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Juristische Ausbildung in der modernen Gesellschaft Deutsche und amerikanische Erfahrungen | APuZ 37/1970 | bpb.de

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APuZ 37/1970 Futurologie — Brücke zwischen Ost und West? Zukunft als Heilserwartung Juristische Ausbildung in der modernen Gesellschaft Deutsche und amerikanische Erfahrungen

Juristische Ausbildung in der modernen Gesellschaft Deutsche und amerikanische Erfahrungen

Heinrich Kronstein

/ 50 Minuten zu lesen

Die Quelle des Rechtes ist das Gewissen, die des Gesetzes der Verstand. Jenes fühlt man, dieses begreift man. Das Gewissen kann zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten verschieden sein. Nur die Idee des Rechts ist überall dieselbe. Es gibt eine Rechtsphilosophie, aber keine Gesetzesphilosophie. Gesetze sind gefrorene Rechtsgedanken. Daher erwecken sie so leicht den Eindruck der Kälte und der Starrheit. Das Recht ist unvergänglich. Seine Verkörperung in einem Gesetze wandelt sich. Von ewig dauernden Gesetzen zu sprechen, ist Überheblichkeit oder Ignoranz oder beides.

(Max Hachenburg)

Diese Worte hat einer der großen Gestalter der modernen rechtlichen Organisation der deutschen Wirtschaft und ihrer Verträge zu einer Zeit geschrieben, als ihm unvorstellbares Leid durch Handlungen des Unrechts zugefügt wurde. Hachenburg gehörte rein zufällig einer sich seinerzeit in Mannheim versammelnden Gruppe von bedeutenden Schöpfern moderner Rechtsformen an, die in großer Klarheit die ständigen Wechselwirkungen zwischen Gesellschaft und Rechtsordnung erkannten. Sie waren sich auch der Notwendigkeit bewußt, daß im Interesse des Gemeinwohls das System der Gestaltungsfreiheit — wie es damals bestand — begrenzt werden müsse. Ich selbst durfte als junger Anwalt von Max Hachenburg und Karl Geiler lernen, was lebendiges Recht für den sich stets kontrollierenden Juristen bedeutet. Das Recht konnte ohne Verständnis für die fortwährenden Entwicklungen auf dem Gebiet der Wirtschaft und der sozialen Gestaltungen nicht angewandt und weitergebildet werden.

Hachenburg war ein ausgezeichneter Didaktiker. Ich erinnere mich seines Ausspruchs: „Wenn ich kein deutscher Anwalt wäre, wollte ich deutscher Professor sein". Schon damals wurde ihm jedoch klar, daß er als Professor etwas wesentlich anderes gelehrt hätte, als es nach dem Ersten Weltkrieg an den deutschen Universitäten — bei dem sich ständig verengenden Rechtspositivismus — möglich war.

Wenn auch heute die Probleme der Wechselwirkung von Gesellschaft und Rechtsordnung weiter vorangebracht worden sind, so bleibt doch — vornehmlich in den Fragen der Ausbildung des Juristen — noch vieles klärungs-und fortführungsbedürftig. Ich versuche hier, einige Ansätze weiterzuentwickeln 1).

A. Grundfragen juristischer Ausbildung

A. Grundfragen juristischer Ausbildung B. Bildungsgang des Juristen C. Schlußbemerkung D Zusammenfassung I. Der Rechtsbegriff in den Reformkonzepten II. Eine Wissenschaftstheorie als „Spaltpilz" III. Juristische Ausbildung für die Zukunft IV. Gesetzesrecht und Rechtswirklichkeit I. Die juristische Grundausbildung 1. Die Einrichtung von Akademien:

ein Bindeglied 2. Gesamtausbildung und Stufenpläne 3. Sicherung der Grundlagen 4. Vertiefung durch Konzentration II. Die Referendarausbildung 1. Die rechtstec寮?

I. Der Rechtsbegriff in den Reformkonzepten

Dem Deutschen Bundestag werden in Kürze zwei in wesentlichen Punkten übereinstimmende Entwürfe über die juristische Ausbildung vorgelegt (Gesetzentwürfe zur Änderung des Deutschen Richtergesetzes): ein Entwurf der Bundesregierung und ein „Gegenentwurf" der CDU/CSU. Beide Vorlagen behandeln bestimmte organisatorische Veränderungen der Referendarzeit, sagen jedoch nichts darüber aus, was ein Jurist in der modernen Gesellschaft wissen muß. Vielleicht können solche Probleme im Rahmen von Gesetzesinitiativen auch gar nicht gelöst werden.

Weiterhin finden zum Teil außerordentlich lebhafte Diskussionen zwischen sehr entgegengesetzt scheinenden Schulen über die Rechtsausbildung statt — in den Universitäten und auch innerhalb einzelner studentischer Gruppen.

Bei allen Divergenzen zwischen den verschiedenen Auffassungen fällt eine grundlegende Gemeinsamkeit auf: Das Vorverständnis von „Recht" ist von den „Linken" bis zu den „Rechten" substantiell gleich. Für eine Gruppe, die sich als „links" begreift und die sich mit den Grenzen des Rechts beschäftigt, bedeutet Recht die Gesamtheit der vom Staat gegebenen und kontrollierten „Normen". Das zeigt sich etwa in den folgenden Ausführungen von Wiethölter zu Fragen der Rechtsfortbildung durch die Gerichte und zur Bedeutung von Generalklauseln „Richter, die nicht vom . Gesetz'abhängig sind oder sich dieser Abhängigkeit — bewußt oder unbewußt — entziehen, wenden . . . vor-oder außerlegale Standards'an, die ihrerseits erst das Verständnis, die Interpretation, die . Anwendung'von . Gesetz und Recht'leiten;

die Richter wirken mithin . politisch', nicht Juristisch'. Diese Wirkungsweise wird um so fühlbarer, je mehr der moderne Gesetzgeber — zwangsläufig oder aus Kompromißgründen — z. B. zu Generalklauseln greift — je mehr z. B. . Recht'und . Gesetz'instrumentalisiert werden." „Recht" — hier bewußt als Element der politischen Kontrolle gemeint — soll offenbar gleichbedeutend mit staatlich gesetztem Recht sein. Auf der anderen Seite, etwa in den „Gemeinsamen Vorschlägen des Bundes-arbeitskreises Christlich-Demokratischer Juristen", finden wir dieselbe eingeengte Auffassung von „Recht" „Ziel der juristischen Ausbildung muß es auch künftig in erster Linie sein, den Juristen zu befähigen, die vom Gesetz abstrakt getroffenen Regelungen auf konkrete Lebenssachverhalte anzuwenden. Er muß daher lernen, das Recht im Rahmen der Gesamtrechtsordnung und unter Berücksichti-gung der vom Gesetzgeber getroffenen Grundwertentscheidungen zu gestalten und fortzuentwickeln. Ein politisches Mandat zur Veränderung des Inhalts der bestehenden Rechtsordnung oder zur originären rechtlichen Ausgestaltung einzelner Lebens-oder Sachbereiche steht dem das Recht anwendenden Juristen nicht zu; diese Aufgabe ist im gewaltenteilenden demokratischen Rechtsstaat dem dazu allein legitimierten Gesetzgeber vorbehalten."

Es läßt sich nachweisen, daß die verschiedenen Modelle,, ob Loccumer, Hamburger, Münchner oder andere, genau von dem gleichen begrenzten Rechtsbegriff ausgehen: Der Jurist hat sich mit der Anwendung des vom demokratischen Rechtsstaat geschaffenen „Rechts", bestehend aus einer Vielzahl fester Rechtsnormen, zu beschäftigen. Es wird zu prüfen sein, ob diese Begrenzung im Hinblick auf unsere sich schnell verändernden Lebenssachverhalte haltbar ist.

II. Eine Wissenschaftstheorie als „Spaltpilz"

In der Beschränkung der Rechtswissenschaft auf das Studium der staatlichen Rechtsnormen, ihrer Trennung von der juristischen Praxis und den Sozialwissenschaften und der heute so wichtigen Technik wirkt sich eine sehr bedenkliche Grundauffassung aus. Vor der mit ihr verbundenen Gefahr einer „Isolierung des deutschen Rechtsdenkens" wurde schon frühzeitig gewarnt

Aber nicht nur die Rechtswissenschaften sind durch diese selbst gewählte und oft auch selbstgefällige Isolation bedroht. Dies gilt leider auch für viele andere wissenschaftliche Bereiche, man denke nur an einige Richtungen der wissenschaftlichen Soziologie in Deutschland oder an die Mathematisierung der Volkswirtschaft. Hier scheint sich ein bestimmtes Wissenschaftskonzept so durchgesetzt zu haben, daß man seine Herrschaft kritiklos hinnimmt. Ich meine die Vorstellung, es gebe geschlossene, formale Wissenschaften, die sich nur in ihren eigenen Bahnen zu bewegen und auszukennen hätten. In falscher Analogie zu den beneideten „exakten" Naturwissenschaften schuf man theoretische Systeme, in denen die Empirie allenfalls eine Störfunktion hat. Die Folgen für die Rechtswissenschaft zeigen sich am klarsten in der von Hans Kelsen verbreiteten Lehre: Recht ist nur die vom Staat gesetzte Rechtsnorm, und die Rechtswissenschaft wird darauf beschränkt, sich mit diesen Rechtssätzen als einem selbständigen Wissenschaftsgebiet wertfrei zu beschäftigen. Eine Verknüpfung der Rechtsnormen, der Rechts-sätze und auch der Rechtswissenschaft mit den sie beeinflussenden Prinzipien der Wirtschafts-lehre der Soziologie und der Philosophie wird vermieden. Man war sogar stolz darauf, eine sogenannte wissenschaftliche Grundlage gefunden und damit nicht nur das als Erzfeind angesehene Naturrecht, sondern jede Wertvorstellung aus der Rechtswissenschaft ausgeschlossen zu haben. Dabei ist es offensichtlich so, daß sich bei der Rechtsanwendung Wertvorstellungen nie ausschalten lassen. Schwerer wiegt aber noch die Mißachtung der Empirie, die der Rechtswissenschaft den Vorwurf der Lebensfremdheit eingebracht hat. Regelt eine Rechtsnorm (in abstracto) eine Vielzahl konkreter Lebenssachverhalte, so gilt gleichwohl als „wissenschaftlich" nur die Beschäftigung mit der normativen Sphäre des Rechts (Sollenseite), wobei die Beschränkung auf die staatlich gesetzte Rechtsnorm sich fast von selbst versteht.

Die Erforschung der Lebenssachverhalte und Rechtstatsachen (Seinseite, Sphäre des Faktischen) wird dagegen als unwissenschaftlich, jedenfalls als nicht-juristisch gewertet. Was dies für die Universitätspraxis bedeutet, kann der unbefangene Leser heute noch feststellen, wenn er die Vorlesungsverzeichnisse deutscher Hochschulen durchsieht. Der gleichen Einstellung begegnet der Jurist auch in der Referendarzeit. Zwar versichert man dem Referendar, daß das, was er an der Universität gelernt habe, von nur geringem Wert sei; aber an die Lebenssachverhalte führt man ihn auch in diesem Ausbildungsabschnitt nicht heran. Man verlagert nur das Studium von den staatlich gesetzten Normen auf gewisse praktische Methoden der Staatsanwaltschaft, der Gerichte usw.

Es ist eine Folge dieser Entwicklung, daß in den Fakultäten für ausgezeichnete Kenner be-stimmter Gebiete von Rechtstatsachen nicht die Möglichkeit besteht, dieses Wissen den Studenten zu vermitteln, wie umgekehrt Richter, Anwälte und Unternehmensjuristen kaum Zugang zur Universität haben.

Wenn ich diesen Beitrag vorwiegend auf die Probleme des Wirtschaftsund Unternehmensrechts abstelle und hieraus auch meine Beispiele wähle, so will ich damit die anstehenden Fragen nur exemplarisch veranschaulichen. Ich verkenne keineswegs, daß sich meine Feststellungen nicht ohne weiteres auf andere Zweige des Rechts übertragen lassen. Immerhin wird gerade in diesem Fachgebiet das Auseinanderfallen von Theorie und Praxis besonders deutlich. Denn der wichtige Ausschnitt der Ordnung, in der Unternehmen sich entwickeln und arbeiten (einschließlich des Steuer-und Wirtschaftsrechts), wird in der Referendarzeit nicht berührt, und schon gar nicht die Tatsache, daß deutsche Unternehmen häufig in internationale Konzerngebilde einbezogen sind.

