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Sinkiang im sowjetisch-chinesischen Spannungsfeld | APuZ 10/1970 | bpb.de

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APuZ 10/1970 Sinkiang im sowjetisch-chinesischen Spannungsfeld Der sowjetisch-chinesische Konflikt Zur Vorgeschichte der Konfrontation im ostsibirischen Raum und in Zentralasien

Sinkiang im sowjetisch-chinesischen Spannungsfeld

Hans Bräker

/ 76 Minuten zu lesen

Vorbemerkung

Inhalt Erwin Erasmus Koch: Der sowjetisch-chinesische Konflikt. Zur Vorgeschichte der Konfrontation im ostsibirischen Raum und in Zentral-asien ............................................................ S. 39

Mit der folgenden Analyse soll die Entwicklung Sinkiangs im politischen Spannungsfeld zwischen der Sowjetunion und China verdeutlicht werden. Durch die jüngsten Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern an der Grenze Sinkiangs hat diese Problematik aktuelle Bedeutung bekommen.

Die Untersuchung geht von den ethnisch-religiösen, wirtschaftlichen und politischen Problemen Sinkiangs selbst aus und versucht, vor diesem Hintergrund die verschiedenen Interessenaspekte und unterschiedlichen Praktiken der sowjetischen und chinesischen Zentral-asien-Politik aufzuzeigen. Sie ist also von vornherein nicht darauf angelegt, die Politik beider Länder in diesem Rahmen in allen ihren Aspekten zu behandeln. Dies ist schon wegen der noch immer unzureichenden Quellenbasis unmöglich. Sofern Grenzfragen zwischen beiden Ländern in Zentralasien Gegenstand des Konfliktes sind, kann im übrigen auf einige vorliegende Spezialuntersuchungen hingewiesen werden, wie vor allem H. Pommerening:

Der chinesisch-sowjetische Grenzkonflikt. Das Ende der ungleichen Verträge, Olten und Freiburg 1968.

Die hier untersuchten Probleme werden ausführlicher und in wesentlich größerem Rahmen behandelt in dem Buch des Verfassers: Kommunismus und Islam; Islam und sowjetische Südostasien-Politik, das im Herbst dieses Jahres erscheint. Der erste Band dieser Untersuchung ist unter dem Titel „Kommunismus und Islam. Religionsdiskussion und Islam in der Sowjetunion" im Herbst 1969 erschienen.

I. Der Islam in Sinkiang als politisches Problem für die Sowjetunion und China

Vorbemerkung Inhalt I. Der Islam in Sinkiang als politisches Problem für die Sowjetunion und China 1. Ethnische und politische Einordnung Singkiangs 2. Religiöse Probleme II. Sinkiang im Spannungsfeld der politischen Interessen Rußlands und Chinas 1. Ostturkestan zwischen China und Rußland 2. Gefährdung des Status Sinkiangs innerhalb Chinas seit Beginn des 19. Jahrhunderts a) Der „Traum" von einem Islam-Staat in Zentralasien b) Die Politik der Autonomie und des Ausgleichs zwischen Ost und West: 1912— 1928 I?

1. Ethnische und politische Einordnung Sinkiangs Zentralasien liegt so unmittelbar im politischen Interessensbereich der Sowjetunion, daß die Frage berechtigt ist, ob ihrer Politik in diesem Raum überhaupt der Charakter einer außenpolitischen Aktivität zuzuschreiben ist. Mit dem Begriff „Zentralasien“ wird hier derjenige Raum umschrieben, der seit jeher unter der geographisch-historischen Bezeichnung . Ostturkestan", seit 1884 unter dem chinesischen Namen „Sinkiang" (= neue Provinz) und schließlich seit 1949 unter dem Namen „Uigurisches Autonomes Gebiet Sinkiang" bekannt ist. Seit dem frühen 19. Jahrhundert hat dieser Raum in den sowjetisch-chinesischen Bezie-hungen immer eine herausragende Rolle gespielt. Der chinesische Teil Zentralasiens gliedert sich in zwei Teile: Der nördliche Teil — die Dsungarei — grenzt im Westen an das russische Siebenstromland und im Osten an die Mongolei. Die wichtigsten Städte dieses Raumes sind Kuldscha am Ili-Fluß und Urumtschi. Ethnisch gesehen wird dieser nördliche Teil durch die islamischen Kasachen, die das an die Sowjetunion grenzende Gebiet bewohnen, und die sich überwiegend zum Islam, teilweise aber auch zum Buddhismus bekennenden Mongolen und Kalmücken geprägt. Der südliche Teil — Kaschgarien — grenzt im Norden und Westen an die Sowjetunion und im Süden an Pakistan, Indien sowie Tibet. Kaschgar ist die bedeutendste Stadt dieses Gebietes. Ethnisch wird es weitgehend durch die sich ausschließlich zum Islam bekennenden Stämme türkisch-mongolischen Ursprungs bestimmt — die Kirgisen, Usbeken, Tataren und die Uiguren. Von allen in Ostturkestan lebenden Völkern sind die rund 500 000 Kasachen fraglos das dynamischste Element.

Insgesamt erstreckt sich Ostturkestan über ein Gebiet von rund 750 000 Quadratkilometer, in dem nicht sehr viel mehr als fünf Millionen Menschen wohnen. Mit der Sowjetunion hat es eine mehr als 1 600 km lange gemeinsame Grenze. Etwa 85 bis 90 Prozent der Bevölkerung gehören zu den Völkern türkischen Ursprungs (75 Prozent Uiguren, 10 Prozent Kasachen, Kirgisen und Usbeken); nur 5 Prozent sind Chinesen 1).

Beide Gebiete, die Dsungarei und Kaschgarien, bilden zusammen mit Westturkestan — dem heutigen sowjetischen Zentralasien — ethnisch und religiös eine Einheit. Sie haben darüber hinaus ein gemeinsames politisches Schicksal insofern, als sie im Verlaufe ihrer Geschichte immer wieder dem kolonialen Zugriff von West (Rußland: Westturkestan) und Ost (China: Ostturkestan) ausgesetzt waren. Seit Ende des 19. Jahrhunderts hat die „koloniale Konkurrenz" dieser beiden Großmächte ihre Ursache nicht zuletzt in der ökonomisch-strategischen Bedeutung Sinkiangs, das heißt im wirtschaftlichen Reichtum dieses Gebietes Die „Jade-Berge" des Kuen-Lun-Gebirges (Tsung ling) sind seit Jahrtausenden ebenso bekannt wie die im Süden des Tarim-Beckens, vor allem in den „Goldbergen" des Altyn Tagh gelegenen Goldminen. Sie wurden früher durch Einsatz von Strafarbeitern aus den Distrikten von Khotan und Keriya in primitivster Weise abgebaut. Die wichtigsten Ölquellen befinden sich im Norden des Tarim-Beckens im T'ien-schan-Gebirge. Sie wurden ursprünglich auf einfachste Weise ausgeschöpft, wie man auch die Kupferminen des T'ien-schan nur „abkratzte". Sinkiang ist aber nicht nur reich an Gold, Silber, Eisen, Kupfer, Blei, Zink und Kohle, sondern auch an Wolframerzen (Tungsten). Neuerdings wurden bekanntlich auch Uranium-Vorkommen entdeckt. Die wichtigsten liegen in Tusova in der Nähe der Grenze zur Äußeren Mongolei.

Auch verkehrspolitisch hat Sinkiang größte strategische Bedeutung für beide Länder. Die Hauptstadt Urumtschi (chines.: Tihwa) ist durch Autostraßen mit der Sowjetunion und mit Kaschgar sowie von hier aus wiederum mit der Kirgisischen und mit der Tadschikischen SSR als auch mit Indien und mit Zentral-china verbunden. Karawanenstraßen führen von Urumtschi nach Tibet, Pakistan, Indien und Afghanistan. Für Motorfahrzeuge benutzbare Naturstraßen verbinden Urumtschi außerdem mit der Mongolischen Volksrepublik und der chinesischen Provinz Tsinghai. Schließlich muß in diesem Zusammenhang noch die Eisen-bahnlinie zwischen Urumtschi und Lanshow erwähnt werden, die aufgrund eines 1954 zwischen der Volksrepublik China und der Sowjetunion geschlossenen Vertrages bis zur sowjetischen Grenze ausgebaut werden und dort mit der von Alma Ata kommenden Zusammentreffen sollte.

Ein gewichtiges Kriterium für die Beurteilung des Verhältnisses der Bevölkerung zu China einerseits und Rußland bzw.der Sowjetunion andererseits ist darin zu sehen, daß die Chinesen in Ostturkestan seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts häufig als die Eroberer, die Russen hingegen seit Mitte des 19. Jahrhunderts in der Rolle eines Beschützers oder sogar Befreiers der islamischen Bevölkerung auftraten. Auf historische Einzelheiten der Auseinandersetzung um diesen und in diesem Raum kann und braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Eines muß aber in diesem Zusammenhang festgestellt werden: Wie in russisch bzw. sowjetisch Zentralasien ist auch in Ostturkestan das nationale Bewußtsein der Bevölkerung immer identisch gewesen mit dem Bekenntnis zum Islam. Bei der Behauptung der islamischen Bevölkerung Ostturkestans im Spannungsfeld der „kolonialen Konkurrenz" beider Großmächte hat deshalb auch das Moment der Verteidigung der Religion immer eine zentrale Rolle gespielt. Daran hat sich auch bis in die Gegenwart hinein nichts geändert. 2. Religiöse Probleme Die Verbindung zwischen nationalem Bewußtsein und Religion macht deutlich, daß die Politik der chinesischen Zentralregierung immer vor besonders heiklen Aufgaben in Sinkiang gestanden hat. Zur Problematik, die gerade der Islam von jeher und bis in die unmittelbare Vergangenheit hinein jeder chinesischen Regierung aufgegeben hat ist Ähnliches wie für das Verhältnis der in Rußland bzw. in der Sowjetunion lebenden islamischen Minderheiten zur Regierung in Petersburg bzw. Moskau festzustellen: Wie hier waren auch die Muslime in China von den übrigen ethnischen Bevölkerungsgruppen selbst da sehr weitgehend separiert, wo sie nicht in geschlossenen ethnischen und religiösen Minderheiten, sondern in kleinsten Gruppen oder sogar nur in Familien und als einzelne lebten. Dies ist vor allem auf die strenge Einhaltung und Erfüllung aller jener Verpflichtungen zurückzuführen, die der Islam seinen Gläubigen auferlegt: die Durchführung des fünfmaligen täglichen Gebetes gen Mekka, die strikte Einhaltung des Fastengebots im Monat Ramadan, die Benutzung des Arabischen bei allen religiösen Zeremonien, die Leistung der vom Koran auferlegten Almosenpflicht und die Abführung des sogenannten „Zehnten". Mit der strikten Einhaltung dieser religiösen Pflichten wurde und wird auch äußerlich dokumentiert, daß das Glaubens-und Autoritätszentrum der islamischen Bevölkerung — Mekka — gewissermaßen in einem fernen und fremden Land liegt und daß man nicht gewillt war und ist, sich in dieser Hinsicht Peking unterzuordnen. Deshalb haben sich die Muslime Zentralasiens auch selbst lange Zeit Peking gegenüber nur als Tributpflichtige betrachtet und nur als solche eine lockere imperiale und politische Kontrolle der chinesischen Herrscher anerkannt. Diese Anerkennung war aber niemals mit einer Bereitschaft zur Sinisierung verbunden.

Die Unabhängigkeit von den Chinesen kommt aber auch in der strikten Beibehaltung der kulturellen und sozialen Bräuche durch die Muslime Chinas zum Ausdruck, so z. B. bei der Heirats-und Bestattungszeremonie: Die Trauscheine werden in arabischer Sprache ausgestellt, Braut und Bräutigam erweisen Himmel und Erde keine Ehrerbietung wie die Han-Chinesen; die Bestattung findet auf besonderen Friedhöfen statt. Dies gilt aber auch für alle anderen Bräuche: So leben auch die arabischen und persischen Redewendungen fort; das Turban-Tragen ist noch immer üblich; die muslimischen Speisegebote werden weiterhin beachtet; die Kinder erhalten bisher noch immer koranische Namen; die Söhne werden im Alter von sieben Jahren beschnitten und mit 15 Jahren verheiratet; sie dürfen wohl chinesische Frauen heiraten, aber Töchtern ist die Ehe mit „Ungläubigen" strikt verboten. Diese Beispiele mögen hier genügen, um zu zeigen, in welch großem Maße sich die islamische Bevölkerung noch immer bewußt zum Islam bekennt und sich dadurch von der chinesischen Bevölkerung des Landes abhebt.

