Der Verfasser ist Mitautor eines Gutachtens des Instituts für Wirtschaftspolitik an der Universität zu Köln für das Bundeswirtschaftsministerium un-ter dem Titel „Konzept einer europäischen Konjunktur-und Währungspolitik" unter Leitung von Rrof. Dr. Hans Willgerodt gewesen. Das Gutachten wurde Ende August 1970 abgeschlossen und erscheint demnächst in überarbeiteter Form als Buch: Hans Willgerodt, A. Domsch, R. Hasse, V. Merx unter Mitwirkung von P. Kellenbenz, Wege und rrwege zu einer Europäischen Währungsunion (im dgenden zitiert: Hans Willgerodt u. a., Wege und Irrwege). Aufgrund der Gemeinschaftsarbeit an lesem Buch fühlt sich der Autor dieses Aufsatzes erpflichtet zu erwähnen, daß viele Anregungen von den Kollegen und insbesondere von rot. Willgerodt stammen. Den Inhalt dieses Auf-
atzes vertritt jedoch der Autor allein.
Eine Positionsbestimmung der gegenwärtigen Meinungsbildung im währungspolitischen Integrationsprozeß der EWG
Nach einer Phase der Stagnation wurden auf der Gipfelkonferenz von Den Haag vom
Nach den Ministerratstagungen vom 23. November 1970 und 14. /15. Dezember 1970 sowie den Beschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 kann festgestellt werden, daß der Einstieg in den Stufenplan vollzogen wurde. Offiziell hat die währungspolitische Zukunft der EWG zwar begonnen — aber mit spektakulären Rückschritten. Der Eintritt in den Stufenplan ist so problematisch, daß die Erfolgsaussichten, echte, dauerhafte und wirtschaftspolitisch vertretbare Integrationsfortschritte zu erzielen, unsicher sind. Frankreich sperrt sich entschieden, die wirtschaftspolitischen und politischen Konsequenzen einer echten Währungsunion auf sich zu nehmen 1). Es hat damit dem Anschein nach die Plattform des Haager Kommuniques wieder verlassen und sich auf die unverbindlichere Ebene der entsprechenden Regelungen der Römischen Verträge zurückgezogen.
Was wie ein plötzlicher Eklat aussieht, ist für denjenigen, der die währungspolitische Geschichte der EWG und die Diskussion 1970 genau verfolgte, gar nicht so überraschend gekommen. Erstaunlich für den Beobachter ist vielmehr gewesen, daß die eigentlichen Probleme so lange überdeckt wurden. Trotz des anfangs vielleicht berechtigten Optimismus mehrten sich jedoch relativ früh die Anzeichen dafür, daß sich hinter den gleichen Vokabeln in der Beschreibung des Zieles sehr unterschiedliche Strategien und Zielinhalte verbargen, die dann während der Ministerratssitzung vom 14. /15. Dezember 1970 für alle sichtbar wurden. Die Initiative von Den Haag traf sehr schnell auf die Bruchgrenze, an der in der EWG bisher viele Ansätze scheiterten — die mangelnde Übereinstimmung der Mitgliedstaaten in den politischen Zielen und Mitteln. Zu diesem Bereich muß auch — im Gegensatz zur Zollpolitik — die Währungsund Fiskalpolitik gezählt werden. Die Entwicklung bestätigte im Grunde eine ordnungspolitische Prognose, die bereits Ende August 1970 versucht wurde
1. Wie ist die Initiative von Den Haag im . Vergleich mit den Regelungen im EWG-
Vertrag (EWG-V) zu bewerten?
2. Welche Gründe führten zur Gipfelkonferenz von Den Haag und welche Rückschlüsse sind daraus zu ziehen?
— die Entschließung und die Entscheidungen des Ministerrates vom 8. /9. Februar 1971 zu beurteilen?
I. Die währungspolitische Initiative von Den Haag und die wichtigsten Reaktionen im Jahre 1970
In Den Haag haben die Regierungschefs der EWG-Staaten in Ziffer 8 des Kommuniques ihren Willen bekundet, den für die Stärkung der Gemeinschaft und für ihre Entwicklung zur Wirtschaftsunion erforderlichen weiteren beschleunigt Ausbau Sie sind der Auffassung, daß der Prozeß der Integration zu einer Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums führen muß. Zu diesem Zweck sind sie übereingekommen, daß im Rat im Laufe des Jahres 1970 ein Stufenplan für die Errichtung einer Wirtschaftsund Währungsunion ausgearbeitet wird. Die Entwicklung der Zusammenarbeit in Währungsfragen sollte sich auf die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik stützen." Einen ersten Ansatz dazu sahen die Regierungschefs im Memorandum der Kommission — dem sogenannten Barre-Memorandum — vom 12. Februar 1969, dessen wichtigste Vorschläge mittlerweile in die Tat umgesetzt wurden 3). Die bereits größ-tenteils verwirklichte Zollunion 4) sollte durch eine Währungsunion ergänzt werden, um aus der EWG eine Wirtschaftsunion
Als unmittelbare Folge der Haager Initiative wurde vom Rat am 6. März 1970 die Werner-Gruppe eingesetzt, um einen Stufenplan zur Verwirklichung der Währungsunion zu erarbeiten. Nach dem Zwischenbericht vom 20. Mai auch politisch bis zu einem gewissen Grade zusammenzuschließen.“ 1970
— vom Bundeswirtschaftsministerium
Union ein sehr detaillierter Stufenplan von B. Kohler/G. Schlaeger ausgearbeitet
II. Die Haager Initiative im Lichte der Regelungen des EWG-Vertrages
Um diese Initiativen richtig einordnen und beurteilen zu können, ist es als erstes notwendig, die Ziele und Maßnahmen des Haager Kommuniques mit den Regelungen des EWG-Vertrages zu vergleichen.
Im Haager Kommunique (Ziffer 8) sind folgende wirtschaftspolitische Ziele und materielle Aussagen über den zu beschreitenden Weg genannt und gemacht worden. Dabei sollte man die jeweils unterschiedlichen grammatikalischen Formen beachten (Indikativ, Konjunktiv).
1.und Währungsunion zu errichten. 2. Der Prozeß der Integration muß zu einer Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums führen.
3. Die Entwicklung der Zusammenarbeit in Währungsfragen sollte sich auf die Harmonisierung der Wirtschaftspolitik stützen.
4. Die Errichtung eines europäischen Reserve-fonds soll geprüft werden. Zu ihm müßte eine gemeinsame Wirtschafts-und Währungspolitik hinführen.
Neben diesen wirtschaftspolitischen Aussagen fällt in diesem Kommunique besonders die häufige Wiederholung und Bekräftigung der politischen Bedeutung der angestrebten Ziele auf.
Ziffer 3:
„Der Eintritt in die Endphase des Gemeinsamen Marktes heißt ja nicht nur die Unumstößlichkeit des bisher von den Gemeinschaften Erreichten anerkennen, sondern einem vereinten Europa den Weg bahnen ...“.
Ziffer 4:
„Die Staats-und Regierungschefs bekräftigen daher ihren Glauben an die politischen Zielsetzungen, die der Gemeinschaft ihren ganzen Sinn und ihre Tragweite verleihen, sie bekunden ihre Entschlossenheit, ihr Werk zu Ende zu führen, und sie betonen ihr Vertrauen auf den schließlichen Erfolg ihrer Bemühungen."
Ziffer 15:
„Sie beauftragten die Außenminister mit der Prüfung der Frage, wie, in der Perspektive der Erweiterung, am besten Fortschritte auf dem Gebiet der politischen Einigung erzielt werden können."
Diese Zielvorstellungen und die Betonung ihres politischen Charakters gehen weit über die Regelungen des EWG-Vertrages hinaus. Bei den Bemühungen um einen europäischen Zusammenschluß wurden von Anfang an nicht mit einheitlicher Intensität politische Integrationsziele mit dem wirtschaftlichen Zusammenschluß verbunden. Lediglich die Bundesrepublik Deutschland
Der EWG-Vertrag ist in diesem Sinne ein kodifizierter Interessenausgleich, der lediglich in der Präambel schwache politische Ansätze durchscheinen läßt
Am deutlichsten tritt der Mangel an politischer Koordinierungsbereitschaft im EWG-Vertrag in den Lösungen der wirtschaftsund währungspolitischen Zusammenarbeit zu Tage. Die Notwendigkeit einer konjunktur-und währungspolitischen Koordination wurde durchaus gesehen
In Art. 2 EWG-V
Eine logische Konsequenz dieser Grundeinstellung war, daß der Kommission und dem Ministerrat auf dem Gebiet der Konjunktur-und Währungspolitik nur das Recht eingeräumt wurde, einstimmig Emplehlungen und Stellungnahmen an die nationalen Regierungen zu richten. Gemäß Art. 189 Abs. 5 EWG-V sind diese „nicht verbindlich". Darüber hinaus enthält der EWG-Vertrag in Art. 73 für den Kapitalverkehr und in Art. 108/109 für den Handelsverkehr zwei Ausweichklauseln, die es den Mitgliedsländern erlauben, bei Zahlungsbilanzschwierigkeiten die Liberalisierungen des Wirtschaftsverkehrs befristet aufzuheben. W. Röpke sprach aus diesem Grunde von der EWG als einer „Zollunion mit Rücktritt-bremse"
Einen Ausweg aus den unzureichenden rechtlichen Regelungen suchte man in einem institutionellen Formalismus. Die Probleme wurden dadurch sichtbarer, blieben aber weiterhin ungelöst. Zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik wurden teilweise bereits im Vertrag (Währungsausschuß, Art. 105 Abs. 2), größtenteils aber im Laufe des Integrationsprozesses folgende Koordinierungsinstitutionen eingerichtet: Ausschuß für Konjunkturpolitik 9. März 1960
Ausschuß der Zentralbankpräsidenten 8. Mai 1964 Ausschuß für Haushaltspolitik 8. Mai 1964 Ausschuß für mittelfristige Wirtschaftspolitik 15. April 1964
Ihre Tätigkeit wurde aber auf die Erarbeitung von Vorschlägen, Gutachten und Stellungnahmen und auf das Sammeln von Informationen beschränkt.
Es wurden zwar wirtschaftspolitische Ziele und allgemeine Verhaltensweisen umschrieben und Koordinierungsinstitutionen gegründet; verbindliche Verfahrensregeln für die Zusammenarbeit in. Konjunktur-und Währungsfragen zu beschließen, war politisch unerreichbar. Erst recht gelang es nicht, eine gemeinsame Rangordnung der wirtschaftspolitischen Ziele festzulegen, die Voraussetzung einer erfolg reichen Koordinierung der Wirtschaftspolitik ist. Die gewählten Lösungen waren zu schwach und wurden zu wenig beachtet, um wenigstens faktisch eine wirtschaftspolitische Solidarität zwischen den EWG-Staaten zu begründen. In allen bisherigen wirtschaftspolitischen Konfliktfällen im Integrationsprozeß — insbesondere 1964 und 1968/69 — wurde der Vorrang der nationalen Interessenwahrnehmung sichtbar. Gleichzeitig wurden auch die Hoffnungen auf einen Sachzwang als Integrationsvehikel von Grund auf zerstört. Der Agrarmarkt mit seiner Rechnungseinheit („grüner Dollar") wurde nach den Währungskrisen und den Paritätsänderungen Frankreichs und der Bundesrepublik Deutschland 1969 quasi suspendiert. Die nationalen Unterschiede in der Gewichtung der wirtschaftspolitischen Ziele und die unterschiedlichen theoretischen Grundsätze beim Einsatz der wirtschaftspolitischen Instrumente (ganz grob: Globalpolitik gegen Strukturpolitik) waren zu stark. Die nationale Orientierung der Wirtschaftspolitik wurde nicht überwunden.
