Die Beziehung zwischen Währungs-und Agrarpolitik ist im Gefolge der jüngsten Wechselkursänderungen in den Blickpunkt des Interesses gerückt. Wie bei allen Teilbereichen des Wirtschaftslebens besteht auch hier eine gegenseitige Abhängigkeit, das heißt, Änderungen in der Währungspolitik haben ebenso agrarwirtschaftliche Folgen wie umgekehrt die Variation agrarpolitischer Einflußgrößen mit Konsequenzen für den Währungsbereich verbunden ist.
Diese sogenannte Interdependenz aller sozialökonomischen Faktoren erschwert jede wirtschaftspolitische Diagnose, weil sich meist nur unter sehr restriktiven Bedingungen bestimmte Wirkungen auf ebenso abgrenzbare Ursachen zurückführen lassen. Je schwieriger aber eindeutige Diagnosen sind, um so größer ist die Gefahr, daß sich die wirtschaftspolitischen Instanzen lediglich an den Symptomen orientieren und den unmittelbaren Anlaß wirtschaftspolitisch unerwünschter Folgen mit der eigentlichen Ursache gleichsetzen.
Die Abwertung des französischen Franc und die Aufwertung der deutschen Mark scheinen jeweils die unmittelbaren Anlässe für Ausgleichsmaßnahmen im Agrarbereich gewesen zu sein; daher könnte der Schluß nahe liegen, daß es sich hier um Fehlentwicklungen auf währungspolitischem Gebiet handelt und daß folglich auch die Währungspolitik Gegenstand therapeutischer Überlegungen und Maßnahnahmen sein muß.
Im Gegensatz zu dieser Auffassung bemüht sich die folgende Analyse um den Nachweis, daß die Konflikte zwischen Währungsund Agrarpolitik, soweit sie durch währungspolitische Maßnahmen ausgelöst werden, Ausdruck einer Dauerkrise sind, die das geltende Agrarsystem selbst hervorgerufen hat. Daher ist es notwendig, zunächst auf die Entwicklung und Gestaltungsprinzipien des europäischen Agrarmarktes in seiner gegenwärtigen Form einzugehen.
I. Entstehung und Funktionsweise des EWG-Agrarsystems
Pläne für eine Verschmelzung der nationalen Agrarwirtschaften zu einem gemeinsamen Agrarmarkt, auf dem ein gemeinsamer Agrarpreis die Abstimmung der Produktion auf die Nachfrage gewährleisten soll, sind bereits zu Beginn der fünfziger Jahre diskutiert wor-den
In der Folgezeit setzte sich jedoch immer mehr die Überzeugung durch, daß die Schaffung binnenmarktähnlicher Verhältnisse allein auf dem Agrarsektor der Gemeinschaft nicht ausreiche, um eine allmähliche Angleichung der Kosten-strukturen durch Rationalisierungswettbewerb und durch Verlagerung der Produktionsschwerpunkte auf die günstigeren Standorte zu gewährleisten. Dieses Ziel war nur zu erreichen, wenn eine Kommunikation auch zwischen den übrigen Bereichen der Volkswirtschaft ermöglicht würde und es darüber hinaus gelänge, zu einer Vereinheitlichung der Wirtschafts-und Währungspolitik zu kommen.
Umgekehrt war eine Ausklammerung der Landwirtschaft aus vorwiegend politischen Gründen kaum zu vertreten. Vor allem der Ausgleich der Interessenunterschiede zwischen Agrarexportstaaten und Ländern mit vorwiegend industrieller Orientierung verlangte nach einer Einbeziehung aller volkswirtschaftlichen Bereiche. So hat beispielsweise Frankreich ganz offen seien Beitritt zur Gemeinschaft von der Einbeziehung der Landwirtschaft abhängig gemacht.
Auf dieser gedanklichen Basis faßte die Außenministerkonferenz von Messina (1. bis
Zur Verwirklichung dieses Beschlusses wurde ein Ausschuß unter dem Vorsitz des damaligen belgischen Außenministers Spaak ins Leben gerufen, der einen Bericht über die Lösungsmöglichkeiten verfassen sollte. In ihm heißt es wörtlich: „Die Errichtung eines allgemeinen gemeinsamen Marktes in Europa ist ohne Einbeziehung der Landwirtschaft nicht vorstellbar"
Der Spaak-Bericht stellt den Grundstock für die Bestimmungen dar, die nach der Unterzeichnung der Römischen Verträge und ihrer Ratifizierung durch die nationalen Parlamente am 1. Januar 1958 in Kraft traten.
Als Teil des Gemeinsamen Marktes ist die Landwirtschaftspolitik den allgemeinen Zielen des EWG-Vertrages (EWGV) verpflichtet. Ihre Maßnahmen müssen also geeignet sein, ein harmonisches, ausgewogenes Wachstum in allen Wirtschaftssektoren zu fördern, das insbesondere eine Besserung der Lebens-und Beschäftigungsbedingungen und eine Sicherung des wirtschaftlichen und sozialen Fortschrittes ermöglichen soll. Die besondere Zielsetzung einer gemeinsamen Agrarpolitik ist in Artikel 39 Abs. 1 EWGV formuliert. Es wird angestrebt: a) die Produktivität der Landwirtschaft durch Förderung des technischen Fortschritts, Rationalisierung der landwirtschaftlichen Erzeugung und den bestmöglichen Einsatz der Produktionsfaktoren, insbesondere der Arbeitskräfte, zu steigern; b) auf diese Weise der landwirtschaftlichen Bevölkerung, insbesondere durch Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommens der in der Landwirtschaft tätigen Personen, eine angemessene Lebenshaltung zu gewährleisten; c) die Märkte zu stabilisieren; d) die Versorgung sicherzustellen; e) für die Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen Sorge zu tragen.
Aus diesem Zielkatalog lassen sich eindeutige Maßnahmen kaum ableiten, da eine Markt-stabilisierung und die Sicherstellung der Versorgung auf sehr verschiedenen Wegen erreicht werden kann. Auch die Abwägung von Produzenten-und Verbraucherinteressen, die jeweils „angemessen" berücksichtigt werden sollen, schafft einen weiten Ermessensspielraum. Lediglich den bisherigen Methoden der bloßen Einkommensumverteilung wird eine eindeutige Absage erteilt: Die angestrebten Ziele sollen nur „auf diese Weise", nämlich durch Produktivitätssteigerung und Rationalisierung einschließlich der Verbesserung des Arbeitseinsatzes erreicht werden. Damit hat sich die Einsicht durchgesetzt, daß „eine echte Produktivitätssteigerung und auf die Dauer gesehen auch eine angemessene Lebenshaltung der landwirtschaftlichen Bevölkerung nur durch strukturelle Maßnahmen der gemei-samen Agrarpolitik erreicht werden"
Daneben wird auf die Mittel verwiesen, die zur Verwirklichung dieser Ziele vorgesehen sind. Je nach Erzeugnisart kann die Organisation der Agrarmärkte in a) gemeinsamen Wettbewerbsregeln, b) bindender Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen, oder c) einer europäischen Marktordnung bestehen
Damit deckt der Vertrag Organisationsformen, die von ausschließlich einzelstaatlicher Kompetenz bis zur zentralgeleiteten Marktsteuerung durch die Gemeinschaft unter Verzicht auf nationale Schutzrechte reichen. Diese Freiheit der Mittelwahl wird noch verstärkt durch die Generalklausel des Artikel 40 Abs. 3 Unterabs. 1, nach der „alle zur Durchführung des Artikel 39 erforderlichen Maßnahmen" zulässig sind
Sieht man von den Verfahrensbestimmungen einmal ab, so ist festzustellen, daß die Richtlinien des Vertrages für eine europäische Agrarpolitik „so weit gefaßt sind, daß damit jede Agrarpolitik gedeckt werden kann"
Der bereits im Vertrag vorgesehene nächste Schritt mußte darin bestehen, konkretere Gestaltungsprinzipien für eine gemeinsame Agrarpolitik zu entwickeln. Die Grundlage dazu war eine Analyse der agrarpolitischen Situation in Europa sowie ein gegenüberstellender Vergleich der bestehenden nationalen Unterschiede in der Agrarpolitik.
Diese Bestandsaufnahme erfolgte auf der Konferenz von Stresa (3. bis 12. Juli 1958), auf der eine Entschließung zustande kam, die der EWG-Kommission eine unabhängige Entwicklung einer Konzeption für die gemeinsame Agrarpolitik erlaubte. Am 11. Dezember 1959 legte sie die Vorschläge zur Gestaltung und Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik vor, die auf folgenden Prinzipien aufbauten
Die Entscheidung, die damit für ein Hochpreis-Agrarsystem gefallen ist, folgt schon aus der Forderung, daß eine angemessene Entlohnung allein über die Erzeugerpreise ermöglicht werden soll. Für die Instrumente der Agrarpolitik ergeben sich daraus weitreichende Konsequenzen.
Um nämlich eine Stabilisierung der EWG-Preise über dem Weltmarktniveau zu sichern, mußte ein Schleusensystem geschaffen werden, das die Preisangleichung bei konkurrierenden Erzeugnissen zwischen beiden Bereichen, die sich bei ungehindertem Handelsverkehr zwangsläufig einstellen würde, verhindert. Vereinfacht ausgedrückt müssen also die „billigen" Drittlandsprodukte bei einer Ein-fuhr in den Gemeinsamen Markt verteuert und umgekehrt die „teuren" EWG-Erzeugnisse beim Export aut den Weltmarkt verbilligt werden. Eine Belastung der Drittlandsimporte mit Zöllen hätte zwar den gewünschten Verteuerungseffekt gehabt, aber kurzfristige und plötzlich auftretende Preisschwankungen auf dem Weltmarkt nicht von den Binnenpreisen der Gemeinschaft fernhalten können. Daher wurde von der Kommission das Instrument der Abschöpfungen
Der Marktpreis im Innern kann also „von'außen" nicht unter den Richtpreis gedrückt werden. Gleichzeitig wird verhindert, daß er — etwa bei steigender Nachfrage und stagnierendem Angebot — längerfristig den Richtpreis übersteigt, weil dann das Drittlandsangebot konkurrenzfähig wird, das ja im Prinzip zum Richtpreis die Einfuhrschleuse überwinden kann.
