Einführung
Nachstehende Veröffentlichung ist ein — neu-bearbeiteter — Auszug aus dem in Kürze erscheinenden Buch „Die Maoisten, Pekings Filialen in Westeuropa", Societäts-Verlag Frankfurt/M.
Die nach dem offenen Ausbruch der Differenzen zwischen Peking und Moskau in den verschiedensten Teilen der Welt aufkommenden pro-chinesischen Splittergruppen entstanden sehr früh auch in Westeuropa. Wie einst Lenin innerhalb der russischen Sozialdemokratischen Arbeiterpartei vorgegangen war, so wirkten sie zunächst als kleine Fraktionen in den sowjetisch-tendierenden Kommunistischen Parteien und versuchten sie mit ihrer Agitation zu zersetzen. Je nach den Gegebenheiten, oft bedingt durch den Ausschluß aus ihrer bisherigen KP, formierten sie sich dann zu selbständigen „Marxistisch-Leninistischen Gruppen", die allgemein die Keimzellen für die späteren chinesisch-kommunistischen Parteien darstellten.
Ihre Mitglieder waren anfangs überwiegend gläubige Altkommunisten, die oft von der seelenlosen Bürokratie der Parteiapparate oder auch von der aggressiven Nachkriegspolitik des Kremls gegenüber Ost-und Mitteleuropa enttäuscht waren und nun zu der sich anbietenden kommunistischen Alternative Pekinger Prägung überwechselten. Im Laufe der Zeit aber konnten sich in den Splittergruppen allmählich radikalere Strömungen durchsetzen, die gerade umgekehrt mit der angeblich weichen Haltung Moskaus nicht einverstanden waren. Bei einem gewissen Prozentsatz der Funktionäre mögen auch persönliche Motive, Verärgerungen über ihre Kommunistische Partei, egozentrisches Machtstreben und vielleicht auch pekuniäre Interessen dominiert haben.
Kennzeichnend für nahezu alle Gruppen war von Anfang an ihre überaus starke Propagandatätigkeit, die im krassen Gegensatz zu ihren minimalen Mitgliederzahlen steht. Die im Jahre 1966 in der Volksrepublik China einsetzende Kulturrevolution mit dem fast götzenhaften Mao-Kult wurde von ihnen allgemein fast kritiklos propagiert und in ihrem Parteileben in starkem Maße übernommen.
Organisatorisch wurden sie noch straffer und in ihren Absichten noch radikaler, doch blieb der erwartete Zulauf von neuen Mitgliedern aus. Auch nach der Besetzung der SSR durch die Mächte des Warschauer Paktes gelang es Peking nicht, die kommunistisch-antisowjetischen Reformkräfte in Westeuropa unter seiner Fahne zu sammeln.
Von diesen an Rotchina orientierten Splitterparteien scharf zu trennen sind die radikalen Jugend-und Studenten-Bewegungen in den einzelnen europäischen Ländern, sofern diese überhaupt Mao Tse-tung als ihr Idol ansehen. Nach der Ideologie der China-Kommunisten stellen die Studenten keine „revolutionäre Klasse" oder „Avantgarde" dar; nur „die Arbeiterklasse ist die fundamentale revolutionäre Kraft unserer Zeit", und jede Revolution, die nicht von ihr geführt wird, ist, so wird behauptet, zwangsläufig zum Scheitern verurteilt. Neben dem Unvermögen, sich mit der Arbeiterklasse zu verbünden, werden der „Neuen Linken" individualistische und anarchistische Tendenzen vorgeworfen sowie auch eine Unklarheit hinsichtlich der angestrebten Umwälzung der Gesellschaftsordnung
In ihrer Wirkung dürften die Abtrünnigen-Gruppen bis in die jüngste Gegenwart mehr dem Sowjetkommunismus als dem Westen geschadet haben. In wirtschaftlichen Krisenzeiten und einer dann gewiß folgenden Radikalisierung könnte sich dies allerdings schnell ändern.
Belgien
Die Stärke und der Einfluß der Splitterparteien ist verständlicherweise recht unterschiedlich und von den verschiedenen Gegebenheiten des einzelnen Landes und auch ihrer führenden Funktionäre abhängig.
Die wichtigste, von China gelenkte KP Westeuropas war lange Jahre die „Parti Commu-niste de Belgique". Schon in den Tagen der Judenverfolgungen Stalins schwelte in der sich an Moskau orientierenden „Parti Communiste Beige" ein Konflikt, der offen ausbrach, als das ZK-Mitglied Jacques Grippa die sowjetische Parteilinie kritisierte und dann aus dem ZK und — weil er seine „antiparteiliche" (chinesisch-albanische) Propaganda fortsetzte — auch aus der Partei ausgeschlossen wurde. „Parti Communiste de Belgique"
Ende 1963 riefen daraufhin 194 Funktionäre auf einem „Nationalen Kommunistischen Kongreß" die neue KP Belgiens chinesischer Orientierung aus
An der Spitze des achtköpfigen Politbüros stand der geistige Kopf und Organisator der Partei, Grippa, der dem ZK der belgischen KP von 1943 bis 1950 und dann von 1958 bis 1962 angehört hatte. Im letzten Kriege war er als Resistance-Führer in einem deutschen KZ inhaftiert. Das gleiche Schicksal hatten die ZK-Mitglieder Rene Raindorf und Henri Gli-neur, ein Mitbegründer der belgischen KP aus dem Jahre 1920, erlebt. Ohnehin handelte es sich bei dieser Führungsspitze durchweg um bekannte Altkommunisten. Die Mitgliederzahl dieser KP umfaßte in den besten Zeiten vielleicht 400 aktive und 2000 sympathisierende Anhänger; bedingt durch mehrere „Parteisäuberungen", war aber ab Herbst 1966 die Zahl rückläufig.
Von der Parteizentrale in der Rue des Palais in Brüssel entfaltete sich sehr bald eine überaus rege Aktivität, die sich über Westeuropa bis nach Nordafrika erstreckte. Bereits im September 1963 erschienen wöchentlich 10 000 Exemplare des Partei-Zentralorgans „La Voix du Peuple" — der Name der illegalen KP-
Zeitung aus der Kriegszeit, an deren Tradition es bewußt anknüpfen wollte. Außerdem existierten mehrere Flugblatt-Zeitungen und Werk-Blätter, die von den betriebsgruppenähnlichen „Aktionskomitees" verbreitet wurden. Es entstand zudem eine Jugendorganisation, die mit der Publikation eines eigenen Blattes viele unzufriedene junge Menschen nicht nur aus der Moskau-KP, sondern auch aus bürgerlichen Schichten und von den Universitäten zu gewinnen vermochte.
Die Haltung der Sowjet-Kommunisten gegenüber den Rebellen war naturgemäß feindlich. Die „Prawda" warf den Spitzenfunktionären kriminelle Handlungen vor, sprach von „prochinesischen Gassenbuben in Brüssel" und erachtete die Partei „ohne Bedeutung"
Die gegenseitigen Schmähreden, Verleumdungen und nächtlichen Plakatkriege steigerten sich bei den Vorbereitungen zu den belgischen Gemeindewahlen 1964, die beide Parteien gegeneinander auf niedrigstem Niveau führten. Bei den Parlamentswahlen 1965 verbrannten die Pro-Sowjet-Kommunisten die Flugschriften der Pro-China-Kommunisten, beschädigten deren Parteibüro und überfielen in kleinen Trupps deren Aktivisten; bei einer dieser Schlägereien kam ein Moskau-Kommunist zu Tode.
