind gerade in der Zeit erlassen worden, als man auf Bundesebene an der technischen Anleitung zur Luftreinhaltung arbeitete und nach einer Bundeskonzeption für die Lärmbekämpfung gesucht hatte. Der Erlaß der Ländergesetze vollzog sich unter der Initiative Nordrhein-Westfalens aus der politischen Einsicht, daß unbeschadet aller Vollzugsorgane der § 16 der GewO nicht ausreicht.
Obwohl die Länder verhältnismäßig früh von den Arbeiten an einem BImSchG erfahren hatten, sollte der eigentliche intensive Meinungsaustausch erst im Frühjahr 1969 beginnen. Das lag zum einen daran, daß das Interesse der Länder an einem solchen Gesetz relativ gering war, zum anderen war das BMGes durch die Abstimmungsprozesse mit dem BMWi und den Verbänden zu stark in Anspruch genommen. So sollte dann zu dem Zeitpunkt, als die Verhandlungen im Regierungsbereich ergebnislos verliefen, die Intensivierung des Kontaktes mit den Ländern einsetzen, nicht zuletzt um durch die Fachkontrolle der Länder die Verhandlungsposition des BMGes zu stärken. Zum erstenmal erhielten die Länder auf der 7 Sitzung des Länderausschusses für Immissionsschutz im April 1967 durch einen Vertreter des BMGes Kenntnis von den Vorarbeiten zu einem BImSchG. Die grundsätzlichen Einwände der Länder gegen ein BImSchG lassen sich folgendermaßen zusammenfassen: 1 Es fehle eine umfassende Erfahrung in der Durchführung des geltenden Rechtszustandes im Bundesrecht. 2. Es fehle eine Konzeption der im Gesetz beabsichtigten Durchführungsbestimmungen. 3. Von der Rechtsgrundlage her bestehe kein Notstand. Die Problematik liege nicht so sehr im Gesetzgeberischen als vielmehr in technischen und wirtschaftlichen Fragen. 4. Eine bundeseinheitliche Regelung bringe einen Bruch der Rechts-und Verwaltungskontinuität in den Ländern. Von den Ländern wurden die Initiativen des Bundes vor allem als politisch-optische Effekte angesehen, da sie in der Sache vorerst keinen Fortschritt brachten.
Von den Ländern wurde — für den Fall, daß das Gesetz noch in der ablaufenden Legislaturperiode verabschiedet werden sollte — alternativ eine Novelle zur GewO vorgeschlagen. Die Länder bildeten dann im Rahmen des Länderausschusses für Immissionsschutz einen Arbeitskreis, in dem sie direkt mit dem BMGes in informellen Gesprächen verhandeln konnten. Im ganzen gab es sechs Sitzungen des Arbeitskreises, die im April 1970 vorläufig abgeschlossen wurden. Die Sitzungen selbst zeichneten sich durch sehr detaillierte Beratung bezüglich der einzelnen Vorschriften des Entwurfs aus, wenn auch der grundsätzliche Widerstand vor allem von Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg dadurch nicht ausgeräumt wurde. Hier stand weiterhin das Argument im Vordergrund, daß ein BImSchG aus Gründen des Immissionsschutzes nur dann zu verantworten sei, wenn der Bund personell und sachlich so ausgestattet werde, daß eine zügige Durchführung eines solchen Gesetzes gewährleistet sei. Ziel der Verhandlungen mit den Ländern war, für den Neu-anlauf in der jetzigen Legislaturperiode durch ein Einverständnis mit den Ländern im Rahmen des Länderausschusses die schwierige Hürde des Bundesrats-Stadiums teilweise zu beseitigen. Zum anderen wollte sich das BMGes (jetzt BMI) dadurch seine eigene Verhandlungsposition gegenüber dem BMWi und den Verbänden stärken. 5. Die Auseinandersetzung mitdenVerbänden Die Folgelasten einer Immissionsschutzgesetzgebung, die ordnungspolitisch in den Wirtschaftsprozeß eingreift, entstehen in Form von zusätzlichen Investitionen für Maßnahmen des Immissionsschutzes. Die Kosten haben in erster Linie die Verursacher von Immissionen zu tragen. Von-daher ist erklärlich, daß die Wirtschaft bei der Diskussion um das Immissionsschutzproblem eine wirtschaftspolitische Betrachtungsweise bevorzugt und zu einer Ökonomisierung des Umweltschutzes allgemein gelangen will Der Umweltschutz muß aber zwangsläufig in dem Maße seine gesundheitspolitische Zielsetzung verlieren, in dem er nach rein ökonomischen Kategorien, das heißt als Kostenproblem geregelt werden soll. Die Haltung der Wirtschaft, in erster Linie vertreten durch den BDI, war bei den bisherigen Versuchen einer Regelung des Immissionsschutzproblems dadurch gekennzeichnet, daß sie sich einer zu großen Ausweitung und vor allem einer zu starken gesundheitspolitischen Orientierung der Immissionsschutz-Bestimmungen zu widersetzen versuchte, zugleich aber durch konkrete Mitarbeit ihren Einfluß geltend machen wollte.
Auch bei dem Entwurf eines BImSchG ist der BDI Hauptverhandlungspartner der Ministerialbürokratie gewesen. Er war von Anfang an über die Arbeiten an einem BImSchG im BMGes informiert und wurde dann auch sehr frühzeitig zu direkten Gesprächen herangezogen. Die Gespräche mit dem BDI wurden vor allem mit Vertretern des Instituts für Gewerbliche Wirtschaft geführt und mit dem Arbeitskreis „Immissionsschutz" des BDI Auch der BDI trat für eine Novellierung der GewO ein. Das Hinauszögern einer abschließenden Stellungnahme zum Entwurf sowie die Koppelung des BDI-Entscheids mit der Stellungnahme des BMWi liefen de facto auf eine Restriktion des Entwurfs hinaus. Bestätigt wurde diese Haltung des BDI dann erneut auf einer Sitzung mit dem Vorstand des Ausschusses „Industrielle Immissionsfragen" im Dezember 1968, auf der der harte Widerstand des BDI deutlich wurde; dem BMGes, dem man einerseits nahelegte, wahltaktische Motive aus der Sache zu eliminieren, wurde aber andererseits eine abschließende Stellungnahme noch vor Ende des Jahres in Aussicht gestellt. Die endgültige Ablehnung des Gesetzgebungsvorhabens durch den BDI erfolgte schließlich durch einen Brief des geschäftsführenden Präsidialmitgliedes des BDI im Januar 1969 an das BMGes, in dem eine detaillierte Stellungnahme abgelehnt wurde, bis über eine Grundgesetzänderung entschieden sei
Es muß bezweifelt werden, daß unter den Mitgliedsverbänden des BDI ein intensiver Abstimmungsprozeß zum Problem des Immissionsschutzes stattgefunden hat, ehe von der Führung des BDI die Ablehnung ausgesprochen wurde. Erst später sollten sich unter den Mitgliederverbänden die unterschiedlichen Auffassungen bemerkbar machen. So wurde durch die Einschaltung des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) in die Auseinandersetzungen um ein BImSchG deutlich, daß innerhalb des BDI konträre Vorstellungen über die Regelungsnotwendigkeit des Immissionsschutzproblems bestehen und zum anderen die tatsächlichen Möglichkeiten einer Beteiligung der Industrie an der Lösung des Problems sichtbar wurden. Die chemische Industrie hat sich für die Verwirklichung des BImSchG ausgesprochen und teilt daher nicht die ablehnende Haltung anderer Wirtschafts-verbände. Die Mitarbeit an dem Entwurf kam vor allem durch die Initiative des VCI selbst zustande, der glaubte, seine Vorstellungen über den BDI nicht zum Ausdruck bringen zu können. Die Mitarbeit des VCI widerlegte damit teilweise die bisherigen von der Wirtschaft vorgetragenen Bedenken, die sich auf den mit der Immissionsschutzgesetzgebung verbundenen Kostenfaktor bezogen und allgemein die Notwendigkeit und Nützlichkeit neuer Regelungen in Abrede stellte. Das Beispiel des VCI deutet auf die notwendige Revision einer zu pauschalen Betrachtungsweise wirtschaftlicher Interessen hin. Gleichzeitig werden hier weiterführende Forschungsstrategien bei der Frage des Umweltschutzes sichtbar.