Dem Abschöpfungsmechanismus entspricht auf der Exportseite das System der Ausfuhrrückerstattungen. Der Staat oder die Gemeinschaft vergütet dabei den Exporteuren die Differenz zwischen Gemeinschafts-und Weltmarktpreis eines Produktes. Dadurch wird es möglich, die EWG-Erzeugnisse in Drittländern zu einem Preis anzubieten, der dem Weltmarktniveau entspricht.
Die Preisstabilisierung könnte aber durch einen Angebotsdruck im Innern gefährdet werden. Preisstürze könnten beispielsweise dann drohen, wenn unmittelbar nach der Ernte alle Landwirte, die nicht über ausreichenden Lagerraum verfügen, ihre Jahreserzeugung auf den Markt werfen müssen. Deshalb verfügt das System über eine „Binnensicherung" in Gestalt von sogenannten Interventionspreisen. Dabei verpflichten sich die öffentlichen Stellen, einem Absinken des Marktpreises unter den Richtpreis über ein festgelegtes Maß hinaus durch eigene Aufkäufe entgegenzuwirken. Die Interventionsinstanzen garantieren also einen bestimmten Mindestpreis, der beispielsweise 95 °/o des betreffenden Richtpreises beträgt, indem sie zu diesem Interventionspreis jede ihnen angebotene Menge aufnehmen.
Die Vorteile dieses Systems scheinen auf der Hand zu liegen: Der Marktpreis bleibt im Prinzip erhalten, nur seine möglichen Ausschläge werden auf eine bestimmte Marge begrenzt. Alle bisherigen Einfuhrhemmnisse wie Zölle, mengenmäßige Beschränkungen, Verwendungszwänge usw. werden durch ein sehr flexibles Instrument ersetzt, das gerade wegen seiner Anpassungsfähigkeit jede Preisbewegung auf dem Weltmarkt berücksichtigen kann und damit eine ungleich höhere Wirksamkeit besitzt als die „klassischen" Methoden der Handelsbeschränkung. Zudem erbringt es als Finanzierungssystem Abschöpfungseinnahmen, mit denen die Ausfuhrerstattungen wieder gespeist werden können.
Es drängt sich die Frage auf, ob die geltenden Agrarregelungen, die Weinstock als „ein widerspruchsloses, neuartiges System" bezeichnet, „das den Wettbewerb und Freihandel zwischen den sechs bisher weitgehend hermetisch voneinander abgeschlossenen Märkten der Sechs in Gang setzte und damit die ökonomische Verflechtung auch auf diesem Gebiet einleitete"
II. Resultat: Überproduktion und Preisunsicherheit
Die ordnungspolitische Beurteilung der Marktorganisationen ergibt sich aus der besonderen Rolle, die der „Marktpreis" in einem Abschöpfungssystem spielt. Wie bereits erläutert, schaffen die Abschöpfungen in Verbindung mit den Interventionen einen Schwankungsspielraum, innerhalb dessen der Preis auf Änderungen im Verhältnis von Angebot und Nachfrage reagieren kann. Solange die volle Selbstversorgung bei einem Produkt noch nicht erreicht ist („Unterversorgung"), kann die Binnenproduktion ohne Preiseinbußen für die EWG-Landwirte ausgedehnt werden. Da nämlich die Importangebote nur zum Richtpreis möglich sind, kann ein Preiskampf um den Marktanteil gar nicht stattfinden. Die wachsende Eigenerzeugung braucht ja nur ein wenig unter dem Richtpreis angeboten zu werden, um die konkurrierenden Einfuhren aus dem Markte zu werfen. Dadurch werden die Weltmarktimporte einfach in dem Maße zurückgedrängt, in dem die EWG-Erzeugung auf einem bestimmten Produktmarkt zunimmt. Das gesamte Absatzrisiko, also die Gefahr, daß wachsende Mengen nur zu sinkenden Preisen abgesetzt werden können, wird dadurch im Zustand der Unterversorgung auf die Drittländer verlagert.
Ist die volle Selbstversorung überschritten („Überversorgung"), dann gewährt der Staat oder die Gemeinschaft auf dem Niveau der Interventionspreise weiterhin eine unbeschränkte Absatzgarantie. Das Absatzrisiko geht also im Prinzip mit Überschreitung der lOO°/oigen Selbstversorgung von den Drittländern auf die öffentlichen Instanzen der Gemeinschaft und damit auf die Steuerzahler über.
Die Forderung der Kommission, auch den landwirtschaftlichen Produzenten ein gewisses Risiko zu belassen, könnte daher ohnehin nur im Grenzbereich zwischen Unter-und Über-versorgung erfüllt sein. Da wegen der starren Nachfrage nach Nahrungsmitteln schon geringe Überschüsse ausreichen, um den Marktpreis vom Richtpreis-auf das Interventionsniveau hinabzudrücken, ist dieser Ubergangsbereich nicht nur sehr schmal, sondern der Preiswechsel vollzieht sich auch relativ schnell.
Will man überhaupt von einem Absatz-oder Preisrisiko sprechen, so beschränkt es sich für die EWG-Landwirte faktisch auf eine einmalige Preissenkung bei Produkten, bei denen die Selbstversorgung erreicht und überschritten wird. Diese Erlösminderung vollzieht sich aber viel zu rasch und macht zu früh einer neuen Preis-und Absatzgarantie Platz, um die einzelnen Erzeuger, die zuvor gerade durch das Abschöpfungssystem zu einer ständigen Ausdehnung der Erzeugung ermutigt wurden, jetzt zu einer nachhaltigen Drosselung ihrer Produktion veranlassen zu können.
Damit weist das geltende Agrarsystem eine immanente Tendenz zur Überproduktion auf, die durch die Preisbeschlüsse des Europäischen Ministerrates noch verstärkt wurden. Bei fast allen wichtigen Erzeugnissen gingen die beschlossenen (Richt-) Preise über die Preisvorschläge der Kommission hinaus
Sorgen aber die Überschüsse dafür, daß die Marktpreise ständig auf dem Interventionsniveau verharren müssen, dann wandelt sich das Richtpreissystem in ein System fester Preise, das Angebots-oder Nachfrageänderungen nicht mehr ausdrücken kann. Daraus ergeben sich verschiedene volkswirtschaftliche Nachteile, wie z. B. eine zunehmende Verhärtung der Produktionsstruktur, eine mangelnde Anpassung der Erzeugung an Änderungen der Verbrauchsgewohnheiten oder auch eine Ausschaltung von natürlichen Ausgleichsmechanismen innerhalb der landwirtschaftlichen Produktion, auf die jedoch an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden kann. Im vorliegenden Zusammenhang ist nur von Bedeutung, daß die durch das System selbst als auch durch seine unzweckmäßige Handhabung hervorgerutenen Überschüsse auf den jeweiligen Märkten in eine Situation hineingeführt haben, in der die Absatzpreise der Landwirtschaft auf den wichtigsten Märkten fest mit den Interventionspreisen verbunden sind und sich daher etwaigen Bewegungen dieser „Verordnungspreise" stets parallel anpassen müssen.
Solche Bewegungen der Richtund Interventionspreise als Folge von Wechselkursänderungen machen einen weiteren Mangel des praktizierten Agrarsystems deutlich. Um nämlich eine Verbesserung der Arbeitsteilung innerhalb der Gemeinschaft nach Maßgabe der natürlichen Standortvorteile zu erreichen, soll aul jedem gemeinsamen Produktmarkt ein einheitlicher Marktpreis die Steuerungsfunktion ausüben. Formales Kennzeichen dieser Konzeption ist die Europäische Rechnungseinheit. Sie ist eine auf den Agrarmarkt beschränkte verrechnungstechnische Maßgröße, die als Gegenwert von 0, 88867088 Gramm Feingold definiert ist und damit der Goldparität des US-Dollars entspricht
Solange sich die Währungsparitäten der Mitgliedstaaten zueinander nicht ändern, bleibt der Umstand, daß die Agrarpreise nicht in nationalen Währungseinheiten festgesetzt sind, ohne Bedeutung. Ändert jedoch ein Land seine Parität gegenüber den anderen Währungen und damit auch die Relation zur Rechnungseinheit, so muß sich automatisch sein Agrarpreisniveau nach oben oder unten verschieben
Der Agrarmarkt ist also in die Abhängigkeit der Währungspolitik geraten, weil das Konzept der gemeinsamen Agrarpreise einen Integrationsstand voraussetzt, der der Wirklich-keit weit vorauseilt. Seine ihm zugedachte Steuerungsfunktion kann nämlich ein einheitlicher Marktpreis nur dann erfüllen, wenn binnenmarktähnliche Verhältnisse auch in den anderen Sektoren der Volkswirtschaft eine Angleichung der Kostenpreise, der Steuerbelastung, der Geldwertentwicklung usw. ermöglichen und erzwingen.