Wie die belgische Peking-KP die Politik Rot-chinas und Albaniens vollinhaltlich bejahte, so begrüßte sie begeistert die einsetzende Kulturrevolution: „Ihre gegenwärtigen Siege sind unsere Siege. Unsere Genossen, die die Urheber dieses grandiosen Kapitels der Weltgeschichte sind, haben das Recht auf all’ unsere Dankbarkeit, auf unsere totale Solidarität"
Als den belgischen Rebellen von Tirana Sanktionen angedroht wurden, nahmen sie Anfang 1968 mit dem ZK der KP-Kuba Verbindung auf und schwenkten im Oktober des Jahres endgültig vom bisherigen Mao-auf Castro-Kurs um. Damit schied die wichtigste Peking-Partei Europas aus der Bewegung der chinesisch-kommunistischen Splittergruppen aus. Der Fall Grippa, sein Name und auch die weitere Existenz seiner Anhängerschaft wurden von der chinesischen und albanischen Presse totgeschwiegen. „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de Belgique“
Die meisten der von Grippa in mehreren „Parteisäuberungen" Ausgestoßenen schlossen sich bereits im November 1967 auf einer „Nationalkonferenz" zu der „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de Belgique" zusammen. Ihr Erster Sekretär ist Jules Vanderlinden, der früher ein enger Mitarbeiter Grippas war. Dem Politbüro steht eine Partei-Kontrollkommission zur Seite, der heute auch der Altkommunist Henri Glineur angehört. Der aktive Kern der Partei scheint nach wie vor nicht mehr als 200 Mitglieder zu umfassen. Ihr Wochenorgan „Clarte" dürfte heute eine Auflage von rund 3000 Exemplaren erreicht haben.
Entsprechend dem Parteiprogramm werden der Marxismus-Leninismus im Sinne Mao Tsetungs und die Kulturrevolution uneingeschränkt bejaht und andererseits der Moskau-Kommunismus sowie auch die NATO und die USA scharf abgelehnt. Im Gegensatz zu der „Parti Communiste de Belgique" verneinen die China-Kommunisten einen Föderalismus des Landes, da dieser zwar die Institution des Staates schädige, nicht aber der belgischen Arbeiterklasse helfe. Unterschiedlich zu den meisten westeuropäischen Splitterparteien ist ebenfalls ihr Verhältnis zu den anderen „revolutionären" Gruppierungen, mit denen sie selbst dann eine Zusammenarbeit bejaht, wenn sie nicht Peking ergeben sind. Als Nah-ziel will die Partei den Sturz der parlamentarischen Demokratie erreichen: „Man muß mit dem Angriff auf den belgischen Staat beginnen und ihn zerstören. Es darf nichts übrigbleiben, und kein Arbeiter, kein fortschrittlicher Intellektueller wird es bedauern."
Die von Grippa aus seiner Partei ausgestoßenen Funktionäre Desire Trifaux und Arnold Hauwaert bildeten im Sommer 1967 im wallonischen Landesteil die ebenfalls pro-chinesische „Parti Communiste de Belgique (Marxiste-Leniniste)". Obwohl ihre Mitgliederzahl bisher zwar sehr gering blieb, ist ihr Einfluß in manchen Industriegebieten nicht zu unterschätzen. Ihr Wochenorgan „L’Exploite" widmet sich überwiegend gewerkschaftlich-betrieblichen Fragen; die seit kurzem gedruckte Auflage beträgt wahrscheinlich 2500 Exemplare. In der letzten Zeit führte die Partei mehrfach mit der „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de Belgique" Besprechungen über einen Zusammenschluß, doch sind diese im Juni des laufenden Jahres ergebnislos abgebrochen worden. Neuerdings hat die Gruppe um „L’Exploite" Verbindung zur „Black Panther Party" ausgenommen
Italien
Die ersten kommunistischen Zellen chinesischer Ausrichtung in Italien entstanden bereits im August 1962. Die wichtigste war ein Kreis um das Blatt „Ritorniamo a Lenin!" in Rom; sein Ziel stellte eine neue „Revolutionäre Internationale" dar, die von Rotchina zwar geführt, jedoch nicht kontrolliert werden sollte. Als das Blatt dann überdies die KPCh wegen ihrer Zusammenarbeit mit alten Stalinisten in der Welt kritisierte, kam es zu größeren Differenzen mit Peking, und im Herbst 1964 vereinigte sich die Gruppe mit den Trotz-kisten. „Partito Comunista d'Italia (marxista-leninista) "
Im gleichen Frühjahr erschien in Mailand die erste Nummer der Monatszeitung „Nuova unitä". Der verantwortliche Direktor war der einstige Partisanenführer Ugo Düse, der nach Kriegsende zum Mitglied der Nationalen Organisations-Kommission der KPI aufrückte und 1962 wegen seiner pro-chinesischen Einstellung ausgestoßen wurde. Um sein Blatt gruppierten sich nun — nicht zuletzt mit Hilfe der „China-Freundschaftsgesellschaften" — die verschiedenen peking-kommunistischen Kreise. Unmittelbar vor ihrem geplanten Zusammenschluß und der Konstituierung einer Partei erfolgte indessen eine „Palastrevolution", in deren Verlauf sich Düse mit einigen Getreuen von seiner bisherigen Bewegung trennte
Trotz dieses Rückschlags bildete sich im Mai 1965 die „Movimento", und im Oktober 1966 beschlossen rund 110 Delegierte die Gründung der „Partito Comunista d'Italia (marxista-leninista)" (KPI/ML.). Generalsekretär der neuen Partei wurde Fosco Dinucci; in das Partei-sekretariat kamen außerdem Oswaldo Pesce und Livio Risalti. Die Gründungsurkunde betonte in den Grundsätzen, daß angesichts der „revisionistischen Entartung" der KPI und ihres „Verzichts auf den geschichtlichen Auftrag der Arbeiterklasse" sowie infolge der Unmöglichkeit, die „Diktatur der Bourgeoisie" von innen her zu überwinden, die neue Partei wieder „die revolutionäre Aktion" aufnehmen wolle
Die Auflage der wöchentlich gedruckten „Nuova unitä" beträgt angeblich 30 000, in letzter Zeit jedoch erscheint sie nur noch vierzehntägig. Die Parteiorganisation der KPI (ML) basiert in erster Linie auf Zellen in den Fabriken. Diese sollen drei bis fünf Mitglieder umfassen und über eine „eiserne Disziplin, eine revolutionäre Disziplin für die Revolution des Proletariats," verfügen und „die Lehre Mao Tse-tungs ununterbrochen und gewissen-haft studieren
Bereits Ende 1964 war aus Zirkeln der Arbeiterjugend Mailands ein eigener Jugendverband entstanden. Einige Teile aber lehnten sich gegen die starke Bevormundung der KPI/ML auf; im März 1969 gab „Nuova unitä" daraufhin bekannt, daß eine Gruppe ausgestoßen sei, die sich gegen die Partei erhoben hätte, und in einer längeren Erklärung schloß das ZK jeden Zweifel an seiner Haltung zu derartigen Unabhängigkeitsregungen aus
Die KPI sah in der Parteigründung der KPI/ML eine „erbärmliche Provokation", erwähnt die Abgefallenen aber relativ selten. Diese werfen ihr vor, nicht mehr die Interessen der Arbeiterklasse zu vertreten und statt dessen „nur noch die 5. Kolonne der Bourgeoisie" zu sein: „Man muß aus der KPI austreten, um Kommunist zu bleiben!"
