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Der ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking Versuch einer systematischen Analyse | APuZ 28/1970 | bpb.de

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APuZ 28/1970 Der ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking Versuch einer systematischen Analyse

Der ideologische Konflikt zwischen Moskau und Peking Versuch einer systematischen Analyse

Oskar Weggel

/ 79 Minuten zu lesen

A. Die Wandlungen in der ideologischen Auseinandersetzung

Von der vielfältigen Problematik der sino-sowjetischen Auseinandersetzung auf ideologischem Gebiet sind vor allem drei Komplexe über die engere Fachdiskussion hinaus bekanntgeworden, nämlich die Frage nach der Vermeidbarkeit von Kriegen, nach der Strategie gegenüber der „Dritten Welt" und nach der Fortsetzung des Klassenkampfes in einer sozialistisch gewordenen Gesellschaft. Von diesen drei „Starthemen" abgesehen, existiert aber noch ein ganzer Katalog von weiteren Streitpunkten, die — ausgesprochen oder unausgesprochen — zu dem gespannten Verhältnis zwischen Moskau und Peking beitragen.

Mangels eines in sich geschlossenen chinesischen Lehrwerks sollen hier die von den Sowjet-ideologen verfaßten „Grundlagen des Marxismus-Leninismus als Leitfaden dienen. Unter Ideologie des chinesischen Kommunismus wird hier das „Denken Mao Tse-tungs" verstanden, wie es vor allem in den „Ausgewählten Werken" und in den „Worten des Vorsitzenden Mao Tse-tungs" zum Ausdruck kommt.

Die Themenliste der ideologischen Auseinandersetzung hat sich im Laufe der Jahre gewandelt:

Von 1956 bis 1958 ging es um die von Chruschtschow auf dem XX. Parteitag verkündeten Thesen (Vermeidbarkeit von Kriegen, Entstalinisierung, friedlicher Übergang zum Sozialismus auf „parlamentarischem" Wege), um die Probleme, die durch Maos Widerspruchsrede vom Februar 1957 aufgeworfen waren, um interne Blockbeziehungen (wie viele Wege zum Sozialismus gibt es?). Hierbei standen insbesondere die Meinungen von Togliatti, Gomulka und Tito sowie — allgemein gesprochen — der Streit zwischen Zentralisten und Autonomisten im Mittelpunkt

Von 1958 bis 1960 ging der Disput hauptsächlich um die „Drei-Banner-Politik" der Maoisten (Volkskommunen, Großer Sprung, Generallinie für den sozialistischen Aufbau) und um den Kurzweg zum Kommunismus („ 20 Jahre in einen einzigen Tag komprimieren") 1960— 1964 wurden dann die großen ideologischen Schlachten geschlagen, die seit den Verlautbarungen anläßlich des 90. Geburtstags von Lenin vor der Offentlichkeit ausgefochten wurden Noch 1961 mochte man über den Ausgang des Ringens im Zweifel sein Nach dem Erscheinen des Offenen Briefes des ZK der KPdSU an die „teuren Genossen in Peking" jedoch und nach den daraufhin herausgegebenen „Neun Kommentaren zum Offenen Brief des ZK der KPdSU", die als Antwort auf den sowjetischen Brief galten, waren die Fronten messerscharf abgesteckt. Es gäbe keine Gemeinsamkeiten mehr.

Die „Neun Kommentare zum Offenen Brief des ZK der KPdSU", die von den Redaktionen der Pekinger Volkszeitung und der Roten Fahne zwischen dem 6. September 1963 und dem 14. Juli 1964 ausgearbeitet wurden, fächerten zum erstenmal die gesamte Problematik des sinosowjetischen Konfliktes auf: Im ersten Kommentar werden der Ursprung und die Entwicklung der Differenzen zwischen der Führung der KPdSU und der KPCh dargestellt Juli 1964 ausgearbeitet wurden, fächerten zum erstenmal die gesamte Problematik des sinosowjetischen Konfliktes auf: Im ersten Kommentar 10) werden der Ursprung und die Entwicklung der Differenzen zwischen der Führung der KPdSU und der KPCh dargestellt; im zweiten 11) geht es um die Stalin-Frage; im dritten 12) setzen sich die Chinesen mit der Frage auseinander, ob Jugoslawien ein sozialistischer Staat sei; im vierten Kommentar 13) geht es um die ideologische Einstellung gegenüber den Befreiungskämpfen der Dritten Welt; der fünfte 14) erörtert die Probleme von Krieg und Frieden; der sechste greift die „Politik der friedlichen Koexistenz" auf; der siebte befaßt sich mit der Einheit der internationalen kommunistischen Bewegung, die nach chinesischer Auffassung durch die KPdSU, den „größten Spalter der Gegenwart", gefährdet ist; der achte behandelt die proletarische Revolution; der neunte Kommentar schließlich betrifft die Frage des Klassenkampfes in der sozialistischen Gesellschaft.

1964— 1966: Mit den „Neun Kommentaren" waren die ideologischen Auseinandersetzungen zu einem vorläufigen Abschluß gekommen. Nunmehr begannen sich die Streitigkeiten langsam auf die Praxis niederzuschlagen, vor allem auf außenpolitischem Gebiet. Die Grenzfrage tauchte auf In Hanoi und P'yonyang prallten die chinesischen und sowjetischen Interessen aufeinander und Peking suchte Moskau allenthalben aus der Dritten Welt zu verdrängen 1965 war ein schwarzes Jahr für Peking: Castro schwenkte auf die russische Linie ein; die Afro-Asiatische Konferenz in Algier, die den Chinesen endgültig zum Triumph über Moskau verhelfen sollte, scheiterte in letzter Sekunde; die Sowjetunion begann mit ihrer diplomatischen Asien-Offensive in Indonesien erfolgte ein Staatsstreich, der die Kommunisten in die Illegalität trieb.

Diese Ereignisse führten zu einer introvertierten und verbitterten Haltung Chinas, welche die im Jahre 1966 ausbrechende Kulturrevolution zwar nicht ausgelöst, ihr aber einen starken xenophobischen Beigeschmack verliehen hat.

Die Jahre 1966 bis 1968 standen ganz im Zeichen der Kulturrevolution und damit der chinesischen Innenpolitik. Außenpolitische Fragen waren im Gegensatz zu den vorausgegangenen Jahren fast eingefroren. Die Kulturrevolution brachte — wenn man von der bis dahin unerreichten Intensität des Geschehens absieht — ideologisch wenig Neues. Die Theorie von der Fortsetzung der Revolution, des Klassenkampfes und der Diktatur des Proletariats auch im Stadium des Sozialismus war z. B. bereits Gegenstand des „ 9. Kommentars" gewesen. Auch der Kampf gegen die Überreste der konterrevolutionsverdächtigen Bourgeoisie, gegen die Macht der Gewohnheit und der gleichzeitige Feldzug für die Verherrlichung der „Mao Tse-tung-Ideen" waren nicht prinzipiell neu.

Die Sowjets, die 1966 vom Informationsfluß abgeschnitten waren, reagierten auf die kultur-revolutionären Ereignisse in China mit dezidierten Erklärungen und erbitterten Attacken. Die sorgfältigste und systematischste Stellungnahme findet sich in fünf aufeinanderfolgenden Grundsatzartikeln, die 1968 im „Kommunist", dem Blatt des ZK der KPdSU, abgedruckt wurden und wohl als ideologische Handreichung für die internationale Kommunistenkonferenz im Oktober 1968 gedacht waren.

In engem Zusammenhang mit den fünf „Kommunist" -Artikeln stand der Angriff Wang Ming’s, eines hohen kommunistischen Funktionärs gegen seinen langjährigen Rivalen Mao-Tse-tung. Wang Ming lebt heute im Exil in Moskau, so daß anzunehmen ist, daß die von ihm formulierten Attacken gegen die „zehn innenpolitischen und fünf außenpolitischen Verbrechen Mao Tse-tungs" nicht ohne sowjetische Gegenzeichnung in die Öffentlichkeit gelangten, zumal die Publikation im „Canadian Tribune'1 und durch Radio Moskau am Vorabend des IX. Parteitags in China sowie kurz vor der von Moskau initiierten kommunistischen Weltkonferenz erfolgte.

Mit der Besetzung Prags durch sowjetische Truppen im August 1968, mit der Breshnew-Doktrin und mit den Grenzzwischenfällen am Ussuri (Anfang März 1969) und in Sinkiang (August 1969) begann abermals ein neues Kapitel in der ideologischen Auseinandersetzung — diesmal vor allem in bezug auf die Theorien des proletarischen Internationalismus, die Koexistenz und den eigenen Weg zum Kommunismus.

B. Die einzelnen Streitpunkte

I. Streitpunkte im Bereich der Ontologie (Diamat)

Die Dialektik enthält die allgemeinsten Gesetze, die sich mit dem Charakter der Bewegung der Materie befassen. Insgesamt gibt es seit Engels drei Gesetze der materialistischen Dialektik, nämlich das Gesetz des Umschlagens von Quantität in Qualität, ferner das Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze und das Gesetz der Negation der Negation 1. Das Gesetz des Umschlages von Quantität in Qualität Sowjetunion a) In bezug auf das Prinzip der Dialektik sind zwei Arten von Entwicklung zu unterscheiden: — Entwicklung als quantitative Verkleinerung und Vergrößerung (maius-minus Verhältnis), wobei äußere Ursachen vorliegen — mit der Folge, daß es keine qualitativen Veränderungen gibt (sogenannte „metaphysische" oder „vulgäre evolutionistische" Auffassung).

— Entwicklung als ein quantitativer Veränderungsprozeß (aliud), bei dem die Ursachen im Inneren der Dinge und Erscheinungen zu suchen sind — mit der Folge, daß eine grundsätzlich neue Qualität entsteht (dialektische Auffassung).

Nach der zuletzt genannten dialektischen Konzeption erfolgt das „quantitative Umschlagen" in d e r Weise, daß „kleine, anfangs unmerkliche quantitative Veränderungen durch allmähliche Anhäufung auf einer bestimmten Stufe . . . qualitative Veränderungen hervorrufen" b) Was den Prozeß des Umschlagens angeht, so werden zwei Formen des qualitativen Wandels anerkannt:

— der plötzliche „Sprung" und — der nicht-explosive „allmähliche" Über-gang

Der Kampf der aus einem Ding oder einer Erscheinung erwachsenden Gegensätze wird dabei zwar als häufig, nicht aber als universal angesehen — Als Beispiel eines „allmähChina a) Die maoistische Konzeption stimmt in Punkt mit der sowjetischen überein b) Die Maoisten lassen nur den „Sprung" als Übergangsform gelten der sich allerdings S oWjetunion liehen" kampflosen Übergangs nannte Stalin die Annahme und Erlernung der russischen Sprache durch die nicht-russischen Völkerschaften in der Sowjetunion

China im permanenten Ringen der Gegensätze dauernd ereignet, und zwar nach der einen wie nach der anderen Seite; denn es steht für sie außer Zweifel, daß der Kampf der Gegensätze universal ist. Die „Frei-von-ZusammenstoßTheorie" ist falsch: „Der Kampf der Gegensätze ist ausnahmslos überall im Gange .. ., er durchdringt den ganzen Prozeß von Anfang bis Ende ..., und darum ist er unbedingt, absolut"

Nach der — aus ihrer Grundannahme zu folgernden — Ansicht der Chinesen verschmelzen die Sprachen in Wirklichkeit nicht, sondern kämpfen miteinander. Wenn eine Sprache verschwindet, so ist dies immer die Folge der Gewalt der anderen 2. Das Gesetz der Einheit und des Kampfes der Gegensätze a) Das Gesetz: In jedem Ding und in jeder Erscheinung existieren innere Widersprüche (positiv-negativ, Licht-Schatten, plus-minus usw.). — Jede Seite verkörpert eine bestimmte Tendenz. Der daraus entstehende „Kampf der Gegensätze" ist „Quelle und Triebkraft der Selbstbewegung" der Materie

Der besondere Charakter der jeweiligen Widersprüche (z. B. im anorganischen, im organischen oder im gesellschaftlichen Bereich) bedingt eine jeweils besondere Art ihrer Lösung. a) Das Gesetz: Kein wesentlicher Unterschied zwischen der chinesi hen und der sowjetischen Auffassung Sowjetunion b) Nach sowjetischer Lehre sind im gesellschaftlichen Bereich „antagonistische" und „nicht-antagonistische“ Widersprüche zu unterscheiden Dieser Differenzierung liegt die Überzeugung zugrunde, daß die Antagonismen im Stadium des Sozialismus verschwinden, während die „nicht-antagonistischen" Widersprüche bestehenbleiben

China b) Auch die Chinesen unterscheiden zwischen antagonistischen und nichtantagonistischen Widersprüchen, gehen jedoch davon aus, daß Antagonismen auch im Stadium des Sozialismus fortbestehen zeigen also auch hier eine ungleich kampfbetontere Haltung. c) Holubnychny will noch einen weiteren Unterschied zwischen Sowjets und Chinesen entdeckt haben. Er meint, daß für die Sowjets das Gesetz von der Einheit der Gegensätze nur eine subjektive Methode der Erkenntnis sei während es für Mao eine objektive ontologische Gegebenheit verkörpere Die dialektische Aufspaltung der Einheit in ihre Gegensätze werde von den Sowjets in den forschenden Menschen hinein verlegt während sie sich bei Mao — unabhängig vom Menschen — in den Gegenständen und Erscheinungen selbst vollziehe Für die Sowjets gebe es deshalb solange keine Widersprüche, als sie nicht von Menschen entdeckt und im menschlichen Hirn „abphotographiert" seien während für Mao die Widersprüche allgemein, absolut und in den Entwicklungsprozeß aller Dinge und Erscheinungen vom Anfang bis zum Ende wirkten 3. Das Gesetz der Negation der Negation Sowjetunion Wenn in der Entwicklung eine neue Qualität auftritt, so bedeutet diese neue Qualität die Verneinung der alten (so versteht sich z. B. das Proletariat als die Verneinung des Bürgertums). Die dialektische Verneinung stellt jedoch keine absolute, sondern eine relative, sozusagen konstruktive Negation dar Sie bedeutet Aufhebung des vorhergehenden Zustandes unter Beibehaltung des Positiven Von zweifacher Negation ist die Rede, weil der Prozeß auch in der neuen Qualität nicht zum Stillstand kommt, sondern zu einer weiteren Negation hinstrebt Diese Entwicklung erfolgt nicht geradlinig oder im Kreis, sondern „gleichsam in einer Spirale" Bezeichnenderweise verwarf Stalin das Gesetz der Negation der Negation. Denn er, Stalin, konnte unmöglich negiert werden! In der nachstalinistischen Zeit tauchten dann freilich die drei Engels’schen Gesetze wieder geschlossen auf.

China Im Gegensatz zur wechselvollen Geschichte dieses Gesetzes in der Sowjetunion war es in China von jeher voll anerkannt, auch wenn Mao nie ausdrücklich über die Existenz eines „Gesetzes der Negation der Negation" gesprochen hat Für ihn gab es expressis verbis überhaupt nur e i n Gesetz der Dialektik, nämlich das der Einheit der Gegensätze, das alle anderen mit umfaßte Auch daraus wird wiederum klar, wieviel konsequenter und bruchloser die Dialektik von Mao gehandhabt wurde. Kein Wunder; denn die Dialektik war eine allgemein anerkannte philosophische Methode der chinesischen Tradition, die Mao bei der Lektüre der marxistisch-leninistischen Werke wiederentdeckte

Ergebnis:

Die Souveränität und Konsequenz, mit der die Chinesen die Dialektik handhaben, schafft einen beinahe unüberbrückbaren Abgrund zwischen ihnen und den soviel kompromißbereiteren Sowjets. Für sie eigentlich ist jener Satz Tschernyschewskis geschrieben, der von den Sowjets für ihren eigenen Standpunkt in Anspruch genommen wird: „Ewiger Wechsel der Formen, ewige Ablösung. . . . Wer dieses große, ewige, allgegenwärtige Gesetz begriffen hat, wer sich daran gewöhnt hat, es auf jede Erscheinung anzuwenden, — o, wie ruhig ruft er herbei, was andere in Bestürzung versetzt. ... Er empfindet kein Bedauern für das, was seine Zeit überlebt hat und spricht: , Laß kommen, was kommen will. Auch in unserer Straße wird einst Feiertag sein'". Nur wer das ungebrochene Verhältnis der Maoisten zu ihrer philosophischen Grundüberzeugung versteht, wird ihre Zuversicht, ihren Optimismus, aber auch ihr Postulat begreifen können, daß „Kampf" Glück ist. Alle weiteren Differenzen zwischen den Sowjets und den chinesischen Ideologen, die unten noch im einzelnen dargelegt werden, sind bereits in ihren Kontroversen über den Diamat enthalten und manifestieren sich letztlich nur als besondere Ausprägungen ihres jeweiligen Hanges zur Konsequenz und zur Kampfbereitschaft.

Holubnychny geht so weit, sogar das „dunkle, aber furchtbare Rätsel um die Anschauungen Mao Tse-tungs zum atomaren Weltkrieg“ aus der bis zum letzten konsequenten dialektischen Grundhaltung zu erklären Mao akzeptiere den Krieg, wenn er nicht vermeidbar sei. Im Grunde genommen stecke in seinen Äußerungen weitaus weniger kaltblütig kalkulierte Logik als etwa in Hermann Kahns „Uber den thermonuklearen Krieg" — eine Interpretation, die gerechtfertigt erscheint, da Mao ja nur eine Entwicklung hinnimmt, die sich aus dem dialektischen Prozeß notwendig ergibt und deshalb letztlich nicht vermieden werden kann Eng verwandt damit ist Maos Stellung zum konventionellen Krieg: Man solle sich nicht in das rein logische Dilemma verlieren, daß es entweder Frieden oder Krieg gebe. Nach Maos Auffassung gibt es viele Zwischenstufen, die weder Krieg noch Frieden sind, sondern eine Einheit der beiden zur gleichen Zeit

II. Streitpunkte im Bereich der Erkenntnistheorie (Diamat)

1. Erkenntnistheoretische Postulate Sowjetunion Bei der Erkenntnistheorie geht es um die Frage, ob unser Denken imstande ist, die wirkliche Welt richtig zu erkennen, und ob unsere Vorstellungen und Begriffe ein richtiges Spiegelbild der Wirklichkeit vermitteln

Die Sowjetideologen bejahen diese Frage, wobei sie folgende erkenntnistheoretischen Postulate aufstellen: a) Prämissen der Erkenntnis:

Die Wahrheit ist objektiv, „vom Subjektiven unabhängig" Die Dinge, Erscheinungen, Verhältnisse und Prozesse werden also vom Subjekt nicht aktiv produziert, sondern lediglich widergespiegelt b) Prozeß der Erkenntnis:

Der Erkenntnisvorgang vollzieht sich in drei Phasen, und zwar „vom lebendigen Anschauen zum abstrakten Denken und von diesem zur Praxis — das ist der dialektische Weg der Erkenntnis der Wahrheit"

Am Anfang steht die Sinneswahrnehmung. Die dabei aufgenommenen Empfindungen sind geChina Mao Tse-tung hat sich bereits 1937 mit der marxistischen Erkenntnistheorie auseinander-gesetzt Kein Wunder also, daß er von frühauf stark im Sog der orthodoxen Lehre stand und mit den sowjetischen Thesen noch heute weitgehend übereinstimmt. Eine häufig zitierte Stelle aus seiner Abhandlung „Uber die Praxis" gibt seine Auffassung in nuce wieder: „Willst Du Erkenntnisse erwerben, mußt Du an der die Wirklichkeit verändernden Praxis teilnehmen. Willst Du den Geschmack einer Birne kennenlernen, mußt Du sie verändern, d. h., sie in Deinem Munde zerkauen. . . . Willst Du die Theorie und die Methoden der Revolution kennenlernen, mußt Du an der Revolution teilnehmen." „Handeln ist demnach bereits lernen."