Nach den jüngsten währungspolitischen Entscheidungen Frankreichs und der Bundesrepublik hat sich jene optimistische Hoffnung als Illusion erwiesen, die glaubte, daß mit der engen Verknüpfung von Währungsund Agrarpolitik ein „Sachzwang" geschaffen sei, der die europäische Gesamtintegration vorantreibe. Damit steht die Agrarpolitik vor der Aufgabe, ihre Grundsätze neu zu überdenken. Sie muß sich für eine noch nicht abschätzbare Zeitspanne darauf einrichten, daß die Binnen-werte der Mitgliedswährungen sich in unterschiedlichem Maße entwickeln und daher Wechselkursänderungen nicht ausgeschlossen sind. Sie muß prüfen, ob die Hauptelemente dieses Agrarmarktes, die im wesentlichen für die Periode nach der Übergangszeit entworfen wurden, auch dann noch als sinnvoll zu rechtfertigen sind, wenn die Übergangszeit auf absehbare Zeit zum Dauerzustand wird.
Frankreich hat sich zwar aus dem Gemeinsamen Agrarmarkt für eine Übergangszeit her-ausgelöst, andererseits aber die Absicht bekundet, innerhalb von zwei Jahren die französischen Agrarpreise an das Gemeinschaftsniveau anzugleichen.
Die Bundesrepublik ist zu einer ihrem Aufwertungssatz entsprechenden Preissenkung bereit und hat Maßnahmen zum direkten Ausgleich der dadurch geschmälerten landwirtschaftlichen Einkommen beschlossen. Ob diese Zahlungen zur Dauereinrichtung werden oder ob sich die Brüsseler Forderung nach einem stufenweisen Abbau dieser Transfers (oder zumindest nach einer Umwandlung in Struktur-hilfen) durchsetzt, ist noch ungewiß. Immerhin deuten alle Absichtserklärungen darauf hin, daß eine starke politische Präferenz für eine Beibehaltung der Rechnungseinheit besteht. Es stellt sich daher die Frage, ob beim gegenwärtigen Stand der Integration die Fortdauer der Rechnungseinheit aus agrarpolitischer Sicht zu rechtfertigen ist. Die Untersuchung soll sich dabei zunächst auf das Problem beschränken, inwieweit globale Ande-rungen des Agrarpreisniveaus
Da die Vorstellungen über das, was als primäre Zielsetzung der praktischen Agrarpolitik anzusehen sei, sehr divergieren, sollen als wichtigste Ziele folgende drei berücksichtigt werden: 1. die reale Einkommensteigerung, 2. die Herstellung und Erhaltung des Marktgleichgewichtes (Ausgleich von Angebot und Nachfrage), 3. die Verbesserung der Betriebsgrößenstruktur. Dabei wird nicht verkannt, daß diese Zielsetzungen aus agrarwissenschaftlicher Sicht weder vollständig
Preispolitische Maßnahmen berühren immer alle drei Zielsetzungen zugleich. Eine Beurteilung dieser Maßnahmen hängt also von der jeweiligen Gewichtung der Ziele ab. Für diese Untersuchung mag der allgemeine Bewertungsgrundsatz ausreichen, daß solche Maßnahmen agrarpolitisch als ungeeignet anzusehen sind, die direkt gegen eine Zielsetzung verstoßen, ohne gleichzeitig ein anderes Ziel eindeutig zu fördern.
III. Agrarpolitische Auswirkungen einer Währungsaufwertung
Wertet ein Land seine Währung auf, so müssen nach den geltenden Bestimmungen alle Agrarpreise, die in Rechnungseinheiten festgelegt sind, in Inlandwährung ausgedrückt um den entsprechenden Prozentsatz gesenkt werden. Diese zunächst nominale Veränderung senkt das reale Agrarpreisniveau
Den Einfluß des Interessenstandpunktes auf die Auswahl der anzuwendenden Berech-nungsmethoden demonstriert die Abweichung der ermittelten Werte voneinander; erwartungsgemäß veranschlagten die Verbraucher-organisationen den Verlust mit 130 Mill. DM am niedrigsten, während die Bauernverbände annähernd das Doppelte, nämlich 250 Mill. DM, angaben. Die politische „Wahrheit" liegt erneut in der Mitte: Alle Beteiligten scheinen sich auf einen Betrag von 200 Mill. DM pro 1 °/o Aufwertung „geeinigt" zu haben.
Wichtiger noch als die Abnahme der globalen Erlössumme ist der Einfluß der Preissenkung auf die Pro-Kopf-Einkommen in der Landwirtschaft. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß der Prozentsatz der Aufwertung nur über die Abnahme des sogenannten „reduzierten Betriebs-25 ertrages" Auskunft geben kann, also der Gesamtsumme, die für Abschreibungen, Unterhaltsaufwendungen für Gebäude, Maschinen und Geräte, allgemeine Wirtschaftsausgaben, Betriebssteuern sowie die Entlohnung der Produktionsfaktoren (Betriebseinkommen) zur Verfügung steht.
Im Durchschnitt der Wirtschaftsjahre 1962/63 bis 1966/67 betrug der „reduzierte Betriebsertrag" in der Bundesrepublik
Da eine Agrarpreissenkung den Aufwand für Abschreibungen, Unterhaltskosten, allgemeine Wirtschaftsausgaben und Betriebssteuern nur wenig oder überhaupt nicht verringert, wirkt sich der Rückgang des „reduzierten Betriebsertrages" verstärkt auf das Betriebseinkommen aus. Nach Berechnungen von Wein-schenck und Meinhold hätte eine Agrarpreissenkung um 10 v. H. die Betriebseinkommen auf der Basis der Produktions-und Aufwendungsvolumina von 1966/67 um 20— 30 v. H. vermindert
Auch eine Kompensation des primären Entzugseffektes dadurch, daß die Preissenkung eine verstärkte Nachfrage und damit unter Umständen eine Erhöhung des Umsatzes hervorruft, erscheint wenig wahrscheinlich angesichts der relativ starren Nachfrage nach Nahrungsmitteln. Außerdem muß realistischerweise damit gerechnet werden, daß höchstens ein Teil der Preissenkung die Verbraucher auch wirklich erreicht.
So ergibt sich also — zumindest kurzfristig — ein Konflikt mit der Zielsetzung der realen Einkommenssteigerung. Es wäre jedoch denkbar, daß man das Ziel des Marktgleichgewichtes als vorrangig ansieht und die Einkommensminderung als ein notwendiges Mittel betrachtet, um den Angebotsdruck auf den europäischen Agrarmärkten zu mindern. 2. Angebotsdrosselung durch allgemeine Agrarpreissenkung?
Deutet man strukturelle Überschüsse als Symptome eines „zu hohen" Agrarpreisniveaus, dann könnte in der Tat eine Preissenkung als geeignetes Mittel zur Herstellung des Marktgleichgewichtes gelten. Es wird jedoch hierbei ein Funktionszusammenhang zwischen Preisniveau und mengenmäßiger Gesamterzeugung unterstellt, der wahrscheinlich in seiner Wirksamkeit überschätzt wird.
Im Rahmen der Nutzungsdauer vorhandener Kapazitäten ist die Mengenreduktion als Folge gesunkener Realpreise wohl als sehr gering anzusehen. Da in der Landwirtschaft „die Grenzkosten der Ausnutzung vorhandener Kapazitäten . . , unter dem Einfluß technischer Fortschritte erheblich unter die Durchschnitts-kosten der landwirtschaftlichen Produktion gesunken [sind]
Um einen solchen Einkommensrückgang abzuwenden, wäre sogar ein Verhalten denkbar, das in der Literatur nicht sehr-treffend als „anomal" bezeichnet wird. Besser wäre es wohl, von „hauswirtschaftlichem" Verhalten zu sprechen, wenn bei sinkendem Realeinkommen nicht weniger, sondern mehr erzeugt wird, um das bestehende Anspruchsniveau weiterhin befriedigen zu können. Eine solche Reaktion unterstellt auch der Vizepräsident der EWG-Kommission, Mansholt, der die Untauglichkeit des preispolitischen Instrumentariums zum Zwecke der Marktregelung auf die „schlechte Agrarstruktur" zurückführt: „ 80% von den Betrieben sind so klein, daß man produzieren muß, um ein sehr niedriges Einkommen noch aufrechtzuerhalten. Eine kleine Preisherabsetzung in der Milch wird also einen Anreiz geben, mehr Milch zu produzieren, um sein Einkommen aufrechtzuerhalten."
Ob diese Verhaltensweise die unterstellte große volkswirtschaftliche Bedeutung tatsächlich noch besitzt, erscheint sehr zweifelhaft, zumal diese Tendenz sich in erster Linie auf Kleinbetriebe beziehen müßte, deren geringes Einkommen eine weitere Komprimierung nicht zuläßt. Gerade in diesen Betriebsgrößen ist aber die Technisierung im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten meist bereits erfolgt und die vorhandene Arbeitskapazität ohnehin völlig ausgelastet, so daß gar kein Spielraum für eine Produktionssteigerung vorhanden ist.
Innerhalb der bestehenden Kapazitäten ist also eine wesentliche Verringerung der landwirtschaftlichen Erzeugung nicht zu erwarten. Diese Ansicht wird offensichtlich auch dem EWG-Memorandum zur Reform der Landwirtschaft („Mansholt-Plan") zugrunde gelegt, in dem es einleitend zum Problem der intensiv wirtschaftenden Kleinbetriebe heißt: „Eine Anpassung an die Marktbedingungen, selbst wenn sie von den Landwirten als erforderlich erkannt ist, kann von diesen Betrieben daher nicht erwartet werden. Diese Betriebe sind gezwungen, soviel zu produzieren, wie sie unter Ausnutzung des technischen Fortschritts vermögen, ohne daß es ihnen möglich wäre, den Marktfaktoren ausreichend Rechnung zu tragen."