In ihrer Diagnose des Ausgangspunktes bestätigt die Werner-Gruppe mit Bedauern diese Verhaltensweisen: „Die bisherigen Bemühungen ermöglichten Teilfortschritte, haben aber in der Praxis nicht zu einer wirksamen Koordinierung oder Harmonisierung der Wirtschaits-Politik in der Gemeinschaft geführt, die indessen dem Geist des Vertrages von Rom entsprochen hätte . . . Die Diskussionen über die Konjunkturlage in der Gemeinschaft führten häufig nur zu Empfehlungen ganz allgemeiner Art, selbst wenn das gemeinschaftliche Interesse konkrete Stellungnahmen erfordert hätte. Im allgemeinen hatten die Konsultationsverfahren nicht die erwarteten Ergebnisse, entweder weil sie rein formalen Charakter hatten oder weil sich die Mitgliedstaaten ihnen durch Inanspruchnahme von Ausnahme-klauseln entzogen."
III. Die Kontroverse zwischen den , Ökonomisten" und „Monetaristen" — Ursprung und Verlauf
1. Die Haager Initiative und die Motive der einzelnen EWG-Staaten Für das Verständnis der sehr bewegten Diskussion um die Wirtschafts-und Währungsunion im Jahre 1970 und der problematischen Kompromisse vom 8. /9. Februar 1971 ist es ferner wichtig, die besondere Situation in der EWG vor der Gipfelkonferenz von Den Haag zu beleuchten. Sie bietet einen guten Ansatz zur Erklärung der unterschiedlichen Positionen, von denen die Mitgliedstaaten bei der Abfassung des Kommuniques ausgingen.
Nach zwölf Jahren erfolgloser Bemühungen um eine wirtschafts-und währungspolitische Koordinierung in der EWG, nach den tiefgreifenden Währungskrisen der Jahre 1968 und 1969 in Frankreich und in der Bundesrepublik Deutschland und angesichts des ungelösten Problems, wie der Beitrittsantrag insbesondere Großbritanniens behandelt werden sollte, lag über der inneren und äußeren Integrationspolitik der Schatten der Stagnation. Fortschritte konnten nur mit Hilfe einer gemeinsamen politischen Initiative erzielt werden
Die Mitgliedstaaten waren zunächst im Jahre 1969 zu der Einsicht gelangt, daß parallel mit einer Vorentscheidung über das Beitrittsproblem nach Vollendung der Zollunion die Wäh-rungskooperation versucht werden sollte. In Den Haag wurden alsbald das anspruchsvolle Ziel einer Wirtschaftsund Währungsunion formuliert und gleichzeitig bereits wichtige materielle Aussagen über den Integrationsweg gemacht (stufenweise; Gemeinschaft der Stabilität und des Wachstums; Harmonisierung der Wirtschaftspolitik; europäischer Reserve-fonds). Es entwickelte sich eine nahezu euphorische Stimmung, die dazu verleitete, die retardierenden Momente zu übersehen. Aber spätestens seit Ende Januar 1970 offenbarten die Inhalte der folgenden offiziellen Stufenpläne Belgien 27. Januar 1970 Bundesrepublik Deutschland 12. Februar 1970 Kommission der EG 4. März 1970 Werner-Plan, veröffentlicht am 10. März 1970 sowie amtliche als auch inoffizielle Stellungnahmen Frankreichs, Italiens und der Niederlande, daß erhebliche Differenzen in der Auslegung der Haager Initiative bestanden. Folgende Merkmale einer vollendeten Währungsunion wurden gleichermaßen aufgeführt: — Gemeinsame bzw. koordinierte Wirtschaftsund Währungspolitik;
— ein föderalistisches EWG-Zentralbanksy-
stem, ähnlich dem Federal Reserve System der USA;
— eine einheitliche Währung oder starre Wechselkursrelationen innerhalb der EWG, solange noch nationale Währungen bestehen;
— die Aufhebung von steuerlichen Wettbewerbsverzerrungen; — die Herstellung völliger Freiheit des Handels-, Dienstleistungs-und Kapitalverkehrs in der EWG.
Was angesichts dieser formalen Übereinstimmung wie ein nebensächlicher Disput um die Mittel sowie um die Zeit-und Rangfolge der Maßnahmen in der Übergangsphase aussieht, war aber in Wirklichkeit von Anfang an auch ein Streit um die Grundsätze, also um die Ziel-inhalte gewesen. Diese Aussage kann am Beispiel des geplanten EWG-Zentralbanksystems verdeutlicht werden. Die Einrichtung einer „zentralen Institution" allein reicht nämlich nicht aus. Damit sie wirksam die Geld-und Kreditpolitik in der EWG beeinflussen kann, müssen ihr gleichzeitig alle wichtigen Kompetenzen übertragen werden. Insbesondere muß das Verhältnis zu den politischen, nationalen und gemeinschaftlichen Instanzen klar fixiert werden. Es muß feststehen, ob sie weisungsabhängig — wie zum Beispiel in Frankreich und Italien — oder weitgehend unabhän-
gig 1— wie die Deutsche Bundesbank — sein soll. Das Innenverhältnis zwischen der europäischen Zentralbank und den nationalen Notenbanken muß geklärt und die währungspolitische Zielsetzung einer europäischen Zentralbank formuliert werden. Es muß darüber entschieden werden, ob die europäische Zentralbank mehr die Wirtschaftspolitik der politischen Instanzen unterstützen oder, davon relativ unabhängig, vorrangig dem Ziel der Währungsstabilität verpflichtet werden soll.
Wo also Einigkeit über eine Institution bestand, war deren Aufgabenkatalog so umstritten, daß von einer Konkurrenz der Ordnungsmodelle gesprochen werden kann.
Entsprechend dieser Kontroverse um grundlegende währungspolitische Ordnungsprinzipien lassen sich die gegensätzlichen Positionen durch die Antinomie „Monetaristen gegen Ökonomisten" kennzeichnen. Bis zum Kompromißvorschlag im Abschlußbericht der Werner-Gruppe konnten die EWG-Mitgliedstaa-ten wie folgt zugeordnet werden: Stärker „monetaristisch" orientiert waren Belgien, Frankreich und Luxemburg; überwiegend „ökonomistisch" ausgerichtet dagegen-die Bundesrepublik Deutschland, Italien und die Niederlande — wobei die jeweils stärksten inhaltlichen Gegensätze durch Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland repräsentiert wurden. Zugleich spiegelt diese Kontroverse die unterschiedlichen Motive wider, die der Haager Zielsetzung zugrunde gelegen haben. Es lassen sich vier Motivgruppen unterscheiden
meinschaftsorgane ab. Die Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik sollte in erster Linie durch die oben erwähnten monetären Hebel erzwungen werden (Sachzwangargument). Die Erschwerung rechtzeitiger nationaler Wechselkursänderungen vermindert aber die Möglichkeiten der stabilitätsorientierten Länder, sich zum Beispiel gegen Inflationsprozesse aus Partnerländern abzusichern — oder anders ausgedrückt: Wenn das Stabilitätsziel nicht allgemein verbindlich ist, dann kann das inflationsfreudigste Land die Inflationsrate in der Gemeinschaft bestimmen. Aus dieser Sicht erscheint es dann auch folgerichtig, wenn man von den Stabilitätsländern als Zeichen der Gemeinschaftssolidarität die Anpassung an eine durchschnittliche gemeinschaftliche Inflationsrate verlangte. 3. Bei der Kommission der Europäischen Gemeinschaften dominierte der Wille, durch die währungspolitischen Anstrengungen die bestehenden Agrarmarktregelungen abzusichern. In ihnen sieht die Kommission einen Eckpfeiler der Gemeinschaft
a) Für die Bundesrepublik war der Beginn der verstärkten Westintegration eine Voraussetzung für ihre Ostinitiativen
b) Italien hoffte, mit dem Hinweis auf die Verpflichtungen in der Gemeinschaft sein innenpolitisches Reformprogramm leichter verwirklichen zu können.
c) Frankreich wiederum legte aufgrund seiner bisherigen Taktik die Vermutung nahe, daß es beabsichtigte, währungspolitische Fakten zu schaffen, die auch für die beitritts-willigen Länder neue Hürden bedeuten könnten. 2. Wirtschafts-und währungspolitische Grundsätze für eine Währungsunion und die Positionen der „Ökonomisten" und „Monetaristen"
Allein schon die sehr konträren Motive ließen mehr Zurückhaltung oder gar Skepsis gegenüber schnellen Erfolgen angeraten sein. Insbesondere die Terminierung auf ein Jahrzehnt schien m. E. von Anfang an weder der politischen Ausgangslage noch den geschichtlichen Erfahrungen auf diesem Gebiet gerecht zu werden. Damit ist bereits angedeutet, daß die Einigkeit in Den Haag mehr formeller als materieller Natur gewesen ist. Im Grunde waren nämlich alle essentiellen Punkte Umstritten. Strittig waren vor allem folgende Problembereiche: 1. Die Anerkennung des politischen Charakters des Zieles der Wiftschaftsund Wäh-rungsunion. Es war das Ringen um die Einigung über die politische Bedeutung des Stufenplans von seiner ersten Phase an. Die Frage stellte sich also, ob der Eintritt-in die erste Stufe des Planes bereits einen irreversiblen Prozeß auslöst oder ob er nur einem experimentellen Anfang entspricht.
2. Der damit eng verbundene Fragenkomplex, ob und wann gemeinschaftliche wirtschaftsB und währungspolitische Institutionen errichtet und mit welchen Kompetenzen sie ausgestattet werden sollen.
3. Die Frage über die zweckmäßigste Methode; ob die Integration unter Beachtung des Parallelitätspostulats, also durch eine direkte politisch autorisierte Koordination unterstützt und beschleunigt oder mehr indirekt über die freiwillige Koordination aufgrund postulierter Sachzwänge gefördert werden soll.
4. Die Entscheidung, welche Rangfolge den wirschaftspolitischen Zielen in der Übergangszeit und in der vollendeten Wirtschaftsund Währungsunion beigemessen werden soll.
Die Abweichungen in den Positionen der „Ökonomisten" und „Monetaristen" lassen sich am besten zeigen, wenn sie an einigen Grundsätzen über die Ziele und Institutionen einer Währungsunion und über einen Integrationsweg gemessen werden. Sie können somit auch als Maßstab zur Beurteilung der tatsächlichen Entwicklung bis zu den Minister-ratsbeschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 verwendet werden.
Grundsatz 1: Der politische Gehalt einer Währungsunion Die Währungsunion hat einen eminent politischen Gehalt. Die wesentlichsten Kennzeichen der echten Währungsunion sind, daß die Geld-und Kreditpolitik und die Konjunktur-politik durch übernationale Instanzen ausgeübt werden.
In einer sehr aufschlußreichen Studie hat Hans R. Krämer
Diese Erkenntnis für eine Zeit, in der das liberale Trennungsprinzip zwischen Politik und Wirtschaft weitgehend galt, gewinnt heute um so mehr an Bedeutung. Das 20. Jahrhundert ist das Zeitalter der „Politisierung" der Wirtschaftspolitik durch den Protektionis-mus im Handelsverkehr, die Konvertibilitäts-schranken im Kapitalverkehr, die Manipulation der Geldschaffung und durch den gesteuerten Einsatz der Fiskalpolitik. Die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse ist die Grundlage jeder Währungsunion. Damit werden die Märkte und die nationalen wirtschaftspolitischen Maßnahmen internationalisiert. In dem Maße, in dem die Möglichkeit der nationalen Kontrolle und Beeinflussung der Märkte schwindet, wird deshalb heute nicht nur die wirtschaftspolitische, sondern auch die politische Souveränität der Einzelstaaten beschränkt.