Ihrer wirtschaftlichen und sozialen Stellung nach sind die Muslime im allgemeinen sehr arm. Soweit sie in den Städten wohnen, sind sie in der Regel kleine Händler; in ländlichen Gegenden betreiben sie Ackerbau und Viehzucht. In einigen Gebieten von Szetschuan beherrschen sie den tibetanischen Teehandel. In vielen Teilen Chinas verfügen sie auch über ein gewisses Monopol im Fleisch-und Fellhandel, in der Lederverarbeitung, im Geldwechsel, in der Metallverarbeitung und im Handel mit Jade sowie anderen „Raritäten".

II. Sinkiang im Spannungsfeld der politischen Interessen Rußlands und Chinas

So begrenzt auch die Informationsmöglichkeiten und so lückenhaft infolgedessen heute die Kenntnisse über die Situation des Islams in China und die Islam-Politik von Partei und Regierung der Volksrepublik China sind, so gewiß kann doch schon aus dem vorliegenden Quellenmaterial darauf geschlossen werden, daß es ihnen bis in die jüngste Vergangenheit hinein nicht gelungen ist, den Einfluß des Islams völlig auszuschalten und die westlichen Grenzregionen im Sinne ihrer Politik zu integrieren und zu befrieden. Der Grund dafür muß nicht zuletzt darin gesucht werden, daß sich spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts die politischen und wirtschaftlichen Interessen Rußlands und Chinas in keinem Bereich so stark überschnitten haben wie eben im zentralasiatischen Raum. Bevor sich die Untersuchung aber dieser Problematik zuwendet, muß zunächst der Blick auf wenigstens einige wichtige Merkmale der historischen Entwicklung Ostturkestans gerichtet werden, weil die Interessenskonflikte zwischen beiden Ländern nur auf dieser Grundlage verdeutlicht werden können. 1. Ostturkestan zwischen China und Rußland Das Bewußtsein der Unabhängigkeit der Bevölkerung dieses Raumes hat weit zurückreichende historische Wurzeln. Bereits zur Zeit der Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) besaß China zwar die nominelle Oberherrschaft über dieses Gebiet; Mitte des ersten Jahrhunderts wurde sogar das Tarim-Becken unter chinesische Militärverwaltung gebracht und damit die Vorherrschaft und der Anspruch Pekings in Zentralasien endgültig begründet. Aber schon nach wenigen Jahrhunderten er-6 losch die „fremde" (chinesische) Kontrolle über das Land. Sie war ohnehin immer schwach gewesen, da die Position der Chinesen nur durch ein sehr weitmaschiges Netz von Garnisonen gesichert wurde. Die unter der nationalen Oberherrschaft Chinas häufig wechselnden Königreiche oder Khanate waren z. T. beachtlich wohlhabend und politisch einflußreich

Ein anderer Aspekt der Ausdehnung des chinesischen Einflusses auf Zentralasien war, daß damit nicht nur dem chinesischen „Imperialismus" der Weg nach Westen gewiesen, sondern auch der Weg für Kultureinflüsse und -güter vor allem aus dem iranischen und — auf diesem Umweg — aus dem indischen Raum nach China geöffnet wurde: Auf den Routen der sogenannten Seidenstraße erreichten z. B.seit dem ersten Jahrhundert der Buddhismus, später der Islam China und mit beiden Religionen eine Fülle von neuen, die chinesische Zivilisation bereichernden Elementen.

Sie begründeten eine Periode nahezu völliger Unabhängigkeit Zentralasiens, die bis in das 18. Jahrhundert hineinreichte und deren wesentliches und durchgehendes Merkmal — ganz gleich, ob dieser Raum nun von den Chinesen oder den Mongolen beherrscht wurde — die Toleranz gegenüber den vorderasiatischen Weltreligionen war. So genossen beispielsweise die islamischen Mullahs und die christlichen Religionsdiener genauso Steuerfreiheit wie die taoistischen und buddhistischen Mönche. Der Einfluß der ethnischen und religiösen Minderheiten hat zu einem ausgeprägten Kosmopolitismus geführt, der bis in das 20. Jahrhundert hinein einer der wichtigsten innenpolitischen Faktoren blieb. Diese Toleranz bewirkte aber andererseits auch, daß die Anhänger dieser Religionen, bei denen es sich überwiegend um eingewanderte Ausländer und nur in ganz geringem Maße um konvertierte Chinesen handelte, außerhalb der chinesischen Kultur blieben; nur eine Minderheit von ihnen bemühte sich darum, Zugang zur chinesischen Sprache, Schrift und Literatur zu finden.

Die relative Unabhängigkeit Zentralasiens zwischen China, Rußland und Indien ging erst zwischen dem 17. und dem Ende des 18. Jahrhunderts im Zuge des erneuten Vordringens der Armeen des chinesisch-mandschurischen Reiches verloren. Diese „Westbewegung" Chinas verdient schon insofern besondere Aufmerksamkeit, als sie sich fast gleichzeitig mit dem Vordringen der Engländer (Ostindische Compagnie) nach Asien und mit der Erschließung Sibiriens durch die Russen vollzog. In allen drei Fällen handelte es sich um eine Ausdehnung des Herrschaftsbereiches, der unterschiedliche Motive und Zielsetzungen zugrunde lagen: Während die Russen in Sibirien ein fast menschenleeres, jungfräuliches Territorium vorfanden und die Engländer sich bei ihrem Vordringen nach Indien vor allem von wirtschaftlichen Interessen leiten ließen, hing der erneute Vorstoß Chinas ursächlich mit den Versuchen der Westmongolen im 17. Jahrhundert zusammen, ein neues unabhängiges mongolisches Großreich zu schaffen wodurch notwendigerweise der Flerrschaftsanspruch Chinas über Ostturkestan in Frage gestellt werden mußte.

Unter dem Dsungaren-Khan Batur Huntscheidi schlossen sich im 17. Jahrhundert die erst Ende des 16. Jahrhunderts zum Buddhismus bekehrten Stämme der Choschoten, Torguten, Olöten und Dorbeten zum sogenannten „Oiratenbund" zusammen. Sein Sohn Galdan Khan (1632[? ]—-1697), der in seiner Jugend Lama in einem tibetanischen Kloster gewesen war, begründete den Staat der Dsungarei. Er eroberte 1678/79 mit dem Tarim-Becken ganz Ostturkestan und schloß hier — wohl zum ersten Mal überhaupt — die islamische Kleinherrschaft unter einer einheitlichen Führung zusammen. Er unterwarf sich auch das mongolische Kerngebiet am Orchon, im Herzen der Mongolei also. Stammesfehden verhinderten jedoch eine neue Einheit aller Mongolen. Als Galdan Khan auch in die „Innere Mongolei" und die „Äußere Mongolei" einzurücken begann, schlossen sich die Ostmongolen 1691 den Mandschus in Vasallentreue an. Galdan Khan wurde 1696 südlich Urga (Ulan Bator) von den Chinesen geschlagen. Sein Neffe versuchte 1709 noch einmal — vergeblich — einen Aufstand.

China besiegte 5a) schließlich 1720 den Olöten-Khan Tsewang Rabdan und 1759 auch den letzten Dsungaren-Khan Amursana, der sich zunächst zwar den Chinesen angeschlossen und für sie das Ili-Gebiet von seinem Rivalen erobert hatte, dann aber erneut die völlige Unabhängigkeit von Peking anstrebte; er floh, schließlich zu den Kasachen. Die ganze Dsungarei wurde von den Chinesen in Besitz genommen; sie wurde sogar als geographischer Begriff von den Landkarten getilgt. Während des kurzen Aufstiegs der Westmongolen stießen die Hoschuten in das Koko-Nor-Gebiet (Kansu) vor. Die Torguten zogen vor den siegreichen Chinesen nach Westen in die Gebiete zwischen Ural und Wolga, wo sie von den Russen unterworfen wurden. 400 000 flohen wieder in ihre alte Heimat zurück, die sie — schwer dezimiert — 1771 erreichten; nur ein geringer Rest blieb an der Wolga, wo sie als „Kalmücken" („die Zurückgebliebenen") weiter lebten und noch leben.

Nach der endgültigen Niederwerfung der Dsungarei eroberten die Chinesen 1758/1759 noch Kaschgar im Westen des Tarim-Beckens. Sie setzten eine Militärregierung ein, die Ostturkestan durch in Kuldscha (Ili), Urumtschi und Jarkand residierende Gouverneure verwalten ließ. Damit hofften die Chinesen, ihre Herrschaft über Zentralasien endgültig wiederhergestellt zu haben.

Die Befriedung Ostturkestans glaubten sie aber vor allem durch Rücksichtnahme auf die religiösen Gefühle der Muslime erreichen zu können: Die örtliche Verwaltung blieb zum großen Teil in den Händen der islamischen Führungsschicht. Ihr oblag es, im Auftrage der Mandschus die Steuern einzuziehen und Recht zu sprechen. Unter dieser maßvollen Politik konnte sich Ostturkestan zwar friedlich und fruchtbar entwickeln, in ihr lag aber auch der Keim für die Herausbildung eines im gemeinsamen Glauben, dem Islam, begründeten „Nationalbewußtseins", das schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit politi-schern Inhalt gefüllt wurde, als nämlich — bedingt durch innere Schwierigkeiten (OpiumKrieg, Taiping-und Nien-Aufstand) — die chinesische Herrschaft in Ostturkestan erneut zu verfallen begann. 2. Gefährdung des Status Sinkiangs innerhalb Chinas seit Beginn des 19. Jahrhunderts Ein für die hier behandelten Probleme weiteres wichtiges Element der Entwicklung in dieser Periode war zweifellos das Vordringen Rußlands nach Zentralasien, wobei es sich nicht zuletzt auch die Unabhängigkeitsbestrebungen der ostturkestanischen Muslime und ihren Widerstand gegen die chinesische Herrschaft zunutze machte: In Kansu war 1862 unter den muslimischen Dunganen ein größerer Aufstand gegen die Mandschus ausgebrochen, der auf die ganze Dsungarei Übergriff. 1864 hatten die Chinesen praktisch auch die Kontrolle über den größten Teil von Kaschgarien verloren. Diese für China äußerst schwierige Situation nutzte der 1820 im Gebiet von Kokand geborene Yakub Bek, um die letzten von den Truppen der chinesischen Zentralregierung in Kaschgarien noch gehaltenen Stützpunkte zu beseitigen und sich selbst 1867 zum Khan von Kaschgar auszurufen Bis 1873 konnte Yakub Bek sich zum nahezu unumschränkten Herrscher über das gesamte Gebiet südlich des T’ien-schan-Gebirges machen. a) Der „Traum" von einem Islam-Staat in Zentralasien Das erklärte Ziel der Herrschaft Yakub Beks war die Zusammenfassung aller islamischen Völker Zentralasiens zu einem Islam-Staat, der sowohl von Rußland als auch von China und von England, das damals von Indien aus in Zentralasien wirtschaftliche Interessen verfolgte, unabhängig sein sollte. Da diese Zielsetzung nicht nur die nominelle Herrschaft Chinas über Ostturkestan, sondern auch die neugewonnene Herrschaft Rußlands über Westturkestan gefährden mußte, lag es auf der Hand, daß die Regierungen beider Länder diese Entwicklung mit allergrößtem Mißtrauen verfolgten. Der russische General Kaufmann nutzte die Rebellion der Muslime unter Yakub Bek gegen die chinesische Zentralregierung und besetzte bereits 1871 das Ili-Becken Mit dem am 20. Mai 1872 von Baron Kaulbars mit Yakub Bek geschlossenen Handelsvertrag sollte schließlich der Anfang einer „friedlichen Durchdringung" Ostturkestans gemacht werden. Yakub Bek glaubte, damit zwar eine gewisse Absicherung seiner Herrschaft und eine Sanktionierung seiner Zielsetzungen erreicht zu haben, von der chinesischen Zentralregierung mußte dieser Akt aber als eine Verletzung ihrer Souveränität gewertet werden. Die Russen waren sich der Problematik ihres Vorgehens in Ostturkestan durchaus bewußt. Sie rechtfertigten die Besetzung des Ili-Beckens mit der Begründung, den Frieden an ihren Grenzen sichern zu müssen, und sie erklärten darüber hinaus, daß sie sich zurückziehen würden, sobald die Chinesen die Herrschaft über Ostturkestan wieder erlangt hätten.

