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Raumordnung und Infrastrukturpolitik | APuZ 16/1971 | bpb.de

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APuZ 16/1971 Artikel 1 Raumordnung und Infrastrukturpolitik

Raumordnung und Infrastrukturpolitik

Rainer Waterkamp

/ 64 Minuten zu lesen

I. Trends der modernen Industriegesellschaft

I. II. III. IV.

V. VI. VII. VIII.

IX.

X. XI. XII. XIII. XIV.

XV. INHALT Trends der modernen Industriegesellschaft Was ist Raumordnung heute?

Raumordnung und Infrastrukturpolitik Begriffe der Raumordnung Die Verdichtungsräume Die Entwicklungsgebiete und Entwicklungsbänder Die Komplexität der Raumordnung und die Koordinierungsprobleme Maßnahmen der Strukturpolitik Die regionalen Aktionsprogramme Förderung des Zonenrandgebietes und EDV-Förderung Bevölkerungsprognosen für die Bundesrepublik ٚ?

Die giftigen Industriegasschwaden über dem Ruhrgebiet, das Fischsterben in deutschen Flüssen, das tägliche Verkehrschaos in den Städten, die geringe Aufklärungsquote bei der Verbrechensbekämpfung und der immer noch geringe Anteil bestimmter Bevölkerungsschichten an den Abiturienten-und Hochschulziffern sind Warnsignale, die nicht übersehen werden dürfen. Erhöhung des Lebensstandards bedeutet zukünftig weniger noch als bisher allein Verbesserung des individuellen Einkommens. Vielmehr garantieren erst öffentliche Leistungen auch eine Steigerung des persönlichen Lebensstandards, also Vorsorge für das Alter und für Unglücksfälle (Sozialleistungen), Schutz vor Krankheit, Straßenbau und Raum-planung, Verkehrswesen, Post-und Schulwesen, Polizei und Umweltschutz.

Die Priorität des privatwirtschaftlichen Sektors vor dem öffentlichen Bereich ist mittlerweile zur Fiktion geworden. Nicht nur Umfang und Intensität der Staatstätigkeit haben sich verstärkt, auch die Verteilerfunktion des Staates tritt immer mehr hervor. Ohne den Ausbau des öffentlichen Sektors kann der allgemeine Lebensstandard nicht mehr erhöht werden.

Die Bundesregierung hat bereits im Jahre 1966 die „Notwendigkeit einer aktiven sektoralen und regionalen Strukturpolitik“ bejaht, die »dem wirtschaftlichen Fortschritt dient. Ziel der strukturpolitischen Maßnahmen muß die Verbesserung der Produktivität und der Fähigkeit aller Produktionsfaktoren sein, sich den wandelnden Verhältnissen anzupassen" Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller hat dementsprechend im Jahre 1968 vor dem Bundestag die Struktur-und Wirtschaftspolitik der Bundesregierung näher erläutert. Danach hat die Strukturpolitik die Voraussetzungen dafür zu verbessern, daß die Produktionsfaktoren Kapital, Arbeit und Boden laufend den optimalen Verwendungszwecken zugeführt werden. Nur so könne auf die Dauer das be-rühmte „angemessene Wirtschaftswachstum" erzielt werden

Mit der Strukturpolitik versucht der Staat, einzelnen in Not geratenen Wirtschaftszweigen oder zurückgebliebenen Gebieten die An-passung an die wirtschaftliche Entwicklung zu erleichtern, etwa durch Steuer-und Kredit-vergünstigungen. Die im Rahmen der Strukturpolitik erhobenen Kohlenzölle beispielsweise sollten die Krise im Steinkohlenbergbau mindern und für eine Übergangszeit die Anpassung an die veränderte Energiemarktlage erleichtern. Diese sektorale Strukturpolitik war darauf gerichtet, die Anpassungsprozesse in der Wirtschaft zu erleichtern. Ziel der Strukturpolitik sollte allerdings niemals die Erhaltung bestehender überholter Strukturen sein, sondern die marktgerechte Veränderung. Notwendig sind Umstellungshilfen, nicht Erhaltungssubventionen. Der Staat will eine bestmögliche Koordination der arbeitsteiligen Produktion fördern und gleichzeitig die mit jeder Umstellung verbundenen sozialen Spannungen soweit mildern, daß soziale Notstände nicht entstehen.

Die regionale Strukturpolitik bemüht sich um eine gleichmäßige Entwicklung der einzelnen Wirtschaftsgebiete Industrielle Ballungszentren neben Entleerungsräumen schaffen nämlich ein starkes Wirtschaftsund Bildungsgefälle, das soziale und politische Probleme auf-wirft. Uber das Sonderproblem der Zonengrenzgebiete hinweg gewinnt daher die regionale Strukturpolitik als Raumordnungspolitik immer mehr an Bedeutung.

• In jeder modernen Volkswirtschaft sind einzelne Sektoren dem Marktmechanismus ganz oder zumindest teilweise entzogen und werden überwiegend nach politischen Gesichtspunkten dirigiert. In der Bundesrepublik gehören das gesamte Bildungswesen, in dem ein großer Teil der Akademiker beschäftigt ist, und zahlreiche Dienstleistungen (wie z. B. die ärztlichen) dazu.

Es geht nicht nur darum, gegenwärtige Mißstände zu beheben, sondern es müssen auch weitblickende Vorsorgemaßnahmen für die Zukunft getroffen werden. Immer wichtiger wird es, an den öffentlichen Zukunftsbedarf zu denken und für kommende Gemeinschaftsaufgaben bereits heute Vorsorge zu treffen.

Die Änderung der Bedarfsstruktur und der technische Fortschritt im wirtschaftlichen Wachstumsprozeß zwingen den Staat auf vielen Gebieten zur Anpassung und Gestaltung. Dem Staat steht die Aufgabe zu, die eigentlichen Vorbedingungen für das Wirtschaftswachstum zu schaffen. Darunter ist im weiteren Sinne der Ausbau der gesamten Infrastruktur der Volkswirtschaft zu verstehen, wie Vor allem Verkehrswesen, Erziehungsund Bildungswesen usw. Investitionen sind die* Vorbedingungen weiteren wirtschaftlichen Wachstums. Zudem sind die Ausreifungszeiten sehr lang; Unterlassungssünden lassen sich deshalb kurzfristig nicht korrigieren. Mangelnde Nachwuchsförderung in der Vergangenheit wird sich wahrscheinlich noch mindestens ein Jahrzehnt lang auswirken. Bei der Mehrzahl der Investitionsprojekte handelt es sich auch um ausgesprochene Großprojekte, die genauer Planung bedürfen, sollen größere Fehlinvestitionen vermieden werden. Zudem ist in einzelnen Sektoren der Volkswirtschaft (z. B. Energiesektor, Landwirtschaft) der Preismechanismus außer Kraft gesetzt. Wenn die regulativen Kräfte des Marktes nicht mehr ausreichend wirksam sind, bedarf es einer an dem künftigen Wachstum ausgerichteten Planung. Schließlich versagt angesichts des Umfangs der Objekte das Modell der vollkommenen Konkurrenz.

Im Grundgesetz für die BRD werden gleiche wirtschaftliche und soziale Lebensbedingungen gefordert. Kein Bürger soll wegen seiner sozialen Herkunft benachteiligt sein. Es ist aber unbestreitbar, daß die Bevölkerung des Bundesgebietes in regional sehr unterschiedlichen Umweltverhältnissen lebt. In den ländlichen und hier besonders in den zurückgebliebenen Gebieten ist das Bildungswesen z. B. wegen der geringeren qualitativen und quantitativen Ausstattung mit Bildungseinrichtungen ganz allgemein weniger entwickelt als in den Verdichtungsgebieten. Während in den hochindustrialisierten Verdichtungsgebieten vielfältige berufliche und soziale Aufstiegsmöglichkeiten bestehen, denen ein tiefgegliedertes Angebot an Bildungseinrichtungen entgegenkommt, weisen die ländlichen Gebiete derartige Bil-dungs-und Aufstiegschancen in weit geringerem Umfang auf. Dies hat zum Beispiel zur Folge, daß aus den ländlichen Gebieten vornehmlich die aufstiegs-und bildungswillige, das heißt die aktivste Bevölkerungsschicht abwandert. Sie setzt sich überdies aus den jüngeren Jahrgängen der erwerbstätigen Bevölkerung zusammen, weil diese die größten Aufstiegschancen haben.

Die demographische Struktur solcher Abwanderungsgebiete wird somit in doppelter Weise verändert, einmal durch Überalterung der zurückbleibenden Bevölkerung, zum anderen durch eine geringere Differenzierung der beruflichen Qualifikation. Somit werden die ohnehin schon zurückgebliebenen Gebiete noch weiter geschwächt. Diese ungünstige Entwicklung kann nur dann unterbunden wer-den, wenn die wirtschaftliche Struktur ebenso wie der Ausbau des Bildungswesens der betroffenen Gebiete gefördert wird. Die Grundrechte sind zwar in erster Linie Freiheitsrechte des einzelnen. Aus den Sozial-und Rechts-staatsprinzipien ist aber die Verpflichtung des Staates herzuleiten, durch geeignete Maßnahmen dafür zu sorgen, daß die den Grundrechten zugrunde liegenden Werte bestmöglich verwirklicht werden können. Beispielsweise ist der Staat verpflichtet — das betont auch der Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung —, die Chancengleichheit aller Bürger und die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse im Bundesgebiet ständig weiterzuentwickeln. Um dieses gesellschaftspolitische Ziel zu erreichen, beispielsweise das Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land sowie zwischen den Ländern zu beseitigen, müßten einheitlich ausgerichtete Maßnahmen eingeleitet werden Ähnliche Gefälle gibt es in der Versorgung mit Krankenhäusern, Straßen, Universitäten und Wohnungen.

II. Was ist Raumordnung heute?

Tabelle 1: Ausgaben der Bundesländer (ohne Stadtstaaten) für den Neu-, Um- bzw. Ausbau ihrer Landesstraßen Quelle: Entwicklungsplan des Landes Niedersachsen für die Jahre 1970 bis 1979, Hannover 1969

Seitdem das Stabilitätsgesetz Bund, Ländern und Gemeinden die Erarbeitung mehrjähriger Investitionsprogramme nahelegt, ist es notwendig geworden, sich vorher bestimmte Vorstellungen in bezug auf die anzustrebende Ausgestaltung der Teilräume zu machen. Hier müssen wissenschaftliche Gutachten über die wirtschaftliche und demographische Struktur der Regionen Auskunft geben, insbesondere über die strukturellen Schwächen sowie die Standortvorund -nachteile für einzelne Wirtschaftszweige. Darauf aufbauend können Prognosen über die zukünftige Entwicklung, das heißt über die zu erwartende Bevölkerungszahl und die voraussichtlichen Erwerbsgrundlagen, erarbeitet werden. Zudem muß sich der Bedarf an Infrastrukturinvestitionen und sonstigen Förderungsmaßnahmen ableiten lassen. „Versucht man eine Definition, so zielt Raum-ordnung darauf ab, die bestmögliche räumliche Verteilung von Wohnungen und Arbeitsstätten, von wirtschaftlichen, kulturellen und sozialen Einrichtungen zu erreichen. Damit soll vor allem bewirkt werden, daß in dem einheitlichen Wirtschafts-und Lebensraum der Bundesrepublik überall gleichwertige (nicht glei-die!) und den Ansprüchen an eine menschenwürdige Umwelt gerecht werdende Lebensbedingungen bestehen.“

Raumordnung ist also angewandte Gesellschaftspolitik, die sich auf die Umwelt bezieht.

In diese Richtung zielt auch der Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes — Artikel 74 GG, denn das Ziel des Umweltschutzes besteht in der Schaffung einer menschenwürdigen Umwelt, und der Raumordnung fällt bei der Bewältigung der Umweltprobleme eine entscheidende Rolle zu. Die Raum-ordnung soll Umweltbeeinträchtigungen auf längere Sicht durch vorausschauende Raum-planung auf ein Mindestmaß beschränken. Der Umweltschutz will die bestehenden Umwelt-beeinträchtigungen verringern und neue „umweltfreundliche" Technologien entwickeln.

Ziel der Raumordnungspolitik soll dabei sein, eine ausgewogene und abgestimmte Entwicklung der städtischen und ländlichen Gebiete zu erreichen und das Wohlstandsgefälle zwischen Stadt und Land zu beseitigen. Dazu gehört die Förderung des Schulwesens ebenso wie der Bau von Straßen und Krankenhäusern. Aber auch die landesgesetzlich unterschiedlich geregelte Lärmbekämpfung und der Mieterschutz sind raumpolitisch relevant. Das umfassende Umweltprogramm, das die Bundesregierung bis zum April 1971 vorlegen will, sowie der Entwurf eines Bundes-Immissionsschutzgesetzes sollen durch flankierende städtebauliche Maßnahmen abgestützt werden. Hierzu gehört neben den Sanierungs-und Entwicklungsmaßnahmen aufgrund des Städtebauförderungsgesetzes auch der Erlaß detaillierter Verordnungen wie etwa der DIN-Norm 18005 (Schall-schutz im Städtebau).

III. Raumordnung und Infrastrukturpolitik

Quelle: R. Göb, Raumordnung in der Bundesrepublik Deutschland, „Informationen zur politischen Bildung", Folge 128, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

Eine Abgrenzung zwischen der Planung der Infrastruktur und der Landesplanung oder Raumordnung läßt sich kaum vornehmen. Der Bau von Verkehrswegen beispielsweise ist eine Aufgabe zur Verbesserung der Infrastruktur und zugleich ein wichtiger Bestandteil der Landesplanung. Ganz ähnlich ist es bei Plänen zur Dorferneuerung oder Stadtsanierung. Indem auch die Bildungsplanung staatliche Investitionen in bestimmte Gebiete lenkt, schafft sie der Raumordnung Kristallisations-kerne einer künftigen Landesentwicklung.

Um eine ausgedehnte Verstädterung des Landes zu verhindern, haben die Planer nach Grundsätzen einer umfassenden Raumordnung gesucht, die die politischen Gemeinde-und Landesgrenzen überwinden sollen. Deshalb wurde das Prinzip einer zentralörtlichen Gliederung entwickelt Die Regionalplanung soll danach auf eine vierstufige Gliederung mit Mittelpunktgemeinden, kleineren zentralen Städten, mittleren zentralen Städten und Großstädten gerichtet sein. Dabei wurden für jede Stufe gewisse Merkmale der Regelausstattung im privaten und öffentlichen Bereich (Infrastruktur) aufgestellt.

Ein weiteres Beispiel für den engen Zusammenhang von Infrastrukturförderung und Landesplanung bietet die Verkehrsplanung Hier müssen die extrapolierten Tendenzen einer ständigen Zunahme der Verkehrsdichte beachtet und Prognosen über das künftige Verkehrsaufkommen gestellt werden.

Die Basis der Verkehrsplanung bildet auch hier der für die Raumordnung entwickelte Flächennutzungsplan. Dabei gilt es, die ökonomisch sinnvollste Ausgestaltung einzelner Netze bei erwartetem Transportbedarf und gegebenen Transportkosten zu ermitteln. Im Idealfall sollen die unterschiedlichen Vorzüge der einzelnen Verkehrsmittel voll genutzt werden, was zum Beispiel bei der bisherigen Arbeitsteilung zwischen Bundesbahn und Ferngüterverkehr nicht hinreichend geschieht. Das zwingt unter Umständen zur Abgrenzung der Aufgaben, etwa zur Bevorzugung öffentlicher Nahverkehrsmittel in den Innenstädten oder zur Einschränkung des Massengüterverkehrs über weite Strecken auf den Fernstraßen bzw. zur Förderung des Massengutverkehrs bei weiten Strecken durch die Bundesbahn. Im Gesetz über den Ausbauplan für die Bundesfernstraßen vom 27. Juli 1957 ist der Ausbau eines Grundnetzes der Bundesfernstraßen festgelegt worden, der seitdem in drei Vierjahresplänen durchgeführt wurde Der finanzielle Aufwand für die Verwirklichung des neuen Bedarfsplans von 1971 bis 1985 wird nach heutigem Preisstand auf etwa 125 Mrd. DM geschätzt.

Neben dem Bund haben auch die Länder große Investitionen im Straßenbau vorgenommen (vgl. Tabelle 1).

Beim kommunalen Straßenbau wurden von 1967 bis 1969 rund 717 Mill. DM (54, 2 0/0) ausgegeben. Der Bundesanteil betrug bis zu 2, 5 Mill. DM je Einzelmaßnahme und rund 608 Mill. DM (45, 8 °/o) für Großvorhaben mit einem Bundesanteil über 2, 5 Mill. DM je Einzelmaßnahme wie bei den Kleinvorhaben.

Mit der Ansiedlung neuer Industrien in ausgewählten Entwicklungsschwerpunkten ländlicher Gebiete wird dem Ausbau der notwendigen Infrastruktur, wozu auch die Schaffung der Bildungs-und beruflichen Fortbildungseinrichtungen gehört, von selten der Raumordnung besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Hierzu zählen auch die Maßnahmen für die Nah-und Fernerholung angesichts der zunehmenden Freizeit der städtischen Bevölkerung. Die Bayerische Staatsregierung beispielsweise hat deshalb am 28. April 1970 ein Programm „Freizeit und Erholung" beschlossen, um die Naherholungsmöglichkeiten zu verbessern

Besondere Probleme der Raumordnung ergeben sich in bestimmten Regionen. Hierzu zählen die Gebirgs-und Grenzregionen, die schwer zugänglichen Gegenden sowie die industriellen Umstrukturierungsgebiete. Für sie sind besondere Planungsmaßnahmen erforderlich. Die Hauptschwierigkeiten, unter denen die Randgebiete leiden, sind fehlende Industrie und Handel, die erforderliche Infrastruktur, vor allem die mangelnden Verkehrsverbindungen.

