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Die Reform des Kabinetts | APuZ 43/1970 | bpb.de

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APuZ 43/1970 Die Reform des Kabinetts Funktionsmängel politischer Führungsorganisationen

Die Reform des Kabinetts

Arnd Morkel

/ 49 Minuten zu lesen

The diificulty of making up a Government is very mach like the difficulty of putting together a Chinese puzzle: the spaces do not suit what you have to put into them. And the difliculty of matching a Ministry is more than that of fitting a puzzle, because the Ministers to be put in can Object. One objector can throw out the Combination.

Walter Bagehot

Die Ziele der Kabinettsreform

Abbildung 1

Bei der Kabinettsreform in der Bundesrepublik geht es im wesentlichen um zweierlei: um eine Verkleinerung des Kabinetts und um eine Neugliederung der Ressortzuständigkeiten

Obwohl vor jeder Regierungsbildung angekündigt wurde, es werde weniger Minister geben, hat sich die Zahl der Regierungsmitglieder zwischen 1949 und 1966 um die Hälfte vermehrt. Gehörten der ersten Regierung Adenauer noch vierzehn Mitglieder an, einschließlich des Bundeskanzlers, so saßen 1953 schon neunzehn und 1955 bereits einundzwanzig Personen auf der Regierungsbank. 1957 verringerte sich ihre Zahl noch einmal auf achtzehn. 1961 waren es aber wieder einundzwanzig und 1964 sogar zweiundzwanzig Personen. Die Re-gierung der Großen Koalition zählte zwanzig Mitglieder 1).

Verglichen mit den Regierungen anderer Länder ist die Zahl von zwanzig Kabinettsmitgiedem nicht eben ungewöhnlich hoch. Die gleiche Zahl hat das britische Kabinett bereits zu Beginn dieses Jahrhunderts erreicht 4). Auch die Regierungen Italiens, Japans, Australiens, Kanadas haben in der Regel heute nicht weniger Mitglieder. Der französische Ministerrat unter Premierminister Chaban-Delmas umfaßt gegenwärtig neunzehn Minister und zwanzig stimmberechtigte Staatssekretäre Wesentlich kleiner sind lediglich das amerikanische Kabinett mit zwölf und der Schweizer Bundesrat mit sieben Mitgliedern

Die meisten Beobachter, nicht nur bei uns, halten ein Gremium von zwanzig Mitgliedern jedoch einfach für zu groß, um arbeitsfähig zu sein. Sie fordern eine Verkleinerung hauptsächlich aus zwei Gründen: einmal, um die Beratungs-und Entscheidungsfähigkeit des Regierungskollegiums zu erleichtern; zum anderen, um die Zusammenarbeit zwischen den Ressorts zu verbessern. Je größer ein Kabinett ist, so lautet die Argumentation, desto förmlicher, zeitraubender und unergiebiger werden die Sitzungen; desto mehr Rivalitäten treten auf; desto mühsamer wird die Verständigung, wer für was zuständig ist; desto größer wird der Koordinationsaufwand Zum letzten Punkt hatte der „Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung" schon vor Jahren festgestellt, daß jede „Vermehrung der Ministerien die Zahl der Ressortgrenzen und damit die Gefahr einer Dekonzentration . .. beträchtlich steigert, und zwar in einer steil ansteigenden Kurve. So beträgt die Zahl der Ressortgrenzen bei drei Ministerien: drei, bei vier Ministerien: sechs, bei neun Ministerien: sechsunddreißig und bei neunzehn Ministerien: einhundertundeinundsiebzig! Gewiß erschöpft sich das Problem nicht in diesem Rechenexempel. Es zeigt aber, welche Bedeutung die Errichtung eines einzigen neuen Ministeriums haben kann, wenn ein bestimmte Zahl überschritten ist."

Wann aber ist das der Fall? Hier gehen die Meinungen weit auseinander. Nach Ansicht des Bundestagsabgeordneten Claus Arndt genügen fünf bis sieben Minister 5). Der Verfassungsentwurf von Herrenchiemsee sah sieben bis acht Minister vor, denen unter Umständen zwei weitere Minister ohne Geschäftsbereich zur Seite stehen sollten Die von der Regierung Kiesinger/Brandt eingesetzte „Projektgruppe zur Regierungs-und Verwaltungsreform" befürwortete in ihrem ersten Bericht zwölf bis dreizehn Minister n). Ein davon abweichendes Votum hält fünfzehn Kabinetts-mitglieder gerade noch für vertretbar

Ein Blick auf die englische Literatur zeigt, daß auch hier die Größenangaben beträchtlich schwanken. A. Salter und L. S. Amery setzen sich für ein kleines Gremium ein, das aus höchstens vier bis sechs Ministern besteht Der „Haldane-Report" nennt die Zahl zwölf als obere Grenze. Für Herbert Morrison liegt die beste Größe bei etwa sechzehn bis achtzehn Kabinettsmitgliedern D. N. Chester spricht von achtzehn bis zwanzig Mitgliedern 15j.

Vergleicht man übrigens diese Zahlenangaben mit solchen aus dem vorigen Jahrhundert, so fällt auf, daß das, was heute vielfach als erstrebenswerte Größe gilt, in früheren Zeiten, als die Kabinette tatsächlich so klein waren, schon als zu umfangreich empfunden wurde. Offensichtlich trauert jedes Kabinett der Epoche nach, in der es aus weniger Mitgliedern bestand. Viscount Dudley, britischer Außenminister von 1827/28, brach nach einer Kabinettssitzung einmal in die Klage aus: „Wie schwierig ist es, eine Angelegenheit zu regeln, an der zwölf Leute teilhaben. Die Vernunft einer Partei scheint sich mit wachsender Zahl zu verflüchtigen." Wenige Jahre später schrieb Lord Brougham, die Erinnerung an Pitt's achtköpfiges Kabinett von 1784 mache „seinen Mund wäßrig": „Ich weiß nicht, welche Dinge wir . . . hätten unternehmen können, wenn wir acht anstatt vierzehn gewesen wären."

Gibt nicht vielleicht die moderne Organisationslehre einen Anhaltspunkt, welche Größe für ein Kabinett angemessen ist? Diese Lehre empfiehlt für leitende Gremien gewöhnlich sieben bis neun Mitglieder Doch wie der Bericht der Projektgruppe zurecht betont, lassen sich „die in der Organisationslehre für Gremien ganz anderer Aufgabenstellung genannten Zahlen keinesfalls auf den Zuschnitt einer Regierung übertragen. Auch ein Vergleich mit Leitungsgremien der Wirtschaft gibt wegen der Besonderheiten der einer Regierung als Ganzes gestellten Aufgaben nichts her"

Gewiß, „wenn ein Kabinett mehr als zwanzig Mitglieder hat, wird aller Voraussicht nach eine straffe und geschäftsmäßige Behandlung der zu beratenden Angelegenheiten nicht mehr möglich sein." Ob aber zehn, fünfzehn oder zwanzig Mitglieder die optimale Größe darstellen, hängt entscheidend von den beteiligten Personen selbst ab. Vor allem von dem Führungsstil und der Führungsfähigkeit des Regierungschefs. Adenauer konnte Kabinettssitzungen mit zwanzig Teilnehmern straff leiten; Erhard hätte wahrscheinlich auch bei nur zehn schon versagt Natürlich kommt es auch auf die betreffenden Minister an: ob sie sich kurz fassen oder ob sie reden, nur um sich reden zu hören usw. Vor verallgemeinernden Schlüssen sollte man sich allerdings hüten: „It is possible that in a smaller group ministers will size up their colleagues sooner and better; if so, this is likely to promote the rapid dispatch of business. In a larger Government, ministers have an opportunity to press their views during formal Cabinet sessions only; ceteris paribus, this tendsto slow up decisions. But it is equally possible to argue the reserve. The more formal character of a larger Cabinet limits the opportunity to discuss ideas prematurely, and gives less license to gossip or personal pressure! Generalization is therefore difficult."

Bei alledem darf man nicht vergessen, daß ein Kabinett nicht nur ein Arbeitsgremium, sondern auch ein Führungsorgan ist. Für dessen Größe gelten aber ganz andere Maßstäbe. Ist es für ein Arbeitsgremium im allgemeinen besser, wenn ihm nur wenige Mitglieder angehören, so gilt für ein Führungsgremium eher das umgekehrte. Führung setzt Gefolgschaft voraus. Eine Regierung, die ihrer Funktion als Führungsorgan nachkommen will, muß bestrebt sein, einen möglichst breiten Rückhalt im Parlament zu finden. Für den Regierungschef bedeutet das, daß er darauf bedacht sein muß, für die wichtigsten Mitglieder der Regierungsparteien wie für die Vertreter der maßgeblichen Gruppen einen Platz im Kabinett zu finden. Er muß an die Katholiken und an die Protestanten denken, an die Gewerkschaften, die Wirtschaftskreise, die Bauern, die Frauen, die Nord-und die Süddeutschen. Er muß Rücksicht auf die Wünsche der Koalitionspartner nehmen. (Wenn der kleinste Koalitionspartner aus Prestigegründen glaubt, auf mehreren Ministersitzen bestehen zu müssen, dann kann allein dies schon zu einer Aufblähung der Regierung führen.) Unter Umständen muß er einen Rivalen mit einem Kabinettssitz bedenken, um ihn der Regierungsdisziplin zu unterwerfen. All dies kann sehr leicht zur Folge haben, daß eine Regierung größer wird, als es aus sachlichen Gründen notwendig ist, und daß ein Regierungschef häufig nicht so sehr Minister für Ministerien suchen, als umgekehrt Ministerien für Minister schaffen muß.

Daneben können auch eigennützige Motive einen Regierungschef veranlassen, eher zu viele als zu wenig Mitglieder in sein Kabinett aufzunehmen. Je mehr Minister er nämlich ernennen kann, desto größer ist sein Patronagepotential, und desto leichter fällt es ihm, von einer der ältesten Herrschaftstechniken, dem „divide et impera", Gebrauch zu machen. Es spricht viel für die Vermutung, daß ein Regierungschef sich schwerer mit zehn als mit zwanzig Ministern tut. Im ersten Fall ist die Wahrscheinlichkeit groß, daß ihm zehn mächtige Feudalherren gegenüberstehen, die große Ressorts leiten und über einen starken Rückhalt in der Partei verfügen; im zweiten Fall hat er es aller Voraussicht nach mit einem Kollegium zu tun, in dem sich auch mehrere schwächere Minister befinden, Minister, die weder starke Parteipositionen besitzen noch große Ressorts hinter sich haben, die vielmehr in hohem Maße vom Regierungschef abhängig und infolgedessen auch leichter bereit sind, sich auf dessen Seite zu schlagen. Adenauer wußte das sicherlich. Er hätte sein Kabinett wohl kaum vergrößert, wenn er hätte befürchten müssen, daß dadurch seine Autorität geschmälert werden würde. Man sieht: Für die Größe eines Kabinetts sind zwei Gesichtspunkte maßgebend, die nicht ohne weiteres miteinander in Einklang zu bringen sind, die vielmehr in einer gewissen Spannung zueinander stehen. So angebracht es einerseits ist, eine Regierung möglichst klein zu halten, um ihre Beratungs-und Entscheidungsfähigkeit nicht aufs Spiel zu setzen, so empfehlenswert ist es andererseits aber auch, sie groß zu halten, um Platz für die führenden und einflußreichsten Mitglieder der Regierungsparteien zu haben und um die Position des Regierungschefs nicht zu gefährden.

Eng verflochten mit dem Problem der Größe des Kabinetts ist das Problem der Ressortabgrenzung. Mit Recht ist die Projektgruppe der Ansicht, „daß die Frage einer Verringerung der Zahl der Ressorts — abgesehen von den bei einer Kabinettsbildung maßgeblichen politischen Faktoren — vornehmlich unter dem Gesichtspunkt eines optimalen Ressortzuschnitts und einer sachgerechten Zuständigkeitsverteilung Bedeutung hat."