Versucht man die bisherige Entwicklung der Bemühungen um eine Lösung des Umweltschutzproblems der Bundesrepublik zusammenzufassen, so wird man folgende Ergebnisse festhalten müssen: Sowohl in der Phase parlamentarischer Aktivität bis 1961 als auch nach der Behandlung der Umweltprobleme im Regierungsbereich wurden bisher für die Allgemeinheit akzeptable Lösungsmöglichkeiten durch das Vorherrschen wirtschaftspolitischer Interessen verhindert. Hierbei konnte insbesondere am Beispiel des Entwurfs eines BImSchG gezeigt werden, wie anfangs durch das Desinteresse der Parteien und Parlaments-führungen und später durch das Entgegenkommen der Ministerialbürokratie in einzelnen Ressorts eine ökonomische Betrachtungsweise der Umweltprobleme begünstigt wurde. Das hatte zur Folge, daß die von einzelnen Abgeordneten und Sachverständigen frühzeitig erkannten und geforderten Maßnahmen gegen Umweltschäden ohne größere Resonanz blieben. Lagen die damaligen Schwierigkeiten im Regierungsbereich noch unterhalb der Ebene einer Sachkoordination (Profilierung des BMGes, Rollenverhalten einzelner Referenten, Ressortegoismus), so sind die derzeitigen Koordinationsschwierigkeiten nicht vorwiegend organisatorisch-technischer Art, sondern sie reproduzieren eine bestimmte politische und interessenbezogene Konstellation. Dies sollte bei der Beurteilung aktueller Programminitiativen berücksichtigt werden.
IV. Der gegenwärtige Rechtszustand auf dem Gebiete des Umweltschutzes
1. Das Immissionsschutzrecht in der Bundesrepublik Die Rechtsgrundlagen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes sind verstreut in Bundes-und Landesgesetzen, teils in Gesetzen allgemeiner Art, teils in Bestimmungen, die speziell auf Luftreinhaltung oder Lärmbekämpfung ausge-richtet sind So ermöglichen die nachbar-schaftsrechtlichen Vorschriften des BGB, sich gegen Einwirkungen durch Luftverunreinigungen oder Lärm zur Wehr zu setzen. Gegen den Störer kann auf Unterlassung geklagt werden, es sei denn, die Störungen sind in einem bestimmten Gebiet ortsüblich oder dem Verursacher kann wirtschaftlich nicht zugemutet werden, die Störungen abzustellen. In diesem Fall besteht zumindest die Möglichkeit, auf eine angemessene Entschädigung zu klagen
Die praktische Bedeutung dieser Rechtsvorschriften für den Immissionsschutz muß als gering angesehen werden. Dem Kläger wird ein Prozeßrisiko zugemutet, das er nicht immer zu tragen bereit sein wird. Wesentlicher ist jedoch, daß Emissionen, deren Herkunft ungeklärt ist, durch diese Rechtsvorschriften nicht erfaßt werden und daß ortsübliche Störungen nicht verhindert werden können.
Das eigentliche Schwergewicht der Bundes-gesetzgebung liegt jedoch bei den verwaltungsrechtlichen Normen des Gewerbe-und Verkehrsrechts. Kernstück bilden hierbei die §§ 16 ff.der Gewerbeordnung (GewO) und das Gesetz zur Änderung der GewO und Ergänzung des BGB vom 22. Dezember 1959. Danach bedarf die Errichtung von gewerblichen Anlagen einer besonderen Genehmigung, sofern sie durch ihre örtliche Lage oder Beschaffenheit für die Nachbarn oder die Allgemeinheit „erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungherbeiführen können" In einer Rechts- Verordnung werden genehmigungsbedürftige Anlage nach § 16 der GewO aufgezählt. In erster Linie sind die sogenannten Großemittenten erfaßt, wie Stahlwerke, Gießereien, Bergwerksanlagen und die großen Feuerungsanlagen. In weiteren Verwaltungsvorschriften sind die Höchstwerte der noch zu tolerierenden Emissionen festgelegt Mit dieser Genehmigungspflicht werden nur die Neuanlagen erfaßt. Nachträgliche Anordnungen an die Betreiber von Anlagen können zwar erfolgen, wenn die Nachbarschaft oder die Allgemeinheit nicht ausreichend vor Gefahren, Nachteilen oder Belästigungen geschützt ist. Jedoch müssen diese Auflagen den Stand der Technik berücksichtigen und vor allem wirtschaftlich vertretbar sein In der Praxis bedeutet das eine starke Beschränkung der Einwirkungsmöglichkeit.
