I. Vorbemerkung
Eine politikwissenschaftliche Monographie sieht sich zwangsläufig der Kritik ausgesetzt, daß sie der betrachteten, im politischen Entscheidungsprozeß verankerten Institution aufgrund herauslösender Betrachtungsweise nur in bedingtem Umfange gerecht werden kann; denn es kann nicht „irgendein Element auch bloß in seinem Funktionieren verstanden werden ohne Einsicht in das Ganze, das an der Bewegung des einzelnen selbst sein Wesen hat. System und Einzelheit sind reziprok und nur in ihrer Reziprozität zu erkennen"
II. Entstehungsgeschichte des Amtes
Die Diskussion über das Amt des Parlamentarischen Staatssekretärs wurde in der Bundesrepublik bereits 1947 aufgenommen und führte zu entsprechenden Vorlagen in den Organisationsausschüssen des Parlamentarischen Rates und denen zur Vorbereitung der Bundesorgane
In den Sitzungen der Verhandlungskommissionen von CDU/CSU und SPD zur Bildung einer . Großen Koalition'wurde dann die Einsetzung von PStS oder Staatministem beschlossen
Der Entwurf traf aber im parlamentarischen Raum auf erhebliche Kritik, da in ihm weder die Entscheidungsbefugnisse noch die Weisungsrechte der zukünftigen PStS gegenüber den Beamten der Ministerien geregelt waren. Es wurde daher die Gefahr gesehen, daß sich die PStS möglicherweise zu . politischen Hilfsarbeitern'entwickeln könnten. So nahm es nicht wunder, daß der Entwurf in den Ausschußberatungen einigen Änderungen unterzogen wurde, wenngleich man daran festhielt, daß nur gerade soviel wie eben nötig geregelt werden sollte, um die Ausgestaltungsmöglichkeiten des Amtes sicherzustellen. Den Mitgliedern des federführenden Innenausschusses schwebte „dabei eine Entwicklung vor, in der der PStS die Funktion des politischen Beamten wahnimmt, der beamtete Staatssekretär dagegen als reiner Verwaltungsbeamter an der Spitze der Verwaltung deren Kontinuität unabhängig vom Wechsel der Bundesregierung sichert“
III. Theoretische Möglichkeiten und empirische Nachweise
Es sollen die mit dem Amt des PStS gegebenen theoretischen Möglichkeiten aufgezeigt und die vorliegenden empirischen Daten in diesen Rahmen eingefügt werden, um eine Übersicht darüber zu gewinnen, wie das Amt des PStS in der Praxis ausgestaltet wird und in welche Richtung uieser Ausgestaltungsprozeß verläuft. 1. Beweggründe für die Einführung des Amtes a) Auigabenwandel der , modernen'Regierung Die Wandlung vom Hoheits-zum Leistungsstaat, die zunehmende internationale Verflechtung, die wachsende Notwendigkeit wirtschaftlich-staatlicher Lenkungsmaßnahmen und „die Interdependenz aller wichtigen sozialen und wirtschaftlichen Erscheinungen" haben „zur gegenseitigen Abhängigkeit und zur wechselseitigen Beeinflussung der von den Ressorts zu ergreifenden Maßnahmen geführt"
Das Problem der angemessenen Organisationsform für die Regierungstätigkeit überlappt sich weitgehend mit dem Problem der Kabinettsreform. Da in der Bundesrepublik Minister immer Kabinettsmitglieder sind, ergab sich, daß mit der Bildung von sehr unterschiedlich strukturierten Ministerien auch Minister unterschiedlichen politischen Gewichts im Kabinett vertreten waren, was die Notwendigkeit einer Neuordnung der Regierungsorganisation immer deutlicher werden ließ. Teil dieser Neuorganisation sollte dann auch das Amt des PStS sein
Bei der Bildung der . Großen Koalition'am 1. Dezember 1966 wurde dieser Verbindung von Kabinettsreform und Einsetzung von PStS nicht entsprochen, sondern mit der Einführung von lediglich sieben PStS der graduelle Unterschied der Ministerstellungen — nun als Minister mit oder ohne PStS — noch verstärkt. Erst durch die Bildung der Regierung von SPD/FDP im Herbst 1969 wurde — mit der Schaffung von gleichgewichtigeren Ministerien und der Einführung von PStS für alle Minister — eine zumindest teilweise Realisation dieses Konzepts erreicht. b) Entlastung der Bundesminister Die mit dem Ministeramt verbundenen Aufgaben lassen sich kaum noch mit der üblichen Zweiteilung der Funktionsbeschreibung des Amtes in Ressortchef einerseits und Kabinetts-mitglied andererseits erfassen, denn es bestehen nicht nur Verpflichtungen gegenüber dem Kabinett und dem Ressort, sondern es müssen weiterhin Aufgaben gegenüber dem Parlament, den Fraktionen, den Parteien, der Öffentlichkeit, den Verbänden, dem Wahlkreis, den politischen Widersachern etc. wahrgenommen werden. Die zunehmende Verflechtung innen-und außenpolitischen Geschehens macht es überdies notwendig, daß der Minister — allerdings mit ressortbedingten Unterschieden — an Sitzungen internationaler Kommissionen, an Verhandlungen supranationaler Institutionen usw. teilnimmt.