Die Gruppen um „il Partito" und „La Linea Proletaria“
Ende 1968 indessen wurden die beiden Politbüro-Mitglieder Misefari und Balestri sowie das ZK-Mitglied Cracci unter den Beschuldigungen, „Trotzkist-Klerikal-Republikaner" und „Polizei-Agent" zu sein, von der KPI/ML ausgeschlossen; die wahren Gründe dieser „Säuberung" beruhen sicherlich auf internen, persönlichen Machtkämpfen. Im September 1969 hatten auch das ZK-Mitglied Pugliese wegen „politischer und moralischer Unwürdigkeit" und drei Monate danach das ZK-Mitglied Hermann die Partei zu verlassen. Die Ausgeschlossenen bildeten daraufhin eine zweite „Partito Comunista d'Italia (ML)"; die das kleine Wochenorgan „il Partito" verbreitet. Das Verhältnis zu den verbliebenen Funktionären der Peking-Partei, den „wahren Feinden der Arbeiterklasse", äußert sich in üblen Beschimpfungen und Schlägereien. „Nuova unitä" wiederum stellt die Gruppe als „zersetzt und isoliert" hin
Pesce, Mitglied des Parteisekretariats, der „wegen Unterstützung der Abweichler und wegen Zerrüttung der Einheit (der Partei)" im Februar 1970 gestürzt worden war, baute vor kurzem die chinesisch-kommunistische „Organizzazione dei marxisti-leninisti" auf und veröffentlicht jetzt die 24-seitige Zeitung „La Linea Proletaria". Er hält der KPI/ML vor, sie verletze die wahren Gedanken Mao Tse-tungs und vertrete statt dessen „kleinbürgerliche Ideen". Entscheidend sei daher der „Kampf bis zum Ende gegen die gegenwärtige Parteiführung und ihre revisionistische Linie" und danach die Errichtung einer „echten" marxistisch-leninistischen Partei
Seine damalige Trennung von der „Nuova unitä" motivierte Ugo Düse im Mai 1965 in seinem neuen radikaleren Monatsblatt „ 11 Comunista" damit, daß diese „überlebt" und auch nur die „Frucht eines Kompromisses" gewesen sei. In der Folgezeit versuchte er, die Leser seiner früheren Zeitung für sich zu gewinnen und gründete Ende desselben Jahres die „Lega dei Comunisti (marxisti-leninisti) d'Italia". Die Spannungen wuchsen, als dann die „Partito Comunista d’Italia (marxista-leninista)" entstand: Sie sei, klagte Düse, eine „Bande kleinbürgerlicher Abenteurer", die sich „wie hundertprozentige Faschisten gegen ihre eigenen Kampfgenossen" benehmen, und die „Partito" ihrerseits sah in der „Lega" nur „Provokateure" mit der einzigen Absicht, die KPI/ML zu zerstören
Anfang 1970 aber zog sich Düse resigniert und verbittert vom Rotchina-Kommunismus zurück. Die Ursache für diesen Schritt war letztlich, daß er zu den „zu bürokratischen Genossen der KPCh in Peking kein Vertrauen mehr hatte"
Im Frühjahr 1966 hatten einige Funktionäre den Kreis um Düse verlassen und danach im August 1968 unter Führung von Luciano Raimondi und Giuseppe Mai die „Partito rivolu-zionario marxista-leninista d’Italia" gegründet. Innenpolitisch forderte ihr Programm besonders soziale Verbesserungen; das Partei-Statutverlangte von den Mitgliedern, sie dürften nicht „andere Menschen ausbeuten" oder „einen religiösen Kult praktizieren". Das Verhältnis zu den anderen Peking-Gruppierungen war ebenfalls ausgesprochen feindlich
und „das Leben voll und ganz . . ., ohne Vorbehalt den Forderungen der Partei unterzuordnen". Das im Mai 1970 verkündete „Programm der revolutionären Regierung" erstrebt die Verteilung „allen Eigentums der Reichen an die Armen", das Verbot jeglicher Herstellung von Luxusartikeln, die Rückkehr aller Bauern auf das Land und sämtlicher italienischer Gastarbeiter nach Italien, die Teilnahme aller Jugendlichen „in einer Organisation für Kollektivleben" sowie die „Umerziehung der Intellektuellen und Künstler"
Frankreich
Bereits kurz nach dem Tode Stalins erschienen in Paris mehrere kommunistische, gegen Moskau eingestellte Blätter. Obwohl sie späterhin auch die Erklärungen der KPCh veröffentlichten, bejahten sie diese jedoch nur zum Teil. Da sie zudem gegenüber Stalin eine distanziert-kritische Haltung einnahmen, kam es zu keiner Zusammenarbeit mit Peking. „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de France"
Im November 1963 entstand innerhalb der französisch-chinesischen „Freundschaftsgesellschaft" in Marseille eine eigene Gruppe, die sich mit ähnlichen Zirkeln aus anderen südfranzösischen Städten zusammenfand. Während des Sommers 1964 proklamierten sie die „Federation des Cercles marxistes-leninistes". Zum neuen Sekretariat gehörte schon damals der spätere Organisator der französischen Peking-Kommunisten, der 1922 geborene Steuer-inspektor Jacques Jurquet aus Marseille, der nach Kriegsende vorübergehend Parlaments-sekretär bei der französischen Nationalversammlung war und 1959 in der Algerien-Frage erste Schwierigkeiten mit der KPF bekam
Bei jüngeren Menschen fanden die Sino-Kom-munisten nicht das gewünschte Echo, weil sie zwar in die Parteiorganisation ausgenommen wurden, aber keine eigene Jugendorganisation gründen durften; auf wiederholtes Drängen wurde zwar die Gründung einer solchen versprochen, jedoch wurde die Verpflichtung daran geknüpft, daß ihre Leitung sich stets der Partei unterordne. Diese schien ungleich größere Anstrengungen auf eine Unterwanderung der CGT-Gewerkschaft zu machen, und bereits Ende 1966 zeigten deren Aufmärsche vielerorts peking-kommunistische Strömungen. Während des Frühjahrs 1967 begann die CGT eine „antichinesische Hetzjagd" und versuchte, die unbequemen Gegenkräfte auszuschließen
Bei den französischen Studentenunruhen im Mai 1968 spielte die „Parti Communiste Marxiste-Leniniste de France" keine große Rolle. Gefangen von ihrer chinesisch-kommunistischen These über die führende Rolle der Arbeiterklasse, stand sie der Bewegung anfangs skeptisch gegenüber und wandte sich primär gegen die „Macht des Kapitalismus"; ihre später einsetzende Propaganda hatte den entscheidenden Augenblick verpaßt, auch wenn sie bei der Besetzung der Fabriken zweifellos größere Aktivität zeigte. Mitte Juni 1968 wurde die Partei von der französischen Regierung verboten
Die erste peking-kommunistische Gruppe in Frankreich, das spätere „Centre Marxiste-Leniniste de France" (C. M. L. F.), hatte Claude Beaulieu im Spätsommer 1963 in Clichy gegründet. Uber die einzunehmende Haltung der Sino-Kommunisten bei den französischen Wahlen kam es mit der „Parti Communiste Marxiste-Leniniste" bald zu Streitigkeiten: Während diese de Gaulle als einen „Vertreter der Kapitalisten-Klasse" ablehnte, befürwortete das „Centre" seine Wahl wegen de Gaulles distanzierter Haltung gegenüber den USA. Schließlich warf die Partei der Gruppe, die sich nicht unterordnen wollte, vor, sie sei „nichts anderes als eine von der revisionistischen Partei errichtete Werkstätte für Vergiftungen, Diversionen und Provokationen"