Die Lehre vom Rechtssetzungsmonopol des Staates und die Trennung der Rechtswissenschaft von anderen Sozialwissenschaften und der Ethik müssen zwangsläufig zu Einseitigkeiten führen. Was sich im nationalen und internationalen Bereich an Rechtsnormen und „Regeln" praeter und contra legem entwickelt hat, läßt sich ohne ein eingehendes Studium der Rechtstatsachen nicht begreifen und entzieht sich einer rein dogmatischen Betrachtungsweise.

Wer daraus lediglich den Schluß zieht, die soziologischen und wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnisse des Juristen müßten im Rahmen des Studiums vertieft werden, bleibt hinter den wirklichen Erfordernissen zurück. Denn auch in diesen wissenschaftlichen Disziplinen ist der Prozeß der Verselbständigung und Isolierung weit vorangeschritten, so daß es schwerfällt, hier zu einer effektiven Zusammenarbeit zu gelangen. Soweit man die Soziologie übersehen kann, scheint sie sich — jedenfalls in manchen ihrer Richtungen — kaum mit der Empirie einzulassen, oder doch nur insofern, als Tatsachen das Material für die Bildung von theoretischen Modellen abgeben. Was die Soziologie leistet oder leisten könnte, steht hier nicht zur Debatte. Jedenfalls wird man den Beitrag der Soziologie zur Rechtstatsachenforschung nicht gerade für sehr bedeutsam halten können. Auch eine Verbindung der Rechtswissenschaft mit der Betriebs-und Volkswirtschaftslehre herzustellen, ist heute sehr schwierig. Die Mathematisierung der Wirtschaftswissenschaften und der Hang zu Modellbildungen — unter entscheidender Zurückdrängung der Empirie — haben den Zugang zu diesen Wissenschaften sehr erschwert.

Als ich mich einmal in einem Gespräch in Washington bei einem Vertreter der mathematischen wirtschaftswissenschaftlichen Schule in Deutschland darüber beschwerte, daß unsere jungen Juristen heute den Assessor machten, ohne Kenntnis im Währungsund Geldwesen zu haben, wurde mir geantwortet, wir wüßten ja auch nichts von den Elementen der Physik und sollten uns um die Volkswirtschaft ebenso wenig kümmern wie um die Gesetze der Physik. Auch die Rechtshistoriker, stärker der Geschichtswissenschaft als dem Recht verpflichtet, scheinen es allmählich zu verlernen, die geschichtlichen Dimensionen des heutigen Rechts aufzuzeigen und das Phänomen des Rechts-wandels und der Rechtsentwicklung darzustellen. Wir leben in Deutschland unter dem Eindruck selbständiger, formaler Wissenschaften, die den Zusammenhang mit anderen Disziplinen entweder leugnen oder geringschätzen.

III. Juristische Ausbildung für die Zukunft

Hält man sich die praktischen Ziele juristischer Ausbildung vor Augen, so erkennt man eine Reihe weiterer Schwierigkeiten. Wir bilden heute Juristen aus, die noch im Jahre 2000 ihren Beruf ausüben werden. Wir wissen, daß schon 1980 eine ganze Reihe von Umwandlungen sich vollzogen haben, die wir dem jungen Juristen nur nahebringen können, wenn wir ihn aus dem engen Rahmen seiner jetzigen Disziplinen befreien. Die heutige Ausbildung der Juristen — auch eine Reihe von Reformvorschlägen und neuen Modellen gehen in die gleiche Richtung — ist darauf abgestellt, wie man gute, ihrem Beruf zugewandte Richter und Rechtsanwälte heranzieht, die das vom Staat fixierte Gesetzesrecht anzuwenden verstehen. Dies ist sicher ein wichtiges, aber nicht das einzige Ziel der juristischen Ausbildung.

Bei diesem Verfahren überlassen wir eine wirklichkeitsbezogene Ausbildung der Juristen den Verwaltungen, den Unternehmen, den Gewerkschaften oder sonstigen Verbänden, also den Gruppen, die sehr in ihrem eigenen Interesse handeln und meist ihre interessenbedingte Befangenheit nicht überwinden können.

In all den vielfältigen juristischen Berufen scheint es doch darauf anzukommen, daß der junge Jurist nicht nur in die Lage versetzt wird, das nur für bestimmte Zeiten feststehende Recht anzuwenden, sondern daß er auch imstande ist, alle Formen von Ordnungen und Rechtsregeln zu verstehen — einschließlich ihres sozialen Hintergrundes. Ändern sich die tatsächlichen Verhältnisse und wird der Gesetzgeber nicht initiativ, dann ist ein solcher Jurist auch fähig, diese Ordnungen unter Beachtung bestimmter Gründwertentscheidungen weiterzuentwickeln.

Der Mangel an Klarheit über die Ziele und Inhalte der juristischen Ausbildung entwertet letztlich auch die interessanten organisatorischen Vorschläge und Initiativen, wie sie z. B. in den Entwürfen zur Änderung des deutschen Richtergesetzes ihren Niederschlag gefunden haben.

Für diejenigen Leser, die meinen, daß ich hier irgendeine „revolutionäre" oder — umgekehrt — „reaktionäre" Haltung propagiere, oder auch für jene, die glauben, ich sei zu sehr von der amerikanischen Rechtstradition eingenommen und beeinflußt, sei folgendes klargestellt: Selbst bei der gegenwärtigen Ausbildung muß der junge Jurist als Gutachter und Berater des Staates oder privater Gruppen zu der Einsicht gelangen, daß eine Rechtsnorm (auch das Gesetzesrecht) nicht statisch begriffen werden kann, sondern daß sich das Recht entwickelt und den veränderten Umweltbedingungen angepaßt werden muß. Für einen im römischen und Gemeinen Recht geschulten Juristen ist dies eine Selbstverständlichkeit. Levin Goldschmidt hat schon vor rund 80 Jahren die preußischen Ausbildungsinstanzen gewarnt. Er meinte, daß der junge Jurist während des Studiums etwas mit dem lebendigen Recht gar nicht Zusammenhängendes lerne und deswegen vom Repetitor (1890!) ausgebildet würde. Von den Gerichten und der Verwaltung würde er dann auf das Preußische Allgemeine Landrecht beschränkt. Ich hoffe, man wird es mir nicht übelnehmen, wenn ich gewisse Parallelen zum Bürgerlichen Gesetzbuch ziehe: Wir bringen etwa den Studenten in allen Einzelheiten das Kaufrecht im Sinne des BGB bei und erwecken so den Eindruck, als könnten sie damit die Praxis bewältigen. Dabei ist heute schon jedem „interessierten Laien" klar, daß das Kaufrecht weitgehend von allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist. Wie soll ein Jurist, der während des Studiums sich nie mit diesen allgemeinen Geschäftsbedingungen kritisch auseinandergesetzt hat, später als Berater oder als Richter zu sachlich fundierten Ergebnissen kommen?

Wenn die Fakultäten von neueren Entwicklungen in der Rechtspraxis keine Kenntnis nehmen, so sollten sie bedenken, daß es heute schon durchaus effektive Möglichkeiten gibt, künftige Juristen außerhalb der Universitätsund staatlichen Ausbildung zu formen. Die Gewerkschaften z. B. bilden ihre Rechtsschutzsekretäre selbst aus, und auch private und öffentliche Verwaltungen schaffen sich ihren eigenen, juristisch qualifizierten Nachwuchs.

Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß wir damit nicht nur vom „Stand" her Einflußmöglichkeiten verlieren. Wir verlieren vor allem die Chance, junge Menschen, die sich in besonderer Weise dem Element Recht verbunden fühlen, zunächst frei von berufsbedingten Interessenbindungen das Recht studieren zu lassen.

Vor einigen Jahren führte die American Law School Association unter den Fakultätsmitglie31 dem eine Umfrage durch, wie die Law School im Jahre 2000 aussehen solle. Richtiger wäre es gewesen zu fragen, wie heute juristische Fakultäten aussehen müssen, die Juristen für das Jahr 2000 oder auch „nur" für das Jahr 1980 ausbilden. An zwei Beispielen, die ich aus schon angegebenen Gründen dem Gebiet des Wirtschaftsrechts entnehme, möchte ich veranschaulichen, was eine vorausschauende Ausbildung an Problemen zu berücksichtigen hätte.

1. Nehmen wir den fiktiven, aber vielleicht gar nicht so utopischen Fall, daß ab 1. Januar 1980 in Europa und den Vereinigten Staaten Automobile auf den Markt kommen, die von Elektromotoren getrieben werden, die sich ihrerseits mit Kernenergie speisen.

In der Vorstandssitzung einer Gesellschaft, die Automobile herstellt und Benzin vertreibt, soll ein Gesamtprogramm beschlossen werden, um die notwendigen Umstellungen durchzuführen. Die juristischen Berater müßten dabei auf nationaler wie auf internationaler Ebene eine ganze Reihe von vielschichtigen Fragen lösen: So muß z. B.der rechtliche Zugang zu der neuen Erfindung gesichert werden. Es müssen Lizenzverträge geschlossen und ferner — wenn es sich um eine Eigenentwicklung handelt — Ausschließlichkeitsrechte national und international abgesichert werden. Dem Verbraucher müssen die entsprechenden Betriebsstoffe zur Verfügung stehen, die der neue Motor verlangt. Probleme der Umschulung der Belegschaft sind zu lösen, Betriebsabteilungen anderen Zwecken zuzuführen oder zu veräußern. Gegebenenfalls müssen langfristige Verträge für nicht mehr benötigte Waren — möglichst ohne hohe Abstandleistung — aufgelöst werden. Zur Deckung des Finanzbedarfs ist der Aktien-, Obligationen-oder Schuldscheinkapitalmarkt zu analysieren, möglicherweise können Subventionen erlangt werden.

Die Juristen der Staatsbehörden, der Unternehmen sowie der Gewerkschaften haben zu klären, in welchen Grenzen und in welchem Zeitraum die Umstellung vollzogen werden kann, ohne daß die internationale Wettbewerbsstellung gefährdet wird. Die Behörden werden sich bei nicht ihren Maßnahmen nur hoheitlicher Mittel bedienen können, sondern auch Abmachungen mit anderen Regierungen, den umzustellenden Unternehmen und den Gewerkschaften treffen. Bei allem muß man sich darüber klar sein, daß eine Lösung letztlich nicht nur für ein Land, etwa die Bundesrepublik, oder die EWG zu finden ist, sondern für eine weit über die EWG hinausgehende Staatengruppe. Die Juristen werden auch erkennen, daß die internationale technologische Verflechtung der Macht des einzelnen Staates Grenzen setzt, die einen „Alleingang" verhängnisvoll machen könnte.

Nehmen wir weiter an, die neuen Produktionsverfahren führten zu einer Verkürzung der Arbeitszeit und zu einer bedeutenden Verbilligung der Kraftfahrzeuge. Dann müßten sich Unternehmen, Gewerkschaften und Gemeindeverwaltungen ebenso wie die Sozialbehörden mit dem „Problem" der zusätzlich gewonnenen Freizeit auseinandersetzen.

Alles in allem werden die auftretenden Fragen komplexer sein, als wir sie uns heute vorstellen können. 2. Der moderne Jurist sieht sich zwischen verschieden „organisierte und wirksame Ordnungssysteme" gestellt, deren Rechtsnormen mit denen des Staates konkurrieren und sich mit ihnen überschneiden. Das geht auf eine Entwicklung zurück, die man heute mit dem Schlagwort „wirtschaftliche Integration" kennzeichnet — eine Entwicklung, deren Ursachen und Komponenten oft dargestellt sind und hier als bekannt vorausgesetzt werden dürfen. Zu den Folgen dieser Integration zählen u. a. umfassende Handelsregeln, welche die Bedingungen festlegen, unter denen produziert, die Produkte vertrieben und schließlich auch die letzten Konsumenten beliefert werden. Besonders deutlich wird dies in bestimmten rohstofforientierten Produktionsbereichen. Hier haben sich sogar Regeln entwickelt, die von Unternehmen ganz verschiedenartiger Regierungssysteme — „kapitalistischer", „sozialistischer" oder „kommunistischer" —beachtet werden. An anderer Stelle habe ich hierzu ausführlich Stellung genommen

Hier interessiert nur, daß sich innerhalb dieser Integrationsbereiche Organisationen gebildet haben, die nicht nur ihre eigenen Rechtsregeln schaffen, sondern diese auch durch eigene Standes-oder Organisationsschiedsgerichte durchsetzen. Von diesen Entwicklungen hat man bisher viel zu wenig Kenntnis genommen. Wir dürfen uns hier nicht weiterhin mit der Vorstellung begnügen, der Gesetzgeber habe durch ausdrückliche Gesetzesbestimmungen diese Entwicklung erlaubt oder stillschweigend geduldet. Schrankenlose Privatautonomie im internationalen Privatrecht oder im Schiedsgerichtswesen kann existenzbedrohende Folgen haben. Der Jurist von heute und morgen muß daher befähigt sein, auch Fälle aus diesem Bereich zu lösen. Das vermag er wiederum nur in genauer Kenntnis des hier in Frage stehenden Komplexes von nicht-staatlichen Rechtsregeln.