Die Währungsunion kann am besten im Rahmen einer bereits bestehenden politischen Union verwirklicht werden. Sofern diese noch nicht besteht, verlangt die Errichtung einer Währungsunion eine sehr weitgehende politische Bereitschaft, auf nationale Rechte ganz oder teilweise zugunsten gemeinsamer Organe zu verzichten. Dieser Verzicht ist natürlich um so größer und verursacht dementsprechende Widerstände, je stärker der Staatseinfluß auf den nationalen Wirtschaftsprozeß im Ausgangszeitpunkt ist. Deshalb sollte bereits am Anfang eines Integrationsprozesses die Endstufe auch mit ihrem politischen Inhalt gesehen und akzeptiert werden, um zu vermeiden, daß die Ziele und der Integrationsweg zur vollendeten Union verstärkt in den Strudel kurzfristiger nationaler Interessengegensätze geraten. Die Währungspolitik ist für die unter solchen Gegebenheiten zu erwartenden Kompromisse der denkbar ungeeignetste Bereich.
Grundsatz 2: Das Verhältnis wirtschaits-und währungspolitischer Organe zu den politischen Instanzen Es ist daher unerläßlich, um die Wirtschaftsund Währungspolitik verbindlich und wirksam zu koordinieren und zu zentralisieren, zwar schrittweise, aber endgültig die Entscheidungskompetenz auf gemeinschaftliche Institutionen zu übertragen.
Als Grundsatz hat zu gelten:
— Für die interne Geld-und Kreditpolitik sollte bereits in der Übergangszeit begonnen werden, ein von politischen Instanzen weisungsunabhängiges
— Für die Fiskalpolitik muß auf Gemeinschaftsebene ein Entscheidungsgremium und ein politisches Kontrollorgan — zum Beispiel das Europäische Parlament — geschaffen werden.
Grundsatz 3: Die wirtschaftspolitische Zielformulierung für eine Währungsunion Ebenso wichtig ist, daß eine Währungsunion nur dann angestrebt werden sollte, wenn Klarheit über die Rangordnung der wirtschaftspolitischen Ziele besteht. Konkret heißt das: dem Ziel der Währungsstabilität ist die Priorität einzuräumen. Die Koordination der Inflationsraten auf ein mittleres gemeinschaftliches Niveau ist abzulehnen. Die Währungsstabilität ist kein bloßes Glaubensbekenntnis — es ist nicht unmöglich, sie annähernd zu erreichen. Hinter diesem Ziel stehen schwerwiegende ökonomische und gesellschaftspolitische
Die Anerkennung oder Abschwächung dieser Grundsätze zur Erreichung einer echten Währungsunion sind der eigentliche Kern der Kontroverse zwischen den „Ökonomisten" und „Monetaristen". Während die „Ökonomisten" bereit sind, diese Grundsätze zu akzeptieren und für eine parallele Einführung von monetären Maßnahmen sowie von verbindlichen Koordinierungsanstrengungen plädieren, lehnen die „Monetaristen" das Ziel der Preisstabilität, eine verbindliche Koordinierung der Wirtschaftspolitik und vor allem eine eindeutige Erklärung zu den politischen Implikationen des Integrationsprozesses ab oder glauben, darauf verzichten zu können. Sie wollen in erster Linie über eine „monetäre Schiene" die Integration verwirklichen. Sie behaupten, daß vor allem durch die frühzeitige Schaffung quasi binnenmarkt-ähnlicher Verhältnisse — geringe Bandbreite der Wechselkurse — ein ausreichender Integrationszwang zu erreichen sei.
Da die Frage nach der Stichhaltigkeit dieser Argumentation gerade nach den Beschlüssen vom 8. /9. Februar 1971 in den Mittelpunkt des Interesses gerückt ist, soll sie genauer analysiert werden. Um die innere „Logik" der „monetaristischen" Argumentation zu begreifen, muß man ihre Maßnahmenkombination im ganzen untersuchen.
Zuvor jedoch einige Bemerkungen zu der Sachzwangstrategie der „Monetaristen": Dazu sei zunächst auf ein weiteres Ergebnis der bereits erwähnten Studie von Hans R. Krämer verwiesen, daß nämlich politische Unionen durch wirtschaftliche Integrationsformen wohl erleichtert, aber nie erzwungen werden. Die „Monetaristen" lehnen eine direkte Koordination der Wirtschaftspolitik ab. Sie wollen sie zwar auch, aber nur durch die Hintertür eines Sachzwanges. Da die „Ökonomisten" ohnehin koordinierungsbereit sind, legen die „Monetaristen" also sich selber einen Zwang auf. Diese Art der Selbstüberlistung ist zu durchsichtig, um dahinter nicht eine weitergehende Zielsetzung zu vermuten.
Eine Verengung der Bandbreite oder gar eine Fixierung der Wechselkurse als erster Schritt zur Währungsunion muß nicht zwangsläufig falsch sein. Letztlich kann jeder Wechselkurs — und sei er noch so falsch — nachträglich zu einem Gleichgewichtswechselkurs gemacht werden, wenn die Wirtschaftspolitiker bereit sind, die binnenwirtschaftlichen Wertgrößen durch Inflation (bei unterbewertetem Kurs) oder Deflation (bei überbewertetem Kurs) an das Datum des Wechselkurses anzupassen. Die Rückkehr Großbritanniens 1926 zur Gol Parität von 1914 und teilweise auch die Weigerung der Regierung Brüning, de Wechselkurs abzuwerten, sind Beispiele u eine solche Wirtschaftspolitik. Ein Sachzwang geht von der Fixierung der Wechselkurse nur aus, wenn die Wirtschaftspolitik zur abhängigen Variablen des Wechselkurses erklärt wird
Da in der EWG gerade die „Monetaristen" eine Tendenz zu diesen Verhaltensweisen dokumentieren, müßten sie bei einer Befolgung ihrer eigenen Sachzwangstrategie eine erstaunliche Kehrtwendung in ihren konjunkturpolitischen Verhaltensweisen vollziehen. Diese ist jedoch gar nicht vorgesehen. Im Gegenteil, beabsichtigt ist zumindest ein teilweiser Export der eigenen Inflation und eine Verlagerung der Anpassungslasten auf die Nachzügler im inflationären Geleitzug der Gemeinschaft.
In allen Stufenplänen wird davon ausgegangen, daß in naher Zukunft innerhalb der EWG noch Zahlungsbilanzstörungen auftreten werden. Die „Ökonomisten" verlangen deshalb verstärkt eine Ursachentherapie — die verbindliche Koordinierung der Wirtschaftspolitik zur präventiven Vermeidung von Zahlungsbilanzungleichgewichten. Die „Monetaristen" dagegen bestehen auf einer Kompensationstherapie — der Bereitstellung von Zahlungsbilanzkrediten und einer frühzeitigen teilweisen Poolung der Reserven (Aufhebung der Rückzahlungsverpflichtung) zur nachträglichen Überbrückung von Zahlungsbilanz-Schwierigkeiten. Parallel dazu verweigern oder erschweren sie eine verbindliche wirt-schaftspolitische Zielformulierung und Koordinierung sowie eine Übertragung wirtschaftspolitischer Instrumente auf Gemeinschaftsorgane. Die Zahlungsbilanzkredite, die heute im Rahmen des IWF und zusätzlich innerhalb der EWG gewährt werden, werden von den Empfängerländern, das heißt in der Regel von den Stabilitätsländern, durch tendenziell inflatorische Nettogeldschöpfung finanziert
Die „Monetaristen" sind letztlich gar nicht bereit, sich einem Sachzwang zu unterwerfen.
Im Gegenteil: Sie wollen nicht nur ihre wirtschaftspolitischen Instrumente behalten, son- dem den Spielraum für ihren Einsatz sogar noch vergrößern. Sie fordern monetäre Mechanismen, die es ihnen ermöglichen, ohne eigene schmerzhafte binnenwirtschaftliche Anpassungen ihre Schwierigkeiten teilweise zu exportieren. Sie könnten ihre relativ autonome Konjunkturpolitik weiterführen und er-erhielten bei selbst verschuldeten Zahlungsbilanzstörungen Kredite, die die Stabilitätsländer durch Nettogeldschöpfung finanzieren. Die von den „Monetaristen" angestrebte Maßnahmenkombination (Verringerung der Bandbreite, kurz-und mittelfristige Kreditmechanismen, teilweise Poolung der Reserven in einem Devisenausgleichsfonds und eine Koordinierung der Wirtschaftspolitik auf freiwilliger Basis) eröffnet die Gefahr einer stärkeren Inflationierung der Gemeinschaft. Angesichts dieser Extremposition hätten die „Ökonomisten" mit Nachdruck auf dem Ziel einer Stabilitätsgemeinschaft und auf der Verwirklichung des Parallelitätspostulats beharren müssen. 3. Die Berichte der Werner-Gruppe Was geschah 1970? Nachdem bis März 1970 die Standpunkte aller Mitgliedstaaten ungefähr zu übersehen waren, wurde die Ausarbeitung eines Kompromißvorschlages vom Ministerrat am 6. März 1970 einer Sachverständigengruppe unter Leitung des luxemburgischen Ministerpräsidenten P. Werner übertragen. Am 20. Mai 1970 legte die Werner-Gruppe einen Zwischenbericht vor, der neben einer Wiederholung der unterschiedlichen Standpunkte
— Es wurde festgestellt, daß bis zur und vor allem in der Endstufe wirtschafts-und währungspolitische Kompetenzen auf zentrale Organe übertragen werden müßten.
— Es wird klar gesagt, daß die erforderlichen institutioneilen Reformen Änderungen des Vertrages von Rom voraussetzen; „die hierzu notwendigen Vorarbeiten müssen schon im Laufe der ersten Stufe abgeschlossen werden"
„. . . die wirtschafts-und währungspolitische Einigung ist ein irreversibler Prozeß, auf den man sich mit dem festen Willen einlassen muß, ihn zum Abschluß zu bringen, indem man alle seine wirtschaftlichen und politischen Auswirkungen akzeptiert"
Der Zwischenbericht wurde auf der Ministerratstagung vom 8. und 9. Juni 1970 den Wirtschaftsund Finanzministern der EWG-Länder vorgelegt. Ohne substantielle Abstriche wurden gerade die . letzten Aussagen von allen Ländern angenommen
Diese Ministerratstagung brachte ferner für das Wechselkursproblem eine wichtige Vor-entscheidung:
Die EWG-Mitgliedstaaten beschlossen, unabhängig vom Ausgang der Wechselkursdiskussion im Rahmen des IWF von einer zulässigen größeren Bandbreite der Wechselkurse innerhalb der EWG keinen Gebrauch zu machen.
Am 8. Oktober 1970 legte dann die Werner-Gruppe ihren Abschlußbericht vor, der von allen Sachverständigen als gemeinsamer Kompromißvorschlag akzeptiert wurde. In diesem Bericht sind die weiter oben entwickelten Grundsätze über den politischen Gehalt einer Währungsunion, über die Zuordnung der Kompetenzen auf gemeinsame wirtschaftsund währungspolitische Entscheidungsorgane und über die wirtschaftspolitische Zielformu-
lierung fast vollständig enthalten. Wenn daraus in den Detailvorschlägen auch nicht alle Konsequenzen gezogen wurden
Er wird aber durch Grundsatzüberlegungen zu den erforderlichen wirtschaftspolitischen und politischen Institutionen in der Endstufe und durch detaillierte Vorschläge für Koordinierungsverfahren für die erste Stufe (1971—73) erweitert, in der nach Meinung seiner Verfasser die Entscheidung über Erfolg oder Mißerfolg der Bemühungen fallen wird. Die wichtigsten Grundsätze und Maßnahmen sind: 1. Die Autoren heben die politische Bedeutung des Integrationsprozesses zur Währungsunion hervor, indem sie ausführen, daß die unabdingbaren Koordinierungs-und Harmonisierungsbemühungen eine „progressive Entwicklung der politischen Zusammenarbeit" voraussetzen. „Die Wirtschafts-und Währungsunion erscheint somit als ein Ferment für die Entwicklung der politischen Union, ohne die sie auf die Dauer nicht bestehen kann."