Ressortabgrenzungen sind oft weniger das Produkt vernünftiger Überlegungen als das Ergebnis von Macht-und Prestigekämpfen, bei denen jede Partei bestrebt ist, möglichst viele Kompetenzen an sich zu ziehen und möglichst wenige abzutreten 22). Manche Minister halten an einer einmal errungenen Zuständigkeit fest, als sei sie ihr Lehen. Als Paul Lücke 1961 vom Wohnungsbauministerium ins Innenministerium überwechselte, nahm er die Abteilung Raumordnung als Morgengabe in sein neues Ressort mit.

Unter diesen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, daß die Grenzen zwischen den Ressorts vielfach antiquiert, willkürlich oder zufällig sind. Die Zuständigkeiten überkreuzen, überlagern, vermischen sich. Nach einem Gutachten des Bundesrechnungshofes vom Dezember 1963 befaßten sich im Bereich der Bundesregierung insgesamt zweihundertdreißig Referate in fünfzehn Ressorts mit Entwicklungshilfe Nach einer Erhebung der Projektgruppe herrschten vor der Kabinettsreform vom Herbst 1969 auf über dreißig Gebieten Kompetenzstreitigkeiten

Diese Streitigkeiten belasten die interministerielle Zusammenarbeit. Es entstehen Reibungsverluste und Verzögerungen. Es kommt zu Doppelarbeit und Leerlauf. Der Aufwand, der nötig ist, um die beteiligten Ressorts an einen Tisch und ihre Interessen unter einen Hut zu bringen, wird immer größer. Man streitet sich mehr um Zuständigkeiten als um Sachen. Wo man Weitblick erwartet, findet man die Beteiligten von den inneren Problemen der Organisation überwältigt, und wo man glaubt, auf Initiative und Entscheidungsfreude rechnen zu können, stößt man auf einen zermürbenden Kampf um Zeichnungsbefugnisse. Im Labyrinth der Ausschüsse, Gremien, Kommissionen usw. geraten die Verantwortlichkeiten zunehmend ins Dunkel.

Auch in anderen Ländern empfindet man es heute als eine dringende Aufgabe, die Ressorteinteilung neu zu durchdenken, die Kompetenzen der Ministerien wieder schärfer voneinander abzugrenzen und sachlich zusammenhängende Aufgaben möglichst in jeweils einem Ressort zusammenzufassen.

Freilich lassen sich Ressortüberschneidungen nicht völlig beseitigen. Wie immer man die Zuständigkeiten der Minsterien auch voneinander abgrenzen mag, man wird es zum Beispiel nicht verhindern können, daß eine Aufgabe wie die Raumordnung die Interessen nahezu aller Ressorts berührt. Das gleiche gilt für viele andere Aufgaben auch. Die wechselseitige Abhängigkeit der verschiedenen Lebensbereiche macht eine Autarkie der einzelnen Ressorts unmöglich.

Mitunter empfiehlt es sich auch aus pragmatischen Erwägungen nicht, Ungereimtheiten zu korrigieren. „Wenn man an eine Reorganisation denkt, sollte man nicht vergessen, daß man es mit einer Gruppe oder Gruppen von arbeitenden Männern oder Frauen zu tun hat. Ein Ressort kann in theoretischer Hinsicht ein Unding und dennoch ein . glückliches Schiff'sein, und nur ein solches ist erfahrungsgemäß seetüchtig."

Manchmal sind Zuständigkeitsüberschneidungen sogar wünschenswert, nämlich dann, wenn durch eine Zusammenfassung der Kompetenzen in einer Hand das gewaltenteilende System der „checks and balances" innerhalb der Regierung in Frage gestellt würde. Das gilt auch für die von vielen geforderte Zusammenfassung der Konjunktur-und Finanzpolitik in einem Schatzamt nach britischem Muster 26). An sich hätte eine solche Zusammenfassung manches für sich. Die zunehmende Verflechtung der Wirtschafts-und Finanzpolitik legt es nahe, die monetären und fiskalischen Steuerungsinstrumente in einem Ressort zu konzentrieren, um einen möglichst großen Erfolg der Maßnahmen zu erzielen. Doch entstünde dadurch ein Mammutministerium, und die schon jetzt außerordentlich starke Stellung des Finanzministers würde vermutlich übermächtig. In diesem Falle könnte auch die Bundesbank kaum mehr das gewünschte Gegengewicht bilden.

Darüber hinaus darf man nicht vergessen, daß hinter Ressortkonflikten häufig rivalisierende gesellschaftliche Interessen stehen, die artikuliert und politisch ausgetragen werden sollten. (Was immer man gegen den Ressortegoismus auch einwenden mag: solange er diese Aufgabe erfüllt, ist er unentbehrlich.) So wichtig es zum Beispiel einerseits ist, die Sozialpolitik und die Wirtschaftspolitik aufeinander abzustimmen, damit die eine nicht der anderen das Wasser abgräbt, so wichtig ist es andererseits aber auch, die darin liegenden gesellschaftlichen Konflikte nicht zu eskamotieren, nicht zu früh und nicht im verborgenen zu regeln. Das letztere wäre aber der Fall, wenn man die beiden Ressorts vereinigen würde. Dann nämlich kämen die Konflikte nicht ins Kabinett, würden also auch nicht mehr mit politischen Mitteln entschieden, sondern von der Ministerialbürokratie neutralisiert, versachlicht oder weggeplant werden. Der Auffassung der Projektgruppe ist zuzustimmen, daß es grundsätzliche Zielkonflikte gibt, die im Gesamtinteresse zwischen den verschiedenen Ressorts ausgetragen werden müssen, bei denen es deshalb auch nicht ratsam ist, durch eine Konzentration der Kompetenzen in einem Haus die Konflikte zu verdrängen. „Soweit es sich um zentrale Fragen des staatlichen und gesellschaftlichen Lebens handelt, wird sich eine geteilte Zuständigkeit empfehlen, weil hier der notwendige Ausgleich nicht einem Ressort überlassen bleiben kann und eine Gegenkontrolle notwendig erscheint."

Für den Regierungschef bleibt noch ein anderer Gesichtspunkt zu beachten: Die Zusammenfassung von Aufgaben in einem Ressort verringert zwar den Koordinationsaufwand — innerhalb der Ministerien fällt die Koordination normalerweise leichter als zwischen ihnen —, vermindert aber auch leicht den Einfluß des Mannes an der Spitze der Regierung. Wie nicht zuletzt die französischen Erfahrungen zeigen, findet in einem Mammutministerium der Interessenausgleich im Ressort statt, wodurch die Rolle des Regierungschefs als Schiedsrichter zwischen den Ressorts beeinträchtigt wird

Auch eine zu präzise Ressortabgrenzung kann den Einfluß eines Regierungschefs schmälern. Es ist kein Zufall, daß erfolgreiche Regierungschefs häufig dazu neigen, die Zuständigkeiten der Regierungsämter nur ungenau zu umschreiben und einen gewissen Grad von Kompetenzwirrwarr zu dulden, in der festen Gewißheit, daß eben dies die Behörden-chefs zwingt, die Regierungsspitzen um Vermittlung zu bitten. Am virtuosesten hat sich in neuerer Zeit wohl Franklin D. Roosevelt dieser Technik bedient: „Seine Lieblingsmethode war es, die Erteilung von Befugnissen unvollständig, die Jurisdiktion ungewiß, die Satzungen einander überlappend zu lassen. Das Resultat dieser konkurrierenden Theorie der Administration war oft Konfusion und Verbitterung bei den Ausführenden; aber keine andere Methode könnte so zuverlässig sicherstellen, daß in einer ausgedehnten Ver-waltung, die von ehrgeizigen und machtgierigen Leuten wimmelte, die Entscheidungen beim Präsidenten blieben."

Mit anderen Worten: Ebensowenig wie die Frage nach der richtigen Größe eines Kabinetts erlaubt die Frage nach der richtigen Ressort-abgrenzung eine eindeutige Antwort; sie gestattet nur ein „einerseits — andererseits". So viel einerseits aus sachlichen Gründen dafür spricht, die ministeriellen Geschäftsbereiche scharf voneinander abzugrenzen, so wenig kann andererseits aus politischen Gründen auf Ressortüberschneidungen völlig verzichtet werden. Kurz: Kabinettsreform ist eine Sache des Augenmaßes, keine Reißbrettarbeit. Wie groß ein Kabinett sein soll und welche Ressort-abgrenzungen wünschenswert sind, ist nicht ein für allemal ausgemacht, sondern bleibt immer von neuem zu prüfen.

Dies alles muß man im Auge behalten, wenn man die Vorschläge zur Kabinettsreform näher betrachtet. Drei Gruppen von Vorschlägen lassen sich unterscheiden. Während die einen für ein Kabinett aus Ministern ohne Geschäftsbereich eintreten, die anderen ein Kernkabinett nach britischem Vorbild befürworten, empfehlen wiederum andere eine Verkleinerung des Kabinetts im Wege einer Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche.

Erstes Modell: Ein Kabinett aus Ministern ohne Geschäftsbereich

„Von Zeit zu Zeit", schreibt Herbert Morrison in seinem Buch „Regierung und Parlament in England", „wird immer wieder über die Ideal-form des Kabinetts diskutiert. Besonders hartnäckige Verfechter treten für eine Reform ein im Sinne eines kleinen Kabinetts, bestehend aus Ministern ohne Geschäftsbereich bzw. aus sozusagen die Oberaufsicht führenden Ministern. Für diese Auffassung wird ins Feld geführt, daß heutzutage die Arbeitslast der Minister, die zugleich ein Ministerium leiten, so groß ist, daß sie nicht genügend Zeit haben, um sich den Fragen der großen Politik unter einem weiteren Gesichtswinkel zu widmen und um die zahlreichen und oft umfangreichen Kabinettsakten und diplomatischen Korrespondenzen zu lesen, was doch Voraussetzung für eine ordnungsmäßige Erfüllung der Aufgaben eines Kabinettsministers sei. Man macht geltend, daß deshalb der Beitrag der Ressortminister an den Kabinettsberatungen Gefahr laufe, nicht den Anforderungen zu entsprechen, unvollkommen zu sein und zu große Rücksicht auf die Interessen und Gesichtspunkte des eigenen Geschäftsbereichs zu nehmen, und daß die Ressortminister infolgedessen eher zu falschen als zu richtigen Schlüssen kommen würden. Ein aus solchen Ministern zusammengesetztes Kabinett werde schwerfällig oder geistig unbeweglich werden. In dem kleinen Kabinett aus Ministern ohne Geschäftsbereich könnten dagegen die Beratungen gründlicher und intimer sein, die Kabinettsmitglieder hätten mehr Zeit, um zwischen den einzelnen Sitzungen über die zu beratenden Gegenstände nachzudenken; sie könnten die Kabinettsakten und anderes wichtiges Informationsmaterial aus amtlichen und nichtamtlichen Quellen viel gründlicher studieren und auswerten; die Aufgabe der Koordination der Arbeit der einzelnen Ministerien und die Aufsicht über diese könnte unter den Kabinettsmitgliedern verteilt werden; dadurch würde man zu den Problemen, die eine ganze Gruppe von Ressorts betreffen, über der Sache stehende Stellungnahmen erhalten, die auf überparteilichem Urteil beruhen und sich auf sorgfältige Beratungen mit den betroffenen Ministern und auf eigene Studien gründen. Auf diese Weise würde ein funktionelles Element in die Beratungen des Kabinetts eingeführt werden, ohne daß die Sonderinteressen der Ressorts in den Vordergrund träten. Ein solches Kabinett, ein Kabinett aus wenigen weisen Männern — so argumentiert man — würde ein besonders leistungsfähiges Instrument darstellen."