Wenn ich meine Beispiele aus den Bereichen der nationalen und internationalen Wirtschaft wählte und an ihnen auf vorhandene Mängel in der juristischen Ausbildung hinwies, so bedeutet das nicht, daß es in anderen Rechtsgebieten solche Mängel nicht gebe. Hier werden aber jeweils die Experten am besten Auskunft geben können.

Um nur einige Gebiete zu nennen, auf denen vorausschauende Beschäftigung mit veränderten Lebenssachverhalten notwendig erscheint: Wir sehen, wie schwer eine grundlegende Strafrechtsreform zu verwirklichen ist. Oder: Wer die Verhältnisse in den Vereinigten Staaten beobachtet und häufig — mit Phasenverschiebungen — parallele Entwicklungen in Deutschland feststellen konnte, wird die Behauptung wagen dürfen, daß wir auch hier bald in viel intensiverer Weise mit den Problemen des Rauschgifts und des Jugendschutzes konfrontiert werden. Oder: Werbung und Massenmedien könnten neue Möglichkeiten für eine „Manipulation" des Menschen finden, so daß dessen rechtlich geschützter Raum einer Neubestimmung bedürfte.

IV. Gesetzesrecht und Rechtswirklichkeit

Wir machen die Erfahrung, daß der Gesetzgeber einfach überfordert ist, wenn wir von ihm verlangen, auf jede Änderung der Rechts-tatsachen und der Lebenswirklichkeit mit einer Gesetzesinitiative zu reagieren. Auch der Gesetzgeber muß Prioritäten setzen, und so bleibt es denn manchmal bei an sich regelungsbedürftigen Sachverhalten zunächst beim alten. In solchen Fällen muß der Jurist, der mit den zukünftigen Aufgaben fertig werden will, auch ohne größere gesetzgeberische Hilfe in der Lage sein, die bestehenden Sollensregeln sinnvoll weiterzuentwickeln. Eine solche Rechts-fortbildung darf allerdings nicht willkürlich erfolgen. Der angehende Jurist muß daher erfahren, wie vor ihm in vergleichbaren Situationen ein sachgerechter Übergang vollzogen wurde.

Bei der Vermittlung solchen Wissens haben es die amerikanischen Rechtslehrer wesentlich leichter als die deutschen. In den Vereinigten Staaten hat sich nämlich die sogenannte Com-mon-Law-und Equity-Methode der Fallent-Wicklung auch bei der Auslegung von Gesetzen, insbesondere Bundesgesetzen, längst durchgesetzt. Der amerikanische Jurist, der es im Jahre 1980 etwa mit Haftungsfragen zu tun hat, die sich daraus ergeben, daß eines der neuartigen Automobile mit Atomantrieb nach dem Verlassen des Betriebs und nach der Übergabe an den Konsumenten explodiert, wird, seiner Rechtstradition entsprechend, nicht vor völlig neue Fragen gestellt.

Hier ist das Problem der sogenannten Produzentenhaftung angesprochen, das dem Nichtjuristen unmittelbar verständlich wird, wenn wir auf den Contergan-Fall hinweisen. Der Über-gang von Einzel-zur Massenproduktion, vom Klein-zum Großbetrieb, die Entstehung durch-organisierter Verteilungssysteme und die veränderten Methoden der Werbung, die Unüberprüfbarkeit der Produkte (sowohl durch den Konsumenten als auch durch den Zwischenhändler) haben die amerikanischen Juristen veranlaßt, Fallgruppen zu entwickeln, die es ermöglichen, die Frage der Produzentenhaftung befriedigend zu lösen. Ähnliches findet der amerikanische Jurist vor, wenn es um die Erfüllung oder Schadensersatzpflicht in den Fällen der Vertragsauflösung geht. Gerade durch die Sonderentwicklung des Equity konnten die Gerichte auch ganz neue Tatbestände immer wieder richtig erfassen und das Recht adäquat weiterentwickeln.

Hier soll nun aber nicht der Eindruck vermittelt werden, als könnten die Richter unmittelbar aus der Lebenswirklichkeit die Normen herleiten. Auch der amerikanische Richter muß Wertentscheidungen treffen, die sich aus bestimmten Grundwertvorstellungen ergeben. In Deutschland hat der Kampf gegen das Naturrecht dazu geführt, daß man das logisch Unmögliche realisieren, nämlich frei von bestimmten Ordnungsund Wertvorstellungen das gesetzte Recht anwenden möchte.

Auch in Deutschland hat man längst erkannt, daß das Gesetzesrecht in wesentlichen Punkten der veränderten Entwicklung angepaßt werden muß. Die höchstrichterliche Rechtsprechung hat hier auf einigen Gebieten Erfreuliches geleistet. In der Bewertung solcher höchstrichterlichen Entscheidungen schießt man aber in Deutschland gelegentlich über das Ziel hinaus und ist nicht frei von oberflächlichen Verallgemeinerungen, wie sie dem in der Tradition der Fallmethode stehenden amerikanischen Juristen nie unterlaufen würden. Ein Vergleich der amerikanischen und der deutschen Situation fällt also deutlich zugunsten Amerikas aus. Was die Anpassung des Gesetzesrechtes an die sich verändernde Wirklichkeit angeht, so kann man in Amerika mit relativer Ruhe dem Jahr 1980 entgegensehen.

Die amerikanische Rechtsfakultät kann sich darauf verlassen, daß der Student der Rechte schon in den vier vorgelagerten Collegejahren sich Kenntnisse in Betriebs-und Volkswirtschaft, in Soziologie und Politik angeeignet hat, da in Amerika die so bedenkliche Eigenständigkeit und Isolierung der einzelnen Wissenschaftsdisziplinen nicht so weit fortgeschritten ist wie hier. In Deutschland muß man dagegen den Eindruck haben, daß ein verfehlter Wissenschaftsbegriff dazu führt, die Studenten künstlich von den Problemen der Soziologie, der Wirtschaftswissenschaften und der Ethik fernzuhalten.

Hier in Deutschland hält man auch unverständlicherweise eine folgenschwere Fiktion aufrecht. Man weist den Rechtsstudenten nicht auf die natürliche Veränderung der Rechtsnormen in ihrer Wechselwirkung mit der Realität des Lebens hin, weil man diese Verbindung einfach nicht wahrhaben will. Vielmehr versucht man ihm beizubringen, daß die Gerichte die Normen in der Weise weiterentwickelt haben, daß er auch heute noch das BGB und andere Gesetze rein normativ-dogmatisch anwenden kann.

B. Bildungsgang des Juristen

I. Die juristische Grundausbildung

Die Hinweise darauf, daß der Jurist und das juristische Denken sich einer Fülle von Lebens-sachverhalten gegenübergestellt finden, die ständigem Wandel unterworfen sind, sollten nun nicht den resignierenden Eindruck vermitteln, daß für die Ausbildungszeit zu vielerlei und zu viel verlangt werden müßte. Es ist schon viel gewonnen, wenn man die Richtung angeben kann und wenn man erkennt, daß das unter der Einwirkung des „Spaltpilzes" stehende Wissenschaftsbild nicht akzeptiert werden kann. Das Spannungsfeld zwischen theoretischer und praktischer Ausbildung wird bleiben. Doch lassen sich die Gegensätze vermindern, wenn man ein klares Ausbildungsziel vor Augen hat. 1. Die Einrichtung von Akademien: ein Bindeglied Heute ist der sogenannte theoretische Teil der juristischen Ausbildung eindeutig universitätsbezogen und im wesentlichen von den Fakultätsmitgliedern bestimmt. Dieser universitätsbezogenen Ausbildung steht fast antagonistisch die sogenannte praktische Ausbildung während der Referendarzeit gegenüber, die im Grunde genommen nur eine Aneinanderreihung verschiedener Zuweisungen zu einzelnen „Ausbildungsstationen" bedeutet. Diese soge-nannte praktische Ausbildung bleibt häufig dem zufälligen Interesse eines bestimmten Gerichts, einer bestimmten Verwaltung oder gar eines einzelnen Richters oder Verwaltungsbeamten überlassen, der sich um die ihm zugewiesenen Referendare zu kümmern hat. Erfreulich sind jedoch die Referendar-Arbeitsgemeinschaften, sofern diese für ihre Arbeit wirklich überzeugende Persönlichkeiten gewinnen können. Aber viel, zu viel, bleibt auch hier dem Zufall anheimgegeben.

Auch die Mängel der universitätsbezogenen Ausbildung sind, wie dargestellt, unverkennbar. In der letzten Zeit gibt es zwar einige beachtliche Versuche und Entwicklungen, die darauf hinzielen, in verstärktem Maße Praktiker in die Fakultäten hereinzunehmen, um so die Verbindung mit der Rechtswirklichkeit wieder herzustellen. Obwohl ich diese Tendenz begrüße und sie immer gefördert habe, glaube ich aber nicht, daß sie alle Mängel beseitigen wird. Das mag zum Teil daran liegen, daß für die Studenten Examensgesichtspunkte zu sehr im Vordergrund stehen. Jedenfalls bleibt das Mißbehagen, daß es keine echte Verbindung von Rechtslehre und Rechtswirklichkeit gibt — von einzelnen löblichen Versuchen abgesehen. Gerade im Hinblick auf die Berufung geeigneter Praktiker werden die neuen Universitäts-und Hochschulgesetze wohl kaum geeignet sein, zu einer Verbesserung der Verhältnisse beizutragen. Ist die Universität hiernach nur in begrenztem Umfang eine Begegnungsstätte zwischen Praktikern und Theoretikern, so fehlen hierfür in der Referendarzeit schon die organisatorischen Voraussetzungen.

Ich glaube, daß dies alles darauf hinausläuft, den Gedanken der Akademien neu zu beleben. Als Rechtslehrer an der Universität Frankfurt sei es mir gestattet, einige Gedanken von Wilhelm Merton in Erinnerung zu rufen. Er hat wie kaum ein anderer führender deutscher Industrieller die Wissenschaften gefördert. Schon Ende des letzten Jahrhunderts hatte Merton die Absicht, für „fertige" Juristen und Nationalökonomen Ausbildungskurse über sozialpolitische und volkswirtschaftliche Fragen einzurichten. Dies geschah durch die Gründung des Instituts für Gemeinwohl, das später in Akademie für Sozial-und Handelswissenschaften umgenannt wurde.

In einem Schreiben vom Januar 1897 führte Merton aus „Ohne zu verkennen, daß sich, wie die Dinge nun einmal liegen, ein Ausgleich der scharfen sozialen und wirtschaftlichen Gegensätze, welche unsere Zeit charakterisieren, vermutlich nur auf dem Wege des verschiedenen Kampfes zwischen den Richtungen allmählich vollziehen wird, schien es mir die Aufgabe des Institutes für Gemeinwohl zu sein . . ., dem Theoretiker den Weg zur Praxis zu öffnen, indem es einer möglichst großen Zahl jungen Nationalökonomen die Gelegenheit verschafft, Fühlung mit der Praxis zu ge-winnen . . . Ich lege um so mehr Nachdruck auf eine Ausbildung nach der wirtschaftlichen und praktischen Seite, weil ich auch in meiner geschäftlichen Tätigkeit die Wahrnehmung gemacht habe, daß . . . nur ein verhältnismäßig sehr kleiner Teil die Eigenschaften besitzt, die für eine selbständige geschulte Leitung größerer Unternehmen erforderlich sind."

Im Hinblick auf die Gründung einer Akademie schreibt Merton am 24. Juni des gleichen Jahres „Hierbei schwebt mir die Absicht vor, späterhin regelmäßig Kurse zu eröffnen, von welchen Staats-und Kommunalbeamte wie auch der Privatmann profitieren können. Darauf wird um so mehr Wert gelegt, weil die große Mehrzahl der Personen, welche in der Staatsverwaltung tätig sind, in wirtschaftlichen und sozialen Dingen zu wenig bewandert sind, und weil auch der überwiegende Teil derjenigen, die heute an die Spitze von landwirtschaftlichen, industriellen oder Handelsunternehmungen kommen, den wirtschaftlichen und sozialen Zuständen innerhalb des eigenen Berufes und des engeren Kreises, in dem sich ihre Tätigkeit abspielt, zu fremd gegenüberstehen ... — ebenso steht der Jurist, welcher wegen der Beherrschung des formalen Teils . . .den Platz an der Spitze der meisten privaten und öffentlichen Verwaltungen zu erhalten pflegt, dessen Wissenschaft, im Grunde genommen, ein Zweig der Gesellschaftswissenschaft ist, dieser in häufigen Fällen, infolge des Ganges seiner Ausbildung, völlig fern."