IV. Begriffe der Raumordnung

Jochimsen/Treuner: Schema der institutionellen Voraussetzungen für eine effiziente regionale Strukturpolitik Quelle: Der Volkswirt vom 26. März 1970

Für die in den einzelnen Teilräumen in Betracht kommenden Maßnahmen zur Entwicklung und Strukturverbesserung wird je nach der Gesamtstruktur, die das räumliche Gefüge und die Wirtschaftskraft bestimmen, unterschieden zwischen

Ordnungsräumen — das sind Räume, in denen die gegenwärtige Raum-und Wirtschaftsstruktur günstige Voraussetzungen für die künftige Entwicklung bietet und die Gesamtstruktur auch künftig beizubehalten ist, jedoch Maßnahmen zur Erhaltung bzw. Verbesserung des Gefüges der verschiedenen raum-und wirtschaftsrelevanten Faktoren erforderlich sind;

Gestaltungsräumen — das sind Räume mit guten Ansätzen zur Eigenentwicklung, in denen die gegenwärtige Struktur im wesentlichen beizubehalten, allerdings durch raumordnerische Maßnahmen weiter zu fördern ist;

^ntwicklungsräumen — das sind Räume, deren gegenwärtige Raum-und Wirtschaftsstruktur nur geringe Voraussetzungen für eine eigenständige Verbesserung der Erwerbsgrundlagen und Lebensverhältnisse der Bevölkerung bietet und in denen räumliche und sozialökonomische Strukturveränderungen notwendig sind.

Eine Raumgliederung nach diesen Struktur-räumen hat beispielsweise die rheinland-pfälzische Landesplanung vorgenommen

Plätze mit wachsender Industrie üben durch neue berufliche und wirtschaftliche Chancen eine relativ große Anziehungskraft aus. Der Industrialisierungsgrad ist deshalb das Hauptmerkmal der Wirtschaftskraft eines Raumes. Als Maßstab des Industrialisierungsgrades einzelner Gebiete gelten die Bevölkerungsdichte, die Realsteuerkrait je Einwohner, das regionale Sozialprodukt und der Industriebesatz (die Zahl der Beschäftigten in der Industrie auf je 1000 Einwohner bezogen).

Unter Anwendung der genannten Maßstäbe werden unterschieden a) Verdichtungsgebiete mit vielen Wohn-und Arbeitsplätzen, Industrieballungen im Kerngebiet und hohem, aber abnehmendem Industriebesatz in den Randzonen. Ein solches Gebiet überschreitet im allgemeinen die Grenze einer einzelnen Gemeinde)

b) ländliche Räume, in denen die Land-und Forstwirtschaft die Bodennutzung und Siedlung vorherrschend bestimmt. Dazwischen gibt es c) die nicht eindeutig zu a) oder Mischzonen, b) gerechnet werden können. Da weder die Struktur der Verdichtungsgebiete noch der ländlichen Räume und Mischzonen in einer wachsenden Wirtschaft konstant bleibt, ist es zweckmäßig, außerdem zwischen Aktivräumen und Passivräumen zu unterscheiden. Aktivräume, in denen die Wachstumskräfte besonders stark sind, können in allen Gebieten auftreten und die Struktur ländlicher Räume verändern oder den Grad der Verdichtung steigern. Viele ländliche Räume zählen als zurückgebliebene Gebiete zu den Entleerungs-oder Passivräumen. Aber auch städtische Bereiche, sogar in Ballungszentren, können zu Passivräumen werden, wenn der Industriebesatz stagniert oder schrumpft. Raumordnung und regionale Wirtschaftspolitik sind gemeinsam an einer gewissen Schwerpunktbildung der gewerblichen Unternehmen im Raume interessiert. Denn die Konzentration der Industrie in geeigneten zentralen Orten und Entwicklungsachsen ist ein gesamtwirtschaftliches Anliegen. Nur so läßt sich die größtmögliche Wirkung der für die Infrastruktur aufzuwendenden öffentlichen Mittel erzielen. Verkehrslage, Grundstücksfragen, Fragen des Immissionsschutzes, der Wasserwirtschaft und des Fremdenverkehrs können aber Veranlassung sein, daß sich Industriebetriebe zweckmäßigerweise nicht im zentralen Ort selbst, sondern in dessen Nahbereich ansiedeln. Zur Entwicklung eines Systems zentraler Orte hat die Ministerkonferenz für Raumordnung in ihrer Entschließung vom 8. Februar 1968 folgende Leitsätze vorgelegt 1. Die Siedlungsstruktur des Raumes ist gekennzeichnet durch Bereiche, in denen Gemeinden unterschiedlicher Größe und Bedeutung in wechselseitiger Abhängigkeit stehen (Verflechtungsbereiche) und in denen sich Gemeinden mit zentralörtlicher Bedeutung (zentrale Orte) herausgebildet haben. Diese zentralen Orte übernehmen als Versorgungskerne über ihren eigenen Bedarf hinaus Aufgaben für die Bevölkerung des Verflechtungsbereiches. Sie sollen soziale, wirtschaftliche und kulturelle Einrichtungen besitzen, die über die eigenen Einwohner hinaus die Bevölkerung des Verflechtungsbereiches versorgen. In Einzelfällen gibt es auch Verflechtungsbereiche mit mehreren zentralen Orten in Funktionsstellung.

2. In der Stufenfolge der zentralen Orte soll den Raumordnungsprogrammen und -planen in den Ländern folgendes Gliederungsschema zugrunde gelegt werden: Oberzentrum, Mittelzentrum, Unterzentrum, Kleinzentrum. 3. Die beiden unteren Stufen haben die Aufgabe, die Einrichtungen zur Deckung des allgemeinen Bedarfs der Bevölkerung in sozialer, wirtschaftlicher und kultureller Hinsicht (Grundversorgung) bereitzustellen. Zwischen diesen beiden Stufen ist eine deutliche Trennung nicht immer möglich, da die Unterzentren nicht immer Aufgaben höherer Zentralität (überlagernde Funktionen) für die Bereiche von Kleinzentren wahrnehmen. Unter-zentren und Kleinzentren unterscheiden sich oft nur dadurch, daß die Unterzentren für die Grundversorgung besser ausgestattet sind. In Kleinzentren sollen eine Mittelpunktschule (Hauptschule), Spiel-und Sportstätten sowie gewisse Einrichtungen der gesundheitlichen Betreuung (Arzt, Apotheke), ferner Einzelhandels-, Handwerks-und Dienstleitungsbetriebe vorhanden sein. 4. Mittel-und Oberzentren haben neben der Aufgabe der Grundversorgung für ihren Nahbereich vor allem die Aufgabe höherer Zentralität (überlagernde Funktionen).

Mittelzentren sollen die Deckung des gehobenen Bedarfs ermöglichen; dazu gehören zum Abitur führende Schulen und Berufsschulen sowie Krankenhäuser, größere Sportanlagen und vielseitige Einkaufsmöglichkeiten.

Oberzentren sollen Einrichtungen zur Deckung des spezialisierten höheren Bedarfs bereitstellen; dazu gehören an das Abitur anschließende Bildungsstätten, Sportstadien, Großkauihäuser sowie spezialisierte Einkaufsmög-B lichkeiten, Dienststellen höherer Verwaltungsstufen sowie Banken und Kreditinstitute.

5. Als Verflechtungsbereiche sind entspre-chend der Zentralitätsfunktion zu unterscheiden:

a) Bereiche um jeden zentralen Ort zur Dekkung der Grundversorgung: Nahbereiche;

b) Bereiche um jedes Mittel-und Oberzentrum zur Deckung des Bedarfs: Mittelbereiche;

c) Bereiche um jedes Oberzentrum zur Befriedigung des spezialisierten höheren Bedarfs: Oberbereiche.

Jedes höhere Zentrum hat zugleich auch die Aufgabe der zentralen Orte niedriger Stufe. 6. Für den Nahbereich sollen mehr als 5000 und für den Mittelbereich mehr als 20 000 Einwohner die Voraussetzung sein.

7. Außer der Einwohnerzahl ist auch die zumutbare Entfernung, in der die öffentlichen Einrichtungen für die Bevölkerung erreichbar sein sollen, zu berücksichtigen. Die zumutbare Entfernung richtet sich nach der Zentralitätsstufe und damit nach der Häufigkeit, in der die Bevölkerung die zentralen Einrichtungen aufsuchen muß. Der Aufwand des einzelnen für den Weg zum zentralen Ort soll zeitlich und kostenmäßig zumutbar sein; mit öffentlichen Verkehrsmitteln sollen Nahbereichszentren möglichst in einer halben Stunde, Mittelzentren In einer Stunde erreichbar sein.

Nach dem System der zentralen Orte gibt es beispielsweise in Hessen sechs Oberzentren, fünf Mittelzentren mit Teilfunktionen von Oberzentren, 54 Mittelzentren, etwa 75 Unter-zentren und ca. 200 Kleinzentren.

Daneben werden als besondere Förderungsgebiete das Zonenrandgebiet und die hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiete (Entwicklungsgebiete) genannt.

V. Die Verdichtungsräume

Abbildung 5

Die Ministerkonferenz für Raumordnung hat am 26. November 1968 einheitliche Abgrenzungskriterien zur Bestimmung der Verdichtungsräume beschlossen Grundlage dafür ist die 1961 ermittelte Einwohner-Arbeitsplatz-dichte (Summe der Einwohner und der Beschäftigten in nichtlandwirtschaftlichen Arbeitsstätten je qkm). Ein Verdichtungsgebiet liegt vor, wenn in den Gemeinden die Einwohner-Arbeitsplatzdichte 1250 übersteigt. Hinzuzunehmen sind die angrenzenden Gemeinden mit einer geringeren Einwohner-Arbeitsplatzdichte, wenn sie ein überdurchschnittliches Bevölkerungswachstum in den Jahren 1961 bis 1967 aufweisen. Auf jeden Fall soll ein Verdichtungszentrum mehr als 150 000 Einwohner und eine Bevölkerungsdichte von mehr als 1000 Einwohner je qkm aufweisen. In Hessen z. B. sind danach das Rhein-Main-Gebiet und die Stadt Kassel sowie einige Gemeinden des Landkreises Kassel als Verdichtungsgebiete anzusehen. Im Verdichtungsgebiet Rhein-Main leben auf 3 °/o der Landesfläche 40 o/o der Einwohner Hessens In den neun Verdichtungsräumen Baden-Würt-tembergs wohnen auf °/o der Fläche des Landes über 49 0/0 seiner Bevölkerung (4 138 000 Personen). Die ländlichen Räume Baden-Württembergs umfassen insgesamt 84 °/o der Fläche des Landes und fast 50, 9 °/0 seiner Bevölkerung (Bevölkerungsdichte 143). Zu den strukturschwachen Räumen zählen 26 % der Fläche des Landes und 9, 9 °/o seiner Einwohner (Bevölkerungsdichte 89).

In den Verdichtungsgebieten Bayerns (20 ®/o der Fläche dieses Bundeslandes) lebten zu Beginn des Jahres 1970 etwa 47 °/o der Bevölkerung 16). Das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965 und das Bayerische Landesplanungsgesetz vom 6. Februar 1970 legen fest, daß geeignete Gebiete, insbesondere in Verdichtungsräumen oder in deren Nahbereich, als Erholungsgebiete erhalten, geschaffen und ausgestaltet werden sollen. Die bayerische Regierung empfiehlt, 35 Naherholungsgebiete für die Bevölkerung der städtischen Verdichtungs- räume weiter auszubauen. Sie hat zudem in ihrem neuesten Programm II erklärt, „einer ungesunden Verdichtung“ und der „Gefahr eines Verdichtungsprozesses“ vorzubeugen, „der über das gesunde Maß hinausgeht“.

Demgegenüber heißt es im niedersächsischen Landesraumordnungsprogramm: „In den Schwerpunkträumen, in denen schon heute eine stärkere Verdichtung besteht und in deren Nahbereich mehr als 100 000 Einwohner wohnen, sollen vorrangig Schwerpunkte für Arbeits-und Wohnstätten gesichert und entwickelt werden."

Audi der Stadtstaat Hamburg ist einer der großen wirtschaftlichen und bevölkerungsmäßigen Verdichtungsräume der Bundesrepublik. Als solcher ist Hamburg nach den Grundsätzen der Ministerkonferenz für Raumordnung seiner Bedeutung entsprechend als Oberzentrum eingestuft. Eine exakte Bestimmung des langfristigen Bedarfs an Arbeitsstättenflächen des sekundären und tertiären Sektors ist jedoch auf Grund zahlreicher Faktoren, die im Zeitablauf starken Veränderungen unterliegen, vor allem auch wegen der Unsicherheiten für den nach Branchen sehr unterschiedlichen Flächenbedarf expandierender und neu anzusiedelnder Betriebe, nicht möglich. Das Entwicklungsmodell sieht im Hinblick auf die Auswirkung der aktiven Wirtschaftspolitik des Hamburger Senats vorsorglich ausgedehnte gewerbliche Flächen vor mit dem Ziel der Raum-sicherung auf lange Zeit

Der Landesentwicklungsplan I des Landes Nordrhein-Westfalen grenzt die Ballungskerne, Ballungszonen und ländlichen Zonen gegeneinander ab. Er stellt die Gemeinden und städtischen Verflechtungsgebiete mit zentral-örtlicher Bedeutung dar. Der Landesentwicklungsplan II zeigt das System von Entwicklungsschwerpunkten und Entwicklungsachsen, auf das die gesamte Entwicklung des Landes auszurichten ist. Beide Landesentwicklungspläne bilden die Grundlage für raumordnungspolitisch bedeutsame Entscheidungen und Maßnahmen der Landesregierung, sofern sie sich auf die Verteilung der öffentlichen Wohnungsbaumittel, die kommunale Neugliederung, die Standortplanung für Hauptschulen und andere zentralörtliche öffentliche Einrichtungen der Daseinsvorsorge, wie z. B. weiterführende Schulen und Krankenhäuser, auswirkt.

Der erste Schritt zu der notwendigen Koordination aller Planungen war das Entwicklungsprogramm Ruhr. Darin war die politische Zielvorstellung noch auf das wirtschaftlich von der Rezession schwer getroffene Ruhrgebiet beschränkt. Das Nordrhein-Westfalen-Programm 1975 enthält darüber hinaus die Grundlagen für ein auf das gesamte Landesgebiet ausgedehntes, raumordnungspolitisch, zeitlich und finanziell abgewogenes System der Leistungen und Maßnahmen der Landesregierung, die für die weitere Entwicklung Nordrhein-Westfalens von großer Struktur-und gesellschaftspolitischer Bedeutung sind

In den Verdichtungsräumen der Bundesrepublik, in denen 50 % der Bevölkerung auf 7 °/o der Fläche des Bundesgebietes leben, gibt es eine Ballung von Wohn-und Arbeitsstätten, die eine hohe Steuer-und Wirtschaftskraft und relativ viele öffentliche Einrichtungen gewährleisten. Für diese Vorteile müssen die dort lebenden Menschen aber erhebliche Nachteile in Kauf nehmen.

Hohe Wohnund Arbeitsplatzdichte in den Verdichtungsräumen, die Entfernungen zwischen Wohnund Arbeitsplatz und die Zunahme des Kraftfahrzeugbestandes beispielsweise sind die wesentlichen Ursachen der extrem hohen Verkehrsdichte mit allen Folgen der Lärmbelästigung und Luftverschmutzung. Auch die öffentlichen Verkehrsanlagen sind den Anforderungen des Verkehrs nicht gewachsen. Ihre Anpassung an die Bedürfnisse erfordert unverhältnismäßig hohe Aufwendungen. Der Abwasseranfall und die Ableitung von nicht ausreichend geklärtem Abwasser führen — auch dies eine Folge der Verdichtung — zu großen Gewässerverunreinigungen mit ungenügender Trink-und Betriebswasserversorgung sowie zu Gesundheitsschäden. Zudem verursacht die starke Verdichtung von Industriebetrieben und Wohnsiedlungen starke Luftverunreinigungen. Der besonders große Bedarf an Grundstücken und das Mißverhältnis zwischen Nachfrage und Angebot haben zu extremen Steigerungen der Bodenpreise geführt, die der Bevölkerung den Erwerb von Grund und Boden für Wohnungsbauzwecke, meist auch schon in den Randgebieten, nahezu unmöglich macht. Hier zeigt sich die enge Verzahnung von Raum-planung mit Gesellschaftspolitik und dem Umweltschutz zur Beseitigung von Zivilisations-sdiäden.

Ein vom Bundeskabinett verabschiedeter Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung des Mietrechts und zur Begrenzung des Mietanstiegs will hier Abhilfe schaffen und speziell die Mieter in Ballungsräumen besser als bisher schützen. In Gebieten mit einem Wohnungsfehlbestand von mehr als 2 0/o sollen Kündigungen — so das Bundesjustizministerium — nur noch möglich sein, wenn der Mieter schuldhaft gegen den Mietvertrag verstößt, wenn der Hausbesitzer einen Eigenbedarf an der Wohnung nachweisen kann oder wenn eine Mieterhöhung deshalb gerechtfertigt ist, weil der Ertrag aus der Miete unter der marktgerechten Verzinsung des Eigenkapitals liegt.