Ebenso wie die Sowjets bekennt sich Mao zur Objektivität der Wahrheit und akzeptiert auch den Dreistufenprozeß der Erkenntnis Auch für die Chinesen ist also die Praxis Ausgang und Ziel aller Erkenntnis — eine Einstellung, die übrigens in ihrer philosophischen Tradition mitbegründet worden war. Schon Sowjetunion naue Abbilder der Dinge und ihrer Eigen-schäften das heißt, es handelt sich jeweils um ein „subjektives Abbild der objektiven Welt"

Da die sinnliche Erkenntnis das innere Wesen der Erscheinungen, ihre notwendigen Beziehungen und Zusammenhänge noch nicht erschließt, hat eine qualitativ andere Erkenntnistätigkeit einzusetzen, nämlich das „Denken" in Form von Begriffen, Urteilen und Schlußfolgerungen. Ergebnis des Denkens ist die Erkenntnis des Wesens der Erscheinungen

Damit sich das Denken aber nicht von der Wirklichkeit löst und in ein rein phantastisches Konstruieren („Idealismus", wie es heißt) ausartet, muß letztlich ein Prozeß einsetzen, der die Verbindung des theoretischen Vorwurfs mit der Praxis stiftet. Von der Praxis kommt alles, und alles geht zu ihr zurück. Sie ist „Grundlage, Ziel und Kriterium" (!) auf dem Wege der Erkenntnis der Wahrheit und erweist sich zugleich als überzeugende Widerlegung des Agnostizismus der die Erkennbarkeit der objektiven Welt leugnet.

Aus dieser „Einheit von Theorie und Praxis"

folgt, daß auch gesellschaftliche Theorien nur auf zwei Wegen verifiziert werden können, nämlich durch die „Produktion und die praktisch-revolutionäre Tätigkeit der Massen" (nicht etwa nur der einzelnen Individuen!)

China Wang Yang-ming, der letzte überragende Philosoph des alten China, hatte gelehrt, daß „Wissen und Handeln identisch sind „(chih hsing ho i) 79a).

Der überragenden Bedeutung entsprechend, die der Praxis zugebilligt wird, erklärt Mao:

„Woher kommen die richtigen Ideen der Menschen? Fallen sie vom Himmel? Nein! Sind sie dem eigenen Gehirn angeboren? Nein! Die richtigen Ideen der Menschen können nur aus der gesellschaftlichen Praxis herrühren, nur aus dem Produktionskampf, dem Klassenkampf und dem wissenschaftlichen Experiment — diesen drei Arten der gesellschaftlichen Praxis"

Was in der Lehre Maos ganz besonders auffällt, ist die Kampfbetontheit seiner Praxis-auffassung, die, was die Diktion und die geistige, in langen Jahren des Partisanenkriegs anerzogene Haltung angeht, ungleich schär--fer ist als das sowjetische Gegenstück.

Nach Mao erwächst die Wahrheit aus dem Kampf gegen den Irrtum; im Kampf gegen bürgerliche Ideologien —-und nur im Kampf — kann sie sich entwickeln Deshalb sollte man den Marxismus auch nicht so sehr aus den Büchern studieren, sondern hauptsächlich durch Klassenkampf internalisieren „Niemals den Klassenkampf vergessen" „Seit dem Bestehen der Klassengesellschaft gibt es auf der Welt nur zwei Kategorien von Wissen: das Wissen auf dem Gebiet des Produktionskampfes und das Wissen auf dem Ge-Sowjetunion

China

biet des Klassenkampfes." 84) Ständiger Kampf macht wissend. Teilweiser Verzicht auf den Klassenkampf macht partiell unwissend. Verzicht auf den Kampf ü Ständiger Kampf macht wissend. Teilweiser Verzicht auf den Klassenkampf macht partiell unwissend. Verzicht auf den Kampf überhaupt bedeutet Zurückfallen in den Dämmerzustand des sozialen Sklavendaseins. „Das Kriegführen durch den Krieg selbst erlernen" Wenn im Jahre 1970 die „Kriegsvorbereitung" zu einer nationalen Philosophie geworden ist so hängt dies nicht nur von der Bedrohung durch den sowjetischen Nachbarn ab, sondern ist letzten Endes die Auswirkung der dem maoistischen Praxiskonzept immanenten Ansätze. 2. Das Ergebnis des Erkenntnisprozesses: die Wahrheit Die sowjetische Lehre unterscheidet zwischen relativer (noch nicht endgültiger) und „absoluter" Wahrheit, wobei beide Wahrheiten Klassencharakter tragen.

Gibt es absolute Wahrheit?

„Unser stets relatives Wissen besitzt einen objektiven wahren Inhalt, der im Erkenntnisprozeß erhalten bleibt und die Grundlage für die weitere Entwicklung des Wissens bildet. Dieser unvergängliche Inhalt in den relativen Wahrheiten der menschlichen Erkenntnisse wird absolut wahrer Inhalt genannt oder einfacher absolute Wahrheit." 72) „Im Erkenntnisprozeß lagern sich die Kristalle der absoluten Wahrheit ab und vermehren sich." 73) „Mehrere griechische Philosophen, unter ihnen Anaximander z. B., glaubten, daß der Mensch vom Fisch abstamme. Diese Lehre ist zwar naiv und fehlerhaft, enthält aber doch einen Kern absoluter Wahrheit: die Idee nämlich von der natürlichen (und nicht etwa göttlichen) Abstammung des Menschen." 74)

Die absolute Wahrheit ist also der sich ständig anhäufende, absolut wahre Inhalt im relativ wahren Wissen. Sie ist der Prozeß der immer vollständigeren, gründlicheren und exakteren Widerspiegelung der objektiven Welt 75).

Auf den ersten Blick scheint die chinesische Lehre mit der sowjetischen identisch zu sein: Nach Mao Tse-tung „erkennen die Marxisten an, daß im absoluten und gesamten Entwicklungsprozeß des Universums die Entwicklung der einzelnen konkreten Prozesse relativ ist und daß daher im unendlichen Strom der absoluten Wahrheit die menschliche Erkenntnis eines einzelnen konkreten Prozesses auf jeder gegebenen Stufe seiner Entwicklung nur den Charakter einer relativen Wahrheit besitzt. Aus der Summe der unzähligen relativen Wahrheiten ergibt sich die absolute Wahrheit."

Mao hat diesen Satz von Lenin übernommen, jedoch mit einer Einfügung, die seinen ursprünglichen Sinn verkehrt: Im Unterschied zu Lenin spricht er von „unzähligen" relativen Wahrheiten und entwertet damit logischer-weise jeden Anspruch auf Absolutheit Ob Mao das Epitheton „unzählig" absichtlich oder zufällig hinzugefügt hat, sei dahingestellt. Jedenfalls fügt sich die dadurch erzielte Sinnesänderung des Leninschen Satzes gut in die maoistische Erkenntnistheorie ein. Für Mao gibt es nämlich bei systemkritischer Würdigung seiner Abhandlung „über die Praxis" keine absolute Wahrheit, mit Ausnahme jener, daß sich alles im „Prozeß des Entstehens, der Entwicklung und des Unterganges" befin-Sowjetunion China det auch die Wahrheit selbst Nur der Gesamtentwicklungsprozeß", der große Strom (tao?), ist für Mao absolut 91). „Der Prozeß der Veränderung der objektiven realen Welt hat nie ein Ende, ebenso unendlich ist die Erkenntnis der Wahrheit durch die Menschen im Verlauf ihrer Praxis." Geht aus Sätzen wie diesem nicht klar hervor, daß jede Wahrheit neu ist, weil jede Praxis sie verändert? Wie können sich angesichts dieser endlosen Fluktuation Sedimente der (absoluten) Wahrheit absetzen? Wie kann es in diesem permanenten Wechsel der Augenblickswahrheiten zu Kristallisationen der endgültigen Wahrheit kommen? Gibt es für die Sowjetideologen Oasen der absoluten Wahrheit, die dem homo viator beruhigende Sicherheit geben, so kennt der maoistische Ansatz nur die Suche und das ewig neue Wagnis, ohne die Hoffnung des Findens versprechen zu können. Der Mythos des Sisyphus findet so im maoistischen Denkansatz eine neue Version, allerdings ohne den Pessimismus, der der alten Parabel anhaftet.

Ahnt man in diesem Zusammenhang, warum Mao so großen Wert auf Praxis legt und unausgesetzt dem Voluntarismus das Wort redet, warum er fortgesetzt von Klassen-und Produktionskämpfen spricht und in diesem Zusammenhang eine permanente Politik des „hsia fang" betreibt, warum er den Krieg als reale Möglichkeit begreift und — zumindest in Worten — einer Politik des brinkmanship zuneigt, warum er — im Gegensatz zu den Russen — nicht davor zurückgeschreckt ist, eine „Hundert Blumen-Kampagne", einen „Großen Sprung" und eine „Kulturrevolution" in die Wege zu leiten und sogar ein so heiliges Gefäß wie die Kommunistische Partei zu zerschlagen?

Damit ist hier nicht behauptet, daß diese Auswirkungen ganz und gar Emanationen eines Sowjetunion China apriorischen ideologischen Denkansatzes sind. Zweifellos haben die langjährigen Bürger-kriegserfahrungen der chinesischen Kommunisten viel zu der von Mao philosophisch formulierten Einstellung beigetragen. Es wäre auch sonderbar, wenn ausgerechnet der eigentliche Verfechter einer prononcierten „voluntaristischen" Epistemologie außerhalb der von ihm selbst verkündeten Gesetzmäßigkeiten gestanden hätte. Ebensowenig freilich ist andererseits daran zu zweifeln, daß Mao Tse-tung bei der Rezeption marxistisch-leninistischen Gedankenguts — bewußt oder unbewußt — zahlreiche Elemente der chinesischen Tradition, vor allem des Taoismus, hat einfließen lassen 94). Zugleich freilich bedeutet sein Denkansatz auch einen Bruch mit eben di Zugleich freilich bedeutet sein Denkansatz auch einen Bruch mit eben dieser Tradition: An die Stelle des Harmonieprinzips setzt er den Kampf, an die Stelle des passiven „wu wei" den entschlossenen Aktivismus und an die Stelle des zyklischen Modells einer ewigen Wiederkehr des Gestrigen das Postulat eines linear fortschreitenden historischen Geschehens. Wer die in der Vergangenheit wurzelnde statische Lebensorientierung mit ihrer Erwartungssicherheit — aber auch mit ihrer ewigen Gestrigkeit — hinter sich läßt, gerät in jenes offene Feld der Freiheit, das zu Hoffnung und Aktivität berechtigt, gleichzeitig aber auch mit Opfern, Unsicherheit und Hektik besetzt ist.

III. Streitpunkte im Rahmen der Geschichtslehre (Histomat)

1. Die Basis-Überbau-Lehre a) Nach der klassischen marxistischen Lehre stellt der ideologische überbau eine bloße Widerspiegelung der Basis dar. Von einer 100 °/oigen Deckung kann freilich ebensowenig die Rede sein wie von einer bloß passiven Rolle des Überbaus. Es können vielmehr Widersprüche zwischen Basis und überbau auftreten 96), ja sie sind taktisch gesehen sogar die Regel und dienen als solche als Antrieb zur Höherentwicklung. Wie die Tätigkeit der KP beweist, kann der überbau eine „aktive Rolle" spielen 97). Leitsatz des Histomat bleibt jedoch, daß der Basis im Verhältnis zum überbau eine bestimmende Rolle zukommt, während der überbau seinerseits le-a) Die Chinesen gehen zwar ebenfalls vom Basis-Überbau-Modell aus, gestehen aber dem überbau eine ungleich vitalere und auch autonomere Rolle zu als die Sowjets. Beinah sprichwörtlich ist in diesem Zusammenhang der maoistische Voluntarismus — eine Geisteshaltung, die die Ungeduld operationalisiert und die Menschen aus ihrer „Versklavung" gegenüber der objektiven Wirklichkeit befreien will Dieser übersteigerte Glaube an die Sowjetunion diglich eine in ihrer Effektivität beschränkte Rückwirkung auf die Basis ausübt b) Der überbau paßt sich „nicht sofort und nicht automatisch" den Veränderungen in der ökonomischen Struktur an"), sondern braucht dazu, wie es vorsichtig heißt, „längere Zeit". Daß damit nicht eine überlange Zeitspanne gemeint ist, beweist z. B. die Erklärung Chruschtschows auf dem XXII. Parteitag der KPdSU, daß es in der sowjetischen Gesellschaft keine antagonistischen Widersprüche mehr gebe. Die feudalen Reste des zaristischen Rußlands waren, wenn man diesen Ausführungen glauben darf, schon nach rund 40 Jahren kommunistischer Herrschaft beseitigt.

China Fähigkeit der organisierten Massen, mit jedem Feind fertig zu werden, kennt nur ein Hindernis: nämlich die Willensschwäche, die Unentschlossenheit, die Lethargie. Für diesen „voluntaristischen Illuminismus" 102) wird das „Objektive letzten Endes zum Werk des Sub wird das „Objektive letzten Endes zum Werk des Subjektiven"

b) Obwohl die politische Revolution bereits 1949 und die wirtschaftliche Revolution Mitte der fünfziger Jahre vollendet war, wird es nach Maos Auffassung nicht nur „längere Zeit", sondern viele Generationen („Jahrhunderte"!) dauern, ehe die feudalistischen Rückstände aus dem Denken des chinesischen Volkes verschwunden sind. Bisher ist nur ein Schritt auf einem „Marsch von 10 000 Li" getan 102). Das Ausspielen des Zeit-faktors, das den chinesischen Kommunisten während ihres langjährigen Partisanenkriegs zur zweiten Natur geworden war, gilt also nicht nur gegenüber dem äußeren, sondern auch gegenüber dem inneren Feind. 2. Die Klassenstrategie Klassen bilden sich nicht nach biologischen oder rassischen Merkmalen. Entscheidend ist vielmehr die Stelle, die die Menschen im Produktionsprozeß einnehmen, und entscheidend ist insbesondere ihr Verhältnis zu den Produktionsmitteln 100). Das Kriterium für die Zugehörigkeit zum Proletariat ist somit eindeutig objektiver Natur.

Am Beginn seiner revolutionären Karriere hat auch Mao Tse-tung den Klassenbegriff noch ganz von objektiven Kriterien abhängig gemacht Im Laufe der Zeit freilich wurden die Unterscheidungsmerkmale zunehmend sub-Sowjetunion China jektiviert. Als Chinese hat sich Mao Tse-tung nie mit der marxistischen Maxime abfinden können, daß der Klassencharakter allein vom Verhältnis zu den Produktionsmitteln abhänge Der Zwang, sich im Laufe des langjährigen Kampfes um die Macht mit den ursprünglich bürgerlichen Intellektuellen zu arrangieren, hat ihn gelehrt, daß der Klassen-charakter nicht vom objektiven Sein, sondern vom Bewußtsein abhängt. Einfacher ausgedrückt: Proletarier wird man nicht durch Geburt, sondern durch Gesinnung

Aus dieser Erkenntnis ergibt sich das pädagogische Postulat einer permanenten Erziehung. Durch einen „Umbau des Denkens" kann die überwiegende Mehrheit der „Massen" zu ihrer ursprünglich guten, aber durch die Macht der Produktionsverhältnisse „entfremdeten" Anlage zurückfinden. Während Stalin seine Gegner physisch liquidierte, liquidierte Mao sie im allgemeinen nur als Klasse, indem er sie mit den bewährten Mitteln des hsia-fang, der Selbstkritik, und der Massenkampagne einer harten Selbstreform unterwarf.

Der tiefere Grund für diese verschiedenen Lösungsmethoden dürfte wohl darin liegen, daß Mao — ganz im Geiste der konfuzianischen Traditition — an die ursprünglich gute Natur des Menschen und seine Erziehbarkeit glaubt, während Stalin den Menschen mit Zynismus und existentiellem Mißtrauen begegnete. 3. Der überbau und „Mao Tse-tungs Denken"

Mao betont zwar immer wieder, daß die „subjektiven" Faktoren nur „innerhalb der objektiven materiellen Bedingungen" wirken könnten, jedoch zeigt das tatsächliche Verhalten der Sowjetunion China Chinesen, insbesondere die Einstellung gegenüber den „Mao Tse-tung-Ideen", daß diese Grenze längst überschritten ist. Die Verehrung Maos hat schon vor der Kulturrevolution Ausmaße erreicht, die nur noch in religiösen Kategorien zu begreifen sind. Er gilt als der „große Mentor" (wei-ta tao-shih) und als die „allerröteste Sonne" (tsui hung tsui hung t'ai-yang). Jeder hat nach seinen Weisungen zu handeln und seine Werke zu studieren. Sein Denken ist eine „Waffe" (wu-ch'i), ein „Leuchtturm" (teng-t'a), ein „Kompaß" (chihnan-chen), ein „Teleskop und Mikroskop" (wang-yüan-ch'ing ho hsien-wei-ch’ing). Seine Ideen wirken als „fa-pao" (wörtlich: Gesetzes-schatz), als eine Art magische Waffe, wie sie in buddhistischen Sutren vorkommt. Dieses Denken vermag „Wunder" zu wirken (jenchien ch’i-chi) wie Heilungen, Siege im Sport, bessere Ernten und Schutz bei Naturkatastrophen. — Welch ein Abstand zur marxistischen Basis-Uberbau-Lehre, nach der das Denken und Handeln der Menschen allein durch die gesellschaftliche Produktionsweise determiniert war! Aus dem marxistischen Materialismus ist mit anderen Worten ein „maoistischer Idealismus" geworden

IV. Streitpunkte im Rahmen der Wirtschaftslehre (Politökonomie)

Der Maoismus ist ein Lehrsystem, das in einzigartiger Weise auf soziale Fragen ausgerichtet ist und den gesamten Komplex der technischen und wirtschaftlichen Probleme ausschließlich aus der „sozialen" oder, wie es heißt, der „politischen" Perspektive betrachtet. Kein Wunder also, daß Wirtschaftsfragen als solche kaum eine Rolle spielen und daß es demzufolge auf diesem Gebiet auch kaum zu sino-sowjetischen Kontroversen gekommen ist.

Wenn der Abschnitt „Politökonomie" hier trotzdem eingeschoben wird, so geschieht dies vor allem um der Geschlossenheit und Vollständigkeit des ideologischen Überbaus willen. Auch vermag gerade dieser verhältnismäßig unwichtige Abschnitt zu beweisen, daß der chinesische Standpunkt ungleich dogmatischer ist als der sowjetische.

