I. Die Fragestellung
In den Darstellungen der Geschichte des Dritten Reichs nimmt die Wirtschaftspolitik der nationalsozialistischen Regierung einen herausragenden Platz ein. Wirtschaftspolitische Argumente ebneten den Nationalsozialisten vor 1933 in einer tiefen wirtschaftlichen Depression — von allen europäischen Industriestaaten wurde Deutschland weitaus am schwersten von der Weltwirtschaftskrise betroffen
Das große Interesse der Geschichtsforschung an dieser Wirtschaftspolitik bezeugt eine Reihe von Untersuchungen, die entweder ausschließlich oder doch in wichtigen Kapiteln wirtschaftspolitische Maßnahmen des „Führerstaates" behandeln. Im Mittelpunkt dieser Arbeiten stehen jedoch meist die unmittelbaren Eingriffe des Staates in den Wirtschaftsprozeß, Z. B. Maßnahmen der Arbeitsbeschaffung, de-ren Finanzierung mit Hilfe von Mefo-Wechseln und „Arbeitsschatzwechseln", Steuererleichterungen und Subventionen, die mannigfaltigen Versuche, den Mangel an Rohstoffen durch Substitution oder durch Bewirtschaftung zu mildern, und schließlich die Rüstungsanstrengungen während des Krieges
Ganz in den Hintergrund tritt in der ohnehin spärlichen Literatur über die institutionelle Ausgestaltung der nationalsozialistischen Wirtschaft die Frage nach dem Schicksal der Wirtschaftsverfassung Deutschlands zwischen 1933 und 1945. Dieses Problem wird allenfalls mit einigen Bemerkungen gestreift, etwa mit dem Hinweis, während des Krieges hätten die Nationalsozialisten ihre „Wirtschaftslenkung" zu einer „Zwangs-" oder „Kommandowirtschaft" ausgeweitet
II. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands zur Zeit der Machtübernahme
INHALT I. Die Fragestellung II. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands zur Zeit der Machtübernahme III. Die ordnungspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten IV. Wirtschaftspolitische Experimente im Rahmen einer Marktwirtschaft 1. Die Phase der punktuellen staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß (1933— 1936)
2. Die Ausdehnung des staatlichen Interventionismus auf alle Wirtschaftszweige (1936— 1939)
V. Zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses während des Krieges
1. Zen蓰ٖ?
INHALT I. Die Fragestellung II. Die Wirtschaftsverfassung Deutschlands zur Zeit der Machtübernahme III. Die ordnungspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten IV. Wirtschaftspolitische Experimente im Rahmen einer Marktwirtschaft 1. Die Phase der punktuellen staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß (1933— 1936)
2. Die Ausdehnung des staatlichen Interventionismus auf alle Wirtschaftszweige (1936— 1939)
V. Zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses während des Krieges
1. Zen蓰ٖ?
Einer Untersuchung der Auswirkungen der nationalsozialistischen Wirtschaftspolitik auf die Wirtschaftsverfassung Deutschlands geht die Frage nach der Beschaffenheit der Wirtschaftsordnung voraus, welche die Nationalsozialisten vorfanden und übernahmen, als sie im Januar 1933 zur Macht gelangten.
Die Wirtschaftsverfassung des Deutschen Reiches im Jahre 1932 läßt sich einwandfrei als Marktwirtschaft klassifizieren. Der Wirtschaftskreislauf beruhte nicht auf dem zentralen Plan eines staatlichen Planamtes, sondern kam durch die Planentscheidungen der Behörden des Reiches, der Länder und der Gemeinden, der öffentlichen und der privaten Unternehmungen sowie der öffentlichen und der privaten Haushalte zustande. Diese zahlreichien dezentralen Planentscheidungen wurden mit Hilfe von Marktpreisen zu einem volkswirtschaftlichen Gesamtplan koordiniert.