Die zunehmende Überlastung der Minister verwehrte ihnen in verstärkendem Maße, den Überblick über ihr Ressort zu wahren, langfristige Konzeptionen für ihren Ressortbereich zu erarbeiten und eine Abstimmung ihrer Pläne mit den anderen Ressorts im Kabinett herbeizuführen. So blieb ihnen oft kaum eine andere Wahl, als dieses oder jenes Arbeitsgebiet zu vernachlässigen. Hinzu kam noch, daß ein Minister nach bisheriger bundesrepublikanischer Tradition relativ lange in seinem Amt verblieb, so daß die Gefahr einer Identifikation mit dem Ressort entstand und der Minister dann seinem Hause nicht mehr als politisch verantwortliches Kabinettsmitglied gegenübertrat, sondern sich im Kabinett als Vertreter seines Ministeriums fühlte
Um die Minister von der Fülle ihrer Aufgaben teilweise zu entlasten und andererseits die politische Führungsaufgabe der Minister besser zur Geltung zu bringen, bediente man sich des Instruments des PStS, indem man 1967 sechs großen Ministerien
Der Kreis derjenigen, die ausreichende Erfahrungen und Kenntnisse in der politischen Leitung von Ministerien haben sammeln können, muß zwangsläufig eng umgrenzt sein, solange keine systematische Nachwuchspflege und -förderung
Eine wichtige Voraussetzung für die Erfüllung der Ausbildungsfunktion des Amtes dürfte sein, daß bei Neubesetzungen von Ministerämtern den PStS, sofern man sie als fähig betrachtet, ein Vorrang vor anderen Abgeordneten eingeräumt wird
Zusammenfassend kann die Ausbildungsfunktion wohl dahin gehend definiert werden, daß es darum geht, potentielle Kandidaten für verschiedene höhere politische Ämter auszubilden.
Betrachtet man die bisherigen Ergebnisse unter diesem Aspekt und bedenkt weiterhin, daß sicherlich nicht bei allen Berufungen zum PStS das Ausbildungsmoment eine dominierende Rolle gespielt hat, dann kann zumindest verneint werden, daß sich die Ausbildungsfunktion nicht bewährt hat. Zwar sind die Berufungen von Benda zum Bundesminister des Innern (1968) und von Jahn zum Bundesminister der Justiz (1969) nicht nur deswegen erfolgt, weil sie vorher PStS waren, doch sicher-liehauch deswegen
Mit der Bildung der neuen Bundesregierung 1969 bestand die theoretische Möglichkeit, daß die PStS der SPD, Arndt und Börner, in Ministerämter aufstiegen. Diese sich bietende Möglichkeit konnte jedoch nicht realisiert werden
Die Frage der Kontrolle in Zusammenhang mit dem Amt des PStS erfährt eine unterschiedliche Beantwortung — je nachdem, ob es sich um eine Einparteien-oder um eine Koalitionsregierung handelt. Bei einer Einparteienregierung kann es sein, daß der eine, durch den Minister in der Regierung vertretene Flügel der Fraktion durch den anderen Flügel mittels eines ihm zugehörigen PStS kontrolliert werden soll, was beispielsweise bei dem Verhältnis Arbeitgeber-/Arbeitnehmerflügel möglich wäre. Problematisch wird diese Frage jedoch, wenn innerhalb einer Koalitionsregierung versucht wird, den Minister der anderen Partei durch einen PStS der eigenen Partei zu kontrollieren. „Auf diese Weise erfährt das Parteibündnis in jedem Ministerium eine Verzahnung und Durchdringung . . . Die koalitionspolitische Durchdringung der einzelnen Ministerien geht auf Kosten ihrer Funktionsfähigkeit."
Es ist schwer, den Stellenwert von Integra-tionsund Kontrollmotiv für die Berufung der PStS festzustellen. Beispiele hierfür könnte einmal die Tatsache sein, daß, wohl mit aus fraktionsinternen Kontrollbedürfnissen heraus, dem damaligen Bundeskanzler Kiesinger ein CSU-PStS (v. Guttenberg) zugeordnet wurde, wofür der Finanzminister Strauß einen CDU-PStS (Leicht) erhielt, der jedoch als . unpolitisch'galt; ein Parallelbeispiel könnte zum anderen die Besetzung des jetzigen PStS-Postens im Landwirtschaftsministerium mit dem Norddeutschen Logemann sein, der möglicherweise als regionaler Gegenpol zu dem Bayern Ertl eingesetzt wurde (doch können auch andere Gründe wie Logemanns landwirtschaftliche Erfahrung, seine Tätigkeit im Bundestagsaus-schuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausschlaggebend gewesen sein). e) Entpolitisierung der politischen Beamten Im Gegensatz zu den vorherigen Gründen der Integration und Kontrolle ist das Motiv der . Entpolitisierung'der politischen Beamten oft angesprochen worden
Die in der Bundesrepublik zu verzeichnende Ausweitung der Institution des . politischen Beamten'und die in den politischen Bereich hineinragende Tätigkeit der beamteten Staatssekretäre ist keineswegs nur als Folge der politischen Ambitionen dieser Beamten anzusehen, sondern ergab sich fast zwangsläufig durch die Überlastung der Minister. Die Berücksichtigung von parteipolitischen Gesichtspunkten bei der Besetzung der höchsten Stellen der Ministerialbürokratie ist vielfach bedauert worden, zumal sich damit gleichzeitig das Problem verband, daß diese Beamten ihrer Aufgabe, die Kontinuität der Verwaltungsleitung und die sachliche Einheitlichkeit der Verwaltung zu sichern, immer weniger gerecht werden konnten