Weniger Streitigkeiten gab es mit den studentischen Gruppierungen, die das „Centre" als „Theoretiker" und „totale Dummheit kleinbürgerlicher Intellektueller" abtat. Anfang 1968 liierte es sich mit der „„Parti Communiste de Belgique" unter Grippa und stellte schließlich jede Propagandatätigkeit ein. Ein Teil spaltete sich ab und scharte sich um das neue Organ „Voix Proletarienne". „La Gauche proletarienne"
Anfang 1964 entstanden innerhalb der moskau-kommunistischen „Union tudiants Communiste" (UEC) chinesisch-orientierte Zellen, die nach längerer Untergrund-Arbeit Ende 1966 öffentlich auftraten und sich in der „Union des Jeunesses Communiste (Marxiste-Leniniste)" zusammenschlossen. Die Zahl ihrer Mitglieder betrug vielleicht 1000, in Paris davon knapp 300. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit lag auch nicht in den Universitäten, sondern in den Fabriken: Als maoistisches Pendant zu den Arbeiterpriestern kämpften sie in der CGT im Untergrund und sahen ihre primäre Aufgabe darin, das Industrieproletariat zu einem „revolutionären Bewußtsein" zu erziehen. Neben ihrem eigenen Monatsblatt „Garde rouge", das sie als „Propaganda-Instrument einer sich bildenden politischen Linie" sahen, veröffentlichten sie für die Arbeiterschaft das Monatsorgan „Servir le peuple", das ihr „eine systematische Kenntnis von ihren Kämpfen vermitteln" sollte
Teile der Gruppierung gaben dann die Monatszeitung „La cause du peuple" heraus, die bald zur radikalsten in Westeuropa wurde
Am 27. Mai kam es auf Grund der revolutionären Umtriebe und Propaganda zum Prozeß. Er endete mit der Verurteilung der zwei Herausgeber von „La cause du peuple" und mit dem Verbot der „Gauche proletarienne". Nach dem Prozeß kam es zu Unruhen, doch blieb das erhoffte Echo unter der Arbeiterschaft aus. Auch die Aktion „Keinen Urlaub für die Reichen!" mit dem systematischen Zerstören von Autos und dem Besetzen von Urlaubs-orten erzeugte höchstens ein Gefühl der Unsicherheit. Das Organ der Gruppe, „La cause du peuple", erscheint weiterhin; die Exemplare werden allerdings fast immer beschlagnahmt und die jugendlichen Verkäufer festgenommen. Wohl um die Organisation vor dem polizeilichen Zugriff zu schützen, schufen die „Maos" (wie sie sich neuerdings selber nennen) Anfang Juli die „Bewegung des 27. Mai", die ebenfalls „gegen das bestehende despotische System losschlagen und das Volk einigen" will: „Wir werden über den Ruinen des Frankreichs des Geldmammons das Frankreich des Volkes bauen!"
Die „Humanite rouge" kritisierte schon lange die „zu dogmatischen" Ansichten und den „Western-Stil" der Gruppe, die einen „Betrug an den Gedanken Mao Tse-tungs" beginge: „Nur die Arbeiterklasse ist Träger einer gesunden, sauberen und wahren Ideologie, die den Vorzug haben kann, den Revisionismus zu überwinden". In ihren Augen konnte die „Gauche proletarienne“ mit dem „Liberalbürger" Sartre letztlich nur den Einfluß des (Moskau-) Revisionismus stärken
England, Irland
Im November 1963 zirkulierte in England ein „Appell an alle Kommunisten", der aufrief, „sich zu einigen in der Verdammung der revisionistischen Gruppe, die die britische KP kontrolliert". Als Erster Sekretär dieses neuen, nach Peking ausgerichteten „Committee to defeat Revisionism, for Communist Unity" (C. D. R. U.) fungierte der 34 Jahre alte Wirtschaftslehrer Michael Mc Creery — ein ehemaliger Eton-Schüler und Sohn eines britischen Generals. Nach seinem Tode und mehreren erneuten Abspaltungen büßte der Kreis viel von seiner anfänglichen Schlagkraft ein und dürfte heute nur noch 200 Mitglieder haben. Das Organ „Vanguard". wird seit 1966 lediglich hektographiert veröffentlicht. Auffallend ist seine starke Berücksichtigung Albaniens, während China und seine Kulturrevolution nur sekundäre Bedeutung erlangen. Im Gegensatz zu vielen Splitterparteien dominieren bei dem Blatt die innenpolitischen Probleme, wobei selbstkritisch die Frage gestellt wird: „Warum hat die marxistisch-leninistische Bewegung in Britannien nicht die Besten der Farbigen angezogen? Warum hat der Marxismus-Leninismus nicht mehr Studenten angezogen, um die Studentenbewegung zu beeinflussen?"
Als im Sommer 1965 das bisherige ZK-Mitglied Mike Baker aus dem C. D. R. C. U. ausgeschlossen wurde, gründete er mit einigen anderen Gefährten das chinesisch-kommunistische „Action Centre For Marxist-Leninist Unity", das sich im September 1967 unter seinem Vorsitzenden Bill Bland zu der „Marxist-Leninist Organization of Britain" (M. L. O. B.) umformierte. Sandte die Gründungskonferenz Mao Tse-tung und der KPCh noch „warme, brüderliche Grüße" und versicherte ihnen ihre „vollständige Solidarität" und lobte ihr Organ „Red Front" die Kulturrevolution, die das Zurückfallen Chinas zum Kapitalismus verhindere, so änderte die M. L. O. B. innerhalb von drei Monaten ihre Ansicht völlig: Nunmehr beschimpfte sie Mao Tse-tung, der der „Kapitalisten-Klasse" in der Volksrepublik diene und die wahre KPCh zerstöre. Auf der Suche nach den Ursachen dieser Entwicklung gab sich die weiterhin pro-rotchinesische, aber nunmehr anti-maoistisch eingestellte Gruppe die Antwort: „Es wäre nur dadurch möglich, indem die kapitalistische Konterrevolution als , sozialisti-sehe Revolution unter der Führung der Kommunistischen Partei'vorgestellt wird ... Es wäre nur dadurch möglich, daß die große Kom-munistische Partei China zusammen mit den Staatsorganen der Volksrepublik unter dem Vorwand der . Säuberung von Revisionisten und Konterrevolutionären'zerstört wird . . . Es wäre nur dadurch möglich, daß die faschistischen Sturm-Soldaten der kapitalistischen Konterrevolution als Junge Revolutionäre'und Rote Garden'vorgestellt werden ... Es wäre nur dadurch möglich, daß das Studium des Marxismus-Leninismus verdreht wird in das halb-religiöse Absingen von isolierten Zitaten aus den Werken des konterrevolutionären Führers, der als , größter marxistischleninistischer Genius aller Zeiten'vorgestellt wird ..."