Dieses System der Marktwirtschaft war in der Verfassung der Weimarer Republik verankert, die im 5. Abschnitt ihres 2. Hauptteils unter dem Titel „Das Wirtschaftsleben“ mehrere Bestimmungen enthielt, die der Einführung eines Systems staatlicher Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses entgegenstan-den. Dazu zählten der Artikel 152: „Im Wirtschaftsverkehr gilt Vertragsfreiheit nach Maßgabe der Gesetze“, der Artikel 153 über den verfassungsmäßigen Schutz des Privateigentums, Artikel 159: „Die Vereinigungsfreiheit zur Wahrung und Förderung der Arbeits-und Wirtschaftsbedingungen ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet", und vor allem Artikel 165: „Die Arbeiter und Angestellten sind dazu berufen, gleichberechtigt in Gemeinschaft mit den Unternehmern an der Regelung der Lohn-und Arbeitsbedingungen sowie an der gesamten wirtschaftlichen Entwicklung der produktiven Kräfte mitzuwirken"
Als die Nationalversammlung in Weimar mit der Reichsverfassung von 1919 eine ordnungspolitische Entscheidung zugunsten des Systems dezentraler Planung und Lenkung des Wirtschaftsgeschehens traf, wünschte sie freilich nicht irgendeine Form der Marktwirtschaft, sondern sie beabsichtigte, dieses Wirtschaftssystem sozial auszugestalten und eine asoziale Entartung des „Kapitalismus" zu verhindern. Im Artikel 151 der Reichsverfassung, der den Abschnitt über das Wirtschaftsleben einleitet, bestimmte sie unmißverständlich: »Die Ordnung des Wirtschaftslebens muß den Grundsätzen der Gerechtigkeit mit dem Ziele der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle entsprechen. In diesen Grenzen ist die wirtschaftliche Freiheit des einzelnen zu sichern." Der Schutz des Privateigentums in Artikel 153 wurde mit einer Bedingung verknüpft: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich Dienst sein für das Gemeine Beste."
Die Gestalt des marktwirtschaftlichen Systems, das in Deutschland um 1932 verwirklicht war, entsprach jedoch nicht mehr den ordnungspolitischen Zielsetzungen des Jahres 1919. Die spezifische Ausprägung der Wirtschaftsverfassung der Weimarer Republik in dieser Zeit offenbarten vor allem die realisierten Markt-formen. Eine starke Konzentration von Unternehmungen in der Industrie und im Bereich des Bankwesens und weitreichende Kartell-verflechtungen in verschiedenen Wirtschaftszweigen hatten vielen Unternehmern auf den Absatz-und Einkaufsmärkten massive Macht-stellungen verschafft, die in ihrem Wirkungsgrad bis zum Angebots-oder Nachfragemonopol reichten
Diese Machtpositionen ermöglichten den Unternehmern nicht allein die Durchsetzung ihrer Preisforderungen und ihrer Geschäftsbedingungen, sie erlaubten ihnen obendrein, durch entsprechenden Druck auf lokale, regionale und nationale Behörden bestimmte wirtschaftliche und politische Zugeständnisse zu erhalten und somit nicht allein den wirtschaftlichen, sondern auch den politischen Freiheitsbereich anderer Staatsbürger einzuschränken
Zwar versuchte die Regierung Stresemann im November 1923 die Ballung wirtschaftlicher Macht einzudämmen, als sie eine „Verordnung gegen den Mißbrauch wirtschaftlicher Machtstellungen" erließ
Schränkung der Angebotsmenge abzielten. Alle Kartelle wurden jedoch einer staatlichen Aufsicht unterworfen, und die Kartellaufsichtsbehörde hatte das Recht, im Falle des „Mißbrauches" einer Kartellabsprache die Auflösung des Vertrags anzuordnen oder den Kartellmitgliedern die Kündigung der Übereinkunft zu gestatten. Doch erwies sich die „Kartellverordnung" im Kampf gegen die Konzentration der Marktmacht und die Verdrängung des Wettbewerbs als stumpfe Waffe. Die Beamten der Aufsichtsbehörde standen nämlich vor der schwierigen Aufgabe, einem Unternehmer, der des Mißbrauchs eines Kartellver-trags beschuldigt worden war, „eine Gefährdung der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls" lückenlos nachzuweisen
Mit dieser ordnungspolitischen Entscheidung zugunsten des „Mißbrauchsprinzips" anstelle des „Verbotsprinzips" waren die Weichen für einen umfangreichen Konzentrations-und Kartellierungsprozeß in der deutschen Wirtschaft gestellt. Unter anderem wurden 1925 der deutsche Chemietrust, die IG-Farbenindustrie, und 1926 der deutsche Stahltrust, die Vereinigten Stahlwerke, gegründet — zwei Konzerne, die bis zu ihrer erzwungenen Entflechtung nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine dominierende Stellung in der deutschen, später sogar in der europäischen Wirtschaft einnahmen