Bedeutung für den Immissionsschutz haben ferner die §§ 47 und 49 der Straßenverkehrszulassungsordnung, nach denen Kraftfahrzeuge möglichst wenig Abgase und Lärm erzeugen dürfen, soweit diese Forderung nach dem Stand der Technik erfüllbar ist Auch im Raumordnungsgesetz, im Bundesbaugesetz und in der Baunutzungsordnung finden sich Einzelvorschriften zum Immissionsschutz. Sie betreffen in erster Linie bauliche Maßnahmen zur Reduzierung von Emissionen. Außerdem haben Vorschriften des Strafgesetzbuches Bedeutung zumindest für den Alltagslärm, insoweit sie ungebührlichen ruhestörenden Lärm'betreffen
In fünf Ländern der Bundesrepublik sind bisher eigene Immissionsschutzgesetze erlassen worden Zum Teil nehmen diese Gesetze Materien aus dem gewerblich-wirtschaftlichen Bereich auf, die der Bund bisher nicht entsprechend seiner Kompetenz erschöpfend behandelt hat. Teilweise gehen sie über diesen Bereich hinaus. Vorschriften, in denen technische Anforderungen an Anlagen, die Luftverschmutzung oder Lärm erzeugen, konkretisiert sind — die also erst eine Durchführung der entsprechenden Gesetze ermöglichen —, sind bisher nur in Bayern, Baden-Württemberg und besonders weitgehend in Nordrhein-Westfalen ergangen Das hat zur Folge, daß mittlere Betriebe und der Hausbrand — Emittenten, die sich in Ballungszentren summieren und zur Belästigung bzw. zur Gefahr werden können — nicht oder nur teilweise, also etwa nur in einigen Ländern, erfaßt werden. Der Lärm-schutz ist in der GewO in erster Linie unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes und nicht so sehr unter dem des Schutzes der Nachbarschaft bzw.der Allgemeinheit behandelt. Zudem sind nur ein Teil der lärmintensiven Gewerbe von der Genehmigungspflicht der GewO erfaßt. So verbleiben erhebliche Lücken in der Immissionsschutzgesetzgebung. 2. Das Wasserschutzgesetz Bereits 1957 hat der Bund, abgeleitet aus der Rahmenkompetenz des Art. 75 des Grundgesetzes, das Gesetz zur Ordnung des Wasser-haushaltes (Wasserhaushaltsgesetz) erlassen Es soll die Einwirkungen auf oberirdische Gewässer und das Grundwasser regeln. In dem Gesetz sind unmittelbare Rechtssätze und Richtlinien für die Gesetzgebung der Länder enthalten Von 1960 bis 1962 sind entsprechende Landeswassergesetze in allen Bundesländern verabschiedet worden. Mit dem Bundesgesetz wird ein Genehmigungsverfahren für die Entnahme von Oberflächen-und Grundwasser, ferner für das Einleiten von Stoffen (Abwasser) vorgeschrieben Mit der Bindung einer Genehmigung an bestimmte Bedingungen und Auflagen ist an sich die Möglichkeit gegeben, Wasserverschmutzungen weitgehend zu verhindern. Eine Begrenzung stellt jedoch auch hier der Stand der Technik auf dem Gebiet der Abwasserreinigung dar. Zudem besteht der Grundsatz der wirtschaftlichen Vertretbarkeit. über diese Bestimmungen hinaus gibt es Vorschriften über die Lagerung von Stoffen, z. B. von Müll und Heizöl sowie Bestimmungen über Wasserschutzgebiete Eine gewisse Bedeutung haben zudem die Aussagen zur zivilrechtlichen Haftung und strafrechtlichen Verantwortung bei Verunreinigungen von Gewässern Das schon erwähnte Detergentiengesetz gehört auch in den Bereich des Wasser-schutzrechts. Im Vergleich zu anderen Bereichen des Umweltschutzes steht damit im Wasserrecht ein relativ weitgehendes Instrumentarium zur Verfügung. Schwierigkeiten bestehen allerdings sowohl bei der Durchsetzung der Vorschriften, bei der Forschung auf diesem Gebiet als auch bei den finanziellen Anforderungen 3. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Abfall-beseitigung Im Wasserhaushaltsgesetz ist das Verbot enthalten, feste Stoffe, also auch Müll, in ober-irdische Gewässer einzubringen Ebenso wird das Gebot ausgesprochen, „Stoffe so zu lagern, daß eine schädliche Verunreinigung der Gewässer oder eine sonstige nachteilige Veränderung ihrer Eigenschaften nicht zu be-sorgen ist" Die GewO berührt dieses Rechtsgebiet, soweit sie den Nachbarschaftsschutz regelt. Belästigungen der Nachbarn durch Gase, Gerüche etc. sind damit rechtlich erfaßt. Das Gewerberecht regelt damit aber nur die von der Wirtschaft betriebenen Abfallbeseitigungsanlagen Außerdem ist das Bundesseuchengesetz zu beachten. Danach ist darauf hinzuwirken, daß bei der Abfall-beseitigung keine Gefahren für die menschliche Gesundheit durch Krankheitserreger entstehen. Das Gesundheitsamt hat die Überwachung dieser Vorschriften vorzunehmen und bei Auftreten einer solchen Gefahr Maßnahmen zu ergreifen Pflanzen, Tiere und Gewässerschäden bleiben aus dieser Regelung ausgeschlossen. Zudem gelten diese Bestimmungen nicht für Industriebetriebe, sondern nur für Gemeinden oder Gemeindeverbände. Die durch das Gesetz gegebenen Möglichkeiten sind bisher noch weitgehend lückenhaft und zersplittert. Als der entscheidende Mangel wird angesehen, daß keine Vorschriften über die sachgemäße Beseitigung von Abfällen besteht 4. Die rechtlichen Grundlagen auf dem Gebiet des Naturschutzes und der Landschaftspflege
Das wichtigste Gesetz auf diesem Gebiet ist das Reichsnaturschutzgesetz vom 26. Juni 1935 mit seinen bis zum Kriegsende erfolgten Änderungen. Der Bund hat seine nach Art. 75 Abs. 1 Ziff. 3 des Grundgesetzes ihm zustehende Rahmengesetzgebungskompetenz für den Naturschutz und die Landespflege bisher nicht genutzt. So gilt das Reichsnaturschutzgesetz, das laut Urteil des Bundesverfas-sungsgerichts vom 14. Oktober 1958 nur noch Landesrecht sein kann in den Ländern fort Die Vorschriften des Gesetzes beschränken sich vornehmlich auf den Schutz der Pflanzen-und Tierwelt und die Erhaltung der Landschaft. Es fehlen Aussagen zur Wiederherstellung und Gestaltung der Kulturlandschaft. In den einzelnen Ländern sind Ergänzungen zum Gesetz vorgenommen worden, die einen unterschiedlichen Rechtszustand in den Ländern zur Folge haben. Außerhalb der Naturschutzgesetze enthalten eine Reihe von Bundesgesetzen Aussagen zum Landschaftsschutz, so z. B. die Gesetze zum Immissionsschutz, zum Wasserrecht und die Baugesetze 5. Die Durchsetzungsfähigkeit der bestehenden Rechtsgrundlagen auf dem Gebiet des Umweltschutzes
Festzuhalten bleibt, daß in den einzelnen Teilgebieten recht unterschiedliche gesetzliche Möglichkeiten entwickelt worden sind. Bietet das Wasserrecht relativ weitgehende Eingriffsmöglichkeiten — ebenso wie auf Teilgebieten das Immissionsschutz-Recht — so stehen der Naturschutz und besonders die Abfallbeseitigung am Ende der Wirksamkeitsskala. Durchgängig ist der unterschiedliche Rechtszustand in den Ländern. Ohne sich hier für oder gegen eine Bundeskompetenz auf diesen Gebieten auszusprechen erscheint eine einheitliche Regelung in allen Bundesländern zumindest in den wichtigsten Punkten wünschenswert. Diese Einheitlichkeit kann über Bundesgesetze, aber auch in Absprachen zwischen den Ländern oder als Gemeinschaftsaufgabe zwischen Bund und Ländern erreicht werden. Sicherlich gibt es Hinweise auf „Egoismen" der Länder, auf die noch näher einzugehen ist; insofern spricht einiges für eine Bundeskom petenz. Auf der anderen Seite hat der Bund bisher oft nur widerstrebend von schon bestehenden Kompetenzen Gebrauch gemacht. Zudem ist sein Instrumentarium noch weitgehend unzureichend. Nordrhein-Westfalen etwa ist in der Arbeit am Umweltschutz zumindest auf Teilgebieten weiter als der Bund.
Die Durchsetzungsfähigkeit von Gesetzen hängt jedoch nicht nur von deren Inhalten ab. Die Gesetze müssen durch entsprechende Durchführungsbestimmungen konkretisiert sein. Dies setzt den politischen Willen voraus, sie zu verabschieden, außerdem einen entsprechenden Forschungsstand, der erst die Inhalte dieser Verordnungen sinnvoll bestimmen kann. Schließlich hängt die Anwendbarkeit von Rechtssätzen auch von der faktischen Kontrolle ab, wie sie in unserem Fall durch die Gewerbeaufsicht, die Wasseraufsichtsbehörden oder den Naturschutzbeauftragten in den Gemeinden erfolgen soll.