Eine abweichende Verhaltensweise könnte nur bei größeren Betrieben auftreten, die eine Buchführung besitzen und daher in der Lage sind, ihre Durchschnittskosten wenigstens annäherungsweise zu ermitteln. Man muß aber bedenken, daß es sich hierbei meist um Betriebe mit einer relativ günstigeren Kostenstruktur handelt, so daß in der Regel die Durchschnittskosten unter den Absatzpreisen liegen. Im Bereich noch sinkender Durchschnittskosten wird daher auch hier die Produktion nicht eingeschränkt. Lediglich diejenigen buchführenden Betriebe, die ihre Durchschnittskosten plötzlich nicht mehr vergütet erhalten, könnten zu einer betriebswirtschaftlichen Reaktion veranlaßt werden,
Die bisherigen Überlegungen beziehen sich jedoch nur auf die Produktionsentscheidungen landwirtschaftlicher Anbieter im Rahmen vorhandener Kapazitäten. Daneben sind aber jene Fälle zu berücksichtigen, in denen Betriebe ganz aufgegeben werden, sei es, daß die Betriebsinhaber weitere Einkommenseinbußen nicht hinnehmen wollen oder ganz allgemein eine nicht-landwirtschaftliche Tätigkeit vorziehen, sei es, weil Grenzbetriebe weder die Möglichkeit haben, auf Einkommen zu verzichten, noch durch Rationalisierung eine höhere Einkommensstufe erreichen können.
Es wäre aber nun falsch, diese ausscheidenden Betriebe isoliert zu betrachten. Vielmehr entscheidet über die gesamtwirtschaftliche Auswirkung dieser Abwanderung die weitere Verwendung der Produktionsfaktoren, also die weitere Nutzung des Boden-, Gebäude-und Maschinenkapitals. Es kann angenommen werden, daß verfügbare Nutzflächen nur dann aus der Produktion endgültig ausscheiden, wenn ihr Flächenertrag ohnehin gering war. Die qualitativ besseren Böden dienen dagegen in der Regel nach Verkauf oder auf Pachtbasis der Rationalisierung bestehender Betriebe. Entweder soll dadurch eine bessere Auslastung vorhandener Kapazitäten ermöglicht werden oder aber es kommt zu einer völligen organisatorisch-technischen Neugestaltung.
Wie das Gesamtangebot dadurch beeinflußt wird, hängt im wesentlichen von der Bewirtschaftungsintensität
Bei der bodengebundenen Grundproduktion kann also mit einer gewissen Mengenreduzierung gerechnet werden, soweit es zu einer tatsächlichen „Flächenstillegung" kommt. Für die landwirtschaftliche Gesamterzeugung gilt dieses Ergebnis aber nur, solange die Produktion im Bereich der Veredelung nicht expandiert. Gewiß haben sinkende Realpreise auch hier zur Folge, daß Grenzbetriebe die Erzeugung einstellen. Es ist aber ebenso zu berücksichtigen, daß durch den Preisdruck bei den Betrieben, die fortbestehen wollen, Rationalisierungen erzwungen werden, die ohne den Preisdruck erst später erfolgt wären. Je mehr sich diese Betriebsleiter bei ihren Investitionsentscheidungen nach dem jeweils neuesten Stand der landwirtschaftlichen Betriebs-und Organisationstechnik richten, je mehr dabei die Preisorientierung zugunsten der technischen Optimierung zurücktritt, desto weniger fallen die Veredelungsbetriebe ins Gewicht, die ihre Erzeugung wirklich einstellen.
Die gegenwärtigen Reformbestrebungen auf den Gebieten des Agrarund Gesellschaftsrechtes, des landwirtschaftlichen Kreditwesens und die herrschenden Grundsätze der staatlichen Agrarstrukturpolitik lassen erwarten, daß in Zukunft die Finanzierung von Betriebs-erweiterungen zunehmend erleichtert wird. Um so weniger wird aber die Realpreissenkung geeignet sein, das Ziel des Marktgleichgewichtes wesentlich zu fördern.
Ausdrücklich sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Ablehnung von globalen Agrarpreissenkungen durchaus vereinbar ist mit der Befürwortung von Änderungen der Preisrelationen, die auch Preissenkungen einschließen. Der Erfolg einer Kombination von Preissenkung und Preiserhöhung mit dem Ziel der Uberschußreduzierung ist um so eher gegeben, je leichter die betriebstechnische Verlagerung des Produktionsschwerpunktes für die betroffenen Betriebe ist. 3. Senkung des Agrarpreisniveaus und Strukturwandel Betrachtet man die Verbesserung der Agrarstruktur entweder als ein selbständiges Ziel oder aber als einziges Mittel zur langfristigen Einkommenssicherung, so könnte eine allgemeine Agrarpreissenkung geeignet erscheinen, dieser Zielsetzung dienlich zu sein. Man könnte sich vorstellen, daß die Kürzung aller Erlöse die Betriebsüberschüsse relativ um so mehr vermindert, je weniger Einkommen pro Arbeitskraft bisher erzielt werden konnten. Damit würden alle wirtschaftlich unterdurchschnittlichen Betriebe relativ stärker betroffen und damit wahrscheinlich auch eher zur Abwanderung aus der Landwirtschaft gezwungen.
Zweifellos trifft diese Annahme für die bereits erwähnten Grenzbetriebe zu, deren Einkommen nicht mehr komprimierbar sind, und die auch keine wirtschaftlich vertretbaren Rationalisierungsmöglichkeiten mehr haben, um ihre Kosten entsprechend zu senken.
Dieser marginalen Gruppe steht aber die große Zahl der Betriebe gegenüber, die höhere Betriebsüberschüsse aufweisen als zur Bestreitung der notwendigen laufenden Kosten unbedingt notwendig ist. Im Rahmen einer organischen Strukturwandlung werden gerade diese Mittel dringend benötigt, um wenigstens den größten Teil jener Kosten abzudecken, die mit der Umschulung, also mit der Aufnahme eines neuen oder zusätzlichen Berufes, vor allem aber mit der nicht-landwirtschaftlichen Ausbildung der nachfolgenden Generation anfallen.
Dieser Spielraum der eigenfinanzierten Umstellung wird aber in der großen Gruppe der Klein-und Mittelbetriebe vermindert, ohne daß ein positiver Struktureffekt von gleichem Maße sichtbar wäre. Gewiß ist es möglich, daß das sehr einschneidende Signal der Preissenkung eine Anzahl von Betrieben zur sofortigen Aufgabe veranlaßt, aber es erscheint höchst fraglich, ob die Abwanderung aus der Landwirtschaft ohne eine gualifizierte Ausbildung in einer Zeit, in der die Qualitätsansprüche an den Faktor Arbeit ständig steigen, als wünschenswert anzusehen ist.
Ein weiterer Aspekt, der gegen die allgemeine Preissenkung als Mittel der Strukturpolitik spricht, betrifft die größeren Betriebe. Wenn Untersuchungen zutreffend sind, nach denen der Anteil der Barausgaben an den Betriebs-einnahmen mit zunehmender Betriegsgröße stark ansteigt
Darüber hinaus stellt sich die grundsätzliche Frage, ob eine Peissenkung als Mittel der Strukturpokitik mit den sozialen Prinzipien unserer Wirtschaftsund Gesellschaftsordnung vereinbar ist. Diese Konzeption scheint dort gestört, wo der ohnehin wachsende Druck ungleicher Einkommen durch staatliche Maßnahmen plötzlich verstärkt wird. Abrupte und von sozialen Spannungen begleitete Struktur-verwerfungen sind nur dann zu vermeiden, wenn durch eine gezielte und mit den anderen volkswirtschaftlichen Bereichen abgestimmte regionale Wirtschafts-und Strukturpolitik die Sogwirkung vergrößert wird, die von der Schaffung neuer, nahegelegener Arbeitsplätze außerhalb der Landwirtschaft ausgeht.
IV. Agrarpolitische Auswirkungen einer Währungsabwertung
Die agrarpolitischen Konsequenzen, die sich aus dem Festhalten an der gemeinsamen Rechnungseinheit bei nicht-koordinierter Wirtschafts-und Währungspolitik ergeben können, sind natürlich auch für den Fall zu untersuchen, daß ein Land seine Währung abwertet. Bleibt die Rechnungseinheit an die Dollar-parität gebunden, so müssen die Agrarpreise im Abwertungsland um den Prozentsatz ansteigen, um den sich der Inlandswert der Landeswährung gegenüber der Rechnungseinheit verringert.
Umgekehrt könnte sich eine Erhöhung des Agrarpreisniveaus auch dann ergeben, wenn zwar die Landeswährung nicht abgewertet, dafür aber die Rechnungseinheit durch die EWG-Organe aufgewertet wird. Einen solchen Vorschlag machen Weinschenck und Meinhold im Zusammenhang mit dem Problem, wie die agrarpolitisch negativen Folgen der deutschen Aufwertung vermieden werden könnten, ohne zusätzliche Ausgleichsmaßnahmen ergreifen zu müssen. Als Begründung dient folgende Überlegung: Soweit die wichtigsten Agrarpreise durch staatlichen Einfluß fixiert sind, führt ein Anstieg der Preise für Industrieerzeugnisse und Dienstleistungen zu einer Senkung des realen Agrarpreisniveaus. Wenn daher Wechselkursänderungen mit dem Zweck vorgenommen werden, außenwirtschaftliche Un-gleichgewichte als Folge unterschiedlicher nationaler Preisentwicklungen zu beseitigen, dann ist es „sinnvoll, bei der Neufestsetzung der Verrechnungsrelation die Relationen zwischen der Rechnungseinheit und der aufgewerteten Währung konstant zu halten und die Relationen zwischen der Rechnungseinheit und den übrigen Währungen neu festzusetzen". „Die Veränderung der Relationen zwischen den nicht-aufgewerteten bzw. abgewerteten Währungen und der Rechnungseinheit bedeutet in diesem Fall lediglich eine Kompensation des relativen Zurückbleibens der Agrarpreise in den entspreichenden Ländern."