Für die „Organisation" bleibt die Hoffnung, daß die „konterrevolutionäre Clique mit Mao Tse-tung an der Spitze" untergehen und eine neue, echte marxistisch-leninistische Partei in China „die große Revolution vollenden" wird
Im November 1966 erschien die erste Ausgabe der theoretischen Zeitschrift „The Marxist", aus deren Leserschaft sich im April 1968 die „Communist Party of Britain (Marxist-Leninist)" entwickelte. Sie ist eindeutig pro-chinesisch und bejaht uneingeschränkt jede Entwicklung in der Volksrepublik. Ihr Parteiprogramm schreibt der KPCh ausdrücklich die führende Rolle in der kommunistischen Welt-bewegungzu. Innenpolitisch wollen sich die rund 400 Parteimitglieder, an deren Spitze der bekannte Gewerkschaftler Red Birch steht, für die farbigen Arbeiter in England einsetzen; auch ihr Monatsorgan „The Worker" behandelt vornehmlich Gewerkschaftsfragen. Obwohl die KPCh in Großbritannien sehr deutlich auf diese Gruppierung setzt, ist an einen Zusammenschluß mit dem „Committee" auch in naher Zukunft nicht zu rechnen. In einer der letzten Ausgaben konstatierte „Vanguard": „Wir wundern uns, wo alle diese Individuen vor sieben Jahren waren, als wir die ersten darstellten, die mit dem Revisionismus brachen."
Ende 1968 tauchten in Irland Flugblatt-Zeitungen auf, für die die china-orientierte „Irish Communist Movement (Marxist-Leninist)" verantwortlich zeichnete. Anfang Juli 1970 benannte sich die kleine Gruppe um in „Communist Party of Ireland (Marxist-Leninist)". Erster Vorsitzender wurde der junge Micheal Hehir, der auch das neuerdings wöchentlich erscheinende Organ „Red Patriot" herausgibt. Der Kreis scheint indessen kaum Kontakte nach England zu haben, sondern dürfte über Kanada angeleitet werden. Seine absolute Peking-Treue und auch seine Ziele in dem von Unruhen heimgesuchten Irland widerspiegeln sich in seinen ständigen Parolen: „Chinas Vorsitzender ist auch unser Vorsitzender! Chinas Weg ist auch unser Weg!" und — „Bereitet den Volkskrieg vor!"
Schweden
Während der chinesischen Kulturrevolution bildeten sich in mehreren schwedischen Städten „Marxistische Studiengesellschaften", deren Schulungsabende China und die Thesen Mao Tse-tungs propagierten.
Die wichtigste Gruppe sammelte sich um den jungen Dozenten für Nationalökonomie an der Universität Uppsala, Bo Gustafsson, der mehrere Schriften Mao Tse-tungs ins Schwedische übersetzt hat und seit 1965 die alle zwei Monate erscheinende Schrift „Marxistiskt Forum" herausgibt. Mit der Zeit gelang es ihm, die Leiter der anderen Peking-Kreise für sein Organ zu gewinnen, und aufgrund dieser redaktionellen Mitarbeit entwickelte sich die Zeitschrift allmählich zu einer gemeinsamen Plattform. Der nächste Schritt im Mai 1967, den Zusammenschluß auch formal zu vollziehen, stellte keine große Schwierigkeit dar. Als Grund für die Abspaltung gaben die Sino-Kommunisten den Kurswechsel der schwedischen KP auf ihrem 21. Parteikongreß an
Bald danach, Ende Juni 1967, riefen die Rot-china-Anhänger den „Kommunistiska förbundet marxist-leninisterna" (K. F. M. L.) aus. Dem leitenden „Arbeitsausschuß" gehören Bo Gustafsson und, als sein Stellvertreter, Frank Baude an. Die Tätigkeit des Studiensekretärs übt der Alt-Stalinist Nils Holmberg aus, der zwei Jahre lang bei der Propaganda-Abteilung der KPCh in Peking arbeitete und nach seiner Rückkehr das „rote Büchlein" ins Schwedische übersetzte. Als einzige westeuropäische Splittergruppe verpflichtet sich der K. F. M. L., der ohnehin subversive Kontakte zu Gleichgesinnten in Polen und auch in der Sowjetunion nachgesagt werden
Der etablierten „Linkspartei der Kommunisten" Schwedens kam dieser Abfall der insgesamt vielleicht rund 500 Mitglieder vermutlich sehr gelegen, obwohl deren rege Propaganda-tätigkeit ihr beträchtliche Sorgen bereitet: Ihre Führung erhielt damit eine glaubwürdige Legitimation als „Vorkämpferin des Parlamentarismus" und kann ohne die Radikalen größere Hoffnungen hegen, von der demokratischen Öffentlichkeit des Landes anerkannt zu werden. Zu den schwedischen Reichstagswahlen im September 1970 stellten die China-Kommunisten eigene Kandidaten auf und wollten sich mit jeder „revolutionären Bewegung" verbünden, die nationale Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit verlangt; trotz sehr intensiver Propaganda erhielten sie im ganzen Lande indessen nur 18 000 Stimmen — das sind 0, 4 0/0
Nach langen und heftigen Kämpfen innerhalb der (moskau-) kommunistischen Studentenvereinigung entstand der (peking-) kommunistische „Svenska Clarteförbundet", der von Stockholm aus sein monatlich erscheinendes Organ „Clarte" verbreitet. Unter derselben Adresse erscheint auch das kleine Heft „Clar-tes" skoltidning", das sich an Oberschüler wendet.
Dänemark
Ende 1962 begann der Funktionär der kommunistischen Studentenvereinigung, Benito Scocozza, auf den dänischen Universitäten rotchinesische Ideen zu vertreten. Zusammen mit Gotfred Appel, früher Redakteur des KP-Zentralorgans, baute er im Herbst 1963 den „Kommunistik Arbejdskreds" (K. A. K.) auf. Das Organ der vielleicht 100 Mitglieder, die „Kommunistik Orientering", war überaus peking-freundlich, vertrat aber hinsichtlich der Lage der westeuropäischen Arbeiterschaft einen kommunistisch-unorthodoxen Standpunkt: „Wir sollten die Tatsache erkennen, daß in unseren Ländern keine revolutionäre Situation existiert. In dem kapitalistisch-entwickelten Europa und Nordamerika ist die herrschende Klasse noch immer in der Lage, ihre Herrschaft in der alten Weise fortzuführen, und — wenn wir ehrlich sein wollen — müssen wir feststellen, daß die Arbeiterklasse dieser Länder keine Anzeichen erkennen läßt, daß sie mit dieser Herrschaft nicht länger einverstanden ist."
Diese Analyse führte indessen zu starken Differenzen innerhalb dem K. A. K. und schließlich zu einer erneuten Abspaltung. Noch lange dauerten die erbitterten ideologischen Streitigkeiten zwischen den beiden Peking-Gruppen an; trotzig schrieb Appel: „Wir meinen, daß die Arbeiter (Westeuropas) in ihrer Gesamtheit genug zu essen, ein Dach über ihrem Kopf und Kleider anzuziehen haben, daß sie nicht hungern oder frieren und daß die Arbeiterklasse in ihrer Gesamtheit keinen Grund zu einer Sorge um die Zukunft hat, soweit als es die Nahrung betrifft . . . Wer wagt es zu sagen, daß die Arbeiterklasse unserer (westeuropäischen) Welt unter dem heutigen Kapitalismus nicht gut lebt?"