Daß Yakub Beck unter diesen Umständen eine Unterstützung und Anerkennung seines Herrschaftsanspruches durch Rußland kaum erwartet hat, ist daraus zu schließen, daß er schon sehr frühzeitig die diplomatischen Beziehungen zum osmanischen Reich, dem damaligen politischen Zentrum der islamischen Welt, aufnahm. Anfang 1874 unterzeichnete er schließlich auch einen Handelsvertrag mit dem Engländer Douglas Forsyth, der sich damals im Auftrag der indischen Regierung auf einer Mission in Kaschgarien befand, um Möglichkeiten den Handel Zentralasien mit zu erkunden.

Für Yakub Bek verband sich mit den zum Ausland hergestellten Beziehungen die Hoffnung auf eine Anerkennung seiner Herrschaft in Ostturkestan, weil sie auch den ökonomischen Wünschen und Interessen dieser Länder entgegenkam. Zumindest glaubte er aber, auf diese Weise vor allem England und Rußland von Versuchen abhalten zu können, sich in den Besitz Ostturkestans zu bringen, zumal dies auch unausweichlich zu einer unmittelbaren Konfrontation beider Länder mit China führen mußte, an der sie zu dieser Zeit und in diesem Raum nicht interessiert waren. Schließlich glaubte er aber, auch auf die Neutralität der beiden Großmächte, wenn nicht sogar auf ihre Hilfe für den Fall rechnen zu können, daß China den Versuch unternehmen sollte, Kaschgarien zurückzuerobern.

Für die Zentralregierung Chinas mußte sich hingegen aus den vertraglichen Verbindungen Yakub Beks zum osmanischen Reich, zu Ruß-land und (wenn auch indirekt über Indien) zu England notwendigerweise eine zusätzliche internationale Bedrohung ihrer Souveränität in Zentralasien ergeben. Sie beauftragte deshalb den 1866 zum Generalgouverneur von Schensi und Kansu ernannten Tso Tsung-t’ang mit der Rückeroberung Ostturkestans Bereits 1873 hatte dieser Schensi und Kansu befriedet, diejenigen Provinzen also, in denen 1862 der Muslim-Aufstand begonnen hatte. 1876 war der größte Teil der Dsungarei nördlich des T'ien-schan-Gebirges wieder in der Gewalt der Zentralregierung — mit Ausnahme des Ili-Beckens, das sich weiterhin in russischer Hand befand. Im Frühjahr 1877 besiegte Tso die Armee Yakub Beks, im Dezember konnten die Truppen von Tso Kaschgar einnehmen und Anfang 1878 war schließlich das Reich Yakub Beks endgültig vernichtet. Ostturkestan war damit wieder fest in den Händen der chinesischen Zentralregierung.

Obwohl damit alle Voraussetzungen geschaffen waren, das Ili-Becken jetzt wieder an China zurückzugeben, erwies sich sehr schnell, daß den von Rußland bei der Besetzung dieses Gebietes (1871) abgegebenen Erklärungen nicht mehr als nur deklamatorischer Wert beizumessen war Bei den 1879 von dem mandschurischen Diplomaten Tsch’ung Hou in Petersburg geführten Verhandlungen erklärte sich Rußland zwar grundsätzlich mit der Rückgabe des Ili-Beckens einverstanden, forderte als Gegenleistung von China aber nicht nur den Ersatz aller entstandenen „Besatzungs" -kosten, sondern auch die Überlassung eines fruchtbaren Landstriches im Ili-Becken (oberes Tekkes-Tal) und die Einräumung besonderer kommerzieller Konzessionen in ganz Zentral-asien. Der Vertrag war von Tsch’ung Hou zwar unterschrieben worden, wurde nach dessen Rückkehr von der Regierung in Peking aber sofort gekündigt. Die Spannungen zwischen beiden Ländern wuchsen in der Folgezeit so stark, daß nicht nur eine Einigung in der Ili-Frage ausgeschlossen schien, sondern sogar der Eindruck entstand, daß China es eher auf einen Krieg ankommen lassen wollte und daß sich auch die russischen Militärs auf einen Krieg vorbereiteten und im Begriff waren, wiederum die Muslime gegen die chinesische Zentralregierung zu mobilisieren. Schließlich kam es aber noch zu einem Vertrag zwischen den Ländern Er wurde am 12. Februar 1881 in Petersburg geschlossen und legte fest, daß Rußland das gesamte Ili-Gebiet an China zurückgibt und China an Rußland eine Entschädigung für seine Besatzungskosten in Höhe von 9 Millionen Unzen Silber zahlt.

Diese Vorgänge haben offenbar der chinesischen Regierung unmißverständlich klargemacht, daß die russische Politik in Zentral-asien ausschließlich von machtpolitischen und wirtschaftlichen Interessen bestimmt wurde und daß auch der mit Rußland 1881 geschlossene Vertrag keine dauerhafte Garantie für die Respektierung der chinesischen Souveränität in Ostturkestan zu bieten vermochte. Der 1880 nach Peking zurückberufene und seitdem als Berater der Regierung in turkestanischen Angelegenheiten tätige Tso Tsung-t'ang drang deshalb darauf, Ostturkestan nicht mehr nur unter indirekter mandschurischer Verwaltung zu belassen, sondern in eine „neue Provinz" Chinas („Sinkiang") umzuwandeln und es auf diese Weise wirksamer gegen die russischen Interessen und Forderungen abzusichern. Dieser Vorschlag Tso's wurde noch kurz vor dessen Tod (1885) durch ein kaiserliches Dekret vom November 1884 formell realisiert: Zum ersten Generalgouverneur wurde Liu Tschin-t'ang, einer von Tso's Generalen, ernannt; zur Hauptstadt Sinkiangs wurde Urumtschi erklärt.

Das ganze Land wurde in vier Bezirke aufgeteilt, die wiederum in mehr als 40 Verwaltungsdistrikte untergliedert waren. Die chinesische Herrschaft über Sinkiang wurde aber im Grunde nur durch die Stationierung von 800 Soldaten in ständigen Garnisonen repräsentiert. Denn: Während bis zur Ebene der Verwaltungsdistrikte herab die Verwaltung zwar ausschließlich von chinesisch-mandschurischen Beamten ausgeübt wurde, die überdies auch abseits von der einheimischen Bevölkerung lebten, lag sie auf der untersten Ebene allein in den Händen der muslimischen Stammesfürsten. Sie hatten — wie immer zuvor — die Steuern einzuziehen und Recht zu sprechen. Durch Toleranz gegenüber den einheimischen Sitten und Gebräuchen konnten die Chinesen die Unterstützung der muslimischen Führungsschichten gewinnen und auf diese Weise eine innenpolitische Befriedung der „Neuen Provinz" herbeiführen, durch die eine ruhige Entwicklung bis zum Jahre 1912, dem Jahre der Amtsübernahme durch Yang Tsenghim, zu gewährleisten war.

Obwohl 1884 die Grenze zwischen Rußland und der Dsungarei in einem Abkommen festgelegt wurde 11), war damit — wie sich sehr bald zeigen sollte — die Gefahr eines erneuten russischen Vordringens in das Ili-Gebiet keineswegs beseitigt worden: Bereits in den frühen neunziger Jahren drang Rußland in den Pamir vor, in ein Gebiet also, das von den Chinesen immer als unter ihrer Souveränität stehend angesehen wurde. Ohne Rücksichtnahme auf die Ansprüche Chinas wurde im März 1895 zwischen Großbritannien und Rußland ein Abkommen geschlossen, in dem der russische Besitzstand hier bestätigt wurde. Die russisch-chinesische Grenze wurde hingegen in diesem Gebiet vertraglich nicht festgelegt.

Allerdings wagte Rußland vorerst kein neues Eindringen in Sinkiang. Der Grund für diese Zurückhaltung war aber weniger in dem Respekt vor dem mit China geschlossenen Vertrag des Jahres 1881 von Petersburg zu suchen, als vielmehr in der Furcht vor dem möglichen Widerstand Großbritanniens gegen ein solches Unternehmen: Der im August 1907 zwischen Rußland und Großbritannien geschlossene Vertrag erwähnt Sinkiang zwar mit keinem Wort, in ihm verzichten beide Länder aber ausdrücklich auf jede provokative Politik „in der Nähe der indischen Grenze".

Auf diese Periode des russisch-chinesischen Verhältnisses in Zentralasien wurde hier deshalb ausführlicher eingegangen, weil in ihr bereits alle Probleme sichtbar werden, die in der Folgezeit, insbesondere aber in der für die hier behandelten Fragen so wichtigen Zeit nach 1928, die russisch-chinesischen Beziehungen in Zentralasien prägen sollten: In der Gestalt Yakub Beks und seinen Zielsetzungen verkörpert sich das Selbstverständnis der islamischen Bevölkerung Chinas, insbesondere aber Sinkiangs. Sie hat sich immer in erster Linie als ein Teil der islamischen Welt, zumindest aber als ein Teil der islamischen Turkbevölkerung des gesamten zentralasiatischen Raumes verstanden. Solange die ethnische, kulturelle und religiöse Sonderstellung der islamischen Bevölkerung in Sinkiang von der chinesischen Zentralregierung respektiert und ihr die — wenn auch nur begrenzte — Selbstverwaltung gewährt wurde, ist die Souveränität Chinas in diesem Raum immer nur als eine nominelle empfunden worden. Sie brauchte deshalb unter diesen Voraussetzungen auch nur selten in Frage gestellt zu werden, zumal da unklare Grenzverhältnisse auch in dieser Zeit noch die Verbindungen zwischen der islamischen Bevölkerung in den zentralasiatischen Provinzen Rußlands und Chinas kaum wesentlich behindert haben.

Seit der Inbesitznahme Turkestans im 19. Jahrhundert durch die zaristischen Truppen hat die russische Zentralasienpolitik ihren Ansatzpunkt immer wieder vor allem in dieser komplexen Problematik gesucht. Für sie konnte jede Zuspitzung des Verhältnisses zwischen Sin den -islamischen Bevölkerungsgruppen kiangs und der chinesischen Zentralregierung Vorteile nur bringen. Deshalb hat sie auch jede Möglichkeit genutzt, um solche Spannungsverhältnisse in Sinkiang zu fördern oder sogar überhaupt erst zu schaffen. Das erfahrungsgemäß wirksamste Mittel dazu war die Unterstützung aller Separationsbestrebungen der islamischen Bevölkerungsgruppen in Sinkiang. Sie fand allerdings immer da ihre Grenze, wo solche Bestrebungen in panislamistischen Ideen wurzelten und die Schaffung eines größeren islamischen Staates in Zentral-asien zum Ziele hatten, die notwendigerweise nicht nur die chinesische, sondern auch die russische Herrschaft in Zentralasien in Frage stellen mußte. b) Die Politik der Autonomie und des Ausgleichs zwischen Ost und West: 1912— 1928

Es bedurfte eines großen Maßes an Flexibilität und diplomatischem Geschick, um den Status und eine ruhige, durch den Zugriff Rußlands nicht gefährdete Entwicklung Sinkiangs zu sichern. Dies sollte sich bereits unmittelbar nach der chinesischen Revolution von 1911 erweisen, durch die China in eine Republik umgewandelt wurde. Die Einheit Sinkiangs war in Gefahr: Ili drohte, eine eigene Regierung einzusetzen, in Hami erhob sich die islamische Bevölkerung gegen die Mandschus, in vielen Provinzteilen waren die chinesischen Truppen im Begriff, sich der Kontrolle Urumtschis zu entziehen; in Sinkiang lebende Russen wurden angegriffen.