Die von Merton gegründete Akademie ist schließlich in der Frankfurter Universität aufgegangen. Vom heutigen Standpunkt aus kann man bezweifeln, ob dies sehr von Vorteil war.

Früher gab es in einzelnen deutschen Staaten Richterakademien, die den gleichen Zweck verfolgten, nämlich Juristen mit abgeschlossener Universitätsausbildung auf die besonderen Erfordernisse der Praxis vorzubereiten. Auch außerhälb Deutschlands gibt es überzeugende Beispiele. Dabei denke ich etwa an Erfah -rungen, die Frankreich mit seiner Verwaltungsakademie (ENA) in Paris oder mit seiner Richterakademie in Bordeaux gemacht hat. Hier wurden Ausbildungsstätten geschaffen, die in hohem Maße hervorragende Theoretiker und Praktiker verbinden. Auch dort mag nicht alles optimal sein, aber es sollte doch zu denken geben, daß sich junge deutsche Juristen verstärkt diesen Akademien im Ausland zuwenden, während umgekehrt deutsche Ausbildungsstätten kaum Attraktivität für Ausländer haben; das ist nicht nur eine Frage der Sprache!

Für die Juristenausbildung in Deutschland ziehe ich daraus den Schluß, daß es erforderlich ist, neben die Fakultäten juristische Akademien zu stellen, die ganz entscheidend von hervorragenden Vertretern der verschiedensten juristischen Berufe, also außer von Richtern, Verwaltungsbeamten und Anwälten auch von Verbands-und Wirtschaftsjuristen beeinflußt werden. Die Funktion solcher Akademien ist einfach zu bestimmen: Genauso, wie die Fakultäten für die universitätsbezogene Ausbildung verantwortlich sind, müssen die Akademien den sogenannten praktischen Ausbildungsteil, die Referendarzeit, leiten. Die Aufsicht über diese Akademien sollte meines Erachtens dem Bundesjustizministerium oder auch, aus Gründen unseres föderativen Staatsaufbaus, den obersten Landesbehörden übertragen werden, wobei die aktive Beteiligung aller gesellschaftlichen Elemente die Akademie vor Verknöcherung schützen soll. Aber sonst handelt es sich mehr um technisch-organisatorische Fragen, die nur an Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten orientiert sein sollten.

Diese Akademie müßte in drei Abteilungen gegliedert sein, und zwar — entsprechend den hauptsächlichen juristischen Berufsgruppen — für Justiz, für Verwaltung und für Unternehmen.

Zugleich sehe ich auch die Möglichkeit, bestehende Institutionen in eine solche Organisation einzubauen. Dabei denke ich z. B. an die Hochschule für Verwaltungswissenschaften in Speyer, die ich wenigstens von der Idee her für gut halte. Es müßte aber eine Bestandsaufnahme gemacht und geprüft werden, inwieweit diese Schule erweiterten Zielsetzungen genügen kann.

Eine solche organisatorische Zusammenfassung würde es ermöglichen, von den Vorschlägen des Bundesjustizministeriums sowie des CDU/CSU-Antrags und auch von den Leitsätzen der ASJ zur Reform der Juristenausbildung wirklich Gebrauch zu machen und eine Reihe verschiedener Ausbildungsmodelle zu erproben. Wir haben allerdings nicht, wie in einer der Begründungen gesagt wurde, zehn Jahre Zeit, um aus Modellversuchen Erfahrungen zu sammeln. Die Ausführungen des ersten Teils sollten zeigen, daß wir fast überhaupt keine Zeit mehr haben, wenn wir verhängnisvolle Fehlentwicklungen aufhalten wollen. 2. Gesamtausbiklung und Stufenpläne Es wird bei allen Vorschlägen Wert darauf gelegt, die Gesamtausbildungszeit auf fünf bis fünfeinhalb Jahre zu verringern, wobei man allerdings von den heutigen Aufgaben des Juristen ausgeht. Meines Erachtens ist es fraglich, ob man die gleiche Gesamtausbildungszeit auch bei einer vertieften juristischen Ausbildung, wie sie hier vorgeschlagen wird, einhalten kann. Im folgenden wird von einer regelmäßigen Ausbildungszeit von ca.sechs Jahren ausgegangen, ohne diese Zahl als „magisch" anzusehen. Denn letzten Endes kommt es auf den Einsatz derer an, die ausbilden oder ausgebildet werden. Einen integrierten Ausbildungsgang kann man in drei Hauptteile aufgliedern: 1. Die Grundstufe (4 Semester) soll die Erkenntnis des juristischen Prinzips, die juristische Technik und das Grundwissen vermitteln. 2. Die Vertiefungsstufe (4 Semester) beinhaltet die Entfaltung der juristischen Problematik, dargestellt an den Wechselwirkungen zwischen Rechtsordnung und Lebenswirklichkeit in einem der drei Bereiche: „Staat", „Unternehmen" und „Mensch und menschlicher Verband".

Für die ersten beiden Stufen sollen die Fakultäten verantwortlich sein. 3. Die Referendarstufe (ca. 4 Semster) bringt die praktische Anwendung und Bewertung des Rechts in Gesetzgebung, Verwaltung, Justiz, Wirtschaft oder Verbänden anhand der hier aufgezeigten drei „Einstiegsmöglichkeiten". Die Verantwortung für diesen Ausbildungsabschnitt sollen die Akademien übernehmen.

Bei einer solchen Gliederung der Gesamtausbildungszeit können jedoch immer nur Schwerpunkte gesetzt werden, ohne daß man die aufgezeigten drei Hauptrichtungen der juristischen Ausbildung völlig voneinander trennt.

3. Sicherung der Grundlagen (1. — 4. Semester) In der uns befreundeten Yale Law School war der Versuch unternommen worden, vom ersten Jahr ab zu diskutieren und es den „YoungB sters" zu überlassen, den rechten Weg zu finden. Dieser Versuch ist gescheitert. Ohne Grundkenntnisse kann man nicht sinnvoll diskutieren.

Walton Hamilton, Jurist und Ökonom, einer meiner Lehrer in Amerika, hat im Einklang mit dieser Erfahrung folgendes gefordert: Die ersten Semester müßten dazu dienen, daß der Student „the verbiage of law" erlernt; nämlich die Grundbegriffe und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Teilen des Rechts sowie die Verbindung des Rechts mit der Geschichte, der Philosophie, den Sozialwissenschaften und der Politik. Dies erfordert intensive Arbeit! Dabei ist die Tätigkeit der Rechtsfakultäten in den Vereinigten Staaten dadurch wesentlich erleichtert, daß stets ungefähr Gleichbegabte in den Fakultäten zusammenarbeiten. Durch ein besonderes Auswahlverfahren für juristische Begabungen — von Rechtsanwalt Michel ausführlich dargestellt —, verbunden mit einer objektivierten Bewertung der Collegezeugnisse, wird das Gleichgewicht unter den Begabungen gesichert.

Diese erste Stufe soll vor allen Dingen Grundwissen vermitteln. Hier muß die Subsumtionstechnik eingeübt, die „juristische Methode" erlernt und in ihrer sozialen und soziologischen Relevanz verstanden werden. Ferner sollte gezeigt werden, wie man juristische Arbeiten anfertigt, wie juristische Literatur erschlossen und zitiert wird. Das sind vielleicht vordergründige und technische Dinge. Man kann sie gleichwohl dem Studenten nicht ersparen. Hat er hierbei einmal Sicherheit gewonnen, so kann er sich vertiefend den Inhalten zuwenden. Bei der Erarbeitung einzelner Rechtsgebiete sollte man von der normativen Seite des Rechts ausgehen. In knapp 4 Semestern sollte auch an unseren Universitäten das zu leisten sein, was an den amerikanischen Law Schools in einer etwas kürzeren Zeit erarbeitet wird.

In den nachfolgenden Semestern muß hingegen vermittelt werden, wie die sozialen Tatsachen (Seinseite) mit dem Studium der Sollenseite verbunden werden. Das setzt voraus, daß die ersten Semester dazu benutzt werden, die einzelnen Rechtsnormen an entsprechenden Bei-spielen — Verträgen oder Entscheidungen usw. — zu erklären. Die amerikanischen Law Schools beginnen im ersten Jahr mit einem auf beide Semester verteilten Kurs über das Vertragsrecht oder über das Recht der unerlaubten Handlung sowie mit einem zweistündigen Kurs über das Strafrecht und über die Grundsätze des Prozeßrechts. Dabei bewirkt das Fehlen der krassen Unterscheidung zwischen öffentlichem und privatem Recht, daß in den Diskussionen über Vertrags-recht und unerlaubte Handlungen immer wieder das mit hineinkommt, was man bei uns unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Rechts behandelt. Das sind „klassische" Einführungskurse. Wenn ich dabei von Kursen spreche, so verbinden sich rein lehrmethodisch Vorlesungen oder Vorträge mit induktiven Besprechungen über die Anwendung und Entwicklung von Rechtsnormen. In jedem dieser Kurse hat der Student ein Fall-und Materialbuch zur Hand, das ihm die Mitarbeit ermöglicht. Er muß auch die einschlägige Literatur heranziehen, die ihm in der Bibliothek in Handapparaten besonders leicht zugänglich gemacht wird. Ich nehme das Wort „Mitarbeit" sehr ernst. Die Studenten in Amerika arbeiten außerordentlich intensiv, sind aber auch am Ende des ersten Jahres schon in der Lage, zu diskutieren und sich sachlich auseinanderzusetzen. Sie haben sich „the verbiage of law" erkämpft. Nach dem 3. Semester vertiefen sie sich nicht nur in weitere Rechtsprobleme, sondern beginnen in sogenannten moot Courts — gespielten, aber der Wirklichkeit nachempfundenen Verhandlungen und Prozessen—, sich ganz systematisch auf die wirkliche Anwendung des Rechts in der Praxis vorzubereiten. Ich schlage vor, auch diese didaktische Methode zu übernehmen. Ein besonderer Kurs müßte dann selbstverständlich die geschichtliche Dimension des Rechts erschließen.

Am Ende dieser 4 Semester muß der Student wissen, was Rechtsordnung und Rechtswissenschaft bedeuten oder wofür sie von verschiedenen Gruppen gehalten werden. Jetzt kann er sich auch entscheiden, ob er wirklich Rechtswissenschaft weiterstudieren will.

Wir stehen nunmehr vor einer wichtigen Alternative: Entweder führen wir — wie in Amerika — ein System der Begabtenauslese ein und verlangen von den Studenten, daß sie 4 Semester intensiv mitarbeiten — der Nachweis der Mitarbeit könnte dann durch eine permanente Leistungskontrolle erbracht werden —, oder aber wir fordern, daß ein wirklich ern37 stes Aufnahmeverfahren für die nachfolgenden Semester stattfindet. Der zweite Weg scheint mir gerechter zu sein und läßt sich in Deutschland wohl auch leichter realisieren. Da das Grundstudium hiernach mit einer Prüfung endet, ergeben sich aus Gründen der Prüfungsgerechtigkeit gewisse organisatorische Konsequenzen. Werden die Grundkurse von je einem Lehrer des Strafrechts, des öffentlichen Rechts und des Privatrechts sowie einem Vertreter eines geschichtlichen Faches gehalten, so sollten diese Personen auch die Prüfungen abnehmen, um eine gleiche Behandlung zu gewährleisten. Mit den jeweiligen Grundkursen wären Übungskurse zu verbinden, in denen Instruktoren jeweils Gruppen von ca. 25 Studenten betreuen könnten.

Ich verkenne nicht, daß diese Grundstudienzeit gewisse schulische Züge trägt. Das gar nicht so unbedeutende Phänomen der Repetitoren zeigt, daß die Studenten im Grunde genommen etwas derartiges auch gar nicht ablehnen. Ist die Universität nicht bereit, die Grundlagen des juristischen Studiums zu sichern, so ist es nur folgerichtig, daß diese Lücke anderweitig geschlossen werden muß. Die mit einer Übernahme schulischer Züge verbundene Disziplinierung ist aber nicht einseitig, sondert trifft Lehrende und Lernende gleichermaßen.