Durchführungsverordnungen existieren nicht in allen Teilbereichen. Die Verordnungen zum Immissionsschutz sind erst 1964 und 1968 erlassen worden. Zum Baulärmgesetz vom 9. September 1965 fehlen sie noch heute. Nur einige Länder haben ihre Gesetze in Verordnungen konkretisiert Die Möglichkeit, Reinhalteverordnungen aufgrund des Wasserhaushaltsgesetzes zu erlassen, wurde bisher kaum genutzt Sehr oft fehlt es auchan wissenschaftlichen Daten, um die Verordnungen inhaltlich füllen zu können. Der unzureichende Forschungsstand auf dem Gebiet des Umweltschutzes findet hier seinen negativen Niederschlag. Schließlich sind die Kontrollbehörden — sowohl vom Ausbildungsstand als auch von der Zahl des eingesetzten Personals her — in der Regel nicht in der Lage, eine gründliche Überprüfung zu garantieren Der Naturschutz wird zudem noch meist von ehrenamtlichen Kräften getragen. Letztlich weisen diese Beschränkungen alle auf einen mangelnden politischen Willen hin. Die bestehenden Prioritätsfestlegungen in Bund, Ländern und Kommunen bedingen, daß sich die relative Finanzschwäche der Offent-liehen Hand voll auf den Umweltschutz auswirkt. Die Beschränkungen gehen aber noch weiter. So wird, ausgehend von der bestehenden Wirtschaftsund Sozialordnung in der Bundesrepublik, eine wirtschaftlich nicht tragbare Auflage als einer Enteignung gleichkommend gewertet, die nur gegen Entschädigung möglich ist. Hierzu aber fehlt den Ländern oder Kommunen in der Regel die Finanzkraft. So müssen unter Umständen wichtige Umweltschutz-Auflagen unterbleiben. Als ein weiteres Beispiel kann das oft feststellbare Umgehen von Rechtsvorschriften, zumindest aber deren Auslegung auf das Minimum hin, gelten. Um Industrien im Land oder in der Kommune zu halten bzw. neue Industrien anzusiedeln und damit Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen — letztlich aber, um Steuereinnahmen zu steigern, die wiederum andere Strukturmaßnahmen erst finanziell absichern —, werden Vorschriften des Umweltschutzes bewußt großzügig gehandhabt Nicht ebenso hoch bewertet werden dabei in der Regel die finanziellen Nachteile, die den Kommunen oder Ländern an Umweltschäden entstehen und für deren Kosten sie schon aufkommen oder die als Schädigungen von der Bevölkerung zu ertragen sind, die aber auch in absehbarer Zeit als monetäre Kosten anfallen können. Der finanzielle Vorteil ist daher oft nur scheinbar oder zeitweilig.
Finanzielle Fragen der Einnahmen-und Ausgabenseite der Haushalte von Kommunen, der Länder und grundsätzlich auch des Bundes bestimmen zumeist die nicht-effiziente Anwendung von nur beschränkt wirksamen Gesetzen. Erst eine Untersuchung des hinter den FinanzProblemen stehenden Prioritätenkatalogs und die Beantwortung der Frage, wodurch diese Prioritäten bestimmt werden, können Aufschluß über die Möglichkeiten der Veränderung auch auf dem Gebiet der Umwelt geben
V. Die Forschung auf dem Gebiet der Umwelt
Die Umweltforschung wird heute im Hinblick auf die Erfordernisse der Praxis allgemein als ungenügend angesehen Es fehlt sowohl an einer Grundlagenforschung wie an einer ausreichenden, gezielten Einzelforschung und neuen Technologien. Eine Untersuchung der Forschungsinstitutionen nach Aufgabenbereichen — hier besonders die Frage nach der thematischen Konzentration auf den Umweltschutz und nach der organisatorischen Zentralisation —, über das Finanzvolumen, über die Auftraggeber der Forschung und die Verknüpfung von wirtschaftlichen Interessen mit der Forschung gibt Hinweise auf den gegenwärtigen Stand der Forschung und die Bedingungen und Grenzen, die ihr gesetzt sind
Die Forschung wird im wesentlichen von drei Institutionsgruppen wahrgenommen: 1. von Bundes-und Landesanstalten, 2. von privaten Organisationen und 3. von Universitäten und Hochschulen. 1. Die Bundes-und Landesanstalten Eine Reihe von Bundes-und Landesanstalten arbeitet u. a. auch an Umweltproblemen Hier sind auf Bundesebene der Deutsche Wetterdienst die Bundesanstalt für Gewässer-kunde, die Bundesanstalt für Wasserbau und die Bundesanstalt für Straßenwesen zu erwähnen. überwiegend mit Umweltfragen beschäftigen sich dagegen das Institut für Wasser-, Boden-und Lufthygiene im Bundesgesundheitsamt, die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege und die neuerrichtete Landesanstalt für Immissions-und Bodennutzungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen
Für die Bundesanstalt für Vegetationskunde, Naturschutz und Landschaftspflege sind im Haushalt des Bundes 1970 1, 4 Mio DM ausgewiesen; davon entfallen auf die Personalkosten 793 400 DM. 18 wissenschaftliche Fachkräfte, 18 Techniker, 5 Bedienstete in der Verwaltung und 4 Arbeiter waren 1969 in der Bundesanstalt beschäftigt Als Sachmittel für Forschungen standen nur 10 000 DM zur Verfügung, hinzu kamen ca. 10 000 DM für den Ausbau der Bibliothek. Der Aufgabenbereich der Bundesanstalt ist ein Teil des Umweltschutzes, nämlich der Natur-und Landschaftsschutz 17, 8 Mio DM ist das Volumen der Personalkosten des Bundesgesundheitsamtes, dem neben drei weiteren Instituten und der Zentralabteilung mit der Bundesopiumstelle das Institut für Wasser-, Boden-, Lufthygiene angehört Nur ein Teil dieser Aufwendungen, wie auch des Gesamthaushaltes von 27, 7 Mio DM, kommt also dem Umweltschutz zugute. Weitgehend ist auch der Aufgabenbereich dieses Institutes auf Gesundheitsprobleme ausgerichtet Ein spezielles Umwelthygiene-Bundesamt fehlt Der Landesanstalt für Immissions-und Bodennutzungsschutz steht mit einem laufendenJahresetatvon rund 8, 5 Mio DM, von denen etwa 65% für die Personalkosten der 310 Mitarbeiter benötigt werden, ein relativ großes Finanzvolumen zur Verfügung