Die Reichsregierung versuchte außerdem nach der Bankenkrise vom Juli 1931, die Geld-und Kreditwirtschaft durch den Zusammenschluß der in finanzielle Bedrängnis geratenen Unternehmen zu sanieren
Unter dem Druck der Weltwirtschaftskrise sah sich die Regierung Brüning zwar gezwungen, gegen die Preispolitik der Kartelle vorzugehen, doch bedeutete ihre erste Verordnung zur Kartellfrage vom 26. Juni 1930 dem Inhalt nach nur eine Wiederholung des Gesetzes aus dem Jahre 1923
Die Ordnung der Arbeitsplätze sollte nach den Grundsätzen der Weimarer Verfassung durch die Übereinkünfte der beiden Sozialpartner, der Verbände der Arbeitgeber und der Organisationen der Arbeitnehmer, gewährleistet werden. Nur in Ausnahmefällen, nach dem Scheitern der Verhandlungen der Sozialpartner, sollte der Staat als neutrale Instanz in Gestalt einer Schlichtungsstelle vermittelnd eingreifen 24). Bald aber beteiligten sich die amtlichen Schlichter selbst am Zustandekommen der Tarifverträge, zumal Arbeitgeber wie Gewerkschaften gerade bei schwierigen und grundlegenden Verhandlungen geneigt waren, die Verantwortung an die staatlichen Stellen abzutreten 25). Mit dieser Entwicklung wurde die Entscheidung „gerade in den schwierigen, kritischen und wichtigen Fällen den Verhandlungspartnern und dem freien Spiel der Kräfte entzogen und zum Bestandteil der staatlichen Wirtschaftspolitik erhoben" 26).
Das in Deutschland realisierte Geldsystem war seit der Stabilisierung der Währung im Jahre 1924 durch die Bindung des Geldvolumens an den Goldbestand der deutschen Reichsbank gekennzeichnet. Eine Goldumlaufswährung, wie sie vor 1914 bestanden hatte, wurde freilich nicht mehr eingeführt, aber immerhin bestand eine Goldkernwährung, denn die Reichsbank war verpflichtet, jedem Staatsbürger zu jeder Zeit auf Wunsch die von ihr ausgegebenen, auf „Reichsmark" lautenden Banknoten in Gold oder in Devisen von Goldwährungsländern umzutauschen. Diese Verpflichtung er-losch im August 1931, als anläßlich der Bankenkrise die Devisenzwangswirtschaft eingeführt wurde. Obwohl die Goldwährung formal weiterbestand, war jedoch der bisherige Maß-stab für die Geldschöpfung, der Goldvorrat der Reichsbank, weggefallen, und die Entscheidung über die im Hinblick auf das Güterangebot volkswirtschaftlich sinnvolle Geldmenge hing nunmehr allein vom Ermessen des Direktoriums der Reichsbank ab
III. Die ordnungspolitischen Vorstellungen der Nationalsozialisten
An diese Skizze der Wirtschaftsverfassung Deutschlands im Jahre 1932 schließt sich die Frage an, ob die Nationalsozialisten beim Antritt ihrer Herrschaft irgendwelche ordnungspolitischen Zielsetzungen und Vorstellungen hatten, ob sie z. B. beabsichtigten, die von ihnen vorgefundene Wirtschaftsordnung durch wirtschaftspolitische Maßnahmen umzuwandeln oder sie in einer bestimmten Weise auszugestalten. Obwohl der führende Mann der Partei, Adolf Hitler, wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Probleme gering achtete
Nun waren Feders Wirtschaftslehren schon zu Beginn der dreißiger Jahre aus den offiziellen Verlautbarungen der NSDAP verschwunden, obwohl sie nicht widerrufen oder berichtigt worden waren. Das nationalsozialistische Programm der Arbeitsbeschaffung, mit dessen demagogischer Propagierung die Partei den überwältigenden Wahlerfolg vom 31. Juli 1932 erzielte und mit 230 Sitzen zur stärks
Wirtschaftspolitische Instrumente, die auf eine Änderung der Wirtschaftsordnung abzielen, sucht man in diesem Programm vergeblich. Diese Feststellung ist erstaunlich, wenn man erwägt, daß in Deutschland seit dem Ausbruch der Weltwirtschaftskrise über die Zukunft des kapitalistischen Wirtschaftssystems heftig diskutiert wurde und daß sich 1932 eine antikapitalistische Bewegung von der marxistischen Linken bis hin zur bürgerlichen Rechten erstreckte, die mit konkreten Projekten einer „Planwirtschaft" die Ablösung des angeblich planlosen marktwirtschaftlichen Systems forderte 31).