Als institutionelles Hilfsmittel bieten sich hier die PStS an, die bei einer entsprechenden Herausarbeitung ihrer Zugehörigkeit zur politiB sehen Führungsspitze der Ressorts u. a. folgende Verbesserungen herbeiführen könnten: 1. könnte die Gefahr der zunehmenden Schwä-chung der politischen Führung des Ressorts entgegengewirkt werden; 2. würde den beamteten Staatssekretären die Möglichkeit gegeben, sich wieder vermehrt ihrer Funktion als . administrative Spitze der Ressorts'zuzuwenden; 3. könnte der Status des politischen Beamten eingeengt, zumindest aber eine Ausweitung vermieden werden
Hier meinte man, daß dieser Vorschlag überwiegend dadurch motiviert sei, daß Jaeger „durch hohen Mietzins und große Familie zu einem Versorgungsproblem geworden"
Die kurze Auswertung der Daten der 23 bisherigen PStS soll nun keineswegs eine . Rekrutierungstheorie für PStS'ergeben, sondern es soll anhand einiger Aufschlüsselungen lediglich versucht werden, sich abzeichnende Tendenzen sichtbar zu machen. a) Alter Ein wesentliches Motiv für die Einführung der PStS war, daß man Jungen'Abgeordneten die Chance geben wollte, sich für eine . höhere'politische Aufgabe zu qualifizieren. Prüft man diesen Beweggrund unter dem Gesichtspunkt nach, daß das Durchschnittsalter der PStS bei Amtsantritt in Beziehung gesetzt wird zu dem Durchschnittsalter des gesamten Parlaments und des Kabinetts, dann ergibt sich, daß generell Jüngere'Abgeordnete berufen worden sind.
In der Zeit der . Großen Koalition'betrug das Durchschnittsalter — jeweils beim Amtsantritt der PStS — der Abgeordneten 52, des Kabinetts 54 und der PStS 42 Jahre. Ein etwas abgewandeltes Bild zeigt sich für die SPD/FDP-Regierung. Mit der Verjüngung des Bundestages — Durchschnitt 49 Jahre — ging eine Verjüngung des Kabinetts einher — Durchschnitt 51 Jahre —, während das Durchschnittsalter der PStS auf 46 Jahre anstieg. 27 b) Parlamentarische und berufliche Erfahrung Generell läßt sich feststellen, daß sich die PStS besonders aus den Abgeordnetenkreisen rekrutieren, die auf eine längere Bundestags-erfahrung verweisen können. So konnten 13 von 23 PStS vor der Amtsübernahme auf eine acht-bis sechzehnjährige Bundestagstätigkeit zurückblicken. Lediglich vier Abgeordneten gelang es, gleich (Focke, Dahrendorf, Dohnanyi) oder fast gleich (Rosenthal) nach der Wahl in den Bundestag zu PStS ernannt zu werden. Zwei von ihnen konnten allerdings auf landes-parlamentarische Erfahrungen verweisen. Lediglich die PStS Dohnanyi und Rosenthal hatten vorher kein parlamentarisches Mandat innegehabt. Sechs der dreiundzwanzig PStS hatten außerdem vor der Amtsübernahme Vorstandsämter in Partei oder Fraktion bekleidet. Es läßt sich außerdem erkennen, daß für die Berufung zum PStS die vorher im Beruf und im Parlament gesammelten Erfahrungen ein wesentliches Auswahlkriterium darstellten. Es erfolgt keine Zuordnung unter dem Gesichtspunkt der , allgemeinen'Ausbildung — wie beispielsweise in England —, sondern durch die Zuordnung von Fachleuten scheint man eine Entwicklung auf die Konzeption des englischen Staatsministers — zur stärkeren Entlastung der Minister — hin angelegt zu haben. c) Direktmandat — Landesliste Von den 23 PStS waren elf als Wahlkreiskandidaten, zehn über die Landesliste und zwei als Berliner Abgeordnete in den Bundestag gekommen. Während das Verhältnis in der Regierung von SPD/FDP mit 8: 8: 1 vollkommen ausgeglichen ist, betrug es in der . Großen Koalition'4: 2: 2. d) Regionale Zuordnung Die regionale Zuordnung der PStS zeigt, daß die Bundesländer, gemessen an ihren Bundestagsmandaten, unterschiedlich stark repräsentiert sind. Während in der „Großen Koalition" kein PStS aus Bremen, Hamburg, Niedersachsen, dem Saarland und Schleswig-Holstein kam, blieben Bremen, das Saarland und Schleswig-Holstein auch unter der SPD/FDP-Regie-rung ohne PStS. 3. Aufgabengebiete der PStS Die enge Bindung des PStS an seinen Minister und die damit verknüpfte Zuordnung des PStS zur politischen Leitungsspitze des Ministeriums führt dazu, daß die Aufgabengebiete der PStS weitgehend — in unterschiedlicher Ausprägung — denen des Ministers entsprechen. So wird denn auch in den Hausordnungen, Dienstnachrichten u. ä. die Formel gebraucht, daß dem PStS der Auftrag erteilt wurde, den Minister bei der Erfüllung seiner politischen Aufgaben zu unterstützen und zu entlasten, insbesondere die Verbindung