In England hat diesen Gedanken am nachhaltigsten Leopold S. Amery vertreten. In seinem* Buch „Thoughts on the Constitution" von 1947 entwickelt Amery die Idee eines „Policy Cabinet", bestehend aus etwa einem halben Dutzend Mitgliedern, die alle von den Alltagslasten eines Ressortchefs befreit sind. Aufgabe dieses Kabinetts soll es sein, die Grundlinien der Politik festzulegen und, mit Hilfe einer Reihe von Ausschüssen, zu deren Beratungen auch die jeweils betroffenen Minister hinzugezogen werden, die laufenden Geschäfte der Ressorts zu beaufsichtigen und zu koordinieren

Einen ähnlichen Vorschlag hat für die Bundesrepublik vor einigen Jahren Emil Guilleaume gemacht, Leitender Ministerialrat im Innenministerium von Schleswig-Holstein 34). Ausgehend von der Feststellung, daß sich politische Funktion und Verwaltungsführung in Aufgabenstellung und Arbeitsmethode unterscheiden, schlägt Guilleaume vor, das Amt des Ministers von dem des Ressortchefs zu trennen und die Regierung in ein politisches Kabinett und ein Verwaltungskabinett aufzugliedern. Die grundlegenden Fragen der Staatsführung sollten dem politischen Kabinett übertragen werden, einem kleinen Gremium, dem nur Politiker angehören, die von Verwaltungsausgaben entlastet sind und die deshalb auch genügend Zeit haben, die politische Zielsetzung der Regierung kontinuierlich zu erarbeiten und im öffentlichen Leben zu vertreten. Die Leitung des Ressorts hingegen sollte Verwaltungsfachleuten überlassen bleiben, die vom politischen Kabinett berufen und abberufen werden und die zusammen in einem Verwaltungskabinett die Aufgaben der Regierung als Verwaltungsorgan erfüllen.

So bestechend der Gedänke einer Trennung von Planung und Vollzug auch ist: seine Schwierigkeiten liegen dennoch auf der Hand. Wo endet die Politik und wo fängt die Verwaltung an? Lassen sich Politik und Verwaltung in der Praxis überhaupt deutlich voneinander trennen? Sind die Grenzen zwischen beiden Bereichen nicht vielmehr fließend? Und selbst wenn dies nicht der Fall wäre: Wäre eine solche scharfe Trennung, wie sie in den Vorschlägen von Amery und Guilleaume zum Ausdruck kommt, denn wünschenswert? Müßte man nicht befürchten, daß die am grünen Tisch geborenen Konzeptionen des politischen Kabinetts bloße Reißbrettstudien bleiben, praxisfremd und unrealistisch, weil ihren Verfassern die konkreten Verwaltungserfahrungen fehlen? Bestünde nicht überdies die Gefahr, daß es zwischen den politischen Ministern und den Verwaltungschefs zu ständigen Reibereien kommt, zu Kompetenzkonflikten, zu Macht-und Prestigekämpfen? Und würden sich in diesen Auseinandersetzungen nicht die letzteren durchsetzen, einfach deshalb, weil sie den Beamtenapparat hinter sich haben, weil sie über mehr Informationen verfügen, weil sie die Minister jederzeit mit material-und detailreichen Memoranden eindecken können? Wie wäre außerdem die Aufteilung der Befugnisse und Verantwortlichkeiten zwischen den Ministern, den Ressortchefs und den Beamten zu regeln? Wem wären die Ministerialbeamten verantwortlich? Könnte ein Minister im Parlament überhaupt für ein Ressort geradestehen, dessen Leiter er gar nicht ist 33)? Schließlich: Würde die Trennung in ein politisches Kabinett, in dem die politischen Entscheidungen fallen, und ein Verwaltungskabinett, das für die Fachfragen zuständig ist, nicht dem gerade in Deutschland weitverbreiteten, verhängnisvollen Vorurteil Vorschub leisten, das da lautet: es gebe auf der einen Seite den Politiker, der für die Akklamation und die Popularisierung sorge, von den Sachen selbst jedoch nichts verstehe, und es gebe auf der anderen Seite den Fachmann, der die wirkliche Arbeit leite?

Auch in England ist die Idee eines kleinen Kabinetts von Ministern ohne Ressortverantwortung nur in Ausnahmesituationen, nämlich während der beiden Weltkriege, verwirklicht worden, und auch da nur annähernd. 1916 bildete Lloyd George ein fünfköpfiges Kriegskabinett. Aber selbst in diesem Fall war es unumgänglich, wenigstens einen Ressortminister in das Kabinett aufzunehmen, den Schatzkanzler Bonar Law 36). Auch Churchill begann, nachdem er im Mai 1940 zum Premierminister ernannt worden war, mit fünf Kabinettsmitgliedern, von denen lediglich einer, der Außenminister, ein Ministerium leitete Im Interesse einer wirksamen Regierungsführung sah sich Churchill jedoch bald gezwungen, den Kreis der Kabinettsmitglieder zu erweitern und mehrere Ressortminister aufzunehmen. Im Oktober 1940 befanden sich bereits drei Ressortchefs im Kabinett, und zu den meisten Kabinettssitzungen wurden weitere hinzugezogen Als Grund hierfür gibt Churchill an: „Eine Gruppe von Staatsmännern, die über den Dingen stehen, ist, auch wenn ihre Autorität auf dem Papier noch so umfassend ist, ernstlich benachteiligt, wenn sie mit Ministern zu verhandeln hat, die an der Spitze der großen . . . Ämter stehen. . . . Die dem Kriegskabinett angehörenden Minister selber werden natürlich Bedenken tragen, dem mit allen Tatsachen und Zahlen vertrauten verantwortlichen Fachminister zu widersprechen. Infolgedessen können sie leicht nach und nach zu theoretischen Aufsehern und Kommentatoren werden, die jeden Tag ein gewaltiges Material von Akten verarbeiten, aber nicht recht wissen, was sie mit ihren Kenntnissen anfangen sollen, ohne mehr Schaden als Nutzen zu stiften. Manchmal können sie kaum etwas anderes tun, als bei Streitigkeiten zwischen verschiedenen Ministerien zu vermitteln oder einen Kompromiß zu finden." Abgesehen davon wollte Churchill in seiner engsten Umgebung auch keine Minister ohne Portefeuille haben: „Ich hatte lieber mit dem Chef einer bestimmten Organisation zu tun als mit einem Ratgeber. Es sollte jeder ein tüchtiges Tagewerk verrichten und für eine bestimmte Aufgabe verantwortlich sein, dann macht keiner Schwierigkeiten nur um ihrer selbst willen oder um persönlich eine gute Figur zu machen."

In Friedenszeiten haben erfahrene englische Autoren die Idee eines „Policy Cabinet" stets verworfen Der Haupteinwand ist der, daß man bezweifelt, daß ein Gremium, dem nur wenige Mitglieder angehören, die entscheidenden Männer der Regierungspartei umfassen könnte. „Das Kabinett soll nicht nur der an der Macht befindlichen Partei, sondern auch dem Unterhaus und dem ganzen Land politische Führung geben. Es darf deshalb nicht aus einer Schar von Männern bestehen, die hinter den Kulissen über die zukünftige Politik brüten, sondern seine Mitglieder müssen den engsten Kontakt mit dem Parlament und mit der öffentlichen Meinung pflegen und sich der Gefolgschaft und aktiven Unterstützung der verschiedensten Strömungen innerhalb der Partei versichern. Man kann sich kaum vorstellen, daß sechs Leute, wie auch immer man sie auswählt, dieser Aufgabe gewachsen wären. In jeder Partei gibt es zwei oder drei Männer, die ein ganz besonderes Ansehen genießen, aber es gibt doch wenigstens zehn andere, die auch etwas zu sagen haben und die das besondere Vertrauen einer bestimmten Sektion der Partei genießen. Es würde der Geschlossenheit der Partei abträglich sein, wenn man diese Männer nicht berücksichtigte, und man würde ernste Schwierigkeiten heraufbeschwören, wenn man energische und aufstrebende Minister abseits stehen ließe."

Daneben hält man es auch für unmöglich, die Befugnisse und Verantwortlichkeiten der Mitglieder des „Policy Cabinet 1'klar von denen der Ressortminister zu trennen. Man ist davon überzeugt, daß zwischen den beiden Gruppen ständig Meinungsverschiedenheiten aufbrechen, die die notwendige Regierungssolidarität beeinträchtigen. Auch kann man sich nicht vorstellen, daß Minister ohne Portefeuille sich auf die Dauer gegenüber Ressortchefs durchsetzen können. Ebensowenig glaubt man daran, daß ein „Policy Cabinet" imstande ist, realistische Konzeptionen zu entwerfen. „Man unterstelle einmal", schreibt Herbert Morrison, „daß zwischen den aufsichtsführenden Ministern und den Ressortministern keine Einigung zu erzielen ist. Was soll dann geschehen? Es entsteht jedenfalls eine höchst unerwünschte Situation, die womöglich das Eingreifen des Premierministers oder sogar des Kabinetts erforderlich macht, und die unvermeidlich zu einer Einbuße an jenem guten Willen und jenem kameradschaftlichen Geiste führen muß, wie sie Voraussetzung einer erfolgreichen Kabinettsarbeit sind." In der Regel, meint Morrison, gehe aus solchen Streitigkeiten der betreffende Ressortminister als Sieger hervor, „denn Ministerien sind sehr machtvolle Organisationen, und wenn bei einer solchen Fehde selbstverständlich die Stärke der Persönlichkeit auch ein Wort mitspricht, so muß man sich doch vergegenwärtigen, daß der aufsichtführende Minister es wahrscheinlich nicht nur mit dem Ressortminister allein aufzunehmen haben wird, sondern mit dem ganzen Ministerium, das aller Voraussicht nach hinter seinem Chef steht" Selbst wenn man dem aufsichtführenden Minister eine solche Macht gäbe, daß er für die ihm unterstellten Ministerien die oberste Instanz darstellte, so wäre auch dann seine Rolle nicht sehr attraktiv. „Er würde in seinem kleinen Büro ein einsames Leben führen, entweder wenig oder gar nichts zu tun haben oder sich seinen Weg gegen Widerstände und Friktionen mühsam erkämpfen müssen." „Tatsache ist, daß ein Friedens-kabinett aus Ministern ohne Portefeuille ein Gremium etwas vereinsamter Männer wäre, die vom Pulsschlag der Arbeit der Ressorts . . . ziemlich abgeschnitten wären. Es würde diesem Kabinett jene intime Erfahrung fehlen, die nur die tagtägliche Arbeit und Beschäftigung mit der Materie selbst gewinnen läßt, und die den Beitrag gerade der Ressortminister bei den Beratungen des Kabinetts so wertvoll macht."

Zweiter Vorschlag: Die Übernahme des britischen Kabinettssystems

Eine zweite Gruppe von Vorschlägen zur Kabinettsreform empfiehlt die Übernahme des britischen Kabinettssystems, dessen charakteristisches Merkmal die partielle Trennung von Regierungs-und Kabinettsmitgliedschaft ist 44).

Die englische Regierung umfaßt viele Personen. Zu ihr zählen nicht nur die etwa fünfunddreißig Minister mit und ohne Portefeuille, sondern auch die Staatsminister (heute über zwanzig), die parlamentarischen Staatssekretäre (über dreißig), die obersten Justizbeamten (Law Officers) und einige Personen des königlichen Haushalts. Aber bei weitem nicht alle davon haben Kabinettsrang. Der Regierung Wilson beispielsweise gehörten zeitweise ein-hundertzehn Personen an, von denen aber nie mehr als vierundzwanzig im Kabinett saßen.