Die Politökonomie umfaßt drei Abschnitte, die dem „vormonopolistischen Kapitalismus", dem „Imperialismus" und dem „Imperialismus in der gegenwärtigen Etappe" gewidmet sind. 1. Die Ausführungen über den vormonopolistischen Kapitalismus befassen sich — in Anlehnung an das „Kapital" von Marx — mit der Entstehung der kapitalistischen Produktionsweise, der Arbeitswerttheorie, der Mehrwert-1. In einem agrarischen Staat wie China hatten die Maoisten kaum Anlaß, sich über die industrielle Problematik des marxistischen „Kapitals" Gedanken zu machen. Die Fragen des vormonopolistischen Kapitalismus sind des-B Sowjetunion theorie, der Lehre vom Arbeitslohn, der Durchschnittsprofitrate, der Reproduktion, mit den Wirtschaftskrisen und mit den Theorien der Akkumulation und der Verelendung 2. Der um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert entstehende „Imperialismus ist ein besonderes historisches Stadium des Kapitalismus" das drei Besonderheiten aufweist

Der Imperialismus ist nämlich — monopolistischer Kapitalismus (fünf Merkmale

— parasitärer oder verfaulender Kapitalismus (vier Merkmale

— sterbender Kapitalimus (zwei Merkmale 116)). 3. Der „Imperialismus in der gegenwärtigen Etappe" (d. h. nach dem Zweiten Weltkrieg) erweist sich als die „zweite Etappe der allgeChina halb auch nie Anlaß einer sino-sowjetischen Auseinandersetzung gewesen 2. Die Leninsche Fäulnistheorie hat bei den Chinesen bereitwillige Anhänger gefunden. Sätze wie der folgende finden sich in der offiziellen Presse allenthalben wieder: „Die vergangene Dekade ist ein Jahrzehnt gewesen, in dem der Feind mit jedem Tag verfault, während es uns täglich bessergeht" Soweit besteht also kein wesentlicher Unterschied zwischen der chinesischen und der sowjetischen Auffassung. 3. So intransigent sich die sowjetische Politökonomie auch gibt, sie zeigt doch „gewisse Konzessionen an die Realität", die, so gering sie auch sein mögen, unter Stalin noch undenkbar gewesen wären Immerhin geben die sowjetischen Ideologien zu, daß der moderne Kapitalismus Krisen einschränken kann, daß die Reallöhne der Arbeiter gestiegen sind, daß immer noch Mittelschichten existieren, daß eine „Revolution der Manager" stattgefunden hat und daß die Unternehmer hohe Gewinn-und Erbschaftssteuern zahlen müssen

Wenngleich die Sowjets geneigt sind, solche Konzessionen in das Prokrustesbett ihrer Ver-Sowjetunion meinen Krise des Kapitalismus" Während nämlich vor dem Zweiten Weltkrieg der Sozialismus nur in einem Lande, nämlich in der Sowjetunion mit 8 °/o der Weltbevölkerung bestand, haben nun 35 °/o der Menschheit sich für das sozialistische System entschieden. Auch das Kolonialsystem ist zerfallen, da nach dem letzten Weltkrieg 1, 2 Milliarden Menschen selbständig geworden sind. Schließlich haben sich auch die Gegensätze zwischen den imperialistischen Ländern, vor allem zwischen der neuen Kolonialmacht USA und den alten, immer schwächer werdenden Staaten England und Frankreich, weiter verschärft. Drei Merkmale sind es vor allem, die die gegenwärtige Etappe des Imperialismus kennzeichnen:

a) Der „staatsmonopolistische Kapitalismus" wächst noch mehr (Verflechtung von Staat und Monopolen, Subsidien für die Wirtschaft, „Militarisierung der Wirtschaft", „Staatskapitalismus")

b) „Bankrott der Theorie von der krisenfreien Entwicklung des Kapitalismus"

c) „Vertiefung und Ausdehnung der Klassenantagonismen"

China schärfungstheorie zu zwängen, so unterscheiden sie sich doch erheblich von den Maoisten, die vor allen positiven Errungenschaften des Kapitalismus grundsätzlich die Augen verschließen und in ihrer Presse die gesamte „westliche Hemisphäre" nur als ein Aufmarschgebiet von aufständischen Massen ansehen

V. Streitpunkte im Rahmen der politischen Lehren

Neben der Philosophie (Diamat), der Geschichtslehre (Histomat) und der Wirtschaftslehre (Politökonomie) sind die „politischen Lehren" ein wichtiger Teil des Marxismus-Leninismus. In den „Grundlagen des Marxismus-Leninismus" ist dieser vierte Teil in zwei Abschnitte gegliedert: „Theorie und Taktik der internationalen kommunistischen Bewegung" und „Lehre vom Sozialismus und Kommunismus". Gegenstand der „politischen Lehren" sind Themen wie „Die Arbeiterklasse", „Die Partei", „Die Politik der Aktionseinheit" und die „Bündniseinheit", die nationalen Befreiungsbewegungen in der Dritten Welt, der Übergang des Kapitalismus in den Sozialismus, die Frage der Vermeidbarkeit von Kriegen, die Diktatur des Proletariats, die sozialistische Gesellschaft, das sozialistische Weltsystem, die kommunistische Gesellschaft usw. Aus der Fülle des hier aufgeführten Materials sollen im vorliegenden Zusammenhang sieben Themen herausgegriffen werden, die in der ideologischen Auseinandersetzung zwischen Peking und Moskau besondere Bedeutung erlangt haben, nämlich zum einen vier Fragen, die Probleme des Sozialismus, also sozusagen das „eigene Haus" betreffen (Staat und Gesellschaft im Zeichen des Sozialismus; die Stellung der kommunistischen Partei; das sozialistische Weltsystem, in dessen Bereich vor allem die Fragen des proletarischen Internationalismus und der Führung in der kommunistischen Weltbewegung angesprochen sind), und zum anderen Probleme, die mit kapitalistischen Staaten Zusammenhängen (Vermeidbarkeit von Kriegen; Fragen des Übergangs zum Sozialismus), und zuletzt das Verhältnis zu den Ländern der Dritten Welt. 1. Auffassungen vom Sozialismus a) Staat und Gesellschaft Situationsanalyse Sowjetunion Nach sowjetischer Auffassung gibt es in einer Gesellschaft nach Erreichung des sozialistischen Stadiums keine antagonistischen Widersprüche mehr. Das will nicht heißen, daß schädliche Elemente dann ganz ausgestorben sind. Die „Klasse der Nichtstuer oder die Klasse der Rowdies, die Klasse der Diebe am Staatseigentum oder die Klasse der Parasiten" sind jedoch keineswegs „Klassen" im Sinne der marxistischen Lehre Im Kampf gegen solche „Elemente" braucht man nicht die Diktatur des Proletariats. „Der Volksstaat ist voll und ganz in der Lage, mit dieser Aufgabe fertig zu werden und wird auch mit ihr fertig. . . . Es ist unmöglich, die Tatsache zu widerlegen, daß heute die Sowjetgesellschaft zwei Hauptklassen (die Klasse der Arbeiter und Bauern und die der Intelligenz) umfaßt und daß keine Klasse der Sowjetgesellschaft eine Stellung einnimmt, in der sie andere Klassen ausbeuten könnte. Die Diktatur ist ein Klassen-begriff; über wen soll aber ... in der Sowjetunion die Diktatur des Proletariats ausgeübt werden: über die Kolchosbauern oder über die Volksintelligenz? Es muß berücksichtigt werden, daß sich in der sozialistischen Gesellschaft die Klasse der Arbeiter und die Klasse der Bauern wesentlich geändert haben und sich die Unterschiede und Grenzen immer mehr verwischen"

Die früheren Ausbeuterklassen (kapitalistische Unternehmer, Großgrundbesitzer, Großbauern) sind also verschwunden. Nun gibt es nur mehr Arbeiter, Bauern und Intelligenz. Diese drei bilden keine Klassen, sondern nur soziale Schichten. Die Klassenverhältnisse sind für sie eingeebnet worden, denn alle haben in bezug auf die Produktionsmittel gleiche Rechte und Pflichten. Die Sowjetunion tritt alles in allem also für eine Entspannungstheorie ein.

Im überbau manifestiert sich diese Basisveränderung wie folgt: — Der sowjetische Staat — und damit wohl auch jeder sozialistische Staat — ist kein Klas-China Die Theorie vom Absterben des Klassenkampfes wird von den Maoisten als eine der gefährlichsten revisionistischen Dogmen verurteilt. Nach ihrer Auffassung gibt es auch in einer sozialistischen Gesellschaft noch zwei Arten von Widersprüchen, nämlich sogenannte „Widersprüche zwischen uns und unseren Feinden" und „Widersprüche im Volk". Sie verbreiten — mit etwas verfeinerten Argumenten freilich — dieselbe „Verschärfungstheorie", die Stalin im Jahre 1937 ausgearbeitet hat und die später unter Chruschtschow verworfen wurde. Die Prämisse dieser „Verschärfungstheorie" geht davon aus, daß sich der Klassenkampf um so intensiver gestaltet, je weiter der Sozialismus fortschreitet. Denn je mehr die Kapitalisten ihr Ende herankommen sehen, um so verzweifelter werden ihre Widerstandskräfte. Die gestürzten Ausbeuter versuchen mit allen Mitteln, das ihnen geraubte Paradies wieder an sich zu reißen. Ihnen kommt zugute, daß die spontanen kleinbürgerlichen Kräfte ständig neue kapitalistische Elemente hervorbringen und daß die Rückstände bourgeoisen Denkens immer wieder Verwirrung in den Reihen der Arbeiterklasse stiften. Nicht zuletzt aber ist es die Einkreisung durch den Weltkapitalismus und die Drohung bewaffneter Interventionen von Seiten der Imperialisten, die den sozialistischen Entwicklungsprozeß stören und deshalb den Klassenkampf zu einer Dauererscheinung machen Diese Einflüsse der reaktionären Klassen wirken auf den drei Gebieten der Politik, der Wirtschaft und der Ideologie gleich gefährlich.

Um die in der sozialistischen Gesellschaft weiter schlummernden Antagonismen zu beseitigen, bedarf es eines Kampfes von „fünf bis zehn Generationen oder sogar noch mehr" Die Aufstände in der DDR, in Ungarn und in der Tschechoslowakei zum Beispiel, also in Sowjetunion senstaat mehr, sondern ein „Staat des ganzen Volkes"

— Auch die Partei ist nicht mehr die Partei einer bestimmten Klasse, sondern eine Partei des ganzen Volkes, vertritt sie doch die Interessen eines Volkes, das in seiner Gesamtheit die Lehren des Marxismus-Leninismus akzeptiert hat.

China Staaten, die durchaus bereits als sozialistisch gelten durften, sind Beispiele dafür, wie wenig die Antagonismen ausgeräumt sind. Das trifft nach chinesischer Ansicht gleichfalls für die Sowjetunion zu. Im neunten Kommentar zum Offenen Brief des ZK der KPdSU liefern die Chinesen ein ganzes Arsenal von Beispielen aus Industrie, Landwirtschaft und Handel, wodurch gezeigt werden soll, daß leitende Funktionäre Untergebene ausgebeutet und betrogen haben. Alle diese Leute gehörten zur Klasse der Bourgeoisie und damit zu den Gegnern des Proletariats 135). überdies hat sich, der B überdies hat sich, der Behauptung der Chinesen zufolge, in der Sowjetunion eine „neue Klasse" herausgebildet, die auf Kosten der Volksmassen Reichtum, Macht und Bildung für sich monopolisiert. Ein „Staat des ganzen Volkes", wie ihn die Sowjetunion proklamiere, ist nach chinesischer Auffassung ein ideologischer Widerspruch: Der Staat ist ein Klassenbegriff und ein Werkzeug des Klassenkampfes. Solange der Staat noch existiert, kann er nicht über den Klassen stehen und kann deshalb auch keinen Staat des ganzen Volkes abgeben. Sind aber einmal die Klassen verschwunden, ist also das Stadium des Kommunismus erreicht, so stirbt damit automatisch der Staat ab. Bis zu diesem Zeitpunkt freilich bleibt er ein Instrument des Klassenkampfes

Auch eine „Partei des ganzen Volkes" ist ein Hirngespinst. Die Partei ist nämlich — ebenso wie der Staat — ein Instrument des Klassenkampfes. Alle politischen Parteien tragen Klassencharakter. Die Parteilichkeit ist der konzentrierte Ausdruck des Klassencharakters. Nirgends gibt es eine Partei, die nicht an eine Klasse gebunden ist und die über den Klassen steht, und nie gab es eine sogenannte „Partei des ganzen Volkes", die nicht die Interessen einer bestimmten Klasse vertreten hätte

Strategie — In einer nicht-sozialistischen Gesellschait entfaltet sich der Klassenkampf in mehreren Formen, nämlich als ökonomischer, als ideologischer und als politischer Kampf, dessen höchste Stufe die Revolution bildet 129). In einer sozialistischen Gesellschaft — Klassenkämpfe existieren auch noch in der sozialistischen Gesellschaft. „Normalerweise sind die Widersprüche innerhalb des Volkes nicht antagonistischer Art", aber wenn sie nicht richtig behandelt werden oder man es an Sowjetunion dagegen entfällt er, da es keine Antagonismen mehr gibt: Der Kampf um die Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen, also der ökonomische Kampf, wird überflüssig, weil wirtschaftliche Ausbeutung unmöglich geworden ist; die Befreiung der Massen vom Einfluß der bürgerlichen Ideen gilt als soweit fortgeschritten, daß ein ideologischer Kampf entbehrlich geworden ist; was schließlich den politischen Kampf angeht, so kann es für die Massen nicht erstrebenswert sein, die bestehende Staatsmacht zu stürzen oder durch Demonstrationen, politische Streiks, bewaffnete Aufstände usw. ihren Unwillen anzuzeigen — von einer Revolution ganz zu schweigen —, weil sie dadurch nur ihren eigenen Interessen zuwiderhandeln würden 130).

Mit dem Klassenkampf ist auch die „Diktatur des Proletariats" überflüssig geworden, die sich begriffsmäßig nur gegen Feinde des Sozialismus richten kann. An die Stelle dieser Diktatur des Proletariats tritt nun die „demokratische" Methode der

Mit dem Klassenkampf ist auch die „Diktatur des Proletariats" überflüssig geworden, die sich begriffsmäßig nur gegen Feinde des Sozialismus richten kann. An die Stelle dieser Diktatur des Proletariats tritt nun die „demokratische" Methode der Kritik und Selbstkritik sowie der Erziehung und Ausbildung

Der Wegfall des Klassenkampfes bedeutet nun nicht etwa, daß die Triebkräfte, die die Weiterentwicklung der sozialistischen Gesellschaft bestimmen, ausgeschaltet werden; sie treten nur in neuer Form in Erscheinung, nämlich als sozialistischer Wettbewerb, als moralisch-politische Einheit der Gesellschaft, als Freundschaft zwischen den sozialistischen Nationen und als sozialistischer Patriotismus. Auch die Partei trägt dazu bei, ein Bewußtsein planmäßiger Tätigkeit zu fördern.

— Der „Volksstaat" verändert seine Funktionen: Früher bestand die wichtigste Aufgabe des Staates darin, die Klassengegner zu unterdrücken. Nachdem jedoch die Ausbeuterklassen in ihren politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Positionen so sehr geschwächt sind, daß eine Unterdrückung überflüssig geworden ist, wachsen dem Staat neue Funktionen zu, nämlich die Leitung der Produktion, die Arbeits-und Konsumkontrolle, der Schutz des gesellschaftlichen Eigentums und vor allem der Schutz gegen die Überfälle imperialistischer Staaten.

China Wachsamkeit fehlen läßt und fahrlässig ist, können Antagonismen entstehen 138).

Zur Lösung der beiden bekannten Widersprüche, daß heißt des Widerspruchs „zwischen uns und unseren Feinden" und des Widerspruchs „innerhalb des Volkes", gibt es zwei verschiedene Methoden, und zwar die „Diktatur" und die „Demokratie". Den Feinden gegenüber ist die Methode der „Diktatur" am Platze: Innerhalb eines erforderlichen Zeitraums wird ihnen z. B. die politische Betätigung untersagt; man zwingt sie, sich den Gesetzen der Volksregierung zu unterwerfen, einer Arbeit nachzugehen und sich durch die Arbeit in neue Menschen zu verwandeln. Demgegenüber wendet man in bezug auf das Volk nicht die Methode des Zwanges an, sondern die „demokratische" Methode, das heißt, man muß dem Volke gestatten, sich politisch zu betätigen und es so, ohne es zu diesem oder jenem zu zwingen, durch Überzeugung und Erziehung zu gewinnen. Kritik und Selbstkritik sind methodisch grundlegend für die sich innerhalb des Volkes vollziehende Selbst-erziehung 139).

Es fragt sich noch, wo die Grenzlinie zwischen beiden Arten von Widersprüchen verläuft. Hierfür gibt Mao Tse-tung sechs Kriterien, die in folgenden Alternativen zum Ausdruck kommen: Bist du für die Einigung des Volkes oder für seine Spaltung? Bist du für den sozialistischen Aufbau oder dagegen? Bist du für die Festigung der „volksdemokratischen" Diktatur oder dagegen? Bist du für die Festigung des demokratischen Zentralismus, oder willst du ihn schwächen? Bist du für die Führung durch die kommunistische Partei oder nicht? Bist du für die internationale Solidarität des Sozialismus und der friedliebenden Völker in aller Welt oder nicht? Wer die Fragen positiv beantwortet und dementsprechend handelt, gehört zum „Volk". Wer mehr der zweiten der aufgewiesenen Möglichkeiten zuneigt, gilt als „Feind" 140). — Materielle Anreize waren, vor allem zu Beginn der sechziger Jahre, als Liu Shao-ch'i noch auf dem Höhepunkt seiner Macht war, Sowjetunion Neue Aufgaben erfordern auch neue Methoden der Herrschaftsausübung. Deshalb treten an die Stelle der früheren administrativen Zwangsmaßnahmen nunmehr die Methoden der Überzeugung und Erziehung.

— Auch die „Partei des Volkes" hat keine Unterdrückungspolitik mehr zu verfolgen, sondern sich mit demokratischen Methoden in den Dienst des sozialistischen Aufbaus zu stellen. — Im „grandiosen Plan des Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft" hat die KPdSU auch den „Kampf um ein besseres Leben für das Volk" als ihre Aufgabe verkündet. Für die Sowjets sind materielle Anreize gleichsam das Salz jeden Wirtschaftens. Polemisch heißt es in einem gegen die Chinesen gerichteten Schreiben: „Nach ihrer Logik ergibt sich, daß es Kommunismus ist, wenn das Volk in Bast-schuhen geht und seine magere Kohlsuppe aus gemeinsamen Schüsseln löffelt. Wenn aber der werktätige Mensch gut lebt und morgen noch besser leben will, dann bedeutet dies nahezu eine Restaurierung des Kapitalismus!" 132)

China auch in China an der Tagesordnung. Seit der Kulturrevolution dagegen wurde ökonomische Askese zum obersten Gebot der Wirtschaftspolitik. Jede Form von materiellem Anreiz gilt als „Ökonomismus", der den sozialistischen Aufbau schädigt. b) Die Kommunistische Partei Äußere Strukturen:

Nach der heutigen Sowjetideologie muß sich eine Partei durch drei Merkmale auszeichnen 141), und zwar a) durch Unversöhnlichkeit gegenüber jeder Spielart des Kapitalismus, b) durch die Orientierung am Marxismus-Leninismus, c) durch die Position als Avantgarde der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. „Aufbau" und „Leben" der Partei werden durch den demokratischen Zentralismus bestimmt: Die leitenden Parteiorgane sind also von unten nach oben zu wählen und haben der Rangordnung gemäß Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen. Es herrscht straffe Partei-disziplin, Unterordnung der Minderhei

China auch in China an der Tagesordnung. Seit der Kulturrevolution dagegen wurde ökonomische Askese zum obersten Gebot der Wirtschaftspolitik. Jede Form von materiellem Anreiz gilt als „Ökonomismus", der den sozialistischen Aufbau schädigt. b) Die Kommunistische Partei Äußere Strukturen:

Nach der heutigen Sowjetideologie muß sich eine Partei durch drei Merkmale auszeichnen und zwar a) durch Unversöhnlichkeit gegenüber jeder Spielart des Kapitalismus, b) durch die Orientierung am Marxismus-Leninismus, c) durch die Position als Avantgarde der Arbeiterklasse und aller Werktätigen. „Aufbau" und „Leben" der Partei werden durch den demokratischen Zentralismus bestimmt: Die leitenden Parteiorgane sind also von unten nach oben zu wählen und haben der Rangordnung gemäß Rechenschaft über ihre Tätigkeit abzulegen. Es herrscht straffe Partei-disziplin, Unterordnung der Minderheit unter die Mehrheit und unbedingte Verbindlichkeit Äußere Strukturen:

Der ideologischen Formulierung nach gleicht die chinesische Version fast aufs Wort dem sowjetischen Vorbild: Kampf gegen Kapitalismus und Ausbeutung, Orientierung am Marxismus-Leninismus und (!) am „Denken Mao Tse-tungs" 149), Avantgardestellung 150), demokratischer Zentralismus 151), Pflichten der Par-Sowjetunion der Beschlüsse höherer Organe für untere Organe der Partei

Jedes Mitglied hat neun genau umschriebene Pflichten zu erfüllen wobei die Partei-disziplin obenan steht. Jeder nimmt an der „innerparteilichen Demokratie" teil, die nützliche Kritik vor der Annahme des Beschlusses gestattet, nach der Annahme aber freiwillige strikte Unterordnung verlangt

Die Partei hat eine „lebendige Verbindung zu den Massen" aufrechtzuerhalten sie hat sie zu „führen und von ihnen zu lernen" Sie hält es für unumgänglich, im Interesse ihres Endziels (Errichtung der Diktatur des Proletariats, Aufbau des Sozialismus und schließlich des Kommunismus) gegen Revisionismus und Dogmatismus zu kämpfen und stets auf den internationalen Charakter der kommunistischen Bewegung zu achten

Innere Strukturen:

Hinter diesen Formulierungen steckt eine Ideologie, die von Lenin geschaffen und von Stalin perfektioniert wurde. Für orthodoxe Leninisten ist die Partei wie eh und je eine Art Heiliger Gral, dem sie all ihre Kraft widmen und auf dessen gleichsam magische Wirkung sie ihre Hoffnung setzen. Massenbewegungen werden nüchtern eingeschätzt, und man nimmt statt dessen lieber einen gewissen Bürokratismus sowie materielle Anreize in Kauf (Stalin). Nicht eine Massen-, sondern eine Elitepartei gilt als erstrebenswertes Ziel. So kommt es, daß die Revolution — auch, wenn dies nicht offen ausgesprochen wird — in Wirklichkeit „von oben" erfolgt, wobei die Fiktion einer Partei als Inkarnation des Proletariats aufrechterhalten wird. Organisatorisch ist sicherzustellen, daß sich die Partei als eine Einheit präsentiert, in der Disziplin und Gehorsam als „zentralistische Prinzipien" mit den „demokratischen" Gepflogenheiten der freien Diskussion und Meinungsbildung ausbalanciert und so die a priori vorhandenen Widersprüche zu , harmonischem Zusammenklang gebracht werden (demokratischer Zentralismus).