Dieser Vorschlag ist aber nicht nur aus agrarpolitischer Sicht problematisch. Schwierigkeiten entstehen nämlich schon dadurch, daß in der Gemeinschaft die Inflationsraten differieren; eine Aufwertung der Rechnungseinheit um einen bestimmten Prozentsatz wird dieser Unterschiedlichkeit kaum gerecht.
Weiterhin berücksichtigt das Konzept nicht die unterschiedliche Größe der Volkswirtschaften. Die Aufwertung der Währung eines wirtschaftlich kleinen Landes wird es kaum rechtfertigen, fast das gesamte Agrarpreisniveau der Gemeinschaft anzuheben.
Schließlich ergibt sich ein immanenter Widerspruch aus der Vorstellung, daß die währungs-und agrarpolitische Solidarität der Länder mit relativ hohen Inflationsraten sich stärker erweisen soll als die Logik einer Anti-Inflations-politik, die sich zum Ziele setzen muß, Preis-erhöhungen soweit wie möglich zu verhindern. Wenn man nämlich annimmt, daß die in unterschiedlichem Maße inflationierenden Länder bereit seien, die währungspolitische Entscheidung eines Mitgliedstaates, wie z. B. die deutsche Aufwertung, mit einer spürbaren und spektakulären Erhöhung aller Nahrungsmittelpreise zu honorieren, dann setzt das ein solches Maß an internationaler Kooperationsbereitschaft und gegenseitiger Abstimmungsfähigkeit voraus, daß eine Änderung der Währungsparitäten eigentlich gar nicht notwendig werden sollte.
Ob die Rechnungseinheit auf-oder die Landes-währung abgewertet wird, hat für den Agrarsektor auf längere Sicht gewiß einen unterschiedlichen Einfluß. Da allerdings nicht anzunehmen ist, daß sich die Auswirkungen einer globalen Erhöhung der Agrarpreise auf die agrarpolitischen Ziele durch eine Verschiebung des realen Agrarpreisniveaus im Ausland, durch eine Veränderung der relativen Wettbewerbsposition der Exportindustrie und der Preisrelation gegenüber Importgütern gravierend ändern, soll zwischen beiden Fällen nicht weiter unterschieden werden. Zweckmäßigerweise wird also nur berücksichtigt, daß das Agrarpreisniveau sich spürbar nach oben verschiebt. 1. Preiserhöhungen als Mitte! der Einkommenssteigerung Eine Anhebung aller Agrarpreise könnte geeignet sein, den Einkommensrückstand der Landwirtschaft zu verringern und wäre damit dem Einkommensziel direkt förderlich. Ein Erfolg erscheint um so wahrscheinlicher, als die Nachfrage nach Nahrungsmitteln bekanntermaßen ziemlich starr ist und daher nicht mit großen Marktwiderständen von der Nachtrageseite bei der Durchsetzung höherer Preise gerechnet werden muß
Wie bereits erwähnt, haben Schätzungen ergeben, daß eine Anhebung des Preisniveaus um 10 v. H. das Betriebseinkommen pro Arbeitskraft um 25— 30 v. H. steigern würde.
Inwieweit diese Zunahme des Einkommens real aufrechterhalten werden kann, hängt neben der Entwicklung des mengenmäßigen Angebots vom Verhalten der übrigen Preise in der Volkswirtschaft und damit von einer Fülle von Faktoren ab, von denen der Anteil der Nahrungsmittelausgaben am Einkommen, der Einfluß der Tarifpartner und die konjunktu-relle Situation die wichtigsten sind. Diese Faktoren nämlich stecken den Spielraum ab, innerhalb dessen die Erhöhung der Lebensmittel-preise neue Lohn-und Gehaltssteigerungen auslöst, die sich schließlich auch auf das volkswirtschaftliche Preisniveau auswirken und d
Inwieweit diese Zunahme des Einkommens real aufrechterhalten werden kann, hängt neben der Entwicklung des mengenmäßigen Angebots vom Verhalten der übrigen Preise in der Volkswirtschaft und damit von einer Fülle von Faktoren ab, von denen der Anteil der Nahrungsmittelausgaben am Einkommen, der Einfluß der Tarifpartner und die konjunktu-relle Situation die wichtigsten sind. Diese Faktoren nämlich stecken den Spielraum ab, innerhalb dessen die Erhöhung der Lebensmittel-preise neue Lohn-und Gehaltssteigerungen auslöst, die sich schließlich auch auf das volkswirtschaftliche Preisniveau auswirken und damit die landwirtschaftlichen Einkommen von der Kostenseite her wieder schmälern. Dieser Bumerang-Effekt der Kostenüberwälzung tritt um so sicherer ein, je weniger die beteiligten Gruppen Anlaß haben, das eigene Verhalten als mitverursachenden Faktor der Agrarpreiserhöhung anzusehen 29). Eine autonome, nämlich auf währungspolitische Entscheidungen zurückzuführende Agrarpreiserhöhung vermehrt daher die Wahrscheinlichkeit, daß das zuvor erhöhte Realeinkommensniveau wieder absinkt.
Davon abgesehen würde sich aber auch bei annähernd stabilem Geldwert die reale Einkommenslage in der Landwirtschaft in dem Maße verschlechtern, in dem das allgemeine Wachstum der Volkswirtschaft die absoluten, durchschnittlichen Einkommensansprüche nach oben schraubt 30).
Eine abrupte, nominale Einkommenserhöhung könnte also nur dann die realen Einkommen nachhaltig auf dem erhöhten Niveau sichern, wenn es gelingt, die einkommensenkende Tendenz (real) der allgemeinen Preisentwicklung und des Wachstums zu kompensieren. Damit stellt sich die Frage des Marktgleichgewichtes ebenso wie das Problem der landwirtschaftlichen Betriebsstruktur. 2. Verstärkung des Marktungleichgewichtes Ein Ansteigen der Erzeugerpreise ist bei „normaler" Reaktion der Betriebsleiter mit einer Zunahme der erzeugten Menge verbunden. Bei einer relativ starren Nachfrage erwächst hieraus die Gefahr, daß Mengen angeboten werden, die sich bei fixierten Preisen nicht absetzen lassen und daher zum Zweck der Preisstützung von öffentlichen Stellen mit hohem finanziellen Aufwand aus dem Markt genommen werden müssen.
Untersuchungen, die über die globale Angebotselastizität
Selbst wenn damit nur die Größenordnung abgeschätzt werden soll, „da die Preiselastizität des Angebotes von landwirtschaftlichen Erzeugnissen sich einer genaueren Berechnung entzieht"
Von entscheidender Bedeutung ist dabei der betrachtete Reaktionszeitraum. Zwar kann das sofort verfügbare Angebot kaum erhöht werden, aber schon nach einer Produktionsperiode nimmt die Elastizität zu. „Auf längere Sicht ist die Möglichkeit der Ausdehnung der Produktion ... im allgemeinen noch erheblich größer, weil hierfür auch größere Investitionen und tiefergreifende Änderungen der Betriebsorganisation vorgenommen werden können"
Zu berücksichtigen ist ferner, daß die in allen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft betriebene Agrarstrukturpolitik den angebotserhöhenden Effekt gestiegener Agrarpreise tendenziell verstärkt. Die Bereitschaft, auf höhere Agrarpreise betriebswirtschaftlich, nämlich mit einer Produktionsausweitung zu reagieren, wird durch die finanzielle Förderung bestimmter Betriebsgrößenklassen durch den Staat im allgemeinen erhöht, ohne daß die Agrarstrukturpolitik gleichzeitig die Produktionssteigerung in den Bereichen abschwächen könnte, die als nicht-förderungswürdig gelten.
Ein weiterer wichtiger Aspekt betrifft die Zunahme der Produktivität durch vermehrten Kapitaleinsatz in Form von neuen Maschinen und mehr Düngemitteln. Es ist einleuchtend, daß eine gegebene Steigerung der Absatzpreise vor allem dort zu einer Zunahme des Kapitalseinsatzes führt, wo die Ertragssteigerung pro Kapitaleinheit relativ groß ist. Für den Bereich der Europäischen Gemeinschaft ist aber festzustellen, daß gerade das Land abgewertet hat und weiterhin „abwertungsverdächtig" bleibt, welches bei vermehrtem Kapitaleinsatz die größten Produktionsreserven aufweist.
Es sprechen also einige Gründe dafür, daß bei einer Erhöhung des Agrarpreisniveaus das Angebot expansiv reagiert. Theoretisch besteht bei mehrmaliger Abwertung sogar die Gefahr, daß das Produktionsvolumen regelrecht „aufgepumpt" wird, weil bei jeder allmählichen Realpreissenkung die Erzeugungsmenge kaum eingeschränkt, nach der spürbaren Preiserhöhung dagegen stets kräftig ausgeweitet wird.