Bis zu einem gewissen Grad liegt es in der Hand des Regierungschefs, wen er in sein Kabinett aufnimmt und wen nicht. Gewiß, die wichtigsten Ressorts werden stets im Kabinett vertreten sein; was aber die weniger wichtigen betrifft, so hängt es ganz vom Premierminister ab, ob er ihren Leitern Kabinettsrang verleiht oder nicht. Seit 1945 bleiben durchschnittlich fünf bis zehn Ressortchefs aus der Kabinettsrunde ausgeschlossen

Aber nicht nur Ressortminister gehören dem Kabinett an. Manchmal wird auch ein Staatsminister, der gar kein Ressort leitet, sondern praktisch stellvertretender Ressortchef ist, ins Kabinett ausgenommen Oder es kommt vor, daß ein Ministerium aufgelöst wird, der Minister hingegen im Kabinett bleibt er bekommt dann eines der Titularämter verliehen, die traditionellerweise im Kabinettskollegium Sitz und Stimme haben Den Ausschlag gibt dabei das politische Gewicht der betreffenden Persönlichkeit, überhaupt sind die Kriterien für die Aufnahme in das Kabinett weniger administrativer als politischer Art. Die Kabinettsmitglieder werden nicht so sehr gezählt als gewogen. . Minister, die dem Kabinett nicht angehören, sind allerdings nicht völlig von der Kabinetts-arbeit ausgeschlossen. Wie Morrison berichtet, werden sie „zu den Kabinettssitzungen zugezogen, in denen Angelegenheiten ihres Geschäftsbereiches beraten werden; auch wirken sie ... in den meisten Kabinettsausschüssen maßgeblich mit. Außerdem haben sie Zugang, wenn nicht zu allen, so doch zu einem großen Teil der Kabinettsakten . .. und es gehen ihnen regelmäßig die Tagesordnungen und die Protokolle der Kabinettsbeschlüsse zu. Infolgedessen sind sie über die meisten Vorgänge unterrichtet und können, wenn sie dies für tunlich halten, darum ersuchen, vom Kabinett gehört zu werden" Dennoch ist die Kluft zwischen dem Kabinett und den übrigen Regierungsmitgliedern groß Die letzteren haben Einfluß nur auf die Politik ihrer Ressorts, die ersteren bestimmen die allgemeine Politik — oder sollten sie wenigstens bestimmen. Denn daß im Kabinett heutzutage noch die allgemeine Politik beraten und entschieden wird, wird seit einigen Jahren von manchen Autoren, Wissenschaftlern wie Politikern, bezweifelt Wie auch immer es mit der Richtigkeit dieses Zweifels bestellt sein mag, Tatsache ist jedenfalls, daß sich seit geraumer Zeit innerhalb des Vollkabinetts ein Inneres Kabinett gebildet hat, dem gewöhnlich vier oder fünf der einflußreichsten Kabinettsmitglieder angehören, zwischen denen die wesentlichen diskutiert Dinge und vorentschieden werden, so daß bei den eigentlichen Kabinettssitzungen die wichtigsten politischen Kräfte bereits übereinstimmen In einzelnen Fällen blieb die Diskussion sogar völlig auf den „Inner Cercle" beschränkt; die übrigen Kabinettsmitglieder wurden entweder gar nicht gehört oder, wie bei der Suez-Invasion im Jahre 1956 vor vollendete Tatsachen gestellt, be-vor sie Zeit hatten, Einspruch zu erheben. Da das Innere Kabinett eine völlig informelle Einrichtung ist, hat der Premierminister bei der Wahl der Mitglieder eine noch viel größere Freiheit als bei der Auswahl der Kabinettsminister. Auch kann sich die Zusammensetzung von Fall zu Fall ändern

Der Vorzug des englischen Kabinettssystems liegt vor allem in seiner Flexibilität. Je nach den Erfordernissen der Situation kann der Premierminister bestimmte Ministerien in sein Kabinett aufnehmen oder davon ausschließen.

Er kann Politiker, auf deren Urteil er Wert legt, denen er aber nicht die Bürde eines Ressortleiters zumuten möchte, zu Titularministern ernennen, um sie auf diese Weise dennoch an der Formulierung der allgemeinen Politik mitwirken zu lassen. Er kann umgekehrt Minister, mit denen er nicht mehr zusammenarbeiten möchte, die er aber aus irgendeinem Grund nicht aus der Regierung ausschließen kann, aus dem Kabinett entfernen, ohne ihnen zugleich ihre Ämter zu nehmen. Er kann Ministern, die im allgemeinen keinen Sitz im Kabinett haben, vorübergehend Kabinettsrang verleihen, wenn die Aktualität ihrer Aufgabe es angezeigt scheinen läßt. Er kann Ressorts, deren Arbeitsbereich unüberschaubar geworden ist, durch zwei Minister im Kabinett vertreten sein lassen: durch den Ressortchef und durch einen Staatsminister Er kann Mini -sterien aufteilen oder neuschaffen, er kann Sonderminister einsetzen, ohne daß dadurch das Kabinett zu umfangreich und dadurch arbeitsunfähig werden müßte. Er kann aber auch, wenn das Kabinett zu groß geworden ist, ein kleines Führungsgremium bilden, welches die Arbeit des Kabinetts zum Teil vorwegnimmt. Angesichts dieser Vorzüge liegt es nahe, auch bei uns das britische Kabinettssystem einzuführen. Einige Autoren haben dies auch vorgeschlagen, unter anderem Jürgen Dennert, Theodor Eschenburg und Claus Arndt Letzterer empfiehlt, „das Bundeskabinett in einen politischen Kern, der aus dem Bundeskanzler und höchstens fünf bis sieben Bundesministern besteht, und in eine Gruppe von etwa zwanzig bis fünfundzwanzig Fachministerien aufzuspalten. Die eigentlichen politischen Entscheidungen blieben dann dem von Fachfragen weitgehendbefreiten inneren Kabinett vorbehalten. Die Fachministerien wiederum wären in Gruppen zusammenzufassen, deren Zahl der der Kabinettsmitglieder entspricht. Jeder Kabinettsminister sollte den ihm unterstellten Fachministern gegenüber voll weisungsbefugt sein. Im Rahmen der vom Kanzler bestimmten Richtlinien der Politik und der (so allgemein wie möglich zu haltenden) Weisungen des zuständigen Kabinettsministers verwaltete dann jeder Fachminister sein Ressort in eigener Verantwortung."

Wäre eine solche oder eine ähnliche Regelung aber überhaupt praktikabel? Ich glaube nicht. Nicht, weil Artikel 62 des Grundgesetzes, wonach die Bundesregierung aus dem Bundeskanzler und den Bundesministern besteht, ihr entgegenstünde — das ließe sich ändern —, sondern weil praktische Erwägungen sie ausschließen.

Wenn dem Kabinett höchstens fünf bis sieben Minister angehörten, dann hieße das, daß die Mehrzahl der Ressorts aus dem Kabinett ausgeschlossen werden müßte. Es wird wohl niemand im Ernst behaupten wollen, daß die betroffenen Minister bzw. die Parteien, die hinter ihnen stehen, eine solche Degradierung schweigend hinnähmen. Auch wäre es zweifelhaft, ob die wichtigsten Parteipolitiker, die im Kabinett zu versammeln . im Interesse des Bundeskanzlers liegt, in einem so kleinen remium Platz fänden, zumal im Falle einer Koalitionsregierung, die bei uns die Regel ist.

Sodann: Kann man sich wirklich vorstellen, daß ein Kabinettsminister, der ein großes Ressort leitet, auch noch imstande ist, mehrere Fachressorts zu beaufsichtigen und zu koordinieren? Und ist es nicht eine Illusion zu glauben, ein Minister ohne Kabinettsrang, z. B.der Landwirtschaftsminister, nähme von dem für ihn zuständigen Kabinettsmitglied, in diesem Falle wohl von dem Wirtschaftsminister, Weisungen entgegen? Wenn Arndt schreibt, die Weisungen sollten „so allgemein wie möglich" gehalten sein, dann macht das die Sache nicht einleuchtender. Entweder die Weisungen sind allgemein — dann bedeuten sie überhaupt nichts, oder sie sind konkret und werden vermutlich nur dann befolgt, wenn sie im Sinne des Fachministers liegen. Das heißt aber, daß man bei einer Zweiteilung der Regierung laufend Auseinandersetzungen zwischen den Kabinettsministern und den übrigen Regierungsmitgliedern befürchten müßte (ähnlich wie bei dem Modell Amerys), Auseinandersetzungen, die die Regierungsarbeit zu lähmen drohen.

Wie stünde es ferner um den Einfluß des Bundeskanzlers? Wäre er nicht hoffnungslos seinen wenigen Kabinettskollegen unterlegen, die praktisch die Funktion von Unterkanzlern hätten, zumal sie — und nicht der Regierungschef — den Kabinettsausschüssen vorsitzen sollen?

Irrig wäre es, wollte man Arndt's Konzept eines Kernkabinetts mit dem Inneren Kabinett in England in Beziehung bringen. Der Haupt-unterschied besteht darin, daß das Innere Kabinett eine gänzlich informelle Institution ist. Es funktioniert nur, weil es völlig in der Hand des Premierministers liegt, ob er dieses Gremium einberuft oder nicht und wen er zu den Beratungen hinzuzieht und wen nicht; weil die Beschlüsse dieses Gremiums keinerlei Verbindlichkeit besitzen, und weil der Regierungschef, sollte er einmal im „InnerCercle" aufWiderstand stoßen, jederzeit die Möglichkeit hat, die strittige Angelegenheit dem Gesamtkabinett zu unterbreiten. Ein solches Inneres Kabinett bei uns einzuführen wäre unter den gegenwärtigen Umständen undenkbar. Es würde dies eine Elastizität des Regierungsapparates und eine Freiheit des Regierungschefs in der Wahl seiner Minister voraussetzen, die es bei uns nicht gibt und die es in absehbarer Zeit auch nicht geben wird. Wenn man das englische Kabinettssystem tatsächlich übernehmen will, dann wird man nicht darum herumkommen, im Interesse einer wirksamen Regierung alle wichtigen Ressorts in das Kabinett aufzunehmen. In unserem Falle wären das mindestens zehn, wenn nicht zwölf: das Auswärtige Amt, das Innen-, Justiz-, Finanz-, Verteidigungs-, Wirtschafts-, Landwirtschafts-, Arbeits-, Verkehrs-und Wissenschaftsministerium, das Entwicklungshilfeministerium und das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen. Das würde bedeuten, daß — wenn man von den Verhältnissen zur Zeit der Großen Koalition ausgeht — sieben Ressorts außerhalb des Kabinetts blieben: das Post-, Familien-, Gesundheits-, Schatz-, Vertriebenen-, Wohnungs-und Bundesratsministerium.

Ein solches Zahlenverhältnis zwischen Ministern innerhalb und außerhalb des Kabinetts macht aber eine Einführung des britischen Kabinettssystems so gut wie unmöglich. Niemand kann von neunzehn Ministern sieben aus dem Kabinett ausschließen, ohne dadurch schier unlösbare Schwierigkeiten heraufzubeschwören. Denn was wäre die Folge einer solchen Maßnahme? Die Ausgeschlossenen wären verärgert, verletzt oder deprimiert. Die Öffentlichkeit nähme sie kaum ernst. Ihre Beamten kämen sich als zweitklassig vor. Die entsprechenden gesellschaftlichen Gruppen schlössen aus der Nichteinbeziehung in das Kabinett, die Regierung sei an ihren Angelegenheiten nicht interessiert. Die Parteien, die die Minister stellen, wären unzufrieden, weil diese im Kabinett keine Stimme hätten. Die Minister selbst empfänden gegenüber der Regierung möglicherweise nicht dieselbe Solidarität wie die Kabinettsmitglieder

So paradox es klingt: Nur wenn man zuvor die Zahl der Ressorts drastisch erhöhen würde, könnte man eine Reihe von Ministerien aus dem Kabinett ausschließen. Denn daß in England ein solcher Ausschluß möglich ist, hängt eben mit der Vielzahl der Regierungsmitglieder zusammen. Wenn, wie es in England der Fall ist, etwa fünfunddreißig Minister fungieren (ohne die Staatsminister und ohne die Parlamentarischen Staatssekretäre, die sogenann-ten Junior-Minister) und der Regierung annähernd hundert Personen oder mehr angehören, dann ist es für jedermann selbstverständlich, daß davon nur eine Minderheit Sitz und Stimme im Kabinett beanspruchen kann.

Nun gibt es Autoren, die auch bei uns eine Reihe zusätzlicher Ressorts für denkbar, wenn nicht sogar für wünschenswert halten Sie begründen dies damit, daß die meisten Ressorts heute zu groß seien, daß Mammutressorts aber zwangsläufig viele Aufgaben vernachlässigen müßten und außerdem politisch schwer kontrolliert werden könnten, so daß es besser wäre, statt dessen eine Vielzahl kleiner und überschaubarer Ministerien zu bilden, die sich jeweils einem einzigen Aufgabengebiet intensiv widmen könnten.