Die Partei, die unter Stalin auf einen ausgeprägten Personenkult eingeschworen war, China teimitglieder Massenlinie und Internationalismus finden sich hier wie dort.

Innere Strukturen:

Doch welch ein Unterschied in der Grundauffassung vom Wesen der Partei: Für Mao Tsetung ist die Partei nämlich nicht eine geheiligte Institution, die ihre Legitimation in sich selbst trägt, sondern lediglich eines von vielen nützlichen Werkzeugen, die in den Dienst der sozialistischen Sache gestellt werden Die Perfektion der Parteimaschinerie war immer schon Nebensache. Spontane Massenaktionen wurden stets höher eingeschätzt als bürokratische Organisation und Steuerung, schöpferische Selbstentfaltung der Massen ging über elitäre Disziplin, moralische und „politische" Faktoren über technische und technokratische Fertigkeiten, innere Proletarisierung über Parteizugehörigkeit, Klassenherkunft und Klassenkampf über technische Präzision, voluntaristische Haltung über die allzu nüchterne Einschätzung objektiver Möglichkeiten, was im letzten besagt, daß einer „Revolution von unten" der Vorrang gegenüber einer „Revolution von oben" eingeräumt wurde. Nicht das Vertrauen auf eine Elite (Lenin, Liu, Teng) kennzeichnet also Maos Denken, sondern das Sowjetunion untersteht dem Prinzip der kollektiven Führung, in deren Schoß sich nach chinesischer Meinung eine „neue Klasse" herausgebildet hat, die sich mit Privilegien und hohen Gehältern immer mehr von den „Massen" entfernt.

China Vertrauen auf die Massen Voluntarismus opponiert hier gegen Intellektualismus und revolutionäre Romantik letzten Endes gegen nüchternen Realismus. Auch im Parteiaufbau gibt es also zwei verschiedene Linien! Hätte es übrigens noch eines Beweises für diese dem Organisationsfetischismus feindliche Haltung Maos bedurft, so hätte ihn die von den Maoisten veranlaßte Zerstörung des Parteiapparates während der Kulturrevolution erbracht, die von der Sowjetunion als so ungeheuerlich empfunden wurde, daß sie es für angeraten hielt, die eigene Bevölkerung nicht über das ganze Ausmaß dieser parteifeindlichen Aktion zu unterrichten.

Seit dem 9. Parteitag im Jahre 1969 wird zwar die Partei wiederaufgebaut. Die neue Partei-satzung aber ist ganz auf die maoistische Linie eingeschworen. Insbesondere drei Punkte verdienen hervorgehoben zu werden: — Der Mittelbau der Partei ist zugunsten der Zentralorganisation sowie zugunsten der Ausschüsse auf der untersten Ebene mit verhältnismäßig schwachen Rechten ausgestattet worden. — Eng damit hängt ein Petitionsrecht zusammen, das es jedem Parteimitglied freistellt, unter Umgehung des früheren Instanzenwegs und ganz im Sinne der Massenlinie sich direkt an die Parteispitze zu wenden Es ist, als hätte Mao damit ausdrücken wollen, daß sich zwischen ihn und die Massen kein organisatorisches Gebilde schieben dürfe.

— Am souveränsten aber tritt Maos Geringschätzung der Partei und ihres kollektiven Anspruchs auf Suprematie in der langen Apotheose hervor, die er am Anfang des Partei-statuts von 1969 seinem „Denken" und seiner „Linie" zollen läßt Hat sich die Partei schließlich nicht vollends ihrer Rechte begeben, indem sie es hinnahm, daß auch noch ein Sowjetunion China persönlicher Nachfolger des Vorsitzenden testamentarisch eingesetzt wurde Schram geht freilich zu weit, wenn er meint, daß die Partei nach Maos Vorstellungen überhaupt nicht mit der Organisation der KPCh identisch gewesen sei, sondern sich von jeher in der „geheimnisvollen Verbindung zwischen dem großen Führer und den Massen" konstituiert habe Dieses Konzept, das die Konturen der Partei ganz ins Spirituelle auflöst, trägt der seit April 1969 wieder offiziell bestehenden Parteiorganisation nicht genügend Rechnung. Gleichwohl deutet Schram die Richtung an, in der die Kulturrevolution auf die KPCh einwirkte. Ohne es ausdrücklich zu wollen, schwenkte das maoistische China durch die revolutionäre Aktion vorübergehend wieder auf die klassisch-marxistische Lehre ein, der ja bekanntlich das Denken in den Kategorien von Parteiorganisationen fremd war. Mit der Schwächung der Elitepartei zugunsten der Massenlinie tritt die charismatische Führer-gestalt Mao Tse-tungs wieder stärker hervor. Damit taucht abermals der Personenkult auf, der durch den XX. Parteitag der KPdSU abgeschafft werden sollte. Nicht von ungefähr haben sich die Chinesen schon von Anfang an nachhaltig diesem Verdikt widersetzt Nicht zufällig auch stand die Stalin-Frage am Beginn der in aller Öffentlichkeit ausgetragenen ideologischen Auseinandersetzungen! Worauf es den Maoisten in bezug auf die Partei besonders ankommt, geht auch aus der Polemik gegen Liu Shao-ch'is Parteikonzeption hervor, die weitgehend der sowjetischen „Linie" entspricht. Zu den besonders „reaktionären Absurditäten" des „chinesischen Chruschtschow" zählten z. B.seine Ansichten über das Erlöschen des Klassenkampfes, seine „Theorie vom gefügigen Werkzeug" seine Konzeption vom „Eintritt in die Partei um der Karriere willen" und von der damit korrespondieren-Sowjetunion China den Ansicht über die „Rückständigkeit der Massen" 163).

Massenlinie, Klassen

Massenlinie, Klassenkampf, Begeisterung für Mao Tse-tung und seine Lehre und privilegienfeindliches Verhalten zählten also zu den wichtigsten, der Sowjetunion zwar nicht theoretisch, wohl aber praktisch fremd gewordenen Bestandteilen der maoistischen Linie im Parteiaufbau. c) Das sozialistische Weltsystem Zur Führung der kommunistischen Weltbewegung Nach sowjetischer Meinung „machte der objektive Verlauf der Geschichte, insbesondere der historische Sieg der Oktoberrevolution, die UdSSR zum Vortrupp und zum Bollwerk der internationalen sozialistischen Bewegung" 164). Dieser Geschichtsauffassung entsprechend leitet Moskau für sich den ideologischen Führungsanspruch ab, der ja zumindest zu Lebzeiten Stalins in der Tat gegeben war.

Nach Auffassung der Chinesen ist das Zentrum der Weltrevolution ständig von Westen nach Osten gewandert: Im 18. Jahrhundert lag es in Frankreich (Französische Revolution), im 19. Jahrhundert wanderte es nach Deutschland (Marx, Engels) und zu Beginn des 20. Jahrhunderts in die Sowjetunion (Oktoberrevolution). Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs schließlich verschob es sich nach China, während in Moskau das leninistische Erbe unter Chruschtschow und seinen revisionistischen Nachfolgern verschleudert wurde

Moskau hat sein Mandat verloren: Der Leninismus war der Marxismus in der Ara des Imperialismus und der proletarischen Revolution. Die Mao Tse-tung-Ideen dagegen sind der „Marxismus jener Epoche, in welcher der Imperialismus seinem totalen Zusammenbruch und der Sozialismus seinem weltweiten Sieg entgegensteht."

Mit dem revolutionären Erbe ist auch das persönliche Mandat des Führers der Weltrevolution an China gefallen: „Lenin war es, den die Geschichte als Förderer des Marxismus auserwählt hatte. Stalin, obwohl mit Marx, Engels und Lenin nicht vergleichbar, verteidigte die leninistischen Lehren, „bis schließlich Mao Tsetung, der ja unter den lebenden Kommunisten die längste revolutionäre Erfahrung be-Sowjetunion China sitzt", zum wahren Nachfolger dieser Männer wurde. Mao Tse-tung gilt deshalb als „der Lenin unserer Zeit" .

Fragen des „proletarischen Internationalismus“

Definitionsgemäß ist der „proletarische Internationalismus"

— die wissenschaftlich begründete Ideologie der gemeinsamen Interessen der Arbeiterklasse aller Nationen, -— der Ausdruck brüderlicher Verbundenheit aller schaffenden Menschen, — ein bestimmter Typus von Beziehungen zwischen den Arbeitern der einzelnen Länder

Diese komplexe Definition läßt vor allem zwei Fragen offen:

— Zum Verhältnis zwischen monolithischen Einheitsbestrebungen (Moskaus!) und Polyzentrismus („Verschiedene-Wege-Theorie"). Das Pendel hat seit 1917 mehrmals zwischen beiden Marken geschwankt , ist aber nun wieder bei der stalinistischen Theorie der sozialistischen Gemeinschaft angelangt, die den „verschiedenen Wegen zum Sozialismus" den Kampf ansagt und das sowjetische Modell des Sozialismus für allgemein verbindlich erklärt 172). „Proletarischer Internationalismus" gilt auch in China als der eigentliche Ausdruck für die „Beziehungen der Freundschaft, gegenseitigen brüderlichen Hilfe und der Zusammenarbeit unter den Staaten des sozialistischen Lagers" — Die Chinesen haben trotz starken Wider-willens die Hegemoniebestrebungen Moskaus offiziell bis in die fünfziger Jahre hingenommen, verurteilen sie aber seit dem offenen Ausbruch der beiderseitigen Differenzen mit immer härteren Formulierungen, die insbesondere seit den Prager Ereignissen (August 1968) an Schärfe kaum noch zu übertreffen sind („Neokolonialismus", „Aggression", „Expansion", „Sozialimperialismus", „Neonazismus", „Neues Zarentum" usw.

Zumindest für sich selbst haben die Chinesen von jeher einen eigenen Weg zum Sozialismus in Anspruch genommen und dementsprechend den Marxismus-Leninismus weitgehend sinisiert Sowjetunion — Zum Verhältnis zwischen „proletarischem Internationalismus" und „friedlicher Koexistenz" :

Nach der neostalinistischen Breshnew-Doktrin bildet die friedliche Koexistenz (Verzicht auf Krieg; Gleichberechtigung; Nichteinmischung; Achtung der territorialen Integrität; wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit unter sozialistischen Staaten keinen integrierenden Bestandteil des „proletarischen Internationalismus"

Der „proletarische Internationalismus" findet semantisch seinen Ausdruck in den Grundsätzen der brüderlichen Freundschaft, der engen Zusammenarbeit und der brüderlichen gegenseitigen Hilfe

Die Breshnew-Doktrin hat diese Definition nicht in Frage gestellt, sondern den Begriff der „brüderlichen Hilfe" erweitert und damit den „interventionistischen Gehalt" verstärkt

Die Doktrin hat sich vor allem in zwei Theorien niedergeschlagen: a) Die „Theorie der beschränkten Souveränität", die vor allem zu einer neuen strengeren Auslegung des Begriffs der „Konterrevolution" führte. (Für die Aktivierung der „brüderlichen Hilfe" ist es nicht mehr erforderlich, daß auswärtige imperialistische Kräfte im Gebiet des Hilfeempfängers tätig sind. Vielmehr genügt es bereits, wenn die KP eines sozialistischen Staates Reformkommunismus betreibt, ohne gleichzeitig Gewalt anzuwenden oder ihre Bündnisverpflichtungen zu lockern

China Für die Chinesen sind die fünf Prinzipien der „friedlichen Koexistenz" „selbstverständlich auch von den sozialistischen Staaten untereinander einzuhalten" Sie sind sozusagen die Mindestforderung, zu der aber noch „brüderlich-gegenseitige Hilfe" hinzukommen muß, um „proletarischen Internationalismus" zu • konstituieren Der „proletarische Internationalismus" schließt also Interventionen und Einmischung in innere Angelegenheiten eines anderen sozialistischen Staates aus.

Daß die Chinesen den Führungsanspruch der Sowjets ablehnen, soll nicht heißen, daß sie überhaupt jede Hegemonie ablehnen.

Auf ideologischem Gebiet jedenfalls betrachtet sich Peking — wie bereits ausgeführt wurde — als das neue Mekka der marxistisch-leninistischen Revolution.

Darüber hinaus haben die Chinesen zumindest indirekt auch einen politischen Führungsanspruch angemeldet. Sie befürworten z. B.den „Volkskrieg" und hoffen, daß die Sieger auf die Pekinger Linie einschwenken. An Annexion oder Besetzung — ä la Budapest oder Prag — haben sie freilich noch nicht gedacht, wie ihr bisheriges außenpolitisches Verhalten beweist. Was den Chinesen vielmehr vorschwebt, ist ein (wenn nicht globales, so doch nachbarliches) Vasallenverhältnis der sozialistischen Staaten gegenüber Peking, wie es zur Zeit des Alten Kaiserreiches etwa in der Form des „Tributsystems" bestanden hatte Sowjetunion b) Die „Theorie von der internationalen Diktatur des Proletariats" ist eine Ergänzung zur Breshnewschen Konzeption von der beschränkten Souveränität und fordert die schrittweise Umwandlung der „nationalen Diktatur . . . in eine internationale Diktatur" (d. h. in eine föderativ organisierte Staatenverbindung), die von der Sowjetunion gelenkt und geleitet wird .

China — Diese Theorie wird als Ausdruck des „unersättlichen Expansionsstrebens der sowjetrevisionistischen Sozialimperialisten" verurteilt Die chinesischen Kommunisten haben schon seit den dreißiger Jahren ihre Unabhängigkeit zu behaupten versucht: „. . . Schluß mit den Schablonen von jenseits der Meere ..." . Wir dürfen „uns nicht die Füße beschneiden, damit die Stiefel passen" 192). Es gilt, gegen die „Europäisierung Chinas" und die „mechanische Aneignung des Ausländischen" anzukämpfen 193). Kein Geringerer als Liu Shao-ch'i würdigte 1946 die Leistungen Maos mit dem Hinweis, daß es dessen Verdienst sei, „eine chinesische oder asiatische Form des Marxismus geschaffen zu haben" 194).

Ganz im Sinne dieser Autonomiebestrebungen bekämpft Peking alle Anstrengungen Moskaus, seine Einflußsphäre zu erweitern. Neben dem „Sozialimperialismus" sind es vor allem vier Themen, die seit 1969 die Diskussion bestimmen: a) die Bemühungen Moskaus um ein „neues Stadium der wirtschaftlichen Integration zwischen den sozialistischen Staaten" 195), b) der Vorwurf des „Sozialkolonismus" 196) gegenüber der sowjetischen Theorie des internationalen Arbeiter-und Bauernbündnisses" 197), c) die sowjetische „Kanonenbootpolitik" im Mittelmeer, die auf lange Sicht angeblich auch China bedrohen kann 198), Sowjetunion China d) das „finstere System der kollektiven Sicherheit in Asien" 199), das auf der „bluttriefenden Freundschaft mit Suharto" beruhe, das den Reaktionären Ne Win und Rahman Wa das auf der „bluttriefenden Freundschaft mit Suharto" beruhe, das den Reaktionären Ne Win und Rahman Waffen in die Hände spiele und auf eine „Ausplünderung SO-Asiens" sowie auf die Einkreisung Chinas abziele 2. Die Einstellung zum Kapitalismus Hier stehen vor allem zwei Fragen im Vordergrund, von denen die erste (Krieg und Frieden) wohl am weitesten bekannt und am meisten diskutiert worden ist. Das Problem des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus hängt in gewisser Weise mit der Frage von Krieg und Frieden eng zusammen. a) über die Vermeidbarkeit von Kriegen Situationsanalyse Die Mittel der Kriegführung haben sich qualitativ geändert. Angesichts der Entwicklung von Raketen und Atomwaffen erscheinen die Folgen eines thermonuklearen Krieges unausdenkbar. Die Atombombe fragt nicht, wer Imperialist und wer Werktätiger ist; mit anderen Worten: sie kümmert sich nicht um das Klassenprinzip Hinzu kommt ein Weiteres: Die Monopolisten und Imperialisten sind in der Minderheit, der Hauptbestandteil der Bevölkerung in den kapitalistischen Ländern aber gehört der Arbeiterklasse, der Bauernschaft und der schaffenden Intelligenz an. Gerade diese Bevölkerungsteile aber hätten unter einem thermonuklearen Krieg besonders zu leiden 201).

Nach sowjetischer Auffassung ist der Krieg nicht mehr unvermeidbar. „Die organisierte Kraft der internationalen Arbeiterklasse . . . besitzt heute den Vorteil, daß sie sich auf die materielle Macht, auf die Verteidigungskraft der sozialistischen Länder stützen kann, die dem Imperialismus entgegenstehen. Vorbei sind die Zeiten, da der Imperialismus ungeteilt herrschte. Die Lage hat sich grundlegend geändert. Im Gegensatz zu den ersten Jahrzehnten nach der Oktoberrevolution, als die Sowjetunion allein stand, ist das Kräfteverhältnis in der Weltarena heute ganz anders geworden. Deshalb bedeutet heute, auf dem Standpunkt der Unvermeidlichkeit von Krie-Die qualitative Veränderung der Waffen kann an der Grundkonstellation des Klassenkampfes nichts ändern. Imperialismus ist wie eh und je seiner Natur nach aggressiv, wofür der „blindwütigste Militarismus" der USA ein illustratives Beispiel abgebe. Wie der Krieg in Vietnam beweist, hängt die Kriegführung von den Truppeneinheiten und nicht vom Waffenarsenal ab. Die Atombombe ist ein Papiertiger. Der Atom-Fetischismus, den die Sowjetunion betreibt, lähmt die Massen

Am 18. November 1967 erklärte Mao vor der Weltkommunistenkonferenz in Moskau, kein Chinese wolle den Krieg; denn der Ostwind (die sozialistische Revolution) werde über den Westwind (den reaktionären Kapitalismus)Sowjetunion gen zu verharren, Unglauben an die Kräfte des Sozialismus an den Tag zu legen, sich Stimmungen der Hoffnungslosigkeit und des Defaitismus hinzugeben.

China ohnehin siegen (These von der eindeutigen Überlegenheit der revolutionären Kräfte). Da die Imperialisten von ihren Angriffsplänen nicht abließen, müsse man sich gleichwohl auf den schlimmsten Fall, nämlich einen thermonuklearen Krieg, einstellen. Bei einem solchen Krieg könnten, Maos Auffassung zufolge, von den 2, 7 Milliarden Menschen über ein Drittel oder aber sogar die Hälfte zugrunde gehen.