Beim gegenwärtigen Stand der Selbstversorgung in Europa kann eine einmalige Anhebung der Agrarpreise die Störung des Markt-gleichgewichtes nur verstärken. Dadurch werden aber Gegenmaßnahmen der staatlichen Agrarpolitik geradezu herausgefordert, die bei der geringen Wirksamkeit von Preissenkungen die Angebotsmengen direkt beschränken müssen
Eine Erhöhung der Realeinkommen und die dadurch verbesserte betriebliche Liquidität kann die wegen der damit verbundenen hohen Verschuldung für den einzelnen Betriebsleiter nicht leicht die Entscheidung begünstigen, das Wagnis der betrieblichen Umstellung, der Aus-siedlung und Aufstockung auf sich zu nehmen. Die Befürchtung ist allerdings nicht von der Hand zu weisen, daß der plötzlich anfallende Betriebsüberschuß unter Umständen allzu optimistische Erwartungen weckt, die eine realistische Einschätzung der eigenen finanziellen Leistungsfähigkeit bei der Übernahme langfristiger Zins-und Tilgungsverpflichtungen verhindern. Andererseits wiederum bietet gerade eine größere Liquidität der Betriebe die Möglichkeit, durch die Erhöhung des Eigen-kapitalanteils, soweit dies bei agrarstrukturellen Maßnahmen in Frage kommt, einer steigenden durchschnittlichen Verschuldung entgegenzuwirken. Ob eine stärkere Selbstbeteiligung erreicht werden kann, ist natürlich nicht nur eine Frage der staatlichen Gesetzgebung, sondern hängt vor allem davon ab, wie schnell das Realeinkommen wieder absinkt und ob eine ausreichende Kapitalbildung in der Zwischenzeit überhaupt möglich ist.
Wichtiger noch sind aber die Auswirkungen auf jene Betriebe, für die sich zur Zeit die Frage einer tiefgreifenden betrieblichen Umstrukturierung im landwirtschaftlichen Bereich gar nicht stellt. Das sind einmal die auf die Dauer lebensfähigen, größeren Betriebe, die sich aus eigener Kraft fortentwickeln können. Weitaus größer aber ist die Gruppe derer, die aus vielerlei Gründen nicht in der Lage sind, die strukturelle Anpassung rein landwirtschaftlich zu vollziehen, sondern in irgendeiner Form im nichtlandwirtschaftlichen Bereich Fuß fassen bzw. ganz aus der Landwirtschaft abwandern müssen.
Bei der ersten Gruppe kann die Preiserhöhung wie ein „Vitaminstoß" wirken. Der plötzliche Betriebsüberschuß könnte beispielsweise zur Schuldentilgung verwendet werden und mit der Verringerung der langfristigen Finanz-belastung die Anfälligkeit des Betriebes vermindern.
Bei der großen Zahl der auf die Dauer als Vollerwerbsbetriebe nicht lebensfähigen kleineren Hofstellen erhöht sich das Einkommen nominal beträchtlich. Dadurch könnten wiederum falsche Erwartungen geweckt werden, die dazu führen, daß notwendige Entscheidungen hinausgeschoben und dann später — nach weiterem Absinken des Realeinkommens — nur unter erschwerten Bedingungen durchgeführt werden können. Gerade bei Kleinbetrieben ist die Gefahr am größten, daß statt der langfristigen realen die kurzfristigen nominalen Preisbewegungen zur Grundlage der Zukunftsentscheidung herangezogen werden.
Die Verzögerung solcher Maßnahmen verhindert aber, daß die in ertragsschwachen Betrieben Tätigen den Anschluß an die Einkommens-entwicklung der Volkswirtschaft erreichen, die meist nur im außerlandwirtschaftlichen Bereich möglich ist. Bei gegebener Aufnahmefähigkeit der Märkte verhindert die fortdauernde Belieferung durch Kleinbetriebe indirekt aber auch die rationellere Auslastung der Produktionskapazitäten größerer und leistungsfähigerer Betriebe oder muß zu entsprechenden Interventionsaufwendungen des Staates führen. Eine Preisanhebung scheint also nicht nur durch die Weckung unrealistischer Realpreisvorstellungen den Anpassungsprozeß zu verlangsamen, sondern sie schafft unmittelbaren Anlaß für Fehlinvestitionen und trägt damit dazu bei, das Vertrauen in die staatliche Agrarpolitik, ohne das ein organischer Strukturwandel nicht möglich ist, zu erschüttern.
V. Alternativen einer Krisentherapie
Das Konzept der gemeinsamen europäischen Agrarpreise ist materiell gesehen an den unterschiedlichen Wachstums-und Inflationsraten der EWG-Mitgliedstaaten gescheitert. Auch seine ihm zuweilen zugedachte integrative Funktion konnte das System nicht erfüllen. Darüber hinaus setzt es währungspolitische Entscheidungen in agrarwirtschaftliche Wirkungen um, die sich teilweise gegen die Zielsetzungen der Agrarpolitik richten und dazu beitragen, bereits erzielte Erfolge zu gefährden bzw. bestehende Probleme noch zu verschärfen.
Die beschlossenen Ausgleichsmaßnahmen offenbaren erst recht das Dilemma einer solchen Politik. Um die Fiktion der gemeinsamen Agrarpreise wenigstens formell aufrechterhalten zu können, ist man bereit, eine beträchtliche Vergrößerung der realen Preisunterschiede in Kauf zu nehmen, wie sie durch die Sondermaßnahmen hervorgerufen werden. Um den Schein der gemeinschaftlichen Preispolitik zu wahren, schafft man durch die Ausgleichs-regelungen sogar zwei verschiedene Agrarsysteme innerhalb der Europäischen Gemeinschaft: Während nämlich die Abwertungsländer — z. B. Frankreich — ihre Hochpreissysteme mit gehobenem nominalen Preisniveau erhalten, entsteht in den Aufwertungsländern — z. B.der Bundesrepublik — ein System, das mit seinen direkten Einkommenssubventionen den englischen „deficiency payments" angenähert ist. Die Konsequenzen eines derartigen Nebeneinanders verschiedener Systeme bedürfen einer näheren Analyse, als an dieser Stelle möglich ist. Immerhin scheint dieser Dualismus geeignet, das bereits bestehende Ungleichgewicht zwischen der Verursachung der Über-schüsse und Verteilung der finanziellen Lasten zu verstärken, falls die augenblicklichen Regelungen beibehalten werden.
Der dargestellte Konflikt zwischen Währungsund Agrarpolitik ist im Grunde genommen die Folge eines durch Überschüsse „umfunktionier-ten" Richt-und Interventionspreissystems
Dabei wird aber übersehen, daß eine solche Abschirmung nur für eine begrenzte Dauer möglich ist, wenn die öffentlichen Mittel beschränkt und die Erzeuger in ihren Produktionsentscheidungen frei sind.
Dementsprechend wird das bestehende System auch immer mehr in Frage gestellt
Diese Form der organisierten Unsicherheit schadet einer an langfristigen Zielen ausgerichteten Agrarstrukturpolitik ebenso wie die mangelnde Selbständigkeit der Agrarmärkte gegenüber währungspolitischen Entscheidungen, die erst durch die Überschüsse in voller Schärfe zutage tritt
Auswege aus dieser Sackgasse der europäischen Agrarpolitik sind in verschiedener Richtung denkbar.
Der erste und häufigste Voschlag läuft auf eine „positive Frontbegradigung" (Weinstock) hinaus, das heißt auf einen Abbau des Integrationsrückstandes aller nicht-landwirtschaftlichen Bereiche. Allerdings stellt sich dann doch die Frage, warum es denn bisher nicht gelungen ist, eine gemeinsame Währungsund Konjunkturpolitik aufzubauen. Außerdem ist zu bedenken, daß das Überschußproblem dadurch nicht gelöst wird. Man läuft also Gefahr, mit viel Aufwand die Funktionsbedin-gungen eines Systems zu sichern, das sich aus anderen Gründen als höchst korrekturbedürftig erweist. Sinnvoller ist es wahrscheinlich, wenn alle an der Agrarpolitik beteiligten Gruppen die vorhandenen Kräfte auf die Entwicklung einer neuen Agrarkonzeption konzentrieren, die den Agrarmarkt insgesamt flexibler macht und die geeignet erscheint, die anstehenden Probleme einer Lösung näher zu bringen.
Ziel einer Neugestaltung der europäischen Agrarmärkte muß es also sein, mit der Verstärkung der marktwirtschaftlichen Elemente die kostspieligen Illusionen abzubauen, die für die Fehlentwicklungen verantwortlich sind, sowie die Selbständigkeit des Agrarmarktes gegenüber währungspolitischen Entscheidungen zu erhöhen.
Diesen Zielvorstellungen scheinen die Grundprinzipien des englischen Agrarsystems gerecht zu werden; Vorschläge, die eine Übernahme in modifizierter Form für die EWG empfehlen, sind bereits gemacht worden
Bei einer Übertragung dieses Systems auf die EWG könnten die direkten Einkommenszahlungen zentral aus dem Agrarfonds der Gemeinschaft gezahlt werden. Um zu gewährleisten, daß dieser Teil der landwirtschaftlichen Einkommen währungspolitischen Einflüssen entzogen ist, müßten die Transferzahlungen in nationalen Währungseinheiten festgelegt sein. Wechselkursänderungen hätten somit nur noch Auswirkungen auf die Markt-einkommen.
Die Funktionsweise des englischen Systems bietet also den Vorteil, daß die landwirtschaftlichen Erlöse von wechselkurspolitischen Entscheidungen weniger 'beeinflußt werden. Zudem macht es den finanziellen Aufwand überschaubarer, bringt die Konsumenten in den Genuß niedriger Agrarpreise und vermindert nicht zuletzt die Hindernisse für einen britischen Beitritt zur EWG. Dennoch ist eine Übernahme dieses Systems nicht problemlos.
Im Falle Englands bildet sich der Marktpreis frei auf dem Niveau der Weltmarktpreise, so daß der Anteil der Transfers am Gesamteinkommen relativ groß ist. Die Finanzierung dieser direkten Einkommenszahlungen ist aber nur deshalb möglich, weil die englische Eigenproduktion im Vergleich zum Verbrauch niedrig und der Anteil der in der Landwirtschaft Tätigen an der Gesamtzahl der Erwerbstätigen („Agrarquote") vergleichsweise sehr gering ist. Der hohe Selbstversorgungsgrad der'EWG und die wesentlich größere Agrarquote der Gemeinschaft machen eine völlige Freigabe der Agrarpreise aber schon allein aus finanziellen Gründen unmöglich.