3. Ebenso eindeutig wird in der Schlußfolgerung A die wirtschaftspolitische Zielsetzung formuliert. Die Wirtschafts-und Währungsunion „soll es ermöglichen, Wachstum und Stabilitätin der Gemeinschaft zu sichern ... und aus der Gemeinschaft einen Stabilitätsblock zu machen"
4. Es wird unmißverständlich das Parallelitätspostulat als Grundsatz aller Integrationsbemühungen gefordert. Danach muß die Schaffung der Währungsunion mit „parallelen Fortschritten in der Konvergenz und später in der Vereinheitlichung der Wirtschaftspolitiken" verbunden sein. Ferner müssen „parallel zur Einschränkung der wirtschaftspolitischen Autonomie der Mitgliedstaaten . . . entsprechende Kompetenzen auf der Gemeinschaftsebene aufgebaut werden"
Um die Koordinierung verbindlicher zu gestalten, werden folgende behutsame erste Schritte vorgeschlagen: Die Konsultationsverfahren sollen obligatorisch werden, indem jedes Land auf die Anwendung der Ausweichklauseln in den bestehenden Konsultationsabkommen verzichtet
6. Für die Koordinierung der Wirtschafts-und Währungspolitik schlägt die Werner-Gruppe folgende Verfahren und Kompetenzverteilung vor
In der ersten Stufe soll der Ministerrat (Wirtschafts-und Finanzminister der Mitgliedstaaten; die zuständigen Mitglieder der Kommission) das zentrale Entscheidungsorgan für die allgemeine Wirtschaftspolitik sein. An seinen Sitzungen sollen regelmäßig die Notenbank-präsidenten und, wenn es erforderlich ist, weitere hochgestellte Vertreter der Regierungen und der Zentralbanken mit ausreichenden Befugnissen teilnehmen. Auf mindestens drei Tagungen pro Jahr sollen die Wirtschaftslage untersucht, quantitative Orientierungsdaten für die Eckwerte der öffentlichen Haushalte erarbeitet und festgelegt werden. Als Schlußstein soll dann der Rat auf Vorschlag der Kommission einen „Jahresbericht zur Wirtschaftslage der Gemeinschaft" verabschieden. Dieser soll, ebenso wie die auf Gemeinschaftsebene festgelegten mittelfristigen quantitativen Ziele, dem Wirtschafts-und Sozialausschuß und dem Europäischen Parlament vorgelegt und den nationalen Parlamenten vor der Haushaltsberatung zur Kenntnis gebracht werden.
Neben diesen regelmäßigen Untersuchungen sind sogenannte ad hoc-Examen bei Gefahrensituationen vorgesehen. Sie sollen auf Antrag eines Mitgliedstaates oder der Kommission durchgeführt werden, um spezifische Maßnahmen zu empfehlen oder zu beschließen.
Zur besseren Koordinierung der Währungspolitik soll der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten Orientierungen für die Geld-und Kreditpolitik festlegen, insbesondere für das Zinsniveau, die Entwicklung der Bankenliquidität und für die Kreditgewährung an den privaten und öffentlichen Sektor. Geplante und tatsächliche Abweichungen von diesen Orientierungen sollen zu Konsultationen im Ausschuß führen. Ebenfalls soll dem Ausschuß das Recht
Zusammenfassend muß noch einmal betont werden, daß dieser Bericht bereits ein Kompromiß ist. Er enthält ein Integrationskonzept, das trotz einiger schwerwiegender Einwände die Chance eröffnet, eine echte Währungsunion und Stabilitätsgemeinschaft zu verwirklichen. Voraussetzung dafür wäre jedoch, daß die Grundsätze und Vorschläge konsequent realisiert und gleichermaßen auf die noch ungelösten Fragen (vgl. u. a. Fußnote 46) angewandt werden. 4. Die Stellungnahme der Kommission zu dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe Der Abschlußbeicht der Werner-Gruppe wurde trotz geringer Abweichungen von fünf EWG-Staaten begrüßt. Dabei hatten Belgien und Luxemburg eine Annäherung an den Standpunkt der „Ökonomisten" Vollzogen. Paris schwieg. Es drangen nur inoffizielle Informationen durch, daß gaullistische Politiker und Staatspräsident Pompidou den französischen Delegierten in der Werner-Gruppe, B. Clappier (Vizegouverneur der Banque de France und Vorsitzender des EWG-Währungsaus-Schusses), gerügt hätten, weil er den Abschlußbericht unterzeichnete, in dem der französische Standpunkt nicht dominierte.
Kaum zwanzig Tage nach der Veröffentlichung des Abschlußberichtes nahm die Kommission am 29. Oktober 1970 zu den Vorschlägen der Werner-Gruppe Stellung und formulierte Entschließungsvorschläge und -entwürfe für den Rat
1. Eine Stärkung der eigenen Stellung. Die Kommission versteht sich als Motor der Integration. Im Abschlußbericht der Werner-Gruppe werden ihr keine neuen Aufgaben und Rechte zugeteilt
2. Die bewußte Schaffung eines „monetaristischen" Gegengewichts, nachdem in der Werner-Gruppe die „Ökonomisten" einen Sieg nach Punkten errungen hatten. Dafür spricht, daß der Stufenplan der Kommission vom 4. März 1970 stärker „monetaristisch" war und daß die für Währungsfragen zuständige Generaldirektion „Wirtschaft und Finanzen" von dem Franzosen R. Barre geleitet wird, der als „Monetarist" bezeichnet werden kann.
Wenn man die Aussagen der Kommission in ihren Grundzügen klassifiziert und sie den Vorschlägen des Schlußberichts der Werner-Gruppe zuordnet, so hat sie -
— den Abschlußbericht der Werner-Gruppe zu einer subsidiären Entscheidungshilfe für einen Stufenplan abqualifiziert;
— das politische Endziel und die damit verbundenen institutionellen Reformen teilweise ausgeklammert und teilweise abgeschwächt; — mit einer Ausnahme keinen Vorschlag der Werner-Gruppe übernommen, der die Koordination der Wirtschaftspolitik verbindlicher machen sollte;
— die monetären Maßnahmen hervorgehoben; — das Stabilitätsziel entscheidend relativiert und — versucht, ihre eigene Position zu stärken
Die Vorstellungen der Kommission fanden in Paris umgehend ein positives Echo und wurden in der sich anschließenden Diskussion in der Tendenz noch bestärkt. Frankreich gab mittelbar über die Zustimmung zu dieser Stellungnahme der Kommission sein Minderheitsvotum ab. Deshalb ist es zweckmäßig zu umreißen, wie groß die Kluft zwischen den Auffassungen der fünf EWG-Länder, die den Abschlußbericht der Werner-Gruppe stützten, und Frankreich und der Kommission zu diesem Zeitpunkt noch war. a) Die Beurteilung des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe durch die Kommission Die Kommission stimmt den Schlußfolgerungen des Abschlußberichts nur „im großen und ganzen" zu. Diese Einstufung wird in dem „Entwurf einer Entschließung" verdeutlicht. In ihr wird der Abschlußbericht nicht gebilligt, sondern in den Vorbemerkungen unter den Erwägungsgründen nur erwähnt. Der Rat soll diese Vorschläge zwar „berücksichtigen", sich aber nicht bei seinen Entscheidungen auf sie „stützen"
Sofort am Anfang hebt die Kommission unzweideutig hervor, daß sie die im Abschlußbericht „vertretenen Ansichten über die für die Existenz einer Wirtschafts-und Währungsunion unerläßlichen Elemente und über die wirtschaftlichen Konsequenzen einer solchen Union"
Diese Haltung wird an vielen Stellen präzisiert, indem wesentlich schwächere Formulierungen als im Abschlußbericht gewählt werden. Es wird die Taktik eingeschlagen, mög-lichst am Anfang keine verbindliche Vorentscheidung über die politische Entwicklung der Währungsunion treffen zu müssen, zumal für die Kommission die Ergebnisse des Abschlußberichts zeigen, „daß wichtige Fragen sowohl hinsichtlich des Endpunktes wie des Überganges zur Wirtschaftsund Währungsunion noch gründlich untersucht werden müssen"
Diese Taktik tritt hervor in der Behandlung des Übergangs zur zweiten Stufe. Die Werner-Gruppe schlägt eine Regierungskonferenz vor, auf der alle erforderlichen Vertragsänderungen für die Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion als Paket verabschiedet werden. Der Kommissionsentwurf spricht dagegen nur ganz allgemein von Maßnahmen, die „nach der 1. Stufe zu treffen sind"
Das Ziel eines Stabilitätsblocks bleibt also offen. Auch bietet diese Zielbeschreibung in Kombination mit der völlig unzureichenden Berücksichtigung der Koordinierung der Wirtschaftspolitik keinen Ansatz, um die unterschiedlichen Zielpräferenzen innerhalb der EWG zu überwinden.
Diese Analyse könnte noch sehr detailliert fortgesetzt werden, da das Kommissionspapier noch viele Nuancierungen, kleinere Auslassungen und verbale Umformulierungen enthält, die eine Abweichung vom Abschlußbericht der Werner-Gruppe bedeuten. Aber diese Gegenüberstellung zeigt bereits deutlich, daß insbesondere Frankreich nicht gewillt war, einem Kompromiß zuzustimmen, der zu große Abstriche am eigenen Konzept verlangen würde. Vielleicht wurde aber die Stellung auch aus taktischen Überlegungen heraus bewußt so gegensätzlich dargestellt, um in den Verhandlungen auf Randgebieten sich nachgiebig erweisen zu können — also Kompromißbereitschaft'zu zeigen —, ohne den Kern aufgeben zu müssen. Die Kontroverse brach wieder aus, allerdings stand Frankreich diesmal einer recht geschlossenen Phalanx der übrigen EWG-Staaten gegenüber. 5. Die Ergebnisse der Ratstagungen vom 23. November und 14. /15. Dezember 1970
Das Kommissionspapier geriet sofort nach seiner Fertigstellung in das Kreuzfeuer der Kritik. Auf der Ratstagung am 23. November 1970 wurden dann die Fronten neu geklärt, indem die Ratsmitglieder die Haltung ihrer Länder erläuterten.
Mit Ausnahme Frankreichs betonten alle EWG-Staaten, daß der Eintritt in den Stufen-plan für eine Wirtschafts-und Währungsunion nur gewagt werden kann, wenn alle EWG-Mitglieder bereit seien, die wirtschaftlichen, politischen und institutionellen Konsequenzen und die Irreversibilität dieses Schrittes anzuerkennen. Die kompromißloseste Haltung nahmen die Niederlande ein. Staatssekretär Schöllhorn vom Bundeswirtschaftsministerium erklärte, daß die Annahme dieser Grundsätze für die Bundesregierung die Voraussetzung sei, um die währungs-und fiskalpolitischen Bindungen eingehen zu können. Belgien und Italien übernahmen diesen Standpunkt mit kleinen Nuancen. Belgien vertrat die Ansicht, daß der Übergang zur zweiten Stufe konkretisiert werden müßte und dann automatischer erfolgen sollte. Italien hingegen sah im Tempo der Steuerharmonisierung gewisse Probleme.
Indem der Präsident der Kommission, Malfatti, in seiner Rede die politischen Elemente des anzustrebenden Zieles stärker betonte und damit vom abwich, wurde Kommissionspapier Frankreich noch stärker isoliert. Frankreich erklärte sich noch einmal mit den Vorschlägen der Kommission einverstanden. Es plädierte für eine konkrete Ausgestaltung der ersten Stufe und wollte diese Aufgabe nicht durch einen Streit um institutioneile Fragen belastet sehen. Diese könnten später eventuell akut werden. Deshalb sollten sie auch erst dann behandelt werden und nicht zu Beginn des Integrationsprozesses. Immerhin vertrat es auch die Auffassung, daß eine Umschreibung der Ziele des Stufenplanes zu den Notwendigkeiten des Augenblicks zähle.