zum Bundestag und Bundesrat sowie zu deren Ausschüssen, ferner zu den Fraktionen und deren Arbeitskreisen sowie zu den Parteien zu pflegen, um so eine weitestgehende Übereinstimmung zwischen der ministeriellen Arbeit und der politischen Entscheidung sicherzustellen. a) Ministerien Ein Grundproblem innerhalb des ministeriellen Bereichs ist die Frage der Vertretung des Ministers. Hierzu werden zwei unterschiedliche Auffassungen vertreten. Einmal wird versucht, aus der durch das parlamentarische Regierungssystem gegebenen Priorität der politischen Leitung gegenüber der Bürokratie ein Anrecht des PStS auf Vertretung des Ministers auch im Ressort herzuleiten. Diese Auffassung muß zwangsläufig kollidieren mit der weitgehend vom „klassischen" Gewaltenteilungsschema beeinflußten Auffassung, daß die Stellvertretung des Ministers dem beamteten Staatssekretär zukomme
In der Diskussion um dieses Problem wird immer wieder herausgestellt, daß sich in zwei Fällen (Finanzministerium und Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit) schon eine Vertretung im Ressort durch den PStS ergeben zu haben scheint
Zwei besondere Probleme ergeben sich in diesem Zusammenhang für die Stellung der PStS im Bundeskanzleramt und im Bundesverteidigungsministerium. Ausgangspunkt der Bedenken gegen einen PStS im Bundeskanzleramt ist dabei der Hinweis auf Art. 69 GG, durch den die Stellvertretung des Bundeskanzlers durch den Vizekanzler geregelt wird. In der Amtszeit des PStS Guttenberg im Bundeskanzleramt zur Zeit der „Großen Koalition“ ergaben sich in dieser Hinsicht jedoch keine Schwierigkeiten. Diese theoretischen Bedenken scheinen auch seit der Regierung Brandt/Scheel und der Ernennung von Frau Focke zum PStS im Bundeskanzleramt nicht gerechtfertigt zu sein.
Bedenken wurden auch gegen die Ernennung eines PStS beim Bundesminister für Verteidigung erhoben, weil dieser in Friedenszeiten die oberste Befehls-und Kommandogewalt über die Bundeswehr ausübt. Hieraus resultiert die Frage, ob der Minister bei Verhinderung durch den Minister, der ihn im Kabinett vertritt, oder durch den Parlamentarischen oder beamteten Staatssekretär vertreten wer-den soll. Wenngleich bisher der Vorrang des beamteten Staatssekretärs offenkundig ist, so bleibt doch zu fragen, ob sich aus der absoluten Unterordnung des militärischen Bereichs unter die politische Führung und der problematischen Überordnung der Verwaltung über das Militär nicht doch die Lösung anbietet, dem PStS die Vertretung in der Befehls-und Kommandogewalt zu übertragen, da somit wenigstens mittelbar eine parlamentarisch verantwortliche und zivile Vertretung erreicht ist, die die Nachteile der von der Sachkompetenz her zweifelhaften Vertretung durch einen anderen Minister und die das Statusgefühl der Militärs verletzende Vertretung durch den beamteten Staatssekretär ausschließt
Eng verknüpft mit der Vertretungsfrage ist das Verhältnis zwischen beamtetem und Parlamentarischem Staatssekretär, das wiederum zusammenhängt mit dem Weisungsrecht des PStS, dem Recht auf umfassende Information und den sich aus der Unterstellung von Abteilungen unter den PStS ergebenden Problemen. Das Verhältnis von PStS und beamtetem StS wurde zunächst allgemein als problematisch angesehen, da für ihre Beziehungen zueinander keine einheitliche Regelung vorgegeben war. So kam es anfangs auch zu Kooperationsschwierigkeiten
Weiterhin wird die Unterstellung von Abteilungen unter die PStS als problematisch angesehen. Besonders scharf kritisiert wurde in diesem Zusammenhang die Unterstellung von Abteilungen unter den PStS Arndt im Wirtschaftsministerium zur Zeit der „Großen Koali-tion", weil diese Maßnahme darauf beruhte, daß ein beamteter Staatssekretär ausschied und Arndt somit Aufgaben des beamteten Kollegen übertragen bekam, obwohl die typischerweise Beamten übertragenen Aufgaben nicht von Politikern wahrgenommen werden sollten
Mit der Bildung der SPD/FDP-Regierung wurde dann die Möglichkeit der Übertragung eigener Aufgabengebiete an die PStS ausgeweitet. So sind den PStS im Auswärtigen Amt, im Innen-und Wirtschaftsministerium, in den Ministerien für Arbeit und Sozialordnung, für Jugend, Familie und Gesundheit, für innerdeutsche Beziehungen, für Bildung und Wissenschaft und für wirtschaftliche Zusammenarbeit Abteilungen unterstellt
Grundlage für die gesamte Tätigkeit der PStS ist jedoch, daß ihnen ein umfassendes Informationsrecht zugestanden wird, damit sie ihre innerund außerministeriellen Aufgaben sachgerecht wahrnehmen können. So enthalten denn auch die Hausordnungen die Formel, daß der PStS über alle Angelegenheiten von politischer und grundsätzlicher Bedeutung laufend zu unterrichten ist. Während der PStS Benda über seine Zeit im Innenministerium noch sagte, daß er sich Vorgänge und Akten, die ihn interessierten, selber besorgen mußte
