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Aus der Sicht eines Dozenten | APuZ 22/1971 | bpb.de

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APuZ 22/1971 Grundgesetz und Sittengesetz Aufgaben und Probleme des Schulpraktikums Aus der Sicht eines Studenten Aus der Sicht eines Mentors Aus der Sicht eines Dozenten Erwiderung auf den Aufsatz von Helmut Keil — „Grundschulpraktikum 1970" Entgegnung auf Wolfgang Hinrichs Kritik an meinem Aufsatz „Grundschulpraktiken 1970"

Aus der Sicht eines Dozenten

Wolfgang Hinrichs:

/ 13 Minuten zu lesen

isoliert. Im Bereich der praktischen Pädagogik müssen Erkenntnisse der theoretischen Pädagogik weithin Theorie bleiben, weil es kaum Einrichtungen gibt, denen es um eine Vereinbarung von Realität und praktischen Erfordernissen zu tun ist. — Im Raum von Wirtschaft und Industrie sind solche Einrichtungen kein Novum. — Der einzelne Praktiker ist kaum in der Lage, sich über den neuesten Stand der pädagogischen Forschung zu informieren, weil er im Alltag keine Zeit dafür findet, überdies hat das Experiment im Bereich des Schulwesens geringe Bedeutung, die Rechtsstellung des Schülers läßt ihn nicht zum Versuchsobjekt werden.

Es kann daher nicht verwundern, daß der Praktikant wirklichkeitsfremd ist. Wie er zur Selbstbeurteilung kommen kann, welche Hilfen ihm dabei der Mentor anbieten kann, welche Beurteilungskriterien überhaupt gelten sollen, ist schwerlich auszumachen. Aber die Notwendigkeit einer differenzierten Beurteilung zum Zwecke der Leistungssteigerung muß der Mentor sehen; denn ihm kommt es u. a. auf die Leistungsfähigkeit künftiger Kollegen an. Hier wie in der Frage der Überwindung der Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis bedarf der Mentor einer systematisch zu planenden Zusammenarbeit mit der Hochschule, die seine Kompetenzen nicht beschneidet, sondern ihnen zur notwendigen Geltung verhilft.

III.

Aus dieser mißlichen Lage könnten bei Betonung des Mentorenstandpunktes herausführen: a) Regelmäßige Arbeitstagungen und andere Kontakte, die der gegenseitigen Information und Korrektur dienen, auf denen die Frage nach der Realisierbarkeit von Erkenntnissen aus Wissenschaft und Forschung dominiert, unter Berücksichtigung der Rechte des Schülers, der bestehenden Erlasse, Verordnungen, Verfügungen und Richtlinien — diese Kontakte sollten auch mit der Schulaufsichtsbehörde bestehen —;

b) Befreiung der Beteiligten von Verpflichtungen geringerer Bedeutung: Stundennachlaß für Mentoren, entsprechende Honorierung;

c) Einbeziehung der Studierenden in die Diskussion, damit sie die verschiedenen Standpunkte, Möglichkeiten, Schwierigkeiten kennenlernen und somit unter Umständen zum regulativen Element zwischen Dozenten und Praktikern werden;

d) Herausarbeiten von Beurteilungskriterien durch die Beteiligten, gemeinsame Bemühungen um eine korrekte Beurteilung während des Praktikums;

e) Erörterung einer Neuorientierung des Tagespraktikums als Voraussetzung für das Blockpraktikum.

Die nur skizzenhaften Darlegungen mögen zeigen, daß ein wissenschaftliches Lehrerstudium ein zentrales Problem der Vorbereitung auf den Beruf aufwirft. Es müssen Formen und Beweggründe gefunden werden, die das Engagement aller Beteiligten herausfordern, sich an der Stelle zu treffen, auf die sich Forschung, Studium und Lehrtätigkeit richten: in der Schule.