Auf dieser schmalen Verhandlungsbasis sollten die Ständigen Vertreter einen Kompromiß bis zur Ratstagung am 14. /15. Dezember 1970 vorbereiten. Trotz einiger Fortschritte schlug dieser Einigungsversuch fehl. Damit konnte der Auftrag aus dem Haager Kommunique, bis Ende 1970 einen Stufenplan zu verabschieden, nicht verwirklicht werden. Es war weder eine volle Einigung in der Sadie noch über einen neuen Verhandlungstermin zu erzielen. Auch lehnte es die deutsche Vertretung ab, wieder einmal die Uhren anhalten zu lassen, um noch unter ihrer Rats-führung die Verhandlungen fortzuführen. Da der Ratsvorsitz mit dem 1. Januar 1971 auf Frankreich überging, wollte sie mit der Über-gabe der Verhandlungsleitung die Verantwortung für den vorläufigen Fehlschlag klarstellen. Indessen ließen sich folgende Ergebnisse erzielen: Der Abschlußbericht der Werner-Gruppe wurde als Grundlage für Entscheidungen anerkannt. Das Ziel der Stabilitätsgemeinschaft wurde akzeptiert, ebenso wie die Absicht, das Integrationsziel in zehn Jahren zu erreichen. In den Kernpunkten des Integrationsvorhabens wich Frankreich jedoch keinen Schritt von seiner Position zurück. Es war weder bereit, allgemein das politische Ziel zu vertreten, noch dem „gemeinsamen Zentralbanksystem" eine Eigenständigkeit zuzugestehen, noch dem Europäischen Parlament soviel Kompetenzen und Verantwortung zu übertragen, daß es eine wirksame demokratische Kontrolle der wirtschaftspolitischen Gemeinschaftsorgane ausüben kann. Frankreich vertrat den Standpunkt, daß die Wirtschaftsund Währungsunion ohne Änderungen der Römischen Verträge erreicht werden könnte
IV. Die Einigungsbemühungen Anfang 1971 und die Entschließungen und Entscheidungen des Ministerrates über den Stufenplan am 8. /9. Februar 1971
1. Die gemeinsame Plattform zwischen Bonn und Paris nach den deutsch-französischen Konsultationen vom 25. /26. Januar in Paris Die Bemühungen um eine Einigung wurden nicht unterbrochen. Kurz vor Weihnachten 1970 gelang es, eine Finanzregelung für die EWG zu verabschieden, die dem Europäischen Parlament größere Befugnisse einräumt.
Am 21. Januar 1971 äußerte sich Staatspräsident Pompidou während der großen Pressekonferenz zu dem Problem einer Wirtschafts-74 und Währungsunion. In diesen Ausführungen tauchten zwar neue Vokabeln auf, substantiell wurde aber der alte Standpunkt und die geringe Bereitschaft zu Konzessionen bekräftigt.
Er sprach zwar von einer „Konföderation" als möglicher politischer Form für Europa, behandelte diesen Komplex aber so abstrakt und benutzte dafür die Form des Konjunktivs, daß das langfristige Konzept einer französischen Europapolitik letztlich sehr unverbindlich blieb. Demgegenüber wurde das Prinzip der nationalen Eigenständigkeit und einer pragmatischen Politik herausgestellt. Pompidou unterstrich noch einmal das Einstimmigkeitsprinzip auf EWG-Ebene und stellte ihm als Alternative den Bruch der Gemeinschaft gegenüber. Er wies alle supranationalen Zielvorstellungen als Spekulationen zurück und empfahl, „anstatt theoretische Reden darüber auszutauschen, was vielleicht von 1980 an geschehen könnte, sollten sich die Mitgliedstaaten resolut für die erste Etappe engagieren", sie sollten die Methode übernehmen „durch Tatsachen voranzuschreiten und nicht durch Worte und die. Bewegung durch das Voranschreiten zu beweisen"
Knapp vier Tage nach dieser Bekräftigung des französischen Standpunktes und dem Aufruf zu einer „pragmatischen" Politik begannen die zweitätigen deutsch-französischen Kosultationen in Paris. Die während und nach den Konsultationen veröffentlichten Verlautbarungen von Bundeskanzler Brandt, daß es zwischen Paris und Bonn keine Unterschiede in der Interpretation des Abschlußberichts der Werner-Gruppe gäbe und daß man eine „gemeinsame Plattform" gefunden hätte
Die „gemeinsame Plattform" umfaßte danach folgende Bereiche:
1. „Die Bundesregierung und Frankreich stimmen darüber überein, daß alles darangesetzt werden muß, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb der vorgeschlagenen Zehn-jahresfrist zu verwirklichen."
2. Der Zusammenhang zwischen wirtschaftlichen und monetären Maßnahmen wird von Frankreich „voll" anerkannt.
3. Man einigte sich auf gemeinsame Orientierungslinien für die weiteren Beratungen, insbesondere über die Ausgestaltung der Endstufe und die Übertragung der erforderlichen Befugnisse auf Organe der Gemeinschaft. Dabei soll für das Verhältnis der Gemeinschaft zu den Mitgliedstaaten das Subsidiaritätsprinzip gelten.
4. Insbesondere für das „gemeinschaftliche Zentralbanksystem" wurde das Prinzip der Eigenständigkeit von beiden Seiten akzeptiert. 5. „Nach Ablauf der ersten Stufe muß darüber gesprochen und entschieden werden, wie denn der weitere Weg aussieht, den wir in den nächsten Etappen — das mögen noch zwei oder noch drei oder wie viele auch immer sein — gehen müssen."
6. „Es muß darüber entschieden werden, ... ob für diese weiteren Etappen Vertragsänderungen nötig sind und wie solche Vertragsänderungen aussehen können."
7. Die erste Stufe soll mit allen währungspolitischen Maßnahmen (Einengung der Bandbreiten der Wechselkurse innerhalb der Gemeinschaft, gemeinsame Interventionen der Zentralbanken der Gemeinschaft auf den Devisenmärkten, Bereitstellung eines mittelfristigen Währungsbeistandes bis zu 2 Mrd. RE und eventuell die Errichtung eines Devisenausgleichsfonds oder eines Reservefonds) für vorerst vier Jahre beginnen. Da diese Entscheidung die Gefahr einer Perpetuierung allein der monetären Maßnahmen nicht ausschließt, wurde zur Absicherung des Parallelitätspostulates folgendes Verfahren vorgeschlagen: Nach drei Jahren soll Bilanz gezogen und über die weiteren Integrationsschritte entschieden werden. Falls keine Einigung erzielt wird, bleiben die währungspolitischen Maßnahmen für ein weiteres Jahr in Kraft. Wenn dann ein Partner weiterhin den Übergang zur zweiten Stufe mit ihren verstärkten wirtschafts-und finanzpolitischen Maßnahmen verhindern sollte, würde er entweder — von dem gemeinschaftlichen Währungsbeistand ausgeschlossen werden („clause de prudence" — ein Vorschlag des französischen Staatspräsidenten) oder — die monetären Mechanismen und Einrichtungen würden automatisch auslaufen („clause de sauvegarde" — Verfallsklausel; der Vorschlag der deutschen Seite).
Diese Plattform wurde vom Bundeswirtschaftsminister am 29. Januar 1971 vor dem Bundestag in einem Acht-Punkte-Programm als Marschroute der Bundesregierung für die Verhandlungen vom 8. /9. Februar 1971 in Brüssel „ökonomistischer" zusammengefaßt
1. Die Regierungen sollen am Anfang des Stufenplanes den politischen Willen bekräftigen, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb von zehn Jahren zu verwirklichen.
2. Zwischen wirtschafts-und währungspolitischen Aktionen muß durchgehend eine efiektiveParallelität gesichert sein. 3. Es müssen einige fundamentale Prinzipien auch für die Endstufe zu Beginn des Integrationsprozesses formuliert werden: insbesondere über die Kompetenzen von Gemeinschaftsorganen für eine gemeinsame Geld-und Kreditpolitik, für die Steuerpolitik, für die Budgetpolitik und für die Kapitalmarktpolitik. 4. Die Gemeinschaftsorgane müssen in der Lage sein, rasch und wirksam die wirtschaftspolitischen Entscheidungen treffen zu können, „die für den Zusammenhalt und für das Funktionieren der Union erforderlich sind". Dabei müssen „selbstverständlich" die Befugnisse des Europäischen Parlaments ausgebaut werden.
5. Ein gemeinschaftliches Zentralbanksystem muß eine seinen Aufgaben adäquate Eigenverantwortlichkeit besitzen. Die Art der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Notenbanken soll der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten festlegen. Mit dieser Lösung könnte auch der in den einzelnen Ländern unterschiedlichen konstitutionellen Stellung der Zentralbanken Rechnung getragen werden.
6. Die erste Stufe könnte mit allen monetären Maßnahmen bald beginnen.
7. Da heute niemand rechtsverbindlich erklären kann, ob die Einigung am Ende der ersten Stufe zustande kommen wird, soll eine Verfallsklausel vorgesehen werden. Eine bloße Sicherheitsklausel sei zu schwach, um einen „heilsamen Druck" auszuüben. Die Verfalls-78) klausel könnte wirksam werden, wenn nach spätestens vier Jahren keine Einigung erzielt würde.
8. Die Gemeinschaft soll die Beschlüsse so formulieren, „daß auch Beitrittsanwärter am Ende der ersten Stufe für den gemeinsamen Über-gang zur folgenden Phase und für deren Gestaltung optieren könnten".
Dieses Maß an Übereinstimmung wurde bei den Gesprächen zwischen dem italienischen Ministerpräsidenten Colombo und dem französischen Staatspräsidenten Pompidou am 28. Januar 1971 nicht erzielt. Italien vertrat die Schlußfolgerungen des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe. Es befürwortete wohl eine realistische Politik — mit einer klaren politischen Zielsetzung und einer klaren Formulierung der Endstufe. Inoffiziell sollen Mitglieder der italienischen Delegation ihre Enttäuschung über das deutsche Einlenken auf die französische Linie angedeutet haben
Die Ergebnisse der deutsch-französischen Konsultationen haben die Beschlußfassung am 8. /9. Februar im Ministerrat entscheidend geprägt. Aus diesem Grunde soll die Haltung der Bundesregierung nach den Pariser Konsultationen mit der Auffassung in ihrem Stufenplan und in ihrer Stellungnahme zum Bericht der Werner-Gruppe erst im Anschluß an eine Darstellung der endgültigen Beschlüsse des Ministerrates verglichen werden. 2. Der Beginn des Stufenplanes: Die Entschließung und die Entscheidungen des Ministerrates vom 8. /9. Februar 1971
Nach dem Kompromiß innerhalb der Werner-Gruppe und der Kontroverse um diesen Bericht kam es am 8. /9. Februar 1971 in Brüssel zu einem Kompromiß über den Kompromiß. Mit den getroffenen Entschließungen und Entscheidungen begann die erste Stufe auf dem Weg zur Währungsunion.