Zusammenfassend kann gesagt werden, daß die Stellung der PStS im Ministerium als noch nicht abschließend geregelt angesehen werden kann. Vielmehr scheint die Entwicklung vom ehemals geplanten Weisungsrecht für die PStS der Regierung der „Großen Koalition“ über die heutige Zulassung eines partiellen Weisungsrechtes auf eine noch weitergehende Regelung hinzuweisen; dies scheint auch im Hinblick auf die hauptsächliche Funktion des PStS im Ministerium — den Minister bei der politischen Leitung zu unterstützen — angemessen zu sein. b) Kabinett Die Bedeutung des Kabinetts als wesentliches Entscheidungszentrum macht eine regelmäßige Teilnahme aller Minister an den Sitzungen erforderlich. Lassen sie sich bei Verhinderung vertreten, dann taucht die Frage auf, ob nun der Ministervertreter die volle Vertretung des Ministers im Kabinett — also auch das Stimmrecht — übernehmen kann. Die hierzu geführte, vorwiegend verfassungsrechtlich ausgerichtete Diskussion kam ziemlich einheitlich zu der Auffassung, daß mit Art. 62 GG der Kreis der Kabinettsmitglieder abschließend geregelt sei und somit der Vertreter keinesfalls das Stimmrecht übernehmen könne, sondern für einen Minister nur ein anderer Minister abstimmen dürfe
Mit der Einführung von PStS lag es an sich nahe, diesen als den „politischen Gehilfen’ der Minister die Vertretungsvollmacht für das Kabinett zu übertragen. Warum man zur Zeit der „Großen Koalition" jedoch an der Regel-vertretung durch den beamteten StS festhielt — ob es am Einfluß der beamteten StS lag, ob verfassungsrechtliche Bedenken bestanden, ob eine unterschiedliche Regelung für Minister mit und ohne PStS vermieden werden sollte —, konnte nicht eindeutig geklärt werden.
Nach der Bildung der Regierung von SPD/FDP gab man bekannt, daß die PStS die Vertretung der Minister im Kabinett übernehmen sollen, und es schien so, als ob sie mit einem vertretungsweisen, aber weisungsfreien Stimmrecht ausgestattet werden sollten
In der Diskussion um das Recht der PStS, an Kabinettssitzungen teilzunehmen, wurden zusätzlich Befürchtungen laut, daß durch eine mögliche gleichzeitige Teilnahme von Minister, beamtetem StS und PStS eines Ministeriums das ohnehin schon große Kabinett in seiner Arbeitsfähigkeit zusätzlich beeinträchtigt werden könnte. Die verfügbaren Zahlen über die Teilnahme von PStS an Kabinettssitzungen der „Großen Koalition" ergeben jedoch, daß durchschnittlich lediglich zwei bis drei PStS teilnahmen. Auch mit der Regierung Brandt/Scheel und der gleichzeitig vollzogenen Anhebung der Zahl der PStS auf 15 hat sich nur eine geringfügige Erhöhung der Teilnahmestärke ergeben, obwohl die PStS nun als offizielle Vertreter ihrer Minister erscheinen können. So nahmen an den ersten zwanzig Kabinettssitzungen dieser Regierung durchschnittlich drei bis vier PStS teil, davon durchschnittlich zwei bis drei als Vertreter ihrer Minister
Die Teilnahme blieb jedoch nicht auf die Kabinettssitzungen beschränkt; die PStS waren und sind ebenso in den Sitzungen der Kabinettsausschüsse vertreten. Laufer berichtet, daß die PStS mit einiger Regelmäßigkeit teilnehmen
Zur Beratung des Kabinetts wurden außerdem durchBeschluß vom 4. Dezember 1969 fünf Staatssekretärausschüsse eingerichtet. Zwar traf die Entscheidung der Bundesregierung zunächst auf die Kritik der Regierungsfraktionen
Zusammenfassend kann über die Tätigkeit der PStS im Kabinettsrahmen gesagt werden, daß eine Entlastung der Minister indirekt dadurch erreicht wird, daß die beamteten StS durch das Vordringen der PStS in diesen Bereich den Ministern mehr . Verwaltungsaufgaben'abnehmen können und die PStS durch ihre Tätigkeit im Kabinett einen größeren Einfluß auf die Regierungspolitik gewinnen
Mit dem Einbau weiterer Abgeordneter — neben den Ministern — in den Bereich der Regierung verband man einerseits die Aussage, daß hierdurch die politische Leitung der Ressorts gestärkt werden könne, die Fraktion aber in ihrer Arbeitskraft geschwächt würde
So dürften die Fraktionen versuchen, über die PStS Informationen aus den Ministerien zu erhalten und ihre Vorstellungen über die PStS in die Arbeit der Ministerien einfließen zu lassen. Andererseits kann auch der Minister versuchen, durch seinen PStS die Fraktion oder, wenn der PStS einer anderen Fraktionsgruppe zuzuzählen ist als der Minister, diese Fraktionsgruppe für anstehende Entscheidungen zu gewinnen. So kann den PStS im zwischen Fraktion und Regierung ablaufenden Entscheidungsprozeß eine bedeutende Koordinationsfunktion zukommen.