Wird über ein Thema auf genügend breiter Basis unter Partnern diskutiert, im Bestreben, eigene Vorurteile abzubauen und auf ein für alle akzeptables, genau begründetes praktisches Ergebnis hinzuarbeiten, dann kann ein Stadium erreicht werden, worin der eine Partner — trotz verschiedener Standpunkte und Interessen in den wesentlichen Fragen — des anderen Sache mitvertreten kann. Dieses Stadium ist in der Frage des fünfwöchigen Schulpraktikums erreicht. Aus den theoretisch und Pragmatisch orientierten Aussprachen ergeben sich jetzt Grundsätze und praktische Konsequenzen, die ganz im Sinne der Sicht des Do-Renten sind, derart freilich, daß er wie alle eteiligten von den Beiträgen der anderen gelernt hat.

Es zeigt sich aus Anlaß der Praktikumserörterungen wieder einmal, was oft gelehrt, weniger oft praktiziert wird: Die Wissenschaft der Pädagogik in einem weiten Sinn ist keine Schreibtischwissenschaft. Sie „lebt" von den Schwierigkeiten und Problemen, die sich in der pädagogischen Praxis ergeben. Sie ist auf praktische Versuche und Beispiele (Exempel) angewiesen. Wenn wir die Vielfalt der Aufgaben für Mentoren, Dozenten und Studenten im Praktikum überschauen, wenn wir an die Notwendigkeit der Verflechtung dieser Aufgaben im Praktikum und mit den Lehrveranstaltungen in der Hochschule denken, wenn wir die Beschränkung des Studenten in seiner Fächerwahl berücksichtigen und andererseits den Zwang der organisatorischen Ge-gebenheiten zum überschreiten dieser Studienbegrenzung im Praktikum (und in der späteren Praxis) beachten, dann bleiben zwei Hauptforderungen:

— Jeder Dozent sollte von seinem Fach her das Praktikum als Hilfe für ein erfolgreiches Studium neu bedenken. Einmal bedeutet das Verständigungshilfe im Umgang mit den Vertretern des mehr theoretischen und denen des mehr praktischen Studiums. Zum anderen ist damit gemeint: Studienkonzentrationshilfe, d. h.: das Fördern eines Studierens unter ganz wenigen, selbstgewählten fächerübergreifenden Gesichtspunkten. Ein solches exemplarisches Studieren, das zugleich praxisbezogen ist und bescheidene Forschung unter Anleitung des Dozenten werden kann, ist bei der immer noch großen Fächerzahl des heutigen Lehrerstudiums ohnehin unvermeidbar; es ist die einzige Möglichkeit eines sinnvollen pädagogischen Studiums. Schließlich ist es die einzige Möglichkeit, mit organisatorischen Härten fertig zu werden — soweit sie unvermeidlich sind — und hinsichtlich der Auswirkungen des Praktikums auf die Schüler human, günstigenfalls pädagogisch zu verfahren.

— Unbeschadet dessen ist — auch bei den Überlegungen zu einer neuen Praktikumsordnung — festzuhalten, daß die Unzulänglichkeit der Praktikumsgegebenheiten. mitbegründet ist in der Unzulänglichkeit unserer gegenwärtigen Schulsituation, die wieder in Wechselwirkung mit gesellschaftlichen Spannungen der Gegenwart gesehen werden muß. Die Frage bleibt, wie der Dozent bei Beachtung dieser Forderungen seinen notwendigen Hauptinteressen der Lehre und in begrenztem Maße der Forschung gerecht werden kann. Wie geschieht das mit Rücksicht auf das Studium, also auf den Standpunkt des Studenten, wie mit Rücksicht auf die Position der Mentoren?

I.