Es wird geschätzt, daß in den Ballungsgebieten, die von der Bundesregierung noch durch Rechtsverordnung festgelegt werden müssen, etwa 75 bis 80 % der Mieter wohnen. Aber auch für Nicht-Ballungsgebiete wurde der Kündigungsschutz durch eine Ergänzung der Sozialklausel verbessert. Als Maßnahmen gegen die Preisentwicklung in der Bauwirtschaft sollen künftig zudem alle Hochbauaufträge des Bundes nach Vorstellung des Bundeswohnungsbauministeriums koordiniert und auf rationelle Baudurchführung überprüft werden

VI. Die Entwicklungsgebiete und Entwicklungsbänder

Tabelle 2

Den Verdichtungsgebieten stehen wirtschaftlich, sozial und kulturell schwach strukturierte und hinter der allgemeinen Entwicklung im Bundesgebiet zurückgebliebene Gebiete gegenüber. Hier gibt es zu wenig nicht-landwirtschaftliche Arbeitsplätze, zu wenig soziale und kulturelle Einrichtungen. In diesen Gebieten ist die Bevölkerungsdichte sehr gering, der Bevölkerungszuwachs ist rückläufig oder stagniert. In solchen zurückgebliebenen Gebieten ist die Zahl der Fernpendler sowohl im Verhältnis zu den örtlichen Arbeitsplätzen wie auch absolut sehr hoch. Ein weiteres Kennzeichen der hinter der allgemeinen Entwicklung zurückbleibenden Gebiete ist ihr Rückstand in der Ausstattung mit Einrichtungen der Verkehrserschließung, der öffentlichen Versorgung, der Bildung und Kultur, der Gesundheitsförderung, aber auch hinsichtlich der Einkaufsmöglichkeiten usw.

Entwicklungsgebiete sind solche Gebiete, die hinter der allgemeinen Entwicklung wesentlich zurückgeblieben sind oder in denen ein solches Zurückbleiben zu befürchten ist. Diese Gebiete bedürfen einer besonderen Förderung, weil sie den dort lebenden Menschen nicht die Lebens-und Arbeitsbedingungen bieten kön-nen, wie sie in den anderen Landesteilen anzutreffen sind. Sie sind gekennzeichnet durch geringe Bevölkerungsdichte, Bevölkerungsabnahme, Bevölkerungsstagnation oder unterdurchschnittliche Bevölkerungszunahme (negativer Wanderungssaldo), ein unzureichendes Angebot an außerlandwirtschaftlichen Arbeitsplätzen (geringer Industriebesatz), eine geringe Realsteuerkraft und ein niedriges Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wirtschafts-bzw.der Wohnbevölkerung.

Für die Abgrenzung der bereits hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebiete hat die Ministerkonferenz für Raum-ordnung am 16. April 1970 folgende Kriterien und Schwellenwerte empfohlen Merkmal Schwellenwert Wanderungssaldo 1961 bis 1967 ± 0 Bevölkerungsdichte am 30. 6. 1968 100 EW/qkm Industriebesatz am 30. 6. 1968 70 Beschäftigte/1 000 EW Realsteuerkraft 1967 118 DM/EW Bruttoinlandsprodukt je Kopf der Wirtschaftsbevölkerung 1966 6 080 DM Dabei sollen mindestens drei der fünf Merkmale den Schwellenwert nicht überschreiten.

Bei einem Schwellenwert bis 200 EW/qkm sind rd. 75 0/0 des Bundesgebiets zum ländlichen Raum zu rechnen, in dem rd. 35. % der Gesamtbevölkerung wohnen.

Zu den Entwicklungsgebieten zählen beispielsweise in Hessen 14 Landkreise mit 36 % der Fläche des Landes und 14% der hessischen Bevölkerung.

Der Interministerielle Ausschuß für Notstandsgebietsfragen (IMNOS) hat zudem 1963 Bundesausbaugebiete festgelegt, in denen Bund und Länder gemeinsam Strukturverbesserungsmaßnahmen insbesondere hinsichtlich der Industrieansiedlung und der Infrastruktur einleiten bzw. fördern sollen. Sie wurden nach den Kriterien Bruttoinlandsprodukt, Industrie-besatz und Wanderungssaldo abgegrenzt und decken sich weitgehend mit den neu abgegrenzten Entwicklungsgebieten. In Hessen umfassen die Bundesausbaugebiete eine Region von 26% der Fläche und 11 % der Einwohner des Landes. Zu den Bundesausbaugebieten gehören auch diejenigen Gemeinden, die von dem IMNOS — zuletzt am 9. April 1968 — zu Bundesausbauorten erklärt und als besondere Förderungsschwerpunkte festgelegt worden sind.

Das Landesprogramm Baden-Württembergs für die Förderungsgebiete umfaßt rund 33 % der Gemeinden des Landes und rund 15 % der Landesbevölkerung. In Baden-Württemberg wurden allerdings im Rahmen des Entwicklungsprogramms für Bundesausbauorte (das Teil des Regionalen Förderungsprogramms der Bundesregierung ist und Bundesausbaugebiete, Zonenrandgebiete und Bundesausbauorte umfaßt) bisher nur Bundesausbauorte gefördert. Nach dem Landesraumordnungsprogramm Hessens und dem Raumordnungsgesetz soll das Zonenrandgebiet besonders gefördert werden. Es genießt als eigene Raumkategorie eine Reihe von Strukturverbesserungsmaßnahmen, Finanzhilfen, Frachthilfen und Steuerpräferenzen. Das hessische Zonenrandgebiet umfaßt 28 % der Fläche und 18 % der Einwohner des Landes. Das Zonenrandgebiet Niedersachsens hingegen nur 26, 6 % der Gesamtfläche Nieder-sachsens, aber 32 % der niedersächsischen Bevölkerung. Das Gebiet des Aktionsprogramms, in dem auf einer Fläche von 9610 qkm rund 1 360 000 Einwohner Hessens leben, bedeckt 46 % der Landesfläche mit 25 % der Einwohner Hessens.

Von der Natur benachteiligte Gebiete schließlich sind gekennzeichnet durch ungünstige natürliche und wirtschaftliche Produktionsbedingungen speziell der Landwirtschaft. Sie besitzen ungünstige Klimaverhältnisse, geringe Ertragsmeßzahlen, einen hohen Anteil an „hängigem Gelände" und liegen zumeist über 300 m hoch. Die genaue Abgrenzung der Gebiete und die in einem Förderungsprogramm zusammengefaßten Strukturverbesserungen sind in den „Richtlinien für das Programm der Hessischen Landesregierung zur Förderung der Höhen-Landschaft" dargelegt. In diesen Gebieten leben auf 26 % der Fläche 8 % der Einwohner Hessens.

Neben der punktuellen Infrastrukturausstattung ist für die Entwicklungsund Ausbau-fähigkeit eines zentralen Orte seine günstige Lage im Raum von großer Bedeutung. Sie wird von der Siedlungsstruktur des Raumes und von der Art und Dichte der räumlichen Band-infrastruktur wesentlich beeinflußt. Aus der Kombination von Siedlungsdichte, Bündelung und Bandinfrastruktur sowie zentralörtlicher Gliederung ergibt sich ein abgestuftes System von Entwicklungsbändern:

Entwicklungsbänder erster Ordnung sind gekennzeichnet durch eine relativ dichte Folge von Ober-und Mittelzentren. Ihr Leistungsaustausch wird durch ein gut ausgebautes Schnellverkehrssystem mit hoher Frequenz auf Schiene und Straße ermöglicht. Die starke Entwicklungsdynamik entlang dieser Bänder geht vorwiegend vom Verdichtungsgebiet Rhein-Main aus. Diese Bänder folgen einem Bündel stark befahrener Bundesautobahnen, Bundesstraßen und Schnellzugstrecken. Sie sind durch eine lebhafte Siedlungsentwicklung gekennzeichnet. Entwicklungsbänder zweiter Ordnung verlaufen entlang überregional bedeutsamer Fernstraßen und Eisenbahnlinien. Sie zeichnen sich durch eine Aneinanderreihung von Mittelzentren aus, die sowohl untereinander als auch mit den Oberzentren in Verbindung stehen. In allen diesen Bändern laufen mindestens eine bedeutende Bundesstraße und eine Bundes-bahnlinie parallel. In den meisten Fällen sind vierspurige Schnellstraßen im Bau oder geplant. Entwicklungsbänder dritter Ordnung verbinden Mittel-und Unterzentren miteinander und ermöglichen gleichzeitig die Verbindung weniger dicht besiedelter ländlicher Räume mit den Zentren der regionalen Entwicklung. Sie verfügen über Straßen und Eisenbahnlinien für den regionalen Verkehr. Sämtliche Ober-und Mittelzentren sowie der größte Teil der Orte mit der Bedeutung von Unterzentren liegen an Entwicklungsbändern. Durch den aufeinander abgestimmten weiteren Ausbau der zentralen Orte und der Entwicklungsbänder soll eine optimale Auswirkung aller raumbedeutsamen Investitionen gewährleistet werden. Beispielsweise hat der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ein Programm „Hilfen der Arbeitsmarkt-und Sozialpolitik für die Landwirtschaft"'vorgelegt, das die arbeitsmarkt-politischen Instrumente des am 1. Juli 1969 in Kraft getretenen Arbeitsförderungsgesetzes auf die Verbesserung der Arbeits-und Berufschancen in ländlichen Gebieten ausrichtet und damit die Bestrebungen der regionalen Wirtschaftspolitik unterstützt.

VII. Die Komplexität der Raumordnung und die Koordinierungsprobleme

Tabelle 3

Die Entwicklung der industriellen Gesellschaft macht es notwendig, dem Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen künftig den Vorrang vor allen anderen Überlegungen einzuräumen. Eine solche Aufgabe schließt aber Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen ebenso ein wie Natur-und Landschaftsschutz, Lärmbekämpfung, Abfallbeseitigung, Reinhaltung von Luft und Wasser usw. Solange diese Aufgaben jedoch verschiedenen Ressorts übertragen sind, können sie kaum umfassend gelöst werden. Der Naturschutz beispielsweise liegt heute in der Zuständigkeit des Landwirtschaftsministeriums — eine sicherlich wenig glückliche Lösung angesichts der Tatsache, daß Raumordnung vom Innenministerium und der Städtebau vom Wohnungsbauministe-rium betreut werden, daß zudem das Wirtschaftsministerium für die sektorale Struktur-politik, das Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen für die Zonenrandgebiete und das Arbeitsministerium für Arbeits-und Berufschancen in den einzelnen Regionen zuständig sind

Hinzu kommt, daß Raumordnung und neuerdings Umweltschutz noch nicht zu denjenigen Aufgaben gehören, für die sich mächtige Interessengruppen einsetzen. Reformmaßnahmen betreffen zudem die Kompetenzen vieler Ressorts — vor allem des Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Verkehrs-und des Finanzministeriums —, so daß sich hier Schwierigkeiten ergeben können. Außerdem besitzen Länder und Gemeinden in diesen Fragen verfassungsmäßige Rechte, über die sie eifersüchtig wachen.

Organisationseinheiten unterhalb der ministeriellen Ebene sind für diese Aufgabe umfassender Raumplanung demzufolge kaum geeignet. Eine derartige Aufgabe „kann nur von einer eigenen starken Behörde mit umfassenden Kompetenzen gelöst werden, die im Kabinett vertreten ist und an deren Spitze ein Minister steht, der gleichberechtigt mit anderen Ministern verhandeln kann und dessen Eintreten für die Erfordernisse der Raumordnung und des Umweltschutzes nicht durch andere Ressortaufgaben und Ressortinteressen behindert wird“, bemerkt dazu Arnd Morkel in seiner Arbeit über „Die Reform des Kabinetts“

Da es sich primär um Koordinierungsfragen zwischen den Ressorts und zwischen Bund und Ländern handelt, wo politische Prioritäten eine große Rolle spielen und wo es zudem um eine Gesamtschau der Dinge geht, könnte eine derartige Aufgabe auch von der politischen Führungsspitze wahrgenommen werden, also vom Bundeskanzleramt, wenigstens im Anlaufstadium. Einige Landesregierungen (beispielsweise Hessen) haben in der Tat die Raumordnungsabteilungen in die Staatskanzlei geholt. Darüber hinaus besteht in Hessen ein eigenes Ministerium für Umweltschutz.

Die erforderliche Abstimmung im Bereich des Bundes geschieht einmal über die laufende Ressortabstimmung der Bundesministerien. Zum andern besteht für die Abstimmung grundsätzlicher Fragen (ähnlich dem Interministeriellen Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik) ein Interministerieller Ausschuß für Raumordnung (IMARO), in dem Vertreter der mit raumordnerischen Maßnahmen besonders befaßten Ministerien (z. B. für Inneres, Wirtschaft, Landwirtschaft, Wohnnungsbau, Verkehr) Zusammenwirken. Ähnliche Formen der Abstimmung zwischen den einzelnen Ministerien gibt es auch in den Bundesländern. In der Bundesrepublik Deutschland sind die staatlichen Befugnisse und Aufgaben nach den Zuständigkeitsvorschriften unserer Verfassung zwischen Bund und Länder aufgeteilt. Hinzu kommt, daß den Gemeinden durch die Verfassung das Recht gewährleistet ist, alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln. Damit haben wir es in der Bundesrepublik Deutschland mit drei Ebenen zu tun, auf denen sich Planung und Verwirklichung der Raum-ordnung abspielen.

Um alle Programme und Pläne der Länder miteinander und diese wiederum mit den Raumordnungszielvorstellungen sowie den Fach-planungen des Bundes in Übereinstimmung zu bringen, müssen Bund und Länder gemeinsam eine Konzeption der Raumordnung für das gesamte Bundesgebiet erarbeiten. Das kann allerdings nur durch eine Beschreibung der gemeinsamen Entwicklungsvorstellungen für das Bundesgebiet insgesamt geschehen, und zwar sowohl auf den Gebieten der sektoralen Strukturpolitik, der Infrastrukturausstattung (Verkehr, Krankenhaus-und Schulbau usw.), des Städtebaus und der Umweltgestaltung (d. h. Kampf gegen Lärm und Schmutz).

Bundesregierung und Länderregierungen haben zur gemeinsamen Beratung von grundsätzlichen Fragen der Raumordnung und Landesplanung eine Ministerkonferenz der zuständigen Minister aus Bund und Ländern für Raumordnung eingesetzt. Diese Ministerkonferenz soll die Abstimmung von raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen behandeln (vgl. Strukturskizze). Die vertikale Verklammerung von Bund, Ländern und Gemeinden wird ergänzt durch ein System horizontaler Koordinierung auf den einzelnen öffentlichen Ebenen. Diese Notwendigkeit der Koordinierung für den Bereich des Bundes legt das Bundesraumordnungsgesetz ausdrücklich fest, indem es den für die Raumordnung zuständigen Bundesinnenminister verpflichtet, durch Abstimmung der raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen einschließlich der Aufteilung der raumwirksamen Investitionen auf die Verwirklichung der Raumordnungsgrundsätze hinzuwirken. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zu Artikel 72 Absatz 2 GG ausdrücklich dem Bund zugebilligt, zukunftsbezogen im Sinne der Einheitlichkeit die „Lebensverhältnisse gestaltend zu ordnen" Die Bundesregierung hat damit ein ressortübergreifendes Handlungsmandat im Rahmen der Richtlinien-und Koordinierungskompetenz des Bundeskanzlers und unter Berücksichtigung des Kabinetts-und Ressortprinzips erhalten.

Nützlich für eine Weiterentwicklung auf dem Gebiet der Raumordnung ist nun gewesen, daß seit 1969 durch Artikel 91 a GG die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur zur Gemeinschaftsaufgabe erklärt worden ist, daß Artikel 91 b GG die Bildungsplanung zur Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern bestimmt und daß neben den Rahmenvorschrif-ten des Bundesraumordnungsgesetzes nunmehr der Bund auch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz erhalten soll für den Wasserhaushalt, die Luftreinhaltung, die Lärm-bekämpfung, den Naturschutz und die Landschaftspflege (Artikel 74 GG). Durch Änderung des Grundgesetzes im Mai 1969 ist dem Bund zudem die Zuständigkeit in der konkurrierenden Gesetzgebung über „die wirtschaftliche Sicherung der Krankenhäuser und die Regelung der Krankenhauspflegesätze" eingeräumt worden

Nach langwierigen Verhandlungen aufgrund des Troeger-Entwurfs war der Aufgabenkata-log der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben (nicht zu verwechseln mit den öffentlichen Gemeihschaftsaufgaben überhaupt) begrenzt worden. Die gemeinsame Planung und Finanzierung der fixierten Bund-Länder-Gemeinsdiafts-aufgaben (Aus-und Neubau von Hochschulen, Verbesserung der Wirtschafts-und Agrarstruktur in regionalen Bereichen und der Küstenschutz) wurden in den neuen Bestimmungen des Artikels 91 a GG geregelt. Zur Modernisierung des Haushaltsrechts wurde auch der Artikel 110 GG neu gefaßt. Er soll mit dem Stabilitätsgesetz und der mittelfristigen Finanzplanung der Bundesregierung das Recht sichern, Parlamentsbeschlüsse übet Ausgaben und Einnahmen auszusetzen, um selbst dazu Stellung zu nehmen und eine weitere Beratung durch das Parlament zu verlangen. Tatsächlich kann eine antizyklische Wirtschafts-und Finanzpolitik nur erreicht werden, wenn nicht nur die Finanzpolitik des Bundes, sondern auch diejenige der Länder und der Gemeinden konjunkturwirksam ist.

Die konjunkturpolitische Komponente bei der Finanzplanung kommt darin zum Ausdruck, daß die Zuwachsraten nicht einfach für den gesamten Planungszeitraum extrapoliert werden, sondern sich bei der ständigen Anpassung für die ersten Planungsjahre aufgrund einer Vorausschätzung der allgemeinen Wirt-

schaftsentwicklung ergeben und erst für die letzten Planungsjahre auf der Basis der wirtschaftlichen Zielprojektion unter längerfristigen Wachstums-und strukturpolitischen Aspekten ermittelt werden.