Ein solcher Vorteil wäre jedoch mit zwei entscheidenden Nachteilen erkauft: zum einen würde der Koordinierungsaufwand innerhalb der Bundesregierung dadurch noch mehr anwachsen, zum andern würde sich der Druck der Verbände auf die Ministerialbürokratie erheblich verstärken. Je kleiner ein Ministerium ist, desto größer ist die Gefahr, daß es ein Klientelministerium wird und partikulären Interessen zugänglich ist Ein eigenes Maschinenbauministerium zum Beispiel wäre dem Druck der betreffenden Interessenten in noch viel höherem Maße ausgeliefert als heute das Wirtschaftsministerium, das immer zwischen vielen verschiedenartigen Interessen ausgleichen muß. Es ist eine alte Erfahrung, daß jeder Interessenbereich auf die Errichtung eines eigenen, nur für ihn zuständigen Ressorts (oder wenigstens einer eigenen Abteilung in diesem Ressort) drängt, um seinen Einfluß nicht mit anderen Gruppen teilen zu müssen.

Schließlich spricht noch eine andere Überlegung gegen eine Unterscheidung von Ministern mit und ohne Kabinettsrang. Eine solche Auffächerung setzte nämlich die Regierungschefs und die Parteien fortwährend der Versuchung aus, neue Ressorts zu schaffen, um ihre Anhänger zufriedenzustellen und ihre Machtbasis zu verbreitern. Man braucht nur an die zahlreichen Versuche der letzten zwanzig Jahre zu denken, ein Europa-, ein Mittelstands-, ein Sportministerium zu errichten, ein Ministerium für öffentliche Bauten, für Kriegsopfer usw. Was wäre aus diesen Versuchen geworden, hätte man die Zahl der Ressorts beliebig vermehren können, ohne dadurch das Kabinett arbeitsunfähig zu machen? Solange die Verfassung bindend vorschreibt, daß alle Minister im Kabinett sein müssen, ist einer beliebigen Vermehrung der Ressorts wenigstens ein gewisser Riegel vorgeschoben, was man nicht unterschätzen sollte.

Auch in England sind sich viele Beobachter heute darin einig, daß die Möglichkeit des Premierministers, neue Ressorts zu schaffen, ohne dadurch die Beratungs-und Entscheidungsfähigkeit des Kabinetts zu beeinträchtigen, zu einem Wildwuchs der „machinery of government" geführt hat, die auf ein vernünftiges Maß zurückzuschneiden eine der dringendsten Aufgaben einer neuen „HaldaneCommission*'wäre.

Dritter Vorschlag: Auflösung von Ressorts und Neuabgrenzung der ministeriellen Geschäftsbereiche

Eine dritte Gruppe von Vorschlägen zur Kabinettsreform befürwortet die Auflösung einer Reihe von Ressorts und eine Neuabgrenzung der ministeriellen Geschäftsbereiche. Unter den gegebenen Umständen scheint mir dies die realistischste Lösung zu sein.

Die Frage ist, welche Ressorts aufgelöst bzw. mit anderen Ministerien zusammengelegt und wie die Zuständigkeiten zwischen den Ressorts abgegrenzt werden sollen. Hier gibt es eine Reihe von Vorschlägen Am ausführlichsten sind die der Projektgruppe ).

Nach diesen Vorschlägen sollten sieben Ressorts aufgelöst und die ministeriellen Zuständigkeitsbereiche allgemein so aufgeteilt werden, daß möglichst wenig Ressortüberschneidungen auftreten und annähernd gleichgewichtige und in sich abgewogene Ministerien entstehen. Erhalten bleiben sollten einmal die „klassischen" Ressorts: das Auswärtige Amt, das Innen-, das Justiz-, das Finanz-und das Verteidigungsministerium; ferner die „neuklassischen“ Ministerien: das Wirtschafts-, das Landwirtschafts-, das Arbeits-und das Verkehrsministerium. Wegen der überragenden Bedeutung von Technik und Wissenschaft für die moderne Gesellschaft sollte auch das Wissenschaftsministerium weiter bestehenbleiben. Desgleichen das Post-und das Gesamtdeutsche

Ministerium: zwar zählten ursprünglich beide zu dem Kreis der auflösungsverdächtigen Ressorts, doch kam man zu dem Schluß, sie nicht abzuschaffen, wobei im ersten Fall praktische Erwägungen, im zweiten Fall politische Gründe ins Feld geführt wurden.

Hingegen sollten aufgelöst werden: das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit, das Vertriebenen-, das Bundesrats-, das Schatz-, das Familien-, das Gesundheits-und das Wohnungsbauministerium.

Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit sollte in das Auswärtige Amt eingegliedert werden, das Vertriebenenministerium in das Innenministerium, das Bundesratsministerium in das Bundeskanzleramt und das Schatzministerium entweder gänzlich in das Finanzministerium oder in dieses und in das Wirtschaftsministerium. Für die Aufteilung der übrigen Ministerien entwickelte die Projekt-gruppe drei Alternativen:

Die erste Alternative sah die Errichtung eines Ministeriums für soziale Fragen vor. Dem neuen Ministerium sollten übertragen werden: die Aufgaben des Familienministeriums, ein Großteil der Aufgaben des Gesundheitsministeriums, die Abteilung Wohnungswesen des Wohnungsbauministeriums, die Sozialabteilung des Innenministeriums und die Unterabteilung Veterinärwesen des Landwirtschaftsministeriums. An sich hätte es nahegelegen, diese Aufgaben dem Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung zu übertragen, doch riet die Projektgruppe davon mit der Begründung ab, dadurch entstünde ein Überministerium, welches die Ausgewogenheit innerhalb der Regierung stören müßte. — Die noch ver15 bleibenden Aufgaben der aufzulösenden Ministerien — die Abteilung Städtebau des Wohnungsbauministeriums und die Abteilung Wasserwirtschaft, Reinhaltung der Luft und Lärm-bekämpfung aus dem Gesundheitsministerium — sollten bei dieser Alternative in das Innenministerium überführt werden.

Als zweite Alternative schlug die Projekt-gruppe vor, ein Bundesministerium für Strukturfragen zu errichten. In ihm sollten zusammengezogen werden: die Aufgaben auf dem Gebiet der Raumordnung aus dem Innenministerium, des Städtebaus und des Wohnungswesens aus dem Wohnungsbauministerium, der Reinhaltung von Wasser und Luft sowie der Lärmbekämpfung aus dem Gesundheitsmi

Die Reform des Kabinetts vom Herbst 1969

Die Kabinettsreform nach der Bundestagswahl 1969 berücksichtigte die Vorschläge der Projektgruppe, wenn auch nicht vollständig: Fünf Ministerien wurden aufgelöst oder mit anderen Ministerien vereinigt: das Vertriebenen-, das Gesundheits-, das Schatz-, das Bundesratsund das Postministerium. Das Vertriebenen-ministerium ging, von geringen Ausnahmen abgesehen, im Innenministerium auf. Das Gesundheitsministerium wanderte zum großen Teil ins Familienministerium und bildet nun zusammen mit diesem ein Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Das Schatzministerium wurde dem Finanzressort zugeschlagen; lediglich die Verwaltung des ERP-Sondervermögens wurde dem Wirtschaftsministerium übertragen. In die Erbmasse des kleinen Bundesratsministeriums teilten sich mehrere Ressorts; der politische Kern wurde im Bundeskanzleramt angesiedelt. Die Post wurde dem Verkehrsminister unterstellt, doch soll diese Lösung nur vorläufig gelten. Nach dem Beispiel der Bundesbahn soll die Post m eine bundeseigene Anstalt umgewandelt werden, wie es eine Sachverständigen-kommission schon im Jahre 1965 vorgeschlagen hat 66).

Aber auch zwischen den weiterbestehenden Ressorts wurden Flurbereinigungen vorgenommen. Um die wichtigsten aufzuzählen: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die bisher im Innenministerium ressortiert war, und die Finanzgerichtsbarkeit, die bislang dem Finanz-nisterium und des Naturschutzes aus dem Landwirtschaftsministerium. Die Aufgaben des Familienministeriums und die der Humanmedizin, der Veterinärmedizin und des Lebensmittelwesens sollten dem Innenministerium übertragen werden.

Als dritte Alternative empfahl die Projekt-gruppe, von der Bildung eines neuen Ressorts abzusehen und statt dessen das Familien-, das Gesundheits-und das Wohnungsbauministerium in das Innenministerium einzugliedern.

Was die Ressorts betrifft, die nicht aufgelöst werden sollten, so schlug die Projektgruppe in einer Reihe von Fällen eine Neuabgrenzung der Geschäftsbereiche vor, auf die hier jedoch nicht weiter eingegangen zu werden braucht. minister unterstand, wurden dem Justizministerium übertragen. Damit ist der Anfang zu einem Rechtspflegeministerium gemacht. Die wünschenswerte Vereinheitlichung der unterschiedlichen Prozeßordnungen wird dadurch erleichtert. Die Sozialabteilung des Innenministeriums ging zum Teil an das Arbeitsministerium, zum Teil an das Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Die Referate für Bildung und Studentenförderung gingen an das Ministerium für Bildung und Wissenschaft Dafür bekam das Innenministerium aus dem ehemaligen Gesundheitsressort die Abteilung Reinhaltung von Wasser und Luft sowie Lärmbekämpfung zugesprochen. Aus dem Landwirtschaftsministerium wurden die Kompetenzen für Verbraucherangelegenheiten ausgegliedert. Sie werden heute ebenso wie die Aufgaben des Veterinärwesens im Familien-ministerium bearbeitet. Völlig unverändert blieben nur zwei Ressorts-Das Auswärtige Amt und das Ministerium für innerdeutsche Beziehungen.

Mit diesen organisatorischen Änderungen kann sich die neue Bundesregierung rühmen, als erste mit der nunmehr schon seit über zehn Jahren von allen Parteien und Regierungen geforderten oder versprochenen Kabinettsreform Ernst gemacht zu haben. Brandt hatte es dabei insofern wohl etwas leichter als seine Vorgänger, als seine Partei disziplinierter ist als die CDU/CSU, die trotz ihrer Fraktionsein-B heit die Ministerien stets unter sich so aufteilten, als seien sie zwei Parteien

Obwohl das Erreichte gegenüber dem früheren Zustand zweifellos eine große Verbesserung darstellt, gäbe es noch manches zu reformieren. So sollte man neben der Finanz-und Verwaltungsgerichtsbarkeit auch die Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit dem Justizressort übertragen. Damit wäre der Weg zu einem Rechtspflegeministerium endgültig frei. Ursprünglich hatte man dies auch geplant, jedoch auf Einspruch der Gewerkschaften unterlassen, die die Arbeits-und Sozialgerichtsbarkeit offensichtlich als ein Art „Hausgerichtsbarkeit" des Arbeitsministeriums betrachten.

Auf das Bundesministerium für Wohnungsbau und Städtewesen hätte man ruhig verzichten können. Seine Aufgaben wären im Innenministerium, das ohnehin für die Raumordnung zuständig ist, gut aufgehoben gewesen. Diese im Zuge der Kabinettsreform anfänglich auch vorgesehene Lösung scheiterte am Widerstand der Kommunalorganisationen.

Noch besser wäre es gewesen, hätte man die Raumordnung aus dem Innenministerium ausgegliedert und zusammen mit den Aufgaben des Wohnungsbauministeriums und einem Teil der Aufgaben des Gesundheitsministeriums in ein neues Ministerium für Raumordnung und Umweltschutz eingebracht. Die industrielle Gesellschaft ist heute auf dem besten Wege, ihre natürlichen Lebensbedingungen zu zerstören und ihre Umwelt unbewohnbar zu machen. Man braucht kein Prophet zu sein, um vorauszusagen, daß dem Schutz der Umwelt und der natürlichen Lebensgrundlagen künftig der Vorrang vor allen anderen Überlegungen eingeräumt werden muß.

Eine solche Aufgabe schließt Raumordnung, Städtebau und Wohnungswesen ebenso ein wie Natur-und Landschaftsschutz, Lärmbekämpfung, Abfallbeseitigung, Reinhaltung von Wasser und Luft usw. Solange diese Aufgaben auf verschiedene Ressorts verstreut sind, wird man kaum erwarten können, daß sie wirksam gelöst werden. Der Naturschutz zum Beispiel liegt heute in den Händen des Landwirtschaftsministeriums, obwohl er dort schlecht aufgehoben ist, da die Landwirte in ihm eher einen Hemmschuh sehen.