Die Abgespalteten sammelten sich im September 1968 in dem „Kommunistisk Forbund (Marxister-Leninister)" und wählten Benito Scocozza an ihre Spitze. Die sehr rotchina-aus-
gerichtete Gruppe umfaßt heute etwa 150—-200 Mitglieder und konnte einige Anhänger des „Arbejdskreds" zu sich herüberziehen; ebenfalls glückte ihr ein Einbruch in die Mitgliederschaft der Jugendorganisation „Socialistik Ungdoms Forum", die 1961 im Rahmen der pazifistischen Anti-Atomkampagne entstanden war.
Ihr Organ „Kommunist" attackiert recht häufig den Atomsperrvertrag und wendet sich scharf gegen den Appel-Kreis mit seinem „revolutionär-romantischen Links-Opportunismus", der „mit Mao Tse-tungs Gedanken nichts gemeinsam" habe
Österreich
Während des Sommers 1963 kursierten in Wien anonyme „Offene Briefe" gegen die KPÖ. Als Herausgeber stellte sich später Franz Strobl heraus, der seit Kriegsende beim ZK der KPÖ Mitarbeiter der Abteilung „Presse und Schulung" und viele Jahre Redakteur beim theoretischen Organ der KPÖ gewesen war; auf seine Weigerung, der sowjetischen Verdammung Albaniens öffentlich beizupflichten, wurde er entlassen. Lange Zeit empfahl er den nach Peking tendierenden Mitgliedern der KPÖ, ihre Funktionen in der Partei zu halten und dort die Argumente der KPCh zu verbreiten. 1965 appelierte er dann an sie — sofern sie nicht schon in oft erniedrigenden Verfahren aus der KPÖ ausgeschlossen worden waren —, offen zu seinem Kreis überzuwechseln
Im Februar 1967 vollzogen die vielleicht 250 Sino-Kommunisten die Gründung der „Marxistisch-Leninistischen Partei Österreichs" (M. L. P. Ö.), an deren Spitze ein elfköpfiges ZK mit Franz Strobl als Erstem Sekretär steht. Ihr Ziel ist der Kommunismus Pekingscher Prägung, „jene Gesellschaftsordnung, in der es weder Ausbeutung des Menschen durch den Menschen noch Unfreiheit und Unterdrückung geben wird, in der der Mensch sich endgültig aus dem Tierreich gelöst hat und die eigentliche Geschichte der Menschheit beginnt, gegenüber der alles bisherige bloße Vorgeschichte war"
In diesem Sinne versicherte eine Grußbotschaft der M. L. P. Ö.der KPCh in Peking: „Wir Marxisten-Leninisten Österreichs, und mit uns alle wahren Revolutionäre der Welt, wissen uns eins mit den Trägern der großen proletari-sehen Kulturrevolution .. . Die revolutionäre Bewegung der ganzen Welt wird es Euch danken! Ihr seid die Pioniere der lichten Zukunft nicht nur Eures Landes, sondern der ganzen Erde!"
Bei den leidenschaftlichen Attacken der M. L. P. Ö. gegen die leitenden KPÖ-Funktionäre hatte es das Organ „Rote Fahne", das halb-monatlich erscheint und eine Auflage von 10 000 Exemplaren hat, nicht schwer: Es zitierte ihre Aussprüche über Stalin und Chruschtschow aus der Zeit, als diese noch an der Macht waren, und verglich die Erklärungen mit denen, die die Funktionäre nach der parteioffiziellen Verdammung der beiden Kreml-chefs abgaben. An die KPÖ-Mitglieder gewandt, fragte die Zeitung, was von der einstigen Kommunistischen Partei, von ihrer revolutionären Einstellung noch übriggeblieben sei —-ihre heutigen Parteiführer seien nur „die Verräter und Schänder der Arbeit einer ganzen Generation proletarischer Revolutionäre"
Relativ früh hatte sich auch eine M. L. P. O. -Jugendgruppe gebildet, deren Organ „Der Funke" durch eine besonders starke religionsund kirchenfeindliche Haltung auffiel: „Die Kirche hat im 20. Jahrhundert ihre Daseinsberechtigung verloren. Wir haben in diesem Jahrhundert einen neuen Menschen zu formen, der frei von allem überirdischen Hokuspokus ist."
Die „Marxistisch-Leninistische Partei Österreichs" erlebte bisher mehrere „Parteisäuberungen". Die Ausgestoßenen gruppierten sich um den bisherigen M. L. P. O. -Funktionär und das einstige Mitglied der KPO-Landesleitung 1968 die „Vereinigung Revolutionärer Arbeiter Österreichs (M. L.)" (V. R. A.). Der Kreis ist bis heute ohne Bedeutung geblieben. Sein Organ „Kommunist" greift die KPÖ aber auch die M. L. P. O. an; andererseits folgt es dem sowjetkommunistischen Standpunkt, wonach die freiheitlichen Regungen in der CSSR 1968 auf den Einfluß der Bundesrepublik Deutschland zurückzuführen seien. Durchweg aber bejaht das Blatt die Thesen Pekings uneingeschränkt. Den Start des ersten chinesischen Erdsatelliten umjubelte es mit den Worten: „Wenn dieser , rote Stern'aus dem Weltall das bekannte revolutionäre Lied Der Osten ist rot'ausstrahlt, kündet er den ausgebeuteten und unterdrückten Volksmassen und Nationen, daß in nicht ferner Zukunft der ganze Erdball rot sein wird!"
Niederlande
Im Sommer 1964 trat in Rotterdam ein „Mar-xistisch-Leninistisch-Centrum" mit einigen anonymen Broschüren auf, die von dem KPN-Bezirksleiter Nico Schrevel stammten. Mit starker Unterstützung der „Parti Communiste de Belgique" erschien kurz danach sein Blättchen „Spartacus". Im März 1965 schlossen sich die einzelnen Zirkel zum „Marxistisch-Lenini-stisch-Centrum-Nederland" (M. L. C. N.) zusammen. Die Führung liegt nach wie vor bei Schrevel, doch dominieren im weiteren Führungskreis heute die 19— 20jährigen. Die Mitgliederzahl dürfte sich auf rund 100 belaufen. Die Gruppe bemüht sich sehr, Einfluß bei den Hafenarbeitern zu gewinnen, für die sie auch ein Rechtsberatungsbüro einrichtete. Auf ihrem Anfang 19. 70 veranstalteten Kongreß veränderte das M. L. C. N.seinen Namen in „Kommunistische Eenheidsbeweging Nederland (m. 1.)" (K. E. N.)