Für die Belange des Studenten läßt sich folgen-'des ableiten:

a) Von der gesellschaftlichen Situation her ergibt sich für den Dozenten zunächst die Aufgabe der Verständigungshilfe. Er hat sie bei der Aussprache zwischen Studenten und Mentoren im Praktikum zu leisten. Sie kann in der Hochschule und besonders im Tagespraktikum vorbereitet werden. Demgemäß geht es in Lehre und Studium um die Förderung eines Problembewußtseins des Studenten im Hinblick auf partnerschaftliche Umgangsformen der Sprache und des Verhaltens. Partnerschaft bedeutet darüber hinaus schon der inneren Einstellung nach nicht arrogante Nivellierung des anderen auf das eigene Niveau oder gar Überheblichkeit, sondern beruht auf gegenseitiger Anerkennung und Wertschätzung der je andersartigen Sachkompetenz. Sie wird nur so zur fruchtbaren Kooperation.

Daran wird deutlich, daß dem Studenten weiterhin die Praktika als Untersuchungs-und Erprobungsfeld nicht nur für einen späteren kollegialen Umgang unter Lehrern bewußt werden können, sondern zusammen damit auch für den „sozialintegrativen" Umgang mit den Schülern. Die Verständigungshilfe, die der Dozent leistet, wird dann ein Beitrag zur Frage der „Demokratisierung" der Bildungsinstitutionen Schule und Hochschule und ihrer Wechselwirkung. Es zeigt sich also, daß — recht verstanden — der Standpunkt des Studenten geradezu den des Dozenten herausfordert. Was zunächst pragmatisch als Umgangshilfe erscheint, weist in Wirklichkeit auf ein zentral bedeutsames Forschungsfeld der Wissenschaften an Pädagogischen Hochschulen hin.

b) In der Sachbezogenheit und Sachbeschränkung der soeben beschriebenen Verständigungshilfe zeigt sich nur die andere Seite der Hauptaufgabe des Dozenten an einer Pädagogischen Hochschule: Studienkonzentrationshilfe.Sie muß bei der Fächerstruktur im Lehrerstudium auf ein Erhellen des Zusammenhanges der pädagogisch-grundwissenschaftlichen Studienfächer mit den Schulfächern als Studienfächern hinauslaufen. Z. B. hat der pädagogische Arbeitsschulgedanke Konsequenzen für das didaktische Verständnis der Mathematik. Andererseits wirft er das didaktische Problem der Eigengesetzlichkeit jedes Schulfaches, hier des Rechnens und der Raumlehre oder der Mathematik, auf. Allgemein ergeben sich daraus Forschungsfragen des Lehrplans — „Curriculum-Forschung" —, woran die wissenschaftlichen Vertreter der Schulfächer und der pädagogisch-grundwissenschaftlichen Fächer erst das Zusammenarbeiten lernen müssen.

Doch auch Studenten und Dozenten müssen unter neuen Generationsbedingungen an der Hochschule erst wieder das Zusammenarbeiten an der Sache selbst lernen. Der Dozent hat dazu Gelegenheit, wenn er die studentische Praktikumstätigkeit als im weiteren Sinne pädagogische Forschungsund Erprobungshilfe beansprucht. In den meisten Fällen stellt der Dozent ein starkes Engagement der Studenten gerade im Praktikum fest, dem eine bewundernswürdige Einsatzbereitschaft vieler Mentoren entspricht. Diese Energien bieten sich a s wirksame Motivation für das theoretische Stu dium geradezu an, es kommt nur darauf ah von ihnen Gebrauch zu machen. Dazu gehör die Anregung des Studenten am Praktikum, Mut zur eigenen Konzeption zu haben, vor allem in der didaktischen Analyse von „Unterrichtsstoffen" und in der Überlegung methodischer Konsequenzen. Gerade im Praktikum, mit den Studenten zusammen oder von ihnen aufmerksam gemacht, findet und erprobt der Dozent neue oder ungewöhnliche Gesichtspunkte, Grundsätze und Methoden in Unterrichtsversuchen. Am Schreibtisch allein können einem eher menschlich fragwürdige „Experimente" einfallen. Die Disziplin der Pädagogik i. w. S. unterscheidet sich in diesem Punkt von den Naturwissenschaften, sofern sie nicht unter Laboratoriumsbedingungen, nicht hermetisch abgeschlossen von etwaigen schädlichen Auswirkungen auf Menschen geschieht. Ihre wissenschaftlichen Versuche müssen immer zugleich die Förderung der zu Versuchen beanspruchten Schüler bezwecken.