Den überlebenden jedoch würde es weit besser gehen als je zuvor; denn die unvermeidliche Folge eines dritten Weltkrieges wäre der endgültige Sieg der sozialistischen Revolution

In seiner Rede vor dem IX. Parteikongreß im Jahre 1969 präzisierte Lin Piao nochmals die chinesischen Ansichten über das Verhältnis von Krieg und Revolution. Was die Frage eines Weltkriegs betrifft, „so gibt es nur zwei Möglichkeiten: Die eine ist, daß der Krieg die Revolution hervorruft; die andere ist, daß die Revolution den Kieg verhindert" Beide Alternativen lassen sich folgendermaßen konkretisieren: Nach Lin Piao existieren in der gegenwärtigen Epoche vier große Widersprüche:

— Widersprüche zwischen unterjochten Nationen einerseits und Imperialismus und Sozialimperialismus andererseits, — Widersprüche zwischen Proletariat und Bourgeoisie, — Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten und den sozialimperialistischen Staaten sowie zwischen den imperialistischen Staaten untereinander, — Widersprüche zwischen den sozialistischen Staaten und den sozialimperialistischen Staaten.

Diese vier Widersprüche führen in dialektischer Selbstentfaltung unweigerlich zur Revolution, die letzten Endes den Imperialismus und den Sozialimperialismus zu Grabe trägt

Zur zweiten Alternative (der Krieg fördert die Revolution) spricht Lin Piao zwar nicht expres-Sowjetunion China sis verbis, doch lassen sich Rückschlüsse ziehen aus der Tatsache, daß selbst die vorsichtigen Sowjets vom dritten Weltkrieg den globalen Sieg des Sozialismus und Kommunismus erwarten: Der Erste Weltkrieg hat nach ihrer Auffassung dem Sozialismus in den Sattel geholfen, der Zweite Weltkrieg hat den Radius des Kommunismus gewaltig erweitert, der dritte Weltkrieg würde das Werk vollenden 211). Um wieviel mehr müssen die Chinesen von der Richtigkeit dieser Th Um wieviel mehr müssen die Chinesen von der Richtigkeit dieser Theorie überzeugt sein!

Strategie — Jeder Krieg, also auch ein Kleinkrieg, ist deshalb zu vermeiden, weil er leicht in einen Steppenbrand ausarten kann.

— Statt dessen ist heute die friedliche Koexistenz zur Generallinie der Außenpolitik der Sowjetunion geworden.

Friedliche Koexistenz bedeutet viererlei:

Friedliches Nebeneinander von Staaten mit verschiedenen Gesellschaftsordnungen auf dem Gebiet der Politik, mit dem Ziel, Kriege zu vermeiden. Es gilt also, einen „Kampf für die Abrüstung" 203) zu führen und die Reste des Zweiten Weltkrieges zu beseitigen. Gerade die Lösung der Krise in der Karibischen See wird zu einer hervorragenden Maßnahme im Rahmen der friedlichen Koexistenz-Strategie gerechnet.

Friedlicher Wettbewerb von Staaten mit verschiedenen Gesellschaftsordnungen auf dem Gebiet der Wirtschaft mit dem Ziel, den Kapitalismus durch den Sozialismus zu überrunden. Diese Wettkampfsituation wird häufig durch das Bild eines Langstreckenläufers illustriert: Die USA sind zwar früher gestartet und haben deshalb noch einen gewissen Vorsprung, sie sind aber bereits in Atemnot geraten 204).

Unversöhnliches Nebeneinander auf dem Gebiet der Ideologie mit dem Ziel, dem reaktionären Denken der Kapitalisten durch die fortschrittliche, vom Volk unterstützte sozialistische Ideologie ein baldiges Ende zu bereiten.

Auf den drei Ebenen der Koexistenz gibt es also nur im politischen und wirtschaftlichen Be-Bei ihren Kalkulationen unterscheiden die Chinesen zwischen zwei Formen von Krieg, nämlich einem Weltkrieg einerseits und nationalen Befreiungskriegen sowie revolutionären Bürgerkriegen andererseits.

Sie propagieren die Vermeidung eines Weltkriegs, sind jedoch von der immanenten Aggressivität des Imperialismus überzeugt und betreiben daher — in Putativnotwehr — eine Politik der „Kriegsvorbereitungen". Für sie gilt der Grundsatz: „ 1. Wir sind dagegen (gegen einen Weltkrieg!), 2. Wir fürchten uns nicht."

Die beste Garantie für die Verhinderung eines Dritten Weltkriegs ist nach chinesischer Ansicht eine breite internationale Einheitsfront aller friedliebenden Länder. Ein Satz wie: „Die Stärkung und Festigung der Einheit und Zusammenarbeit aller sozialistischen Länder ist ... die verläßlichste Grundlage der Sache des . . . Weltfriedens" 212) kommt in fast allen Kommuniques vor, die die VRCh mit den verschiedensten sozialistischen Ländern ausgearbeitet hat.

Unvermeidbar dagegen sind nationale Befreiungskriege (gegen die „Imperialisten und ihre Handlanger") sowie revolutionäre Bürgerkriege (gegen bürgerliche Reaktionäre im eigenen Volk) „Solange der Imperialismus Sowjetunion reich friedliche Zusammenarbeit. Koexistenz auf ideologischem Gebiet dagegen kann es ebensowenig geben wie eine Aussöhnung zwischen Licht und Finsternis 205). (Am Rande sei hier freilich bemerkt, daß eine echte ideologische Auseinandersetzung in der Sowjetunion schon deshalb nicht erfolgen kann, weil die dortige Regierung den Import nicht-sozialistischen Gedankenguts tendenziös steuert.)

Seit dem Spätherbst 1959 gilt die neue These, daß die sowjetische Koexistenzpolitik eine Form des internationalen Klassenkamp (Am Rande sei hier freilich bemerkt, daß eine echte ideologische Auseinandersetzung in der Sowjetunion schon deshalb nicht erfolgen kann, weil die dortige Regierung den Import nicht-sozialistischen Gedankenguts tendenziös steuert.)

Seit dem Spätherbst 1959 gilt die neue These, daß die sowjetische Koexistenzpolitik eine Form des internationalen Klassenkampfes sei. Koexistenz ist im Grunde also nichts anderes als die Fortsetzung des Kampfes mit friedlichen Mitteln, wobei es darum geht, den völligen Sieg des progressiven sozialistischen Denkens herbeizuführen 206).

China noch Macht hat und solange das System der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen besteht, können Kriege nicht ausbleiben. Das ist ein objektives Gesetz." 214): In der Geschichte gibt es kaum eine große Revolution, die ohne kriegerische Auseinandersetzungen verlief (Bürgerkrieg der USA, Französische Revolution, russische und chinesische Revolutionen, vietnamesische, algerische und kubanische Revolution usw.) 215).

Kriege lassen sich nur vermeiden, wenn vorher der Imperialismus beseitigt ist.

Die Solidarität mit den revolutionären Völkern der Dritten Welt gebietet es, diesen bei ihren revolutionären Kämpfen Hilfe zu leisten. Ist doch vor allem der Volkskrieg die Form, in der die Weltrevolution sich vollziehen muß. Lin Piaos Grundsatz, daß die Dörfer der Welt die Städte der Welt erobern müßten, ist eine These, die heute allgemein Anerkennung findet. Hierbei müsse man dem Gegner die gleichen Waffen entgegensetzen, die er selbst anwendet. Wichtig sei es in diesem Zusammenhang, sowohl gegen Kapitulantentum als auch gegen Abenteurertum Front zu machen 216).

In diesem Sinne gilt nach wie vor das Wort Mao Tse-tungs aus dem Jahre 1938, daß „das Gewehr die Macht gebiert". Dieser Satz habe nichts mit Kriegslüsternheit zu tun, sondern interpretiere lediglich militärische Eingriffe als Notwehrmaßnahmen. Dabei ist die Über-zeugung leitend, daß es dem chinesischen Volk nur mit Hilfe des Gewehrs gelungen sei, eine sozialistische Staatsmacht aufzubauen: „So mancher verspottet uns als Anhänger der Theorie von der Allmacht des Krieges. Ja, wir sind Anhänger der Theorie von der Allmacht des revolutionären Krieges. Das ist nicht schlecht, das ist gut, das ist marxistisch." 217) Im übrigen gibt es nur ein Mittel zur Abschaffung der Kriege: „Man muß den Krieg mit dem Krieg bekämpfen." 218)

Ganz anders als Marx, Engels und Lenin hält Mao revolutionäre Kriege nicht etwa nur für eine, sondern für d i e höchste Form des Sowjetunion China Klassenkampfes Damit hat er eine ganz neue These in die marxistisch-leninistische Diskussion eingeführt

Auch die Chinesen treten grundsätzlich für friedliche Koexistenz ein. Sie haben seit 1954 die sogenannten „fünf Prinzipien" zu einem Bestandteil ihrer Außenpolitik gemacht und sie — der Fieberkurve ihrer Außenpolitik folgend — stets mehr oder weniger nachdrücklich in den Vordergrund gestellt. Die fünf Prinzipien lauten: gegenseitige Achtung der territorialen Integrität, gegenseitiger Nichtangriff, gegenseitige Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, Gleichberechtigung und gegenseitiger Vorteil, friedliche Koexistenz

Dieses Instrumentarium der friedlichen Koexistenz darf nach chinesischer Auffassung jedoch nicht zur Generallinie der Außenpolitik werden, sondern stellt nur eines von mehreren Mitteln der Außenpolitik dar. Insgesamt setzt sich die außenpolitische Generallinie aus drei Teilen zusammen: Gegenüber sozialistischen Staaten gilt der Grundsatz des „proletarischen Internationalismus", im Verhältnis zu den „geknechteten Volksmassen und unterdrückten Nationen" der Dritten Welt hat das Prinzip der materiell wirksamen Solidarität zu walten und nur im Verhältnis zu nichtsozialistischen Staaten gelten die fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz 223). Von dieser Konzeption geleitet, erhebt China gegen die Führer der KPdSU den Vorwurf, diesen Differenzierungen nicht genügend Rechnung zu tragen und die friedliche Koexistenz für ihre Generallinie zu monopolisieren. Selbstverständlich sollen auch sozialistische Staaten untereinander die besagten fünf Prinzipien beachten, doch das genügt, wie es heißt, „bei weitem noch nicht" Hinzu kommen muß vielmehr eine aktive „brüderliche Hilfe" im Geiste des „proletarischen Internationalismus" durch die die Minimalleistungen der Sowjets über-Sowjetunion China boten werden 225). Was die Politik der friedlichen Koexistenz angeht, so verbietet sie nach ch Was die Politik der friedlichen Koexistenz angeht, so verbietet sie nach chinesischer Auffassung eine sozusagen neutrale Anwendung gegenüber den imperialistischen Staaten. Die „Koexistenz des kalten Krieges", um die es den Imperialisten angeblich geht, verpflichtet vielmehr dazu, die fünf Prinzipien durch permanente „Widerstandskämpfe der sozialistischen Staaten gegen diesen kalten Krieg" zu verwirklichen Die Kämpfe gingen also nicht nur — wie die Sowjets es wahrhaben wollen — auf ideologischem Gebiet weiter, sondern auch im politischen und wirtschaftlichen Bereich. Demnach findet die sowjetische „Drei-Ebenen-Theorie" bei den Chinesen keine Anwendung. Sie betreiben erklärtermaßen keine friedliche Koexistenz als solche, sondern eine „Leninsche Politik der friedlichen Koexistenz" b) über die Veränderung des gesellschaftlichen Systems Situationsanalyse Als „marxistisch-leninistische Charakteristik der gegenwärtigen Epoche" gilt nach sowjetischer Auffassung folgende Analyse: „Unsere Epoche, deren Hauptinhalt der durch die große sozialistische Oktoberrevolution eingeleitete Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus ist, ist die Epoche des Kampfes der beiden entgegengesetzten Gesellschaftssysteme, die Epoche der sozialistischen Revolution und der nationalen Befreiungsrevolutionen, die Epoche des Zusammenbruchs des Imperialismus und der Liquidierung des Kolonialsystems, die Epoche des Übergangs immer neuer Völker auf dem Wege des Sozialismus, die Epoche des Triumphes des Sozialismus und Kommunismus im Weltmaßstab." 228) Das Hauptmerkmal „unserer Zeit" besteht darin, „daß das sozialistische Weltsystem zum ausschlaggebenden Faktor der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft wird" 229). — So gesehen, sind die Chancen für einen friedlichen Über-gang zum Sozialismus erheblich gewachsen. Der friedliche Weg der Revolution ergibt sich vor allem dadurch, daß sich das Kräfteverhältnis zwischen Sozialismus und Kapitalismus im internationalen Maßstab immer mehr zugunsten des ersteren verschiebt, daß sich die Anziehungskraft der Ideen des Sozialismus

Unsere Epoche ist nicht durch den Sieg des Sozialismus, sondern durch einen wilden Kampf zwischen Imperialismus und Sozialismus gekennzeichnet, der in Form sozialistischer Revolutionen und nationaler Befreiungskriege in Erscheinung tritt Der US-Imperialismus rüstet pausenlos auf, bildet Militärblöcke und unterstützt überall in den Ländern der Dritten Welt die reaktionären Kräfte wobei er es insbesondere auf konterrevolutionäre Umstürze abgesehen hat Sowjetunion dig vergrößert und daß die realen Möglichkeiten, die Mehrheit der Bevölkerung für eine Vereinigung auf antimonopolistischer, allgemein-demokratischer Grundlage zu gewinnen, ständig wachsen

China Strategie — Diese Möglichkeiten für einen friedlichen, nicht mehr mit Bürgerkrieg verbundenen Weg der sozialistischen Revolution gilt es maximal zu nutzen

—• Zwei Möglichkeiten für eine sozialistische Revolution bieten sich an:

Der „legale Weg" über das Parlament. Alle demokratischen antimonopolistischen Kräfte sollen sich zu einer Koalition zusammenschließen und das Parlament sodann zu einem Werkzeug des tatsächlichen Volkswillens umfunktionieren. Die Vorteile eines solchen friedlichen Übergangs wären erheblich: die Produktionsanlagen würden nicht zerstört, der Über-gang könnte sich rasch vollziehen, die Gewaltlosigkeit entspräche der Mentalität der Arbeiter und zudem könnte die revolutionäre Regierung von Anfang an mit der Autorität des alten Parlaments auftreten 232).

Der „illegale Weg". Die sozialistische Revolution könnte sich auch als sogenannte „demokratische Volksrevolution" vollziehen, die zwar ursprünglich keine sozialistischen Ziele verfolgt, aber gegen den „Monopolkapitalismus und gegen den Imperialismus" ankämpft (z. B. Bauern gegen feudalistische Rückstände, Kampf für den Weltfrieden, Kampf zur Nationalisierung der Monopole, Kultur-kampf der Intellektuellen usw. 234)). Freilich könnte sich eine solche Revolution nur unter günstigen Voraussetzungen, d. h. in einer so-genannten „revolutionären Situation" vollziehen, die durch eine unverhältnismäßige Verschärfung der Not und des Elends, durch Massenarbeitslosigkeit, durch Preissteigerungen usw. zustande kommt. Außer dieser objektiven Krise muß die subjektive Bereitschaft der revolutionären Klasse zum Sturz und zur Umwandlung des Bestehenden gegeben sein — Es gilt die günstige revolutionäre Situation, die in der Nachkriegszeit entstanden ist, geschickt und ohne langes Zögern auszunutzen — Die zwei von der Sowjetunion angedeuteten Möglichkeiten sind mit äußerster Vorsicht zu behandeln:

Der „legale" Weg ist zwar eine Möglichkeit, die, falls sie einmal Erfolge verspräche, auch von Marxisten-Leninisten bedenkenlos ausgenützt würde Das Problematische am „legalistischen" Konzept sei für die Chinesen jedoch die historisch allzuhäufig erhärtete TatSache daß ihre Verfechter jede andere Art des Machtkampfes, vor allem die bewaffnete Auseinandersetzung, ablehnten Das Proletariat muß aber — so die Forderung — alle Formen des Kampfes beherrschen und vor allem diese Formen immer und immer wieder durchspielen und durchexperimentieren. Es muß mit anderen Worten „revolutionäre Stärke akkumulieren", sich ständig für den Fall des Umsturzes „vorbereiten" und so sein „politisches Bewußtsein stärken" Die gemütliche Lösung des „Parlamentarismus" erscheint allenfalls dazu geeignet, die Wachsamkeit einzuschläfern, überdies erweise sich dieser „legale" Weg als ziemlich stumpfe Waffe, solange die militärische und bürokratische Staatsmaschiherie der Bourgeoisie noch nicht zerschmettert sei. Auch existiert in vielen Ländern die KP illegal oder kann durch Manipulationen mit dem Wahlgesetz ihrer Vielleicht reellen Chancen beraubt werden Auf die verbürgerlichten Sozialdemokraten schließlich ist überhaupt kein Verlaß Läßt man also den „Parlamentarismus" als eine Sowjetunion Wo das der Fall ist, sollte die Durchführung der Revolution möglichst mit friedlichen Mitteln erfolgen. Notfalls freilich dürften die Massen nicht vor einem bewaffneten Aufstand, dem sozusagen klassischen Mittel der Revolution, zurückschrecken.

Hinsichtlich der Folgen einer solchen antimonopolistischen demokratischen Volksrevolution äußern sich die Sowjets optimistisch: Sie wachse in eine sozialistische Revolution hinüber. Durch den Regierungswechsel und durch die Nationalisierung der Trusts und Monopole würden bereits 60 °/o des Volksvermögens zum Staatseigentum, womit ein stabiles Fundament für die Sozialisierung auch des Überbaus geschaffen sei

China Form der Machtergreifung gelten, so muß dies mit äußerster Zurückhaltung geschehen

Keinesfalls aber darf darunter das klassische Konzept des bewaffneten Machtergreifungskampfes leiden, dem die Chinesen unter allen Umständen den Primat einräumen China, Korea, Vietnam und Kuba seien sprechende Beispiele für die Richtigkeit dieses Modells. Das Resümee: „Gewaltsame Revolution ist das universale Gesetz der proletarischen Revolution" und die „Hebamme bei der Geburt der sozialistischen Gesellschaft" 261). 3. Das Verhältnis zur Dritten Welt Situationsanalyse Die Sowjets vertreten die Theorie vom fortschreitenden Verfall des Kolonialismus. Sie verweisen dabei auf die grundlegenden Veränderungen seit dem Zweiten Weltkrieg. Allein in den Jahren zwischen 1945 und 1960 hätten sich z. B. anderthalb Milliarden Menschen vom „imperialistischen Joch" befreit. Standen 1939 noch fast zwei Drittel der Menschheit unter kolonialer Herrschaft, so sind es in den heute noch verbliebenen Kolonien weniger als 3% der Erdbevölkerung * ).

Aus dieser Situation ergibt sich für sie der zwingende Schluß, daß Kriege nicht mehr erforderlich seien, um die letzten Reste des Kolonialismus zu zerschlagen. Zum einen löst sich ihrer Auffassung zufolge der Kolonialismus von selbst auf, zum anderen ist zu berücksichtigen, daß in unserer Zeit selbst lokale Kriege gefährlich sind.

Nach chinesischer Auffassung haben die Imperialisten auch nach dem Zweiten Weltkrieg ihren Kolonialismus niemals aufgegeben, sondern ihn nur in eine neue Form gekleidet, den „Neokolonialismus". Sie haben „die alte Form ihrer direkten Kolonialherrschaft abgewandelt und üben ihre Ausbeutung nun mit Hilfe von ausgesuchten und hochgezüchteten Agenten in neuer Form aus." Mit Wirtschaftshilfe und anderen Tricks schaffen sie sich Marionettenregierungen und zwingen die Länder, ihre Funktion als Absatzmärkte, Rohstoffbasen und Kapitalanlageobjekte weiter auszuüben. Währenddessen plündern die Imperialisten die Schätze dieser Länder und saugen das Blut ihrer Völker aus. Nicht zuletzt bedienen sie sich dabei der UNO, um sich in die inneren Angelegenheiten dieser Länder einzumischen Von einem Dekadenz-stadium des Kolonialismus oder gar von einer Ausrottung des Kolonialismus kann also keine Rede sein. Die bisherige Entwicklung des Kolonialismus bestätigt den Chinesen eindeutig die Notwendigkeit nationaler Befreiungs-Sowjetunion China kriege. Sie erweisen sich — gerade angesichts der Situation, die sich seit dem Zweiten Weltkrieg herausgebildet hat — als die einzige Möglichkeit, die brutale Herrschaft der Imperialisten zu brechen. Mit dieser Feststellung ist der sowjetischen Auffassung widersprochen, die es angeblich an der Unterscheidung zwischen gerechten und ungerechten Kriegen fehlen läßt

Die zentralen Thesen für die strategische Bedeutung der Dritten Welt lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:

— „In den weiten Gebieten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas konzentrieren sich die verschiedenen Widersprüche in der gegenwärtigen Epoche. Hier sind die schwächsten Kettenglieder in der Herrschaft des Imperialismus, hier sind die wichtigsten Sturmzentren der Weltrevolution, von denen aus gegenwärtig dem Imperialismus direkte Schläge versetzt werden." (Diese Auffassung steht in klarem Gegensatz zur Konzeption Marx', der die hoch-entwickelten Industrieländer als Brutstätten der Revolution definierte.)