Studentische Aktivitäten werden dadurch nicht ausgeschlossen. Die erwähnten Instruktoren der Übungskurse müßten sich auch bereithalten, wenn sich ad hoc studentische Initiativen bilden. Der verständliche Wunsch von Studenten, von einer Vorlesung angeregt, bestimmte, auch aktuelle Fragen diskutieren und vertiefen zu wollen, könnte so erfüllt werden, ohne daß der Fortgang der Kurse behindert würde.

Ich bin mir darüber im klaren, daß der Vorschlag eines straff organisierten Grundstudiums mit einem Prüfungsabschluß weder populär noch „progressiv" ist. Aber durch eine Auslese könnten nicht nur Fehlentwicklungen verhindert werden, die sich sonst erst später und dann verhängnisvoll auswirken, sondern auch ein Raum der relativen Sicherheit gewonnen werden, in dem sich eine wissensenschaftliche Vertiefung besser entfalten kann.

Gerade unsere tüchtigsten Studenten empfinden es. als unerträglich, in höheren Semestern den lästigen Examensvorbereitungen ausgesetzt zu sein, wo sie doch schon in der Lage wären, interessante Gebiete wissenschaftlich zu vertiefen.

Wir werden sehen, welche praktischen Schlüsse daraus gezogen werden können. 4. Vertiefung durch Konzentration (5. — 8. Semester)

Schon der zweite Teil der universitätsbezogenen Ausbildung — hier sollte einschließlich der Prüfungen mit 2 Jahren auszukommen sein — wird organisch mit der Zeit der praktischen Ausbildung verbunden sein. Ich würde hierbei das Wort „Wahlkurse" vermeiden und zutreffender „Vertiefung durch Konzentration" sagen. Ich glaube, daß eine solche exemplarische, wenn auch vertiefende Behandlung der drei Grundgebiete und eine enge Verbindung mit bestimmten praktischen Zeiten sinnvoll ist.

Allerdings meine ich, daß ein automatischer und schematischer Ablauf praktischer und theoretischer Studienzeiten — wie im Münchener Modell vorgesehen — die Sache nicht wesentlich fördern kann, auch wenn es sich sonst um einen interessanten Vorschlag handelt.

Nach Abschluß der Grundstudienzeit kennt der junge Jurist die Grundbegriffe des Rechts und die „juristische Methode", versteht ihre Anwendung auf Fälle, Verträge, auf Sozialgestaltungen aller Art und wird veranlaßt, die Frage nach den Zusammenhängen mit den Rechtstatsachen, der Psychologie, der Soziologie, der Politik, der Philosophie und der Geschichte zu stellen. Er muß nun befähigt sein, zu bestimmten, eng umgrenzten Sachgebieten der Praxis in kritischen Entwürfen oder Darstellungen — vom Standpunkt des Schutzes der Rechtsordnung aus — Steilung zu nehmen

Diesen so vorbereiteten Rechtsstudenten werden nun drei verschiedene Einstiegswege für ein vertiefendes Rechtsstudium angeboten. Damit soll aber eine Berufswahl nicht vorweggenommen werden. Es handelt sich einfach um eine systematische Erfassung der „Wahlkurse". Dabei gehen wir von der Prämisse aus, daß es nicht möglich ist und eine Überforderung des Studenten darstellen würde, wenn man von ihm eine gleichmäßige vertiefende Arbeit in allen Rechtsgebieten verlangen wollte. Andererseits glaube ich, daß eine Auswahl dem Studenten hilft, exemplarisch die Probleme und Prinzipien der Rechtsordnung zu erfassen.

Die Studenten sollen sich entscheiden können, ob sie den Einstiegsweg „Einzelpersönlichkeiten und deren Gruppierungen" (Schwer-B punkte: Strafrecht, Kriminologie, Psychologie etc.) oder „Unternehmen" (Schwerpunkte: Privatrecht, Wirtschaftsrecht, Arbeitsrecht, Rechts-soziologie) oder „Staat“ (Schwerpunkte: Öffentliches Recht, politische Wissenschaften) für ein vertiefendes Rechtsstudium wählen wollen. Jeder dieser drei Wege — richtig durchdacht — schneidet sich mit den verschiedenen Normenkreisen des sogenannten privaten und öffentlichen Rechts sowie des Prozeßrechts und Strafrechts. Während in den ersten 4 Semestern deduktiv von der Regel auf die Institution hingearbeitet wird, wird jetzt umgekehrt von der Institution auf die Rechtsnorm zurückgegangen.

In diesem Beitrag kann nicht jeder dieser drei Wege dargestellt werden. Ich möchte mich vielmehr auf den Abschnitt Unternehmensrecht — der mir am nächsten steht — beschränken, um hieran exemplarisch zu zeigen, in welche Richtung die Überlegungen gehen sollten.

Vertiefungskurs „Unternehmensrecht''

Es darf hier vielleicht doch noch einmal auf die Erfahrung verwiesen werden, die wir in unseren Veranstaltungen, sei es in Seminaren, Kolloguien oder in der Institutsarbeit, während der letzten 10— 20 Jahre gemacht haben. Bei unseren Arbeiten überschneiden sich privates und öffentliches Recht, bürgerliches und Handelsrecht, nationales und internationales Recht. Hier entstehen immer wieder neu unsere Probleme, zu denen etwa auch die praktische Vorbereitung eines Gutachtens für die OECD über die heutige Gestaltung und Auswirkung beschränkter Handelsmaßnahmen privater und öffentlich-rechtlicher Art gehört. Dies alles können wir durch zielbewußt arbeitende Gruppen von Studenten und Referendaren behandeln lassen.

Diese Gruppen wurden eigentlich gar nicht organisiert, sondern sie sind gewachsen. Aus ihnen sind etwa 70 junge Juristen hervorgegangen, die heute Lehrstühle und verschiedenartige Positionen in der nationalen und internationalen Verwaltung und Wirtschaft sowie der Anwaltschaft innehaben. Hier hat sich ein Kreis gebildet, der sich im ständigen geistigen Austausch befindet und der auch über die politischen Parteien und Weltanschauungen hinweg Bestand hat. Es ist zwar richtig, daß bei vielen Teilgebieten der Schwerpunkt der Tätigkeiten in der Zusammenarbeit mit Referendaren liegt. Trotzdem zeigt gerade unsere Erfahrung, daß, wenn man möglichst früh dem Studenten verschiedene Einstiegswege schafft, auch hier in vertiefender Behandlung einiger Sachgebiete beachtliche wissenschaftliche und praktische Erfolge erzielt werden können.

Zur Personalstruktur der Vertiefungsstufe möchte ich zunächst nur so viel sagen, daß jede der drei Abteilungen unter der Leitung eines der hierfür zuständigen Professoren stehen müßte. Dies sollte sich in einem gewissen Turnus ändern, um ein Erstarren in der Routine zu vermeiden. Für die Abteilung „Unternehmensrecht" steht fest, daß hier nicht nur Vertreter der verschiedenen rechts-und wirtschaftswissenschaftlichen Fächer hinzuzuziehen sind, sondern auch vor allem Praktiker aus den verschiedenen Spezialgebieten. In möglichst großer Informalität, aber größter Zielhaftigkeit muß sich für die Vertiefungsstufe eine Gruppe von zusammenarbeitenden Persönlichkeiten konstituieren, mögen sie nun der großen akademischen Gemeinschaft angehören oder in der Praxis stehen.

Die Organisation dieses zweiten Universitätsabschnitts sollte keine ernsthaften Schwierigkeiten bereiten. Die Abteilung veranstaltet sowohl für ihre eigenen Miglieder als auch für jeden, der interessiert ist, Grundvorträge über das Stoffgebiet der gesamten 4 Semester hinweg. Ich vermeide hier absichtlich das Wort Vorlesung, weil es sich um Vorträge handelt, die sich über eine oder mehrere Doppelstunden erstrecken können. Die Vorträge werden ja nicht von Professoren allein, sondern von Gelehrten und Praktikern der verschiedenen Disziplinen gehalten. Dabei sollte es die Aufgabe eines Professors sein, die verschiedenen Beiträge sinnvoll zu koordinieren; auch die Gesamtverantwortung müßte bei einem Professor liegen. Es stößt im universitären Bereich immer wieder auf starke Bedenken und Vorurteile, wenn man Praktiker heranzieht, die zufällig keine Promotion oder kein Staats-examen haben. Für die Abteilung „Unternehmensrecht" bleibt eine Beteiligung von Praktikern unerläßlich, wenn Qualität und Qualifizierung als Kriterien ausschlaggebend sind. Aber ich kann mir nicht vorstellen, daß das in anderen Abteilungen anders sein könnte. Wenn z. B. in der Abteilung „Einzelpersönlichkeit" ein Vertiefungskurs über Wirtschaftsstrafrecht abgehalten wird (dieser Kurs wäre auch den Absolventen der Abteilung Unternehmensrecht anzubieten), so würde ich es für sinnvoll halten, wenigstens einige Male einen Dezernenten für Wirtschaftsstrafrecht, bei der Staatsanwaltschaft zu hören; sicher wäre es auch nüzlich, informatorisch einen Experten des Bundes-oder Landeskriminalamts heranzuziehen.

Durch eine solche Form ließe sich eine doppelte universitären Bereich schaffen. Öffnung Die Hinzuziehung von Praktikern würde in einem weiten Umfang gewährleisten, daß nicht an den praktischen Problemen „vorbeidoziert" wird. Die Zulassung eines weiteren interessierten Hörerkreises könnte die Gefahr der Isolation zumindest verringern. Ich hätte keine Bedenken und empfände es sogar als eine Bereicherung, wenn im Beispielsfall „Wirtschaftsstrafrecht" einige Absolventen von Polizei-schulen teilnehmen könnten, die sich für dieses besondere Gebiet interessieren. Neben den Vorträgen und Kursen sollte das Schwergewicht der Lehrveranstaltungen auf Arbeitsgemeinschaften und Seminaren liegen. Diese Formen von Lehrveranstaltungen erscheinen mir didaktisch besonders geeignet, die Eigeninitiative der Studenten zu fördern.

Wenn ich im folgenden für die Abteilung Unternehmensrecht einige Schwerpunkte herausstelle, so soll damit natürlich nicht ein vollständiger Stoffplan skizziert werden. Es wäre beispielsweise die Frage zu prüfen, inwieweit das „Unternehmen" nicht nur ein Sozialbegriff, sondern auch ein Rechtsbegriff ist. Ein Hauptpunkt wäre mit Sicherheit die Frage nach dem Unternehmensträger. Die Unterschiede zwischen Einzelbesitzer, Gesellschaften, Genossenschaften usw. müßten hier herausgearbeitet werden. Ein Lehrgegenstand wäre auch das Verhältnis zwischen Technologie und Unternehmen, also die Frage der immateriellen Rechte des Unternehmens sowie auch der Vereinbarungen über immaterielle Rechte zwischen verschiedenen Unternehmen, auch verschiedener Länder und Marktgebiete. Die Methoden der Kapital-und Kreditbeschaffung und -Sicherung müßten untersucht werden (Aktien, Schuldscheindarlehen, Schuldverschreibungen, Bankkredite, Sicherheitsübereignungen usw.). Auch die Frage der Personalstruktur von Unternehmen müßte geprüft werden; hier wäre das Arbeitsrecht mit einzubauen. Besondere Untersuchungen sind erforderlich über die Verteilungssysteme der Unternehmen, die allgemeinen Geschäftsbedingungen, die Wettbewerbssituation, die Werbung für Produkte usw.