Mit der Übertragung von Aufgaben im Fraktionsbereich vom bisher dafür zuständigen Minister an den PStS kann sich theoretisch ergeben, daß der PStS versucht, die Fraktion für sich zu gewinnen, bzw. die Fraktion versucht, den PStS als . Gegenpol'zum Minister aufzubauen. Hieraus würden Loyalitätskonflikte für den PStS entstehen. Bisher sind jedoch derartige Konfliktsituationen zwischen Minister und PStS noch nicht publik geworden
Inwieweit eine Entlastung der Minister gegenüber der Fraktion durch die PStS tatsächlich stattgefunden hat, kann nicht quantitativ erfaßt werden. Es wurde lediglich darauf hingewiesen, daß eine spürbare Entlastung der Minister von ihren Verpflichtungen gegenüber der Fraktion zu verzeichnen sei
Fragestunden, Kleine und Große Anfragen sind einige zur Kontrolle der Regierung dem Parlament zur Verfügung stehende Mittel. Sie werden vor allem von den in der Opposition stehenden Fraktionen wahrgenommen. Vor der Berufung von PStS waren die Minister in dieser Auskunftspflicht gegenüber dem Parlament in weitgehendem Maße von den Beamten ihrer Ressorts, besonders von ihren beamteten StS, entlastet worden. Damit trat jedoch die Schwierigkeit auf, daß die Beamten aufgrund ihrer Stellung nicht legitimiert waren — außer bei ausdrücklicher Weisung ihres Ministers —, politisch verantwortliche Aussagen zu machen. So begrüßten die beamteten StS im allgemeinen die mit der Berufung der PStS verbundene Entlastung von diesen Aufgaben, „zumal sie ab und zu wegen ihres Beamtenstatus und des Gebotes zur Vermeidung jeder Polemik nicht so reagieren können, wie das die PStS gegenüber ihren Abgeordneten-Kollegen vermögen"
So zeigt sich denn auch in dem ausgewerteten Zahlenmaterial
Bei der Beantwortung . Kleiner Anfragen konnten sich die PStS gegenüber den beamteten StS während der Zeit der . Großen Koalition’ nicht so eindeutig durchsetzen, do hat sich mit der Regierung von SPD/FDP auc hier ein Wandel vollzogen, denn von den 48 Anfragen vom 28. 9. 1969 bis 27. 2. 1970 wurden 34 von den Ministern, 10 von den PStS und nur 4 von den beamteten StS beantwortet. Es bleibt jedoch noch zu erwähnen, daß die PStS im Bundestag auch als Fragesteller aufgetreten sind. Hieran ist mehrfach Kritik geübt worden; besonders ist der Fall herausgestellt worden, daß ein PStS an seinen Minister oder an einen PStS-Kollegen eine Frage richtet. Hierbei kann es sich um eine abgesprochene Frage oder dergleichen handeln, so daß sich eine faktische Einschränkung der Fragestunde als Kontrollinstrument des Parlaments ergeben könnte. Aus den bisher aufgetretenen wenigen Fällen läßt sich eine derartige Gefahr jedoch nicht ableiten, wenngleich man sich im Rahmen einer Parlamentsreform überlegen sollte, ob man diese Möglichkeit nicht von vornherein ausschaltet. — Ausschüsse:
Mit der Entscheidung der SPD-Fraktion, ihre PStS zu stellvertretenden Mitgliedern derjenigen Bundestagsausschüsse zu benennen, deren Sachgebiet in ihre ministerielle Zuständigkeit fällt
Die PStS der . Großen Koalition'hatten ihre Ausschußsitze mit ihrer Ernennung niedergelegt und waren lediglich als Beauftragte der Bundesregierung in den Ausschüssen tätig geworden. Dabei war ihnen eine doppelte Funktion zugefallen. Einerseits hatten sie dem Ausschuß die Vorstellungen der Regierung zu erläutern und andererseits die Vorstellungen und Anregungen der Ausschußmitglieder entgegenzunehmen und ins Ressort weiterzuleiten. Mit der Entscheidung der SPD-Fraktion hat sich insofern etwas geändert, als die PStS nun nicht mehr lediglich als Beauftragte der Bundesregierung auftreten, sondern gleichzeitig als Abgeordnete, die die Rechte ihres Mandats wahrnehmen können, denn zwischen der vollen und stellvertretenden Mitglied-schäft im Ausschuß besteht in der Praxis kaum ein Unterschied.
n dieser Entscheidung wurde nun seitens der Pposition ein offener Bruch der Gewalten-teilung gesehen, weil der PStS einerseits die Regierung vertritt, andererseits als Ausschußmitglied über diese Regierungshandlungen mit abstimmen kann und die Kontrollfunktion des Parlaments ad absurdum führe
Der hier vorgestellten Kritik kann aber nicht zugestimmt werden, denn in der Argumentation spiegelt sich das Bestreben wieder, die PStS möglichst einem Bereich — der Exekutive — zuzuordnen; insoweit nähert sich diese Argumentation der überkommenen verfassungsrechtlichen, im konstitutionellen Denken verhafteten Gewaltenteilungslehre. Es wird aber übersehen, daß das in das parlamentarische System eingebettete Amt des PStS gerade auf eine Verbindung der Exekutive und Legislative hin angelegt ist. Die als Kontrollfunktion des Parlaments apostrophierte Tätigkeit des Ausschusses verdeckt die Tatsache, daß im parlamentarischen System die hier gemeinte Kontrollfunktion auf die Opposition übergegangen ist. Gerade aus diesem Grunde sollte die Tätigkeit der PStS in den Ausschüssen als zusätzliche Möglichkeit der Informationsgewinnung für die Opposition gesehen werden. Die tatsächliche Verflechtung von Regierung und Parlamentsmehrheit findet vielmehr nur die logische Entsprechung in den Parlamentsausschüssen, wie beispielsweise auch in den Arbeitskreisen der Fraktionen. Der Ansatzpunkt der Kritik sollte somit weniger die Entsendung der PStS in die Ausschüsse des Bundestags sein, sondern es sollte vielmehr gefragt werden, ob nicht die Stellung der Opposition ausgebaut werden muß.