— „Die national-demokratische revolutionäre Bewegung in diesen Gebieten und die internationale sozialistische revolutionäre Bewegung sind die zwei gewaltigen historischen Strömungen unserer Zeit."

—„Die national-demokratische Revolution in diesen Gebieten bildet einen wichtigen Bestandteil der gegenwärtigen proletarischen Weltrevolution."

— „Die anti-imperialistischen revolutionären Kämpfe der Völker Asiens, Afrikas und Lateinamerikas haben die Grundlage der Herrschaft des Imperialismus und des Kolonialismus, .. . angeschlagen und erschüttert; sie stellen eine gewaltige Kraft für die Verteidigung des Weltfriedens in der gegenwärtigen Epoche dar."

—„In einem gewissen Sinne hängt daher die ganze Sache der internationalen proletarischen Revolution letztlich von den revolutionären Kämpfen der Völker in diesen Gebieten, der überwältigenden Mehrheit der Weltbevölkerung, ab."

— „Die anti-imperialistischen revolutionären Kämpfe der Völker Asiens, Afrikas und La-Sowjetunion China teinamerikas sind daher keinesfalls lediglich von lokaler Bedeutung, sondern von allgemeiner Bedeutung für die Weltrevolution des ganzen internationalen Proletariats." 264)

Strategie Vier Maßnahmen sind es vor allem, die die Sowjets hier für empfehlenswert halten:

Keine Anwendung militärischer Gewalt; statt dessen Wirtschaftshilfe für rückständige Länder, Kampf um die Abrüstung und Einschaltung der UNO zum Zwecke der Abschaffung des Kolonialismus.

Werbung für den Sozialismus: Die Sowjets gehen davon aus, daß das „sozialistische Lager" eine Attraktivität besitzt, die den Völkern der Dritten Welt den sozialistischen Weg als den einzig diskutablen erscheinen lassen muß

Unterstützung national-demokratischer Einheitsfronten. Dabei soll es in der ersten Phase des Befreiungskampfes nur um die nationale Frage gehen, die angeblich allen Mitkämpfern gemeinsam am Herzen liegt; in der zweiten Phase müssen dann die Sozialprobleme angepackt werden, und hier gilt es nach sowjetischer Vorstellung nun, nicht-kapitalistische Entwicklungen zu unterstützen. Den besten Ausgangspunkt für eine Weiterentwicklung zum Sozialismus bieten sogenannte national-demokratische Staaten (Kriterien: Eigenständigkeit und Distanz gegenüber Militärblöcken aller Art; Feindschaft gegenüber jeder Form von Neokolonialismus; demokratische Freiheit für das Volk; Agrarreform und breite Mitbestimmungsrechte)

All diese Ströme fließen schließlich zur Weltrevolution zusammen und führen zu einer sozialistischen Umwandlung der Dritten Welt während einer ganzen geschichtlichen Epoche (und nicht etwa, wie Marx es noch angenommen hatte, in einer Kettenreaktion)

Das Endstadium dieses Prozesses ist für die Sowjets dadurch gekennzeichnet, daß die westliche Arbeiterbewegung und das sozialistische Lager mit der Dritten Welt zu einer Einheit verschmelzen. „Gerechte Kriege" sind nach dem international geltenden Grundsatz der materiell wirksamen Solidarität zu unterstützen. Kein sozialistisches Land soll sich scheuen, auch in den Kolonialländern, dem Hinterland des Imperialismus, zu kämpfen — Mit diesen Thesen, die 1965 noch durch die aus der chinesischen Guerilla-Erfahrung resultierende Strategie Lin Piaos gestützt und profiliert wurden ist der Gegensatz zur sowjetischen Strategie bezeichnet. Darüber hinaus manifestiert sich hier der Maoismus als direkter Antipode des ursprünglichen Marxismus: — Marx und Engels hatten auf eine gleichzeitige Revolution der Arbeiterschaft in den hoch-entwickelten Ländern des Westens gehofft. — Lenin glaubte an ein „Zusammenfließen" der sozialistischen Revolutionen in Europa mit den nationalen Befreiungsbewegungen in Asien. — Stalin gab die bisherigen Hoffnungen auf eine Weltrevolution de facto auf, indem er die Weltrevolution mit der Auseinandersetzung zwischen den „zwei Zentren" des kapitalistischen und des sozialistischen Lagers gleichsetzte und dem „Sozialismus in einem Lande" das Wort redete. — Die nachstalinistische Lehre kehrte in modifizierter Form wieder zu Lenin zurück, indem sie das Zusammenfließen dreier Ströme (sozialistisches Lager, Arbeiterbewegung in den westlichen Industriestaaten, Befreiungsbewegungen der Dritten Welt) für zeitgemäß erachtete. — Diesen vier Versionen fügt Mao schließlich eine fünfte an, indem er nicht mehr die westlichen Industrieländer, sondern die Gebiete der Dritten Welt mit ihrer überwiegend agrarisch orientierten Bevölkerung als Hauptsturmzentren der Weltrevolution bezeichnet

C. Die Schwartz-Wittfogel-Kontroverse

Conrad Brandt, Benjamin Schwartz und John K. Fairbank hatten 1952 eine „Documentary History of Chinese Communism" herausgegeben, die nach Wittfogels Auffassung für eine „Legende des Maoismus“ verantwortlich wurde Zwei Schlüsselthesen waren es vor allem, die der — von Wittfogel so genannten — „maoistischen Schule" entstammen:

1. Maos Politik von 1927, die den Bauern ein revolutionäres Avantgarde-Mandat zugedacht habe, sei eine „häretische" Abweichung von der Kominternlinie gewesen und somit als eigenständiger chinesischer Beitrag zu werten. 2. Auch die Konzeption der „Neuen Demokratie" aus dem Jahre 1940 sei von Mao zum Marxismus-Leninismus beigesteuert worden.

Wittfogel sucht die von dem Harvard-Trio behauptete Originalität Maos zu bestreiten, betreibt dieses Geschäft aber mit solcher Gründlichkeit, daß der unvorbereitete Leser den Eindruck gewinnen muß, als sei Mao einer der gehorsamsten Adepten des Marxismus-Leninismus Moskauer Prägung und der Komintern-Politik gewesen. Hier kurz seine Argumente:

Zu 1) Schon Marx und Engels hätten — entgegen den heute in Fachkreisen herrschenden Auffassungen — den Bauern beträchtliche revolutionäre Dynamik zugetraut Lenin sei zuletzt vollends zu einem Verfechter der „Bauern-Strategie" geworden und habe sich als Förderer der „Bauern-Sowjets" erwiesen Die Komintern habe dieser Strategie schließlich Rechnung getragen und Lenins „Konzept von den kommunistisch kontrollierten Bauern-Sowjets" für nicht-industrielle Länder des Ostens empfohlen

Angesichts dieses ideologischen Hintergrundes dürfe der „Hunan-Bericht" Maos von 1927 hinsichtlich seiner Originalität nicht überschätzt werden. Wenn Schwartz behaupte, die Hervorhebung der Bauernschaft und der unmittelbaren Führung der Bauern durch die Kommunisten seien besonders hervorstechende „maoistische" Novitäten, so müsse er sich — über die oben wiedergegebenen historischen Argumente hinaus — vor allem zwei Einwände gefallen lassen: Die Frage der kommunistischen Führung im bäuerlichen Bereich sei im Bericht von 1927 gar nicht angeschnitten gewesen. Mao habe die hierzu nachlesbaren Ausführungen erst bei der offiziellen Publikation seiner „Ausgewählten Werke" hinzugefügt. Eines der von Schwartz hervorgehobenen „Grundmerkmale maoistischer Politik" sei also erst 24 Jahre später hinzugekommen

Wenn Mao die Bauern als „revolutionäre Vorhut" bezeichne und ihrem Kampf 70% des Erfolges der nationalen Revolution zuschreibe, so handele es sich dabei lediglich um den Nach-vollzug einer Leninschen Diktion das 70 %-Kalkül müsse gegenüber der Kominternformulierung sogar als Abmilderung bezeichnet werden

Zu 2) Auch das Konzept der „Neuen Demokratie" sei nicht maoistischer Provenienz. Mao selbst habe zugegeben, daß er die „korrekten Thesen" zu diesem Problemkreis von Lenin und Stalin übernommen habe Schwartz konnte dieses Argument freilich unschwer mit dem Hinweis entkräften, daß in der Geschichte der chinesischen Ideologie noch niemand eine abweichende Meinung gelehrt hatte, ohne für Belegstellen aus den Werken seiner Vorgänger zu sorgen

Die hier in groben Zügen referierte Debatte, die sich über ein Jahr hinzog, versickerte schließlich im Sand, obwohl oder gerade weil beide Seiten bis zuletzt auf ihren Positionen beharrten. Für die heutige Lage ist die Diskussion nur mehr von historischem Interesse.

Zu 1) Nach heutiger sowjetischer Auffassung gilt die Arbeiterklasse (das Proletariat) als führend im Kampf des Volkes für die Befreiung von der kapitalistischen Unterdrückung Den Bauern kommt keine Führungsrolle zu, wohl aber stehen sie „ihrer Herkunft und ihrer Stellung nach . . .dem Proletariat am nächsten" und sind die „besten Verbündeten der Arbeiter" Diesen Vorstellungen hat sich das chinesische Konzept angenähert. Die 70 °/o-Formel fiel dem Rotstift zum Opfer und ist heute in den „Ausgewählten Werken" Maos nicht mehr zu finden Besonders seit der Kulturrevolution sind die Chinesen völlig auf die orthodoxe Linie eingeschwenkt („Die Arbeiterklasse führt alles") wenngleich die „armen Bauern und unteren Mittelbauern" regelmäßig in einem Atemzug mit den Arbeitern genannt werden. Damit ist der „Gebirgsmarxismus" verschwunden. Aus einer Bauernrevolution ist eine Arbeiterrevolution geworden — zumindest ideologisch.

Zu 2) Seit die Maoisten die politische Macht in China fest in der Hand haben, gehört auch die „Neue Demokratie", die eigentlich nichts anderes ist als ein Konzept zur Taktik der Machtergreifung, der Vergangenheit an. Zwischen Moskau und Peking gibt es diesbezüglich keine Meinungsverschiedenheiten mehr.

Die sowjetische Bündnistaktik arbeitet mit dem Konzept der „demokratischen Einheit" und empfiehlt einen Zusammenschluß aller Klassen „mit gemeinsamen demokratischen Interessen" (gegen Monopole, gegen Kriege usw.) Nicht nur Arbeiter und Bauern, sondern auch weitere Klassen sollen sich also — im ersten Stadium anti-imperialistischer und anti-feudaler Revolution — zusammenschließen, wobei in der Regel ein Vier-Klassen-Bündnis entsteht In diesem Volksfrontmodell behalten die anderen Parteien ihre organisatorische und politische Selbständigkeit, werden aber von der KP, die sich primus inter pares versteht, im Verhältnis der Koordination (nicht der Subordination!) geführt

Das maoistische Konzept der „Neuen Demokratie" unterscheidet sich kaum von der „demokratischen Einheit" der Sowjetideologen. Es empfiehlt den Zusammenschluß von Arbeitern, Bauern, kleinen Handwerkern und nationaler Bourgeoisie, die Zusammenarbeit „mit allen Schichten, allen politischen Parteien und Organisationen sowie allen Einzelpersonen, die gewillt sind, gegen die japanische Aggression" anzutreten Sie propagieren damit eine „Einheitsdiktatur", die im übrigen nur für die erste „neudemokratische" Etappe gilt Harry Hamm hat die Behauptung aufgestellt, Mao „vertrete eine vom Moskauer Konzept abweichende Bündnis-taktik", und das insofern, als er darauf hinwirke, „daß das Bündnis von Anfang an unter der Leitung der Kommunistischen Partei stehe" Demgegenüber ist festzuhalten, daß sich Mao — zumindest vor der Machtübernahme — immer wieder dagegen ausgesprochen hat, der KPCh gegenüber den anderen Parteien eine Vorrangstellung im Sinne der Subordination der Partner einzuräumen Sollte Hamm freilich eine auf dem Koordinationsprinzip beruhende, nur durch Autorität und bessere Argumente legitimierte Führung meinen, so ergibt sich eine Bündnisstruktur die keinen Unterschied zur sowjetischen Taktik aufweist.

D. Zusammenfassung

Die ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Moskau und Peking, die seit 1960 in die Öffentlichkeit drangen, und die vor allem in den neun chinesischen Kommentaren zum Offenen Brief der KPdSU (14. 7. 1963) in aller Deutlichkeit manifestiert wurden, scheinen auf den ersten Blick nur im Bereich der „politischen Lehren" stattgefunden zu haben. Bei näherem Hinsehen erweist es sich jedoch, daß auch die drei anderen Hauptabschnitte des marxistisch-leninistischen Lehrgebäudes von dem Streit nicht unberührt geblieben sind. 1. Im Bereich des Diamat handhabt der Maoismus die Gesetze der Dialektik ungleich konsequenter als die Sowjets, die beispielsweise neben dem plötzlichen, „kampf" betonten Sprung in eine neue Qualität auch den nicht-explosiven, „allmählichen" Übergang anerkennen und überdies den „Kampf der Gegensätze"'— nach Meinung der Chinesen — allzufrüh durch andere (nicht-kampfbetonte) „Quellen und Triebkräfte der Selbstbewegung der Materie" ersetzen. Auch im Bereich der Epistomologie ist Maos Haltung — genauer: seine Praxisauffassung — ungleich kampfbetonter als die sowjetische Lehre: Während es für die Sowjets Kristalle absoluter Wahrheit gibt, die sich nach und nach im Strom der relativen Wahrheit absetzen, gibt es für die Chinesen keine andere absolute Wahrheit als jene, daß sich alles im Prozeß des Entstehens, der Entwicklung und des Untergangs befindet, auch die Wahrheit selbst! Jede Wahrheit ist also neu und muß als solche in einem Strom ewiger Aktivität und tatkräftiger Praxis neu verifiziert werden. 2. Auf dem Gebiet des Histomat hat Mao Tse-tung die klassische Basis-Überbau-Lehre auf den Kopf (oder auf die Beine?) gestellt: Der maoistische Voluntarismus will den Menschen aus seiner Versklavung gegenüber der objektiven Umwelt (Produktionsverhältnisse und Produktiv-kräfte) befreien. Diese Tendenz zeigt sich auch in der zeitlichen Dimension: Der überbau paßt sich der Basis nicht schon nach kürzerer Zeit an, sondern unter Umständen erst nach „Jahrhunderten". Ein besonderer Anwendungsfall dieses Basis-Überbau-Theorems ist die Klassen-zurechnung, die nicht mehr den Abstammungs-, sondern den Gesinnungsproletarier bevorzugt. Die dem „Denken des Vorsitzenden Mao Tse-tung" zugeschriebenen Theorien haben bewirkt, daß aus dem marxistischen Materialismus ein maoistischer Idealismus wurde. 3. Am wenigsten wurden Fragen der Politökonomie von dem sino-sowjetischen Streit erfaßt. Doch zeigt sich auch hier die ungleich dogmatischere Haltung der Chinesen, vor allem in der Einschätzung des „Verfaulens" der kapitalistischen Länder. 4. Im Bereich der politischen Lehren sind es vor allem drei große Sektoren, auf denen es zu bedeutsamen Differenzen gekommen ist:

— Probleme im Zeichen des Sozialismus: Bei diesen Fragen „im eigenen Haus" geht es in erster Linie um Staat und Gesellschaft im Entwicklungsstadium des Sozialismus. Gibt es noch verschiedene „antagonistische" Klassen oder nur noch ein in seinen Beziehungen zu den Produktivkräften und Produktionsverhältnissen einiges Volk? Sind Staat und Gesellschaft also Institutionen der Klassenvertretung oder gibt es einen „Staat des ganzen Volkes" und eine Kommunistische Partei als „Partei des ganzen Volkes"? Geht der Klassenkampf in der Form einer „Diktatur des Proletariats" weiter oder „stirbt der Klassenkampf ab"? Sind „materielle Anreize" bei der Produktion als „ökonomistisch" abzulehnen oder sind sie erlaubt? Die Chinesen vertreten bei diesen Alternativen jeweils die erste, und damit schärfere Lösung.

— Der „Parteiaufbau" ist ein Problemkreis, der zwar nicht expressiv verbis zwischen den chinesischen Hammer und den sowjetischen Amboß geraten ist, wohl aber eine jeweils ganz verschiedene Geisteshaltung sichtbar werden läßt. Während die Sowjets Rationalität, technische Fungibilität des Apparats und Elitedenken, damit aber unausgesprochen auch „Revolution von oben" für Schlüsselelemente dieser Avantgarde-Organisation des Proletariats halten, stellen die Chinesen spontane Massenaktionen über perfekte Organisation, moralische und „politische" Faktoren über technische und technokratische Fähigkeiten sowie „Massenlinie" über Elitedenken und fordern damit die „Revolution von unten". Neben ihrem Kampf gegen den Organisa15 tionsfetischismus zeigen sie auch eine starke Abneigung gegen Bürokratie, gegen Privilegien und gegen elitäres Denken, wo sich dieses als konstitutives Element einer „Neuen Klasse" erweist.

— Außenpolitisch halten sie Peking für das neue Zentrum des Weltkommunismus und Mao für den Lenin unserer Zeit. Der Breshnew-Doktrin, die den Interventionismus in einer neostalinistischen Art und Weise wieder auferweckt hat, halten die Chinesen entgegen, daß der „proletarische Internationalismus", auf den sich die Sowjets ja berufen, auch die fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz (und damit Souveränität und Integrität jedes einzelnen sozialistischen Staates) mit umfasse. Genau gesehen sei die sowjetische Haltung nicht vom Gedanken der „brüderlichen Hilfe" bestimmt, sondern von „neokolonistischen und sozialimperialistischen Erwägungen der Renegatenclique" in Moskau.

Bei den Streitfragen um das Verhältnis zu den kapitalistischen Ländern stehen zwei Fragen im Vorgergrund: Ist der Krieg vermeidbar und gibt es einen friedlichen Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus? Während die KPdSU seit ihrem. XX. Parteitag beide Fragen bejaht (Kriege seien zu gefährlich; die internationale Arbeiterklasse sei so sehr erstarkt, daß sie auch mit friedlichen Mitteln den Sozialismus verwirklichen könne) und friedliche Koexistenz postuliert, gehen die Chinesen von der Unvermeidbarkeit des Krieges aus (immanente Aggressivität des Imperialismus!) und betrachten die friedliche Koexistenz ebenso wie den „parlamentarischen Weg" als sekundäre Taktiken.

Im Hinblick auf die Befreiungsbewegungen in Asien, Afrika und Lateinamerika geht es um die Frage, ob der Kolonialismus von selbst verschwindet und daher bewaffnete Geburtenhilfe für die Völker der Dritten Welt vermieden werden kann oder aber ob der Neokolonialismus so drückend ist, daß nur „echte Volkskriege" eine Lösung schaffen können.

Anfang der sechziger Jahre standen noch zwei weitere Fragen im Vordergrund: ob nämlich die chinesische „Bauernstrategie" und das Konzept der „Neuen Demokratie" maoistische Besonderheiten seien. Die Geschichte ist über beide Fragen hinweggegangen, da China — wenigstens ideologisch — heute ganz im Zeichen des „Arbeiterproletariats" steht und die „Neue Demokratie" nur eine taktische Maßnahme der längst abgeschlossenen kommunistischen Machtergreifung war.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Grundlagen des Marxismus-Leninismus, 6. überarbeitete und ergänzte Auflage, Berlin (Ost) 1963; fortan zitiert als „GML“. — Auch das Lehrbuch „Grundlagen der marxistischen Philosophie", Berlin (Ost) 1961, soll mit herangezogen werden (fortan zitiert als „GMPh").