Den wenigen staatlichen Institutionen, die in bemerkenswertem Rahmen Umweltforschung betreiben, stehen bisher nur geringe Mittel zur Verfügung. Zudem stellt die Forschung nicht die einzige Aufgabe dieser Institute dar. U. a. beraten sie die Behörden in Fachfragen und erarbeiten Gutachten Die Landesanstalt für Immissionsund Bodennutzungsschutz des Landes Nordrhein-Westfalen hat darüber hinaus die Aufgabe, die Erkenntnisse und Erfahrungen der Anstalt auf dem Gebiet der Luftreinhaltung für ein umfangreiches Schulungsprogramm, „das in erster Linie für die Aus-und Fortbildung der mit Fragen des Immissionsschutzes befaßten Verwaltungsangehörigen bestimmt ist", zu nutzen So ist die Arbeit dieser Institute weitgehend auf eine praxisnahe Tätigkeit und Forschung ausgerichtet. Die Grundlagenforschung kann von ihr kaum geleistet werden. So wird auch die an sich begrüßenswerte Erhöhung der Mittel für die Institute kritisiert, weil sie nicht der erwünschten Grundlagenforschung zur Verfügung stehen Generell spielen die Bundes-institute also für die Forschung keine gewichtige Rolle; Aufgabenstellung, Organisation und Finanzmittel sind hierfür nicht eingerichtet. 2. Die Forschung in privaten Organisationen Eine erhebliche Bedeutung hat die Forschung auf dem Gebiet der Umwelt, die von privaten Organisationen, zum Teil unter staatlicher Mitfinanzierung, geleistet wird. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) hat hierin eine führende Stellung 7. Der 1856 gegründete Verein ist in 28 Fachgruppen gegliedert. In 600 Ausschüssen arbeiten über 5000 Fachleute aus Wissenschaft und Industrie ehrenamtlich zusammen „Es gehört zu den selbstgesetzten Zwecken des VDI, technische Entwicklung und Forschung zu fördern." Fragen des Umweltschutzes sind im wesentlichen in der Kommission „Reinhaltung der Luft" und in der Kommission „Lärmminderung" konzentriert. In der Kommission „Reinhaltung der Luft" arbeiten allein rund 450 Sachverständige und Wissenschaftler, entsandt von Bundes-und Landes-instituten, Universitäten und Hochschulen, Interessengruppen und deren Instituten Im Anschluß an die Änderung der Gewerbeordnung vom 22. Februar 1959 ist diese Kommission gegründet worden, um „technisch-wissenschaftliche Unterlagen" auf dem Gebiet des Immissionsschutzes zu schaffen bzw., soweit vorhanden, den veränderten „technischen und wirtschaftlichen Verhältnissen" anzupassen »In freiwilliger Selbstverantwortung" erarbeitete die VDI-Kommission die Grundlagen für die Richtlinien der „Technischen Anleitung Luft". Unverändert wurden diese Vorschläge vom Gesetzgeber übernommen und verabschiedet. Dies zeigt u. a. die Bedeutung der Tätigkeit des VDI. Seither begutachtet die Kommission ebenso wie die Kommission „Lärmminderung" die Forschungsaufträge des BMI (vorher BMGes) auf dem Gebiet der Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung und macht so ihren Einfluß geltend. In den Jahren 1956 bis 1969 betrugen die Zuwendungen durch Bund, Länder, Deutsche Forschungsgemeinschaft und Hohe Behörde für die Forschungstätigkeit des VDI nahezu 14 Mio. DM Für 1970 sind im Bundeshaushalt für die Kommission „Reinhaltung der Luft" 315 000 DM und für die Kommission „Lärmminderung" 150 000 DM ausgewiesen Diese Mittel bestimmen nicht allein das Finanzvolumen der Kommissionen, denn „diese Zuwendungen sind nicht gleichbedeutend mit den tatsächlichen Aufwendungen für die Forschungsprojekte. Die verantwortlichen Forscher z. B. arbeiten ohne Vergütung, die Institutseinrichtungen werden in der Regel ohne Bezahlung für die Benutzung zur Verfügung gestellt" Hinzu kommen nicht spezifizierte „erhebliche" Mittel der Industrie Ausdrücklich ist die Forschungstätigkeit des VDI auf „die Gewinnung oder Sicherung technisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse" ausgerichtet Eine Grundlagenforschung wird also nur unter dieser Einschränkung gefördert.
Die enge Bindung zwischen Staat und VDI hat für den ersteren den Vorteil, einen gewichtigen Sachverstand nutzen zu können, ohne zunächst die vollen Kosten der Forschungstätigkeit tragen zu müssen. Auffallend ist, daß die Interessengebundenheit des VDI, wie sie z. B. von Bundestagsabgeordneten schon 1958 kriti-siert worden und von Beamten des BMI durchaus erkannt ist akzeptiert und als selbstverständlich angesehen wird. Dies ist um so bemerkenswerter, als den Bundesbehörden kein Instrumentarium zur Verfügung steht, um die Ergebnisse des VDI nachprüfen zu können Bezüglich einer engen Zusammenarbeit wird auch durch Aussagen von Ministerialbeamten bestätigt, daß man generell gern mit der Industrie auf dem Gebiet des Umweltschutzes zusammenarbeite, um möglichst praxisnahe und durchsetzungsfähige Lösungen zu erreichen. In der gemeinsamen Überzeugung, an „Sachproblemen" zu arbeiten, wird allerdings eine interessenpolitische Verengung der Forschung zumindest in Kauf genommen. 3. Die Forschung an Hochschulen und Universitäten Umweltforschung und Umweltschutz haben auch einen festen Platz an den deutschen Universitäten und wissenschaftlichen Hochschulen; diese Forschung ist jedoch weitgehend dezentralisiert. Es mangelt bisher an einer Koordination und Konzentration, die aber für die Zukunft angestrebt wird In gewissem Rahmen bedeutet jedoch die Tätigkeit der Deutschen Forschungsgemeinschaft eine Koordinierung der Umweltforschung. In ihrer Aufgabe, Forschungsvorhaben finanziell zu unterstützen, fördert sie auch die Erforschung der Umwelt. Für die Finanzierung von Forschung und für die Förderung und Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf allen Sachgebieten standen 1969, aufgeteilt in Normal-und Schwerpunktverfahren, Sonderforschungsbereiche und besondere Sachausstattungen, insgesamt 265 Mio. DM zur Verfügung Ein Großteil der Mittel kommt der Forschung an den Universitäten und Hochschulen bzw.den dort Beschäftigten zugute. Hieraus und aus dem Finanzvolumen ergibt sich die Bedeutung der DFG für die Universitätsforschung
Die Reinhaltung der Luft, die Lärmforschung und die Wasserforschung werden von der DFG als Schwerpunkte gefördert. 59 Mio. DM standen 1969 für das Gesamtgebiet „Förderung im Schwerpunktverfahren" zur Verfügung. Das Schwerpunktprogramm dient dazu, durch den konzentrierten Einsatz von Mitteln die Entwicklung in bestimmten Forschungsgebieten voranzutreiben. Davon profitiert weitgehend auch die Grundlagenforschung. In der Prioritätenskala nimmt aber die Umwelt in der DFG keinen Spitzenplatz ein. Das hierfür zur Verfügung gestellte Finanzvolumen ist gering, vergleicht man damit z. B.den Schwerpunkt „Römische Provinzialarchäologie, Vor-und Frühgeschichte" mit 7, 5 Mio DM, „Festkörperforschung" mit 10, 8 Mio DM und „Chemie unter extremen Bedingungen" mit 7, 3 Mio. DM 0. Demgegenüber zahlte die DFG 1968 für alle Vorhaben auf den Gebieten der Früh-invalidität, der Luftreinhaltung, des Lärm-schutzes, der Fremdstoffschäden, der Gesundheitsgefährdung durch Arbeitsstoffe und der Krebsbekämpfung zusammengenommen nur 2, 4 Mio. DM. Diese Prioritätenstellung scheint teilweise die Aussage zu stützen, daß die DFG in ihrer Förderungspolitik industrierelevante Vorhaben bevorzuge. In diesem Zusammenhang wird auf die personelle und finanzielle Verknüpfung der DFG mit der Wirtschaft hingewiesen Inwieweit eine solche Verknüpfung inhaltliche Auswirkungen auf die geför derten Umweltforschungen hat, muß hier offen bleiben. Sicherlich ist — und das gilt für die gesamte Forschung an Universitäten und Hochschulen-— die z. T. enge Verbindung zwischen Industrie und Hochschule ein Problem, dessen Auswirkungen im Einzelfall zu untersuchen wäre.
Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die Umweltforschung bisher unter starken Beschränkungen arbeiten muß. Industrierelevante Forschung scheint zudem ein besonderes Gewicht innerhalb der Forschung zu haben. Ohne die Notwendigkeit dieser Art von Forschung grundsätzlich in Frage zu stellen, birgt jedoch ihre Überbetonung auf Kosten der Grundlagenforschung die Gefahr einer Einengung in sich. So werden schon frühzeitig solche forschungsstrategischen Ansätze, bei denen man die möglichen ökonomischen Folgen und Kosten nicht übersehen kann, nicht weiter verfolgt. Nicht so sehr die Möglichkeit einer direkten Weisungsgebundenheit der Forschung gegenüber der Industrie soll hier betont werden, sondern die Gefahr einer frühzeitigen, freiwilligen Einengung zuungunsten gesundheitspolitischer Bedürfnisse, indem von vornherein ein Kompromiß zwischen dem technisch Möglichen und dem wirtschaftlich Vertretbaren gesucht wird.
VI. Die Finanzierung von Umweltschutz
Einen ungefähren Überblick über das Finanz-volumen des Bundes zur Umweltforschung bietet die Antwort des BMI auf eine kleine Anfrage der CDU/CSU zur Finanzplanung des Umweltschutzes Danach wurden 1969 insgesamt 19, 1 Mio. DM für Forschung bereitgestellt; für 1970 sind 26, 7 Mio. ausgewiesen. Priorität hat dabei die gezielte Einzelforschung mit 14, 7 für 1969 und 19, 5 Mio. DM für das Jahr 1970. Für Entwicklungen und neue Technologien wurden 1969 2, 2 bzw. 0, 6 Mio. DM und 1970 3, 2 bzw. 2 Mio. DM bereitgestellt. Dem stehen 1, 6 (1969) bzw. 2 Mio. DM (1970) für die Grundlagenforschung gegenüber. Aufgeteilt nach Umweltbereichen ergibt sich eine Rangfolge nach vergebenen Mitteln (1969) für Forschung zur Reinhaltung der Luft (4, 4 Mio.), zu Wasserproblemen (4 Mio.), Landschaftspflege, Boden-und Pflanzenschutz (insgesamt 3, 2 Mio.). Für Lärmschutz sind 1969 1, 4 Mio. DM eingesetzt worden, für Strahlenschutz 2, 4 Mio. DM und für die Lösung der Probleme der Abfall-beseitigung 0, 2 Mio. DM. Dem stehen zumin-dest in einigen Bereichen Schätzzahlen über die tatsächlich benötigten finanziellen Mittel gegenüber. So soll im BMI die Projektgruppe „Lärmschutz" den kurzfristigen Bedarf für Forschung auf dem Gebiet der Lärmbekämpfung auf 27— 30 Mio. DM veranschlagt haben. Diese Summe sollte zunächst einmal für die notwendigste Grundlagenforschung genutzt werden
Neben der Forschungsförderung entstehen dem Bund erhebliche Kosten durch die Finanzierungshilfen für Umweltmaßnahmen selbst. Hier sind u. a. zu unterscheiden: Steuererleichterungen zinsgünstige Kredite (einschließlich Zinssubventionen) und verlorene Zuschüsse Zuschüsse und Kredite werden in erster Linie Gemeinden, Gemeindeverbänden und Zweckverbänden zur Verfügung gestellt. 1969 waren hierfür insgesamt 67, 5 Mio. und 1970 75, 5 Mio. DM ausgewiesen Für den* Bau von Anlagen zur Abwasserbeseitigung und -reinigung wird der größte Teil dieser Gelder verwandt. Steuererleichterungen, das heißt besondere Abschreibungsmöglichkeiten des Gewerbes und der Industrie für den Einbau von umweltfreundlichen Anlagen, wurden für das Jahr 1969 in Höhe von 30 Mio. DM gewährt; für 1970 sind 35 Mio. DM eingesetzt. Berücksichtigt werden muß dabei, daß jene Abschreibungsmöglichkeiten viele Chancen bieten, normale Betriebsumstellungen als Umweltmaßnahmen zumindest teilweise auf den Steuerzahler abzuwälzen. Die Umstellung einer Betriebseisenbahn von Kohle auf Strom kann beispielsweise als Umweltschutz steuerlich abgesetzt werden; das wahre Motiv aber ist die Rationalisierung der Anlage
Insgesamt werden so vom Bund beträchtliche Mittel aus dem Bundeshaushalt oder aus den Sondervermögen für den unmittelbaren Umweltschutz eingesetzt: 1969 waren es 116, 6 Mio. DM, 1970 137, 2 Mio. DM.
Von den Ländern und Gemeinden schließlich werden nach Schätzungen über 2 Milliarden DM jährlich aufgebracht Die Abwasserbeseitigung ist dabei der größte Kostenfaktor. Von der Industrie selbst liegen zum Finanzvolumen ihrer’ Umweltschutzmaßnahmen keine Ubersichtszahlen vor. Nach Schätzungen der Industrie-und Handelskammer Duisburg wurden von 1955— 1968 in Nordrhein-Westfalen ca. 2, 13 Milliarden DM von der Wirtschaft aufgebracht Andere Schätzungen besagen, daß auf dem Gebiet der Luftreinhaltung ca. 500 Mio. DM pro Jahr von der Industrie ausgegeben werden
Der Gesamtbedarf an finanziellen Mitteln liegt jedoch weit höher als die von, der öffentlichen Hand und der Wirtschaft zur Verfüguhg ge. stellten Gelder Der Deutsche Naturschutz-ring schätzt den Finanzbedarf auf jährlich 7 Milliarden DM Das Battelle-Institut hält den Einsatz von 130 Milliarden, verteilt auf die nächsten 15 Jahre, für notwendig Vom BMI werden die Kosten für — den Nachholbedarf von Kläranlagen mit 8 Mrd. DM, — den Nachholbedarf von Kanalisationen mit 20 Mrd. DM, -— den Nachholbedarf der Gemeinden zur Abfallbeseitigung mit 3— 3, 5 Mrd. DM, — den Ausbau von Modellanlagen für die Abfallbeseitigung mit rd. 100 Mio. DM, — die Forschungs-und Entwicklungsaufgaben, insbesondere für neue Technologien und Verfahren zur Luftreinhaltung, mit rd. 600 Mio, DM geschätzt
Andere Zahlen besagen, daß allein die Umwandlung aller bestehenden Abwasseranlagen in vollbiologische Anlagen 33 Mrd. DM kosten würde Schließlich sollen für die Rettung des Bodensees, d. h. für die Bewahrung des Sees vor dem „Umkippen", 2 Mrd. DM notwendig sein das ist soviel, wie die Industrie in Nordrhein-Westfalen in 13 Jahren für den gesamten Umweltschutz aufgebracht hat.