über die Tätigkeit der PStS in den Ausschüssen liegen keine genaueren Daten vor. Aus dem Vorhergehenden dürfte aber ersichtlich sein, daß man der allgemeinen Auffassung zustimmen kann, die eine spürbare Entlastung der Minister von ihren parlamentarischen Pflichten meint feststellen zu können
Laufer meint, ein „offensichtliches Desinteresse der Parlamentarischen Staatssekretäre an den föderativen Problemen der bundesrepublikanischen Politik"
Aufgrund dieser Zusammenhänge ist den PStS die Aufgabe zugewachsen, ihre Minister in diesem Bereich zu entlasten. Dies geschieht teilweise dadurch, daß sie an repräsentativen Veranstaltungen teilnehmen, in Bundespressekonferenzen auftreten usw. Diese breite, un-differenzierte Ansprache der Öffentlichkeit verdichtet sich jedoch beispielsweise, wenn der PStS für Minister der seinen institutionalisierten Öffentlichkeit, den Interessengruppen, gegenübertritt. Es hat sich aber gezeigt, daß die PStS nur in begrenztem Maße in der Lage sind, ihre Minister zu entlasten, „weil Interessenverbände und andere Organisationen oft allein in einem Bundesminister den ihnen gemäßen Repräsentanten der Bundesregierung oder des Ressorts sehen und der Bundesminister sich diesen Erwartungen häufig nicht zu entziehen vermag"
von zur Die bis zur Ernennung PStS Entlastung der Minister eingesetzten Beamten der einzelnen Ministerien — hauptsächlich die beamteten StS — waren und sind für die Wahrnehmung dieser politischen Aufgaben aufgrund ihrer Qualifikation und ihrer Kompetenz teilweise nur bedingt geeignet. Für diesen Aufgabenbereich bot sich „der unmittelbar legitimierte und politisch verantwortliche Parlamentarische Staatssekretär als die einzig adäquate Vertretung eines Mitglieds der Bundesregierung"
IV. Das Amt des PStS im Systemzusammenhang
Die Darstellung der theoretischen Möglichkeiten des Amtes des PStS wie auch die Beschreibung der in der Praxis vollzogenen Ausgestaltung des Amtes bleiben nur partiell verständ-lieh, wenn man sie nicht in den größeren Zusammenhang unseres parlamentarischen Regierungssystems überführt. Es kann hier allerdings keine umfassende Darstellung gegeben werden, doch es kristallisieren sich drei Bereiche heraus, die den Beziehungszusam-hang deutlich werden lassen. Zum einen ist dies der eng mit der Stellung der PStS verknüpfte Bereich der Kabinettsreform und zum anderen handelt es sich um die Gestaltung des Verhältnisses von Regierung und Parlament und schließlich um das Verhältnis von Regierung und Verwaltung in Verbindung mit dem Amt des PStS. 1. PStS und Kabinettsreform Schon vor der Bildung der , Großen Koalition'ist an der Regierungsorganisation der Bundesrepublik erhebliche Kritik geübt worden. So wurde unter anderem bemängelt, daß das auf rund 20 Mitglieder angewachsene Kabinett der Bundesregierung kaum in der Lage sei, die durch Kompetenzüberschneidungen notwendigen Koordinationsaufgaben zwischen den Ressorts zu leisten, langfristige, politisch -inte grierte Planungen vorzunehmen, zukunftsorientierte Entscheidungen zu treffen. Vielmehr seien — durch die unabdingbare Verknüpfung von Ministeramt und Kabinettszugehörigkeit — Minister unterschiedlichen politischen Gewichts im Kabinett vertreten, die bei gleichzeitig noch vorhandenen, unterschiedlichen Informationsständen und der teilweisen Überlastung mit Ressortangelegenheiten lediglich an tagespolitischen und ressortgebundenen Gesichtspunkten orientierte Entscheidungen zu fällen in der Lage seien
Von der Regierung der . Großen Koalition'erwartete man denn auch, daß wenigstens eine teilweise Reform des Kabinettssystems durchgeführt werden würde. So wurde angenommen, daß man sich der Institution des PStS insofern bedienen würde, als bei der Rückführung von spezialisierten Ministerien in größere Ressorts den PStS die Leitung dieser Teilbereiche unter der parlamentarischen Verantwortung des Ministers übertragen würde. Diese Verzahnung von Ansätzen einer Kabinettsreform und der Einführung der PStS wurde auch von dem Berichterstatter Wörner in der Diskussion bei der zweiten Lesung des Gesetzentwurfs über die Rechtsverhältnisse der PStS hervorgehoben
Mit der Bildung der Regierung Brandt/Scheel erfolgte insofern eine Berücksichtigung der Ergebnisse der Projektgruppe, als die Anzahl der Bundesministerien auf 14 verringert wurde, wenngleich die Projektgruppe eine Reduzierung auf 12 oder 13 Ministerien vorgeschlagen hatte