Für die Durchführung einer koordinierten Finanzplanung zwischen Bund und Ländern müssen allerdings mehrere Voraussetzungen gegeben sein. Dazu gehört erstens die Möglichkeit fundierter Prognosen. Zweitens muß ein gemeinsames Haushaltsrecht vorhanden sein, und zwar neben der Gliederung nach dem Ministerialprinzip (also Gliederung nach Einzel-plänen wie Bundeskanzler, Auswärtiges Amt usw.) auch eine gemeinsame funktionale Gliederung aller Ausgaben und Einnahmen nach ökonomischen Kategorien. Dies geschah im Finanzplan des Bundes 1970— 1974, indem jeder einzelne Haushaltsansatz einer bestimmten ökonomischen Kategorie zugeordnet wurde. Außerdem muß es drittens gemeinsame Vorstellungen über den Aufbau und die Durchführung der mittelfristigen Finanzplanung geben. Diese Ressortabstimmung im Bereich des Bundes und der Länder und erst diejenige zwischen Bund und Ländern ist jedoch noch sehr mangelhaft.

In Hamburg sind beispielsweise die drei Regierungsprinzipien (Richtlinien-, Kollegial-und Ressortprinzip) gemischt, jedoch mit dem verfassungsrechtlichen Schwergewicht auf dem Kollegialprinzip. Einem Stab für Gesamtplanung obliegt es, die hamburgische Verwaltung für die kooperative Regionalplanung mit den Nachbarländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen in der bestehenden Planungsge-meinschäft zu koordinieren. Der Senat hat damit die administrativen Voraussetzungen für eine systematisch koordinierte, ressortunabhängige, schwerpunktorientierte und finanziell abgesicherte Planung der landespolitischen, kommunalen und regionalen Aufgaben geschaffen. In früheren Zeiten genügte das Ressortprin-Z>P, um das nötige Maß an Koordination zu ge-

währleisten. Heute ist jedoch offenkundig, daß eine moderne Verwaltungsführung damit nicht auskommt. Das gilt vor allem für die Planung. Bereits die Information, sowohl von innen als auch von außen, ist in fast allen Verwaltungsspitzen unzureichend, wenn man mehr als bloße Tagespolitik betreiben will. Das Ressortprinzip reicht auch für eine umfassende Koordinierung nicht aus. Die Regierungsspitze muß also so reorganisiert werden, daß der Regierungschef über das geeignete Instrumentarium verfügt, um von seiner Richtlinien-kompetenz vollen Gebrauch machen zu können. Die Notwendigkeit eines höheren Grades an Koordination in der öffentlichen Verwaltung wird immer dringlicher. Das gilt vornehmlich für die Spitzen der Bundesverwaltungen und der Verwaltungen der Länder, also der Ämter des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten der Länder. Das bedeutet in erster Linie nicht Konzentration der Entscheidungsbefugnisse in der Spitze, sondern Verbesserung der Information.

Der Informationsfluß geht von den Ressorts, die das Bundeskanzleramt über alle wichtigen politischen Vorhaben zu unterrichten haben, über das zuständige Fachreferat im Bundeskanzleramt zur Leitung des Amtes. Die Informationsaufbereitung, die fast ausschließlich manuell erfolgt, geschieht vorwiegend unter dem Gesichtspunkt des für das Ressort zuständigen Referats. Neben der Information des Bundeskanzlers entsprechen Koordination und Kontrolle der Ressorts durch das Bundeskanzleramt den üblichen Gepflogenheiten der Hoheitsverwaltung. Die Koordination erfolgt ebenso wie die Entscheidung punktuell von Fall zu Fall. Eine systematische Erfolgskontrolle fehlte bisher ganz.

Dazu hat der Abteilungsleiter für Planung im Bundeskanzleramt, Professor Jochimsen, ausgeführt, „daß die Instrumentarien zur Interressortabstimmung im wesentlichen . negative'Koordination leisten. Eine Koordination in dem Sinne nämlich, daß überall dort, wo die vitalen Interessen eines anderen Ressorts betroffen sind, in der Tat negative, nämlich bloß Ressortinteressen absichernde, nicht jedoch positive, konzeptionell vorwärtsgerichtete Koordination wirksam wird und der Zwang zu einer Abstimmung vollinhaltlich Platz greift. Es gibt immerhin etwa 1500 Referate in der Bundesregierung. Dort aber, wo sich die Referenten (einschließlich der Vorgesetzten) untereinander einig werden, häufig ohne irgendeine verantwortliche politische Entscheidung der Spitze oder eine Rückkopplung der politischen Entscheidung mit den parlamentarischen Kräften, die die Regierung tragen, kann man feststel-len — und eine Analyse etwa der Tagesordnungspunkte von Kabinettsitzungen oder von Staatssekretärbesprechungen kann das nachdrücklich demonstrieren —, daß man sich in den meisten Punkten auf eigentliche Neben-fälle, in denen diese negative Koordination nicht geklappt hat, beschränkt und nur bedingt die eigentliche Funktion der Aufgaben-und Prioritätensetzung wahrnimmt, zu der die Regierung in der gegenwärtigen Verfassungswirklichkeit noch kaum imstande ist." Dementsprechend wird die Richtlinienkompetenz des Regierungschefs verstärkt werden müssen. Der Regierungschef muß über die Möglichkeit verfügen, mit einem eigenen, leistungsfähigen Stab dem Kabinett einen eigenen Plan zur Diskussion unterbreiten zu können. Eine Richtlinienentscheidung des Bundeskanzlers bedarf heute noch nach Art. 65 Abs. 1 GG grundsätzlich der Umsetzung in eine Weisung des Ministers, um für die Verwaltung verbindlich zu werden.

Auch die Kabinette müssen viel mehr als bisher aus Kollegien, in welchen man die speziellen Wünsche der Ressorts und damit der ihnen besonders nahestehenden Verbände registriert, in Gremien umgebildet werden, in denen alle Wünsche vorgetragen und diskutiert, jedoch nicht bloß im Sinne bloßer Registrierung (oder gleichmäßiger Kürzung) entschieden werden.

Von besonderer Bedeutung im Bund ist hierbei die Vorbereitung von Kabinettsbeschlüssen, an denen der Minister federführend oder mitberatend beteiligt ist. Es kann sich dabei um die Billigung von Gesetzentwürfen, auch solchen von Zustimmungsgesetzen zu internationalen Verträgen, von Stellungnahmen oder von Verwaltungsvorschriften, um Verabschiedung oder Mitwirkung an der Aufstellung-von Plänen und sonstigen staats-leitenden Gesamtakten, die Ausübung von Maßnahmen der Bundesaufsicht oder sonstige Gegenstände der Innenpolitik, der Deutschlandpolitik, der Europapolitik oder der Außenpolitik sowie andere Angelegenheiten handeln, die aus rechtlichen Gründen oder effektiv zum Zuständigkeitsbereich der Bundesregierung gehören, z. B. bestimmte Personal-sachen, die Einleitung von Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht usw.

An zweiter Stelle ist die Vorbereitung derjenigen Entscheidungen des Ministers in seinem Geschäftsbereich zu nennen, die er gemäß Art. 65 Satz 2 GG „selbständig und unter eigener Verantwortung" zu treffen hat. Hierher gehören z. B.der Erlaß von Rechtsverordnungen, die Ausübung der Bundesaufsicht und die Erteilung von Weisungen an die Länder namens und im Auftrag der Bundesregierung, oder sonstige Entscheidungen, die weder der Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers noch dem Mehrheitsbeschluß des Bundes-kabinetts vorbehalten sind.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß in den Kompetenzbereich der Regierungsspitze diejenigen Aufgaben verlegt werden müssen, die als übergreifende gelten und deshalb üblicherweise einem Ministerium federführend anvertraut sind. Das betrifft vor allem die langfristig angelegte Personalpolitik und die allgemeinen Organisationsfragen, denn hier fallen die Grundentscheidungen über Geist und Form der Verwaltung. Das betrifft aber auch gesamtpolitische Bereiche wie Landesplanung, Infrastrukturplanung und Raum-ordnung. Wir wissen heute, daß nicht mehr aus der fachlichen Isolierung heraus über Einzel-bereiche wie den Schulbau, die Grünflächen, das Kulturwesen oder die Stadterweiterung entschieden werden kann, sondern daß alle diese Bereiche in einer untrennbarenWechselwirkung zueinander stehen.

Um diesen Gesamtüberblick zu erhalten, wurde in Hessen für die Zukunftsplanung unter dem Vorsitz des Ministerpräsidenten ein Arbeitsausschuß gebildet, dessen Aufgabe darin besteht, die von den Fachministerien zur Lösung der Schwerpunktaufgaben vorgesehenen Bedarfsanforderungen und Maßnahmen zusammenzufassen und unter Berücksichtigung der voraussichtlichen Laufzeiten und des ungefähren Investitionsbedarfs miteinander zu koordinieren sowie mit den finanziellen Möglichkeiten des Landes, der Gemeinden, Gemeindeverbände und der sonstigen Träger in Übereinstimmung zu bringen. Zudem zwingt auch die Finanzplanung die Planungsträger, alle Einzelpläne im Rahmen der vorhandenen Deckungsmöglichkeiten aufeinander abzustimmen. In Hessen war man deshalb der Auffassung, daß es nur mit einem Gesamtplan möglich sein würde, die Aufgaben und Einzelpläne so aufeinander abzustimmen und einander Zu-zuordnen, daß eine rationelle Durchführung und eine hohe Wirksamkeit der Maßnahmen auf lange Sicht gewährleistet ist

Auch in der Freien und Hansestadt Hamburg ist bei der Senatskanzlei ein Stab für Gesamt-planungen eingerichtet worden, und zwar unter der unmittelbaren Verantwortung des Ersten Bürgermeisters. Während sonst die Verwaltung Spezialisten benötigt, ist den im Plannungsstab tätigen Kräften die universelle Sicht aufgetragen. Künftig wird er sich von der unmittelbaren Beteiligung an der mittelfristigen Planung neuer Investitionen wieder lösen müssen, weil die längerfristige Planung dem Generalplanungsgedanken mehr Rechnung trägt. In fast allen Behörden des Stadt-staates sind institutioneile Vorkehrungen getroffen worden, die bisher an verschiedenen Stellen wahrgenommenen Planungsfunktionen herauszulösen und zusammenzufassen, um eine einheitliche Ressortplanung zu gewährleisten.

In Nordrhein-Westfalen dagegen hat der Ministerpräsident von seiner Richtlinien-kompetenz im Hinblick auf den Inhalt des Entwicklungsprogramms Ruhr noch keinen Gebrauch gemacht. Allerdings ist auch das Ruhr-Programm nach Vorarbeiten durch einen Stab der Staatskanzlei von der gesamten Landesregierung aufgestellt worden In Rheinland-Pfalz hat die Staatskanzlei in ihrer Funktion als oberste Landesplanungsbehörde unter Beteiligung der Ministerien des Landes und der davon berührten Behörden und Planungsträger des Bundes sowie nach Anhörung des Landesplanungsbeirats für das gesamte Landesgebiet das Landesentwicklungsprogramm erarbeitet

In seiner ersten Empfehlung zu den industriellen Standorten wies auch der Beirat für Raumordnung nachdrücklich auf die Notwendigkeit verstärkter Koordination sowohl zwischen den regionalpolitisch bedeutsamen Ressorts wie zwischen, den verschiedenen Ebenen der Gebietskörperschaften hin, ohne allerdings eigene Vorschläge zu unterbreiten.

Wie die notwendige Reorganisation der regional bedeutsamen Zuständigkeiten konkret durchgeführt werden soll, ist in der Tat eine äußerst schwierige Frage. Das wiedergegebene Schema vom derzeitigen Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt, R. Jochimsen, ist eine mögliche Diskussionsgrundlage Der Vorschlag läuft auf eine klarere Trennung der heute vielfältig ineinander verwebten legislativen, exekutiven und verwaltungstechnischen Zuständigkeiten hinaus. Danach hätten in Zukunft die Parlamente über die von den Regierungen vorzulegenden Raumordnungspläne, das heißt über den langfristigen Rahmen der räumlichen Entwicklung, zu entscheiden. Die Raumord-nunspläne müßten dann die Regierungen bei der Aufstellung des Landesentwicklungsprogramms binden, das für einen bestimmten Zeitraum konkrete Maßnahmen festlegt. Jochimsen schlägt zudem vor, die Landesentwicklungspläne an einen Bundesentwicklungsplan zu binden — eine ebenso einleuchtende wie politisch schwierige Aufgabe.

Tatsächlich ist mittlerweile mit der Erarbeitung eines Bundesraumordnungsprogramms begonnen worden, das die Vielzahl der strukturpolitischen Programme, Planungen und Maßnahmen nach konkreten Zielvorstellungen darstellen und koordinieren soll. Erstmals werden somit die raumbedeutsamen Planungen und Maßnahmen des Bundes unter dem Aspekt der raumpolitischen Auswirkungen zusammengefaßt, beispielsweise Maßnahmen der regionalen Struktur-politik, des Städte-und Wohnungsbaus, der Bildungspolitik, des Umweltschutzes, der Verkehrspolitik, der Agrarpolitik und der Sozialpolitik.

Nach dem Agrarbericht 1971 der Bundesregierung wird sich das Bundesraumordnungsprogramm in fünf Teile gliedern:

— Aufteilung des Bundesgebiets in Gebietseinheiten, — Gesamträumliches Zielsystem, — Prognose der regionalen Entwicklung im Bundesgebiet, — Regionalisierung der raumbedeutsamen Haushaltsmittel des Bundes, — Festlegung von Schwerpunktmaßnahmen.

Die Ministerien sollten sich — so Planungschef Prof. Jochimsen — schwerpunktmäßig den echten Regierungsaufgaben widmen können und von reinen Verwaltungsaufgaben entlastet werden. Die Verwaltungsaufgaben sollten, soweit sie von unmittelbarer Bedeutung für die wirtschaftliche Entwicklung sind, von in jedem Land neu zu gründenden Aufbaugesellschaften übernommen werden, beispielsweise als Auftragsausführung im Rahmen der Landes-und gegebenenfalls der Bundesbestimmungen. Darüber hinaus sollten den Landesaufbaugesellschaften Entwicklungsplanungsaufgaben und Entwicklungsförderungsaufgaben in eigener Zuständigkeit zugewiesen werden.

Tatsächlich erfolgte zum Beispiel in den Verdichtungsräumen die Vielzahl von Einzelmaßnahmen noch ohne Einordnung in ein langfristiges Gesamtkonzept für das gesamte Bundesgebiet. Der Beirat für Raumordnung hat deshalb am 17. März 1970 beschlossen, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die eine raumordnungspolitische Konzeption des Bundes für die Entwicklung der Verdichtungsräume unter Berücksichtigung der bereits in den Ländern vorliegenden Vorstellungen erarbeiten soll

VIII. Maßnahmen der Strukturpolitik

Tabelle 4:

Gemäß § 10 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft vom 8. Juni 1967 haben die Bundesminister für ihren Geschäftsbereich mehrjährige Investitionsprogramme aufzustellen Für die Jahre bis 1973 umfassen die Ausgaben des Bundes erstens die unmittelbar vom Bund selbst durchzuführenden Sachinvestitionen, zweitens die militärischen Bauten und Beschaffungen und drittens die Finanzierungshilfen des Bundes für Vorhaben anderer Investoren (einschließlich des Erwerbs von Beteiligungen und die Inanspruchnahme aus Gewährleistungen

Die prozentuale Aufteilung der Sachinvestitionen des Bundes nach Aufgabenbereichen (Funktionen) zeigt eine deutliche Schwerpunkt-Tabelle bildung beim Aufgabenbereich „Verkehrsund Nachrichtenwesen":

Im Durchschnitt der Jahre 1970 bis 1974 entfallen von den Sachinvestitionen, den militärischen Baumaßnahmen und Beschaffungen auf die Wirtschaftsbereiche:

Bei den Bauausgaben ist — anders als bei den Beschaffungen — auch eine regionale Zuordnung zweckmäßig. Das bevölkerungsreichste Land des Bundes — Nordrhein-West-falen — hat von allen Bundesländern mit etwa 13 bis 15 v. H.den größten Anteil an den jährlichen Gesamtausgaben des Bundes für eigene Hochbauten. Nadi Nordrhein-Westfalen ist die Hochbautätigkeit des Bundes am stärksten in Schleswig-Holstein und Bayern.

Die Finanzierungshilfen sind breiter auf die einzelnen Aufgabenbereiche gestreut als die Sachinvestitionen, denn während diese beim . Verkehrs-und Nachrichtenwesen" ihren absoluten Schwerpunkt haben, verteilen sich die Finanzierungshilfen folgendermaßen auf die einzelnen Aufgabenbereiche: 100, 0 Das Investitionsprogramm für die Jahre bis 1974 umfaßt rund ein Viertel der Gesamtausgaben im Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974.