In diesem Sinne wird der Dozent in Verbindung mit den Gesprächspartnern des Praktikums zugeben, daß sich das Zentrum der wissenschaftlichen Arbeit mehr aus den Räumen der Pädagogischen Hochschule heraus in Richtung auf die Schule und Praktikumswirklichkeit verlagern muß und daß auch er selbst dazu von seinem Verständnis seines Lehrauftrages noch viel beitragen kann. Der große Vorteil der Pädagogischen Hochschule vor der traditionellen Universität ist, daß sie für den künftigen Lehrer diese Chance wahrnehmen kann.

c) Will man in Form der Verständigungs-und Studienintegrationshilfe die Zusammenarbeit mit Studenten fördern, so ergibt sich von selbst für die Praktikumsordnung einer Hochschulabteilung die Notwendigkeit einer Zusammenarbeit der Dozenten dieser Abteilung.

Als äußere Voraussetzung dazu ist erstens zu erwägen, daß (a) jeder Dozent nicht nur eine Anzahl von Studenten verantwortlich im Praktikum berät und ihnen die Praktikumsscheine bei erfolgreicher Ableistung ausstellt, sondern daß darüber hinaus (b) mehrere Dozenten alle wechselseitig für sämtliche ihnen zugeteilte Studentengruppen fachlich zuständig sind Es können ein bis zwei „grundwissenschaftlich" orientierte Dozenten und z. B. zwei vorwiegend mathematisch-naturwissenschaftlich-technisch ausgerichtete Dozenten einer Groß-gruppe mit entsprechend gewählten Studien-fächern vorstehen (etwa 36 bis 48 Studenten). Für jeden einzelnen Dozenten ist es so leich-ter möglich, in Verbindung mit der eigenen Forschung und mit eigenen Seminarveranstaltungen Untersuchungen in fachlich geeigneten Projektgruppen durchzuführen. Seminararbei-ten und wissenschaftliche Hausarbeiten für das 1. Lehrerexamen können dann eher sinnvoll aus schriftlichen Praktikumsaufzeichnungen hervorgehen.

Die zweite äußere Voraussetzung ist ein Überdenken von Reihenfolge, quantitativem und qualitativem Verhältnis der Hospitationsstunden und der eigenen Unterrichtsversuche des Studenten sowie von Quantum und Qualität seiner schriftlichen Aufzeichnungen im Hinblick auf den Erfolg des Praktikums. Ggf. sind organisatorische Konsequenzen zu ziehen.

Drittens ist es nötig, sich mit Studenten und Mentoren vom Schulunterricht zurückzuziehen zu ausgiebigen Praktikumsgesprächen. Für die Erprobung neuer Ideen und deren Erörterung ist Raum in der Schule zu schaffen. Die hierhin gehörigen Forderungen von Mentorenseite können auch vom Standpunkt des Theoretikers nur unterstützt werden, denn sie dienen letztlich der Qualität des Praktikums und des Unterrichts in der Schule. — Nur teilweise können diese Gespräche neben der Allein-arbeit der Schüler stattfinden („Stillarbeit").

II.