Diese Ereignisse waren in hohem Maße dazu geeignet, ein erneutes Eingreifen Rußlands zu provozieren: So wurden unter dem Vorwand, die russischen Konsulate in Kaschgar und Kuldscha wären gezwungen, die Sicherheit der eigenen Untertanen zu gewährleisten, die Konsulatstruppen wesentlich vergrößert; bis Mitte 1912 wurde ihre Gesamtzahl auf insgesamt 1 000 Kosaken erhöht. Zeitweilig bestand sogar die Gefahr für Sinkiang, entweder ganz von Rußland annektiert zu werden oder die Schutzherrschaft aufgezwungen zu bekommen bzw. ein Protektorat zu akzeptieren, wie es Rußland zu dieser Zeit auch über die Äußere Mongolei ausübte.

Es war im wesentlichen das Verdienst des zum Generalgouverneur von Sinkiang aufgerückten Leiters der Regionalverwaltung von Urumtschi, Yang Tseng-hsin, daß die Gefahr abgewendet werden konnte. Für seine Aufgabe war er deshalb in besonderem Maße prädestiniert, weil die muslimischen Truppen ihm bedin -gungslos ergeben waren und weil seine nicht gerade sehr republikfreundliche Haltung auf weite Zustimmung in Sinkiang stieß Die Stabilisierung der Situation in Sinkiang gelang Yang Tseng-hsin bereits kurz nach der Übernahme seines Amtes und auf völlig friedlichem Wege: Er konnte eine Einigung mit den Ili-Rebellen herbeiführen und mit diplomatischer Unterstützung Rußlands den Rückzug der mongolischen Truppen und damit auch die Sicherung der Grenze zwischen Sinkiang und der Äußeren Mongolei erreichen. Diese Stabilisierungspolitik ist nicht zuletzt auch dadurch ermöglicht worden, daß Yang Tseng-hsin Sinkiang wie ein mehr oder weniger autonomes Gebiet behandelte und auf diese Weise nicht nur eine Abschirmung gegen ausländische Einflüsse, sondern auch eine Isolierung von den innenpolitischen Unruhen im Anschluß an die revolutionären Ereignisse von 1911 erreichen konnte. Außenpolitisch sah Yang Tseng-hsin seine Hauptaufgabe darin, Rußland nicht zu provozieren und überhaupt dem westlichen Nachbarland keinen Anlaß zum Eingreifen zu geben. Das große diplomatische Geschick, mit dem er sich gerade dieser Aufgabe entledigte, läßt sich an folgenden Beispielen erkennen: — 1916 flohen rund 300 000 Kasachen nach Sinkiang, um sich der Einberufung zum Militär zu entziehen. Noch bevor russischerseits eingegriffen wurde, erreichte Yang Tseng-hsin durch Verhandlungen eine Amnestie und — auf dieser Grundlage — die Repatriierung der meisten Kasachen nach Rußland. — Ähnliches wiederholte sich 1918, als besiegte weißrussische Truppen unter dem Kommando von General Anenkov in Stärke von ungefähr 7 000 Mann nach Singkiang geflohen waren. Auch hier konnte Yang — nachdem er die Truppen entwaffnet und interniert hatte — in zähen Verhandlungen mit den Bolschewisten eine Amnestie und den Abschluß eines Abkommens erreichen, durch das die meisten von ihnen in die Sowjetunion zurückkehren konnten — Als. sich jedoch Schwierigkeiten mit anderen Teilen der geflohenen Weißgardisten (ca. 3 000) ergaben — sie standen unter dem Kommando der Generale Bascic und Novikov, waren vor allem in das Altai-Gebiet geflohen und hatten sich hier festgesetzt —, schuf er die vertragliche Basis für den Einmarsch der Roten Armee zu ihrer gemeinsamen Vertreibung über die Grenze der Äußeren Mongolei — Vieles in dieser diplomatischen Taktik der Politik Yang Tseng-hsins erklärt sich auch daraus, daß Singkiang wirtschaftlich weitgehend auf den Warenverkehr mit seinem westlichen Nachbarn angewiesen war: 1920 wurde deshalb auch ein Handelsabkommen über den Warenverkehr mit der Sowjetunion abgeschlossen und 1924 wurde zwischen beiden Regierungen die Eröffnung von fünf konsularischen Vertretungen der Sowjetunion in Urumtschi, Tarbagatai, Ili (Kuldscha), Altai und Kaschgar sowie von fünf chinesischen Konsulaten in Taskent, Andijan, Alma Ata, Zaisan und Semipalatinsk vereinbart Die sowjetischen Konsulate in Singkiang konnten ihre Tätigkeit auch nach dem faktischen Bruch Chiang Kai-sheks mit der Sowjetunion 1927 — offiziell wurden die Beziehungen erst 1929 abgebrochen — ohne Einschränkung fortsetzen.

Die mit dieser „Außenpolitik" herbeigeführte weitgehende Abschirmung gegen alle Einflüsse von außen ermöglichte Yang Tsenghsin eine Innenpolitik, die nicht nur darauf angelegt war, die Provinz auch wirtschaftlich so weit wie möglich unabhängig zu machen, sondern durch längst fällige soziale und wirtschaftliche Reformen eine dauerhafte Stabilisierung des Landes auf der Basis der Selbst-Verwaltung der islamischen Bevölkerung zu ermöglichen: So wurden beispielsweise die Handelsmonopole abgeschafft, ein Verbot der bis dahin obligatorischen Stellung von Beförderungsmitteln für Beamte durch die Bevölkerung ausgesprochen und dem Zinswucher durch Festsetzung von Zins-Höchstgrenzen für Geldverleiher ein Ende bereitet.

Alle diese Maßnahmen Yang Tseng-hsins spiegeln eine äußerst kluge und umsichtige Politik wider. Sie bot einerseits der islamischen Bevölkerung keinen Grund zur Kritik an der chinesischen Provinzverwaltung oder sogar für eine offene Rebellion gegen sie, die sich erfahrungsgemäß leicht mit panislamischen Zielsetzungen verbinden konnte und sich damit nicht nur gegen die chinesische Herrschaft in Sinkiang, sondern gleichzeitig auch gegen die russische in Turkestan richtete, sie schuf aber andererseits auch Voraussetzungen, die Ruß-land keinerlei Handhaben für Übergriffe lieferten. Solche Übergriffe waren — wie die vorstehende Darstellung gezeigt hat — in der Regel immer dann erfolgt, wenn die chinesische Politik in Sinkiang in Gegensatz zu den Interessen der islamischen Bevölkerung der Provinz geraten war.

Dennoch wäre es verfehlt, die Zurückhaltung der russischen bzw. sowjetischen Zentralasienpolitik bis 1928 allein auf die umsichtige Politik Yang Tseng-hsins zurückzuführen. Die Gründe dafür müssen auch darin gesucht werden, daß Zentralasien für die Außenpolitik der zaristischen Regierung bis 1918 wegen der Notwendigkeit der Konzentration aller Kräfte auf den Krieg in Europa ein Problem von untergeordneter Bedeutung war und daß auch für die sowjetischen Staats-und Parteiführer nach der Oktober-Revolution zunächst andere Schwierigkeiten zu bewältigen waren: In der Periode bis 1928 wurde die vordringlichste Aufgabe in der inneren Konsolidierung des Sowjetsystems gesehen. Darin liegt auch die Erklärung dafür, daß die Sowjetregierung in dieser Zeit an allen „Fronten" der Außenpolitik gewissermaßen „kurz getreten" hat.

Für die Beurteilung der zurückhaltenden Zentralasienpolitik ist ferner nicht unwesentlich, daß eine Begleiterscheinung der inneren Konsolidierung des Sowjetsystems die Politik der relativen Duldung des Islams war, die ihren Abschluß praktisch erst mit dem Inkrafttreten des an anderer Stelle analysierten Beschlusses „über die religiösen Vereinigungen" vom 8. April 1929 bzw. — politisch-ökonomisch gesehen — mit der Verkündung des ersten Fünfjahresplanes gefunden hat. Da die Zentralasienpolitik immer in hohem Maße auch Religionspolitik sein mußte, ist diesem Gesichtspunkt fraglos nicht nur periphäre Bedeutung für die Beurteilung der sowjetischen Zentralasienpolitik dieser Zeit zuzumessen.

Im übrigen ließ aber auch der unmittelbar nach der Oktober-Revolution veröffentlichte, von Lenin und Stalin gemeinsam unterzeichnete Aufruf „An alle Muslime Rußlands und des Ostens" erkennen, daß sich die sowjetische Außenpolitik eindeutig von den Zielsetzungen und von der Praxis der zaristischen absetzen wollte. Mit ihrer Zurückhaltung gegenüber der Entwicklung in Sinkiang bis 1928, dem Jahr der Ermordung Yangs, ist es der Sowjetregierung zweifellos gelungen, die Glaubwürdigkeit dieser Absicht zu vergrößern. Schließlich darf aber auch ein letztes Kriterium nicht außer acht gelassen werden, nämlich die Tatsache, daß die enge Zusammenarbeit der Sowjetregierung mit Chiang Kai-shek bis 1927 mit einer gleichzeitigen expansiven Politik in Sinkiang kaum vereinbar gewesen wäre.

III. Das sowjetische Vorgehen in Sinkiang

Nach 1928 entstand jedoch eine grundlegend neue Situation. Der Nachfolger Yang Tsenghsins im Amte des Generalgouverneurs, Tsin Schu-jen, der unter Yang Chef der Politischen Abteilung der Verwaltung von Sinkiang war und sich nach dessen Ermordnung selbst zum Generalgouverneuer erklärte, war zwar wie Yang auch ein Beamter alter Schule, er erwies sich aber für ein so schwieriges Regierungsamt als nicht sehr geeignet. Korruption und Vetternswirtschaft, die vor 1912 in Sinkiang an der Tagesordnung waren, hatten bereits nach kurzer Regierungstätigkeit das unter schwierigen Voraussetzungen durchgeführte Aufbauwerk Yang Tseng-hsins nahezu vollständig zerstört. 1. Doppelgleisigkeit der Politik in Zentral-asien Die Gewaltherrschaft und Mißwirtschaft Tsin Schu-jens mußte zwangsläufig in erster Linie auf Kosten der muslimischen Bevölkerung gehen. Sie forderte deren Widerstand geradezu heraus und trieb sie schließlich in den Aufstand: Er brach unter den muslimischen Uiguren in Hami aus, griff sehr schnell auf Kaschgarien über und ließ auch die Kasachen, Turkmenen und Kirgisen Sinkiangs zu den Waffen gegen die chinesische Herrschaft greifen. Von entscheidender Bedeutung nicht nur für den Verlauf dieser Aufstandsbewegung, sondern für die weitere Entwicklung Sinkiangs überhaupt aber war, daß die islamischen Dunganen von Kansu unter Führung des zu dieser Zeit erst 23jährigen Generals Ma Tsch’ung-ying ihren Glaubensgenossen in Sinkiang zu Hilfe eilten Erst durch dieses Eingreifen, das die Armee Ma Tsch'ung-yings sehr schnell bis vor die Tore der Hauptstadt Urumtschi führte, entwickelte sich der Aufstand der Uiguren von Hami in kürzester Frist zu einer breiten Volksbewegung, welche die chinesische Herrschaft in Sinkiang überhaupt in Frage stellte.

Bei Ma Tsch’ung-ying handelte es sich um einen hochbegabten jungen Offizier. Aus religiösen und nationalen Gründen war er ein unversöhnlicher Gegner der Sowjetunion. Er hatte sich vor allem mit turkmenischen Beratern umgeben und wurde von seinen Krie-gern mit großer Hingabe, von vielen von ihnen sogar als der erwartete Mahdi verehrt. Dies hing vor allem damit zusammen, daß die Zielsetzung seines Eingreifens in Sinkiang weit über die Hilfeleistung für die Glaubens-brüder hinausging und — ganz ähnlich wie bei Yakub Bek im 19. Jahrhundert, nur mit viel mehr Nachdruck und unter günstigeren Voraussetzungen — auf die Schaffung eines islamischen Staates hinauslief, der ganz Zentral-asien, also nicht nur Sinkiang umfassen sollte. Damit wurde die muslimische Aufstandsbewegung nicht nur zu einer Gefahr für die chinesische Herrschaft in Zentralasien, sondern stellte auch die Außenpolitik der Sowjetunion vor eine neue, höchst verwirrende und gefährliche Situation.