Davon entfallen rund 5 °/o auf die Sachinvestitionen, 7 °/o auf die militärischen Bauten und Beschaffungen und etwa 120/0 auf die Finanzierungshilfen des Bundes für Vorhaben anderer Investoren. Einen Anteil von 39, 3 0/0 an den erteilten Aufträgen weisen die Verdichtungsräume auf, wobei der Verdichtungsraum Rhein-Ruhr allein 18, 1 % des Gesamtvolumens (also fast die Hälfte der in die Verdichtungsräume vergebenen Aufträge) erhielt. Die Frage der Verteilung ist ein großes politisches Problem. Bereits in den beiden Konjunkturprogrammen 1967 wurden die Aufträge struktur-politisch gezielt vergeben

Die Bundesförderungsgebiete und die Steinkohlenbergbaugebiete erhielten pro Kopf der Bevölkerung einen doppelten Forderungsbetrag. Unmittelbar anschließend folgte das gemeinsame Strukturprogramm Ruhr—Saar, folgten Zonenrandgebiete, Bundesbaugebiete und -orte mit einem Investitionsvolumen von 1, 3 Mrd. DM. Dieses Programm wurde zur Verbesserung der Infrastruktur in benachteiligten Gebieten eingesetzt, um günstigere Standortbedingungen für die Ansiedlung neuer Industrien und damit die Entstehung neuer Arbeitsplätze in ballungsfernen Gebieten zu schaffen. Durch die Strukturkrise im Stein-kohlenbergbau war es notwendig geworden, neue gewerbliche Arbeitsplätze an Ruhr und Saar zu schaffen. Die Einführung der Investitionsprämie nach § 32 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Stein-kohlenbergbaus und der deutschen Steinkohlenbergbaugebiete vom 15. Mai 1968 trug dem Rechnung. Gleichzeitig wurde aber auch die Wirksamkeit der Maßnahmen des regionalen Förderungsprogramms durch eine Erhöhung der Investitionsgrenze verbessert

IX. Die Regionalen Aktionsprogramme

Tabelle 5 Landervergleichsdaten zu Bevölkerung und Wirtschaft

Der Interministerielle Ausschuß für regionale Wirtschaftspolitik der Bundesregierung hat in seinen Sitzungen vom 30. Juli und 14. August 1970 auf Vorschlag der Landesregierungen insgesamt 20 Regionale Aktionsprogramme gebiligt. Davon sind acht Programme neu aufgestellt worden

Mit diesen Programmen hat der Bund für die Tegionale Wirtschaftspolitik ein modernes Plam---------nungsinstrument geschaffen, das es ermöglicht, die vielfältigen Probleme der regionalen Wirtschaftsstruktur zu erfassen und ihre Lösung auf allen Ebenen besser zu koordinieren und zu intensivieren. Förderungsmittel des Bundes und der Länder werden jetzt gemeinsam eingeplant und auf einen fünfjährigen Zeitraum — bei jährlicher Fortschreibung — projektiert Diese Planung verbessert die Transparenz der Hilfen und sichert ein einheitliches Präferenzsystem in den Förderungsgebieten. Die Regionalen Aktionsprogramme setzen sachliche und räumliche Schwerpunkte, um eine höhere Effizienz der Mittel zu erreichen. In den Aktionsprogrammen werden Bundes-fördergebiete (Zonenrandgebiet, Bundesausbaugebiete, Bundesausbauorte) und Landesförderungsgebiete zusammengefaßt. Das sind die in der Verordnung über die förderungsbedürftigen Gebiete im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 3 des Investitionszulagengesetzes vom 4. September 1969 (BGBl. I, S. 1576) aufgeführten Landkreise, kreisfreien Städte und Gemeinden (vgl. Karte).

Die 20 Regionalen Aktionsprogramme umfassen rund 58 0/0 der Fläche des Bundesgebietes; rund 32 0/o der Bundesbevölkerung leben in diesen Gebieten.

Die Programme enthalten 292 Schwerpunkte, in denen die Ansiedlung und Erweiterung gewerblicher Produktionsbetriebe mit öffentlichen Mitteln (Investitionszulage, Investitionszuschuß aus dem Regionalen Förderungsprogramm der Bundesregierung, zinsgünstige Kredite der Bundesanstalt für Arbeit, des ERP-Sondervermögens und aus Mitteln der Länder) gefördert werden. Zu dieser Anzahl gehören 32 „übergeordnete" Schwerpunkt-Orte (einschließlich drei Doppelorte), die mit erhöhten Investitionsreizen ausgestattet sind. Außerdem erhalten 16 Orte aufgrund ihrer Zonenrandlage die Spitzenpräferenz von 25 °/o. Im „normalen" Schwerpunktort werden die Investitionskosten um 15°/o verbilligt. In den Schwerpunktgemeinden besteht auch die Möglichkeit, den Vorratserwerb und die Vorrats-erschließung von Industriegelände mit Mitteln des Regionalen Förderungsprogramms zu fördern.

Die inzwischen beschlossenen 20 Regionalen Aktionsprogramme gehen allerdings von sehr unterschiedlichen Voraussetzungen aus: „Das beginnt schon bei der Größe der Räume. Das Programmgebiet Nordwest-Niedersachsen ist rund 13mal so groß wie das Gebiet Nordeifel-Grenzraum Aachen; auch hinsichtlich der Bevölkerung steht Nordwest-Niedersachsen mit fast drei Millionen Einwohnern an der Spitze, wiederum fast das 13fache des bevölkerungsmäßig kleinsten Raumes Südwestfalens. Erhebliche Unterschiede bestehen auch bei den ausgewiesenen Schwerpunkten der Regionalen Aktionsprogramme, auf die sich im wesentlichen die Förderungsmaßnahmen konzentrieren sollen. Während im Programmgebiet Holstein im Durchschnitt ein Schwerpunkt auf rund 178 000 Einwohner kommt und damit sicherlich die richtige Größenordnung gewährleistet ist, sind es im ostbayerischen Zonenrandund Ausbaugebiet nur rund 33 000. Bezogen auf die Fläche der Programmgebiete: Im Gebiet Schleswig-Holstein ist jeweils ein Schwerpunkt für rund 940 qkm ausgewiesen, im Raum Nordeifel—Aachen nur für 238 qkm."

Die Schwerpunkte der Regionalen Aktionsprogramme sollen in Zukunft einer strengeren Erfolgskontrolle unterworfen werden. Bei Erreichung der gesteckten Ziele wird ein Schwerpunktort aus der besonderen Förderung herausgenommen, um die Hilfen für andere förderungsbedürftige und entwicklungsfähige Orte bereitzustellen. Für den Fall, daß die Entwicklungsziele nach einem Zeitraum von drei Jahren nicht erreicht wurden, wollen Bund und Länder prüfen, ob besondere Gründe für den Mißerfolg vorliegen. Zeigt sich auch nach zwei weiteren Jahren keine Wirkung der regionalpolitischen Maßnahmen, soll der Ort aus der Liste der Schwerpunkte gestrichen werden. Im vergangenen Jahr sind mit Bundesmitteln (in Verbindung mit Mitteln der Bundesanstalt für Arbeit) rund 44 000 neue Arbeitsplätze gefördert worden. Damit hat die Regionalpolitik ihr Ziel, jährlich 20 000 Arbeitsplätze zu fördern, weit übertroffen. Erste Ansätze der Erfolgskontrolle brachten bereits die Beschlüsse des IMNOS vom 30. Juli und 14. August 1970, nach denen die Städte Homburg/Saar, Kassel, Peine, Saarlouis, Salzgitter und Schweinfurt aus der Liste förderungsbedürftiger Orte herausgenommen wurden. Die Kontrolle muß jedoch unbefriedigend bleiben, solange sie ausschließlich auf geförderte Arbeitsplätze abgestellt ist.

Für den Ausbau der kommunalen Infrastruktur sehen die Richtlinien des Regionalen Förderungsprogramms Zuschüsse des Bundes bis zu 60 °/o der Investitionskosten vor. Dieser Höchstwert kann bei Vorhaben in unmittelbarer Nähe der Zonengrenze überschritten werden.

Die Maßnahmen der regionalen Strukturpolitik sollen nach der Verabschiedung des Städtebauförderungsgesetzes durch Finanzierungshilfen des Bundes zur Förderung der städtebaulichen Erneuerung und Entwicklung ergänzt und unterstützt werden.

Der am 6. Mai 1970 gegründete Planungsausschuß für regionale Wirtschaftsstruktur hat beschlossen, bei der Aufstellung des ersten ge-meinsamen Rahmenplans das System der Regionalen Aktionsprogramme zugrunde zu legen denn die neue Phase wird als Ge-meinschaftsaufgabe „Verbesserung der sozialen Wirtschaftsstruktur" seit dem 1. Januar 1970 fortgesetzt

Die Regionalen Aktionsprogramme führten zwar zu einer formalen Koordination der Förderungsmittel für die gewerbliche Wirtschaft und für den kommunalen Infrastrukturausbau. Die ebenso erforderliche Abstimmung mit anderen Wirtschaftsförderungsmaßnahmen und mit Maßnahmen anderer Ressorts — insbesondere der Agrarstrukturpolitik und des Bundesfernstraßenbaus — steht aber noch weitgehend aus.

X. Förderung des Zonenrandgebietes und EDV-Förderung

Tabelle 6: Salden aus den Wanderungen innerhalb des Bundesgebietes nach Ländern 1961 bis 1969

Nadi den Richtlinien des Bundes können für die Vergabe von Mitteln der regionalen Wirtschaftsförderung im Zonenrandgebiet Infrastrukturinvestitionen der Gemeinden mit bis zu 100 °/o der Kosten subventioniert, also völlig vom Bund finanziert werden. Hinzu kommt, daß die Bundesregierung am 8. Oktober 1970 den Entwurf eines Zonenrandförderungsgesetzes verabschiedet hat in dem sie Bundesrat und Bundestag vorschlägt, künftig jährlich achtzig Mill. DM zusätzlich aus Bundesmitteln für Infrastrukturinvestitionen im Zonenrandgebiet bereitzustellen. Zonenrand-Gebiete sind definiert im Sinne des § 6 Absatz 1 des Gesetzes über die Besteuerung des Straßenverkehrs vom 28. Dezember 1968

Die besonderen Förderungsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet waren bisher nur auf Teilgebieten gesetzlich geregelt, z. B. im Investitionszulagengesetz vom 18. August 1969, im Gesetz über die Besteuerung des Straßengüterverkehrs vom 28. Dezember 1968 und im Güterkraftverkehrsgesetz in der Fassung vom 22. Dezember 1969. Im übrigen beruhten sie auf Verwaltungsmaßnahmen.

Der Gesetzentwurf zur Förderung der Zonenrandgebiete sichert nunmehr die bisherigen Förderungsmaßnahmen und -Präferenzen für das Zonenrandgebiet gesetzlich ab. Er soll es zudem der Exekutive ermöglichen, auch in Zukunft durch Verwaltungsanordnungen und Richtlinien die Hilfsmaßnahmen im einzelnen so auszugestalten, daß eine höchstmögliche Effizienz erreicht wird. Eine Verbesserung der bisherigen Förderpraxis bringen die Bestim-

mungen über den sozialen Wohnungsbau (§ 5) und über die Förderung sozialer Einrichtungen (§ 6). Bereits die Bezugnahme auf das Raumordnungsgesetz vom 8. April 1965 will zum Ausdruck bringen, daß sich die Hilfsmaßnahmen für das Zonenrandgebiet nicht nur auf die Wirtschaftsförderung beschränken sollen.

Nummer 1 und § 2 des Gesetzentwurfes zur Förderung des Zonenrandgebietes umfassen diejenigen Förderungsmaßnahmen, die nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgaben „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 von Bund und Ländern in Zukunft als Gemeinschaftsaufgabe durchgeführt werden. Die Vorschrift stellt dabei die bevorzugte Berücksichtigung des Zonenrandgebietes sicher. Zum Zonenrandgebiet gehören alle Landkreise und kreisfreien Städte, die mit mehr als 50 0/0 ihrer Fläche oder Bevölkerung weniger als 40 km von der Demarkationslinie zur DDR bzw.der Grenze zur CSSR entfernt sind.

Das Zonenrandgebiet umfaßt 107 Stadt-und Landkreise mit einer Fläche von 46 800 qkm, das sind 19 °/o des Bundesgebietes (vgl. Karte S. 20/21).

Das Bundeswirtschaftsministerium vergibt ERP-Mittel zur Wirtschaftsförderung, die allein im Jahre 1970 rund 1, 9 Milliarden DM ausmachten. Für die mittelständische gewerbliche Wirtschaft stehen 342 Millionen DM zur Verfügung, davon für Gebiete der regionalen Aktionsprogramme 167, 5 Mill. DM und für die gewerbliche Wirtschaft in Agrargebieten 40 Mill. DM sowie für die EDV 15 Mill. DM. Hier können beispielsweise Unternehmen der mittelständischen gewerblichen Wirtschaft und sonstige Unternehmen, für die mittelständische Betriebe die EDV durchführen, zur Anschaffung von EDV-Anlagen und Bedienungseinrichtungen, zum Bezug von Anwendungsprogrammen zur Erstausstattung sowie für Baumaßnahmen Kredite bis zu 500 000 DM mit einem Zinssatz von 6°/o pro Jahr bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau beantragen, die bis zu 12 Jahren laufen. Von den Struktur-und Anpassungshilfen in Höhe von 359 Mill. DM entfallen auf

Umstellungsinvestitionen der gewerblichen Wirtschaft 15 Mill. DM Rationalisierungsmaßnahmen von Seehafenbetrieben 15 Mill. DM Finanzierung ausländischer Aufträge an Schiffswerften 90 Mill. DM Modernisierung der Handelsflotte 24 Mill. DM Umstrukturierung im Saarland und im sonstigen Bergbaugebiet 90 Mill. DM Infrastrukturmaßnahmen der Gemeinden in Gebieten der Regionalen Aktionsprogramme 125 Mill. DM Für sonstige Fördermaßnahmen (Abwasser-reinigung, Reinhaltung der Luft usw.) sind 31 Millionen DM veranschlagt, für Berlin 390 Mill. DM und für die Entwicklungshilfe 744 Mill. DM

Die ERP-Kreditprogramme 1971 für kleine und mittlere Unternehmen sollen — entsprechend den Grundsätzen der Strukturpolitik der Bundesregierung für diese Unternehmen — in Zukunft noch stärker auf die Leistungssteigerung dieser Unternehmen ausgerichtet werden. Unter anderem sind Kredite vorgesehen für Maßnahmen in Gebieten der Regionalen Aktionsprogramme 175 Mill. DM zur Verbesserung der gewerblichen Wirtschaftsstruktur in Agrargebieten 40 Mill. DM zur Förderung der elektronischen Datenverarbeitung 20 Mill. DM insgesamt für 1971 360 Mill. DM Daneben gibt es eine ganze Reihe spezieller strukturpolitischer Förderungsmaßnahmen des Bundes, beispielsweise für die EDV in der Bundesrepublik Deutschland. So wurden im Rahmen des ersten Datenverarbeitungsprogramms des Bundeswissenschaftsministeriums (1967— 1970) insgesamt 189 Mill. DM aufgewendet für Forschung und zukunftsbezogene Entwicklung bezüglich DV-Technologie, DV-Systeme einschließlich ihrer Systemprogramme und peripheren Geräte, sowie bezüglich Computersprachen bei DV-Unternehmen und -Zulieferern 138 Mill. DM DV-Anwendungen 38 Mill. DM Wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch, Informatik 13 Mill. DM Zudem förderte das Bundeswirtschaftsministerium im gleichen Zeitraum die marktnahe technische Entwicklung auf dem Gebiet der EDV bei DV-Herstellern mit 120 Mill. DM, davon für Geräte und Systemprogramme 79 Mill. DM und Anwendungsprogramme 23 Mill. DM. Außerdem wurden für regionale Großrechenzentren 47 Mill. DM, für die Gesellschaft für Mathematik und Datenverarbeitung mbH 33 Mill. DM, für das Schwerpunktprogramm Halbleiterelektronik der Deutschen Forschungsgemeinschaft 3 Mill. DM, für Sonderforschungsbereiche auf dem Gebiet der DV 5 Mill. DM und für die Förderung der Anwendung der EDV in der gewerblichen Wirtschaft 1970 nochmals 300 Mill. DM zur Verfügung gestellt Nach dem 2. Datenverarbeitungsprogramm der Bundesregierung sollen für 1971 bis 1975 ca. 4, 18 Mrd. DM für die DV-Forschung bereitgestellt werden.

Alle diese Förderungsmaßnahmen haben nicht nur strukturpolitische Bedeutung, sondern sind raumpolitisch relevant, denn sie tragen zur Förderung ganz bestimmter Gebiete in der Bundesrepublik Deutschland bei.

XL Bevölkerungsprognosen für die Bundesrepublik Deutschland

VORAUSGESCHÄTZTE BEVÖLKERUNG NACH ALTERSGRUPPEN 1965 = 100

Wissenschaftliche Prognosen können den politischen Instanzen bei der Entscheidungsfällung helfen, indem sie verdeutlichen, ob und in welchem Maße eine besondere staatliche Aktivität notwendig erscheint. Da die öffentlichen Mittel niemals ausreichen, um alle Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen, wird zudem die finanzielle Bedarfsermittlung zum wichtigsten Instrument für eine rationale Verteilung der begrenzten finanziellen Mittel. Diese Prognosen stecken den Rahmen für staatliche Maßnahmen ab, zum Beispiel bei der Gestaltung der Infrastruktur-und Raumpolitik. Die Entscheidung über die Rangfolge der Zielsetzungen kann jedoch nicht aus finanziellen Erwägungen allein gewonnen werden, sondern nur aufgrund wertbetonter politischer Leitbilder. Die politische Zielsetzung ist primär, denn erst aus der Gegenüberstellung dessen was ist, und dessen was sein soll, ergeben sich Ansatzpunkte und Umfang einer staatlichen Intervention.

Prognosen versuchen darzustellen, wie sich die Entwicklungen im Wirtschafts-, Finanz-und Bevölkerungsbereich vollziehen werden, um daran Planverwirklichung in Zielkorrektur, Bewertung und schließlicher Programmierung sinnvoll und möglichst objektiv vorzunehmen. Es sollen überprüfbare Faktoren Und mit ihnen Alternativstrukturen sichtbar werden, in denen die schließliche Lösung des Planungsproblems antizipiert werden kann. Schwierigkeiten ergeben sich bei der Informationsbeschaffung, da es zwar einerseits viel statistisches Material in den statistischen Ämtern gibt, das ohne EDV nicht zugänglich ist, andererseits aber wieder politisch relevante Daten fehlen. Hinzu kommt die Schwierigkeit, Statistiken zu erstellen, die Fragen von morgen beantworten müssen.