Die Verpflichtung, Sachwalter des jungen Menschen (Kindes) gegenüber der Gesellschaft zu sein, ist für den Studenten und Dozenten Theorie, für den Mentor jedoch Realität. Der Mentor muß z. B. die Durchführung bestimmter Forschungsvorhaben verweigern, wenn er, auch nach gründlicher Prüfung, meint, sie im Interesse der Kinder nicht verantworten zu können. Die konkreten Strukturgegebenheiten der Schule müssen folglich maßgebend für Praktikumsbelange werden. Sofern sie dem Auftrag der Schule nur unzureichend oder nicht erkennbar entsprechen, sind sie doch Fakten, mit denen man zu rechnen, die man zu bedenken hat.

a) Die Schule muß um der Zukunft der Schüler willen Leistungen fordern. Es ist also nötig, auf Leistungseffektivität des Unterrichts zu achten (Schulaufsichtsbehörde). Das gilt auch für den Rahmen zulässiger und notwendiger Studienleistungen des Praktikanten in dieser Schule (Mentor als Aufsichtsperson i. w. S.). Hierzu braucht man Leistungsmaßstäbe. Die Forderung des Mentors nach einem Austausch mit dem Dozenten über Leistungskriterien der Praktikums-Studien besteht daher von der Sache zu Recht, sofern sie zugleich dem Studium und dem künftigen Lehrer dient. Der Dozent hat folglich Hilfe zu leisten bei der Selbstkontrolle und Selbstkorrektur des Stu-

aenten. Er hat ein distinguierendes Bewußtsein für die Probleme der Schulwirklichkeit zu wecken.

Es kommt nicht so sehr darauf an, ob die vom Studenten gehaltene Stunde „gelungen" oder „nicht gelungen" ist. Es kommt nicht nur darauf an, daß „die Wissenschaft" in Gestalt des Dozenten oder „die Erfahrung" des Praktikers „sagt", wie weit hier vordergründig ein Ergebnis im Unterricht erreicht ist. Der Student soll sich vielmehr seiner derzeitigen fachlichen und pädagogisch-didaktischen Stärken und Schwächen so bewußt werden, daß er sie produktiv werden lassen kann für das Studium und den späteren Beruf. Das schließt nicht eine Übung in der Benutzung des methodischen Handwerkszeugs im Praktikum aus. Gefordert wird als Voraussetzung zum Umgang mit Schülern überhaupt ein gewisses Mindestmaß dieser Übung. Eine idealistische Verachtung dieses Unterrichtsaspektes wäre ebenso verfehlt wie es die Rezeptbedürftigkeit von Studenten auf der anderen Seite wäre

Es geht also nicht ohne die Festlegung genauer Aufgaben für die. Studenten seitens der Hochschule — Aufgaben, die erfüllt werden müssen, wenn das Praktikum erfolgreich absolviert werden soll An solchen Aufgaben muß sich die individuelle Beratung und Beur-teilung des Studenten orientieren, wenn man festhalten will, ob und wieweit das Praktikum mit Erfolg abgeleistet wurde. b) Die Schule hat aber mindestens insofern nicht nur eine Leistungs-, sondern auch eine Erziehungsaufgabe, als in ihr Verständigung und Umgang aller Beteiligten in einem demokratischen Sinn zu fördern ist. Das wird noch dringender, wenn Partner der Hochschule mit der Schule kooperieren wollen. Dazu muß die Basis des Austauschs über institutionsbedingle Leistungsfragen hinaus breiter angelegt werden.

Die fachbezogene Wissenschaftlichkeit des Dozenten Und die mit Demokratisierungsanspruch vertretenen Idealvorstellungen von Studenten sind notwendig. Der fächerübergreifende (oder auch resignierende) Realismus des Praktikers sowie seine Schwierigkeiten angesichts des Geltungsanspruches seiner Schüler bilden ein ebenso notwendiges Gegengewicht. All diese Tendenzen bedürfen einer vielfältigen Vermittlung. Gerade der junge Lehrer (Lehramtsanwärter) ist diesen verschiedenen Anforderungen von seinem vergangenen Studium und von seiner gegenwärtigen Vorbereitungszeit her ausgesetzt. Es ist daher naheliegend, einzelne Bezirksseminarveranstaltungen für „Referendare" (Hauptseminare) mit Praktikumsgruppen bei Praktikumsbesuchen von Dozenten zusammenzufassen. Von dort könnte man über die Wechselwirkung von Hochschulstudium einerseits und Einarbeitung des jungen Lehrers (Lehramtsanwärters) in den Beruf andererseits für beide Zwecke neue Gesichtspunkte gewinnen Die Studenten sollten die jungen Lehrer ermutigen, schwer erkämpfte Studienresultate nicht unter der neuen Arbeitslast zu vergessen; die jungen Lehrer sollten die Studenten ermutigen, den Weg über die Praxis zur erneuten theoretischen Vertiefung konsequenter zu suchen.