Schon die Bezeichnung „Wirtschaftliches Sofortprogramm" weist indessen auf die Empfehlung unmittelbarer, rasch wirkender Ein-griffe in den Wirtschaftsprozeß im Rahmen einer gegebenen Wirtschaftsverfassung hin. Selbst wenn man strengste Maßstäbe der Beurteilung anlegt, wird man Strassers Programm nicht als „antikapitalistisch" bewerten können. Die Institution der Märkte tastet Strasser in seinen Reformvorschlägen nicht an, lediglich beim Mißbrauch von Marktmacht solle sich eine staatliche Preiskontrolle einschalten. Die Devisenbewirtschaftung, die er erheblich ausweiten möchte, war bereits 1931 eingeführt worden. Eine Veränderung der Eigentumsformen zugunsten des genossenschaftlichen Eigentums oder gar eine Verstaatlichung der Industrie wird in diesem Programm nicht erwogen
IV. Wirtschaftspolitische Experimente im Rahmen einer Marktwirtschaft
1. Die Phase der punktuellen staatlichen Eingriffe in den Wirtschaftsprozeß (1933— 1936)
Tatsächlich erfolgte nach der Machtübernahme keine radikale Umgestaltung der Wirtschaftsordnung, wie sie z. B. nach der Oktoberrevolution in Rußland durchgeführt worden war. Vielmehr behielt die nationalsozialistische Regierung das Prinzip dezentraler Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges bei. Freilich wies das System der Marktwirtschaft, das in Deutschland 1936 verwirklicht war, bereits wesentlich andere Züge auf als im Jahre 1932. Ohne ordnungspolitisches Konzept weiteten die Nationalsozialisten die Eingriffe des Staates in die Planautonomie der Staatsbürger immer weiter aus, punktuell in einzelnen Wirtschaftszweigen, je nach Bedarf und in unterschiedlicher Intensität.
Bis zum Oktober 1936, bis zur Verkündung des zweiten Vierjahresplans, zeigte die Regierung nur geringes Interesse an einer staatlichen Beeinflussung der Preise in Industrie, Handel und Gewerbe. Zwar hatte sie einen Preiskommissar ernannt, doch dessen Aufgabe war nicht die Festsetzung von staatlichen Mindest-, Höchst-oder Festpreisen, sondern die Überwachung von Marktpreisen mit der Möglichkeit des staatlichen Eingriffs „in ungesunde Preisverhältnisse"
Eine ständige Überwachung der Preisbildung erwies sich jedoch schon deshalb als notwendig, weil die Nationalsozialisten Kartellabsprachen auf verschiedenen Märkten bewußt förderten
Ebensowenig wie der Preiskommissar bedeutete die „Neuorganisation der Wirtschaft", die zwischen 1933 und 1936 erfolgte, eine Abkehr von marktwirtschaftlichen Prinzipien; sie verlagerte lediglich bestimmte Planentscheidungen von den einzelnen Unternehmern auf den zugehörigen Verband oder die zuständige Fachgruppe
Reichswirtschaftskammer geschaffen. Dieser Kammer unterstanden in fachlicher Gliederung sechs Reichsgruppen, „Industrie, Handel, Handwerk, Energiewirtschaft, Banken und Versicherungen", die selbst wiederum in Wirtschafts-, Fach-und Unterfachgruppen untergliedert waren. Hinzu trat eine regionale Gliederung: In jedem Wirtschaftsbezirk wurde eine Bezirkswirtschaftskammer eingerichtet, welche die Industrie-und Handelskammern, die Handwerkskammern und die Bezirksgruppen der Reichs-und Wirtschaftsgruppen vereinigte. Grundlage dieser Organisation waren die Zwangsmitgliedschaft und die Ausschließlichkeit ihrer Verbände
Die Vollmachten des Reichswirtschaftsministers nach dem „Wirtschaftsaufbaugesetz" und der Apparat der Zwangsverbände könnten den Eindruck erwecken, als sei bereits in dieser Phase der nationalsozialistischen Herrschaft die Unternehmerschaft von der Partei-diktatur entmachtet worden, die damit den Grundstein für eine staatliche Planung des Wirtschaftsprozesses gelegt habe. Die Praxis der „Neuorganisation" der deutschen Wirtschaft sah freilich anders aus. Hjalmar Schacht, der als Reichsbankpräsident und ab 1934 auch als Reichswirtschaftsminister in dieser Epoche des Dritten Reiches die Schalthebel der Wirtschaftspolitik bediente, verstand es als entschiedener Vertreter des freien Unternehmertums, die meisten der neugeschaffenen Verbände unter die Kontrolle einflußreicher Industrieller zu bringen