Eine Planung aufgrund statistischer Trend-extrapolationen muß sich auf quantifizierbare Bereiche beschränken, sollen diese Modelle land entsprechende Verhaltensmuster) nicht mit einer Fülle von spezialisierten Vorbehalten versehen werden. Ob die in der Extrapolation als Prognoseansatz dienende Annahme (gleiche durchschnittliche Veränderung in der Zukunft wie in der Vergangenheit) gerecht-

fertigt ist, kann jedoch nur durch die Analyse der Bestimmungsfaktoren der Bevölkerungsentwicklung und deren Entwicklungstendenz geklärt werden. Tatsächlich lag z. B. die Be-

Völkerungszahl in Hessen nach der Veröffentichung des Heftes 3 der Schriften zum Großen Hessenplan Ende 1967 um rund 20 000 für 1970 unter der in Heft 1 aus dem Jahre 1965 vorausgeschätzten Zahl. Dabei wurde die Quote der unter 15jährigen und die der über 65jähri-gen um jeweils gut 10 000 zu niedrig, die der 15-bis unter 65jährigen um gut 40 000 zu hoch angesetzt. Diese Abweichungen mußten bei den im Zusammenhang mit dem zweiten Durchführungsabschnitt vorgenommenen neuen Schätzungen für 1970 berücksichtigt und berichtigt werden

Auch die Vorausschätzung der Bevölkerungsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland hat das Statistische Bundesamt gegenüber dem Vorjahr erheblich revidieren müssen. Für 1985 wird statt bisher 66, 43 Millionen nur noch eine Wohnbevölkerung von 63, 85 Millionen angenommen, wobei etwaige Wanderungen unberücksichtigt bleiben. Maßgebliche Ursache ist der die Erwartungen übertreffende Geburtenrückgang. Die Zahl der Kinder unter 15 Jahren wird 1985 um 1 321 000 weniger geschätzt. Auch die Bevölkerung im Alter von 15 bis unter 65 Jahren wird um 525 000 und, überraschenderweise, selbst die Bevölkerung im Alter von 65 und mehr Jahren um 753 000 niedriger veranschlagt.

Hier zeigen sich die Gefahren einseitig statistischer Betrachtungsweise ohne Berücksichtigung soziologischer Fakten und ohne Ausschöpfung der Möglichkeiten moderner Datenverarbeitung, die allein alle relevanten Strukturdaten integriert und abgestimmt aufbereiten kann.

Bevölkerung und Wirtschaft sind die wichtigsten Faktoren einer Raumplanung. Sie stehen in enger Wechselwirkung; auf sie gründen sich alle Planüberlegungen politischer Instanzen für die Zukunft. Ihre Entwicklung und ihre Wandlung beeinflussen alle Sektoren des gesellschaftlichen Lebens. Leicht lassen sich bereits in der Gegenwart erkennbare Entwicklungstendenzen in die Zukunft hineinverlängern. Die Methode der Extrapolation erweist sich hier als recht zweckmäßig, da die Größen in relativer Abhängigkeit zu einigermaßen sicher vorausschätzbaren unabhängigen Variablen stehen (vgl. dazu Tabelle 5 auf S. 28). 50 Die Bevölkerungsdichte im Bundesgebiet war von 1939 (vergleichbares Bundesgebiet) mit 163 Einwohner je qkm auf 239 Einwohner je qkm im Jahre 1965 angestiegen. Sie hat weiter zugenommen und belief sich im Jahre 1967 auf 241 und 1969 auf 246 Einwohner je qkm. Für den Zeitraum 1961 bis 1969 betrug die Bevölkerungszunahme im Bundesgebiet 20 Einwohner je qkm. Von diesem Durchschnitt weichen die Länderergebnisse erheblich ab. In ländlichen Rückstandsgebieten blieb die Bevölkerungsdichte 1969 unter 100 Einwohner je qkm. Die stärkeren Bevölkerungszunahmen je qkm in den Jahren 1965— 67 betrafen ausschließlich die Randzonen der größeren Verdichtungsräume

In der Mehrzahl der Landkreise hat die Bevölkerung im Zeitraum 1965 bis 1967 nur geringfügig zugenommen. In 14 Landkreisen Sing die Bevölkerungsdichte während dieses Zeitraumes sogar zurück, vornehmlich im Zonenrandgebiet sowie in den hinter der allgemeinen Entwicklung zurückgebliebenen Gebieten.

In den Kernstädten der großen Verdichtungsräume hat die Bevölkerungsdichte im Zeitraum 1965 bis 1967 mit Ausnahme von München und Bremen abgenommen, besonders stark in den Verdichtungsräumen Hamburg, Rhein-Ruhr, Rhein-Main, Rhein-Neckar und Stuttgart.

Allerdings stieg die Bevölkerungszahl 1961 bis Ende 1968 in ländlichen Gebieten um etwa den gleichen Prozentsatz wie in den Stadtregionen des Bundesgebietes, nämlich um über 7 °/o

In den Gebieten mit hoher Geburtenhäufigkeit lassen sich unter den gegenwärtigen Verhältnissen für den Bevölkerungszuwachs (der hier vor allem durch hohe Geburtenüberschüsse bedingt ist) aus naturräumlichen und ökonomischen Gründen oft keine ausreichenden Existenzgrundlagen schaffen. Sie sind daher häufig Abwanderungsgebiete. Dies führt zu besonderen Belastungen für diese Räume, weil die Abwandernden meist dann wegziehen, wenn sie ihre Schulund Berufsausbildung abgeschlossen haben. Die Ab-Wanderungsgebiete verlieren auf diese Weise ständig qualifizierte jüngere Arbeitskräfte und damit einen der wichtigsten Faktoren des Entwicklungspotentials dieser Räume. Die Folge ist, daß die Abwanderungsgebiete zwar die finanzielle Last infrastruktureller Leistungen (Schulen, Ausbildungseinrichtungen usw.) tragen, die Zuwanderungsgebiete indessen die Vorteile daraus ziehen. Es bedarf daher aus raumordnungspolitischen Gründen eines verstärkten finanziellen Ausgleichs für diese Abwanderungsgebiete, soweit es nicht gelingt, dort außerlandwirtschaftliche Arbeitsplätze zu schaffen. Der Rückgang der Geburten generell verlief in den kreisfreien Städten und Landkreisen jedoch — so der Bundesraumordnungsbericht 1970 — parallel. Die Ursachen der Binnenwanderung sind im wesentlichen ökonomisch bestimmt. Jährlich finden auf je 1000 Einwohner etwa 60 Umzüge (insgesamt rd. 3, 5 Mill) nach einer anderen Gemeinde im Bundesgebiet statt.

Die Wanderungen haben im Zeitraum 1964 bis 1966 eine wesentlich stärkere und raschere Erhöhung der Bevölkerungsdichte in den Verdichtungsräumen, verbunden mit einer beträchtlichen räumlichen Ausweitung dieser Verdichtungsgebiete, gegenüber einem nur geringfügigen Ansteigen oder auch einem Rückgang der Bevölkerungsdichte in den dünner besiedelten Gebieten der Bundesrepublik bewirkt. Flächenmäßig bedecken die Landkreise mit positiver Wanderungsbilanz rd. 118 000 qkm, die Landkreise mit negativer Wanderungsbilanz rd. 122 000 qkm.

Die Städte mit einem Binnenwanderungsdefizit von mehr als 2 °/o in den Jahren 1965/66 waren nach dem Raumordnungsbericht 1968 neben den Ruhrgebietsstädten vor allem Hannover, Braunschweig, Bonn, Frankfurt, Stuttgart und Ulm. Auch hier erfolgte die Abwanderung (per Saldo) vorwiegend in die Randkreise

Im Ruhrgebiet, im Saarland und im Aachener Raum beruhten diese Abwanderungen auch auf wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Die außerhalb der Städte liegenden Abwanderungsgebiete befinden sich in nahezu allen Teilen des Zonenrandgebietes, ferner im Raum zwischen der niederländischen Grenze und Hannover, in der Eifel, im Hunsrück, in der Südpfalz, im Saarland, im Grenzraum zwischen Nordwürttemberg und Mittelfranken, in der Oberpfalz und in vielen Teilen Niederbayerns.

Aus der Veränderung der Bevölkerungsanteile bis 1969 wird erkennbar, daß der Anteil Norddeutschlands schneller gesunken ist, als nach der Prognose zu erwarten war. Audi bei den Wanderungssalden der Bevölkerung zeichnet sich ab, daß der negative Saldo Nord-deutschlands im Zeitraum 1961 bis 1968 bereits die Höhe erreicht hat, die aufgrund der im Raumordnungsbericht 1968 prognostizierten Veränderungen der Arbeitsplatzzahl erst bis 1980 zu erwarten war

Das Wachstum der Bevölkerung vollzieht sich also nicht in allen Teilen eines Landes in gleichem Maße. Steigt nämlich der Arbeitskräftebedarf einer Wirtschaftsregion schneller an als das Arbeitskräftepotential dieser Region, dann wird versucht, durch attraktive Arbeitsbedingungen weitere Erwerbstätige aus anderen Räumen anzuziehen; es entsteht ein Sog nach Arbeitskräften. Für regionalpolitische Entscheidungen sind also Bevölkerungsgröße und zukünftig räumliche Verteilung wichtige Kenngrößen für die zu erwartende Lage, weil einmal die Einwohnerzahl direkt Ausgangspunkt für diese Entscheidungen ist und weil zum anderen starke Interdependenzen zwischen der Höhe der Bevölkerung und anderen regional relevanten Größen bestehen. Allerdings muß der Wanderungsgewinn nicht immer zu einer Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens für die Zuwanderungsregion führen. Wenn beispielsweise die zugewanderten Arbeitskräfte vornehmlich aus unterentwickelten Regionen kommen, ist im allgemeinen die Annahme gerechtfertigt, daß deren Ausbildungsniveau niedriger ist als der Durchschnitt der in der Zuwanderungsregion beschäftigten Arbeitskräfte. Durch die Zuzüge werden der Zuzugsregion neben den möglichen Ausbildungskosten weitere Lasten aufgebürdet, da die Infrastruktur viel stärker ausgebaut werden muß als es für die bisherige Wohnbevölkerung erforderlich wäre.

Hauptmotive für Fort-und Zuzüge sind die Suche nach einer geeigneten Wohnung, dem besseren Arbeitsplatz und andere persönliche Gründe, bei leitendem Personal von Wachstumsindustrien auch der Freizeitwert. Von den Wanderungsforschern ermittelte Gesetzmäßigkeiten lassen sich mit einer Gegenüberstellung von Daten der amtlichen Statistik und Ergebnissen zielgerichteter, empirischer Untersuchungen überprüfen. Diese Konfron-tation ermöglicht recht zuverlässige Prognosen, die dann nicht nur der Verfeinerung der Bevölkerungsprognose, sondern auch einer aktiven Wanderungspolitik zur Beeinflussung der Wanderungsströme dienen.

XII. Erwerbstätigenprognosen für die Bundesrepublik Deutschland und voraussichtliche Konsequenzen

Tabelle 7: Anteil der in der Landwirtschaft tätigen Erwerbspersonen (in der Bundesrepublik, in °/o)

Regionale Wachstumsunterschiede sind sehr stark strukturell bedingt. Führend unter den Regionen sind zumeist solche, in denen wachstumsstarke Wirtschaftszweige vorherrschen. Am Ende der Wachstumsskala stehen Regionen mit einem Übergewicht an wachstums-schwachen Wirtschaftszweigen, insbesondere Agrarbetriebe und Bergbaugebiete. Infolgedessen ist eine Untergliederung der globalen Prognosen nach Sektoren notwendig, um die regionalwirtschaftlich relevanten Strukturmerkmale zu erfassen. Die Prognose der wirtschaftlichen Entwicklung geht von einer Vorausschätzung der beiden wichtigsten Produktionsfaktoren aus, nämlich von der Entwicklung des Arbeitskräftepotentials und des Sachkapitals (Investitionsquote). Für die einzelnen Sektoren werden primär die Wert-schöpfung (Bruttoinlandsprodukt) und die Arbeitsproduktivität (Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen) geschätzt. Das Ergebnis ist eine Prognose der Beschäftigtenzahl in den einzelnen Sektoren.

Nach dem Raumordnungsbericht 1970 der Bundesregierung werden in der Landwirtschaft die Erwerbstätigen von 10, 8 °/o im Jahre 1966 auf 6, 3% im Jahre 1980 zurückgehen, während im produzierenden Gewerbe der Anteil geringfügig von 49, 3% auf 48, 5% absinkt. Ein hoher Anstieg ist für das Dienstleistungsgewerbe mit 39, 9 % auf 45, 2 % zu erwarten. Die Beschäftigtenzahl der Folgebereiche (Handwerk, Bauwirtschaft und alle Dienstleistungen) wird nach dem Raumordnungsbericht 1968 von 1966 bis 1980 um 8 % steigen.

An der Spitze der Wachstumsskala stehen Teil-räume mit günstiger Struktur der Grundbereiche, d. h. mit geringen Anteilen landwirtschaftlicher Beschäftigung und günstiger Industriestruktur. Schwaches Wachstum werden nur Gebiete mit hohen Anteilen an Bergbau und Textilindustrie haben, deren Beschäftigtenzahl zurückgeht. Sieht man vom Ruhrgebiet und vom Saarland ab, so weisen Regionen, deren Entwicklung maßgeblich durch jeweils ein großes Verdichtungszentrum bestimmt wird, eine starke Zunahme der Gesamtbeschäftigten auf. Der künftige Zugangsbedarf an beschäftigten Arbeitnehmern setzt sich zusammen aus dem Expansionsbedarf und dem Ersatzbedarf. Bis 1973 werden rund 2, 9 Mill, oder 16 °/o, bis 1980 rund 5, 8 Mill, oder 31 0/o der im Jahre 1968 (abhängig) Beschäftigten (ohne Ausländer und Beamte) für immer oder für längere Zeit (Frauen) aus dem Erwerbsleben ausscheiden. Am niedrigsten sind die Abgänge in der Wirtschaftsabteilung „Baugewerbe“ (bis 1973: -11%; bis 1980: — 22%), am höchsten in der Wirtschaftsabteilung „Staat“ (bis 1973: über — 21 %; bis 1980: über 42 %)

Von den im Jahre 1968 insgesamt abhängig Beschäftigten (Männer und Frauen) werden bis zum Jahre 1973 knapp 16 v. H. und bis zum Jahre 1980 rund 31 v. H. für immer oder für längere Zeit aus dem Erwerbsprozeß ausscheiden. Bei den Männern ist diese Globalabgangsquote mit 13 v. H. bis 1973 bzw. 26 v. H. bis 1980 etwas niedriger, während die Globalabgangsquote für Frauen höher liegt (bis zum Jahre 1973 bei 20 v. H. und bis zum Jahre 1980 ca. 39 v. H.). Als Ursache für die beträchtlich höhere Abgangsquote bei den Frauen dürften vor allem familiäre Gründe und die daraus resultierende „Phasenerwerbstätigkeit" in Betracht kommen.

Von den rund 18, 6 Millionen abhängig beschäftigten Inländern (ohne Beamte) würden somit bis zum Jahre 1973 insgesamt etwas über 2, 9 Millionen und bis zum Jahre 1980 beinahe 5, 8 Millionen aus dem Erwerbsleben ausscheiden.

Diese Globalangaben sind geeignet, einen ersten Überblick darüber zu verschaffen, in welcher Größenordnung die Abgangsquoten liegen und wie hoch die Anzahl der aus dem Erwerbsprozeß ausscheidenden Arbeiter und Angestellten von 1968 bis zum Jahre 1973 und 1980 voraussichtlich sein wird.

Noch aussagefähiger erscheint die Betrachtung der absoluten und relativen Abgänge von 1968 bis 1973 bzw. 1980, disaggregiert nach den sinzelnen Wirtschaftsabteilungen. Dabei wird die unterschiedliche Situation in den einzelnen " irtschaftsabteilungen am deutlichsten, wenn an von der durchschnittlichen Abgangsquote her Wirtschaftsabteilungen ausgeht, die im -eitraum von 1968— 1973 bei 15, 7 v. H. liegt. -----------

Niedriger sind die Abgangsquoten für das Baugewerbe (11 v. H.), die Energiewirtschaft und den Bergbau (12, 8 v. H.) und das Verarbeitende Gewerbe (14, 4 v. H.). Die Abgangs-quote in der Wirtschaftsabteilung Verkehr und Nachrichtenübermittlung entspricht mit 15, 6 v. H. ziemlich genau dem Durchschnitt bis 1973 insgesamt. Höhere relative Abgänge sind bei den Kreditinstituten und dem Versicherungsgewerbe (16, 1 v. H.), dem Handel (16, 5 v. H.), der Land-und Forstwirtschaft (18, 3 v. H.), den sonstigen Dienstleistungen (19, 6 v. H.) und dem Staat (21, 4 v. H.) zu verzeichnen. Von den ungefähr 2, 9 Millionen bis 1973 (bzw. 5, 8 Millionen bis 1980) aus dem Erwerbsprozeß ausscheidenden abhängig Beschäftigten entfallen allein über 1, 2 Millionen (bis 1980 2, 5 Millionen) auf das Verarbeitende Gewerbe, was einem Prozentsatz von 42, 6 (bis 1980 43, 3) der Gesamtabgänge entspricht.

Wie aufgrund der Phasenerwerbstätigkeit der Frauen zu erwarten ist, sind die Abgangs-quoten bei den Frauen in sämtlichen Wirtschaftsabteilungen höher als die der Männer. Am geringsten unterscheidet sich die Höhe der Abgangsquote zwischen Männern und Frauen beim Staat.

Von 27, 2 Mill, im Jahre 1966 verringerte sich die Zahl der Erwerbspersonen auf 26, 7 Mill, im Jahre 1967, also um 1, 7 %, während die Wohnbevölkerung um 0, 5 % stieg. Andererseits erhöhte sich die Zahl der Personen, die nicht erwerbstätig sind, um 2, 3 %. Entsprechend verringerte sich die Erwerbsquote (d. h.der Anteil der Erwerbspersonen an der Wohnbevölkerung) von 47, 3% im Jahre 1960 auf 44, 6% im Jahre 1967 Der Anteil der erwerbstätigen Personen im Alter zwischen 15 und 65 Jahren wird nach den Prognosen von 66 % im Jahre 1965 auf 62 % in den Jahren 1975/1980 zurückgehen. Dieser Anteil steigt zwar danach wieder etwas an, jedoch wird der Wert von 1965 bis zum Jahr 2000 nicht mehr erreicht. Dagegen erreicht der Anteil der Personen im noch nicht oder nicht mehr erwerbsfähigen Alter 1975 den Höhepunkt. Zu diesem Zeitpunkt entfallen auf 1000 Erwerbstätige im Alter zwischen 15 und 65 Jahren 660 Personen, die jünger als 15 oder älter als 65 Jahre sind. Im Jahre 2000 wird es etwa 30% mehr Volks-Schulanfänger und etwa 43 °/0 mehr Kinder im schulpflichtigen Alter von 6 bis unter 15 Jahren geben als 1965.