Für die Regierung in Moskau ergaben sich daraus folgende Möglichkeiten: Sie konnte entweder zugunsten der muslimischen Aufstandsbewegung in Sinkiang eingreifen, also gewissermaßen die Stärke der „Partei der Unterdrückten" ausnutzen. Dies hätte die Möglichkeit eröffnet, sie zu kontrollieren, zu neutralisieren und dadurch gleichzeitig für die Verfolgung der eigenen Interessen zu nutzen. Wegen der „Anfälligkeit" der Muslime auch des sowjetischen Teils von Zentralasien für die von Ma Tsch’ung-ying verkündeten Ideen eines ganz Zentralasien umfassenden islamischen Staates wäre eine solche Politik aber von vornherein mit sehr großen Risiken beladen gewesen. Oder aber sie konnte die Schwäche der Zentralregierung ausnutzen, um jetzt diejenigen politischen und vor allem wirtschaftlichen Konzessionen zu erlangen, die ihr bis dahin nicht nur von Yang Tseng-hsin, sondern auch von der chinesischen Zentralregierung direkt oder indirekt verweigert worden waren.

Angesichts dieser Möglichkeiten war die Politik der Sowjets höchst aufschlußreich: Sie lieferten Waffen und anderes Kriegsmaterial an Tsin Schu-jen und unterstützten ihn dadurch direkt gegen die Rebellionen der Muslime; darauf ist es vor allem zurückzuführen, daß der Vormarsch Ma Tsch’ung-yings vor Urumtschi aufgehalten werden konnte. Tsin Schujen wurde gleichzeitig — am 1. Oktober 1931 — zur Unterzeichnung eines Geheimabkommens und von vier Zusatzabkommen gezwungen mit dem der Sowjetunion weitgehende wirtschaftliche Konzessionen und Privilegien eingeräumt wurden, nämlich — das Recht, Handelsbüros in Urumtschi, Tschugutschak, Hi (Kuldscha) und Kaschgar zu eröffnen;

— das Recht unbeschränkter Freizügigkeit für die Angestellten der Handelsbüros und andere Sowjetbürger im Gesamtgebiet von Sinkiang zur Erleichterung des Handelsverkehrs; — Zollvergünstigungen für alle Waren sowjetischen Ursprungs; — die Herstellung einer Kabelverbindung zwischen Tschugutschak und Bachti sowie Genehmigung des Funkverkehrs zwischen Funk-stellen in Sinkiang und in der Sowjetunion; — Tsin Schu-jen mußte sich ferner mit einer umfangreichen technischen Hilfeleistung der Sowjetunion, nämlich Maschinenlieferungen und mit der Entsendung sowjetischer Experten zur wirtschaftlichen Erschließung der Provinz, einverstanden erklären.

Schon dieser Vertrag stellte an sich einen ungeheuerlichen Vorgang dar, weil er unter offener Verletzung der Souveränität Chinas mit einer Provinzregierung zu einer Zeit abgeschlossen wurde, in der auch keine diplomatischen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und China bestanden Doch scheute die Sowjetunion darüber hinaus auch das offene Eingreifen in Sinkiang nicht: Unter dem Vorwand, die Position der Zentralregierungen zu stärken, in Wirklichkeit aber zum „Schutz" der durch den Vertrag von 1931 neu gewonnenen Konzessionen, wurden 10 000 Soldaten der nordmandschurischen Armee, die 1932 von den Japanern über die sowjetische Grenze abgedrängt und in der Sowjetunion interniert worden waren, nach Sinkiang „repatriiert".

Parallel zur Unterstützung der Regierung in Urumtschi versorgte gleichzeitig aber auch der sowjetische Konsul in Kaschgar den Zivilgouverneur von Kaschgar, Ma Schao-wu, mit Waffen und Munition aus der Sowjetunion und stärkte damit auch den muslimischen Aufständischen den Rücken gegen die chinesische Zentralregierung — und damit natürlich auch gegen deren Repräsentanten Tsin in Sinkiang Die Doppelgleisigkeit der sowjetischen Zentralasienpolitik konnte sinnfälliger keinen Ausdruck finden.

Die Folgen der Politik Tsin Schu-jens entsprachen in jeder Hinsicht den offensichtlichen Erwartungen der sowjetischen Politik. Sie hatte die lange erstrebten Wirtschaftskonzessionen auf breiter Ebene erzwungen und damit praktisch auch die ganze „Neue Provinz" politisch „in den Griff" bekommen. Der Vertrag mit der Sowjetunion rettete dennoch für Tsin Schu-jen die Situation keineswegs; im Gegenteil. Am 12. April 1933 wurde er durch seinen eigenen Stabschef Scheng Schih-ts’ai gestürzt. Der Bürgerkrieg im Lande wurde nicht nur nicht beendet, sondern durch das doppelseitige sowjetische Engagement verstärkt. 2. Widerstand der islamischen Bevölkerung Ob die Sowjetunion in diesen verwirrenden Zuständen eine Möglichkeit erblickt hat, Sinkiang endgültig an sich zu binden, mag hier unerörtext bleiben, ist vielleicht auch kaum noch zu klären. Auf jeden Fall zieht aber die Person des Scheng Schih-ts’ai in Zusammenhang mit der Politik der Sowjetunion das Interesse in besonderem Maße auf sich: Scheng hatte seine Ausbildung in Japan erhalten und dabei große Sympathien für den Kommunismus entwickelt. Bei seinem Regierungsantritt 1933 nach dem Sturz des unfähigen und korrupten Tsin Schu-jens hatte Scheng die Ziele seiner Regierung vor allem darin gesehen, die Provinz von „japanischen Agenten" freizuhalten — zu ihnen rechnete er übrigens auch Ma Tsch'ung-ying und seine Anhänger — und die Lebensverhältnisse der nichtchinesischen Bevölkerung zu verbessern Vor allem zur Realisierung des zweiten Ziels hatte er ein Programm aufgestellt, in dem der Be-völkerung Sinkiangs die Gleichheit der Nationalitäten, Religionsfreiheit, Agrarreformen, eine umfassende Finanzreform, der systematische Aufbau eines Erziehungswesens, die Reform der Verwaltung und der Justiz und schließlich erneut das unabdingbare Recht der Selbstverwaltung zugesichert wurden.

Die Deklaration dieser sehr weit gesteckten Zielsetzungen sollte der Bevölkerung zeigen, daß hier ein Versuch der Rückkehr zur Politik vor 1928 unternommen werden sollte. Sie konnte aber ganz offensichtlich nicht überzeugen, denn die Wirren innerhalb des Landes wurden durch die Politik Schengs nicht beendet, im Gegenteil; die Muslim-Aufstände flammten jetzt erneut und sogar wesentlich heftiger als je zuvor auf: Ma Tsch'ung-ying brachte jetzt große Teile der gesamten Provinz — bis etwa 200 km ostwärts von Urumtschi — unter seine Kontrolle. Die Dunganen im Norden waren bereit, mit Ma gemeinsam auf Urumtschi zu marschieren. Und auch die übrigen muslimischen Führer Sinkiangs bekannten sich entweder offen zu Ma oder unterhielten Geheimverbindungen zu ihm. Für Scheng verschärfte sich die Situation noch wesentlich dadurch, daß auch der Kommandant der Garnison Ili, Schang Pei-yuan, revoltierte und gegen Urumtschi marschierte, nachdem er bezeichnenderweise von den Sowjets ausgerüstet worden war.

Scheng sah sich somit — von drei Seiten bedroht — in einer Lage, die ihm als einzigen Ausweg nur noch das Ersuchen um Hilfe an die Sowjetunion ließ. Damit war aber die Situation entstanden, auf welche die Sowjets ganz offensichtlich systematisch hingearbeitet hatten, um an das von ihnen erstrebte Ziel zu gelangen: die faktische politische und wirtschaftliche Integration Sinkiangs. Der Ablauf der weiteren Entwicklung vollzog sich nun gewissermaßen planmäßig: Im Dezember 1933 fanden zunächst umfangreiche Geheimverhandlungen statt, bei denen die Sowjetunion durch General Pogodin vertreten wurde Bis heute ist nicht bekanntgeworden, ob die Ergebnisse dieser Verhandlungen jemals schriftlich fixiert worden sind und ob es überhaupt eine schriftliche Vereinbarung gegeben hat. Der Ablauf der diesen Verhandlungen folgenden Entwicklung zeigte aber, daß ein um-fassendes Übereinkommen erzielt worden sein muß, in dem sich die Sowjets bereit erklärten, die Provinz zunächst militärisch zu „befrieden" und Tscheng sich — gewissermaßen als Gegenleistung — verpflichtete, der Sowjetunion wirtschaftliche Rechte in ganz Sinkiang einzuräumen, die weit über die früheren Konzessionen hinausgingen.

Unmittelbar im Anschluß an diese Geheimverhandlungen begann die Rote Armee mit der Liquidierung des Aufstandes: Anfang 1934 wurden etwa 7 000 Mann, mit Panzern und Artillerie ausgerüstet zur Bekämpfung von Ma Tsch'ung-ying nach Sinkiang eingeschleust. Dabei wurden auch sowjetische Kampfflugzeuge eingesetzt, die durch Verwendung von Gasbomben die Truppen Mas offenbar weitgehend demoralisiert haben Ma zog sich zunächst nach Kaschgar zurück und leistete noch einige Zeit Widerstand. Dann verschwand er auch von hier, und es ist wahrscheinlich, daß er mit Hilfe der sowjetischen Handelsagentur in Kaschgar in die Sowjetunion emigriert ist

Sven Hedin hat in seinem Buch „Die Flucht des großen Pferdes" aus dem unmittelbaren Erleben heraus anschaulich über die Legendenbildung berichtet, welche die Person dieses muslimischen Führers zu einer dem „verborgenen Mahdi" ähnlichen Figur erhob 3. Politische Bindung mit wirtschaftlichen Mitteln Nach der Niederschlagung der von Ma Tsch’ung-ying geführten Aufstandsbewegung nahm General Pogodin die „Befriedung" des Landes in Angriff. Er stelle zu diesem Zweck ein „Befriedungskorps''auf, das eine großangelegte „Säuberung" durchführte; ihr fiel im übrigen auch das weißrussische Korps in Urumtschi zum Opfer. Mit der Besetzung des 560 km ostwärts von Urumtschi gelegene Hami durch das Korps der sogenannten „Altai-Freiwilligen" — dabei handelte es sich praktisch um eine Panzereinheit der Roten Armee in Stärke von 3 000 Mann, die in chinesische Uniformen gesteckt worden waren — konnte der Zugang nach Sinkiang von der Provinz Kansu aus unter Kontrolle gebracht werden. Als Begründung für die Besetzung von Hami wurde zwar angegeben, daß Sinkiang gegen eventuelle japanische Vorstöße aus der Inneren Mongolei abgeschirmt werden sollte. In Wirklichkeit sollte dadurch aber gewährleistet werden, daß sich die völlige und systematische Sowjetisierung Sinkiangs ohne ernsthafte Störungen von außen vollziehen konnte. a) 'Wirtschaftliche Durchdringung Sinkiangs Die Durchdringung und faktische Einbeziehung Sinkiangs in den sowjetischen Herrschaftsbereich wurde vor allem mit wirtschaftlichen Mitteln realisiert. Für sie war — wie gezeigt — bereits in der Periode Tsin Schu-jens die Grundlage gelegt worden. Bereits 1930 war die turkmenisch-sibirische Eisenbahn, welche die sowjetisch-chinesische Grenze flankiert, weitgehend fertiggestellt und damit die wichtigste Verbindung zur chinesischen Grenze geschaffen worden. Durch den Vertrag vom 1. Oktober 1931 waren der Sowjetunion Abbaukonzessionen für Erdöl, Gold und andere Mineralien eingeräumt worden. Auf dieser Grundlage begannen die sowjetischen Experten 1935 ohne nochmalige Erlaubnis der Provinzialregierung in Urumtschi bei Tu-Schantse (in der Nähe von Wusu, etwa 380 km westlich von Urumtschi) mit der Erdölsuche. Aufgrund der von sowjetischen Fachleuten vorgenommenen Erschließungsarbeiten wurden 1937 die Gesamtölvorkommen in Sinkiang auf 120 Millionen Tonnen geschätzt. 1939 wurde in diesem Gebiet eine Raffinerie gebaut; 1942 waren 35 Bohrtürme mit einer Tagesproduktion von 67, 3 Tonnen in Betrieb

Die wirtschaftliche Nutzung Sinkiangs war von einer umfangreichen „antiimperialistischen" Kampagne begleitet, durch die die indischen und britischen Händler zunächst unter ständigem Druck gehalten und dann 1939 sogar dazu gezwungen wurden, unter Zurücklassung all ihrer Warenbestände das Land zu verlassen. Dieser Aktion schloß sich ein Boykottfeldzug gegen das britische Generalkonsulat in Kaschgar an

Typisch für die sowjetische Politik in Sinkiang in der ersten Phase der Regierung Scheng Schi-ts’ais waren ferner die 1933/34 geführten Verhandlungen, die zur Vergabe eines sowjetischen Kredits in Höhe von insgesamt 5 Millionen Goldrubel führten; die Rückzahlung sollte durch Viehlieferungen erfolgen Mit diesem Kredit wurde die Finanzierung der sowjetischen Entwicklungsvorhaben der Provinzialregierung aufgebürdet, denn mit ihm sollte die Verbesserung des Nachrichtenwesens, der Bau von Fabriken, insbesondere aber der Bau einer Raffinerie in der Nähe von Urumtschi zur Ausbeutung der Ölvorkommen von Karamai ermöglicht werden — von Vorhaben also, aus denen in erster Linie die Sowjetunion Vorteile zog. Darüber hinaus sollte der Kredit aber auch zur Stabilisierung der Währung des Landes dienen.