Bei der Festlegung und Durchführung der Studienaufgaben des Praktikums wäre aber auch der Kontakt mit den Schulbehörden (Schulräte und Regierungsbeamte) zu berücksichtigen. Denn hierbei könnten Kriterien der Qualität — und damit der (Selbst-) Beurteilung — der Lehrertätigkeit ebenfalls besser fundiert gewonnen werden, als es z. B. einzelne Unter richtsversuche oder Lehrproben in der punktuellen Bewertung von Praktikumsleistungen zulassen. Leistungssteigerung geschieht nicht, wenn von den Partnern ständig bloß Beurteilungsmaßstäbe angelegt werden — das wissen auch Schulaufsichtsbeamte. Sie ist ebenfalls nicht ohne Maßstab möglich. „Motiviert" wird sie eigentlich erst auf der Basis einer gemeinsamen Bewältigung von speziellen Aufgaben, die zur Lösung allgemeiner gesellschaftlicher Probleme augenfällig beitragen. Die kontinuierliche Arbeit des Lehrers ist auch in dieser Bedeutung zu sehen. Doch dann darf sie nicht allein mit Schülern stattfinden. Der Austausch mit der „Gesellschaft" — etwa in Gestalt der Eltern dieser Schüler —-muß nicht ein bloß zusätzlicher Kraftaufwand sein. In ihm können der Arbeit in der „Schulstube" wesentliche Energien zuwachsen. So können z. B. Dozenten und Studenten ebenso wie Lehrer, Seminar-und Fachleiter ebenso wie Schulräte an Elternabenden mit allseitigem Gewinn in ein unerforschtes Gebiet der Praxis und der Theorie vorstoßen.

Dies kann auch dann geschehen, wenn mit dem Wechsel von Landesregierungen eine Reform die andere ablöst. Es ist sogar zu einer kontinuierlichen, vorwärtsweisenden Arbeit in alten oder neuen Institutionen nötig, daß relativ freie Formen der Zusammenarbeit gefunden werden. Daran müssen nicht nur alle Nachbar-institutionen, sondern auch diejenigen maßgeblich beteiligt sein, die nicht oder wenig organisiert sind Die inneren Reformen könnten den Wettlauf mit den äußeren, organisatorischen Reformen nicht mehr durchhalten, wenn diese nicht mehr dem Anspruch einer praktischen Bewährung ernsthaft ausgesetzt wären. In unserem Fall muß die Freiheit und die reale Chance zu einer Zusammenarbeit im Praktikum in der hier skizzierten Art gesichert werden, damit die Reformarbeit nicht in eine schwere Krise gerät.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Dieser Gedanke geht auf eine Anregung der adagogischen Hochschule in Münster zurück.