  2. Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke, 4 Bände, Bd. I und II: Peking 1968, Band III und IV: Peking 1969 (fortan zit. als „MTtAW).

  3. Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung, Peking 1967.

  4. Donald Zagoria, Der chinesisch-sowjetische Konflikt, München 1964, S. 53— 82.

  5. Liu Shao-ch'i in seiner Rede vor dem VIII. Parteitag, Peking Rundschau 1958, Nr. 14, S. 12, 15.

  6. Insbes. „Lange lebe der Leninismus", deutsch in: Ostprobleme 1960, Nr. 13, S. 386 ff.

  7. Weitere wichtige Dokumente: a) „Togliatti" -Dokument, deutsch in: Harry Hamm, Josef Kux, Das rote Schisma, Köln 1963, S. 106 ff., 205 ff.; b) „Woher die Differenzen", in: Hamm/Kux, a. a. O., S. 187 ff.; c) „Ein Vorschlag zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung", in: Hamm/Kux, a. a. O„ S. 235 ff.

  8. Zagoria, a. a. O., S. 13— 18, führt „drei Schulen" an: a) der ideologische Konflikt habe keinerlei schwere Folgen; b) der ideologische Konflikt führe zur Spaltung zwischen Peking und Moskau; c) der ideologische Konflikt führe zu einem „einzigartigen Interessenarrangement", beruhend auf der Einsicht, daß keine der beiden Mächte der anderen ihren Willen aufzwingen kann, und bestimmt aus der Notwendigkeit, gegenüber dem Westen eine gemeinsame Front aufrechtzuerhalten (vgl. Zagoria, S. 16).

  9. Prawda vom 14. 7. 1963, deutsch in: Hamm/Kux, a. a. O., S. 251 ff. Zum chinesisch-sowjetischen Verhältnis in den Jahren 1962— 63 vgl. u. a. auch William E. Griffith, The Sino-Soviet Rift, London 1964.

  10. „Ursprung und Entwicklung der Differenzen zwischen der Führung der KPdSU und uns", Peking 1963.

  11. „Zwei Linien in der Frage von Krieg und Frieden", Peking 1963.

  12. „Zwei völlig entgegengesetzte Arten der Politik der friedlichen Koexistenz", Peking 1963.

  13. „Die Führung der KPdSU ist der größte Spalter der Gegenwart", Peking 1964.

  14. „Die proletarische Revolution und Chruschtschows Revisionismus", Peking Review 1964, Nr. 14, S. 5 ff.

  15. „Uber den Pseudo-Kommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt", Peking 1964.

  16. Vgl. Maos Interview mit einer Delegation der japanischen Sozialisten vom 10. 7. 1964, abgedr. in: William E. Griffith, Sino-Soviet Relations 1964— 1968, Cambridge/Mass. u. London 1967, S. 365 f.

  17. Griffith, a. a. O„ S. 66/67, 106 ff.

  18. Griffith, a. a. O., S. 91 ff., 122 ff.

  19. Taschkent-Verhandlungen, Kossygin in Hanoi.

  20. a) Erster Artikel (Kommunist 1968 Nr. 6): Mao sei ein Voluntarist, der die Rolle der objektiven Faktoren unterschätze; er sei ein utopischer Sozialist (primitiver Egalitarismus!), ein Anarchist (er verteidige die Gewalt und die Kräfte der Zerstörung), ein Trotzkist (permanente Revolution, Sprünge usw.), ein Populist, der die Rolle der Bauernschaft übertreibe, und ein Chauvinist, der die internationale kommunistische Bewegung spalte.

  21. 1931 war Wang Ming z. B. Generalsekretär der KPCh. Hauptsächlich war er jedoch in der Komintern-zentrale in Moskau beschäftigt. Er kehrte einige Male nach China zurück, wo Mao sich ihm jedoch jedes Mal entschieden in den Weg stellte. Näheres in: Benjamin Schwartz, Chinese Communism and the Rise of Mao, New York, Evanston, London 1951, S. 161 ff.

  22. Die zehn innenpolitischen Verbrechen Maos: a) Mao hat den Marxismus-Leninismus durch eine Pseudolehre ersetzt, b) Auch die von ihm neugegründete Partei ist ein unkommunistisches Phänomen, c) Er hat seine persönliche Diktatur an die Stelle der Diktatur des Proletariats gesetzt, d) Er hat die ursprüngliche Partei und die kommunistische Jugendliga durch Armeeangehörige ersetzt, e) Er hat die Jugendliga durch Rotgardisten ersetzt, f) Er hat den All-Chinesischen Gewerkschaftsbund zerstört, die Arbeiterklasse gespalten, die Löhne herabgeschraubt und den Lebensstandard der Arbeiter noch mehr gedrückt, g) Arbeiter, Bauern und Kader wurden unter dem Vorwand der „Einheit" einem bisher nicht gekannten Drill unterworfen, h) Er hat die Kultur zerstört und für die Verdummung der Massen gesorgt, i) Auf sein Konto geht die Unterdrückung der nationalen Minoritäten, k) Er unterstützt die Bourgeoisie durch Zahlung einer Rente für die frühere Enteignung ihres Produktionskapitals.

  23. GMPh, S. 241— 321; S. 271— 304; GML, S. 97.

  24. GMPh, S. 242.

  25. GMPh, S. 256.

  26. Zum „Sprung" vgl. GMPh, S. 258 ff., 265 ff.; GML, S. 82 ff. Zur „Allmählichkeit“ vgl. ausführlich GMPh, S. 267. Beide Arten gelten als „revolutionär" (GMPh, S. 267).

  27. Vgl. z. B. GML, S. 87, wo der Kampf der Gegensätze zumindest im Bereich der anorganischen Natur verneint wird.

  28. „über den Widerspruch", MTt AW I, S. 366 bis 370, wo diese Formulierungen fast wörtlich wiederkehren.

  29. Angesichts des unendlich weiten zeitlichen Auseinanderklaffens zwischen überbau und Basis, wie es insbesondere von Mao immer wieder hervorgehoben wird (näheres dazu vgl. unten II.), könnte man zu dem Schluß kommen, daß die Chinesen ebenfalls wie die Sowjets einen „allmählichen" Übergang von einer Qualität zu einer anderen, neuen Qualität anerkennen. Dies ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr haben sie von jeher darauf geachtet, daß Revolution und Evolution genau auseinandergehalten werden. Wie sorgfältig die Revolutionsstrategie in China auf eine klare Differenzierung zwischen beiden Alternativen achtet, geht aus der berühmten, seit 1964 sich hinziehenden Kontroverse zwischen dem maoistischen Flügel und dem ehemaligen Parteitheoretiker Yang Hsien-chen hervor. Mao hatte immer wieder die Formel „Eins teilt sich in zwei" für verbindlich erklärt, womit er betonen wollte, daß die aus einem

  30. Das Beispiel stammt von Vsevolod Holubnychny, Der dialektische Materialismus Mao Tse-tungs, in: Der Ostblock und die Entwicklungsländer, Vierteljahresberichte der Friedrich-Ebert-Stiftung, September 1962, Heft 8— 9, S. 53.

  31. GMPh, S. 275 f.

  32. GML, S. 87.

  33. Mao Tse-tung, Uber den Widerspruch AW I, S. 402.

  34. So m. E. richtig Holubnychny, a. a. O., S. 53.

  35. Vgl. „Uber den Widerspruch", MTt AW I S. 395 ff.

  36. GML, S. 85, 89; „Die Bewegung ist Selbstbewegung, Selbstentwicklung der Materie" (GMPh, S. 284).

  37. Vgl. GMPh, S. 291 f. „Antagonistische Widersprüche sind unversöhnliche Widersprüche zwischen feindlichen gesellschaftlichen Kräften, Interessen, Zielen und Tendenzen, die zu Konflikten und Zusammenstößen führen und deren Überwindung sich in der Regel in erbittertem Kampf vollzieht (GMPh, S. 293). Nicht antagonistische Widersprüche sind solche Kräfte, die neben Widersprüchen auch grundlegend Gemeinsames haben (GMPh, S. 294) und die daher durch Kritik und Selbstkritik lösbar sind (ebenda, S. 296). Neben der Klassifizierung der Widersprüche in antagonistische und nichtantagonistische gibt es auch die Einteilung in Hauptwidersprüche und nebensächliche Widersprüche (GMPh, S. 297; GML, S. 91 f.).

  38. „über den Widerspruch", a. a. O., S. 377. Zu antagonistischen und nichtantagonistischen Widersprüchen und ihrer Lösung vgl. im übrigen „über den Widerspruch", a. a. O., S. 403 ff., und vor allem die Abhandlung „Zur Frage der richtigen Lösung von Widersprüchen im Volk", abgedruckt bei Tilemann Grimm, Mao Tse-tung, Ausgewählte Schriften, Frankfurt 1964, S. 78 ff.

  39. Holubnychny, a. a. O., S. 36.

  40. Ebenda, S. 36 (49).

  41. Ebenda.

  42. Ebenda.

  43. Ebenda, S. 37.

  44. So richtig die maoistische Konzeption von Holubnychny herauspräpariert wurde, so unzutreffend ist andererseits die sowjetische Auffassung von ihm wiedergegeben worden. Holubnychnys Darstellungen mögen zwar, was hier dahingestellt sei, auf Lenins Konzeption zutreffen, geben jedoch nicht die heute in der Sowjetunion herrschenden Auffassungen wieder. Es stimmt zwar, daß die Sowjetideologen die Dialektik gern als Methode aufgefaßt haben wollen (z. B. GML, S. 65), doch beruft man sich dort gleichzeitig auf die Begründer des Marxismus, die „unter Dialektik die Lehre von den allgemeinsten Entwicklungsgesetzen der gesamten Wirklichkeit" verstanden haben (GML, a. a. O., S. 65). In den GMPh wird dem Unterschied

  45. Gustav A. Wetter, Sowjetideologie heute. Dialektischer und historischer Materialismus, Frankfurt 1962, S. 113.

  46. „Der philosophische Begriff der Aufhebung bedeutet Negation und Bewahrung zugleich, bedeutet Negation des vorhergehenden Zustands und Bewahrung alles durch die bisherige Entwicklung erreichten Positiven im Neuen" (GMPh, S. 309, und GML, S. 96).

  47. Wetter, a. a. O., S. 114.

  48. GML, S. 97.

  49. Wetter, a. a. O., S. 71, und Holubnychny, a. a. Ö., S. 44. , zwischen dem dialektischen Entwicklungsgesetz des Seins und dem des Denkens sogar ein eigenes Kapitel gewidmet (GMPh, S. 322 ff.) — Die sowjetischen Auffassungen von der Dialektik sind also nicht nur erkenntnis theoretisch, sondern auch ontologisch! Der Gegenbeweis, den Holubnychny unter Berufung auf GML, S. 112 (nicht 111!), antreten will (S. 38), trifft ins Leere, da das dort angeführte Zitat völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist. Bezeichnenderweise hat Holubnychny in seinem zwei Jahre später folgenden Aufsatz über dasselbe Thema die im Text angegebene Unterscheidung bei weitem nicht mehr so scharf hervorgehoben. Vgl. Mao Tse-tungs Materialistic Dialectics, in: China Quarterly Nr. 19, S. 3 ff.

  50. Holubnychny, a. a. O., S. 35, 44 f.

  51. Holubnychny, a. a. O., S. 35.

  52. Nachweise bei Holubnychny, a. a. O., S. 45, 35.

  53. GMPh, S. 302.

  54. Arthur Cohen bei einem Symposium über Mao Tse-tung, in: Problems of Communism, vol. XV/5, S. 9.

  55. Holubnychny, a. a. O., S. 31.

  56. Ebenda, S. 33.

  57. Ebenda.

  58. Wetter, a. a. O., S. 129.

  59. GML, S. 112.

  60. GML, S. 112, 108 f.

  61. GML, S. 113.

  62. „Uber die Praxis", MTt AW I, S. 347 ff.

  63. Ebenda, S. 353.

  64. Vorsitzender Mao Tse-tung über den Volks-krieg, Peking 1968, S. 53.

  65. „über die Praxis", a. a. O., S. 356 ff.

  66. GML, S. 113.

  67. GML, S. 114.

  68. GML, S. 115 f.

  69. GML, s. 104.

  70. GML, s. 109 ff

  71. GML, s. 105.

  72. GML, s. 126.

  73. Mao Tse-tung, Woher kommen die richtigen Ideen der Menschen?, abgedr. in: Vier philosophische Monographien von Mao Tse-tung, Peking 1968, S. 149.

  74. Peking Rundschau 1970, Nr. 12, S. 15.

  75. Ebenda, S. 13.

  76. Peking Rundschau 1970, Nr. 10, S. 7.

  77. Ebenda, S. 9.

  78. Ebenda, S. 6, und „Vorsitzender Mao Tse-tung über den Volkskrieg", a. a. O., S. 53.

  79. Vgl. z. B. die Neujahrsausgabe 1970 der VZ.

  80. Peking Rundschau 1970, Nr. 10, S. 11 (nach „Rote Fahne"); vgl. auch „über die Praxis", a. a. O., S. 62. Auch der Klassencharakter der Wahrheit ist selbstverständlich anerkannt (Peking Rundschau, 1970 Nr. 10, S. 13).

  81. Holubnychny, a. a. O., S. 27.

  82. „Uber die Praxis", a. a. O., S. 362.

  83. So m. E. im Hinblick auf „über die Praxis", a. a. O., S. 362 richtig. Holubnychny, a. a. O., S. 27. 91) Holubnychny, a. a. O., S. 27; ferner „Für jedes konkrete Ding ist die Einheit der Gegensätze bedingt, zeitweilig, vorübergehend, und daher relativ, während der Kampl zwischen den Gegensätzen absolut ist" („über die richtige Behandlung der Widersprüche im Volke", in: Vier philosophische Monographien von Mao Tse-tung, Peking 1968, S. 102).

  84. „über die Praxis", a. a. O., S. 362.

  85. Wörtlich: „Hinunterschicken": Studenten, Funktionäre und Techniker müssen gemeine „Produktionsarbeit" leisten.

  86. Hierzu ausführl.: Holubnychny, a. a. O., S. 30.der vor allem auf das „Tao-te-ching" und die darin abgehandelte Philosophie der Widersprüche und Polaritäten verweist.

  87. „chi-chi-fen-tzu" (Aktivist) ist eine Lieblings-vokabel der chinesischen Kommunisten. Näheres hierzu vgl.: Richard Solomon, On Activism and Activists, in: China Quarterly Nr. 39, S. 7G ff.

  88. Wu Chiang, zit. b. St. R. Schram, Die permanente Revolution in China, Frankfurt 1966, S. 134.

  89. Ebenda, S. 498.

  90. Enrica Collotti Pischel, zit. b. Schram, a. a. O., S. 81.

  91. Wu Chiang, a. a. O., S. 134, der sich übrigens in seinen Ausführungen widerspricht, um trotz der Apotheose auf den Voluntarismus schließlich doch noch die Basis-Uberbau-Theorie zu retten. Vgl. im übrigen auch: „Der überbau spielt eine aktiv treibende Rolle bei der Erringung des Sieges der sozialistischen Umgestaltung . . ." (Widerspruchsrede von 1957, zit. in: Vier philosophische Monographien von Mao Tse-tung, Peking 1968, S. 105).

  92. „Der Übergang vom Kapitalismus zum Kommunismus umfaßt eine ganze geschichtliche Epoche ..." (über den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt, 9. Kommentar zum offenen Brief der KPdSU, Peking 1964, S. 9). Es ist „ein langwieriger, sich immer wiederholender, zickzackförmiger und komplizierter Kampf..." (ebenda, S. 9). „Der endgültige Sieg des Sozialismus kann nicht von einer oder zwei Generationen errungen werden. Dazu bedarf es fünf bis zehn Generationen oder sogar noch mehr" (ebenda, S. 13). „.. . Hunderte Jahre, einige Jahrhunderte werden nötig sein ..." (ebenda, S. 71), ehe die Gefahr einer Restauration des Kapitalismus endgültig beseitigt istl 105) Die Große Proletarische Kulturrevolution in China, hrsg. vom Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1967, H. 5, S. 39.

  93. In: Analyse der Klassen in der chinesischen Gesellschaft, MTt AW I, S. 9 ff.

  94. Im alten China war das Chinesentum z. B. eher ein Geisteszustand als ein Abstammungstatbestand! Ein Fremder, der — wie z. B. Matteo Ricci — die chinesische Lebensform annahm, galt als Chinese. Ein gebürtiger Chinese, der sich nicht an die gesellschaftlichen Normen hielt, wurde als „Barbar" abqualifiziert.

  95. Bei den Rotgardisten wurden zu Beginn der Kulturrevolution nur die „Fünf Roten" ausgenommen (das sind Kinder armer Bauern, Soldaten, Arbeiter, revolutionärer Kader und revolutionärer „Märtyrer"). Später wurden aber nicht mehr nur Abstammungs-, sondern zunehmend Gesinnungsproletarier ausgenommen. Näheres bei Dietmar Albrecht, Die Roten Graden, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament v. 15. 11. 1969, B 46/69, S. 22.

  96. Mao Tse-tung, Ausgewählte Werke, hrsg. v. T. Grimm, Frankfurt 1964, S. 17.

  97. Vorsitzender Mao Tse-tung über den Volks-krieg, a. a. O., S. 52.

  98. GML, S. 251— 283.

  99. GML, S. 284.

  100. GML, S. 284.

  101. Die fünf Merkmale des monopolistischen Kapitalismus: a) Konzentration der Produktion und des Kapitals; b) Verschmelzung von Bankkapital mit dem Industriekapital („Finanzoligarchie"); c) Kapitalexport im Unterschied zum Warenexport im vormonopolitischen Kapitalismus; d) internationale Monopolistenverbände teilen die Welt unter sich auf, greifen zur Politik kolonialer Unterdrückung und finanzieller Abwürgung; e) für den Imperialismus ist es weiterhin kennzeichnend, daß die territoriale Aufteilung der Welt unter den kapitalistischen Großmächten beendet ist (zum Ganzen vgl. GML, S. 284— 297).

  102. Die vier Merkmale des parasitären und verfaulenden Kapitalismus: a) Der schwindende Wettbewerb im Zeitalter des Monopolismus läßt den Anreiz zum technischen Fortschritt abklingen. Es beginnen Fäulnis und Stagnation, b) Parasitismus von „Aktienbesitzern und Coupon-Schneidern" greift um sich, c) Im Interesse der Monopole verwandelt sich die bürgerliche Demokratie zunehmend in politische Reaktion (Faschisierung, Militarisierung). d) Auf Grund systematischer Korruption bestimmter Arbeiter durch die Monopolbourgeoisie entsteht eine „privilegierte" Zwischen-schicht in der Arbeiterklasse — die Arbeiteraristokratie. 116) Die zwei Merkmale des sterbenden Kapitalismus: a) Die monopolistischen Mammutbetriebe mit ihrer Massenproduktion und ihren Massendaten sind ideale „materielle Voraussetzungen für den Sozialismus" und arbeiten diesem in die Hand, b) Verschärfung der „kapitalistischen Widersprüche" (Arbeit — Kapital; ausbeutende Länder — ausgebeutete Länder. Widersprüche zwischen den imperialistischen Staaten selbst).

  103. Wenigstens wird keiner dieser Aspekte in Maos drei wichtigsten Dokumenten über Wirtschaftsfragen angeschnitten (Wirtschafts-und Finanzfragen in der Periode des Widerstandskrieges gegen die japanische Aggression, AW III, S. 127 bis 133; Fragen des genossenschaftlichen Zusammenschlusses in der Landwirtschaft, in: Volks-zeitung (VZ) v. 17. 10. 1955; Entwurf für die Volkswirtschaft vom Januar 1958, der auch unter dem Titel „ 60 Artikel über Arbeitsmethoden" bekannt geworden ist; abgedruckt in: What's happening on the Chinese Mainland, 1969, Vol. I Nr. 20, 21, 22). Zu den neuesten Diskussionen über die volkswirtschaftlichen Theorien des ehemaligen Star-Ökonomen Sun Yeh-fang vgl. Peking Rundschau 1970, Nr. 16, S. 6 ff.