Dennoch ähnelt dieses Ergebnis mehr einem Januskopf als dem Anfang eines dynamischen, irreversiblen Integrationsprozesses. Die Sicht nach vorn ist da, wenn auch gegenüber dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe abge-
schwächt: Die getroffenen Maßnahmen und die Behandlung des politischen Zieles beharren aber stärker auf dem Status quo oder beinhalten das Risiko eines frühzeitigen Scheiterns. Nahezu alle wirtschaftlichen Schlußfolgerungen des Werner-Berichtes wurden übernommen. Es besteht aber eine klare Asymmetrie zwischen den Zielen und den Maßnahmen. Die erste Stufe ist gekennzeichnet durch konkrete Beschlüsse auf dem monetären und Absichtserklärungen im wirtschaftspolitischen Bereich. Als Kern dieses Kompromisses erweist sich aber die Tatsache, daß das politische Ziel gegenüber dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe teilweise abgeschwächt und an der entscheidenden Stelle ausgeklammert wurde. Der Rat folgte hier dem Kommissionspapier. Die Beschlüsse setzen sich zusammen aus einer Entschließung und zwei Entscheidungen, und zwar über die Koordination der kurzfristigen Wirtschaftspolitik sowie über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken. Es genügt, im folgenden nur die wichtigsten Grundsätze aufzuzeigen. a) Die Entschließung des Rates Der politische Kern der Ratsentschließung:
Die Entschließung des Rates basiert zwar auch auf den Schlußfolgerungen des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe, stützt sich jedoch in dem wesentlichen Punkt auf das Kommissionspapier: Es werden für die Endstufe nur die wirtschaftlichen, nicht aber auch die politischen Konsequenzen einer Wirtschaftsund Währungsunion akzeptiert. Folgerichtig äußert der Rat auch nur den Wunsch, den irreversiblen Charakter des Integrationsprozesses zu bekräftigen.
Die angestrebten wirtschaftspolitischen Ziele:
Verbal folgt der Rat dem Abschlußbericht der Werner-Gruppe. Es wird der politische Wille bekundet, innerhalb der kommenden zehn Jahre die Wirtschafts-und Währungsunion als eine Stabilitätsgemeinschaft mit binnenmarkt-ähnlichen Verhältnissen zu verwirklichen. Da-
u ist beabsichtigt, wesentliche wirtschafts-und währungspolitische Befugnisse auf Gemeinschaftsinstitutionen zu übertragen — auf ein eigenständiges gemeinschaftliches Zentral-banksystem und auf ein wirtschaftspolitisches Entscheidungsgremium, das vom Europäischen Parlament kontrolliert wird. In der Übergangszeit soll bei allen Maßnahmen das Parallelitätspostulat beachtet werden.
Die beabsichtigten Maßnahmen zur Koordinierung und Harmonisierung der Wirtschaftsund Währungspolitik:
Damit die Ziele und Grundsätze verwirklicht werden — soll der Rat die kurzfristige Wirtschaftspolitik wirksamer koordinieren und quantitative Orientierungen für die Wirtschaftspolitik festlegen. Um die vorherigen obligatorischen Konsultationen zu intensivieren, erteilte der Rat dem Ausschuß der Ständigen Vertreter den Auftrag, bis zum 1. Juli 1971 solche Verbesserungen zu prüfen;
—wird der Rat die notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die wirtschaftspolitischen Instrumente schrittweise zu harmonisieren;
— sollen die wichtigsten Steuern harmonisiert werden
— soll der Kapitalmarkt für Emissionspapiere
— wird der Rat die erforderlichen Maßnahmen für einen ersten Schritt zu einer Struktur-und regionalen Strukturpolitik auf Gemeinschaftsebene beschließen;
— soll die Geld-und Kreditpolitik stärker koordiniert werden, vor allem durch Konsultationen innerhalb des Währungsausschusses
Diese beabsichtigten Koordinierungsbemühungen werden durch folgende währungspolitische Beschlüsse und weitere Aufforderungen an die Mitgliedstaaten ergänzt:
— Es wird noch einmal der Beschluß vom 8. /9. Juni 1970 wiederholt, in dem die EWG-Staaten darauf verzichten, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen, das Wechselkurs-system im Verhältnis zueinander aufzulockern
— Der Rat und die Mitgliedstaaten ersuchen
— Der Ministerrat entschied endgültig über die Einführung eines mittelfristigen finanziellen Beistandssystems. Es hat ein Volumen von 2 Mrd. RE und soll ab 1. Januar 1972 in Kraft gesetzt werden.
— Bis spätestens 30. Juni 1972 sollen der Währungsausschuß und der Ausschuß der Zentralbankpräsidenten einen Bericht über die Errichtung, Aufgaben und Satzung eines Fonds erstellen
Der Übergang zur zweiten Stuie:
Vor Ende der dreijährigen ersten Stufe treffen der Rat und ggf. die Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten „die Maßnahmen, die nach dem Übergang zur zweiten Stufe zur vollständigen Verwirklichung der Wirtschafts-und Währungsunion führen". Dazu zählen auch Ergänzungen (Art. 235) und Änderungen (Art. 236) des EWG-Vertrages. Damit wird die Forderung der Werner-Gruppe nach einer Verabschiedung aller noch ausstehenden Regelungen in einem Paket auch von Frankreich angenommen
Auf der Grundlage der soeben dargestellten Entschließung traf der Rat zwei Entscheidungen, die sich nur in wenigen, aber wichtigen Passagen von den Entwürfen und Vorschlägen der Kommission vom 29. Oktober 1970 unterscheiden (s. o.).
Die Entscheidung des Rates zur Verstärkung der Koordinierung der kurzfristigen Wirtschaftspolitik:
Der Rat tritt jährlich dreimal zusammen, um die Wirtschaftslage zu prüfen. Auf der Grundlage einer Mitteilung der Kommission, die gegebenenfalls Vorschläge für Entscheidungen, Richtlinien oder Empfehlungen enthält, legt der Rat die Leitlinien für die kurzfristige Wirtschaftspolitik fest, „die im Interesse einer harmonischen wirtschaftlichen Entwicklung von der Gemeinschaft und von jedem einzelnen Mitgliedstaat zu verfolgen ist", über weitere Koordinierungsverfahren sollen — wie bereits erwähnt — die Ständigen Vertreter bis 1. Juli 1971 einen Bericht vorlegen. In einer Erklärung für das Protokoll vertraten die belgische und italienische Delegation die Auffassung, daß der Rat im Hinblick auf eine verbindlichere Koordinierung der Wirtschaftspolitik nur noch Beschlüsse oder Richtlinien erlassen sollte. Der Rat seinerseits hält es für zweckmäßig, daß die Gouverneure der Zentralbanken an den Beratungen des Rates teilnehmen.
Dem Europäischen Parlament wird wie in der Stellungnahme der Kommission nur ein Anhörungsrecht zugestanden. Der Vorschlag der Werner-Gruppe, daß sich das jeweils betroffene Land bei Abstimmungen über wirtschaftliche Entscheidungen der Stimme enthält, wird nicht aufgegriffen.
Die Entscheidung des Rates über die Verstärkung der Zusammenarbeit zwischen den Zentralbanken der Mitgliedstaaten:
Bemerkenswert ist die Art und Weise, wie die Koordination zwischen den nationalen Zentralbanken geregelt wird. In der Entschließung des Rates wird für die Endstufe der Wirtschaftsund Währungsunion für ein weisungsunabhängiges gemeinschaftliches Zentralbanksystem votiert. Es soll „im Rahmen seiner Eigenverantwortung zur Verwirklichung des Stabilitäts-und Wachstums-zieles der Gemeinschaft beitragen". Für die Koordinierung der Geld-und Kreditpolitik in der ersten Stufe wird jedoch auf eine Weichenstellung in diese Richtung — entgegen den Vorschlägen der Werner-Gruppe — verzichtet. Zwar wird festgelegt, daß die Geld-und Kreditpolitik „unter Beachtung der vom Rat festgelegten allgemeinen wirtschaftspolitischen Leitlinien" koordiniert werden soll. Die umstrittene Formulierung der Kommission wird also nicht übernommen. Gleichzeitig kommt jedoch zum Ausdruck, daß die Mitgliedstaaten zu diesem Zweck ihre Zentralbanken einladen, „in den Grenzen ihrer Befugnisse und im Rahmen ihrer Eigenverantwortung a) ihre Geld-und Kreditpolitik im Ausschuß der Notenbankgouverneure zu koordinieren; b) die allgemeinen Leitlinien, die jede von ihnen einhalten soll, festzulegen ..." (Her-vorh. vom Autor).
Damit wird lediglich den jetzigen rechtlichen Stellungen der nationalen Notenbanken Rechnung getragen, das heißt, der Ausschuß der Notenbankgouverneure erhält keine größeren Kompetenzen, als sie die Werner-Gruppe vorsah. Somit ist aber auch die Formel „unter Beachtung..." problematisch, denn da zum Beispiel in Frankreich die Banque de France weisungsabhängig ist, wiegt eventuell die nationale politische Abhängigkeit bei der Ausrichtung der Geld-und Kreditpolitik stärker als die formell bekräftigte Unabhängigkeit des Ausschusses der Notenbank-gouverneure. Die Belugnisse der Banque de France würden in Konfliktfällen für eine derartige Koordination dann nicht ausreichen. Diese Feststellung wiegt um so schwerer, da dem Ausschuß der Notenbankgouverneure nicht gesagt wird, welches wirtschaftspoli tische Ziel er vorrangig anstreben soll. Eher kann man sagen, daß indirekt alle nationalen Zielhierarchien in diesen Ausschuß getragen werden, denn die Zentralbanken koordinieren „ihre Geld-und Kreditpolitik".
Die praktischen Modalitäten des Koordinierungsverfahrens sollen durch die Zentralbanken erst noch festgelegt werden90a).
V. Beurteilung der Beschlüsse vom 8. /9. Februar 1971
L Die Positionsänderung der Bundesrepublik Deutschland und ihre Auswirkungen Vor der Darstellung der endgültigen Beschlüsse über den Stufenplan wurde bereits darauf hingewiesen, wie problematisch diese Einigungsformeln sind. Im großen und ganzen hat sich — zumindest für die erste Stufe — die französische Haltung durchgesetzt. Um lese Aussage zu begründen, soll stellvertretend für die anderen EWG-Länder, die zuvor ebenfalls die Schlußfolgerung des Abschlußberichtes der Werner-Gruppe vertraten, die Positionsänderung der Bundesregierung untersucht werden. Sie ermöglichte die Beschlüsse von Brüssel.
Bundeswirtschaftsminister Schiller vertrat am 10. Februar 1971 die Meinung
a) In Paris wurde der vorher eherne Grundsatz aufgegeben, daß bereits vor dem Eintritt in den Stufenplan die fundamentalen wirtschaftlichen und politischen Prinzipien der Endstufe verbindlich geklärt werden müssen. Damit wurde ebenfalls der Grundsatz der Irreversibilität relativiert.
In Paris äußerte Prof. Schiller seine Besorgnis, daß ohne diese Versicherungen die Wirtschafts-und Währungsunion bereits in der ersten Phase stecken bleiben könnte. Der französische Wirtschaftsund Finanzminister Giscar d'Estaing nahm diese Formel jedoch nicht an
Frankreich akzeptierte ferner folgende Regelungen für die Endstufe: Das gemeinschaftliehe Zentralbanksystem erhält seine Eigenständigkeit, es müssen ausreichende wirtschaftspolitische Kompetenzen auf Gemeinschaftsorgane übertragen werden und dem Europäischen Parlament wird ein Kontrollrecht gegenüber wirtschaftspolitischen Entscheidungsgremien zugestanden. Daraufhin reduzierte die Bundesregierung ihre politische Zielsetzung in erster Linie darauf, daß „die Regierungen von Anfang an ihren politischen Willen bekräftigen, die Wirtschaftsund Währungsunion innerhalb eines Zeitraumes von etwa zehn Jahren zu vollenden"
Uber allen Einigungen schwebt aber das Damoklesschwert der Verfallsklausel, die mehr Ausdruck gegenseitiger Skepsis als der Übereinstimmung über Ziele und Mittel ist. Sie hebt auch die zuvor geforderte Irreversibilität auf. Prof. Schiller nennt dieses Problem offen und dokumentiert damit, für wie wenig solide er das Fundament der gemeinsamen Beschlüsse hält. Er sagte vor dem Bundestag:
„Heute kann niemand — das ist das eigentliche Dilemma — rechtsverbindlich erklären, ob man trotz aller politischen Absichtserklärungen hinsichtlich der bisher skizzierten Vorschläge am Ende der Dreijahresperiode, also der ersten Phase, wirklich zu einer inhaltlichen Einigung im einzelnen kommen wird."