In drei Bereichen der Wirtschaft und innerhalb einer Bevölkerungsgruppe wurde allerdings schon zwischen 1933 und 1936 die wirtschaftliche Entscheidungsfreiheit zugunsten einer staatlichen Bevormundung aufgehoben. Der Änlaß für die früh einsetzende vollständige Kontrolle des Außenhandels durch die nationalsozialistische Regierung war das erhebliche Defizit in der Handelsbilanz, das sich schon Anfang 1934 abzeichnete
mit „den Verkehr industriellen Rohstoffen und Halbfabrikaten, insbesondere deren Beschaffung, Verteilung, Lagerung, Absatz Verbrauch zu überwachen und zu regeln", 2. „zu diesem Zweck besondere überwachungsstellen für bestimmte Warenarten (zu) errichten"
Der zweite Wirtschaftsbereich, den sich der nationalsozialistische Staat bald nach der Machtübernahme völlig unterwarf, war die Landwirtschaft. Das Interesse, das die Nationalsozialisten an einer raschen Umwandlung der Agrarverfassung zeigten, entsprang dabei überwiegend außerwirtschaftlichen Zielsetzungen. Nach ihrer Auffassung hatte der Bauern-stand Pflicht, „die hohe durch einen zahlreichen, gesunden Nachwuchs für den dauernden Bestand des Volkes sorgen. ist er zu Zugleich der Verwalter des vaterländischen Bodens. Er soll diesen nicht im Streben nach dem größtmöglichen Gewinn bewirtschaften, sondern im Dienste an der Gesamtheit, um dem deutschen Volke die Nahrungsfreiheit zu erringen, welche eine wesentliche Voraussetzung der politischen Freiheit ist."
Alle diese Eingriffe des Staates in den Bereich der Landwirtschaft übertraf indessen das „Reichserbhofgesetz" vom 29. September 1933, das mit einem Schlag die Verfügungsfreiheit des landwirtschaftlichen Eigentümers über sein Privateigentum aufhob
Noch rascher als bei dem Außenhandel und der Landwirtschaft bemächtigte sich die nationalsozialistische Regierung des Arbeitsmarktes.
Zwar hatte schon die Regierung Brüning die kollektiven Lohnvereinbarungen weitgehend durch den in ihren Notverordnungen enthaltenen „Lohnabbau" ersetzt
und beseitigten bereits am 24. Juni als letzte der „Richtungsgewerkschaften" der Weimarer Republik die „Christlichen Gewerkschaften"
Arbeitnehmer und Arbeitgeber fanden sich gemeinsam in der „Deutschen Arbeitsfront (DAF)" wieder, einer Organisation der NSDAP, die auch die Mitglieder der intellektuellen Berufe umfaßte. Die Aufgabe, Löhne und Arbeitsbedingungen zu regeln, oblag der Arbeitsfront und den „Treuhändern der Arbeit"; diese Treuhänder — für jeden der 14 Gaue der Partei wurde einer ernannt — unterstanden dem Reichswirtschaftsministerium und empfingen von dorther ihre Weisungen
Auf der Ebene der Betriebe wurde durch das „Gesetz zur Ordnung der nationalen Arbeit vom 20. Januar 1934" das „Führerprinzip" und die Idee der „Betriebsgemeinschaft" — eine propagandistisch geschickt gewählte Bezeichnung
Die nation Isozialistische Regierung unterwarf sich im ersten Abschnitt ihrer Herrschaft jedoch nicht allein bestimmte Bereiche der Wirtschaft, sondern auch eine Bevölkerungsgruppe. Gleich nach der Machtübernahme, mit den berüchtigten Boykotten im März und im April 1933, begann der Angriff auf die wirtschaftliche Substanz des deutschen Judentums. Gerade in der Zeit der „schleichenden Judenverfolgung", die 1938 endete und dann offenem Terror wich, erfolgten zahlreiche legale und halblegale Akte der Behörden, die einzig und allein darauf abzielten, den Juden die Verfügungsfreiheit über ihr Privateigentum zu ent-reißen und ihnen das Recht auf freie Beteiligung am wirtschaftlichen Tauschverkehr zu rauben
Erst im Oktober 1936 dehnte die nationalsozialistische Regierung mit der Verkündung des 2. Vierjahresplans und der Ernennung eines neuen Preiskommissars das System der Kontrollen und der Eingriffe auch auf Industrie, Handel und Gewerbe aus.