Es verwundert daher nicht, wenn vom Staatssekretär des Innenministeriums, Hartkopf, die Forderung nach „überdimensionierten Schutzmaßnahmen" als „unfinanzierbare Utopie" bezeichnet wird Sprecher der Wirtschaft schließlich betonen, daß die finanziellen Aufwendungen der öffentlichen Hand und der Industrie auf diesem Gebiet sich auf Steuern und Preise niederschlagen werden. Damit gestaltet sich das Problem des Umweltschutzes zu einem Politikum ersten Ranges Von den wirtschaftspolitischen Zielen: Vollbeschäftigung, Preisstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht und Wirtschaftswachstum, wird im Augenblick jedenfalls von der Bundesregierung die Preisstabilität als ernsthaft gefährdet angesehen Folgerichtig können jetzt keine Umweltmaßnahmen, die das Preis-niveau beeinflussen, getroffen werden. Steuererhöhungen sind zumindest kurzfristig aus psychologischen Gründen inopportun, außerdem bedeuten sie für die Gesamtwirtschaft selbstverständlich keine neutrale Maßnahme
Es verbleibt also nur ein gewisser Spielraum für den Umweltschutz in einer Umverteilung der vorhandenen Mittel innerhalb des Haushalts, der jedoch auf engste Grenzen stößt, verursacht durch die Fülle der inneren Reformen, von denen einige nicht unbeträchtliche Kosten verursachen So wird entsprechend den von der Bundesregierung akzeptierten Prioritäten die Reform des Umweltschutzes zumindest kurzfristig nur in der Form technisch-organisatorischer Veränderungen, die nur geringe Kosten verursachen dürfen, erfolgen.
VII. Zum Stand derzeitiger Programminitiativen und Reformbestrebungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes
Mit der Regierungsbildung durch die SPD/FDP-Koalition von 1969 wurde den Umwelt-problemen das erste Mal ein Platz in der Skala vorrangiger Regierungsaufgaben zugewiesen. Politisch-strategische Gründe des kleineren Koalitionspartners, der hier eine publikumswirksame Profilierungschance entdeckt zu haben glaubte, spielten dabei auch eine Rolle Inzwischen hat, nicht zuletzt auch durch eine stimulierte und interessierte Öffentlichkeit * eine intensive Suche nach brauchbaren Konzeptionen für den Umweltschutz eingesetzt, die vorerst jedoch nicht über eine Bestandsaufnahme von teilweise hinlänglich bekannten Tatbeständen hinausgeht.
Während sich auf der einen Seite die Diskussion von 1959 aus Anlaß der Änderung der GewO wiederholt, in der Begriffe wie „Verursacherprinzip", „Ortsüblichkeit" und „wirtschaftliche Vertretbarkeit" bereits im Mittelpunkt standen, wird andererseits zunehmend die grundsätzliche Auseinandersetzung darüber gefordert, wie überhaupt in unserem derzeitigen System effektiv Umweltschutz betrieben werden kann Die zunehmende Aktivität in den letzten Monaten im Regierungsbereich bewegt sich allerdings vorerst noch im Rahmen einer „konzeptionellen Arbeit", welche die Vorlage eines Gesamtprogramms zum Umweltschutz in absehbarer Zeit zum Ziel hat. Begründet wird diese konzeptionelle Bestandstaufnahme mit dem Feh-len von Grunddaten als Voraussetzung einet künftigen konkreten Gesetzgebung
Bis auf zwei Ministerien beschäftigen sich, wenn auch mit unterschiedlicher Gewichtung, alle Ressorts mit Umweltschutz. Zwar liegt die Federführung in der Abteilung U des BMI, das vor kurzer Zelt ein eigenständiges Referat für Umweltkoordinierung errichtet hat, doch liegen die Schwierigkeiten der Koordinierung weniger im Organisatorischen als in der verschieden interessebezogenen Bearbeitung in den einzelnen Ressorts. So hat das BMWi eine eigene Arbeitsgruppe für Umweltschutz gebildet, in der alle Abteilungen des Ministeriums vertreten sind. Auch im Wissenschaftsministerium (BMBW) wurde innerhalb des Gebietes „neue Technologien“ ein Bereich „Umweltschutz" eingerichtet. Die Koordinierung zwischen diesen Ministerien und der Umweltschutzabteilung des BMI ist bisher noch weitgehend verbesserungsfähig, über die Wirksamkeit der beiden Koordinierungsorgane für eine Abstimmung im Regierungsbereich, des im Januar 1970 konstituierten Kabinettsausschusses für Umweltschutz ” als auch des im September 1970 eingerichteten interministeriellen Ausschusses für Umweltschutz liegen bisher noch keine Aussagen vor. Das Bundeskanzleramt schließlich, die eigentliche politische Koordinierungsstelle, hat bislang keine Rolle bezüglich der Umweltprobleme gespielt. Erst im Zuge der Umstrukturierung des Amtes im letzten Jahr befaßt sich eine neu geschaffene Gruppe mit diesen Fragen
Das Spektrum der von der Regierung in Angriff genommenen Vorhaben ist äußerst um-fangreich. Im einzelnen handelt es sich um folgende Bereiche
Luftreinhaltung und Lärmbekämpfung, Wasserreinhaltung, Abfallbeseitigung und Naturschutz und Landschaftspflege.
Hinzu kommen die Sonderbereiche:
neue Technologien und Wirkungen von Bioziden.
Von den aufgeführten ersten vier Bereichen will der Bund durch Änderung des Grundgesetzes die konkurrierende Gesetzgebung erhalten, um bundeseinheitliche Maßnahmen durchführen zu können Die Widerstände aus den Ländern, von Bayern und Baden-Württemberg, richten sich hauptsächlich gegen eine Bundeskompetenz für den Wasserhaushalt und den Naturschutz
Am weistesten fortgeschritten sind die Arbeiten für die Luftreinhaltung und die Lärmbekämpfung, wo mit einer Kabinettsvorlage des Bundes-Immissionsschutzgesetzes noch vor der Sommerpause zu rechnen ist. Völlig offen bleibt aber weiterhin, wie grundsätzliche Schwierigkeiten dieses Bereiches gelöst werden sollen, so etwa das Fehlen konkreter Konzeptionen für die Durchführungsbestimmungen und die unzureichende technische und personelle Ausstattung der Gewerbeaufsicht.
Das Gesetz zum Schutz gegen Fluglärm wurde am 30. März 1971 verkündet und ist am darauffolgenden Tag in Kraft getreten. Auch hier werden Erfolge aufgrund noch nicht gelöster technischer Probleme vorläufig noch nicht zu erwarten sein Für die Wasser-reinhaltung soll bis Mitte 1971 ein Entwurf zur Ergänzung des Wasserhaushaltsgesetzes vorgelegt werden. Eine derartige Ergänzung war 1965 bereits beabsichtigt und scheiterte damals am Widerstand des Bundesrates Aber die Gesetzgebung allein wird auch hier kaum Abhilfe schaffen, wie die jüngsten Anhörungen vor dem Innenausschuß und dem Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit des Bundestages gezeigt haben.