Theoretisch wäre es denkbar, alle diese Aufgaben in einem schon bestehenden Ressort, etwa dem Innenministerium, zu konzentrieren. Praktisch wäre eine solche Lösung aber kaum effektiv, jedenfalls nicht so effektiv, wie sie im Interesse der Aufgabe sein muß. Raumordnung und Umweltschutz gehören nicht zu den Aufgaben, für die sich mächtige Interessengruppen einsetzen; eher zählen sie zu den vernachlässigten Bereichen des Lebens, die unter einer deutlichen Diskriminierung leiden. Wer auf diesem Gebiet etwas unternehmen will, ruft zwangsläufig den Widerstand vieler Ressorts — vor allem des Wirtschafts-, des Landwirtschafts-, des Verkehrs-und des Finanzministeriums und der hinter ihnen stehenden Lobbies auf den Plan, und gerät außerdem mit den Interessen der Länder und Gemeinden in Konflikt, die in diesen Fragen große Rechte besitzen. Raumordnung und Umweltfragen lassen sich daher auch nicht isoliert behandeln, sondern setzen eine enge Zusammenarbeit zwischen den Ressorts und zwischen Bund, Ländern und Gemeinden voraus. Diese Zusammenarbeit ist alles andere als einfach. Wer hier erfolgreich sein will, muß nicht nur in der Lage sein, sich gegen den massiven Druck zahlreicher Ressorts durchzusetzen, die die Erfordernisse der Raumordnung und den Schutz der Umwelt für gewöhnlich ignorieren oder bagatellisieren er muß es auch verstehen, die Länder und Gemeinden dazu zu bringen, auf einen Teil ihrer Zuständigkeiten zugunsten einer Konkurrierenden Gesetzgebung oder einer Bundesrahmenkompetenz zu verzichten. Organisationseinheiten unterhalb der ministeriellen Ebene sind hierzu wohl kaum imstande. (Man überlege einmal, was aus Wissenschaft und Bildung geworden wäre, wenn dafür lediglich ein oder zwei Abteilungsleiter und eine Anzahl von Referenten, dazu noch in verschiedenen Ministerien, zuständig gewesen wären.) Eine so schwierige Aufgabe kann nur von einer eigenen starken Behörde mit umfassenden Kompetenzen gelöst werden, die im Kabinett vertreten ist und an deren Spitze ein Minister steht, der gleichberechtigt mit anderen Ministern verhandeln kann und dessen Eintreten für die Erfordernisse der Raumordnung und des Umweltschutzes nicht durch an-dere Ressortaufgaben und Ressortinteressen behindert wird

Abgesehen davon, spricht für ein eigenes Ministerium auch die Überlegung, daß zur Lösung der Umweltprobleme besondere Arbeitsmethoden und Denkweisen nötig sind, spezifische Kenntnisse gebraucht werden, eigene Fachleute herangebildet werden müssen, und daß all dies, wie das Beispiel der Entwicklungshilfe zeigt, am ehesten in einem eigenen, speziell für diese Aufgabe geschaffenen Ressort sich verwirklichen läßt. Eine neue Aufgabe einer alten Institution anzuvertrauen ist häufig der sicherste Weg, um zu verhindern, daß die Aufgabe gelöst wird.

Umstritten sind nach wie vor die Zuständigkeitsregelungen auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe. Der Kompetenzwirrwarr ist hier notorisch

Bevor 1961 das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit gegründet wurde, lag die Entwicklungshilfe vornehmlich in den Händen des Auswärtigen Amtes und des Wirtschaftsministeriums* ). Daran änderte sich auch nach Gründung des neuen Ressorts zunächst nichts. Jahrelang blieb es ohne sachliche Zuständigkeiten. Erst nach einem dreijährigen Verwaltungskrieg, der alle Beteiligten Geld, Zeit und Nerven kostete, beschloß das Bundeskabinett Ende 1964 eine Neuregelung. Danach wurde das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit formell zuständig „für die Grundsätze, das Programm und die Koordinierung der Ent-wicklungspolitik". Wegen der außenpolitischen Bedeutung der Entwicklungshilfe muß es sich dabei jedoch mit dem Auswärtigen Amt abstimmen. Auch bei einzelnen Hilfsmaßnahmen ist es gehalten, das Einverständnis des Auswärtigen Amtes einzuholen. Die Kapital-hilfe, die etwa die Hälfte der Entwicklungshilfe ausmacht, blieb beim Wirtschaftsministerium. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit bekam lediglich die Zuständigkeit für die technische Hilfe (Ausbildungshilfe, Sozialstrukturhilfe, Entsendung von Experten und Entwicklungshelfern) zugesprochen.

Diese Zuständigkeitsregelung, die im wesentlichen noch heute gilt, hat das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit vielerorts in den Ruf gebracht, überflüssig zu sein. Was soll auch ein Ministerium, welches für einen Großteil seiner Aufgaben entweder nicht oder nicht allein zuständig ist?

In ihrem Bericht zur Reform der Bundesregierung hat die Projektgruppe vorgeschlagen, das Entwicklungshilfeministerium aufzulösen und als besondere Organisationseinheit dem Auswärtigen Amt einzugliedern Ob das jedoch eine gute Lösung wäre, läßt sich bezweifeln. Selbst wenn man davon'ausgeht, daß Außenpolitik gegenüber Entwicklungsländern in erster Linie Entwicklungspolitik sein sollte, werden sich Spannungen zwischen den beiden „Politiken" kaum vermeiden lassen. Angenommen, die Entwicklungshilfe würde vom Auswärtigen Amt entworfen und durchgeführt, müßte man dann nicht befürchten, daß langfristige Interessen häufig dem Wunsch nach kurzfristigem Nutzen geopfert würden? Wäre nicht die Versuchung groß, jeweils dort Hilfe zu gewähren bzw. nicht zu gewähren, wo es aus politischen Gründen gerade opportun erscheint? Die gleichen Bedenken gelten, mutatis mutandis, auch gegenüber dem Vorschlag, das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit dem Wirtschaftsministerium einzuverleiben. So wenig die Entwicklungshilfe ein Instrument der Außenpolitik zur Verfolgung nationaler Interessen ist oder sein sollte, so wenig ist sie auch ein Instrument der Wirtschaftspolitik. Hier scheint mir auch der Hauptgrund zu liegen, der für ein Fortbestehen des Entwicklungshilfeministeriums spricht: Ein eigenes Ministerium ist immer dann gerechtfertigt, wenn seine Aufgaben nicht angemessen von anderen Ressorts übernommen werden können.

Bekanntlich hat sich die Kabinettsreform vom Herbst 1969 auch nicht an die Empfehlungen der Projektgruppe gehalten. Das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit blieb bestehen, und mit ihm der Kampf um Kompetenzen. Heftig umstritten ist heute vor allem die Zuständigkeit für die Kapitalhilfe. Das Entwicklungshilfeministerium möchte diese Zuständigkeit bei sich konzentrieren: weil die jetzige Regelung zu zahlreichen Pannen geführt hat; weil künftig noch mehr als bisher sogenannte „Verbundhilfe" geleistet werden soll, was eine enge Koppelung von technischer Hilfe und Kapitalhilfe voraussetzt, und weil langfristige Konzepte sich nur schwer entwikkeln und verwirklichen lassen, wenn dabei mehrere Ressorts mitreden.

Man wird diesen Argumenten kaum widersprechen können. Dennoch ist die Frage, ob nicht eine bessere Koordination zwischen den beteiligten Ressorts hier schon genügen würde Denn um eine Abstimmung seiner Pläne mit denen des Wirtschaftsministeriums und des Auswärtigen Amtes wird das Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit auf keinen Fall herumkommen, auch dann nicht, wenn alle Kompetenzen bei ihm vereinigt sind. Da die Entwicklungspolitik eng mit der Außen-und der Außenwirtschaftspolitik verflochten ist, ist es durchaus legitim, wenn die dafür zuständigen Ressorts ein Mitspracherecht in der Entwicklungshilfe beanspruchen. Die Entwicklungspolitik gehört zu jenen Fällen, in denen Ressortüberschneidungen unvermeidlich sind, und in denen deshalb auch keine noch so klare Ressortabgrenzung, sondern nur eine hinlänglich praktikable interministerielle Zusammenarbeit eine Lösung der Schwierigkeiten bringt. Daß diese Zusammenarbeit, nicht nur auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe, heute vielfach noch nicht befriedigend praktiziert wird, ist ein offenes Geheimnis. Wie sie verbessert werden kann, das wird in den nächsten Jahren eine der zwei oder drei wichtigsten Aufgaben der Reform der Regierung sein — eine Aufgabe, die vielleicht dringlicher, sicherlich aber weitaus schwieriger sein wird als die jetzt verwirklichte Kabinettsreform.

Exkurs über den Nutzen von Ministern ohne Portefeuille

In ihrem „Bericht zur Reform von Bundesregierung und Bundesverwaltung" weist die Projektgruppe am Rande auf die Möglichkeit hin, Minister ohne Portefeuille zu ernennen. „Ihre Einführung böte den Vorteil, daß politischen Notwendigkeiten Rechnung getragen werden könnte, ohne daß damit eine Aufgabenzersplitterung durch Ressortneugründungen Hand in Hand gehen würde."

Minister ohne Portefeuille gab es in Europa schon im vorigen Jahrhundert 73). In Deutschland wurden sie allerdings erst 1918 eingeführt, obwohl Bismarck sie einst empfohlen hatte. Sie dienten oder sie dienen als Verbindungspersonen zum Parlament, zu den Par-teien oder zu den Verbänden, als Berater, als Leiter von Sonderausgaben, als Vertraute des Regierungschefs und dergleichen mehr. In den meisten Fällen verdanken sie ihre Ernennung Patronage-Motiven.

Die Einrichtung ist vor allem in England gebräuchlich. Dort empfindet man es seit jeher als nützlich, einige wenige Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung und im Kabinett zu haben. Die Inhaber solcher Sinekuren tragen so verschiedene Titel wie Lord Privy Seal, First Secretary of State, Paymaster-General, Chancellor of the Duchy of Lancaster, Minister without Portfolio u. a. m. Die wichtigeren unter ihnen werden heute in der Regel mit Sonderausgaben oder mit der Leitung von Kabinettsausschüssen betraut; die weniger wichtigen nehmen die meist vage Funktion eines Beraters ein oder dienen einfach als Staffage. Je nach dem Charakter und der Bedeutung ihrer Aufgabe steht ihnen ein kleiner Arbeitsstab zur Verfügung oder nicht.

Der Wert dieser Einrichtung ist auch in England umstritten. Positiv beurteilt sie Herbert Morrison: „Die Minister ohne Geschäftsbereich können, da sie von der Alltagsarbeit eines Ressort-Ministers unbeschwert sind, der Gestaltung und Planung der zukünftigen Politik Zeit und sorgfältiges Studium widmen. Sie sollten von Vorurteilen frei sein, denen verständlicherweise die Ressortminister nicht entgehen können, und aus diesem Grunde ist ihr Beitrag zu den Beratungen ebenso wichtig wie unentbehrlich. Vorausgesetzt, der Premierminister hat eine glückliche Hand bei ihrer Auswahl und findet Persönlichkeiten, die für diese Aufgabe und für die Koordinierungsarbeit fähig und geeignet sind, so ist die Mitgliedschaft einer angemessenen Zahl von Ministern ohne Geschäftsbereich im Kabinett ein wirklicher Vorteil." Morrison fügt allerdings hinzu, es genüge, wenn drei oder vier solcher Minister im Kabinett säßen. „Hat man deren vier, so ist es tatsächlich manchmal gar nicht leicht, sie alle voll auszulasten."