Bis Ende 1937 scheinen die Sowjets eine nahezu vollständige wirtschaftliche Bindung Sinkiangs an die Sowjetunion erreicht zu haben. Dafür sprechen zumindest alle Maßnahmen, die jetzt von der Provinzialregierung ergriffen wurden: Scheng verkündete in diesem Jahr den für den Zeitraum 1938 bis 1940 angesetzten ersten Dreijahresplan für die wirtschaftliche Entwicklung nach dem sowjetischen Planvorbild, und er definierte bereits 1936 die acht Punkte seines Regierungsprogramms von 1933 ganz im Sinne dieser Bindung. Als dessen Grundlage bezeichnete er den „Antiimperialismus", worunter er den Kampf gegen die Japaner und die Engländer verstand, und die „Freundschaft zum sowjetischen Brudervolk", also die politische und wirtschaftliche Orientierung auf die Sowjetunion, nicht aber auf die chinesische Zentralregierung. In den Jahren zwischen 1940 und 1943 konnten die Sowjets ihre, wie sich jetzt zeigen sollte, noch sehr viel weiter gehenden Pläne auf der bis 1937 bereits geschaffenen Grundlage offen und ohne besondere Rücksichtnahme auf die Zentralregierung verfolgen. Die Voraussetzungen dafür ergaben sich vor allem aus dem Überfall Japans am 7. Juli 1937 auf China. Durch ihn in eine hart bedrängte Lage gebracht, sah sich die chinesische Zentralregierung bereits am 21. August 1937 zum Abschluß eines Nichtangriffspaktes mit der Sowjetunion gezwungen Ihm folgte der Abschluß von drei Kreditabkommen, durch die China bis Mitte 1939 von der Sowjetunion insgesamt 250 Millionen Dollar zur Intensivierung seiner Kriegsanstrengungen gegen Japan erhielt Schließlich wurde am 16. Juni 1939 auch noch ein Handelsvertrag zwischen der Sowjetunion und China geschlossen Die kritische Lage, in die China durch den Angriff Japans geraten war, läßt sich wohl an nichts deutlicher erkennen als an der Eile, mit der sich die chinesische Regierung zu einer völligen Neugestaltung ihres Verhältnisses zur Sowjetunion gezwungen sah. Tatsächlich soll die Sowjetunion China in diesen Jahren materiell erheblich stärker unterstützt haben als die USA und Großbritannien zusammen.

Auch für die Sowjetunion ergab sich daraus eine völlig neue Situation, und es ist durchaus vorstellbar, daß ihr zumindest hinsichtlich der Pläne für Sinkiang der Überfall Japans aut China nicht ungelegen kam. Der entscheidende „Vorstoß" nach Sinkiang konnte außerdem unter einer anderen günstigen Voraussetzung insofern geplant werden, als nämlich der im August 1939 mit dem Deutschen Reich abgeschlossene Pakt ihr den Rücken in Europa politisch, wirtschaftlich und auch militärisch freihielt. In diesem Zusammenhang muß schließlich auch die Tatsache festgehalten werden, daß Scheng Schi-ts’ai im Jahre 1938 bei einem Besuch in der Sowjetunion und im Anschluß an ein persönliches Gespräch mit Stalin der Kommunistischen Partei der Sowjetunion beigetreten ist b) Der Vertrag vom 26. November 1940

Für die weitere Entwicklung in Sinkiang sollte dieser Akt zentrale Bedeutung bekommen. Ohne diese Voraussetzungen wäre jedenfalls der Abschluß des am 26. November 1940 unterzeichneten „Abkommens" zwischen Scheng Schi-ts’ai als „Vertreter der Regierung von Sinkiang" sowie Karpov und Bakulin als „Vertreter der Regierung der UdSSR" kaum vorstellbar gewesen. Die wichtigsten Bestimmungen dieses Vertrages — der Text ist bezeichnenderweise erst 1950 bekanntgeworden — lassen keinen Zweifel daran aufkommen, daß es sich dabei um nichts anderes handelte als die Legitimierung einseitiger Rechte der Sowjetunion und der Pflichten Sinkiangs, unter rigoroser Ausnutzung des Kampfes Chinas gegen Japan: „Artikel 1: Die Regierung von Sinkiang erklärt sich bereit, der Regierung der UdSSR Exklusivrechte für die Feststellung, Erforschung und Ausbeutung von Zinnvorkommen und zugehörigen Nebenvorkommen an anderen Mineralien innerhalb des Territoriums von Sinkiang einzuräumen." Die weiteren Artikel dieses für einen Zeitraum von 50 Jahren geschlossenen Vertrages enthalten Bestimmungen über die wirtschaftliche Vorrangstellung des in der UdSSR für die Zinn-Ausbeutung gegründeten Trusts „SinZinn". über die „Verhandlungen", die dem Vertragsabschluß vorausgingen, hat Scheng Schi-ts'ai in einem späteren Brief an Chiang Kai-shek ausführlich berichtet. Der Wortlaut verdient hier wenigstens auszugsweise zitiert zu werden, weil er die Methoden erkennen läßt, mit denen Scheng zur bedingungslosen Annahme der sowjetischen Forderungen gezwungen wurde „Ganz unerwartet schickte die Sowjetunion im November 1940 einen Sendboten mit einem an mich gerichteten, streng vertraulichen Schreiben nach Sinkiang. Dieses Dokument betraf die Verpachtung der Zinnvorkommen von Sinkiang zu höchst lächerlichen und unbilligen Bedingungen und war dazu noch in überaus aggressivem Ton gehalten. Damals bestand ich auf Revision der Bedingungen und Verkürzung der Pachtfrist. Der Sendbote erklärte mir jedoch, kein einziges Wort des Textes könne geändert werden, und außerdem sollte ich mich als Mitglied der KPdSU an die Weisungen der Partei halten und mich etwas energischer und kämpferischer für die Interessen der Sowjetunion einsetzen ..

Wie schon der Artikel 1 des zitierten Textes zeigt, räumte der Vertrag der Sowjetunion praktisch jede Möglichkeit zur Ausbeutung aller Bodenvorkommen in Sinkiang ein. Uber das volle Ausmaß der Inanspruchnahme dieser Rechte ist bisher nur wenig bekanntgeworden. Nach Feststellungen der chinesischen Zentralregierung haben sich die Untersuchungen der sowjetischen Experten auch auf die großen Wolfram-Lager im südlichen Altai-Vorland konzentriert. Unter dem Einsatz von 60 Ingenieuren und Technikern sowie 3 000 zwangsverpflichteten Arbeitern sollen von hier ohne Wissen und Erlaubnis der chinesischen Regierung allein in der Zeit von April 1941 bis April 1943 mehr als 150 Tonnen Wolfram abtransportiert worden sein

Der Höhepunkt des sowjetischen Drucks auf die Provinzialregierung war mit dem Vertrag vom 26. November 1940 aber noch keineswegs erneicht. Im Juli 1942 legte der stellvertretende Außenkommissar der Sowjetunion, Dekanossov, bei einem Besuch in Urumtschi dem Gouverneur Scheng vielmehr eine Reihe von weiteren Forderungen vor, die sich vor allem auf die Erteilung einer umfassenden Erdöl-konzession bezogen. Der von sowjetischer Seite gefertigte Entwurf umfaßte insgesamt 18 Artikel. Er enthielt im wesentlichen Bestimmungen darüber, daß die Ölfelder einer gemischten Gesellschaft — der „SinkiangSowjetischen Ölgesellschaft" — als Eigentum übergeben werden sollten, sowie Regelungen über die Finanzierungs-und Verwaltungsfragen c) Der erzwungene Rückzug Diese Forderungen Dekanossovs lösten bei Scheng allergrößte Vorsicht und sogar Skepsis aus, zumal da eine Verschwörung gegen ihn und seine Provinzialregierung festgestellt wurde. In seinem bereits zitierten Brief an Chiang Kai-shek tritt die Ernüchterung bezüglich der Absichten der Sowjets in Sinkiang besonders deutlich hervor, wenn er feststellt „Die Aufrichtigkeit meiner Absichten blieb nicht nur unbelohnt, sondern ganz im Gegenteil wurde meine enge Anlehnung an die Sowjets bei jeder Gelegenheit benutzt, um Sinkiang. Schaden zuzufügen. In diesem Zusammenhang sind z. B. die vielen sporadischen, sämtlich fehlgeschlagenen Putschversuche zu erwähnen. ... Es war geplant, die amtierende Verwaltung zu stürzen und ein von den Sowjets im Verein mit den chinesischen Kommunisten beherrschtes, von der chinesischen Regierung unabhängiges Sowjetregime zu errichten ..."

Bestärkt durch die sich zunehmend verschlechternde Situation der Sowjetunion in Europa infolge der ungünstigen Entwicklung des Krieges gegen Deutschland entzog sich Scheng Schi-ts'ai der Kontrolle der Sowjets. Mit dem schon mehrfach zitierten Brief vom 7. Juli 1942 an Chiang Kai-shek suchte er bei der chinesischen Zentralregierung in Tschungking Rückhalt. Bereits zehn Tage später teilte er dem damaligen Außenkommissar in einem Brief mit daß Sinkiang eine Provinz Chinas sei und es deshalb erforderlich wäre, daß die Sowjetunion wegen der von Dekanossov geforderten Ölkonzession in Sinkiang direkt mit Tschungking verhandele. In seiner Ant-wort an Scheng vom 20. August 1942 erklärte sich Molotov notgedrungen damit einverstanden. Daraufhin fanden in der Zeit vom Oktober 1942 bis März 1943 ausgedehnte Verhandlungen des sowjetischen Botschafters in China, Panjuskin, mit den zuständigen chinesischen Stellen in Tschungking statt; sie führten jedoch zu keinem greifbaren Ergebnis.

Scheng ging noch einen erheblichen Schritt weiter: Er kündigte das Abkommen vom 26. November 1940 und verlangte den sofortigen Abzug der sowjetischen Techniker aus Sinkiang. Außerdem ließ er eine ganze Reihe von kommunistischen und linksorientierten Beamten seines eigenen Verwaltungsapparates verhaften. Diese Ereignisse ließen der Sowjetunion kaum eine andere Wahl, als den Rückzug aus Sinkiang anzutreten. Am 10. April 1943 teilte der sowjetische Generalkonsul in Urumtschi Scheng mit, daß die Arbeiten an den Zinngruben eingestellt, das technische Personal abgezogen und die installierten Maschinen demontiert werden sollten. Gleichzeitig brach Panjuskin die Verhandlungen in Tschungking über die Erteilung von Erdölkonzessionen ab und kündigte den Abbau aller Installationen in Tu-Schantse an — einschließlich der Bohrtürme und der Raffinerieanlagen. Er teilte ferner mit, daß die Handelsgesellschaft „Sovsintorg" ihre Tätigkeit einstellen, die sowjetischen Berater abziehen und auch das in Hami stationierte sowjetische Regiment in die Äußere Mongolei verlegt werden würde.