Mit dieser Verringerung des Kabinetts auf 16 Mitglieder (15 Minister und der Bundeskanzler) wurde zwar eine teilweise Kabinetts-reform vollzogen, doch muß angesichts der weiterhin vorhandenen Belastung der Minister mit Ressortangelegenheiten gefragt werden, ob diese in der Lage sind oder überhaupt in der Lage sein können, sich vermehrt den Aufgaben im Kabinett und der Abstimmung ihrer Ressortprobleme unter gesamtpolitischer Perspektive zu widmen, und ob die angestrebte Konzentration und Rationalisierung der Regierungsarbeit wirklich eingetreten ist. Zwar brachte die Zuordnung von PStS zu allen Ministern für diejenigen eine Entlastung, die bisher noch keinen PStS hatten, doch wurde dieser Effekt bei ihnen teilweise dadurch wieder kompensiert, daß diesen Ministerien aus der Zusammenlegung auf 14 Ressorts zusätzliche Aufgaben erwuchsen. Es wird nun angesichts dieser Situation weiterhin die vermehrte Entlastung der Minister im Ressort gefordert. Dazu wäre allerdings erforderlich, daß die augenblickliche Stellung der PStS im Ressort ausgebaut würde. Sie müßten eindeutig der politischen Leitung der Ressorts zugeordnet werden, eigene Aufgabenbereiche übernehmen und ein eindeutiges Weisungsrecht gegenüber den Angehörigen des Ministeriums erhalten
Will die politische Spitze diesen Entschei-dungsprozeß steuern und kontrollieren können und damit die politische Impuls-und Kontrollfunktion gegenüber der Verwaltung sichern, dann muß sie hierfür in erhöhtem Maße organisatorische und personelle Regelungen treffen. Eine derartige Maßnahme stellt nun die Einführung von PStS in das Regierungssystem der Bundesrepublik dar, und durch ihre Zuordnung zur politischen Leitung der Ressorts soll die Prärogative der Politiker gesichert werden. Hierfür wäre es jedoch notwendig und systemgerecht, daß die PStS noch eindeutiger als bisher der politischen Leitung zugeordnet werden.
V. Perspektiven
Die in den vorhergehenden Abschnitten gelieferte Darstellung der theoretischen Möglichkeiten, die in dem Amt des PStS angelegt, und der Konsequenzen, die in der Praxis daraus gezogen worden sind, läßt erkennen, daß sich in den einzelnen Aufgabengebieten Unterschiede zwischen den einzelnen Amtsinhabern herauskristallisiert haben und die Tendenz besteht, das Amt des PStS in der Bundesrepublik in Richtung auf das englische Modell des . Staatsministers'fortzuentwickeln, um durch Unterstellung einzelner Abteilungen des Ministeriums eine größere Entlastung der Minister im Ressort zu erreichen. Betrachtet man jedoch die von den PStS insgesamt wahrgenommenen Funktionen, dann erkennt man, daß sie ein Funktionsfeld ausfüllen, das in Großbritannien von Staatsministern, Parlamentarischen Staats-und Privatsekretären und in bezug auf die Fraktionen partiell auch von den Whips (Einpeitschern) abgedeckt wird. Wenn auch die Notwendigkeit der stärkeren Entlastung der Ressortminister allgemein anerkannt wird, so sollte doch bedacht werden, daß mit einer stärkeren Zuordnung der PStS zum Ressort — bei einer möglicherweise noch gleichzeitig mit eingeleiteten Kabinettsreform in Richtung auf ein kleineres Entscheidungs-kollegium — eine größere Belastung für die PStS oder , Staatsminister'verbunden ist, die ihre Möglichkeiten, zusätzlich noch Aufgaben in anderen Bereichen wahrzunehmen, ein-schränken dürfte.
Man sollte daher erwägen — auch im Hinblick darauf, daß sich in den einzelnen Ressorts unterschiedliche Stellungen der PStS aufgrund einer pragmatischen Entwicklung ergeben haben —, ob es nicht funktionsgerechter wäre, eine differenzierte Reform dahin gehend durchzuführen, daß neben Staatsministern weiterhin PStS und möglicherweise auch noch Privatsekretäre in das Beziehungsgeflecht zwischen Regierung und Parlamentsmehrheit (wie in Großbritannien) eingefügt würden
Eine derartige Lösung dürfte auch dem Gedanken der Ausbildung von , Ministrablen mehr entsprechen, da eine Reform, durch die das Amt der PStS zu einem Staatsministeramt aufgewertet werden würde, lediglich Ämter schaffen würde, die als Dauereinrichtung zur Entlastung der Minister anzusehen wären. Weiterhin würde dann die Möglichkeit eröffnet, von der bisherigen Praxis abzuweichen, lediglich Fachleute für ein Ressort in der Regel zu PStS dieser Ressorts zu ernennen, so daß eine vielseitigere Ausbildung ermöglicht würde.
Alle Maßnahmen zur Reform der Institution des PStS müssen jedoch in ihrem Bezug auf das Problem der Legitimität dieser Effizienzsteigerung des gesamten Regierungsprozesses gesehen werden. Sie müssen daher gleichzeitig zu einer Stärkung der Kontrollmöglichkeiten der Opposition führen und Teil einer das ganze parlamentarische Regierungssystem der Bundesrepublik umfassenden Reform sein.