  2. In denen der Student an Unterrichtsstunden des Mentors oder der Kommilitonen teilnimmt.

  3. Mit dieser Einschränkung ist der Intention Georg Geißlers zuzustimmen. Sein viel diskutierter Aufsatz „Der Vorbereitungsdienst der Junglehrer" zieht aber, gemessen an der in unseren Beiträgen erörterten Problematik, in seinen praktischen Konsequenzen den Trennungsstrich zwischen 1. und 2. Phase der Lehrerbildung zu scharf. Er erscheint auch zu optimistisch in bezug auf die Berücksichtigung der Schulwirklichkeit an den Universitäten allgemein (von 1959 wie an den von 1969). Vgl. Hans Bohnenkamp, Georg Geißler, Oskar Hammelsbeck, August Klein und Franz Vilsmeler (Hrsg.): Beiträge zur Lehrerbildung, in: Zeitschrift für Pädagogik, Weinheim und Düsseldorf Heft 3/1959, S. 290 bis 301. Man muß sich vergegenwärtigen, wie schwer es schon den Pädagogischen Hochschulen fällt, die Kluft von der Theorie zur Praxis hin zu überbrücken, obwohl zu ihnen gerade — im Gegensatz zu Universitäten — von vornherein Schulpraktika als integrierender Bestandteil gehören. Vgl. die kritischen Stellungnahmen zu Geißlers Aufsatz von Oskar Hammels-beck, Hans Sprenger, Fritz Pfeffer und Franz Vils-meier: a. a. O. S. 302— 318.

  4. Dies ist durch Erlaß des Kultusministers von Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1969 bestätigt.

  5. Hier ist an Idee und Erfahrungen einer Men toren-Dozenten-Arbeitsgemeinschaft" zu erinnern, die sich nicht auf Mentoren der 2. Phase der Lehrerbildung (Seminar-und Fachleiter) beschränken muß. Vgl. Oskar Hammelbeck, a. a. O., hierzu S. 304. Solche Arbeitsgemeinschaften könnten, ® einer arbeitsfähigen Größe gehalten, auch mit S u dentengruppen stattfinden.

  6. Eine solche nicht-institutionelle Integrationstendenz scheint mir bis heute zu wenig akzentuiert zu sein angesichts der Vielzahl der Einzelprobleme zur Frage Theorie-Praxis im Lehrerstudium und im Junglehrer-Vorbereitungsdienst. — Institutionalisierung nämlich wird immer notgedrungen mit einem Mindestmaß an Desintegration, Trennung, erkauft und bedarf daher der Gegengewichte. Das wird z. B. bei Institutionsreformplänen leicht vergessen, sofern sie auch die Integration restlos institutionalisieren wollen und damit das Problem gelöst zu haben meinen („Gesamtuniversität", „Gesamtschule"). — Vgl. zum speziellen Problem noch heutige Literatur, so Friedrich Roth /Rudi Maskus: Die Schulwirklichkeit als Studienfeld. Frankfurt (Main) 1967; dazu die Rezension dieses Buches von Franz Vilsmeier in: Zeitschrift für Pädagogik, Heft 1/1969, S. 95— 100; vgl. auch die von Vilsmeier in den Anmerkungen zu seiner Rezension angegebene wichtigste Literatur zu unserem Problem.

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Wolfgang Hinrichs, Dr. phil., Pro. fessor für Erziehungswissenschaft (Schwerpunkt: Allgemeine Didaktik und Schulpädagogik) an der Pädagogischen Hochsdiule Westfalen-Lippe, Abteilung Siegerland, geb, 1929; ständiger Mitarbeiter der Zeitschrift „Universitas". Veröffentlichungen u. a.: Schleiermachers Theorie der Geselligkeit und ihre Bedeutung für die Pädagogik, Weinheim/Bergstraße 1965; Die pädagogisch-didaktische Problematik der Volksschulreform, in: Die Deutsche Berufs-und Fachschule, Heft 9/1965; Ungelöste Probleme der Volksschulreform, in: Pädagogische Rundschau, Heft 5/6, 1968; zwei Aufsätze über Heimat, Heimatbindung und Kindlichkeit in: Unterricht heute, Heft 12/1969 und Heft 3/1970; Für und wider die Grundschul-Mathematik. Zur Frage einer pädagogisch-didaktischen Systematik von Lehrplänen, in: Westermanns Pädagogische Beiträge, Heft 9/1970.