In der letzten Phase des sowjetischen Rückzuges aus Sinkiang boten die Sowjets am 2. November 1943 der Zentralregierung den Verkauf der nicht abtransportierten Bohranlagen für insgesamt zwei Millionen Dollar und der Gebäude für 490 000 Dollar an. Der Ge samtkaufpreis für Anlagen und Gebäude wur de schließlich auf den Betrag von 1, 7 Millionen Dollar reduziert, den die chinesische Zentralregierung auf das Konto der sowjetischen Staatsbank bei der Chase National Bank in New York einzahlte. Damit war gewissermaßen der „Schlußpunkt" hinter dieses Kapitel der sowjetischen Sinkiang-Politik gesetzt: Sinkiang stand praktisch zum ersten Mal wieder seit 1912 — also seit Yang Tsen-hsins Amtsantritt — unter der vollen und unmittelbaren Kontrolle der chinesischen Zentralregierung. 4. Muslimische Aufstände und erneute sowjetische Intervention Wie wenig aber das grundsätzliche Interesse der Sowjetregierung an Sinkiang durch diesen „Rückzug" beeinträchtigt wurde, sollte sich bereits erweisen, nachdem der Sieg über Deutschland im Zweiten Weltkrieg praktisch feststand, die Sowjetunion also gewissermaßen auch innerhalb der Koalition mit den übrigen Kriegsgegnern Deutschlands vor dem Höhepunkt ihrer Macht stand. Mit dieser Entwicklung war, daran muß auch in diesem Rahmen noch einmal erinnert werden, die an anderer Stelle 45a) ausführlicher behandelte bedingte Liberalisierung in der Religionspolitik im allgemeinen und in der Islampolitik im besonderen unmittelbar verbunden.

Ob die erneute Aktivierung der sowjetischen Sinkiang-Politik auch mit diesen Vorgängen innerhalb der Sowjetunion in Beziehung zu bringen ist, läßt sich heute nicht mehr oder vielleicht erst dann klären, wenn entsprechendes Archivmaterial ausgewertet werden kann. Die Möglichkeit eines solchen Zusammenhangs darf jedoch nicht ausgeschlossen werden: Bereits im Februar 1944 begann mit der Rebellion der Kasachen-Stämme unter ihrem Führer Usman Batur die letzte große Aufstandsbewegung der Muslime in Sinkiang vor der Machtergreifung Mao Tse-tungs (1. Oktober 1949). Sie v/ar durch die gleichen Merkmale geprägt, die bis dahin immer Ausgangspunkt und Kern der Muslimaufstände in Zentralasien gewesen waren, nämlich durch das Streben nach einer möglichst weitgehenden Autonomie zwischen den beiden Großmächten in West und Ost. Aufstandsbewegungen in Sinkiang haben sich — wie gezeigt wurde — immer dann geradezu von selbst entzündet, wenn entweder die chinesische Zentralregierung ihre Souveränität mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln praktiziert hat oder aber wenn durch die politischen und wirtschaftlichen Interessen Rußlands bzw.der Sowjetunion eine zu starke Bindung an die Politik Moskaus befürchtet werden mußte. Insofern befand sich Sinkiang eigentlich permanent in der Gefahr, Spielball im Konflikt der Macht-interessen beider Länder zu sein.

Auch in der Aufstandsbewegung Anfang 1944 spiegelt sich dieses Spannungsverhältnis deutlich wider. Sie wurde ausgelöst durch die Un-* Zufriedenheit der muslimischen Bevölkerung mit der Politik der chinesischen Zentralregierung und bot damit indirekt auch der Sowjetunion einen Ansatzpunkt zur erneuten Beeinflussung der weiteren Entwicklung Sinkiangs. Die rebellierenden Kasachen-Stämme unter Usman Batur waren mit Waffen und Munition ausgerüstet, die von der Sowjetunion geliefert worden waren. Sie wurden unterstützt von mongolischen Truppen unter Führung von sowjetischen Offizieren und durch die sowjetische Luftwaffe, die von der Äußeren Mongolei aus mehrere schwere Bombenangriffe gegen die chinesischen Regierungstruppen flogen. Ohne diese Hilfeleistung wäre die völlige Vernichtung von drei chinesischen Regimentern durch Usman Batur und seine kasachischen Truppen kaum denkbar gewesen.

Die Sowjetunion hat aus ihrem Eingreifen zugunsten Usman Baturs auch keinen Hehl gemacht. Sie rechtfertigte es, indem sie die in Sinkiang stationierten chinesischen Truppen beschuldigte, die territoriale Integrität der Äußeren Mongolei verletzt zu haben In einer TASS-Verlautbarung zu diesen Ereignissen wurden sogar weitere „Gegenmaßnahmen" angedroht Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die angeblichen Übergriffe chinesischer Truppen wurde darin wörtlich festgestellt: . .deshalb wird sich die Sowjet-regierung gezwungen sehen, der Regierung der Mongolischen Volksrepublik jede notwendige Hilfe und Unterstützung zu gewähren".

Der Zeitpunkt der erneuten Intervention in Sinkiang war von der Sowjetregierung außerordentlich geschickt gewählt worden: In den USA hatte die „Russophilie" in dieser Zeit ihren Höhepunkt erreicht. Für Roosevelt und seine Regierung hatte der Krieg in Europa und die zu seiner Beendigung unabdingbare Kooperation mit der Sowjetunion absoluten Vorrang. Deshalb unternahm er auch jeden Versuch, den Ausbruch von Konflikten unter seinen Verbündeten — in diesem Fall zwischen China und der Sowjetunion — mit allen zu Gebote stehenden Mitteln zu verhindern. Diesem Zweck diente auch die Reise, welche in seinem Auftrag der amerikanische Vizepräsident, Henry A. Wallace, vom 20. Mai bis 10. Juli 1944 unternahm; sie führte ihn zunächst in die Äußere Mongolei, dann nach sowjetisch Zentralasien, von hier auch nach Urumtschi, wo er mit Scheng Schi-ts’ai konferierte und schließlich nach Nanking zu ausführlichen Gesprächen mit Chiang Kaishek. Den Zweck dieser Reise in die chinesisch-sowjetischen Grenzgebiete und nach China präzisierte Wallace in einer ausführlichen Darstellung ihres Verlaufs. Roosevelt „wollte sich auf diesem Wege", so schreibt er wörtlich „eine Meinung darüber bilden, inwieweit etwaige künftige Grenzkonflikte zwischen China und Rußland sich auf ein Minimum reduzieren lassen".

Daß die Abberufung Scheng Schi-ts’ais im Juli 1944 nach Tschungking, wo er ein Ministerium übernahm, weitgehend auf den Einfluß von Wallace zurückzuführen ist, dürfte kaum zweifelhaft sein. Weder der Bericht von Wallace noch die ausführliche Darstellung des sowjetisch-chinesischen Verhältnisses von Chiang Kai-shek geben allerdings darüber Auskunft, ob dieser Akt eine direkte Folge der Reise von Wallace war. Dieser Schluß läßt sich jedoch indirekt aus den (von John Carter Vincent verfertigten) Protokollen über die zwischen Wallace und Chiang Kai-shek geführten Gespräche ziehen. Sie zeigen deutlich, wie sehr Wallace den chinesischen Staatspräsidenten von der Notwendigkeit zu überzeugen suchte, durch Entgegenkommen gegenüber der Sowjetunion den Frieden vor allem in den zentralasiatischen Grenzgebieten zu sichern. Die Protokolle zeigen auch in sehr eindrucksvoller Weise, daß damals Chiang Kai-sheks nachdrückliche Warnung vor einem zu großen Vertrauen in die Sowjetunion und in die chi-nesischen Kommunisten beim amerikanischen Vizepräsidenten auf Unwillen stieß

Die Abberufung Schengs führte jedoch nicht zu der offensichtlich von den Amerikanern erwarteten Beruhigung in Sinkiang, sondern schuf vielmehr die Voraussetzungen für eine noch unbehindertere Entfaltung der sowjetischen Aktivität in Zentralasien. Bereits am 7. November 1944 brach eine neue Rebellion unter der muslimischen Bevölkerung in Kuldscha, also dicht an der sowjetischen Grenze, aus. Sie entwickelte sich wiederum sehr schnell zu einer Aufstandsbewegung, der sich auch die muslimischen Uiguren anschlossen und die starken Zuzug von jenseits der Grenze aus der Sowjetunion erhielt. Die Soldaten der chinesischen Garnison wurden zum Rückzug gezwungen; die Truppen der muslimischen Aufständischen konnten erst rund 100 km vor Urumtschi aufgehalten werden. Damit war die Kontrolle der Sowjetunion über die mit reichen Bodenschätzen ausgestatteten Gebiete Ili, Tatschen und Altai wiederhergestellt. In Urumtschi wurde unter Berufung auf das Selbstbestimmungsrecht der nichtchinesischen Bevölkerung die „Republik von Ostturkestan" proklamiert. An der Spitze ihrer Regierung stand mit Achmed Dschan — sein russischer Name war Kassymov —, ein sowjetischer Staatsbürger

Die Versicherung der sowjetischen Regierung in dem mit China am 14. August 1945 geschlossenen Freundschafts-und Bündnisvertrag sie habe „im Hinblick auf die jüngsten Vorgänge in Sinkiang nicht die Absicht, sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen", war angesichts der auf diese Weise vorgenommenen Absicherungen des sowjetischen Einflusses belanglos. Sie war eher von der durchaus richtigen Überzeugung getragen, daß die Kuomintang zu dieser Zeit schon nicht mehr in der Lage war, ihrem staatsrechtlich legitimen Souveränitätsanspruch in Sinkiang Geltung zu verschaffen. Eine höchst aufschlußreiche Darstellung der sowjetischen Politik dieser Zeit in Ostturkestan hat der Kasachenführer Usman Batur gegeben der zunächst mit den Ili-Rebellen zusammengearbeitet, dann aber im April 1946 mit ihnen gebrochen und sich wieder auf die Seite der chinesischen Zentralregierung gestellt hatte: „Am 6. September 1945", so stellt er in seinem Bericht fest „trafen 6 000 Mann der Ili-Truppen in Tschenghua, der Hauptstadt des Altai-Gebietes, ein. Sie trugen russische Uniformen und sprachen auch Russisch . .. Sie holten mich zu einer Konferenz nach Ili und verlangten von mir, ich solle meine sämtlichen Kasachen-Verbände nach Ili verlegen, während sie selbst die Garnisonen des Altai-Gebietes besetzen wollten. Dies lehnte ich ab. . .. Die Ili-Leute beschlagnahmten auch im Büro der Aschan-Goldgruben 28 600 Unzen Gold, die von Rechts wegen der Regierung gehören. Jetzt haben die Russen die Ausbeutung der Gold-und Wolframgruben des Altai übernommen und steigern von Tag zu Tag die Förderleistung."

Die unmittelbare Folge des Bruchs von Usman Batur und seiner Kasachen mit der sowjetisch gesteuerten Politik war die sogenannte „Peitachan-Affäre“, die hier wenigstens erwähnt werden muß: Als Usman Batur sich zum Rückzug nach Peitachan (Baitik Bogda) gezwungen sah, wurden Truppen der Äußeren Mongolei zu seiner Verfolgung eingesetzt. Ihre Unterstützung übernahmen Formationen der mongolischen Luftwaffe, die am 5. Juni 1947 die chinesischen Positionen in Peitachan mit Bomben belegten. Ein Protest des chinesischen Außenministeriums gegen diese „Peitachan-Affäre" wurde von der Sowjetunion scharf als nicht den Tatsachen entsprechend und als „eine provokatorische Entstellung" zurückgewiesen. Wenn dennoch, trotz dieses Dementis, die Kämpfe fortgesetzt wurden, so dürfte dafür die Erklärung vor allem darin zu suchen sein, daß dieses rund 200 km von der Grenze der Äußeren Mongolei entfernt liegende Gebiet reiche Uranium-Vorkommen aufwies.