Weniger positiv ist das Urteil von Churchill. Churchill hat dabei das Los desjenigen im Auge, der, wie er es empfindet, das Pech hat, bei der Regierungsbildung mit einem solchen bloß nominellen Amt abgespeist zu werden. Churchill, der im Ersten Weltkrieg, nach dem Dardanellen-Desaster, selbst einmal für wenige Monate als Chancellor of the Duchy of Lancester im Kabinett gesessen hatte, charakterisiert diese Zeit mit den Worten: „In this Position I knew everything and could do nothing." 78) Als ihm zu Beginn des Zweiten Weltkriegs die Admiralität — und nicht, wie er ursprünglich befürchtet hatte, eine Sinekure — angeboten wurde, war er daher sehr erleichtert: „. . . es war mir lieber, eine bestimmte Aufgabe zu übernehmen, als über der Arbeit zu brüten, die andere leisten, wie es leicht das Los eines Ministers wird, der zwar sehr viel Einfluß, aber kein eigenes Ministerium hat. Es ist leichter, bestimmte Weisungen zu erteilen als Ratschläge, und ich will lieber das Recht haben, in einem beschränkten Umkreis handeln zu dürfen, als vor aller Welt und über alles zu reden."

Churchills Bemerkungen machen die prinzipielle Schwäche der Position des Ministers ohne Geschäftsbereich deutlich: Da er keine eigenen Zuständigkeiten besitzt, kann er nur raten, nicht befehlen. Ob und inwieweit seine Ratschläge befolgt werden, hängt gänzlich von seinen Kabinettskollegen, insbesondere vom Premierminister ab. Im allgemeinen wird er nur dann etwas ausrichten können, wenn er die volle Autorität des Regierungschefs hinter sich hat.

Dies ist auch der Grund, weshalb aktive Naturen im allgemeinen wenig Interesse für solche Ämter zeigen. Mit John Kenneth Galbraith sind sie der Auffassung, „daß man als vernünftiger Mann keine Staatsfunktion übernehmen sollte, wenn man kein klar umrissenes Aufgabengebiet hat. Man sollte seine Stärke nicht von dem Manne über sich, sondern von der Aufgabe selbst ableiten. Man sollte nicht einer derjenigen sein, mit denen der Präsident sprechen will, sondern mit denen er sprechen muß."

Vorübergehend gab es auch in der Bundesrepublik Minister ohne Portefeuille, wenngleich sie nicht unter diesem Namen auftraten. Da sie bestimmte Sonderausgaben erfüllen sollten, wie zum Beispiel Wasserwirtschaft, Mittelstandsfragen, Beziehungen zum Bundestag usw., wurden sie Sonderminister genannt. 1953 holte Adenauer vier solcher Minister in sein Kabinett, allerdings nicht, weil er sich für die Kabinettsarbeit etwas davon versprochen hätte, sondern weil er glaubte, auf diese Weise am bequemsten die Wünsche der Regierungsfraktionen nach mehr Ministersitzen erfüllen zu können. 1961 wurde Heinrich Krone Bundesminister für besondere Aufgaben. Wenn man genau sein will, dann muß man allerdings auch den Bundesratsminister, der von 1949— 1969 im Kabinett saß, als Minister ohne Portefeuille bezeichnen

Bewährt hat sich die Einrichtung des Sonder-ministers jedoch nicht. Vom Parlament und von den Parteien wurden die Minister ohne Ministerien kaum ernst genommen. In der Öffentlichkeit galten sie als Müßiggänger 76). Im Kabinett besaßen sie kaum Einfluß. Welche Funktion sollten sie innerhalb der Regierung auch erfüllen? Wegen der prinzipiellen Gleichheit der Bundesminister kamen sie als Koordinierungsminister nicht in Frage, und wegen des schwach ausgebildeten Kollegialprinzips konnten sie bei Kabinettsberatungen wenig ausrichten. Zwischen der Richtlinienkompetenz des Kanzlers einerseits und der Ressortselbständigkeit andererseits bleibt in unserem Re-gierungssystem einem Minister ohne Geschäftsbereich wenig Platz zur Entfaltung. Zu Recht stellt Ernst-Wolfgang Böckenförde fest: „Der Minister ohne Portefeuille kann nur etwas bedeuten und sich auswirken, wenn die politische Gesamtleitung der Regierungsarbeit und die Bestimmung der Richtlinien der Politik nicht beim Kanzler, sondern beim Kabinett liegen. Das Kabinett ist dann der Ort, wo ein solcher Minister sein politisches Gewicht und seine Überzeugungskraft in die Waagschale werfen kann." Da dies bei uns jedoch nicht der Fall ist, bedeutet ein Minister ohne Ministerium nichts, nur eine dekorative Figur 83). Auch Sonderausgaben können seine Stellung nicht aufbessern, sofern sie nicht mit fest umrissenen Kompetenzen verbunden sind, die kein Bundeskanzler und kein Ressortminister anzweifeln oder umgehen kann.

Unter diesen Umständen ist es nicht weiter verwunderlich, wenn Sonderminister nach einem eigenen Ressort drängen. Zweien von ihnen ist dies auch gelungen. Franz Josef Strauß, der 1953 als Sonderminister ins Kabinett eintrat, wurde zwei Jahre später Atom-minister. Heinrich Krone begann 1963, sich ein Ministerium für die Angelegenheiten des Bundesverteidigungsrates aufzubauen. Das heißt: Die Einführung von Ministern ohne Geschäftsbereich ist der Ansatzpunkt für die Bildung neuer Ressorts. Genau aus diesem Grund empfiehlt es sich denn auch nicht, solche Minister zu ernennen.

Einen Sonderfall stellen die Minister Westrick und Ehmke dar Beide leiten bzw. leiteten eigenes sind dennoch kein zwar Ressort, aber nicht als Minister ohne Portefeuille anzusprechen, da sie Chef des Bundeskanzleramtes sind bzw. waren. Westrick, der 1963 Nachfolger von Staatssekretär Globke wurde, wurde 1964 zum Bundesminister für besondere Aufgaben ernannt, weil er . kurz vor Erreichung des siebzigsten Lebensjahres stand und das Beamtengesetz eine Verlängerung seiner Dienstzeit als Staatssekretär nicht zuließ. Ehmke hätte zwar jederzeit zum beamteten Staatssekretär ernannt werden können, doch hätte das die Aufgabe seines gerade mit großem persönlichen Einsatz errungenen Abgeordnetenmandats bedeutet. Da er außerdem ein paar Monate lang Justizminister gewesen war, hätte eine Berufung zum Staatssekretär leicht als eine Zurückstufung ausgelegt werden können, was man ihm möglicherweise nicht glaubte zumuten zu können.

Die Spekulationen derer, die in Ehmke eine Art „Unterbundeskanzler" sehen, haben sich inzwischen wohl als übertrieben herausgestellt. Der Regierungschef hat jedenfalls inzwischen Ehmkes Stellung und Aufgabenbereich fixiert. So steht fest, daß er nicht in Abwesenheit des Kanzlers oder dessen Stellvertreters Kabinettssitzungen leiten darf. Dennoch bleibt die Doppelfunktion von Minister und Chef des Bundeskanzleramtes verfassungsrechtlich bedenklich. Der springende Punkt scheint mir der zu sein, daß Ehmke (genau wie vormals Westrick) als Minister im Kabinett stimmberechtigt, als Chef des Kanzleramtes jedoch an die Weisungen des Regierungschefs gebunden ist. Er dürfte also im Kabinett nur im Sinne Brandts abstimmen. Praktisch läuft das darauf hinaus, daß der Bundeskanzler im Regierungskollegium eine doppelte Stimme besitzt. Das ist jedoch unzulässig, ganz davon abgesehen, daß die Stimmabgabe eines Ministers nicht anders als die eines Abgeordneten nicht an Weisungen und Aufträge gebunden sein darf. Zumindest bei formellen Abstimmungen, die allerdings äußerst selten stattfinden, dürfte Ehmke seine Stimme nicht abgeben.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Der folgende Aufsatz ist ein Kapitel einer Arbeit über „Richtlinienkompetenz und Planung, Zur Reform der Bundesregierung", die der Verfasser demnächst im Christian Wegner Verlag zu veröffentlichen hofft. Das Kapitel wurde im März 1970 abgeschlossen.

  2. Zum Thema Kabinettsreform in der Bundesrepublik gibt es außer zahlreichen Zeitungsartikeln nur das Gutachten der von der Regierung Kiesinger/Brandt eingesetzten „Projektgruppe für Regierungs-und Verwaltungsreform" vom August 1969: Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, masch. Ms., nicht veröffentl., S. 6— 140. Zahlreicher ist die ausländische Literatur. Für England: Hans Daalder, Cabinet Reform in Britain. 1914— 1963, Stanford University Press 1964; Bernard Waleffe, Some Constitutional Aspects of Recent Cabinet Development in Great Britain and in Belgium. Prime Minister’s Position and Cabinet Committees, Bruxelles 1968; D. N. Chester, Neue Entwicklungen in der britischen Kabinettsregierung, in: PVS, 1. Jhg. H. 1 1960, S. 37 ff.; W. J. Stankiewicz (ed), Crisis in British Government, London -New York-Toronto 1967, S. 143— 203; Franz Schneider, Kabinettsreform und Machtverteilung in England, in: Zeitschrift für Politik, Bd. 12, 1965, S. 40 ff. Für die USA: Richard F. Fenno, Jr., The President's Cabinet, Havard University Press 1959, S. 250 ff. Für Frankreich: P. Racine, Les objectifs dune Reforme Administrative, Paris, Ministre d'Etat Charge de la Reforme Administrative, Mission Permanente de la Reforme Administrative, Dez. 1965; Charles Debbasch, L'administration au pouvoir, Paris 1969. Für die Schweiz: Kurt Eichenberger, Organisatorische Probleme des Kollegialsystems, in: Schweizerisches Jahrbuch für Politische Wissenschaft, Jhg. 7, 1967, S. 68 ff.; s. ferner den Expertenbericht über Verbesserung in der Regierungstätigkeit und Verwaltungsführung des Bundesrates. Erstattet dem Schweizerischen Bundesrat, Nov. 1967, Bern Bundeskanzlei.

  3. Anders als bei uns sind in Frankreich Staatssekretäre Politiker, die entweder an der Spitze eines selbständigen Geschäftsbereiches (ohne Ministerium) oder eines Geschäftsbereiches innerhalb eines Ministeriums stehen und häufig auch „SousMinistres" genannt werden. Im Conseil des Ministres haben sie Sitz und Stimme.

  4. Offenbar fällt es nicht-parlamentarisch regierten Ländern leichter, das Kabinett klein zu halten. Uber die Ursache s. w. u. S. 5 dieses Aufsatzes.

  5. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 8.

  6. Bericht der Sachverständigenkommission für die Vereinfachung der Verwaltung beim Bundesministerium des Innern, Bonn 1960, S. 36.

  7. Zit. bei Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, Berlin 1964, S. 193.

  8. Ebd„ S. 130.

  9. Siehe w. u. S. 9 u. 13 und Anm. 14 dieses Aufsatzes.

  10. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, München 1956, S. 39.

  11. Zit. bei D. N. Chester, Neue Entwicklungen in der britischen Kabinettsregierung, a. a. O., S. 38 f.

  12. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 13.

  13. Ebd., S. 14.

  14. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 39.

  15. Siehe Ernst Lemmer, Manches war doch anders, Frankfurt 1968, S. 397 f.: Arnulf Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, München -Wien 1969, S. 164 ff.

  16. Hans Daalder, Cabinet Refoim in Britain, a. a. O„ S. 283.

  17. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 14. 23) Das ist auch in anderen Ländern nicht anders; vgl.den „Haldane-Report" und den „Hoover-Report". Zur Geschichte der Ressortabgrenzungen in Deutschland: Otto Hintze, Die Entstehung der modernen Staatsministerien, in: Gesammelte Abhandlungen, Bd. I, Göttingen 1962, S. 275 ff.; Hans Hausherr, Verwaltungseinheit und Ressorttrennung vom Ende des 17. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts, Berlin (Ost) 1953; Emil Guilleaume, Das Ressort-prinzip, in: Theo Stammen (Hrsg.), Strukturwandel der modernen Regierung, a. a. O., S. 439 ff.

  18. Zit. in: Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O, S. 36 f.

  19. Ebd., S. 13.

  20. W. J. M. Mackenzie, Die Struktur der zentralen Verwaltung, in: Theo Stammen (Hrsg.), Struktur-wandel der modernen Regierung, a. a. O., S. 92.