Zwischen 1965 und 1974 wird mit einem Rückgang des Arbeitskräftepotentials um 60/0 gerechnet. Nach diesem Tiefpunkt steigt es wieder an und ist im Jahre 2000 um 14% höher als 1965.

Da das Sozialprodukt nur von den Erwerbstätigen erarbeitet wird, bedeuten Erziehungs-und Ausbildungslasten für die Jugendlichen ebenso wie die Unterhaltslasten für die Erwerbsunfähigen einen wachsenden Konsumverzicht für die Erwerbstätigen durch erhöhte Steuerabgaben oder höhere Staatsschulden als Vorgriff auf Leistungen für die Zukunft. In der Belastung durch Steuern und Sozialversicherungsbeiträge liegt die Bundesrepublik Deutschland mit einem Anteil von 33, 5% des Bruttosozialprodukts im Jahre 1968 bereits in der Spitzengruppe vergleichbarer Länder Allerdings liegen die Abgaben in Schweden (40, 4%), Frankreich (38, 7%), Österreich (35%), Niederlande (37, 7 %) und Großbritannien (36, 6 %) noch über denen der Bundesrepublik. Der Anteil der Sozialversicherungsbeiträge liegt in der Bundesrepublik mit 10, 5 % erheblich über dem Durchschnitt der meisten Industrieländer und wird in den nächsten Jahren sicherlich noch beträchtlich steigen. Allerdings beträgt er in Frankreich 13, 2 %, in den Niederlanden 12, 8 % und in Italien 10, 7 %

Die Steuerbelastung, gemessen am Sozialprodukt, ist in der Bundesrepublik dagegen mit 23 % keineswegs übermäßig. Höhere Steuer-belastungen mußten im Jahre 1968 die Bürger Schwedens, Frankreichs, der Niederlande, Österreichs, Norwegens, Dänemarks, Großbritanniens und Kanadas ertragen. Ein ähnliches Bild zeigt der Vergleich der Gesamtausgaben des Staates in % des Bruttosozialprodukts. Mit einer Quote von 33, 5% wird die Bundesrepublik in der EWG von den Niederlanden mit 37, 7% und Frankreich mit 38, 7 ° übertroffen; Italien (32, 7 %) und Belgien (28, 9 %) liegen niedriger. Größer ist der staatliche Ausgabenanteil jedoch in Schweden (40, 4%), Österreich (35%), Großbritannien (36, 5 %) und den Niederlanden (37, 7 %). Bemerkenswert niedrig waren Ende 1967 in der Bundesrepublik die Staatsschulden. Sie betrugen insgesamt 108, 9 Mrd. DM. Gemessen am Bruttosozialprodukt des Jahres 1967 betrug der Schuldenstand in der Bundesrepublik 22, 4% gegenüber 19, 9% in Belgien, 71, 2% in den Niederlanden, 101, 4% in Großbritannien und 57, 6 % in den USA. Eine niedrigere Verschuldungsquote hatten lediglich Österreich (18, 4%), Dänemark (17, 4%) und Frankreich (19, 9 %).

XIII. Die Festlegung von Rangfolgen für regionale Investitionsbereiche

Tabelle 8: Erwerbstätige (Anteil in v. H.)

Nach der Prognoseerstellung erfolgt die Bewertung der ermittelten Spielräume und alternativen Optionen in Form einer Prioritäten-liste oder Rangfolge. Eine gute und sorgfältige Vorbereitung von Entscheidungsalternativen ermöglicht dem Politiker, die Wertentscheidung zu treffen und damit die Grundzüge der künftigen Entwicklung zu bestimmen. Beim Großen Hessenplan zum Beispiel wurden aus den Entwicklungslinien von Bevölkerung und Wirtschaft, wie sie sich für das Land Hessen voraussichtlich nach der erstellten Prognose ergeben werden, und der Aufgabe, die sich die Landesregierung gesetzt hat, Schwerpunkte ermittelt und Einzelziele formuliert, die in den nächsten zehn Jahren auf den verschiedenen Gebieten realisiert werden sollen. Dabei handelt es sich um angestrebte Änderungen bzw. Verbesserungen in den realen Lebensmöglichkeiten der Bevölkerung, denn nur in diesen Zielvorstellungen wird die Rangordnung der geplanten Maßnahmen wirklich sicht-bar. Diese Zielvorstellungen geben nicht nur eine Vorstellung davon, welche Veränderungen durch die Planung im einzelnen erreicht werden sollen, sondern sie zeigen auch, welche Investitionen erforderlich sind, um diese Ziele zu verwirklichen. Da nur ein kleiner Bruchteil der Projekte, die wissenschaftlich möglich und wünschenswert wären, durchge führt werden kann, kommt es auf die Auswahl an. Die wirkliche Zukunft ist nicht der Inbegriff alles dessen, was möglich wäre, sondern sie ergibt sich durch die Realisierung jenes kleinen Sektors aus dem Bereich des Möglichen, für den man sich aus mehr oder weniger ver-nüftigen Gründen entscheidet. Wegen der Höhe der erforderlichen Investitionen kann die Auswahl der zu finanzierenden Projekte nur von jenen Instanzen getroffen werden, die legitimiert sind, über die Verteilung der öffentlichen Haushaltsmittel zu befinden. Die Festsetzung der Prioritäten, durch die über unsere Zukunft verfügt wird, ist also keine wissenschaftliche, sondern eine politische Entscheidung.

Keine Regierung kann es sich allerdings leisten, weite Räume ihres Staatsgebietes veröden zu lassen, weil die Menschen dort Weggehen und der Raum nicht mehr bewirtschaftet wird. Der Naturhaushalt würde gestört, die Wasserversorgung beeinträchtigt, weite Erholungsgebiete würden unzugänglich. Aus diesen Gründen wird also darauf geachtet, daß die ländlichen Gebiete nicht entvölkert werden. Dem kann aber nur entgegengewirkt werden, indem man in diesen Bereichen den Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Existenz auszubauen und zu sichern, und wenn man ihnen den Grundbedarf an Leistungen der Zivilisation und an Komfort gewährleistet. Das bedeutet also, daß die Infrastruktur in den ländlichen Räumen in den Grundformen ebenso vorhanden sein muß wie in städtischen Verdichtungsbereichen.

Ende November 1969 veröffentlichte Bundesinnenminister Hans-Dietrich Genscher die beiden letzten Empfehlungen des Beirates für Raumordnung. Besonders aktuell ist die Empfehlung der Arbeitsgruppe „Die Entwicklung des ländlichen Raumes". Danach werden in absehbarer Zeit nicht die Mittel verfügbar sein, um (in aller Regel ungenügend ausgelastete) Infrastruktureinrichtungen der für erforderlich gehaltenen Mindestausstattung in so vielen Orten zu errichten, daß kein Bewohner ländlicher Räume weiter als etwa 15 bis 20 km davon entfernt leben würde.

Der Beirat hat sich von der immer noch weit-verbreiteten „Wachstumsgläubigkeit" bzw.der primär arbeitsplatzorientierten Industrie-förderung gelöst. Statt dessen erklärte er im Sinne einer weit verstandenen Produktivitätsorientierung die zu erwartende Steigerung des Bruttosozialproduktes je Erwerbstätigem einer Region zur sinnvollen Voraussetzung für die Förderungswürdigkeit von Industriebetrieben. Das heißt, daß nicht mehr jeder existenzfähige Betrieb als förderungswürdig angesehen wird, sondern nur noch dann, wenn eine Erhöhung des durchschnittlichen Bruttoinlandprodukts je Beschäftigten der Region bzw. in bestimmten Ausnahmefällen eine Erschließung zusätzlicher Arbeitskräfte zu erwarten ist. Die Konzentration der öffentlichen Förderung des Wohnungsbaus auf die zentralen Orte wird als geeignetes Förderungsmittel für die notwendigen intraund interregionalen Wanderungsbewegungen angesehen (Ziff. 38).

XIV. Finanzierungsberechnungen.

Tabelle 9 Die Entwicklung des realen Bruttoinlandsprodukts in DM je Einwohner in den Ländern der Bundesrepublik 1965 - 1980 (in Preisen von 1954)

Eine sorgfältige Planung, die nicht nur eine Wunschliste der Ressortvorstellungen sein Will, muß das Ziel verfolgen, den notwendigen finanziellen Spielraum für wichtige gesellSChaftspolitische Maßnahmen zurückzugewin-uen. Hierzu sind politische Entscheidungen über die Rangfolge der Investitionsbereiche erforderlich. Ein Plan muß eine Konzeption für den wirtschaftlichen Fortschritt liefern. Wenn man alles für gleichermaßen lebenswichtig alt, werden die wirklich lebenswichtigen füge möglicherweise übersehen. Die Ermittung der Finanzierungsmöglichkeiten ist Auf-gäbe der Finanzplanung. Eine solche Finanz-Planung soll den Spielraum für das künftige i abstecken. Dabei ist auch der Finanzplan kein verbindliches Mehrjahres-budget. Sein Ziel ist es vielmehr, rechtzeitig den Blick auf die Schwierigkeiten der zukünftigen Jahreshaushalte zu lenken, um zu verhindern, daß weittragende Entscheidungen ohne Kenntnis der zukünftigen Finanzierungsmöglichkeiten getroffen werden. Der Finanzplan ist als ein quantifiziertes Regierungsprogramm aufzufassen. Die in ihm enthaltenen Zahlen sind sowohl in ihrer absoluten wie in ihrer relativen Höhe Ausdruck des politischen Willens der Exekutive, die hinter diesen Zahlen stehenden Maßnahmen zu verwirklichen.

Die Höhe der Ausgaben für die einzelnen wachstumsrelevanten Ressorts (und damit letzten Endes auch die Höhe der staatlichen Ausgaben insgesamt) ist jedoch kein finanzpolitisches Problem im engeren Sinne (anders würde der Finanzminister zum Superminister und die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers ausgehöhlt), sondern ein gesellschaftspolitisches Problem, das nur im Rahmen einer zentralen, langfristig orientierten Budgetplanung im Bundeskanzleramt zufrieden-stellend gelöst werden kann.

Das Modell Hessens für eine moderne finanz-und wirtschaftspolitische Konzeption sieht die Verbindung der Investitionsplanung, welche das Stabilitätsgesetz für alle Länder fordert, mit einer Finanzplanung vor. Diese Abstimmung der Investitionsvorhaben mit den finanziellen Möglichkeiten ist ein wesentliches Kennzeichen der Zukunftsplanung in Hessen, die als volkswirtschaftliches Prognosenbudget einmal Grundlage der Strukturpolitik der Landesregierung ist, zum andern auch Orientierungsdaten für Wirtschaft und Bevölkerung setzt.

Der jährliche bzw. zweijährliche Haushaltsplan im Lande Hessen soll auf Finanzplan und Großen Hessenplan aufbauen, ohne jedoch für ihn verpflichtend zu sein. Aufgabe der Landesregierung bleibt es, das Parlament politisch dafür zu gewinnen, daß ihre Zielvorstellungen in den Haushaltsplan sowie in andere Gesetze transformiert werden. Die Landesmittel für die Projekte der Landesentwicklungsplanung sind in den Haushalten der einzelnen Ressorts veranschlagt, die sich auch für die Bewilligung der Mittel einsetzen müssen.

Die geplanten Investitionen im Lande Hessen erfordern von 1970 bis 1985 einen Gesamtaufwand von 54, 7 Mrd. DM. Der Anteil des Landes beläuft sich auf über 40 °/o und ist damit nur etwas niedriger als der Anteil der sonstigen Mittel (45%). Er liegt aber erheblich höher als der Gemeindeanteil mit 15 %. Zu diesen 22, 1 Mrd. DM Landeszuwendungen und -dariehen sind außerdem rund 0, 6 Mrd. DM Zinsverbilligungsmittel und Landesbürgschaften hinzuzurechnen. Die gesamte Belastung des Landes wird damit im Jahres-durchschnitt der Laufzeit des Landesentwicklungsplanes über 1, 4 Mrd. DM betragen.

Bei den Vorarbeiten zum Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz ist erwogen worden, das Landesentwicklungsprogramm durch Angaben zum Finanzbedarf oder durch einen Finanzierungsplan zu ergänzen. Man ist in Rheinland-Pfalz davon abgegangen, weil sich dieses Landesentwicklungsprogramm nur auf grundsätzliche Planungsziele beschränkt, beispielsweise Aufforstung von Sozialbracheflächen, Ausgestaltung der Naturparke usw. Im Hinblick auf die bereits praktizierte mittelfristige Finanzplanung hätte nach Meinung der Planer in Rheinland-Pfalz eine zusätzliche Finanzplanung im Landesentwidclungspro-gramm zu einer Zweispurigkeit finanzpolitischer Überlegungen geführt. Ähnliche Vorstellungen bestimmen die Landesplaner in Baden-Württemberg. Audi hier finden sich keine detaillierten Finanzierungsrechnungen

Der am 13. März 1968 beschlossene niedersächsische Landesentwicklungsplan ermittelt für den Zeitraum von 1970 bis 1979 den notwendigen Aufwand zur Realisierung aller entwicklungsbestimmenden Investitionen, die „sorgsam bemessen und planvoll auf das Wachstum hin ausgerichtet worden sind“. Der Investitionsbedarf beläuft sich auf 48, 749 Mrd. DM, davon Landesmittel 13, 271 Mrd., Bundesmittel 11, 849 Mrd., Kommunal-mittel 7, 791 Mrd. und Mittel Dritter 15, 836 Mrd. DM. Der Landesentwicklungsplan soll als Planungsinstrument der Landesregierung für die Aufstellung von Investitions-und Schwerpunktprogrammen in der mittelfristigen Finanzplanung sowie als Unterlage für die jährlichen Haushaltsberatungen dienen Das Nordrhein-Westfalen-Programm gilt für die Jahre 1971 bis 1975; die zuletzt aufgestellte mittelfristige Finanzplanung für die Jahre 1969 bis 1973. Es ist deshalb vorgesehen, die Finanzplanung mit dem Programm im Einklang zu bringen. Das Nordrhein-Westfalen-Programm umfaßt 31 Mrd. DM Landesmittel und rund 30 % der im Programmzeitraum -zu erwartenden Landesausgaben. Das Programm erfordert daher einen Mehrbedarf in Höhe von 3, 4 % der im Programmzeitraum zu erwartenden Gesamtausgaben des Landes.

Der Finanzbedarf für das bayerische regionale Aktionsprogramm wird von der bayerischen Regierung für 1969 bis 1973 mit 60 Millionen DM Investitionszulagen beziffert, 50, 5 Millionen DM Investitionszuschüsse und 100 Millionen DM für Neuinvestitionen, 7 Millionen DM Zuschüsse und 22 Millionen DM Darlehen* für Rationalisierungs-und Umstellungsinvestitionen, 6 Millionen DM Investitionszulagen und 9 Millionen DM Zuschüsse für Fremdenverkehrsinvestitionen. Für die Industriegeländeerschließung und die damit zusammenhängende Infrastruktur werden 211, 5 Millionen DM Zuschüsse, für die Verbesserung des Wohnund Freizeitwertes des Programmgebietes 52, 5 Millionen DM Zuschüsse benötigt.

XV. Planung von Zielwerten

An die Aufstellung einer Prioritätenskala schließt sich die eigentliche Planung an als der konkrete Entwurf alternativer, den jeweiligen Optionen und ihrer Bewertung entsprechender politischer Aktionsmöglichkeiten. Grundlage für die Formulierung der Aufgaben und Ziele bilden die Ergebnisse der VorausSchätzung von Bevölkerung und Wirtschaft. Darauf aufbauend entscheidet der Politiker, ob vordringlich Sportplätze, Straßen, Wohnungen, Schulen, Altenwohnheime oder Krankenhäuser gebaut werden sollen.

Die exakte Planungsunterlage besteht darin, die Versorgungsgrade an Einrichtungen für ein Ausgangsjahr zu ermitteln. Hierzu ein Beispiel aus Hessen, das in dieser Planung am fortgeschrittensten ist:

Künftig muß verstärkt der wachsenden Spezialisierung in der Medizin Rechnung getragen werden. Das geschieht durch den Bau von besonderen Fachabteilungen, z. B. Herzoperationszentren und Strahlenkliniken, in denen mit modernen und kostspieligen Geräten gearbeitet wird. Die Anhebung des Versorgungsniveaus und die Modernisierung der bestehenden Einrichtungen erfordert bis 1985 hohe Gesamtaufwendungen.