Eine grobe Abschätzung des Preissenkungsspielraumes kann sich aus folgender Überlegung ergeben: Angenommen, der EWG-Agrarfonds werde auf einen Betrag von 20 Mrd. DM aufgestockt und diese Summe stünde ganz für Einkommens-subventionen zur Verfügung, so ließe sich bei voller Selbstversorgung die mögliche Preissenkung als Anteil des Fondsvolumens am Produktionswert der EWG-Landwirtschaft im Jahre vor der Umstellung des Systems ausdrücken. Für 1965 beispielsweise betrug der Produktionswert 118 Mrd. DM
Eine Stabilisierung der Marktpreise auf dem gewünschten Niveau müßte wahrscheinlich wieder durch ein Abschöpfungssystem erfolgen, solange die finanziellen Mittel für eine weitergehende Senkung der EWG-Marktpreise nicht ausreichen. Auf längere Sicht müßte allerdings versucht werden, auch das Einfuhrsystem wieder zu liberalisieren. Der Dirigismus variabler Abschöpfung erscheint aber nur dann vermeidbar, wenn es gelingt, den EWG-Marktpreis an das Preisniveau des Weltmarktes allmählich heranzuführen.
Die conditio sine qua non für die politische Durchsetzbarkeit des englischen Systems ist aber die Lösung des Uberschußproblems. In der nahen Zukunft erscheint diese Bedingung allerdings um so weniger erfüllt, als die landwirtschaftlichen Einkommen bei einem Wechsel des Systems zwischen der Regierung und den Bauernverbänden ausgehandelt würden und daher vermutlich kaum unter dem heutigen Stand liegen dürften. Hält der Angebotsdruck aber an, dann ist eine Stabilisierung des „Marktpreises" nur noch durch ein Absicherungsnetz von Interventionspreisen möglich — ganz wie bisher! Zwar mindert das gesenkte Preisniveau die Interventionskosten, weil beispielsweise bei Exporten in Drittländer die Erstattungsaufwendungen sich verringern, aber dieser Vorteil wiegt die Belastung durch die „deficiency payments" gewiß nicht auf. Die Nachteile des jetzigen Systems blieben also zum Teil erhalten, nur müßten sie teurer bezahlt werden. Wenn es aber weder gelingt, Wechselkursänderungen durch die Verminderung des Integrationsrückstandes der nicht-landwirtschaftlichen Sektoren zu vermeiden, noch in absehbarer Zeit möglich erscheint, der Überschüsse Herr zu werden, die das englische System entweder zu kostspielig oder aber wirkungslos machen, dann muß sich die europäische Agrarpolitik in ihrer theoretischen Konzeption stärker als bisher an der Realität orientieren.
Statt die Fiktion der gemeinsamen Realpreise mühsam zu restaurieren, sollte in diesem Fall der Agrarmarkt auch institutionell auf jenen Integrationsstand zurückgeschraubt werden, der der Wirklichkeit entspricht. Dabei könnte man die Möglichkeit nutzen, die der EWG-Vertrag in Art. 40 bietet, wo er als mögliche Organisationsform der Märkte die „bindende Koordinierung der verschiedenen einzelstaatlichen Marktordnungen" zuläßt.
Diese Lösung muß keineswegs einen Rückschritt darstellen. Wenn nämlich der Wille zur Gemeinsamkeit wirklich vorhanden ist, dann sollten die Mitgliedstaaten ihn auch dann unter Beweis stellen können, wenn die Agrarpreispolitik wieder stärker in die nationale Verantwortung gelegt worden ist. Der ständige Hinweis auf den Geist von Stresa und Messina würde allerdings in die Nähe von politischer Schlangenbeschwörung geraten, sollte der materielle Inhalt gemeinschaftlicher Koordination ganz von der formalen Verantwortung einer Gemeinschaftsinstanz abhängen.
Der Verzicht auf die gemeinsame Rechnungseinheit erscheint als der einzige Ausweg, wenn die mobilisierbaren Kräfte für eine grundlegende politische Neuordnung der Agrarmärkte nicht ausreichen. Der Glaubwürdigkeit der europäischen Politik und ihrer Wirklichkeitsnähe wäre nur gedient, wenn unterschiedliche Agrarpreisniveaus neben anderen Indikatoren als „Integrationspegel" über den gegenwärtigen Stand der Bemühungen um eine gemeinsame Wirtschafts-, Wäh-rungs-und Agrarpolitik Auskunft geben könnten.
VI. Abbau der Überschüsse im Rahmen einer umfassenden Neuordnung des europäischen Agrarmarktes
Der Verzicht auf das Prinzip der gemeinsamen Agrarpreise und die Rückkehr zu nationalen Marktordnungen kann allerdings nur als Übergangslösung angesehen werden, die den Zweck verfolgt, die europäische Agrarpolitik auf den Boden der Realität zurückzuführen. Auf lange Sicht können mögliche Konflikte zwischen Währungs-und Agrarpolitik ohne einen Verzicht auf weitere Fortschritte in der europäischen Integration nur dann vermieden werden, wenn im Rahmen einer Neugestaltung der Agrarmärkte ein ausreichender Handlungsspielraum für eine flexible Agrarpolitik geschaffen wird. Beim gegenwärtigen Stand der Diskussion scheint das englische System in dieser Hinsicht die besten Ansatzpunkte zu bieten.
Langfristig kann sich die Agrarpolitik also nur dann von ihrer Rolle als Zwangsvollstrekkerin der von ihr selbst geschaffenen Wirklichkeit befreien, wenn ihr die Lösung des Überschußproblems gelingt. Die Beseitigung der Überproduktion wird damit zum Schlüssel für die Regelung der wichtigsten agrarpolitischen Probleme.
In der gegenwärtigen Situation stehen hauptsächlich zwei Lösungswege zur Diskussion, die geeignet erscheinen, die bestehenden Über-schüsse zu vermindern.
Die erste Möglichkeit wird in (Real-) Preisabschlägen bzw. Subventionskürzungen verschiedenster Form gesehen. Seltsamerweise wird dies als die marktwirtschaftliche Möglichkeit bezeichnet, obwohl man in diesem Falle doch nur marktwirtschaftliche Reaktionen aller Erzeuger auf rein administrative Preisentscheidungen des Staates meinen kann. Gegen diese Methode richten sich aber zahlreiche Bedenken, da sie — wenn überhaupt in dem erwarteten Ausmaß — erst sehr langfristig wirkt oder aber gleich so rigoros betrieben werden muß, daß sie auf sozialem und strukturellem Gebiet mehr Schaden anrichtet als nützt.
Die zweite Möglichkeit besteht in der direkten Beeinflussung der Produktmenge durch eine behördliche Beschränkung der Anbaufläche oder der Tierzahl. Damit ist aber die Gefahr verbunden, daß entweder die bestehenden Strukturen konserviert werden oder daß sich der Staatsdirigismus bis hinunter zum letzten Hof ausdehnt.
Insgesamt hat die vereinfachende Kategorisierung in „marktwirtschaftliche" Preis-und „dirigistische" Mengenreduktion zur Folge gehabt, daß man erst seit jüngster Zeit Möglichkeiten diskutiert, Mengenregulierungen marktwirtschaftlich durchzuführen. Es wäre also nach einem System zu suchen, das eine Mengenreduktion im Rahmen marktwirtschaftlicher Grundsätze ermöglicht und zudem mit den Zielen der Agrarstrukturpolitik vereinbar ist. Diesen Bedingungen könnte folgender Lösungsvorschlag
Organisatorisch wäre das Verteilungsproblem dadurch zu lösen, daß jeder Landwirt bei Einführung des Systems entsprechend seiner bisherigen jährlichen Produktmenge kostenlos Zertifikate erhält, die beispielsweise auf je 100 kg Milch eines bestimmten Fettgehaltes oder auf 10 dz Weizen einer Standardqualität lauten könnten und ihn berechtigen, die diesen Mengen entsprechende Subvention pro Jahr in Empfang zu nehmen, falls ein entsprechender Umsatz nachgewiesen werden kann. Hierbei ist es eine Frage der Zweckmäßigkeit, ob z. B die Interventionsstellen den Marktpreis Einschließlich der Subvention als Gesamtpreis auszahlen oder ob die Differenz zum Markt-preis gesondert vergütet wird. 2. Der Grundgedanke dieses Lösungsversuches besteht nun darin, daß jeder Garantieschein einen Wert darstellt, der mobilisierbar sein und in Form eines Wertpapiers an einer Spezialbörse („Agrarbörse") gehandelt werden soll. Die Kursbildung erfolgt grundsätzlich frei nach Angebot und Nachfrage und wird von der Agrarbörse in festgelegten Zeitabständen errechnet und veröffentlicht. Eine gewisse Differenz zwischen Ankaufs-und Verkaufskursen könnte die Verwaltungskosten decken und zusätzlich kurzfristige Spekulationen eindämmen.
Da jedes Subventionsrecht an eine bestimmte Erzeugnisart gebunden ist und außerdem entsprechende Verkäufe nachgewiesen werden müssen, um die Einkommenszahlung zu erhalten, werden die Betriebsleiter ihre auf den Namen lautenden Papiere an der Agrarbörse zum Tageskurs anbieten, wenn sie ihren Betrieb verkleinern, ganz stillegen oder in der Produktionsrichtung umstellen wollen. Diese Rechte stehen dann zur Verfügung, um von Betrieben, die aufstocken oder expandieren, zum geltenden Kurs erworben zu werden. 3. Das wichtigste Element dieses Systems besteht aber darin, daß der Staat als Marktpartner an den Agrarbörsen auftreten kann. Solange strukturelle Überschüsse bestehen, kauft er mit Budgetmitteln zum geltenden Kurs Rechte auf, legt sie still und vermindert in deren Ausmaß die Subventionsverpflichtung der öffentlichen Kassen. Außerdem wäre zu prüfen, ob bei Unterschreitung gewisser Mindestkurse von der Regierung Kurspflege betrieben werden soll, um die Gefahr von Baisse-spekulationen auszuschalten. Sollte schließlich einmal der Fall der drohenden Unterversorgung eintreten, dann können vom Staat zusätzliche Garantierechte an der Agrarbörse angeboten werden.