Diese Beispiele mögen genügen, um zu zeigen, daß wir durch die Bearbeitung dieser Fragen mit den verschiedenen „systematischen"

Rechtsgebieten, also etwa Vertragsrecht, Gesellschaftsrecht, Pfand-und Hypothekarrecht, immaterielles Güterrecht, Kartellrecht usw. in Berührung kommen. Bei den Fragen der Durchsetzung von Unternehmensrechten und des Schutzes des Unternehmens würde das Prozeßrecht mit einzubeziehen sein. Die Erörterung der Grundsätze erlaubter Werbung könnte z. B. Anlaß sein, das praktisch wichtige Institut der einstweiligen Verfügung darzustellen. So bedeutet Konzentration durch Vertiefung eben nicht, daß ängstlich alle Themen vermieden werden müssen, die nicht im engeren Sachbereich liegen. Es ergeben sich vielmehr Überschneidungen, und es entspricht der exemplarischen Lernmethode, daß die Grenzen der Fachbindung überschritten werden können. So wird die Darstellung einiger der oben angegebenen Sachfragen erforderlich machen, daß ausgewählte Kapitel der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gelesen werden. Wird in einem Kurs z. B. die heutige Unternehmens-und Marktordnung dargestellt, so könnten in dieser Abteilung auch ein historisches Seminar über die Bedeutung des Lehnrechts und der merkantilistischen Konzessionen oder ein rechtsvergleichendes Seminar oder ein Seminar über die Fragen des internationalen Privatrechts durchgeführt werden. Ich bin so optimistisch zu glauben, daß es für den Gesamt-erfolg ohne Bedeutung ist, ob diese speziellen Seminare, Kurse, Arbeitsgemeinschaften vorgeschrieben sind oder nicht. Bei dieser Einordnung unserer Probleme werden sich Verbindungen mit ökonomischen, politischen und soziologischen Untersuchungen fast von selbst einstellen. Nicht nur die Darstellung der Personalstruktur von Unternehmen, sondern auch die Untersuchung finanzieller oder technologischer Abhängigkeiten von Unternehmen wird die Fragestellung erweitert. Kritische Untersuchungen werden gewisse Erkenntnisse einem breiten Kreis von Studenten zugänglich machen. Es wird sich z. B. zeigen, daß der Staat in der Wirtschaftspraxis nicht mehr der „Monopolist" der Rechtssetzung ist; der bisher so gern gesuchte Trost, daß ja sowohl allgemeine Geschäftsbedingungen wie Schiedsgerichtsklauseln oder Verbandsgewalt nur von staatlicher Macht gebilligte Institutionen sind, wird fragwürdig werden.

Ich habe mich bei meiner Darstellung, wie erwähnt, bewußt auf das Beispiel Unternehmens-recht beschränkt. Die spezifischen Probleme in den anderen Abteilungen können durchaus verschieden sein. Hier käme es darauf an, eine Bestandaufnahme zu versuchen, um zu überzeugenden Stoffplänen zu kommen. Eine wichtige Frage wurde ohnehin ausgespart: Die einzelnen Abteilungen müssen sich darüber klar werden, welche Lehrstoffe für verbindlich gehalten werden müssen und welche Gegenstände man der freien Wahl der Studenten überlassen sollte.

Recht schwierig scheint hier die Frage zu sein, die eine mögliche Vorwegnahme praktischer Studienzeiten betrifft. Sie ist eng mit der Stellung der Akademien verbunden. Ich habe darzustellen versucht, warum es effektiver erscheint, die praktischen Gesichtspunkte in der Universität verstärkt zur Geltung zu bringen statt eines an sich möglichen automatischen Wechsels zwischen praktischen und theoretischen Studienzeiten (Intervallsystem). Gleichwohl bin ich der Meinung, daß man im begrenzten Umfang die Möglichkeit schaffen sollte, bestimmte Stationen der Referendarzeit schon während der Vertiefungsstufe vorzuziehen. Ich würde diese Frage jedoch mehr unter dem Gesichtspunkt einer Vergünstigung statt eines Zwanges sehen. Außerdem halte ich eine solche Vorwegnahme praktischer Studienzeiten nur dann für sinnvoll, wenn schon während der Vertiefungsstufe echte Bezüge zur Praxis hergestellt werden.

Solche Berührungspunkte zu schaffen, versuche ich schon seit einiger Zeit zusammen mit dem Kollegen Bruns in unserem gemeinsamen Wirtschaftsrechtsseminar. In Prof. Bruns, dem Syndikus der Frankfurter Wertpapierbörse, fand ich einen hervorragenden praktischen und theoretischen Juristen, der mit den Problemen und Themen vertraut ist. In studentischen Arbeitskreisen wurden so schwierige Themen wie der Eurodollarmarkt, internationale Währungsabkommen, nationale und internationale Börsenfragen, Börsenzulassungsfragen und Investmentgesellschaften bearbeitet und dem Plenum vorgetragen. Bankenvertreter u. a. ergänzten die Beiträge und stellten sich der Kritik. Auch Aktenmaterial wurde zur Verfügung gestellt, so daß eine echte Konfrontation mit der Praxis stattfinden konnte.

Im kommenden Semester werden wir die Zusammenarbeit mit einer großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft versuchen. Studenten, die hier hervorragende Beiträge leisten, könnten durchaus während der Semesterferien in Anrechnung auf die praktische Studienzeit (Referendarzeit) in Behörden, Banken oder der Börse ein Praktikum absolvieren, wenn der Bildungsgang dies vorsähe. Ich würde es auch für vertretbar halten, wenn — um bei einem früheren Beispiel zu bleiben — besonders gute Absolventen eines Kurses über Wirtschaftsstrafrecht anschließend ein Praktikum bei der Staatsanwaltschaft oder beim Landeskriminalamt machen könnten.

Hierfür fehlen zur Zeit die organisatorischen Voraussetzungen. Auch bei der Einrichtung von Akademien müßten diese die Verantwortung für die praktische Studienzeit tragen. Es müßte zu erreichen sein, hier zu einer sinnvollen Kooperation zwischen Universität und Akademie zu gelangen. Es sollten gemeinsame Richtlinien erarbeitet werden, die es qualifizierten Studenten ermöglichten, bis zu 6 Monaten bestimmte praktische Studienzeiten vorzuziehen. Dabei sollte es sich nur um eine Vergünstigung für besonders geeignete Studenten handeln. Dies käme auch dadurch zum Ausdruck, daß der Student während dieses Praktikums die Referendarvergütung erhielte. Sachlich ist dies deshalb vertretbar, weil es sich ja um die Vorwegnahme eines Teils der Referendarzeit handelt.

Der junge Jurist, der das Grundstudium mit einem erfolgreichen Abschluß beendet und weitere zwei Jahre in der Vertiefungsstufe erfolgreich mitgearbeitet hat, beendet nach nunmehr vier Jahren den universitätsbezogenen Ausbildungsabschnitt, ohne ein weiters Examen abzulegen. Neben der Grundstudiumprüfung wäre dann die Promotion das einzige Universitätsexamen.

II. Die Referendarausbildung

Nach erfolgreicher Absolvierung der vierjährigen Universitätsausbildung kann der junge Jurist nunmehr zum Referendar ernannt werden. Er verwendet etwa weitere zwei Jahre auf die praktische Ausbildung, so daß — unter Berücksichtigung der vorweggenommenen Stationen — die Gesamtausbildungszeit rund sechs Jahre umfaßt.

Es kommt nunmehr darauf an, die Referendarzeit in das Modell einer integrierten Gesamt-ausbildung funktionsgerecht einzubauen.

Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, daß es nicht sinnvoll erscheint, die Gesamtausbildung des Juristen unter eine einheitliche Leitung zu stellen. Ich möchte bestreiten, daß die Universität überhaupt in der Lage wäre, die Verantwortung für die Gesamtausbildung der Juristen zu übernehmen. Umgekehrt hielte ich es für nicht angemessen, daß der Universitätsbereich einer weiteren Kontrolle von „außen” unterläge. Allerdings wird ein großes Maß von Bereitschaft der beiden Ausbildungsträger zur Zusammenarbeit vorausgesetzt.

Während der praktischen Ausbildung sollten die Referendare von Akademien betreut werden, die, wie bereits ausgeführt, entsprechend den drei Einstiegswegen der Vertiefungsstufe ebenfalls in drei Abteilungen — „Richterakademie" , „Verwaltungsakademie" und „Wirtschaltsakademie“ — zu gliedern wären.

Die Akademien sind stärker berufsbezogen; ihre Einteilung weist auf die „typischen" Berufe des Richters und Staatsanwalts, Beamten und Wirtschaftsjuristen hin, wobei hier das Berufsbild etwas undeutlicher ist. Dabei soll diese Gliederung natürlich nicht zwingend sein, da es schwer ist, etwa künftige Rechtsanwälte richtig „einzuordnen". Hierauf kommt es auch nicht entscheidend an, denn eine Berufswahl soll nicht vorweggenommen werden.

Weiterhin ist es nicht so, daß die Wahl einer bestimmten Abteilung während des Vertiefungsstudiums ausschließen würde, sich einer anderen Abteilung während der Referendarzeit zuzuwenden. Wenn die exemplarische Methode einen praktischen Sinn haben soll, so muß es beispielsweise einem Absolventen der Vertiefungsstufe „Staat" möglich sein, während der Referendarzeit in der Wirtschaftsakademie mitzuarbeiten. Um die Übergänge zu erleichtern, müßten die Akademien in Zusammenarbeit mit den Fakultäten gedrängte Überleitungskurse veranstalten.

Der Student, der möglicherweise später Richter werden will, wird sich also bei der Richter-akademie anmelden und während der gesamten Referendarzeit von dieser betreut werden. Gleiches gilt für die anderen Abteilungen. Die Einstellungstermine für die Referendarzeit sollten so bemessen sein, daß sich jeweils eine Gruppe von 25— 30 Referendaren zusammenfindet, die während der gesamten Zeit bis zum Examen in der gleichen Gruppe zusammenbleiben. Die Referendarausbildung muß so organisiert sein, daß einerseits das Ziel des juristischen Einheitsberufes nicht gefährdet wird, andererseits aber die Berufsneigungen der entsprechenden Referendare stärker berücksichtigt werden können. 1. Rechtstechnische Ausbildung In unserem koordinierten System erscheint es mir zweckmäßig, daß der Referendar als Über-gangsschritt von der Universität in die Praxis zunächst in der Akademie systematisch in den logischen Aufbau jedes Prozesses — Zivil-, Straf-oder Verwaltungsprozeß — eingeführt wird. Es würde sich hierbei um die Gemein-schaftsveranstältung aller 3 Abteilungen der Akademie handeln. Der Referendar müßte sich hier das technische Rüstzeug aneignen, das für die Ausübung juristischer Berufe erforderlich ist. Die logischen Positionen der Richter und Schöffen auf der einen Seite und der Verteidiger und Staatsanwälte auf der anderen Seite müssen ebenso erlernt werden wie die Relationstechnik, Schriftsatztechnik u. a.

In diesen sechs Monaten muß dafür Sorge getragen werden, daß der Referendar entweder durch kurze Zuweisungen zu bestimmten Abteilungen oder sonstwie das System der Register, besonders Grundbuch, Handels-, Vereinsregister usw. kennenlernt. Ich glaube, daß hier durch eine Zusammenarbeit der Akademielehrer mit besonders freizustellenden Richtern Wertvolles geleistet werden kann.

Diese Einführungskurse sollten für alle Referendare verbindlich und einheitlich sein, damit trotz nachfolgender Spezialisierung eine gemeinsame — technische — Basis für alle juristischen Berufe gegeben ist, Dieser Abschnitt hat für die praktische Ausbildung die gleiche Bedeutung wie das Grundstudium für die Universitätsausbildung. Für die Dauer von sechs Monaten würde der Referendar jeweils an drei Nachmittagen an den Sonderveranstaltungen seiner Akademie teilnehmen. Hier müßten die gleichen Probleme unter dem Fachaspekt vertieft werden. So sollte z. B. auf der Verwaltungsakademie u. a. erlernt werden, wie Wi-dersprsuchsbescheide aufzubauen und Akten zu führen sind. 2. Echtes Gerichtspraktikum Nach Ablauf dieser sechs Monate sollten die Referendare einheitlich weitere sechs Monate einem bestimmten Gericht (Zivilgericht) zugewiesen werden. Dabei kann ich auf Erfahrungen in Amerika verweisen, wo ausgezeichnete Erfolge mit den sogenannten Law Clerks erzielt werden, die ungefähr ein Jahr einem bestimmten Richter zugeordnet sind. Da man die Zahl qualifizierter Ausbilder nicht beliebig vermehren kann, müßten besonders befähigte Richter mehrere Referendare zur Ausbildung annehmen und entsprechend dieser zusätzlichen Arbeitsbelastung von der Dezernatsarbeit entlastet werden. Während dieser Zeit haben die Referendare mindestens drei Nachmittage in der Woche frei, um an den ergänzenden Ausbildungskursen ihrer Akademie teilnehmen zu können.

Diejenigen Referendare, die sich den justiziellen Fächern zuwenden wollen, würden weitere drei Monate bei der Staatsanwaltschaft und weitere drei Monate bei einem Schöffengericht tätig sein. Es wäre Sache der jeweiligen Akademie, alternative Ausbildungsmöglichkeiten anzubieten. 3. Spezialisierung Für die nachfolgende Zeit schlage ich vor, daß jeder Referendar zunächst vier Monate einer staatlichen Verwaltung zugewiesen wird. Dabei sollten die Teilnehmer der Wirtschaftsund Richterakademien diese Zeit bei einem Verwaltungsgericht absolvieren können. Für die weitere Ausbildung sollten die Referendare die Möglichkeit haben, sich entsprechend ihrem Berufswunsch zu spezialisieren. Für die Absolventen der Richterakademie würden nun weitere zwei Monate verbleiben. Sie haben auch die Möglichkeit, die Verwaltungsstation entsprechend zu verlängern. Die anderen Referendare können nun ihren Berufsvorstellungen entsprechend bei Verbänden, Gewerkschaften, Banken, Wirtschaftsprüfern o. ä. tätig werden.