Ihr Monatsorgan, die „rode tribune", erscheint in rund 3000 Exemplaren. Als es zu Beginn der
Kulturrevolution Mao Tse-tung als den „hochverehrten und geliebten Vorsitzenden aller Marxisten-Leninisten der Welt" bezeichnete, protestierten mehrere niederländische Peking-Kommunisten, diese Huldigung sei nicht „in der Sprache der niederländischen Arbeiterklasse" geschrieben und das Blatt solle statt dessen mehr auf das „kapitalistische Regime" in Holland eingehen. Als einziges chinesisch-kommunistisches Organ in Westeuropa versprach die „rode tribune" dann auch, wegen dieser Mao-Propaganda „Selbstkritik" zu üben
Mitte April 1964 war in Amsterdam die erste Ausgabe des anonymen Blättchens „de rode vlag" verteilt worden. Der Kreis, der sich um den. KPN-Distriktleiter Bischot scharte, versicherte, er wolle innerhalb der Kommunistischen Partei für die Wiederherstellung der marxistisch-leninistischen Prinzipien (chinesischer Provenienz) arbeiten und die KPN keinesfalls spalten. Diese Ziele verhinderten allerdings ein Zusammengehen mit dem „Centrum" ; selbst Pekings Drängen nach einer Fusion blieb erfolglos. Im März 1969 entstand dann schließlich der „Bond van Nederlandse Marxisten-Leninisten", dessen 50 Mitglieder sich in ihrer Deklaration zwar eindeutig für den China-, aber nicht eindeutig gegen den Sowjet-Kommunismus aussprechen.
Ihre Jugendgruppe „Rode Jeugd" zeichnet sich in ihren Blättern durch einen besonders drastischen Anti-Amerikanismus aus. Radikal verneinend ist auch ihre Haltung zu den Staats-organen Hollands: „Beantwortet die reaktionäre Gewalt mit progressiver Gewalt! Terrorisierl die Terroristen!"
Nach langen Differenzen spaltete sich im Herbst 1968 vom „Centrum" ein kleiner Kreis ab, der fortan als „Liga van Marxisten-Leninisten in Nederland" auftrat. Am 1. Mai 1969 wandelte sie sich in die „Marxistisch-Leninistische Partij van Nederland" (M. L. P. N.) um
Schweiz
Die erste westeuropäische Splittergruppe entstand am 1. September 1963 in Vevey, als der bisherige Funktionär der moskau-kommunistischen „Partei der Arbeit", Gerard Bulliard, nach Rückkehr aus Albanien die „Parti Com-muniste Suisse" ausrief. Ihr Ziel war, „das Volk zum Sieg, zum Sozialismus, zur Schweizerischen Volksrepublik" zu führen, wobei ihr primär Albanien und erst sekundär Rotchina als Beispiel dienten
Die „Partei der Arbeit" sah in den Abtrünnigen eine „kleine Gruppe politischer Wirrköpfe", die sie jedoch nie direkt verdammte, um dieser inzwischen über Peking ziemlich verbitterten Bulliard-Gruppe die Rückkehr nicht unmöglich zu machen.
Denn schon 1964 hatte „l'etincelle" wiederholt finanzielle Schwierigkeiten, und bald versicherte Bulliard, seinePartei sei „weder den Sowjets noch den Chinesen hörig"
Nach einer Nordafrika-Reise eines führenden Mitgliedes wurde der primitive Antisemitismus noch stärker, mit dem das Parteiorgan jetzt auch die Vorgänge in der Volksrepublik ind Mao, der ein. wahres Genie war, ist heute ur ein einfaches Opfer. Sein Alter erlaubt hm nicht mehr, sehr klar zu sehen."
isation des Communistes de Suisse (M. L.)" sieht die Zusammenfassung aller Marxisten-Leninisten im Lande vor, will „die marxistisch-
eninistischen Prinzipien gegen alle Revisionisten und Reformisten verteidigen" und „eine narxistisch-leninistische Partei aufbauen, die eine wahrhafte Avantgarde der Arbeiterklasse darstellt"
Die „Partei der Arbeit" reagiert auf die pro-chinesische Absplitterung recht empfindlich: Sie warnt vor den „maoistischen und anarchistischen Provokateuren" und hält es für notwendig, „daß die Arbeiterbewegung die patentierten Provokateure unschädlich macht, will sie nicht selber unter den Konsequenzen dieser Provokationen leiden müssen"
Norwegen, Finnland
Der heutige sino-kommunistische „Sosialistisk Ungdomsforbund" (S. U. F.) entstand 1963 als Jugendorganisation der Sozialistischen Volkspartei. Nach jahrelanger Unterwanderung setzte sich 1967 endgültig eine rotchinesische Linie durch. Die führenden Funktionäre sind Sigmund Gronmo und Viktor Stein; die rege Auslandsarbeit leitet das’ZK-Mitglied Harald Dahl. Die Zahl der einst pazifistisch orientierten Mitglieder scheint sich auf rund 3000 zu belaufen. Etwas höher liegt die Auflage ihres Monatsorgan „Rode Garde". Die Sozialistische Volkspartei führte 1969 gegen die „Pro-Chinesen" ein Partei-Ausschlußverfahren durch und löste mit Hilfe der Polizei ihre Versammlungen auf
Die Leser des „Klassekampen“
Die norwegische KP nahm im Streit zwischen Moskau und Peking sehr lange eine vermittelnde Rolle ein. Erst seit der Kulturrevolution gibt es vereinzelt Sino-Kommunisten. Sie zu sammeln, dürfte das Ziel der Monatszeitung „Klassekampen" sein, die seit Anfang 1969 erscheint und jetzt bereits eine Auflage von 18 000 Exemplaren hat. Neben der üblichen Propaganda der chinesisch-albanischen Thesen und neben den Attacken gegen die Sowjetunion und gegen die Vereinigten Staaten richtet sie scharfe Angriffe gegen die norwegischen Gewerkschaften und versucht, bei den Arbeitern und Fischern Einfluß zu gewinnen
In Finnland schlossen sich die Anti-Moskau-Kommunisten schon 1961 in der „Stiftung zum Studium des Sozialismus" zusammen, die un-ter dem einstigen KP-Redakteur Jarno Pennannen die Zeitschrift „Tilanne" publiziert. So willkommen dieser Kreis der KPCh auch anfangs war, so entsprechen auf die Dauer nur solche Gruppen den Vorstellungen Pekings, deren primäres Ziel die Propagierung des China-Kommunismus ist. Erst 1968 formierte sich eine „Helsingin Marxilais-Lenin-iläinen Seura", die anscheinend bisher aber nur sehr wenig Mitglieder hat; nichtsdestoweniger veröffentlicht sie seit vergangenem Sommer die Zeitschrift „Punakaarti". Zu den sogenannten „Stalinisten" der finnischen Kommunisten bestehen keine Verbindungen, da diese ihre Parteiführung gerade wegen ihrer unzulänglichen Moskau-Treue kritisieren
Bundesrepublik Deutschland
Im Sommer 1965 tauchte in der Bundesrepublik vorübergehend eine illegale „Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands" auf, die die kleinen anonymen Hefte „Sozialistisches Deutschland" verschickte. Darin hielt sie der illegalen KPD vor, sie sei „auf die Linie des sowjetischen Revisionismus" eingeschwenkt und mißachte „die nationalen Interessen des deutschen Volkes". Der Kreis rief in der KPD ziemliche Unruhe hervor, obwohl es sich um Einzelgänger außerhalb des eigentlichen KPD-Parteiapparates handelte
Außerdem kursierten in der Bundesrepublik die illegalen „Spartakus-Briefe"; ihre Bulletins sahen im Peking-Kommunismus humanitär-soziale Ideale, während sie den moskau-kommunistischen Funktionären vorhielten, „eine neue Klasse, losgelöst von den Massen", zu bilden
Im April 1967 enstand die prochinesische „Freie Sozialistische Partei (M. L.)". Zum Ersten Sekretär wurde Günter Ackermann aus Frankfurt bestimmt, Zweiter Sekretär war der Gastwirt Werner Heuzeroth aus Niederscheldehütte. Die Gruppe mit ihren knapp 30 Mitgliedern stand zwar mit anderen Splitterparteien in Verbindung, doch wurde sie von Peking nie anerkannt. Später schloß sie sich der „Kommunistischen Partei Deutschlands (MarxistenLeninisten)" an, zerstritt sich aber wieder mit ihr und gibt seit Anfang 1969 als „KPD-ML-Kreisverband Siegen-Olpe" wieder gelegentlich ihr Blättchen „Die Wahrheit" heraus
Im August 1967 erhielten KPD-Mitglieder das anonyme Bulletin „Roter Morgen" zugeschickt, dessen Artikel die illegale Partei charakterisierten: „Funktionäre belügen sich selbst, um in aufgebauschten Berichten ihre Existenzberechtigung gegenüber dem ZK nachzuweisen . . . Alte Genossen werden müde, junge Genossen verlassen nach kurzer Zeit unsere Reihen. Karrieremacherei, Korruption und Vetternwirtschaft . . . Kein offenes Wort. Kein Ansprechen der Probleme des Weltkommunismus, die praktisch alle bewegen . . . Kurz gesagt, der Zustand unserer Partei ist erbärmlich."