Der unmittelbare Anlaß zur Durchführung dieses Vierjahresplans bildete die Rohstoff-und Devisenkrise, in die Deutschland trotz anfänglicher Erfolge des „Neuen Plans" im Frühjahr 1936 geraten war. Verminderte Deviseneinnahmen drosselten die Einfuhren wichtiger Rohstoffe und bedrohten das Rüstungsprogramm
Gleichzeitig mit der Verkündung des Vierjahresplans am 29. Oktober 1936 wurde durch Reichsgesetz ein neuer Preiskommissar ernannt, dessen Aufgabe nun nicht mehr länger die Preisüberwachung, sondern die Bestimmung der Preise, die Preisbildung, darstellte
Für die Zukunft war sogar noch eine Verschärfung des Preis-und Lohnauftriebs zu befürch-ten, da die Staatsführung weder bereit war, die Rüstung zu begrenzen und statt dessen die Produktion von Konsumgütern zu fördern, noch daran dachte, die Finanzierung des Rüstungsprogramms vorwiegend durch Steuern statt durch eine Vermehrung der Geldmenge vorzunehmen
Nicht nur in ihrer Preispolitik, auch bei der Durchführung des Vierjahresplans zeigten die Nationalsozialisten großes Interesse an der Mitwirkung der Unternehmer, denen sie einflußreiche Positionen in den Planbehörden einräumten
Die Ausdehnung der staatlichen Interventionen auf alle Bereiche der Wirtschaft wurde durch eine Änderung der Währungsordnung abgerundet. Durch das Gesetz vom 10. Februar 1937 wurde das Reichsbankdirektorium dem „Führer und Reichskanzler" unmittelbar unterstellt und die Reichsbank ihrer bisherigen von der Regierung unabhängigen Position beraubt. Am 15. Juni 1939, nachdem Schacht, der sich einer uferlosen Vermehrung der Geldmenge widersetzt hatte
Da aber trotz des zunehmenden Interventionismus auch nach 1936 das Wirtschaftssystem der Marktwirtschaft fortbestand, waren weder der Preisstopp noch die von den Behörden und Wirtschaftsgruppen ermittelten Kostenpreise imstande, den Nachfrageüberhang bei vielen Gütern zu beseitigen
V. Zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses während des Krieges
1. Zentrale Planung und Lenkung der Wirtschaft im Zeichen der Strategie des Blitzkriegs Als unmittelbar vor Kriegsbeginn alle wichtigen Konsumgüter, Produktionsmittel und Rohstoffe der vollen staatlichen Preis-und Mengenbewirtschaftung unterworfen worden waren, war es schon im Sinne der Ergiebigkeit des Wirtschaftsprozesses sinnvoll, zur zentralen Planung und Lenkung der Wirtschaft überzugehen
Mit dem Namenswechsel änderte sich die Tätigkeit dieser Wirtschaftsbehörden grundlegend. Die „überwachungsstellen" hatten zunächst nur den „Verkehr mit industriellen Rohstoffen und Halbfabrikaten" überwacht, insbesondere „deren Beschaffung, Verteilung, Lagerung, Absatz und Verbrauch", aber nicht „die Umformung von Waren im gewerblichen Produktionsprozeß"
In dieser Weise lösten die Reichsstellen die Aufgabe, „die verschiedenen Produktionsmöglichkeiten und den Verbrauch so aufeinander abzustimmen, daß ein optimaler Ausgleich zwischen den Produktionsmöglichkeiten und dem Bedarf erreicht wird"
Beim Beginn der zentralen Planung verfügten die Reichsstellen bereits über den entsprechenden Behördenunterbau, Allein die Reichsgruppe Industrie bestand in „fachlicher“ Hinsicht aus 31 Wirtschaftsgruppen, die ihrerseits wieder in 161 Fachgruppen und 137 Fachuntergruppen untergliedert waren. Dieser Reichs-gruppe unterstanden ferner in „bezirklicher" Gliederung 26 Industrieabteilungen mit 63 Zweig-und Nebenstellen