Während der gesamten Ausbildung bleiben die Referendare ihren Akademien verbunden, d. h., sie nehmen wöchentlich dreimal nachmittags an den jeweiligen Veranstaltungen ihrer Akademie teil. Das Schwergewicht der Akademieveranstaltungen sollte neben Fachvorträgen bei den Arbeitsgemeinschaften liegen.

Berücksichtigt man, daß die Referendare während der gesamten Ausbildungszeit ihren Ake-demien verbunden sind, davon die ersten sechs Monate in der gleichen Akademie, und berücksichtigt man weiterhin, daß einige Stationen für alle Referendare einheitlich sind, so glaube ich sagen zu können, daß ein so ausgebildeter Jurist grundsätzlich Zugang zu allen juristischen Berufen haben sollte. Die weitergehende Wahlmöglichkeit würde jedenfalls das Übergewicht der justiziellen Fächer beseitigen, ohne die Einheitsausbildung zu gefährden.

Nach Absolvierung sämtlicher Stationen kann sich der Referendar zum zweiten Staatsexamen melden. Dieses Prüfungsverfahren nimmt zwar ca. drei Monate Zeit in Anspruch. Da die Referendare die Möglichkeit haben, Ausbildungsstationen bis zu sechs Monaten vorzuverlegen, würde die Gesamtausbildungszeit von sechs Jahren gleichwohl nicht überschritten werden. 4. Die Frage der Leistungskontrolle Bei meinen Erörterungen habe ich einen Bildungsgang beschrieben, den man als modiiizierte Einheitsausbildung kennzeichnen könnte — modifiziert deshalb, weil zwei verschiedene Ausbildungsträger für die beiden Abschnitte der Gesamtausbildung zuständig sind. Der Übergang von der theoretischen zur praktischen Ausbildung erfolgt aber automatisch, ohne Zwischenschaltung einer weiteren Prüfung. Beim Idealtyp des begabten und ständig mitarbeitenden Studenten wäre es denkbar, völlig auf Prüfungen zu verzichten. Aus den bereits oben dargelegten Gründen glaube ich jedoch, daß man ohne eine Leistungskontrolle in Form eines Examens nach der Grundstudienzeit nicht wird auskommen können. Ein Verzicht auf das herkömmliche Referendarexamen ist meines Erachtens nur möglich, wenn während der Vertiefungsstufe eine permanente und effektive Leistungskontrolle erfolgt, auf gründ deren der Übergang in die sogenannte Akademiezeit befürwortet werden kann. Da bereits mit der Grundstudienprüfung eine gewisse Auswahl getroffen werde und man davon ausgehen kann, daß der weitaus überwiegende Teil der verbleibenden Studenten die notwendige Eignung hat, würde eine permanente Leistungskontrolle die ständige Mitarbeit bestimmter Studenten honorieren. Dabei denke ich an die Einführung eines Punkte-systems, wie es von anderen Gebieten her bekannt ist. Für etwaige Grenzfälle ist die Zulassung zur Akademie von einer fairen, aber gründlichen mündlichen Prüfung abhängig zu machen. Dabei hat die Prüfungskommission nur festzustellen, ob unter, Berücksichtigung der bisherigen Leistungen und der Ergebnisse des Prüfungsgesprächs eine erfolgreiche Mitarbeit in der Akademie erwartet werden kann, aber auf eine Notengebung zu verzichten. Der Übergang in die Referendarzeit müßte rein formell auf Antrag festgestellt werden, da hieran die Zahlung der Unterhaltszuschüsse geknüpft werden muß.

In Übereinstimmung mit den Vorstellungen des Münchener Modells sollte aber dann die Abschlußprüfung nach Absolvierung der Akademiezeit wieder eine intensive Leistungskontrolle beinhalten, wobei allerdings die „Stationsnoten" der Referendarzeit eine angemessene Berücksichtigung finden müßten. Neben den Noten sollten sowohl die Akademie-leistungen als auch die Vorleistungen in der Vertiefungsstufe berücksichtigt werden. Im übrigen müßte dieses Examen der Dreiteilung der verschiedenen Ausbildungsmöglichkeiten Rechnung tragen; der Kandidat sollte wirklich nur mit den Fächern konfrontiert werden, für deren vertieftes Studium er sich durch die Akademiewahl entschieden hatte. Dabei sollte aber auch klargestellt werden, daß eine effektive Leistungskontrolle nicht nur durch Klausuren-schreiben erfolgen kann; Vertrags-oder Organisationsentwürfe sowie Gesetzentwürfe oder kritische Untersuchungen über mögliche Gesetzesinitiativen könnten in gleicher Weise Gegenstand von Prüfungen sein wie Arbeiten, die während des Studiums oder der praktischen Ausbildungszeit vorgelegt wurden.

III. Alternativen und Modelle

Es ist mir bewußt, daß ich hier nur einen Gesamtentwurf entwickeln konnte, in dem noch viele Fragen offen blieben. Ich glaube aber, daß sich mit etwas gutem Willen schon sehr bald eine Konzeption erarbeiten ließe, die es verdiente, erprobt zu werden; dabei akzeptiere ich die Einschränkung, daß ein neues Modell erst dann erprobt werden sollte, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür spricht, gegenüber dem alten Zustand eine Verbesserung zu erzielen. Im übrigen würde ich es nicht für unerträglich halten, wenn verschiedene Aus-bildungswege alternativ angeboten werden, jedenfalls solange, bis man eine sichere Aussage treffen kann, welches Modell sich bewährt hat.

Ich würde es auch für möglich halten, daß zunächst im universitären Bereich Teilreformen durchgeführt werden, die die gröbsten Mängel abbauen helfen. In jedem Falle sollte dem jungen Juristen klargemacht werden, daß ihn nicht nur all die neuen Probleme erwarten, die ich aufgezeigt habe, sondern daß ein großer Teil der gegenwärtigen juristischen, besonders in der Anwaltschaft konzentrierten Problemkreise verschwinden wird. Dazu rechne ich nicht nur das gesamte Mahnverfahren, das über kurz oder lang der Erschließung durch Computer überlassen bleiben wird, und auch einen großen Teil der Abteilung III des Grundbuches, das mit modernen technischen Methoden ganz anders erfaßt werden könnte, sondern auch das mutmaßliche Verschwinden eines erheblichen Teils der jetzigen Ehescheidungspraxis in den Anwaltsbüros. Allerdings kann man hier heute noch nicht mit Sicherheit sagen, zu welchen Ergebnissen die Ehescheidungsreform schließlich kommen wird.

IV. Die Berufsfortbildung

Viele verantwortliche Praktiker beklagen die Tatsache, daß der Jurist nach seinem zweiten Examen im allgemeinen die neueren Entwicklungen in der Rechtswissenschaft unbeachtet läßt. Dabei spielt natürlich die Arbeitsbelastung im Beruf eine große Rolle, so daß zur Weiterbildung wenig Zeit verbleibt. Außerdem wird geltend gemacht, daß es bei Beamten und Richtern keine Möglichkeit gebe, hier einen irgendwie gearteten Zwang einzuführen, um lernunwillige Juristen zur Fortbildung anzuhalten. Diese Argumente kann ich nur beschränkt anerkennen. Zunächst ließe sich wohl eine Intensivierung der Fortbildung dadurch erreichen, daß bestimmte Positionen, insbesondere Beförderungsstellen, nur mit solchen Bewerbern besetzt werden können, die bestimmte Fortbildungsmöglichkeiten der Akademie ausgenutzt haben. Dabei scheint es mir klar zu sein, daß die Akademien in erster Linie dazu berufen wären, die Fortbildung organi-satorisch und inhaltlich zu betreuen. Außerdem kann ich im geltenden Recht keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Abordnung von Beamten während der Dienstzeit an die Akademien finden.

Zu der Frage der Berufsfortbildung möchte ich mich nicht abschließend äußern Die verantwortlichen Behörden sollten jedoch die Frage prüfen, was ihnen Juristen wert sind, die nicht nur irgendwann einmal ein Examen abgelegt haben, sondern sich laufend mit den sich wandelnden Verhältnissen ihres Fachgebietes vertraut machen. Die in den Akademien zu schaffenden Fortbildungsmöglichkeiten sollten grundsätzlich allen Vertretern juristischer Berufe offenstehen. Ich kann mir vorstellen, um nur ein Beispiel zu nennen, daß auch Anwälte daran interessiert sind, neuere Entwicklungen im Steuerrecht durch Akademiekurse kennenzulernen.

C. Schlußbemerkung

Wir sollten begreifen, daß auf die Dauer die Enge des heutigen juristischen Berufs und der juristischen Ausbildung nicht bleiben kann. Andernfalls laufen wir Gefahr, daß der Jurist in die Rolle eines Spezialisten abgedrängt wird. Wir müssen Juristen ausbilden, die fähig sind, die Gesellschaft mitzugestalten, und die bereit sind, sich auch für öffentliche Interessen und Probleme einzusetzen. Gerade jüngere Erfahrungen in den Vereinigten Staaten zeigen, daß es immer wieder engagierte Juristen sind, die sich den öffentlichen Belangen besonders verpflichtet fühlen. Ich denke hierbei besonders an die Probleme des Konsumentenschutzes und der juristischen Sozialhilfe (in Amerika gibt es kein Armenrecht!) — zwei Gebiete, auf denen junge Juristen ganz Erstaunliches geleistet haben. Ich glaube, daß die hier vertretene engere Verbindung mit der Praxis dazu führen könnte, daß junge Juristen angeregt werden, schon während der Vertiefungsstufe in positiver Weise auf die gesellschaftliche Entwicklung einzuwifken.

Im ganzen gesehen besteht kein Grund — weder für die juristische Ausbildung noch für die Universität noch für die Referendarzeit —, allzu pessimistisch zu sein. Es kommt nur darauf an, einen offenen Blick für die kommenden Probleme zu wahren und die Organisation der Ausbildung so offen zu gestalten, daß eine Anpassung an die Wirklichkeit jederzeit möglich bleibt. Die gesamten Arbeiten und Modelle, die in den letzten Jahren von den verschiedenartigsten Gruppen vorbereitet wurden, würden dann zu einer positiven Entwicklung beigetragen haben.

Wenn ich im bisherigen immer wieder eine engere Verbindung von Wissenschaft, Ausbildung und Praxis gefordert und damit auch die gesellschaftliche Relevanz wissenschaftlicher Arbeit unterstrichen habe, so möchte ich doch andererseits nachdrücklich betonen, daß mir die Freiheit des einzelnen Forschers und Wissenschaftlers, über Art und Richtung seiner Arbeit selbst bestimmen zu können, unabdingbar erscheint. Dies zu sagen, ist wohl besonders dringlich in einer Zeit, in der die Gefahr einer ständig zunehmenden Politisierung der Wissenschaften droht. Uber den Wert oder Unwert wissenschaftlicher Leistungen möge die Sachgerechtigkeit, die Logik oder auch die Öffentlichkeit entscheiden. Gerade wer sich oft in der Position des Außenseiters befand, sollte hier warnende Worte sprechen dürfen. Ich hoffe, meinen Standpunkt zu diesem Problemkreis in Kürze näher erläutern zu können.

D. Zusammenfassung

I. Es ist zweifelhaft, ob die derzeitigen Ausbildungsinstitute in ihrer Gesamtheit in der Lage sind, Juristen für die Zukunft auszubilden oder auch nur ausreichend auf die heutigen Anforderungen der Praxis vorzubereiten. Die'Anlehnung an eine von den Naturwissenschaften übernommene Vorstellung, es gebe geschlossene, formale Wissenschaften, die Beschränkung der Rechtswissenschaft auf das Studium der staatlichen Rechtsnormen und die Fiktion von der „wertfreien" Entscheidung haben zu einer gefährlichen Isolierung des deutschen Rechtsdenkens geführt. „Spaltpilze" haben zu einer immer weitergehenden Verselbständigung der Formalwissenschaften geführt, zur Trennung der Rechtswissenschaft nicht nur von betriebs-und volkswirtschaftlichen oder soziologischen Tatsachen, sondern auch zum Verlust der geschichtlichen Dimension sowie des Zusammenhangs mit der Philosophie und der Ethik. Hat auch die Rechtswissenschaft diesen Zustand überwiegend selbst verschuldet, so führte doch eine parallele Entwicklung anderer Sozialwissenschaften zu einer immer weiteren Entfernung von der Empirie. Mangelnde Kenntnisse der sozialen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Tatsachen haben Rechtslehrern und Juristen allgemein den Vorwurf der Lebensfremdheit eingebracht. Die einseitige Beschränkung auf den normativen Aspekt des Rechts schlägt sich auch in der Ausbildung nieder, die wie jede Ausbildung zukunftsbezogen sein muß. Wenn man schon diese Zukunft im Lehrund Lernprozeß nicht vorwegnehmen kann, so kommt es doch darauf an, den angehenden Juristen in die Lage zu versetzen, die Wechselwirkungen zwischen Sein und Sollen zu erkennen, um so die richtige Anpassung der bestehenden die Verhältnisse an veränderten zu ermöglichen.