Als Verfasser stellte sich später Ernst Aust aus Hamburg vor, der lange Zeit Chefredakteur der kommunistisch eingestellten Wochen-zeitung „Blinkfüer" gewesen war und nunmehr Peking huldigte. Die DKP beschimpft ihn, „mit linksradikalen Phrasen das Geschäft des Antikommunismus zu betreiben"; er hingegen beschuldigt sie, „ihre Gründung der Absprache mit dem reaktionären bürgerlichen System (der Bundesrepublik) zu verdanken"
Unbestrittener Leiter der Partei ist nach wie vor Aust. Die von ihm genannte Zahl von „ 1000 Mitgliedern in 122 westdeutschen Orten" ist übertrieben; sie betrug damals nur 100 und scheint auch inzwischen nicht gestiegen zu sein
Zur Partei gehören auch die Jugendgruppen „Rote Garden", die angeblich 900 Mitglieder zählen. Die wichtigste Gruppe entstand 1968 in West-Berlin und veröffentlichte eine gleichnamige Zeitung; sie splitterte sich aber später in andere Linksgruppen auf. Die „Rote Garde Hamburgs" löste sich im März 1970 auf, weil „Haschischprobleme, kleinbürgerliche Zänkereien, Disziplinlosigkeit und opportunistische Strömungen" dominierten
Die Gruppen um die „Roten Briefe"
Die Gründung der KPD/ML hielt insbesondere der „Hamburger Initiativausschuß zur Bildung deutschland und West-Berlin" für verfrüht und schädlich
Die illegalen Parteien: Spanien, Portugal, Griechenland
Anfang 1964 bildeten sich in Spanien mehrere peking-kommunistische Zellen, die sich im Herbst gleichen Jahres zur „Partido Comunista de Espana (Marxista-Leninista)" zusammen-schlossen. Ihr Zentralorgan ist „Vanguardia Obrera", das in Paris gedruckt und von dort auf dem Postwege und durch Kuriere ins Land gebracht wird
Die Anhänger des „roten" Kommunismus reagierten auf die Aktivitäten des „gelben" Kommunismus sehr scharf; man glaubt, daß die Verhaftungen der knapp 100 Peking-Kommunisten im Juni 1964 durch die spanischen Organe auf Denunziationen zurückzuführen sind. Immer wieder greift die KP chinesischer Tendenz die KP sowjetischer Ausrichtung an, sie sei „statt einer Vorhut der Arbeiterklasse" zu einer „Nachhut der Kleinbourgeoisie" herabgesunken und falle bei Streiks in Spanien der Arbeiterschaft in den Rücken, nur um nicht den Handel des Franco-Systems mit dem Ostblock zu stören: „Welchen Interessen dient die gegenwärtige politische Führung der Kommunistischen Partei Spaniens? Der spanischen Revolution oder den wirtschaftlichen Interessen der UdSSR?"
Im Frühjahr 1964 organisierte sich in Portugal eine anti-revisionistische Gruppe „revoluo populär", aus der später das „Comite marxista-leninista portugues" hervorging. Sein Organ nennt sich „o proletaria", das ebenfalls aus Frankreich stammen dürfte
Die Kommunistische Partei hält der Gruppe vor, sie würde die Regierung in Lissabon — anstatt sie zu bekämpfen — unterstützen. Diese behauptet von der KP, sie hätte in ihrem Zentralorgan mehrere Mitglieder des „Comite" namentlich genannt und damit der portugiesischen Polizei wertvolle Hinweise gegeben
Die „Kampffront der Griechen im Ausland"
Die chinesische Propaganda begann — mit Hilfe der albanischen Botschaften in Osteuropa — bereits im Frühjahr 1962 auf Griechenland einzuwirken. Eine Splittergruppe entstand aber erst Anfang 1967 in Form der „Politischen Bewegung der konsequenten Linken" (S. P. A. K.); ihr Organ war die Wochen-zeitung„Laikos Dromos", deren Verbreitung wiederholt von den Anhängern der KP und EDA sabotiert wurde
Nach dem Obristen-Putsch 1967 bildeten sich illegal die „Antifaschistische Volksbewegung Griechenlands" (M. A. P. G.) und die „Griechische Antifaschistische Front", die sich zwar einer strengrevolutionären Diktion bedienen, aber sich zumindest gleichstark gegen die vor dem Putsch bestehenden Parteien wie gegen die neue Regierung richten
Im westeuropäischen Exil arbeitete schon vor dem Machtwechsel eine „Marxistisch-Leninistische Gruppe in der KP Griechenlands", die das größte Vertrauen der KPCh haben dürfte. In ihren Aufrufen attackiert sie Moskau, es würde die heutige Athener Regierung wirtschaftlich unterstützen und habe „so den Mördern beim Massenmord am griechischen Volk bestens gedient"
Eine neue Internationale?
Die Lenkung der Splittergruppen erfolgte bereits früh von Rotchina und Albanien aus. Die ersten Funktionäre werden in regelmäßigen Zeitabständen nach Tirana und die wichtigsten von ihnen auch nach Peking eingeladen. Schon im Anfangsstadium der Entwicklung bemühte sich Peking, mit der Zeitschrift „Revolution" eine internationale publizistische Plattform zu schaffen, die zugleich als Verbindungsorgan zwischen den einzelnen Rotchina-Gruppen gedacht war, jedoch — vielleicht wegen ihres zu intellektuellen Inhalts — Anfang 1965 ihr Erscheinen einstellte
In den letzten Jahren ist im Westen wiederholt von einer bevorstehenden Gründung einer auf Peking ausgerichteten (Fünften) Internationale gesprochen worden, die dann mit der von Moskau geführten (Dritten) Internationale rivalisieren würde. Auch Peking und Tirana haben diesen Gedanken mehrfach angedeutet