Neben den bekannten finanziellen und technischen Schwierigkeiten werden die eingefahrenen kommunalen Praktiken einer wirksamen Kontrolle vorerst auch weiterhin entgegenwirken Auf dem Gebiet der Abfallbeseitigung hat die Bundesregierung den Entwurf eines Gesetzes über die Beseitigung von Abfallstoffen (Abfallbeseitigungsgesetz) am 8. Januar 1971 vorgelegt. Von den Ländern wurde die Unvollkommenheit des Gesetzes herausgestellt, weil in dem Entwurf eine Vielzahl von Abfallstoffe nicht erfaßt worden sind. Ferner fehlen Vorschriften der Abfallbeseitigungstechnik. Nach einer Aufforderung des Bundesrates soll der Bund nun auch die konkurrierende Gesetzgebung für die Regelung der Abfallbeseitigung erhalten Inzwischen hat der kommunalpolitische Ausschuß der SPD eine Überarbeitung des Entwurfes gefordert, da das Verursacherprinzip dort nicht konsequent durchgeführt werde Ohne dieses Gesetz abzuwarten, hat inzwischen nach Hessen auch Hamburg sich entschlossen, ein eigenes Landesabfallgesetz vorzubereiten
Auf dem Gebiet des „Naturschutzes und der Landschaftspflege" wird im Ernährungsministerium zur Zeit an den Entwürfen eines Bundesnaturschutzgesetzes gearbeitet Ferner wäre noch der als Sofortmaßnahme propagierte Entwurf eines Gesetzes zur Senkung des Bleigehaltes im Benzin zu erwähnen, der am 1. Januar 1972 in Kraft treten soll und bereits in erster Lesung im Bundestag verabschiedet wurde. Dieser Entwurf gilt nur als eine erste Stufe, um der Industrie Zeit zu geben, ihre Produktion umzustellen. Der Bundesrat hat hier frühere Fristen gefordert Des weiteren wird von der Bundesregierung die Gründung weiterer Bundesanstalten erwogen, um die Lücken und Mängel in der Forschung zu vermindern. Gedacht wird hier an eine Bundesanstalt für Immissionsschutz sowie an eine Bundesanstalt für Wasserwirtschaft und Abfallbeseitigung Inwieweit diese Bundesanstalten das notwendige Regulativ in der Umweltforschung werden können, muß abgewartet werden.
Eine Beurteilung dieser aktuellen Vorhaben und Programminitiativen kann notwendigerweise nur vorläufigen Charakter besitzen. Sicher läßt sich aber jetzt schon feststellen, daß die in Angriff genommenen Gesetzgebungsvorhaben erst ein bescheidener Anfang sind. Sie dürfen nicht — so notwendig sie sind — darüber hinwegtäuschen, daß damit vorerst weder der Nachholbedarf an Umweltschutz gedeckt wird, noch die eigentlichen Grundlagen einer Umweltpolitik, nämlich Forschung und Finanzierung, gesichert sind.
Nicht nur im Regierungsbereich sind Veränderungen feststellbar. Auch in der Wirtschaft ist die eindeutige Ablehnung des Umweltschutzes einer differenzierteren Auffassung gewichen. Zumindest ein Teil der Wirtschaft sucht den Spielraum für Umweltschutz zu erweitern. ökonomische Faktoren, die sich auf die Kosten-Gewinn-Rechnung der Betriebe aus-wirken, und Veränderungen der weiteren Wirtschaftssphäre haben diese veränderte Sicht gefördert:
— Schon jetzt ist in vielen Fällen berechenbar, daß Investitionen zum Ausgleich der Umweltschäden, die innerhalb der Betriebe notwendig werden, um die Produktion aufrechtzuerhalten, höher sein können als Investitionen für den Umweltschutz selbst — Der Produktionssektor „Umweltschutz" wird in absehbarer Zeit profitabel sein und wirtschaftliches Gewicht erlangen. — Die Umweltschäden haben ein solches Ausmaß erreicht, daß die Produktion selbst von ihnen betroffen wird, durch Mangel an hochwertigem Nutzwasser und reiner Luft ebenso wie durch die Abwanderung von Arbeitskräften aus den immissionsbedrohten Ballungszentren. „Wir müssen . ..sehen, daß in Gebieten, in denen den Ansprüchen des Menschen von heute nicht gerecht werdende Immissionsverhältnisse herrschen, mindestens für den, , der es sich leisten kann', der Wunsch und das Bestreben entsteht, aus solcher Umgebung herauszukommen ... Diejenigen, denen ein solcher Wohnungsund Arbeitsplatzwechsel gelingt, sind häufig die qualifizierten Mitarbeiter, auf die Industrie und Wirtschaft ... angewiesen sind." — Der Stand der natürlichen Ressourcen macht Umweltschutz notwendig. Kontrovers sind Ausmaß und Finanzierung der Maßnahmen. Ein frühzeitiges relatives Nadigeben kann daher weitergehende Forderungen verhindern. — Innerhalb einer gewissen Spanne lassen sich Kosten für den Umweltschutz auf die Preise abwälzen, ohne die Marktlage zu gefährden. — Die Höhe des einzusetzenden Kapitals für den Umweltschutz ist in der Regel beim Aufbau von Neuanlagen geringer als beim nachträglichen Einbau. Deshalb versuchen finanzkräftige Wirtschaftsbereiche, schon heute in ihren Neuanlagen Schutzstandards, die in einigen Jahren erwartet werden, zu erreichen — In Teilen des Auslandsmarktes, hier besonders die USA, sind schon höhere Standards gesetzt worden, die auch für eingeführte Produkte gelten. Es kann kostenmäßig aufwendiger sein, zwei Produktionen, eine für den Export bei Erfüllung der hohen Anforderungen und eine für das Inland, aufzubauen, als generell die gesamte Produktion den höheren Standards anzugleichen.
Diese Feststellungen gelten jedoch nicht durchgängig und nicht für die gesamte Wirtschaft Zudem ändern sie nichts an dem Bestreben auch der so betroffenen Wirtschaft, Umwelt-schutzmaßnahmen weitgehend abzuwälzen.
VIII. Ausblick
Es verbleibt die Frage nach den Grenzen, die dem Umweltschutz gesetzt sind. Unproblematisch sind Umweltschutzmaßnahmen, solange sie — sich auf organisatorisch-technische Verbesserungen beziehen und marktneutral sind, — sich als profitabel erweisen oder — auf die Verhinderung von Produktionskosten gerichtet sind.
Kontrovers dagegen sind darüber hinausgehende Maßnahmen, weil sie notwendigerweise finanzielle Anforderungen beinhalten. Hier wird die Auseinandersetzung durch die Frage nach den Trägern des Umweltschutzes — die Verursacher, die Konsumenten oder die öffentliche Hand — bestimmt. Diese Probleme waren es auch, die in der Vergangenheit einen wirkungsvolleren Umweltschutz verhinderten und die die aktuellen Ansätze behindern. Ein Spielraum in beschränktem Umfang besteht in der Umverteilung der Finanzen innerhalb der Haushalte der öffentlichen Hand, ebenso wie in relativ geringe Kosten verursachenden Auflagen gegenüber der Industrie, die über dies an den Verbraucher weitergereicht oder durch Rationalisierungsmaßnahmen aufgefangen werden.
Die eigentliche Auseinandersetzung wird jedoch erst bei der Finanzierung der erweiterten Maßnahmen anstehen. Steuer-und Preiserhöhungen werden dafür notwendig sein. Insoweit sie sich in beschränkten Dimensionen bewegen, sind sie gesamtwirtschaftlich tragbar und gefährden nicht das System. Die kritische Grenze dagegen ist mit der Gefährdung der gesamtwirtschaftlichen Ziele erreicht, die in unserem ökonomischen System die Priorität besitzen. Der Umweltschutz findet hier seine Grenzen in den ökonomischen Bedingungen. Von diesen gesamtwirtschaftlichen Kategorien her ist daher die Umweltproblematik zu diskutieren, nicht unter der begrenzten Aussage-fähigkeit von moralischen Appellen oder kulturpessimistischer Resignation. Folgerichtig werden damit die Probleme der Durchsetzungsfähigkeit der Politik gegenüber wirtschaftlichen Interessen berührt und die Chancen, nicht-ökonomische Bedürfnisse durchzusetzen. Verbunden mit der Frage nach der Autonomie der Politik ist damit die Frage, wem bestehende oder zukünftige Verhältnisse nutzen. In dieser Richtung muß eine politik-wissenschaftliche Forschung Weiterarbeiten.