In erster Linie sollen mit diesen Mitteln 9500 Betten in Krankenhäusern für Akutkranke geschaffen werden. Damit bleibt — trotz steigender Einwohnerzahl — die als ausreichend angesehene Versorgungslage von 7 Krankenhausbetten je 1000 Einwohner erhalten. Unabhängig davon soll die Bettenzahl in Sonder-krankenhäusern durch 1800 zusätzliche Sonderkrankenbetten vergrößert werden. Für das Pflegepersonal in den Krankenhäusern für Akutkranke und in den Sonderkrankenhäusern ist der Bau von Schwestern-und Personalwohnheimen mit insgesamt 8800 Plätzen geplant. Darüber hinaus soll durch W neue Gemeindekrankenpflege-Stationen hie Grundversorgung in den Krankenhäusern für Akutkranke entlastet und die Gesundheitsfürsorge der Bevölkerung verstärkt wer-den (z. B. Mütterberatung und Schulkinderfürsorge). Zum System des Großen Hessenplans gehört die Kontrolle darüber, was von den Planungen in den einzelnen Gebietsteilen realisiert und wie es finanziert wurde. Die Ergebnis-rechnung soll hier nachweisen, wie sich die realen Lebens-und Arbeitsverhältnisse der Bevölkerung während des Planungszeitraums verändert haben. So wurde der Große Hessen-plan beispielsweise im ersten Planungsabschnitt 1965 bis 1967 (an seinen Landesmitteln gemessen) zu 87 ’/o erfüllt, trotz der Anlaufschwierigkeiten des Planwerks und der wirtschaftlichen Rezession der Jahre 1966/67. Im einzelnen konnte z. B. die Zahl der Heim-plätze für alte Menschen um rund ein Fünftel vermehrt werden, stieg der „Versorgungsgrad“ von 6, 1 auf 6, 4 planmäßige Betten je 1000 Einwohner in Krankenhäusern für Akut-kranke, können heute zwölf von 1000 schulpflichtigen Kindern Kinderhorte besuchen gegenüber 11 im Jahre 1964. Auch die Zahl der Räume je Volksschulklasse erhöhte sich minimal von 1, 21 auf 1, 35, die Zahl der Schüler je Klasse verminderte sich von 32, 4 auf 31, 4.

Somit wird in der Ergebnisrechnung im einzelnen gezeigt, wie die Lebens-und Arbeitsverhältnisse der Bevölkerung tatsächlich verbessert werden konnten, wenn auch manche Fortschritte — wie etwa bei den Plätzen in Kinderhorten — mehr statischer Natur sind und weit hinter dem dringenden Bedarf Zurückbleiben. Diese Erfolgskontrolle ist in dieser konkreten Form für die Gemeinschaftsaufgaben nur in Hessen zu finden.

Das Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz hat — wenn auch nicht für alle öffentlichen Vorhaben, so doch-für einige Bereiche — ebenfalls versucht, quantitative Versorgungsgrade zu ermitteln.

Der Landesentwicklungsplan Baden-Württemberg ist dagegen kein Investitionsprogramm für Einzelmaßnahmen wie beispielsweise der Hessische Landesentwicklungsplan '80. Er zeigt aber sachliche und zeitliche Schwerpunkte auf, um eine langfristige Investitionsplanung mit Prioriäten aufstellen zu können. Zudem enthält er allgemeine Entwicklungsvorstellungen und Fachplanungen mit einer Konzeption in den allgemeinen Grundlinien bis 1985.

Aufgabe des Hamburger Entwicklungsmodells ist es, die wichtigsten Funktionen des Ordnungsraumes in ihrer strukturellen Beziehung zueinander langfristig zu koordinieren. Zur Verwirklichung dieses Zieles strebt der Senat an, vorrangig die großen standortgünstigen Reserven im Süden Hamburgs für den künftigen Bedarf an Arbeitsstätten-und Wohnbauflächen in Anspruch zu nehmen und sie mit leistungsfähigen Infrastruktureinrichtungen auszustatten.

Das Ziel der Hamburger Planer ist es, eine Großregion zu schaffen und die Verbindung einzelner Schwerpunkte rund um die Stadt zu einem gewaltigen attraktiven Mittelpunkt wirtschaftlichen Fortschritts zu forcieren. Als Region wird das Hamburger Stadtgebiet und die Landkreise Stormarn, Pinneberg, Sege. berg, Lauenburg in Schleswig-Holstein sowie Harburg, Lüneburg und Stade (Niedersachsen) verstanden. Fast die Hälfte des schleswig-holsteinischen Industrieumsatzes wird nämlich in Betrieben erzielt, die unmittelbar vor den Toren des Stadtstaates Hamburg liegen, denn viele Hamburger Industriebetriebe haben sich in das Agrarland Schleswig-Holstein zurückgezogen. Die Hamburger Planer sehen zudem an der Elbmündung bei Neu-werk ein gewaltiges Industriezentrum für Stahl-, Ol-, Chemie-, Aluminium-und Kupfer-fabriken vor, an dessen Wasserseite Superfrachtschiffe anlegen können. Die Erschließung des 1250 Hektar großen Geländes soll den Stadtstaat nach heutiger Kaufkraft allein 420 Millionen DM kosten.

Das Nordrhein-Westfalen-Programm 1975 ist ein mittelfristiger Investitionsplan mit einer Schätzung des Finanzierungsvolumens. Nadi Ansicht der Landesregierung soll die mit öffentlichen Mitteln geförderte Betriebsansiedlung und -erweiterung unter Beachtung der Ziele von Raumordnung und Landesplanung an oder in der Nähe von Entwicklungsschwerpunkten nach dem Landesentwicklungsplan II erfolgen. Da die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur seit Januar 1970 eine Gemeinschaftsaufgabe des Bundes und der Länder ist, will die Landesregierung versuchen, über die bereits als Bundesförderungsgebiete qualifizierten Kreise hinaus landeseigene regionale Aktionsräume mit Förderungsschwerpunkten zu bilden, um diese in den der Gemeinschaftsaufgabe zugrunde zu legenden fünfjährigen Rahmenplan einzubringen.

Audi in Nordrhein-Westfalen ist mit einer exakten statistischen Plangrundlage begonnen worden. Am Jahresende 1970 sollte es in Nordrhein-Westfalen z. B. rund 5000 Tages-einrichtungen für Kinder (Kindergärten, Kindertagesstätten, Kinderhorte, Krippen und Krabbelstuben) mit rund 350 000 Plätzen geben. Von 100 Kindern im Alter von 3 bis 6 Jahren können etwa 42 Tageseinrichtungen besuchen. Ähnlich wie in Hessen gibt es auch in Nordrhein-Westfalen besondere Entwicklungspläne für spezielle Teilbereiche von Gemeinschaftsaufgaben, wie z. B. auf dem Bildungssektor und dem Gebiet des Hochschulwesens Es fehlen jedoch noch weitgehend systematisch durchgerechnete Finanzierungs, anforderungen, die angeben, was die einzelnen Projekte insgesamt kosten werden und wie die Landesregierung diese Mittel aufbringen wird.

Der Landesentwicklungsplan Niedersachsen soll „die Forderung auf Verbesserung der Infrastruktur in Niedersachsen durch Vergleiche mit anderen Ländern oder mit dem Bundesgebiet erhärten". Wo die im Landesentwick-•lungsplan vorgesehenen Maßnahmen den Möglichkeiten und Erfordernissen des Raumes entsprechend anzusetzen sind, ergibt sich aus dem Landesraumordnungsprogramm, das im März 1969 wirksam geworden ist. Welche Maßnahmen im einzelnen jedoch durchgeführt werden sollen, zeigen die Einzelabschnitte des Landesentwicklungsplans. Ebenso wie in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz versucht auch Niedersachsen nach dem hessischen Vorbild eine Quantifizierung der Versorgungsgrade.

Somit zeigen sich also erhebliche raumpolitische Unterschiede in den Infrastrukturausstattungen der einzelnen Bundesländer. Auch die Anstrengungen und Prioritäten der Landes-regierungen sind noch recht unterschiedlich. Daraus ergeben sich verschieden große Zukunftschancen der betreffenden Landesteile. Die Konsequenzen daraus hat bereits 1965 die Prognos AG extrapoliert, obwohl sich durch inzwischen eingeleitete Initiativen (z. B.der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung) bereits Abweichungen vor dieser Prognose zeigen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Stellungnahme der Bundesregierung zum Jahresgutachten 1966/67 des Sachverständigenrates Vom 23. Januar 1967.

  2. Karl Schiller, Die Strukturpolitik der Bundesregierung. Grundsätze der sektoralen und regionalen Strukturpolitik, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, 24. Januar 1968.

  3. Strukturbericht 1970 der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache VI/761 vom 8. Mai 1970.

  4. Grundsätze der sektoralen und regionalen Strukturpolitik, Bundestagsdrucksache V/2469; Bundesratsdrucksache 507/70.

  5. Bericht zur Bildungspolitik, Bundestagsdrucksadie VI/925 vom 8. Juni 1970.

  6. Raumordnung in der Bundesrepublik Deutsch-rand, Informationen zur politischen Bildung, Folge 128/1968, hrsg. von der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn.

  7. Bundestagsdrucksache VI/1298 vom 28. Oktober 1970.

  8. Beitrag des Verkehrsausschusses der Minister-konferenz für Raumordnung zu den im 1. und 2. Abschnitt „des Berichts der Sachverständigen-kommission nach dem Gesetz über eine Unterscheidung von Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse der Gemeinden“ angesprochenen Fragen der Raumordnung. Bundestags-drucksache VI/1340, S. 147 ff.

  9. Verkehrsbericht 1970 der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache VI/1350 vom 4. November 1970.

  10. Entwurf eines Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985, Bundestagsdrucksache V 1/1180 vom 22. September 1970.

  11. Ein Programm für Bayern, II, hrsg. von der Bayerischen Staatsregierung, München 29. Juli 1970.

  12. Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz, hrsg. von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz —• Oberste Landesplanungsbehörde, Mainz, Mai 1968. Raumordnungsbericht 1969 der Landesregierung Rheinland-Pfalz, hrsg. von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz — Oberste Landesplanungsbehörde —, Mainz, Dezember 1969.

  13. Gemeinsames Ministerialblatt 1968, Nr. 6, S. 58.

  14. Bundesanzeiger 1968, Nr. 234.

  15. Großer Hessenplan. Landesentwicklungsplan, nrsg. vom Hessischen Ministerpräsidenten, Wies-baden 1970.

  16. Entwurf des Landesentwicklungsplans Baden-Württemberg, hrsg. vom Innenministerium Baden-Württemberg, Stuttgart 1968. — Anlagen (Karten, Diagramme, Tabellen) zum Entwurf des Landesentwicklungsplans Baden-Württemberg, Stuttgart 1968. — Anlage zu Nr. VII 6002/442 zum Entwurf des Landesentwicklungsplans Baden-Württemberg, Oktober 1970.

  17. Ein Programm für Bayern, II, 22. Juli 1970.

  18. Landesraumordnungsprogramm Niedersachsen, hrsg. vom Niedersächsischen Minister des Innern, Hannover, März 1969. — Entwicklungsplan des Landes Niedersachsen für die Jahre 1970 bis 1979, hrsg. vom Niedersächsischen Ministerpräsidenten, Hannover, Juni 1969, Bd. I (Textteil), Bd. II (Tabellenteil).

  19. Entwicklungsmodell für Hamburg und sein Umland, hrsg. von der Staatlichen Pressestelle, Hamburg 1969.

  20. Nordrhein-Westfalen-Programm 1975 der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1970.

  21. Entwurf eines zweiten Wohngeldgesetzes, Bundestagsdrucksache VI/1116 vom 26. August 1970.

  22. Städtebaubericht 1970 der Bundesregierung, sundestagsdrucksache VI/1497 vom 1. Dezember 19f 0,

  23. Vgl. Entschließung der Ministerkonferenz für Raumordnung über die Berücksichtigung raumordnerischer Gesichtspunkte beim kommunalen Finanzausgleich. Bundestagsdrucksache VI/1340, S. 145 ff. '

  24. Arbeitsförderungsgesetz vom 25. Juni 1969, BGBl I, 1969, S. 58

  25. Berufsbildungsgesetz vom 14. August 1969, “ GBl I, S. 1112,

  26. Arnd Morkel, Die Reform des Kabinetts, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament“, B 43/70.

  27. BVerfG Entscheidungen, Bd. 13, S. 230 ff.

  28. 22. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 12. Mai 1969. BGBl I, S. 363.

  29. Gesundheitsbericht der Bundesregierung.

  30. Finanzplan des Bundes 1970 bis 1974, Bunden tagsdrucksache VI/1101 vom 13. September 19

  31. Zum Aufbau eines integrierten Aufgabenplanungssystems und Koordinierungssystems der Bundesregierung, in: Bulletin des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, 16. Juli 1970.

  32. Großer Hessenplan. Ein neuer Weg in die Zukunft, hrsg. vom Hessischen Ministerpräsidenten, Wiesbaden 1965.

  33. Entwicklungsprogramm Ruhr 1968— 1973, hrsg. von der Landesregierung Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1968.

  34. Landesentwicklungsprogramm Rheinland-Pfalz, hrsg. von der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz — j berste Landesplanungsbehörde —, Mainz, Mai 1968. Raumordnungsbericht 1969 der Landesregierung Rheinland-Pfalz, hrsg. von der Staatskanzlei Eheinland-Pfalz — Oberste Landesplanungsbehörde —, Mainz, Dezember 1969.

  35. Der Volkswirt, 26. März 1970; vgl. S. 16.

  36. Bundestagsdrucksache VI/1800 vom 12. Februar 1971.

  37. Raumordnungsbericht 1970 der Bundesregie rung, Bundestagsdrucksache VI/1340 vom 4. Mo vember 1970, S. 29. ,

  38. Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft. BGBl I, 1967, S. 582.

  39. Investitionsprogramm des Bundes 1970 W 1974. Bundestagsdrucksache VI/1698 vom 15 nuar 1971.

  40. Zweites Konjunkturprogramm der Bundesregie-Ä Bundestagsdrucksache V/3630.

  41. Vgl. s Sta tg rs ud kru tuck rs ba ec rh ie cht 1970 der Bundesregierung, VI/761 vom 8 Mai 1970.

  42. Wirtschaftswoche vom 22. 1. 1971, S. 34 f.

  43. Jahreswirtschaftsbericht 1971 der Bundesregie™ag, Bundestagsdrudesache VI/1760 vom 22. Ja-nuar 1971.

  44. BGBl I 1969, S. 1861— 63.

  45. Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Förde-

  46. »GBl 1 1968, S. 1461.

  47. ERP-Kredite für die deutsche Wirtschaft 1970, hrsg. vom Referat Presse und Information des Bundeswirtschaftsministeriums, Bonn.

  48. Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sonderve nögens für das Jahr 1971 — ERP-Wirtschaftsplangesetz 1971 — BT-Drucksache VI/1810 vom 5. Februar 1971.

  49. Bundesminister für Bildung und Wissenschaft IV A 4- 5901- 38/7011 vom 8. Oktober 1970 sowie IV A -IV A 4-PJ/Ma- 5901- 52/70 vom 25. November 1970. Vgl. Richtlinien über die Gewährung von Zuschüssen aus Mitteln des Bundeshaushder zur Förderung und Anwendung der EDV in gewerblichen Wirtschaft der Bundesrepu Deutschland, Bundesminister für Wirtsci 1 IV A 6- 4071 50/21 vom 23. Juli 1970.

  50. Der Große Hessenplan. Durchführungsabschnitt für die Jahre 1968 bis 1970, hrsg. vom Hessischen Ministerpräsidenten, Wiesbaden 1968. Der Große Hessenplan, Ergebnisabrechnung für die Jahre 1965 bis 1967, hrsg. vom Hessischen Ministerpräsidenten, Wiesbaden 1968.

  51. Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregie1969'

  52. Raumordnungsbericht 1970 der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache VI/1340 vom 4. November 1970.

  53. Raumordnungsbericht 1968 der Bundesregierung, Bundestagsdrucksache V/3958 vom 12. März 1969.

  54. Raumordnungsbericht 1970 der Bundesregie rung, Bundestagsdrucksache VI/1340 vom 4. Mo vember 1970.

  55. Peter Schnur, Modellrechnung zum Ersatzbedarf Mi dem Arbeitsmarkt nach Wirtschaftszweigen — d Rlungen des Instituts für Arbeitsmarkt und ursforschung Nr. 10 —, Erlangen 1969.

  56. Die Bundesrepublik Deutschland 1980. Die Entwicklung von Wirtschaft und Bevölkerung in der Bundesrepublik und den Bundesländern 1950 bis 1980, hrsg. von der Prognos AG (= prognos report 1), Basel, Dezember 1965.

  57. Sozialbericht 1970 der Bundesregierung. Bun-

  58. Finanzbericht 1970 der Bundesregierung, hrsg vom Bundesministerium der Finanzen, Bonn 197

  59. Vgl. Damit wir morgen leben können, hrsg vom Innenministerium Baden-Württemberg, Stu gart 1969.

  60. Vgl. Wirtschaftliche Entwicklungsmöglichkeg, des Landes Niedersachsen bis zum Jahre hrsg. von der Prognos AG, Basel, September 1

  61. Schulentwicklungsplan I, hrsg. vom Hessischen Kultusminister, Wiesbaden 1970.

  62. Planungsbeirat des Kultusministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen für die Entwicklung des Hochschulwesens. Empfehlungen I. Die Entwicklung der akademischen Ausbildung aus den wissenschaftlichen Hochschulen NRW bis 1975, Düsseldorf 1968.

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Rainer W a t er k amp , Diplom-Politologe, geb. am 31. Oktober 1935 in Branden-burg/Havel, 1966 Studienleiter des Europahauses Berlin, 1967— 1969 Referent beim Hessischen Ministerpräsidenten in Wiesbaden, seit Oktober 1969 im Bonner Verbindungsbüro der IBM Deutschland. Veröffentlichungen: Atomare Abrüstung. Geschichte, Begriffe, Probleme, Berlin 1965; Die Entwicklungsländer und die Friedenssicherung, Reihe Friedensprobleme der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung, Heft 4, Hannover 1967; Europa zwischen Tradition und Fortschritt, Schriftenreihe der Bundeszentrale für politische Bildung, Heft 80, Bonn 1969; Zukunftsreport 2000, Hannover 1969; Futurologie und Zukunftsplanung, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1970; Konfliktforschung und Friedensplanung, Stuttgart, Berlin, Köln, Mainz 1971; Das Zeitalter der Computer, Schriftenreihe der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, Nr. 10, Wiesbaden 1971.