Das bedeutet, daß man als Gegenleistung für den Verzicht auf die politischen Elemente der Integration — zumindest bis zum Ende der ersten Stufe —• einen in der Zukunft einzulösenden Scheck erhalten . hat, der zur Zeit völlig ungedeckt ist. Dieser Tatbestand kennzeichnet eindeutig die rechtliche und politische Qualität der Leistungen und Gegenleistungen bei diesem Kompromiß.
b) Indem man zustimmte, die verbindliche Verpflichtung auf den politischen Charakter des Integrationszieles bis zum Ende der ersten Stufe zu verschieben, akzeptierte man teilweise das Sachzwangargument. Einmal sollen die monetären Maßnahmen die Konvergenz der Wirtschaftspolitik fördern, zum anderen hofft man, daß der mögliche Fortfall der währungspolitischen Regelungen und Institutionen (verringerte Bandbreite des Wechselkurses, Reservefonds, Zahlungsbilanzkredite) einen „heilsamen Druck" ausüben wird, „daß man die praktischen Schritte auch wirklich tut, nachdem die erste Etappe einer Währungs-union angelaufen ist"
In dem Brüsseler Ergebnis vom 8. /9. Februar 1971 spiegelt sich ein etwas sonderbares Solidaritätsbewußtsein wider, das allerdings in der EWG nicht neu ist. Solidarisch und integrationsfreundlich sein heißt allem Anschein nach, den französischen Standpunkt als „rocher de bronce" möglichst „unbearbeitet" zu übernehmen.
Diese Positionsbestimmung bliebe deshalb unvollkommen und einseitig, wollte man nicht auch die Position Frankreichs etwas ausführlicher betrachten. Schließlich muß geklärt werden, warum sich die französische Ansicht so stark behauptet hat.
Die Härte der französischen Verhandlungsführung ist kein Einzelfall, sondern vielmehr ein Beispiel für die Kontinuität der französischen Position und der französischen Interessenwahrnehmung. Die Geschichte der EWG kennt viele vornehmlich von den Vertretern Frankreichs gestellte „questions prealables" und plötzliche Kehrtwendungen von der Verhandlungsbereitschaft zur Konfrontation, wenn sich Ergebnisse abzeichneten, die für Frankreich nicht erwünscht waren.
— Auf der Ministerkonferenz im Herbst 1957 waren die Franzosen bereit, die EWG-Ver-handlungen als gescheitert zu erklären, weil sie in der Frage der Harmonisierung der sozialen Belastungen ihren Standpunkt nicht durchsetzen konnten. Auf deutsch-französischer Ebene wurde ein Kompromiß mit einer Schutzklausel für Frankreich erarbeitet.
— Kurz vor dem erfolgreichen Abschluß der Bemühungen, eine große europäische Freihandelszone zu gründen und unmittelbar nach einer konstruktiven EWG-Ministerratssitzung erklärte urplötzlich der französische Informationsminister Soustelle in einem Interview am 14. November 1958 die Verhandlungen für gescheitert, obwohl — oder gerade weil — der erfolgreiche Abschluß der Verhandlungen in greifbare Nähe gerückt war. Auf der folgenden EWG-Ministerratssitzung wurde der französische Standpunkt kurzerhand und ohne große Erläuterungen bestätigt.
— Im Januar 1963 wurde ebenfalls außerhalb des EWG-Ministerrates, der bereits konkrete Ergebnisse erzielt hatte, durch de Gaulles Veto der erste Beitrittsantrag Großbritanniens abgelehnt. Dabei übersah Frankreich geflissentlich, daß viele Zugeständnisse, die es zuvor in den Agrarverhandlungen erhalten hatte, nur in Hinblick auf Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen von seinen Partnern gewährt wurden.
— Konsequent weigerte sich Frankreich auch, den Art. 148 des EWG-Vertrages zu akzeptieren und sich Mehrheitsbeschlüssen zu unterwerfen. In den Agrarverhandlungen benutzte Frankreich aber gerade diese Bestimmung als Instrument, um in der gemeinsamen Landwirtschaftspolitik Konzessionen insbesondere von der Bundesrepublik Deutschland zu erreichen. Die von Frankreich verfolgte „Politik des leeren Stuhles" wurde erst durch das „Luxemburger Agreement" von 1966 beigelegt. Die Einstimmigkeit blieb entgegen den Bestimmungen des EWG-Vertrages (Art. 148) das Entscheidungsprinzip im Ministerrat.
Diese Reihe läßt sich mit der Agrarkrise (1965) und der Euratom-Krise (bis 1969)
— daß sie die Aufgabe politischer Rechte entschieden ablehnten, weil für sie die Identität der historischen Staaten Europas unaufgebbar ist
— daß zahlreiche Zugeständnisse, die von den übrigen EWG-Ländern gemacht wurden in Hinblick auf ein zukünftiges Wohlverhalten Frankreichs bei wichtigen Entscheidungen über den Fortgang der europäischen Integration, letztlich doch nicht honoriert wurden;
— daß man sich auch nicht scheut, bei der Wahrnehmung französischer Interessen gegebenenfalls verbindliche Regelungen des EWG-Vertrages zu übersehen.
Die Kontinuität dieser Merkmale französischer Politik läßt sich übrigens eindrucksvoll anhand von zwei Äußerungen des jetzigen Staatspräsidenten G. Pompidou demonstrieren: Am 5. November 1964 stellte er vor der parlamentarischen Presse in Paris unbeschönigt fest: „Wenn ein mündiger Staat wie Frankreich zu einem bestimmten Zeitpunkt zu der Überzeugung gelangen würde, daß der Gemeinsame Markt nicht mehr bestehen kann, würde er eines schönen Todes sterben, ganz gleich, wie die Texte lauten."
Nicht anders ist sechs Jahre später seine Äußerung zur europäischen Integration auf der Pressekonferenz am 21. Januar 1971 zu deuten: „Die Zeiten haben sich geändert: die europäischen Nationen haben ihre Wirtschaft und ihre Währungen wieder aufgerichtet, sie sind sich ihrer Persönlichkeit, ihrer Interessen und ihrer Aufgaben wieder bewußt geworden ..."
In diesem Zusammenhang ist für die französische Haltung bezeichnend, wie Pompidou das Problem der politischen Entscheidungen im Ministerrat bei unterschiedlichen Auffassungen der EWG-Staaten beurteilt: „In diesem Fall ist entweder die Minderheit der Meinung, daß die Frage nicht von entscheidender Bedeutung ist, und sie beugt sich der Mehrheit. Oder aber sie ist der gegenteiligen Meinung und läßt es zum Bruch der Koalition kommen. Es ist natürlich ganz klar, daß man es in unserem europäischen Gebäude nicht zum Bruch kommen lassen kann, weil sonst alles einstürzt. Daraus schließe ich, daß die bedeutenden Entscheidungen nur in vollem Einvernehmen getroffen werden können, und daß es sich hier weit mehr um eine politische Selbstverständlichkeit handelt als um eine Rechtsregel, und daß, wenn man sie mißachten will, man alles zerstören würde."
Eine kritische Würdigung dieser an jenen Beispielen nochmals veranschaulichten integrationspolitischen Maximen Frankreichs vermag dazu beizutragen, auch seinen Standort in der europäischen Währungspolitik zu verdeutlichen. Der französische Minister M. Debre fixierte ihn zudem unzweideutig in einer Rede am 25. Februar 1971, indem er die Währungspolitik, sowie die wichtigsten Koordinierungs-und Harmonisierungsbereiche auf dem Wege zur Währungsunion mit der politischen Autorität und mit einem Statussymbol nationaler Souveränität identifizierte
Diese direkte Koppelung von währungspolitischen und politischen Problemen entspricht zwar dem weiter oben entwickelten ersten Grundsatz zur Währungsunion. Er trifft hier aber auf die eindeutige Ablehnung, gerade die für das Zustandekommen einer Währungsunion unerläßlichen, bisher noch nationalen politischen Kompetenzen auf zentrale GemeinSchaftsorgane zu übertragen, über diesen Tatbestand kann auch nicht die von Staatspräsident Pompidou entwickelte Form einer Konföderation hinwegtäuschen. Im Sinne des klassischen Völkerrechts verfügt nämlich eine Konförderation — im Gegensatz zur Föderation — nicht über die Kompetenzkompetenz und deshalb auch nicht über entsprechende eigene Exekutivorgane. Pompidou hält es zwar für denkbar, daß in einer letzten Integrationsphase Fachminister existieren, die „nunmehr mit rein europäischen Aufgaben betraut werden". Rein europäische Aufgaben können aber der oben skizzierten französischen Auffassung zufolge sich eigentlich nur auf Bereiche beziehen, die kein Äquivalent von Bedeutung auf nationaler Ebene haben, denn sonst wäre ja dieses Gremium der Europaminister gegenüber den nationalen Regierungen weisungsberechtigt, ohne daß seine verfassungsmäßige Legitimation geklärt ist. Diese Interpretation wird von Pompidou selber bestärkt, indem er ein echtes europäisches Parlament erst dann für möglich hält, wenn eine echte europäische Regierung zustande kommt. Bis dahin erscheinen ihm jedoch die Spekulationen über die europäische parlamentarische Versammlung als vollkommen unnütz. Er verlangt also nicht mehr und nicht weniger als den Verzicht auf eine politische Zielsetzung und auf eine konstruktiv mitgestaltende Politik
VI. Risiken und Chancen für eine europäische Währungsunion
Diese ausführliche Standortbestimmung der französischen Position ist notwendig gewesen, um die recht weitgehenden Zugeständnisse der anderen EWG-Partner in Brüssel am 8. /9. Februar 1971 noch besser bewerten und um eine Prognose über die Zukunft der weiteren währungspolitischen Integration wagen zu können.
Die Bundesregierung akzeptierte in Paris und die anderen EWG-Staaten akzeptierten in Brüssel eine „pragmatische" Politik, das heißt, man ließ sich auf eine Verhandlungsstrategie ein, die sich — richtig verstanden — auf erkennbare gegenwärtige Probleme konzentriert, deren Lösung nicht durch Erwägungen prinzipieller Art belastet werden soll. Dabei werden, um eine Übereinkunft zu erleichtern, Auffassungen, Ziele und Maßnahmen jeweils isoliert, ohne Rücksicht auf ihre Interdependenz, betrachtet und zum Gegenstand der Verhandlungen gemacht. Diese Methode ist allerdings nur dann anwendbar, wenn ein politischer Konsensus über die Grundsätze zwischen den Partnern besteht, nicht aber, wenn grundsätzliche Auffassungen und Zielsetzungen stark divergieren. Ein an langfristigen Zielen oder politischen Konstanten orientierter Verhandlungspartner wird die „pragmatische" und „realistische" Lösung von Problemen empfehlen, da ja die Aufteilung und einzelne Verhandlung von Problemen für ihn vorteilhaft ist. Er kann auf diesem Wege Zugeständnisse erzielen, die aus der Logik zum Beispiel des währungspolitischen Integrationsprozesses einer Vorwegnahme von Vorteilen der vollendeten Währungsunion oder auch nur späterer Integrationsphasen gleichzusetzen ist (Verringerung der Bandbreite, echte oder quasi-Poolung der Reserven). Der Partner er-hält als Preis für konkrete monetäre Leistungen in modifizierter Form lediglich die Aussicht auf gleichwertige wirtschaftspolitische und politische Gegenleistungen.