  104. Neujahrsausgabe der VZ vom 1. 1. 1970; vgl. auch Peking Rundschau 1970, Nr. 1, S. 5. über die „allgemeine Krise des Weltkapitalismus" vgl. bereits Mao Tse-tung, über den langwierigen Krieg, MTt AW II, S. 173.

  105. Wetter, a. a. O., S. 323.

  106. Ebenda, S. 324.

  107. GML, S. 310.

  108. GML, S. 314- 331.

  109. GML, S. 335.

  110. GML, S. 337 ff.

  111. Die Fäulnistheorie wird von den Chinesen übrigens auch auf die „sowjetrevisionistische Renegatenclique" angewandt. Näheres vgl. Peking Rundschau 1970, Nr. 14, S. 35 ff.

  112. Hamm/Kux, S. 272.

  113. Hamm/Kux, S. 272 f.

  114. Uber den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt, 9. Kommentar zum offenen Brief des ZK der KPdSU (14. 7. 1964), Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1964, S. 6.

  115. 9. Kommentar, S. 13.

  116. GML, S. 718 ff.

  117. Ebenda, S. 22.

  118. Ebenda, S. 36 ff.

  119. Ebenda, S. 47 f.

  120. Hamm/Kux, S. 272 f. .

  121. Der Begriff „demokratisch" besagt hier, daß die Arbeiter, die Bauern, die Handwerker und die werktätige Intelligenz, die jahrhundertelang von der Teilnahme am politischen Leben ferngehalten und von der Leitung des Staates ausgeschlossen wurden, jetzt als ihre eigenen Herren den Staat zu leiten beginnen (GML, S. 626).

  122. Hamm/Kux, S. 272.

  123. GML, S. 399 f.; W. Leonhard, Sowjetideologie heute. Die politischen Lehren, Frankfurt/M. und Hamburg 1962, S. 37.

  124. GML, S. 402 f.

  125. Leonhard, a. a. O., S. 41.

  126. GML, S. 403— 407.

  127. Ebenda, S. 407 ff.

  128. Ebenda, S. 411 ff.

  129. Ebenda, S. 420 fr.

  130. Ebenda, S. 424 ff.

  131. Fünf Pflichten, vgl. Art. 3 Parteisatzung 1969.

  132. Art. 5 Abs. III u. Art. 12 Ziff. 4 u. 7 Partei-satzung 1969; besonders ausgiebig definiert in der Präambel Abs. 9 der Parteisatzung 1956.

  133. Kap. I Abs. 10 Parteisatzung 1969.

  134. Vgl. dazu etwa: Stuart R. Schram, The Party in Communist Chinese Ideology, in: China Quarterly Nr. 38, S. 11; ebenso Leonhard, Dreispaltung, S. 291: „Das Problem der Partei wurde nur am Rande erwähnt . . .".

  135. Wie sehr die Massenlinie den Inhalt der Partei-satzung 1969 gefärbt hat, zeigen z. B. die erleichterten Ausnahmebestimmungen für neue Parteimitglieder (Art. 1 f. Parteisatzung 1969), die spärliche Erwähnung der zentralen Organisationen der Partei, die in der Parteisatzung 1956 noch bis ins einzelne behandelt waren, und die verhältnismäßig breite und konkrete Regelung der Grundorganisationen (Art. 11 ff.), denen in der neuen Satzung ungleich höheres Gewicht zukommt als in der von 1956.

  136. Art. 5 III Parteisatzung 1969.

  137. Kap. I Abs. 5 Parteisatzung 1969.

  138. Kap. I Abs. 6 Parteisatzung 1969.

  139. Schram, The Party in Communist Chinese Ideology, a. a. O., S. 23. Vgl. auch das berühmte Gleichnis: „Wir Kommunisten sind die Samenkörner und das Volk ist das Erdreich . . („Worte"), S. 322.

  140. Hauptquelle: 2. Kommentar zum Offenen Brief des ZK der KPdSU („On the Question of Stalin"), Peking Review 1963, Nr. 38, S. 8 ff., insbes. S. 13. Den Maoisten wird der Personenkult besonders vorgeworfen in der sowjetischen Zeitschrift „Kommunist" 1968, Nr. 7 („über den Charakter der Kulturrevolution in China").

  141. Inhalt: Verdrängung der Massenlinie zugunsten der Parteidisziplin.

  142. Lin Piao's Rede zum 9. Parteitag, a. a. O., S. 30.

  143. Bezeichnend für solche Gedankengänge ist z. B. Lin Piao's Rede zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution (NCNA 7. 11. 1957, S. 3 ff.).

  144. Mao Tse-tungs Denken lenkt die Kulturrevolution, in: Volkszeitung v. 1. 12. 1967, S. 3 ff.; Peking Rundschau 1970, Nr. 20, S. 34.

  145. So wörtlich Peking Rundschau 1970, Nr. 20, S. 34. Ganz in diesem Sinne versucht Peking, eine neue Komintern zustande zu bringen. Im Dezember 1969 versammelte es Kommunistische Parteien von sechs Ländern (Albanien, Nordvietnam, Australien, Birma, Indonesien und Frankreich) zu einer gemeinsamen Tagung. Nichts könnte Mao mehr ins Konzept passen und nichts könnte Moskau mehr irritieren als eine neue Komintern. Vorerst blieb es nur bei einem Versuch. Ob Nordvietnam es sich leisten könnte, auf die Peking-Linie einzuschwenken? Vgl. China News Analysis Nr. 791, S. 3.

  146. Genaugenommen unterscheidet die Sowjet-ideologie zwischen „proletarischem Internationalismus" (auf Parteiebene) und „sozialistischem Internationalismus" (auf Staatsebene). Vgl. Boris Meissner, Die Breshnew-Doktrin, in: Osteuropa, 1969, S. 622. Da die Sowjets beide Begriffe selbst nicht sauber auseinanderhalten und die Chinesen überdies nur vom „proletarischen Internationalismus" sprechen, sei auch nachfolgend nur vom „proletarischen Internationalismus" die Rede.

  147. GML 365.

  148. Stalin machte bis 1943 die positive Haltung gegenüber der Sowjetunion zum Prüfstein für den „proletarischen Internationalismus". Mit der Auf-lösung der Komintern (1943) setzte die Theorie von den „verschiedenen Wegen zum Sozialismus" ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Stalin, die Titoisten mit Hilfe des neugegründeten Komin-form von ihrem eigenen Weg abzubringen. Unter Chruschtschow wurde das Kominform aufgelöst (XX. Parteitag) und die „Theorie von den ver-schiedenen Wegen zum Sozialismus" als Bestand-teil der neuen Generallinie anerkannt. Das Jahr 1956 bringt (nach den Vorfällen in Ungarn u. Po-len) einen erneuten Umschwung. Die nationalen Besonderheiten werden zwar noch erwähnt, gleich-zeitig aber tauchten zehn „Allgemeine Gesetzmäßigkeiten der sozialistischen Revolution und des sozialistischen Aufbaus" auf, die die nationalen Be-sonderheiten praktisch entwerten. Diese Tendenz zum Monolithismus schließlich führt über Breshnew und Kossygin zurück zur stalinistischen Linie (Meissner, a. a. O., S. 623—631).

  149. Meissner, a. a. O., S. 639.

  150. 6. Kommentar, a. a. O., S. 28 f.

  151. Hierzu vgl. Stuard R. Schram, Mao Tse-tung, Frankfurt 1969, S. 220.

  152. Vgl. z. B. Peking Rundschau 1969, Nr. 13, S. 24 ff. („Gangstertheorien der sowjetrevisionistischen Sozialimperialisten von der begrenzten Souveränität u.der internationalen Diktatur"); Peking Rundschau 1968, Nr. 43, S. 4 ff. („Sozialimperialistische Teufelei der sowjetrevisionistischen Renegatenclique"); vgl. auch VZ v. 1. 1. 1970. „Sozialimperialismus" ist „Imperialismus unter der Flagge des Sozialismus", VZ 30. 8. 1968.

  153. Vgl. z. B. Mao Tse-tung, Die chinesische Revolution und die KP Chinas, AW III, S. 353 ff.

  154. Zu diesem Aspekt vgl. etwa St. R. Schram, The Political Thought of Mao Tse-tung, New York-Washington-London 1963, S. 57— 61.

  155. Meissner, a. a. O., S. 631.

  156. GML, S. 565.

  157. Meissner, a. a. O., S. 638.

  158. Meissner, a. a. O., S. 638.

  159. Meissner, a. a. O., S. 639.

  160. Meissner, a. a. O., S. 639.

  161. 6. Kommentar, a. a. O., S. 28.

  162. Ebenda, S. 28 f.

  163. Vgl. z. B. Wolfgang Franke, China und das Abendland, Göttingen 1962, S. 23 ff.

  164. Grundsätzliches zur Neudefinition des Begriffs „Kulturrevolution" vgl. in: Rote Fahne 1969, Nr. 5, S. 91 ff. („Streift die trügerischen Hüllen von der sowjetisch-revisionistischen Definition des Angriffs").

  165. Im November 1968 entworfen von Masurow, dem Mitglied Nr. 7 des sowjetischen Politbüros; vgl. Meissner, a. a. O., S. 640.

  166. Meissner, a. a. O., S. 640.

  167. Peking Rundschau 1969, Nr. 13, S. 24; vgl. auch SWB Nr. 3317, B II 1, wo gegen die „drei sowjetischen Theorien" von der „internationalen Diktatur", der „beschränkten Souveränität" und der „großen sozialistischen Gemeinschaft" polemisiert wird.

  168. Mao Tse-tung, Der Platz der KPCh im internationalen Kr eg, AW II, S. 265 f.

  169. Gemeint sind die Versuche der Sowjetunion, u. a. die Länder Indien, Afghanistan, Indonesien, Birma, Malaysia und Pakistan zu einem sogenannten „System kollektiver Sicherheit in Asien" zusammenzufassen.

  170. BPA Ostinfo v. 2. 9. 1969, S. 2 f Zum ganzen Themenkreis vgl.den systematischen und glän201zend agitatorisch geschriebenen Artikel zu Lenins 100. Geburtstag: „Leninismus oder Sozialimperialismus", in: Peking Rundschau 1970, Nr. 17.

  171. „Vorsitzender Mao Tse-tung über den Volks-krieg", S. 14 ff.

  172. Hamm/Kux, S. 267.

  173. VZ v. 1. 9. 1963, S. 1. — Ferner: „Auf den Trümmern des toten Imperialismus würde das Siegesvolk (in einem Nuklearkrieg; d. Vers.) in kürzester Zeit eine Zivilisation, die tausendmal höher steht als das kapitalistische System, und eine wahrhaft schöne Zukunft für sich schaffen", in: Lange lebe der Leninismus, deutsch in: Ostprobleme 1960, Nr. 13, S. 387.

  174. Peking Rundschau 1969, Nr. 18, S. 32.

  175. Ebenda, S. 32 ff.

  176. Dieser Gedanke klingt bereits an in: „Uber die Verhandlungen in Chungking", MTt AW IV, S. 59. 212) Kommunique mit einer Delegation der ÖSSR vom 27. 3. 1967; Bd. 5 der Verträge der VRCh, hrsg. v. Institut für Asienkunde, Hamburg, CSSR a 1 (erscheint 1970).

  177. „Zwei Linien in der Frage von Krieg und Frieden", 5. Kommentar zum offenen Brief des ZK der KPdSU (19. 11. 1963), Verlag für fremdsprachige Literatur, Peking 1963, S. 21.

  178. Ebenda, S. 237. 206) Ebenda, S. 239.

  179. a) „Strategische Fragen des revolutionären Krieges in China", MTt AW I, S. 219; b) „Worte ...", a. a. O., S. 70, 74— 76; c) „Der Krieg und die Frage der Strategie", MTt AW II, S. 273, 280— 281; d) „Vorsitzender Mao Tse-tung über den Volks-krieg", a. a. O., S. 1, 4.

  180. Wolfgang Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus, Düsseldorf-Wien 1970, S. 306.

  181. 6. Kommentar, a. a. O., S. 14.

  182. Vgl. z. B. Peking Rundschau 1970, Nr. 13, S. 5. 223) 6. Kommentar, a. a. O., S. 27 f.

  183. Ebenda, S. 28.

  184. Ebenda, S. 29.

  185. Ebenda, S. 24.

  186. Ebenda, S. 52.

  187. 8. Kommentar, a. a. O., S. 6 f.

  188. Ebenda, S. 12.

  189. Ebenda, S. 13; als Beispiel wird Diem in Süd-vietnam genannt.

  190. Angesichts der so gegensätzlichen Interpretation der „Natur der gegenwärtigen Epoche" wird einsichtig, daß hier an die Wurzel der sino-sowjetisehen Differenzen gerührt wird. Zagoria, a. a. O., S. 384 ff.

  191. GML, S. 604.

  192. Hamm/Kux, S. 281. 232) GML, S. 605 ff.

  193. GML, S. 580 ff. 2M) GML, S. 582.

  194. GML, S. 595 ff.

  195. 8. Kommentar, a. a. O., S. 12.

  196. Ebenda, S. 14.

  197. Kautsky, Bernstein, Brower, Tito und Chruschtschow werden genannt.

  198. 8. Kommentar, a. a. O., S. 16.

  199. Ebenda, S. 15.

  200. Ebenda, S. 13 f.

  201. Ebenda, S. 8.

  202. GML, S. 583 ff. 252) GML, S. 474 f.

  203. Ebenda, S. 8; vgl. insbes.den „Grundriß über die Ansichten zur Frage des friedlichen Übergangs" v. 10. 11. 1957, in: Peking Review 1964, Nr. 14, S. 22 f.

  204. 8. Kommentar, a. a. O., S. 8, 17.

  205. Ebenda, S. 17.

  206. „Die Verfechter des Neuen Kolonialismus", 4. Kommentar zum offenen Brief des ZK der KPdSU, Peking 1963, S. 5.

  207. Ebenda, S. 5.

  208. Ebenda, S. 15.

  209. Ebenda, S. 19.

  210. Ebenda.

  211. Ebenda, S. 20.

  212. Ebenda.

  213. Ebenda.

  214. Leonhard, Sowjetideologie heute, a. a. O., S. 147 f.

  215. GMPh, S. 566.

  216. Leonhard, Sowjetidelologie heute, a. a. O., S. 150.

  217. Ebenda 263) Ebenda, S. 15, 25.

  218. „Es lebe der Sieg im Volkskrieg", Peking 1965.

  219. Leonhard, Die Dreispaltung des Marxismus, a. a. O„ S. 307, 310.

  220. Cambridge/Mass. 1952; deutsch: Der Kommunismus in China, München 1955.

  221. Der Ausdruck „Maoismus", der im Chinesischen nicht verwendet wird, wurde 1951 von Benjamin Schwartz in seinem „Chinese Communism and the Rise of Mao", a. a. O., geprägt.

  222. Vgl. Karl. A. Wittfogel, The Legend of Maoism, Part I, in: China Quarterly Nr. 1, S. 18 ff; Part II, in: China Quarterly Nr. 2, S. 35 ff.; Lenin and Mao Tse-tung, in: The New Leader, New York 11. 4. 1960, S. 18— 21. Benjamin Schwartz, The Legend of the Legend of Maoism, in: China Quarterly Nr. 2, S. 35— 42; Mao Tse-tung and Communist Theorie, in: The New Leader v. 4. 4. 1960, S. 18— 21. Wittfogel und Schwartz zusammenfassend nochmals in China Quarterly Nr. 4, S. 88— 101.

  223. Wittfogel, a. a. O„ Part I, S. 75 f.

  224. Ebenda, S. 78.

  225. Ebenda, S. 80, 82.

  226. Ebenda, S. 84 f.

  227. MTt AW I, S. 21 ff.

  228. Wittfogel, Part II, a. a. O., S. 18 f.

  229. Genauer: Lenin, Zinoviev, Bela Kun, -vgl. ebenda, S. 20.

  230. Ebenda, S. 20.

  231. Ebenda, S. 28 mit Fundortangaben.

  232. Schwartz, in: China Quarterly Nr. 2, a. a. O., S. 37.

  233. GML, S. 362.

  234. GML, S. 459.

  235. GML, S. 459 ff.

  236. Zum oft geübten Brauch der chinesischen Kommunisten, ihre Dokumente bei Bedarf zu „korrigeren" und umzuschreiben vgl. z. B. Denis J. Doolin u. Peter J. Golas, On Contradiction in the Light of Mao Tse-tung’s Essay on , Dialectical Materialism', in China Quarterly Nr. 19, S. 38.

  237. Vgl.den berühmten gleichlautenden Aufsatz von Yao Wen-yüan in Peking Rundschau 1968, Nr. 35, S. 3 ff.

  238. Spottausdruck Ch'en Tu-hsiu’s, zit. bei Lucien Bianco, Der Weg zu Mao, Berlin-Frankfurt-Wien 1969, S. 85.

  239. Unterscheide „Aktionseinheit" (= Zusammenschluß aller Arbeiterorganisationen) und „demokratische Einheit" (= Zusammenschluß mit allen nationalen und demokratischen Kräften); GML, S. 452 f.

  240. Näheres vgl. GML, S. 452 f.

  241. Arbeiter, Bauern, nationale Bourgeoisie, „progressive" Intelligenz.

  242. GML, S. 457.

  243. „Uber die Neue Demokratie", MTt AW II, S. 417; vgl. auch „Gemeinsame Diktatur aller revolutionären Klassen über die Konterrevolutionäre und Landesverräter", ebenda, S. 410.

  244. Mao unterscheidet zwei Stadien, nämlich das erste Stadium, die „neudemokratische Gesellschaft" unter der gemeinsamen Leitung der vom chinesischen Proletariat geführten Arbeiterklasse Chinas", und ein zweites Stadium: die sozialistische Gesellschaft („Uber die Neue Demokratie" AW II 405).

  245. Hamm/Kun, a. a. O., S. 32.

  246. (a) „Wir sind weder für die Ein-Parteien-Diktatur irgendeiner anderen Partei oder Gruppe noch für die der Kommunistischen Partei. Wir treten für die gemeinsame Diktatur aller Parteien, Gruppen, Bevölkerungskreise . . . ein". Es gilt das „Drei-Drittelsystem anzuwenden". „Sowohl in den Machtorganen als auch in den Volksvertretungen dürfen die Mitglieder der Kommunistischen Partei nur ein Drittel der Plätze einnehmen, damit zwei Drittel auf die anderen Parteien und Gruppen sowie auf die Parteilosen . . . entfallen." Aus: „Für einen konsequenten Zusammenschluß" (MTt AW II, S. 519). Aus diesen Bemerkungen läßt sich folgern: Wenn man mit anderen Parteien zusammen eine gemeinsame Diktatur ausübt, so müssen diese logischerweise auch ihre Selbständigkeit behalten!

  247. Zur Klarstellung sei vermerkt, daß das „neudemokratische" Bündnissystem die als Partner akzeptierten Parteien nicht etwa in der KPCh aufgehen lassen, sondern ihnen eine Stellung neben der KPCh einräumen will. Beispielhaft dafür: die Parteienverschmelzung in den zwanziger Jahren, bei der die KPCh in die Kuomintang (KMT) eingegliedert wurde.

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Oskar Weggel, Dr. jur., Assessor, geb. 1935, Studium der Rechtswissenschaft und des modernen Chinesischen in Bonn. Zwei Jahre Aufenthalt in der Republik China (Taiwan). Ein halbes Jahr am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien in Köln tätig. Seit August 1968 wissenschaftlicher Referent für den Bereich der Volksrepublik China am Institut für Asienkunde in Hamburg. Veröffentlichungen: Zentralregierung und Provinzialverwaltung auf Taiwan. Selbstverwaltungsideologie und Verfassungswirklichkeit, Hamburg 1968; Die chinesischen Revolutionskomitees, Hamburg 1968. In Vorbereitung: Die Gesetzgebung in der Volksrepublik China; Partei und Revolutionskomitees, Band 5 der vom Institut für Asienkunde herausgegebenen außenpolitischen Verträge der Volksrepublik China.