Da die Behördenorganisation und ihr Unterbau aber noch in der Phase der Marktwirtschaft entstanden waren, fehlte zunächst eine zentrale Lenkungsstelle, welche die Tätigkeit der einzelnen Behörden koordiniert hätte. Anfangs bestand also eine große Anzahl von Planungsämtern und Lenkungsbehörden mit häufig unklarer und schlecht abgestimmter Verteilung der Zuständigkeiten
Bei der staatlichen Planung der kriegswichtigen Industrie verlegte man sich bald auf die . Engpaßplanung". Man versuchte, die Eng-pässe, die in der Versorgung wichtiger Güter auftauchten, frühzeitig zu erkennen und sie durch Sparmaßnahmen oder durch die Produktion von Ersatzgütern zu beseitigen. Die „Engpaßplanung" gestaltete sich in der Kriegswirtschaft jedoch deshalb schwierig, weil dort jeweils für ein „Kriegshalbjahr" zentral geplant wurde, der Engpaß aber ständig wechselte
Warum, so muß man hier fragen, wurde die Organisation der staatlichen Wirtschaftsplanung nicht alsbald einheitlich und systematisch aufgebaut? Das geschah — abgesehen von den mangelnden Erfahrungen mit diesem Wirtschaftssystem — deswegen nicht, weil die politische Führung die Schwierigkeiten zentraler Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses zunächst unterschätzte
Den politischen Rückhalt für seine Bestrebungen erhielt Speer erst am 18. Februar 1943, als Goebbels im Berliner Sportpalast den totalen Krieg verkündete
Gleichzeitig wurde die Konzentration aller wirtschaftlichen Kräfte auf die Rüstung nun offizielles Programm der politischen Führung
Völlig entmachten konnte das Planungsamt die Reichsstellen und die ihnen untergeordneten Industrie-und Wirtschaftsgruppen natürlich nicht. Die Uhrenindustrie z. B., die nun auch Munition, Zünder, Maschinenteile und Meßinstrumente herzustellen hatte, gehörte etwa einem Dutzend Ausschüssen, Ringen, Wirtschaftsgruppen, Fach-oder Untergruppen an und hatte ebensovielen Befehls-und überwachungsstellen zu gehorchen. Aber an die Stelle gelegentlicher Besprechungen zwischen Wehrmacht, Reichsbahn, Industrie-gruppen und Reichsstellen zur Abstimmung ihres Bedarfs an Rohmaterialien oder an Transportraum traten jetzt die Anweisungen einer zentralen Behörde
Zu einem Problem der politischen Machtverteilung gestaltete sich der Einsatz der Arbeitskräfte. Die Versuche des Reichsarbeitsministeriums, nach Kriegsausbruch den Einsatz der Arbeitskräfte zentral zu planen und zu lenken, schlugen fehl, weil die Gauleiter ihre ganze politische Macht aufboten, um einen Abzug von Arbeitskräften aus ihren Gauen zu verhindern. Deshalb setzte sich Speer für die Ernennung eines Generalbevollmächtigten ein. Hitler akzeptierte diesen Vorschlag, entschied sich aber nicht für den Gauleiter von Niederschlesien, Karl Hanke, den Speer für dieses Amt nominiert hatte, sondern ernannte Fritz Sauckel, den Gauleiter von Thüringen, zum Generalbevollmächtigten für den Arbeitseinsatz und stattete ihn mit weitgehender Unabhängigkeit von der Zentralen Planung aus
Ein weiteres Hindernis für die zentrale Planung und Lenkung des Wirtschaftsprozesses bildete der gewaltige vertikale Konzern, den sich die SS während des Krieges errichtete und dessen zahlreiche Betriebe gegen wirtschaftspolitische Entscheidungen des Zentralen Plan-amtes nahezu immun waren. Vor 1938 fehlte den wirtschaftlichen Betätigungen der SS eine spezifische wirtschaftliche Konzeption. (Bei der Gründung des Nordland-Verlages, der Errichtung und Übernahme von Stiftungen zur Pflege und Ausgestaltung bestimmter Kultur-denkmäler, dem Ausbau der Porzellanmanufaktur Allach, schließlich auch bei der Herstellung billiger Serienmöbel und beim Vertrieb von Mineralwasser überwogen „ideelle", außerwirtschaftliche Zielsetzungen.) Nach 1938 wuchsen dann die