Welche Überlegungen letztlich die fünf EWG-Staaten zum Einschwenken auf die französische Position bewegten und sie veranlaßten, einer Entschließung zuzustimmen, mit der die unterschiedlichen Auffassungen nicht überwunden werden, ist im einzelnen nicht zu ergründen 103a). Für den Beobachter ist es insbesondere schwer verständlich, weshalb bereits zwei Monate nach der gescheiterten Dezembertagung eine Lösung in Kraft gesetzt wurde, die im Vergleich mit den zuvor geäußerten Vorstellungen der fünf Staaten als mangelhaft bezeichnet werden muß. Aufgrund der französischen Haltung war zu diesem Zeitpunkt sicherlich keine bessere Lösung möglich. Es stellt sich aber die Frage, ob eine Entschließung als Deklaration des Integrationswillens bereits ein Fortschritt ist, wenn ihr die eigentliche Substanz fehlt.
Mit der Maßnahmenkombination vom 8. /9. Februar 1971 hat man vorerst weniger den Weg zu einer Währungsunion als vielmehr den Weg zu einer Währungsreserven-Union
Die Koordination der Wirtschaftsund Währungspolitik verlangt bereits politische Souveränitätsverzichte — um so mehr eine Wirtschafts-und Währungsunion. Wer die politi-sehen Vorstellungen Pompidous für realistisch und allein realisierbar hält, sollte sich nicht scheuen, den Gedankengang auf die Wirtschafts-und Währungspolitik auszudehnen. Eine Konförderation ist politisch zu schwach für eine stabile Wirtschaftsund Währungsunion. Wenn sie aber in absehbarer Zukunft die einzige politische Alternative ist, dann gewinnen das Stabilitätsziel und das Parallelitätspostulat eine noch größere Bedeutung.
Dann müssen währungspolitische Maßnahmen strikt mit wirtschaftspolitischen Koordinierungsfortschritten gekoppelt werden, um Inflationsprozesse zu vermeiden. Wie die Situation in der Bundesrepublik Deutschland seit geraumer Zeit sehr eindringlich zeigt, haben höhere Inflationsraten und die dann eigentlich notwendigen Maßnahmen in stabilitätsbewußten Ländern eminent politische Rückwirkungen auf internationaler und auf EWG-Ebene.
Exkurs: Die Probleme einer deutschen Aufwertung
Eine Freigabe des deutschen Wechselkurses wird vor allem von der Kommission und wohl auch von Frankreich abgelehnt. Als Begründung werden im wesentlichen zwei Argumente vorgetragen:
1. Mit einer Freigabe allein des deutschen Wechselkurses wäre es unmöglich, den Beschluß zu verwirklichen, innerhalb der EWG die Bandbreite der Wechselkurse von bisher ± 0, 75 % auf ± 0, 6 % zu verringern.
Dem ist entgegenzuhalten: Im Beschluß vom 8, /9. Februar 1971 in Brüssel wird ausdrücklich davon gesprochen, daß es sich bei dieser Maßnahme um einen Versuch handelt. Wenn also die Voraussetzungen dafür nicht gegeben sind, muß er sowieso aufgegeben werden, um nicht die Inflationsübertragung zu institutionalisieren. Eine Veränderung der Wechselkursparität (Stufenflexibilität) kann jede Regierung beschließen. Es bestehen keine rechtlichenHemmnisse, wenn man davon absieht, daß der Internationale Währungsfons (IWF) sie „genehmigen" muß. Er hat aber kein Vetorecht. Eine Stufenflexibilität würde auch die Verwirklichung der Beschlüsse nicht vereiteln.
In der Diskussion steht aber auch noch die völlige Freigabe der Wechselkurse, wie sie bereits von Ende September bis zum 27. Oktober 1969 durchgeführt wurde. Durch diese Maßnahme sollten sowohl spekulative Kapital-importe abgewehrt als auch die Festlegung des Aufwertungssatzes erleichtert werden. Eine zeitlich begrenzte Freigabe des Kurses würde der IWF sicherlich tolerieren, zumal da die Exekutivdirektoren des IWF in einer Studie zur Reform des Weltwährungssystems gerade diese Maßnahme vorgeschlagen haben. Auf der letzten Jahreskonferenz der IWF-Mitglieder in Kopenhagen konnte darüber aber keine Einigung erzielt werden.
Problematischer ist eine Freigabe des Wechselkurses für die Verhältnisse innerhalb der EWG. Sie steht aber nicht im Widerspruch zu den Beschlüssen vom 8. /9. Juni 1970 und vom 8. /9. Februar 1971. Darin wird eine Erweiterung der Bandbreiten innerhalb der. EWG abgelehnt. Eine temporäre Freigabe des Wechselkurses entspräche zwar einer erweiterten Bandbreite — aber nur solange, bis eine neue Parität von der Regierung festgelegt wird. Die genannten Beschlüsse richten sich aber nicht gegen eine zeitlich begrenzte, sondern gegen eine rechtlich dauernde Erweiterung der Bandbreiten! Zweifellos ist es richtig, daß für die Dauer einer Freigabe des Wechselkurses die geplante Verringerung der Bandbreiten innerhalb der EWG nicht verwirklicht werden kann. Aus den oben genannten Gründen ist dieses Argument jedoch nicht stichhaltig.
2. Insbesondere die Kommission wird die Ansicht vertreten, daß sowohl eine einfache Aufwertung (Stufenflexibilität zu einem Zeitpunkt) als auch eine Freigabe des Wechselkurses mit dem EWG-Agrarmarkt nicht vereinbar sei oder ihn nach der Krise von 1969 bereits wieder erschüttern würde. Dem ist entgegenzuhalten: Die neu aufgetretenen währungspolitischen Spannungen zeigen nur abermals, wie falsch und ökonomisch fragwürdig der EWG-Agrarmarkt konstruiert ist. Er birgt auch bei völlig starren Wechselkursen noch so viel Sprengstoff in sich, daß eine Reform sowieso irgendwann erforderlich wird.
Mit dem Aufwertungssatz wird wieder an die Landwirte ein direkter Einkommensausgleich gezahlt werden müssen, weil die Preise für die landwirtschaftlichen Marktordnungsgüter um den Aufwertungssatz automatisch fallen. Möglich ist auch ein allmähliches Sinken der Preise; diese Maßnahme verlangt dann aber — wie im umgekehrten Falle in Frankreich nach der Abwertung — einen Grenzausgleich. Dieser Grenzausgleich wäre auch für die Zeit der Freigabe des Wechselkurses an Hand der Import-und Exportbescheini31 gungen denkbar. Die Kommission wird wie 1969 den Grenzausgleichsmaßnahmen Widerstand entgegensetzen. Festgehalten werden muß aber, daß eine Aufwertung, gekoppelt mit einem direkten Einkommensausgleich, dem englischen Agrarsystem des „deficiency payment" entgegenkommt, das währungspolitisch neutraler und dadurch ökonomisch rationaler ist
Eine weitere Möglichkeit ist, daß die EWG-Staaten gemeinsam ihre Parität gegenüber dem Dollar verändern. Eine solche Maßnahme würde sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Währungsunion bei währungspolitischen Spannungen von selbst verstehen. Heute ist sie dagegen unwahrscheinlich, da vor allem Frankreich einen Expansionskurs steuert, den es nicht durch eine konzertierte Aufwertungsaktion und damit eine Erschwerung seiner Exportmöglichkeiten gefährden möchte. Die zu erwartende Uneinigkeit der EWG-Staaten, die zu einem Widerstand gegen eine nationale Wechselkurskorrektur führt, zeigt noch einmal, wie problematisch zur Zeit die währungspolitischen Beschlüsse vom 8. /9. Februar 1971 sind.
Aus diesen Gründen auf währungspolitische Korrekturen zu verzichten, ist ökonomisch und vor allem politisch falsch. Der Bundeskanzler hat es richtig umschrieben, als er sagte, daß, wenn auf EWG-Ebene keine vernünftige Einigung erzielt werden könne, der EWG am meisten gedient sei, wenn die BRD ihr Haus allein in Ordnung hält. Die Folge eines wirtschaftspolitischen Stillhaltens ist nur eine verstärkte Inflationsübertragung aus EWG-Ländern und aus Drittstaaten. Immerhin sind die Währungsreserven der Deutschen Bundesbank in den letzten sechs Monaten um fast 30 Milliarden (!) gestiegen. Unter derartigen Umständen ist eine sinnvolle Wirtschafts-und Währungspolitik unmöglich. Bei Inflationsraten von 4— 5 % pro Jahr wird sich in der BRD keine Regierung behaupten können. In höheren Geldentwertungsraten kann aber auch nicht der Sinn einer internationalen Währungszusammenarbeit liegen. Angesichts dieser Konstellation in Nibelungentreue an Regelungen des IWF oder vermeintlich bindenden Beschlüssen innerhalb der EWG festzuhalten, ist nicht vertretbar und wäre ein Zeichen extrem statischer Denkweise.
Neben diesen marktwirtschaftlichen Lösungswegen werden aber auch dirigistische Maßnah-men erwogen, z. B. die Eindämmung der Dollarflut durch eine Genehmigungspflicht für Kapitalimporte. Die Anwendung des § 23 des Außenwirtschaftsgesetzes wird angeblich von Frankreich befürwortet. Darin äußert sich aber in erster Linie die starke französische Präferenz für dirigistische Maßnahmen, der man auf keinen Fall folgen sollte. Denn die Konsequenzen eines teilweisen Rückfalls in den Dirigismus, dem die Bundesrepublik Deutschland im großen und ganzen seit 1958 abgeschworen hat, sind unübersehbar. Sie reichen — wie das französische Beispiel sehr eindeutig zeigt — von hoheitlicher Schnüffelei und Kontrollen bis zur Briefzensur, und das alles nur, weil eine klare marktwirtschaftliche Lösung nicht gewagt wird. Devisenbeschränkungen sind in ihrer Wirkung so unsicher, daß die Gefahr einer Perpetuierung der Maßnahmen und der damit verbundenen Währungsspekulation heraufbeschworen wird. Wenn gleichzeitig eine binnenwirtschaftliche relative Stabilität wiedergewonnen wird, entsteht ohnehin gegenüber dem Ausland ein Kosten-und Preisgefälle, das zu einer späteren Aufwertung zwingt. Die großen verwaltungstechnischen Anstrengungen wären nicht nur zwecklos gewesen, sondern sie würden zugleich das internationale Vertrauen in die Freiheit des Handels und die Konvertibilität der Deutschen Mark erschüttern. Rückwirkungen auf andere Länder können nicht ausgeschlossen werden, weil schlechte Beispiele immer am nachhaltigsten im Gedächtnis bleiben und weil sie bequeme Alibis für halbherzige Maßnahmen anderer Länder bieten. übertrieben sind wohl auch die von der Industrie angeführten Rezessionsgefahren. Einmal dürften die Überwälzungschancen im Ausland angesichts der Expansionsund Preisaultriebstendenzen günstig sein; zweitens ermöglicht eine Aufwertung eine vom internationalen Konjunkturverbund gelöste binnenwirtschaftliche Konjunkturpolitik. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß die neuen währungspolitischen Daten einen Einfluß auf die Entscheidungen der Tarifpartner haben werden und so zu einer teilweisen Entlastung auf der Kostenseite der Unternehmen führen werden.
Die direkten Stabilisierungseffekte der Aufwertung liegen in den wahrscheinlich sinkenden oder zumindest nicht mehr steigenden Importpreisen und auf deutscher Seite in einer umfangreicheren Belieferung der Binnenmärkte mit Waren, deren Absatz im Ausland schwieriger und ungünstiger geworden ist.