  21. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 11; vgl. ebd., S. 53.

  22. Ebd., Anlagenband, S. 121.

  23. Vgl. z. B. über die Regierungstechnik Friedrichs des Großen: Gerhard Ritter, Stein. Eine politische Biographie, Stuttgart -Berlin 1931, Bd. I, S. 214; über Churchill: Winston S. Churchill, Der zweite Weltkrieg, Berlin -Stuttgart -München -Zürich 1960, S. 274; über Hitler: Buchheim/Broszat/Jacobsen/Krausnick, Anatomie des SS-Staates, Bd. I, Olten/Freibürg 1969 passim.

  24. Athur Schlesinger, The Age of Roosevelt, vol. II, S. 528; vgl. auch Richard E. Neustadt, Presidential Power, New York 1962, S. 158 ff. Sowohl Neu-stadt wie Schlesinger übersehen allerdings die Gefahren von Roosevelts Technik der Zersplitterung der Regierungsbefugnisse: „Gewöhnlich wird Franklin Roosevelts Loblied gesungen, weil er mit Leichtigkeit und Geschick in dem schlammigen Gelände der amerikanischen Regierung manövrierte. Es ist weniger üblich, daran zu erinnern, daß er es erheblich schlammiger zurückgelassen hat, als er es vorgefunden hatte" (Andrew Shonfield, Wirtschaftspolitik in Westeuropa und USA, Köln-Berlin 1968, S. 377).

  25. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 41 f.

  26. L. S. Amery, Thoughts on the Constitution, Oxford University Press 1964, S. 86 ff. 34) Emil Guilleaume, Reorganisation von Regierung und Verwaltungsführung, Baden-Baden 1966, S. 52ff.

  27. Vgl. Ivor Jennings, Cabinet Government, a. a. O., S. 309 ff.; John P. Mackintosh, The British Cabinet, a. a. O., S. 48 ff.; Hans Daalder, Cabinet Reform in Britain, a. a. O., S. 85 ff.

  28. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 74.

  29. Winston S. Churchill, Der zweite Weltkrieg, Bern -Stuttgart -München -Zürich 1960, S. 197.

  30. Ebd.

  31. Siehe Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 42 ff.; D. N. Chester, Neue Entwicklungen in der britischen Kabinettsregierung, a. a. O., S. 43 ff.; Hans Daalder, Cabinet Reform in Britain, a. a. O., S. 280 ff.

  32. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 44 f.

  33. Ebd., S. 70.

  34. Ebd.

  35. Ebd.

  36. Ebd., S. 74.

  37. D. N. Chester, Die Entwicklung des Kabinetts 1919— 1949, in: Strukturwandel der modernen Regierung, a. a. O„ S. 19.

  38. Bei der Kabinettsumbildung im Oktober 1969 erhielt der Staatsminister im Technologie-Ministerium, Lord Delacourt-Smith, Kabinettsrang. Der Chef des Ministeriums, Anthony Wedgwood Benn, saß natürlich auch im Kabinett.

  39. Bei der gleichen Kabinettsumbildung blieb der bisherige Wirtschaftsminister Shore im Kabinett, obwohl sein Ministerium aufgelöst wurde.

  40. Siehe w. u. S. 19 dieses Aufsatzes.

  41. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 40.

  42. Anschauliche Beispiele hierfür in dem Buch von Anthony Sampson, Wer regiert England? (Anatomie of Britain), München 1963, S. 154, 156.

  43. So von John P. Mackintosh, The British Cabinet, a. a. O., und R. H. S. Crossman, Introduction to Walter Bagehot, The English Constitution, The Fontana Library, 5th ed. 1966, S. 48 ff. Dazu sehr abgewogen: D. N. Chester, Who Governs Britain?, in: Parliamentary Affairs, 1962 H. 4, S. 519 ff.

  44. Vgl. Hans Daalder, Cabinet Reform in Britain, a. a. O., S. 250, 299, 314; Hans Schneider, Kabinetts-reform und Machtverteilung in England, a. a. O., S. 52 f.; Karl Loewenstein, Staatsrecht und Staats-praxis von Großbritannien, Bd. I, a. a. O., S. 421.

  45. Siehe den Bericht von Anthony Nutting, No End of a Lesson, London 1967.

  46. Als Wilson 1967 die Abwertung des Pfundes beschloß, weihte er Außenminister Brown, der bis dahin zum Inner Cercle zählte, nicht ein; Brown trat daraufhin zurück. 1969 schloß Wilson Innenminister Callagham von den Beratungen des Inneren Kabinetts aus, weil dieser in der Öffentlichkeit eine Entscheidung des Premierministers kritisiert hatte.

  47. Nach einem Wort von Randolph S. Churchill wollte Eden „wie Noah die Tiere in seine Arche ... offenbar in sein Kabinett die Minister immer paarweise einziehen lassen" (Sir Anthony Eden, Aufstieg und Verfall, Bern -Stuttgart 1960, S. 186).

  48. Jürgen Dennert, Entwicklungshilfe, geplant oder verwaltet?, Bielefeld 1968, S. 83 f., 90; Theodor Eschenburg, Für die Demokratie eine Diktatur auf Zeit?, Spiegel-Gespräch vom 17. 2. 1969, S. 45; Claus Arndt, Parlament und Ministerialbürokratie, in: Die Verwaltung, 2. Bd. 1969 H. 3, S. 277 f. Siehe auch Rudolf Wildenmann, Macht und Konsens als Problem der Innen-und Außenpolitik, 2. Ausl., Köln -Opladen 1967, S. 177 f.; Ernst-Wolfgang Bökkenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, Berlin 1964, S. 172 f.

  49. Claus Arndt, Parlament und Ministerialbürokratie, a. a. O., S. 277 f. In England hat A. Salter den Vorschlag eines Kernkabinetts, bestehend aus dem Premierminister, dem Finanz-, Verteidigungs-und Außenministern und vielleicht noch ein oder zwei weiteren Ministern, gemacht. (A. Salter, Cabinet and Parliament, in: G. Campion (ed), Parliament, A Survey, London 1952, S. 114— 116.) Der Vorschlag wurde fast einhellig abgelehnt.

  50. Daß diese Befürchtungen nicht aus der Luft gegriffen sind, beweisen die Erfahrungen, die man in England mit Ministern außerhalb des Kabinetts gemacht hat; vgl. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 39 f; D. N. Chester, Neue Entwicklungen in der britischen Kabinettsregierung, a. a. O., S. 41 f.

  51. So Jürgen Dennert, Entwicklungshilfe, geplant oder verwaltet?, a. a. O., S. 84; Claus Arndt, Parlament und Ministerialbürokratie, a. a. O., S. 277.

  52. Vgl. Rudolf Wildenmann, Macht und Konsens als Problem der Innen-und Außenpolitik, a. a. O., S. 170 ff.; Adolf Hüttl, Koordinationsprobleme der Bundesregierung, in: Der Staat, Bd. 6 1967 H. 1, S. 8; Thomas Ellwein, Probleme der Regierungsorganisation in Bonn, in: PVS, Jhg. 9, 1968 H. 2, S. 246.

  53. Diether Stolze, Elf Minister sind genug, in: Die Zeit vom 1. 10. 1965; Karl Christian, Ist unsere Regierung falsch organisiert?, in: Die Welt vom 2. 10. 1965; Heinz Laufer, Der Parlamentarische Staatssekretär, München 1969, S. 101 f.

  54. Theodor Eschenburg, Politische Chirurgie, in: Die Zeit vom 19. 12. 1969.

  55. Man denke nur an die zahlreichen Versuche, das Bundesbau-, das Bundeswald-und das Wasser-haushaltsgesetz zu blockieren.

  56. Die Ernennung von Professor Dr. Grzimek zum ehrenamtlichen (!) Beauftragten der Bundesregierung für Tier-und Naturschutz hat allenfalls symbolische Bedeutung.

  57. Siehe w. o. S. 6, Anm. 24 dieses Aufsatzes.

  58. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 33 ff.

  59. Sollte demnächst tatsächlich das Entwicklungshilfeministerium für die Kapitalhilfe zuständig werden, so müßte es sich für die Bewältigung dieser Aufgabe höchstwahrscheinlich eigene Experten heranbilden. Das Wirtschaftsministerium dürfte jedenfalls kaum bereit sein, mehr als ein paar Stellen freizugeben, mit der Begründung, seine Referenten seien nur zum Teil mit Kapitalhilfe befaßt gewesen. Vgl. die Schilderung der einschlägigen Erfahrungen bei der Bildung des Entwicklungshilfe-ministeriums in dem Buch von Jürgen Dennert, Entwicklungshilfe, geplant oder verwaltet?, a. a. O., S. 59 f.

  60. Erster Bericht zur Reform der Struktur von Bundesregierung und Bundesverwaltung, a. a. O., S. 86. 75) Zum folgenden siehe Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, Berlin 1964, S. 222 ff., und Klaus von Beyme, Organisationsgewalt, Patronage und Ressorteinteilung im Bereich der Regierung, in: Die Verwaltung, 2. Bd. 1969 H. 3, S. 286 ff.

  61. Herbert Morrison, Regierung und Parlament in England, a. a. O., S. 56 f.

  62. Ebd., S. 56. Ähnlich urteilt auch D. N. Chester, Neue Entwicklungen in der britischen Kabinettsregierung, a. a. O., S. 46.

  63. Winston S. Churchill, Der zweite Weltkrieg, a. a. O., S. 193.

  64. John Kenneth Galbraith, Tagebuch eines Botschafters (Ambassador's Journal), München -Zürich 1970, S. 46.

  65. Das Bundesministerium hatte zwar auf dem Papier einige wichtige Funktionen zu erfüllen, besaß in der Praxis aber nur dekorative Bedeutung. Siehe die wichtige Arbeit von Renate Kunze, Kooperativer Föderalismus in der Bundesrepublik, Stuttgart 1968, bes. S. 7— 33.

  66. Ernst-Wolfgang Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, a. a. O., S. 223.

  67. Vgl. Theodor Eschenburg, Der Bundeskanzleiminister, in: Zur politischen Praxis in der Bundesrepublik, Bd. II, München 1966, S. 148 ff.; Friedrich Karl Fromme, Unterbundeskanzler Ehmke, in: FAZ vom 10. 10. 1969.

Weitere Inhalte

Arnd Morkel, Dr. phil., o. Professor für Politikwissenschaft an der Universität in Trier, geb. 1928 in Mannheim, Studium der Politikwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Heidelberg und Freiburg, 1962— 1968 Lehrbeauftragter für Politikwissenschaft an der Universität Heidelberg, danach Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten Darmstadt, Freiburg und Heidelberg, zuletzt Wissenschaftlicher Rat und Professor an der Universität Köln. Veröffentlichungen: Politik und Wissenschaft. Möglichkeiten und Grenzen wissenschaftlicher Beratung in der Politik, Hamburg 1967; zahlreiche Aufsätze zur politischen Ideengeschichte, zur Regierungs-und Parlamentslehre, über Planung und Zukunftsforschung; demnächst erscheinen: „Zur Reform des öffentlichen Dienstes" und „Richtlinienkompetenz und Planung". Carl Bohret, Dr. rer. pol., Wissenschaftlicher Rat und Professor für Politikwissenschaft an der FU Berlin, geb. 1933, 1958— 1962 Studium der Politik-und Wirtschaftswissenschaft an der FU Berlin, 1962 Dipl. -Politologe, 1965 Promotion, danach Lehrbeauftragter und Wiss. Assistent an der FU Berlin, 1967/68 Forschungsaufenthalt in Washington D. C., 1970 Habilitation. Veröffentlichungen: Aktionen gegen die „kalte Sozialisierung" 1926— 1930. Ein Beitrag zum Wirken ökonomischer Einflußverbände in der Weimarer Republik, Berlin 1966; Entscheidungshilfen für die Regierung. Modelle, Instrumente, Probleme, Köln—Opladen 1970; mehrere Zeitschriftenaufsätze (u. a. in Politische Vierteljahresschrift und Futurum); Mit-hrsg. von: Interdependenzen von Politik und Wirtschaft. Festgabe für Gert v. Eynern, Berlin 1967.