Werkstättenbetriebe, die sich nun auf die Arbeitskraft der Häftlinge der Konzentrationslager stützten, zu einem fast alle wichtigen Wirtschaftszweige umfassenden Riesenkonzern zusammen, der „Deutschen Wirtschaftsbetriebe GmbH“. Die überlieferten Äußerungen hoher SS-Führer über die Ziele ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit lassen keinen Zweifel daran, daß man sich von diesem Konzern nach dem Kriege eine Neuordnung der deutschen Wirtschaft durch eine völlige Abschaffung des Privateigentums an den Produktionsmitteln versprach
Ungeachtet aller Schwierigkeiten konnte das Planungsamt noch Ende 1944 einen volkswirtschaftlichen Gesamtplan für das nächste Kriegshalbjahr vorlegen, der aber wegen des raschen militärischen Zusammenbruchs kaum noch praktische Bedeutung erlangte
VI. Schlußbetrachtung
Die nationalsozialistische Staatsführung veränderte die Wirtschaftsverfassung Deutschlands zwischen 1933 und 1945 nicht nach einem ordnungpolitischen Konzept, sondern nur nach Maßgabe ihrer übergeordneten politischen Zielsetzungen.
Weil die Finanzierung der Rüstung es erforderte, wurde die Währungsordnung umgewandelt. Die Verfassung der Märkte wurde durch das Rüstungsprogramm geprägt: Den Außenhandel kontrollierte ein bilaterales staatliches Monopol, auf vielen Binnenmärkten wurde der Wettbewerb zugunsten einer industriellen Konzentration eingeschränkt. Die Vorstellung, nur „Erbhöfe" gewährleisteten ein „gesundes Bauerntum", löste eine Veränderung der Eigentumsordnung aus. Der Ausbruch des Krieges zwang die Regierung schließlich, sogar das konstitutive Element der Wirtschaftsordnung, das Planungs-und Lenkungssystem, auszutauschen.
Trotz dieser zahlreichen unterschiedlichen Veränderungen an der 1933 übernommenen Wirtschaftsverfassung zeichnete sich die Ordnungspolitik der Nationalsozialisten dennoch durch eine einheitliche Entwicklung aus: So wie innerhalb der Staatsverfassung Demokratie und persönliche Freiheit Schritt für Schritt ausgelöscht wurden, so wurde im Bereich der Wirtschaft die Planautonomie der Staatsbürger allmählich zugunsten des Staates abgebaut. Der Grundstein zu dieser Entwicklung wurde freilich bereits in der Weimarer Republik gelegt. Schon vor 1933 hatten viele Unternehmer sich einem Kartell angeschlossen und bestimmte Entscheidungen der Kartelleitung übertragen, um dem „ruinösen" Wettbewerb zu entgehen. Sie hatten dann später nichts dagegen einzuwenden, daß ihnen Ringe und Fachgruppen weitere unternehmerische Funktionen abnahmen, zumal wenn sie hofften, als Gegenleistung Rüstungsaufträge zu erhalten. Als ihnen schließlich während des Krieges kaum mehr als die formale Verfügungsfreiheit über ihr Privateigentum geblieben war, war es zu spät, sich den Plan-auflagen der staatlichen Behörden zu widersetzen
Was die Situation des Arbeitsmarktes betraf, so waren spätestens seit Brünings Notverordnungen die Tarifpartner — nicht ohne eigenes Verschulden — von der Lohnbildung ausgeschlossen. Die Abkehr von der Goldwährung und die Einführung eines Geldsystems, das der politischen Führung eine hemmungslose Geldschöpfung ermöglichte, erfolgte schon 1931.
Zur gleichen Zeit entstand als Folge der Bankenkonzentration ein Apparat, der eine skrupellose Staatsführung zur Beherrschung der Wirtschaft geradezu herausforderte. Ohne Zweifel war um 1932 nicht allein die parlamentarische Demokratie, sondern auch ihr wirtschaftliches Gegenstück, das System der Marktwirtschaft, in eine Krise geraten, aus dem das Wirtschaftssystem ebensowenig wie das parlamentarische Regierungssystem einen Ausweg fand