Durch diese Konstruktion ist gewährleistet, daß die Eindämmung der Überschüsse sich nicht auf Kosten des agrarstrukrurellen Wandels vollzieht, während gleichzeitig die unternehmerische Verantwortung der Produzenten stärker in den Vordergrund rückt. Im einzelnen lassen sich die Eigenschaften des vorgeschlagenen Systems folgendermaßen skizzieren: 1. Der Einfluß auf die Gesamterzeugung der Landwirtschaft vollzieht sich in zwei Phasen. Zunächst wird versucht, den Zuwachs der Erzeugung über den heutigen Stand hinaus einzuschränken. Da jeder Landwirt nur seine bisherige Produktion zum Garantiepreis (Markt-preis und Subvention) absetzen kann, muß er bei weiterer Steigerung der Erzeugung entweder Rechte zukauten oder sich für die Zusatzmengen mit dem niedrigen Marktpreis begnügen. Der Bremseffekt hängt dabei von der Relation zwischen Marktpreis und Subvention ab und wird somit um so stärker sein können, je höher der Haushaltstitel veranschlagt ist, der für die Einkommenssubvention zur Verfügung gestellt wird.
Die zweite Phase der Mengenreduktion ergibt sich aus den Aufkäufen des Staates an der Agrarbörse. Je mehr Rechte bei konstanter Produktion stillgelegt werden, desto größer ist der Anteil der Erzeugniseinheiten, die nur den Marktpreis einbringen. Jeder Betriebsleiter, der — ohne weitere Garantierechte finanzieren zu wollen oder zu können — Mengenexpansion betreibt, spürt damit sofort an der eigenen Einkommensentwicklung, daß seine Entscheidungen korrekturbedürftig sind. 2. Der günstige Einfluß auf die Strukturentwicklung ergibt sich dadurch, daß alle Betriebe, die ihre Produktion einstellen oder zumindest einschränken bzw. umstellen, gewissermaßen mit einer Stillegungsprämie bedacht werden, die nur bei öffentlichen Aufkäufen vom Staat, sonst aber von den weiterproduzierenden Betrieben gezahlt wird, die ihre individuellen Absatzmöglichkeiten ja langfristig verbessern können. Diese Prämie ist ein Anreiz zur Verminderung der Produktion und gleichzeitig als Übergangshilfe für ausscheidende Betriebe zu betrachten.
Für die Landwirte, die Garantierechte an der Börse nachfragen, stellt der Zukauf einen zusätzlichen Kostenfaktor dar, der den Reinertrag des Betriebes schmälert. Dafür verbessert sich aber nicht nur die Absatzlage, was in einer Zeit großer Überschüsse als echtes wirtschaftliches Privileg erkannt werden muß, son37 dem es wächst damit auch die Wahrscheinlichkeit, daß die staatliche Agrarpolitik durch wachsenden Angebotsdruck nicht zu einer neuen Kursänderung gezwungen wird, die gerade die größeren Betriebe am härtesten treffen müßte.
Im Gegensatz zur Abschlachtprämie der EWG-Kommission wird also hier nicht der Versuch gemacht, eine Einschränkung der Produktion durch eine gezielte Vergabe von öffentlichen Mitteln zu erreichen, die auf bestimmte Betriebsgrößen beschränkt ist. Auch wird nicht versucht, mit Steuermitteln bestimmte Gruppen von Staatsbürgern zu veranlassen, sich dem Staat gegenüber für eine Spanne von Jahren zu einem bestimmten Verhalten zu verpflichten. Vielmehr soll die freie Kursbildung den Betriebsleiter vor die unternehmerische Entscheidung stellen, seinen Betrieb in der bisherigen Weise fortzuführen oder nicht. Dabei bleibt ihm stets die Möglichkeit, seine Entscheidung ständig korrigieren zu können. Nicht durch Maßnahmen, die die Zahl der Handlungsalternativen verringern, sondern nur durch eine Erweiterung des Entscheidungsspielraumes kann der Versuch einer Rückgliederung der Landwirtschaft in die Marktwirtschaft erfolgreich sein. 3. Auswirkungen auf die regionale Standort-verteilung können sich im nationalen Rahmen dadurch ergeben, daß die gleichen Faktoren, die die betriebliche Rentabilität beeinflussen, auch die Kurshöhe nach oben begrenzen, bis zu der es noch wirtschaftlich vertretbar erscheint, ein Recht zu erwerben. Bei steigendem Kurs verengt sich also der Kreis der potentiellen Käufer an der Agrarbörse immer mehr. Regionale Verschiebungen werden sich somit dann ergeben, wenn die Unterschiede in der Rentabilität auf natürliche Standortvorteile zurückgehen.
Eine Ausweitung dieses Aspektes auf den Gemeinschaftsraum der EWG führt zu dem gleichen Ergebnis. Sollten die sehr verschiedenartigen Agrarstrukturen der Mitgliedsländer zu unterschiedlichen Agrarkursen, ausgedrückt in Dollar, führen, so würde die Arbitrage für einen Ausgleich sorgen, natürlich nur unter der Bedingung, daß jeder Garantieschein im gesamten EWG-Bereich Gültigkeit besitzt.
Bei Wechselkursänderungen käme es allerdings zu einer gewissen Verzerrung des natürlichen Rentabilitätsgefälles; eine französische Abwertung hätte nämlich zur Folge, daß sich alle Franc-Kurse für Ausländer verbilligen. Der Ausgleich zum geltenden Wechselkurs käme dadurch zustande, daß beispielsweise deutsche Landwirte französische Garantierechte aufkaufen. Dadurch würden die Franc-Agrarkurse steigen und die DM-Agrarkurse sinken. Ob dadurch eine allmähliche Strukturbereinigung im europäischen Gesamtrahmen behindert würde, ist eine Frage, die sich theoretisch kaum klären läßt. Möglich ist nämlich, daß die Agrarkursveränderungen sich auf Größenordnungen beschränken, die kaum zusätzliche Reaktionen hervorrufen. Sollten allerdings unerwünschte Folgen sichtbar werden, so könnte der Wechselkurseffekt durch staatliche Ankäufe in umgekehrter Richtung leicht kompensiert werden. 4. Die zur Finanzierung dieses Systems notwendigen Mittel der nationalen Haushalte oder des EWG-Agrarfonds setzen sich aus drei Kostengruppen zusammen: (a) Transferausgaben für die Landwirtschaft, die in ihrer Höhe ausschließlich der politischen Entscheidung unterliegen. (b) Interventionskosten, die im wesentlichen nur anfallen, solange strukturelle Überschüsse bestehen, und die abhängig sind von der Angebotsentwicklung in Relation zur Nachfrage und von der Preisentwicklung auf dem Weltmarkt. (c) Kosten für Kurspflege bzw. Aufkauf von Garantierechten, die wiederum der parlamentarischen Entscheidung unterliegen.
Da die Interventionskosten wegen der niedrigeren Marktpreise und der geringeren Erstattungen im englischen System zwar vermindert sind, dafür aber beim jetzigen Agrarsystem (außer im speziellen Fall der Bundesrepublik) im Prinzip keine Einkommenssubventionen anfallen, bestätigt sich die bereits getroffene Feststellung, daß der vorgeschlagene System-wechsel die Aufwendungen der Agrarpolitik zunächst erhöht. Auf der anderen Seite ist aber zu bedenken, daß die finanzielle Belastung nicht nur überschaubarer, sondern die Agrarausgaben auch wirkungsvoller werden. Jeder Kauf eines Rechtes durch den Staat stellt erstens eine Strukturhilfe dar, die dem verkaufenden Betrieb zugute kommt, zweitens mindern sich uno actu die Transferverpflichtungen des Staates und drittens trägt diese Ausgabe indirekt, nämlich über die Verminderung des Angebotsdruckes, zu einem Abbau der Inter-ventionskosten bei. Die Kosten der Gruppen (b) und (c) fallen also nur für eine Übergangszeit an, bis zu jenem Zeitpunkt nämlich, wenn die Marktpreise über das Interventionsniveau ansteigen und damit anzeigen, daß der Agrarmarkt zu einem inneren Gleichgewicht zurückgefunden hat.
Die vorangegangenen Überlegungen deuten darauf hin, daß es außer mehr oder minder dirigistischen Methoden zur Angebotsbeschränkung auch marktwirtschaftliche Lösungsmöglichkeiten für das Uberschußproblem zu geben scheint, die natürlich noch einer gedanklichen Durchdringung und Vertiefung bedürfen. Wenn es aber gelingen sollte, auf diesem Wege die Erzeugung allmählich an den Verbrauch heranzuführen, dann kann die Agrarpolitik wieder die Aktionsfreiheit gewinnen, die für eine nicht nur reagierende, sondern auch selbst handelnde Politik unerläßlich ist. Zugleich verfügte die Gemeinschaft dann über ein Agrarsystem, das durch seine Flexibilität auch währungspolitische Datenänderungen ohne Schaden zu überstehen vermag. Auf diese Weise könnten Spannungsherde im Verantwortungsbereich der Agrarpolitik neutralisiert werden, die andernfalls den Fortgang der europäischen Integration ernsthaft gefährden.