Alle Institutionen juristischer Ausbildung müssen hieraus Konsequenzen ziehen.

II. Die Universitäten müssen das Studium inhaltlich und organisatorisch neu aufbauen:

1. In der Grundstufe (1. — 4. Semester) muß die „Sicherung der Grundlagen" erfolgen. Grundbegriffe und Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Rechtsgebieten sowie des Rechts mit der Geschichte, der Philosophie, den Sozialwissenschaften und der Politik müssen erarbeitet werden; die Subsumtionstechnik muß erlernt und das „Handwerkszeug" erworben werden, das die Studenten später in die Lage versetzen soll, sachkundig zu diskutieren, zu kämpfen und sich auseinanderzusetzen. All das setzt eine höchst intensive und unbequeme Mitarbeit der Studenten voraus!

Da wir in Deutschland keine Eignungsprüfungen für das juristische Studium kennen, sollte schon nach zwei Jahren eine streng gehandhabte, aber faire Bewährungsprüfung stattfinden, um auch im Interesse der Studenten eine persönliche Fehlentwicklung zu verhindern.

2. In der Vertiefungsstufe (5. — 8. Semester)

werden dem Studenten drei „Einstiegswege"

angeboten, die ihn in die Lage versetzen, zur Rechtsordnung als solcher vorzudringen; die Einzelpersönlichkeit, das Unternehmen oder der Staat stehen bei diesen „Wahlkursen" im Vordergrund. Hier wird nicht die Berufswahl vorweggenommen, sondern die exemplarische Methode für das juristische Studium fruchtbar gemacht („Vertiefung dlirch Konzentration").

Da man mit der „klassischen" Vorlesung das Ziel nicht erreichen kann, müssen Lehrer und Praktiker (!) anderer Lehrgebiete beteiligt werden. Neben Seminaren und Arbeitsgemeinschaften werden aufeinander abgestimmte Vorträge im Vordergrund stehen. Ziel dieser Stufe ist es, den mit dem technischen Rüstzeug versehenen Studenten lernen zu lassen, von der Beispielsituation ausgehend zur Rechtsregel und zur Rechtsordnung als solcher vorzudringen, wobei auch die Problematik der Wert-findung nicht ausgespart werden darf.

Neben den Fakultäten, aber nicht unter deren organisatorischen Leitung, entstehen Akademien, die hervorragende Vertreter aller juristischer Berufe vereinigen (mit deutlichem Übergewicht der Praktiker). Diese Akademien betreuen den jungen Juristen vor allem in der Referendarzeit. Den Absolventen bestimmter, praxisbezogener Vertiefungskurse müßten die Akademien jedoch Gelegenheit geben, im Vorgriff und unter Anrechnung solche Ausbildungsstationen vorzuziehen, die inhaltlich mit bestimmten Vertiefungskursen Zusammenhängen. Während dieser Vertiefungsstufe erfolgt eine permanente Leistungskontrolle, so daß sich das herkömmliche erste Staatsexamen erübrigt, zumal der Student nach Abschluß der Grundstufe durch Prüfungen seine Qualifikation nachgewiesen hat.

III. Die Referendarzeit wird entsprechend ausgestaltet. Bestehende Einrichtungen, z. B. die der Arbeitsgemeinschaften, sollten ausgebaut, aber organisatorisch in die Akademien eingegliedert werden. Im übrigen können hier folgende Stufen unterschieden werden: 1. Als Übergangsschritt von der Universität zur „Praxis" sollten die Referendare in 6 Monaten in besonderen „Einführungskursen" wiederum zunächst das „Handwerkszeug" (Relationstechnik, Urteilsaufbau etc.) erwerben. Daneben sollte es in dieser Zeit möglich sein, durch angeleitetes Aktenstudium und Kurzzuweisungen bestimmte Gebiete der freiwilligen Gerichtsbarkeit (Grundbuch, Register-wesen u. a.) kennenzulernen.

2. Hiernach folgt ein echtes Gerichtspraktikum von sechs Monaten; der Referendar bleibt für diese Zeit einem Richter oder einer bestimmten Kammer oder einem Senat zugeordnet. An drei Nachmittagen nimmt der Referendar an den Veranstaltungen „seiner" Akademie teil, wieder getrennt nach Straf-, Strafprozeß-und Zivilprozeßrecht (Richterakademie), Verwaltung und Politik (Verwaltungsakademie) und Unternehmens-, Arbeitsund Wirtschaftsrecht ('Wirtschaftsakademie). Diejenigen Referendare, die sich mehr für die justiziellen Berufe interessieren, werden ihr Gerichtspraktikum verlängern oder der Staatsanwaltschaft überwiesen. 3. Das nächste Jahr, die sogenannte Verwaltungszeit, dient der Spezialisierung. Wer sich für die justiziellen Fächer entschieden hatte, wird für ein halbes Jahr einer bestimmten Behörde oder Staats-oder Unternehmensverwaltung überwiesen; gewisse Wahlmöglichkeiten sollten eröffnet werden.

Die anderen Referendare bleiben nur einige Monate fest einer bestimmten Staatsverwaltung verbunden, um sich dann zu spezialisieren. Eine Ausbildung bei Post, Bahn, Finanzämtern, Wirtschaftsprüfern, Großbanken, Versicherungen, Verbänden, Gewerkschaften u. a. erscheint in gleicher Weise geeignet, eine gute Ausbildung und Berufsvorbereitung zu gewährleisten. Besondere Akademiekurse müssen dieser differenzierenden Ausbildung Rechnung tragen.

Die Referendarzeit endet mit einer Prüfung (sog. Volljurist), bei der die Vorleistungen in angemessenem Umfang zu berücksichtigen sind. Im übrigen ist bei der Prüfung darauf zu achten, daß die Kandidaten sich auf einige Gebiete vertiefend konzentriert haben und daß nur solche Prüfer das Examen abnehmen, die in diesen Fächern besondere Sachkunde aufweisen können.

Die Möglichkeiten der Akademien müssen auch für die Berufsfortbildung genutzt werden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Als ich 1968 anläßlich der Umwandlung der Frankfurter Juristischen Gesellschaft in eine allgemeine Gesellschaft der Rechts-und Staatswissenschaft eingeladen wurde, einen Vortrag über die juristische Ausbildung zu halten — der später als Heft 5 der „Schriftenreihe Rechts-und Staatswissenschaftliche Vereinigung — Frankfurter Juristische Gesellschaft" unter dem Titel „Die Gestaltung der juristischen Ausbildung in der modernen Gesellschaft — Beobachtungen aus deutscher und amerikanischer Erfahrung" veröffentlicht wurde —, hatte die Diskussion dieser Fragen gerade erst begonnen. Besonders nach der bald darauf veranstalteten Loccumer Tagung und den ersten Stellungnahmen dazu war mir klar, daß ich erneut meine Position zu überprüfen und meine Vorstellungen in einzelnen Punkten zu revidieren hatte. Ich traf dabei auf einige Vorschläge und Modelle, die interessante organisatorische Perspektiven eröffneten, vermochte aber keine Konzepte zu finden, die mich vom Inhalt her überzeugen konnten. Vgl. z. B. Rudolf Wassermann (Hrsg.), Erziehung zum Establishment, Karlsruhe 1969; ein Teil der Beschlüsse, Modelle u. a., die mit den Namen Loc-cum, Mainz, München usw. verbunden sind und auf die im folgenden öfters Bezug genommen wird, sind im Dokumentationsanhang des von Wassermann herausgegebenen Buchs abgedruckt. Wertvolle, auch geschichtlich fundierte Beiträge finden sich in: Die Ausbildung der deutschen Juristen — Darstellung, Kritik und Reform, in: Veröffentlichungen des Arbeitskreises für Fragen der Juristen-ausbildung e. V., Nr. 2, Tübingen 1969. Vgl. auch JZ-Sonderheft zu Fragen der Studienreform, November 1968, und die „Leitsätze zur Reform der Juristenausbildung — Arbeitsergebnisse des vom Bundesvorstand der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Juristen eingesetzten Kommission, in: Recht und Politik, 1970, S. 41— 47. Diese Leitsätze wurden mir erst nach Fertistellung des Manuskripts bekannt. Einige Pur Je decken sich mit Überlegungen, für die ich mich schon seit langem einsetze. So ist erfreulich, daß hier der Versuch einer inhaltlichen Neuorientierung der juristischen Ausbildung gemacht wird. Auch der Fakultätentag hat am 3. /4. 7. 1970 unter dem Vorsitz von Peter Schneider seine Vorstellung modifiziert (vgl. Notiz in NJW 1970, Heft 31, S. II/VII).

  2. Vgl. Wassermann, a. a. O., S. 1 ff., S. 26 f.

  3. Umdruck, Bonn April 1970, S. 2.

  4. In einem Vortrag dieses Titels hat schon Isay auf diese Entwicklung hingewiesen.

  5. Vgl. mein Buch „Das Recht der internationalen Kartelle", Berlin 1967.

  6. „Common Law" und „Equity" repräsentieren beide materielle Rechtssätze, die von Fall zu Fall von den Gerichten entwickelt werden und an die die Richter in zukünftigen Entscheidungen so lange mehr oder weniger gebunden sind, als keine neuen Tatbestandselemente auftreten. Während Commonlaw-Ansprüche nur auf Geldersatz gehen können, läßt Equity alle möglichen Formen der Vertragserfüllung oder Ersatzleistung zu. Der hauptsächliche prozessuale Unterschied ist, daß bei Commonlaw-Ansprüchen Geschworene über den Tatbestand entscheiden, während in Equity-Fällen das dem Einzelrichter überlassen ist.

  7. Abgedruckt in: Die Gründung der Frankfurter Universität, im Auftrag ihres Senats dargestellt von Richard Wachsmuth, Frankfurt am Main 1929, S. 7 f.

  8. A. a. O„ S. 7f.

  9. In: Juristische Schulung (JuS) 1964, S. 229 ff.; vgl. auch meinen Beitrag in JuS 1966, S. 268 ff.

  10. Merton wollte die Weiterbildung in einer „Fortbildungsuniversität" verwirklicht sehen; ich halte auch ein Nebeneinander von Universität und Akademie in den Fragen der Weiterbildung für sinnvoll.

Weitere Inhalte

Heinrich Kronstein, Dr. jur., SJD, geb. am 12. 9. 1897, Professor der Rechtswissenschaften an der Universität Frankfurt am Main und an der Georgetown University Washington D. C. Als langjähriger Mitdirektor des Instituts für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht und des Parallelinstituts in Washington hat er den Fragen studentischer Ausbildung und dem Austausch junger europäischer und amerikanischer Juristen stets besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Neben seiner biographischen Arbeit „Briefe an einen jungen Deutschen", München 1967, sind folgende Publikationen hervorzuheben: Die abhängige juristische Person, München 1931; Publizität und Gewinnverteilung im neuen Aktienrecht. Rechtsvergleichende Untersuchungen unter Berücksichtigung des amerikanischen Rechtes, (zusammen mit C. Peter Claussen), Frankfurt 1960; Die nennwertlose Aktie als Rechtsproblem. Rechtsvergleichende Untersuchung unter besonderer Berücksichtigung des amerikanischen Rechts, (zusammen mit Helmut oing), Frankfurt 1962; Das Recht der interna’ionalen Kartelle, Berlin 1967. Ein Verzeichnis seiner Publikationen bis 1967 findet sich in: Das Unternehmen in der Rechtsordnung, Fest-gabe für Heinrich Kronstein (hrsg. von Kurt H. Biedenkopf, Helmut Coing und E. -J. Mestmäk-ker), Karlsruhe 1967. Viele seiner amerikanischen Publikationen beziehen sich auf das Antitrustrecht sowie auf die Frage des Herrschaftsmißbrauchs durch Konstruktionen des internationalen Privatrechts.