Schließlich sind hier noch eine Anzahl überraschender Luftangriffe auf chinesische Sicherheitsposten und Dörfer im chinesischen Pamirgebiet und der Südwestgrenze von Sinkiang entlang zu erwähnen. Sie wurden von Flugzeugen ausgeführt, die von dem sowjetischen Militärflugplatz Qizil Rabat in Tadschikistan starteten Auch in diesem Falle hatten sich die Sowjets Aufstände muslimischer Tadschiken in Sinkiang zunutze gemacht, die Kaschgar bedrohten, Kaghilik (Jehtscheng) besetzten und Jarkand (Satsche) zu erobern versuchten. Einem Bericht des britischen Generalkonsuls von Kaschgar zufolge waren die Aufständischen nicht nur mit Waffen und Munition aus der Sowjetunion ausgerüstet, sondern auch durch Truppenverbände verstärkt, die vor allem aus muslimischen Tadschiken der Sowjetunion gebildet worden waren. Ob diese Aufstandsbewegungen von der Sowjetunion inspiriert oder noch zusätzlich „angeheizt" wurden, läßt sich nur schwer nachweisen. Daß sie aber den ökonomischen Interessen der Sowjetunion in Sinkiang weit entgegenkamen, ist daran zu erkennen, daß in den Gebieten, die sich der Kontrolle der Provinzialregierung in Urumtschi und der chinesischen Zentralregierung entzogen, die Ausbeutung der Olfelder und der Wolframgruben sofort wieder ausgenommen wurde

Nach dem Kriege war die chinesische Zentralregierung offensichtlich nicht mehr in der Lage, die Entwicklung in Sinkiang ernsthaft zu beeinflussen. Die ganz auf sich gestellte Provinzialregierung sah sich deshalb auch gezwungen, Verhandlungen mit der in Kuldscha gebildeten Regierung der „Republik von Ostturkestan" aufzunehmen. Sie führten im Sommer 1946 dazu, daß die Führer der Kuldscha-Gruppe, nachdem sie liberale Verwaltungsreformen durchsetzen konnten, in die Provinzialregierung von Urumtschi eintraten, deren Vorsitz zunächst der chinesische General Tschang Tschi-tschung übernahm. Er wurde später durch den Uiguren Masud Sabri, den ersten Nichtchinesen seit Yakub Bek, und dann schließlich im Dezember 1948 durch Burchan, einen weiteren Nichtchinesen, ersetzt, blieb aber dennoch Mitglied der Provinzialregierung von Urumtschi.

Wie ohnmächtig die chinesische Zentralregierung dieser Entwicklung gegenüberstand, zeigt, daß die der sowjetischen Regierung am 4. November 1946 unterbreiteten Vorschläge für eine Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Sinkiang und der Sowjetunion bis zum Ende Januar 1949 überhaupt nicht beantwortet wurden. Auch der am 24. Januar 1949 vom sowjetischen Generalkonsul in Kaschgar der Provinzialregierung in Urumtschi unter Mißachtung der Zuständigkeit der Zentralregierung vorgelegte Entwurf für ein dreijähriges Handelsabkommen charakterisiert das damals immer stärkere Schwinden der Macht der Kuomintang. Darin verlangte die Sowjetunion das Vorrecht des unbeschränkten Ex-und Imports von und nach Sinkiang ohne entsprechende Gegenleistungen. In ihm wurde ferner der Abschluß eines neuen, auf fünfzig Jahre befristeten Vertrages über die Bildung gemischter chinesisch-sowjetischer Gesellschaften zur Erforschung und Ausbeutung der Mineral-und Erdölvorkommen Sinkiangs angeregt. Die Sowjetunion verlangte die Beteiligung an der Ausbeutung nicht nur der bekannten, sondern auch der damals noch unbekannten Rohstoffvorkommen. Schließlich sah der Vertragsentwurf noch vor, daß die Generaldirektoren sämtlicher zu bildenden gemischten Gesellschaften von der sowjetischen Regierung benannt werden sollten

Wie schon die Tatsache zeigt, daß die chinesische Zentralregierung der Sowjetunion am 4. November 1946 Wirtschaftsverhandlungen angeboten hatte, war zwar auch China durch-aus an der Erweiterung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Sinkiang und dem westlichen Nachbarn ernsthaft interessiert, wollte diese Ausweitung aber nicht mit der Abtretung der Hälfte aller Erdöl-und Mineralvorkommen von Sinkiang „bezahlen". Die Verhandlungen über den sowjetischen Entwurf in den Monaten März bis August 1949 verliefen deshalb auch sehr zähflüssig. Sie wurden dann schließlich beendet, nachdem im September 1949 Tschang Tschi-tschung und Vertreter der Kuldscha-Gruppe an der von der Kommunistischen Partei Chinas nach Peking einberufenen Versammlung des politischen Volksrates teilgenommen hatten und am 25. und 26. September 1949 zunächst die militärische und dann auch die politische Führung Sinkiangs die Beziehungen zur chinesischen Zentralregierung abbrach und formell in das kommunistische Lager übertrat.

IV. Sinkiang und der sowjetisch-chinesische Konflikt

1. Die Periode des Übergangs bis 1955

Am 17. Dezember 1949 wurde in Urumtschi eine provisorische Volksvertretung eingesetzt. Für die Konfrontation der Sowjetunion und Chinas in Zentralasien hatte die Machtübernahme Mao Tse-tungs in China weitreichende Konsequenzen, deren volle Bedeutung jedoch erst in der jüngsten Vergangenheit hervortraten. a) Das sowjetisch-chinesische Vertragssystem von 1950

Zunächst mußte der Eindruck entstehen, daß der Sowjetunion ohne große Schwierigkeiten von der Kommunistischen Partei Chinas zugebilligt wurde, was sie der Nationalregierung in den zähen Verhandlungen seit Ende Januar 1949 nicht abringen konnte. Nach dem zweimonatigen Aufenthalt von Mao Tse-tung in Moskau wurde zwischen beiden Ländern ein Freundschafts-, Bündnis-und Beistandspakt abgeschlossen Zu den vorausgegangenen Verhandlungen war am 30. Januar 1950 auch eine Delegation aus Sinkiang unter Leitung von Sais ad-Din (Saifuddin), dem stellvertretenden Vorsitzenden der neuen Provinzialverwaltung in Urumtschi, hinzugezogen worden.

Am 27. März 1950 wurde in Moskau ein Abkommen mit dreißigjähriger Laufzeit über die Bildung von zwei gemischten sowjetisch-chinesischen Gesellschaften für die Erdölgewinnung und den Abbau von Edel-und Buntmetallen abgeschlossen In diesem Abkommen wurde der Sowjetunion die Hälfte der Mineral-und Erdölförderung Sinkiangs zugesprochen. Praktisch kam das einem Verzicht Chinas auf die volle Souveränität in Sinkiang gleich — ein Ziel, das die Sowjetunion bereits mit dem Vertragsentwurf vom 24. Januar 1949 angestrebt hatte.

Das ganze Ausmaß der Verpflichtungen und Bindungen, zu denen China in diesen Verhandlungen in bezug auf Sinkiang gezwungen wurde, ist bis heute nicht bekanntgeworden. Es muß aber davon ausgegangen werden, daß es weit über das am 27. März 1950 geschlossene Abkommen hinausgegangen ist. So soll etwa — einer indischen Quelle zufolge — die Sowjetunion ein Geheimabkommen mit der Volksrepublik China erzwungen haben, durch das sie sich die Kontrolle über alle Uran-Vorkommen in Sinkiang sicherte. Die betreffenden Fördergebiete sollen nach dieser Quelle sogar zu „Sperrzonen" erklärt worden sein, zu denen nur sowjetische Wissenschaftler, Techniker und Facharbeiter Zutritt hatten. Die gewonnenen Uranerze sollen einer entsprechenden Verarbeitungsstätte im sowjetischen Teil Zentralasiens zugeführt worden sein.

Die Erklärung für dieses, einem weitgehenden Souveränitätsverzicht in Sinkiang gleichkommenden „Entgegenkommen" Chinas, das im übrigen auch eine umfangreiche Säuberung Sinkiangs von führenden Repräsentanten der nationalen Unabhängigkeitsbestrebungen er-möglichte läßt sich nur darin finden, daß für die Kommunistische Partei Chinas unmittelbar nach Übernahme der Regierungsgewalt die Stabilisierung ihrer Macht absoluten Vorrang hatte. Insofern dürfe die neue kommunistische Regierung in der „Sowjetisierung" Sinkiangs angesichts der vor ihr liegenden Aufgaben zunächst wohl das kleinere Übel gesehen haben. Daß für die Regierung in Peking damit kein endgültiger Souveränitätsverzicht im chinesischen Teil Zentralasiens verbunden war, haben nicht erst die wortstarken Auseinandersetzungen zwischen beiden Ländern in der jüngsten Vergangenheit, sondern schon die Maßnahmen zur Beruhigung und Stabilisierung der politischen Situation gezeigt, die sie — ungeachtet der sowjetischen ökonomischen Durchdringung Sinkiangs — schon in dieser Zeit durchgeführt hat: Bereits unmittelbar nach dem 1. Oktober 1949 wurde der nationale Sonderstatus Sinkiangs innerhalb Chinas anerkannt Für diejenigen Gebiete, die nur eine einzige nationale Mehrheit besitzen oder die zwei oder mehrere nationale Minderheiten haben, wurde ein „autonomes Recht" gefordert. Diese Forderung führte bis Ende 1954 zur Bildung eines dunganischen, eines kirgisischen, eines uigurischen und eines kasachischen Autonomen Distriktes (Tschou) innerhalb Sinkiangs

Diese Aufgliederung entsprach den ethnischen Gegebenheiten des Landes. Sie trug — beabsichtigt oder unbeabsichtigt — auch den Unterschieden und der Differenzierung der sich jeweils entweder gegen Rußland oder China richtenden Autonomiebestrebungen der muslimischen Bevölkerung Sinkiangs Rechnung. Diese Maßnahme, die insgesamt gesehen die sowjetische Politik vor größere und schwierigere Aufgaben stellte, schuf die Voraussetzungen für eine erneute — und nun endgültige — Sinisierung, das heißt für die Wiederherstellung bzw. Stärkung der Autorität der chinesischen Zentralregierung in Sinkiang. Diese Politik führte am 1. Oktober 1955 schließlich zur Zusammenfassung des chinesischen Zentralasiens mit der Bezeichnung „Uigurisches Autonomes Gebiet Sinkiang"; zum Gouverneur wurde der stellvertretende Gouverneur Sais ad-Din (Saifuddin) ernannt. b) Die chinesische Islam-Politik der „ersten Stunde"

Ein weiteres Mittel zur festen Bindung Sinkiangs an China und damit zur Begegnung der Sowjetisierung Ostturkestans ist in der relativ milden Islam-Politik der Jahre bis Mitte 1955 zu erkennen Die kommunistische Partei-und Staatsführung Chinas hatte sich bei ihrer Islam-Politik zunächst von der Erkenntnis leiten lassen, daß jeder Versuch, die Bräuche des täglichen Lebens der islamischen Bevölkerung zu ändern, von dieser als Versuch hätte ausge-legt werden können, den Glauben anzugreifen und ihn auszurotten. Daraus hätten sich schwerwiegende Folgen ergeben: Eine Unterdrückung der islamischen Minderheiten im eigenen Land hätte notwendigerweise die Beziehungen zu den islamischen Ländern des Vorderen und Mittleren Ostens sowie Süd-ostasiens erheblich verschlechtern müssen.

Wie in der Sowjetunion wurden zunächst auch in China Funktionäre der Kommunistischen Partei in die Minderheitsgebiete geschickt, um die Muslime für eine aktive Mitarbeit zu gewinnen. Durch Überredung und mit psychologischen Mitteln sollten sie geschult und gewissermaßen „transformiert" werden. Ähnlich wie in der Sowjetunion wurde die Islam-Politik auch in China durch die Umsiedlung von Han-Chinesen in die durch muslimische Nomaden nur sehr spärlich besiedelten Gebiete Sinkiangs unterstützt. Den Vorwand für dieses Vorgehen lieferte die Tatsache, daß die reichen Rohstoffvorkommen Sinkiangs zwar bekannt waren, aber nur von chinesischen Experten erschlossen werden konnten. Parallelitäten zur sowjetischen Religionspolitik der „ersten Stunde" in Zentralasien lassen sich in China auch im Zusammenhang mit der Landreform feststellen. Durch sie wurden die Religionsgemeinschaften unmittelbar getroffen, da sie mehr oder weniger große Ländereien besaßen. Bei der Enteignung des Landbesitzes wurden jedoch die Muslime im Unterschied zu den anderen Religionsgemeinschaften insofern bevorzugt, als ihnen das den Moscheen gehörende Land im allgemeinen zur Bewirtschaftung überlassen blieb.

Dafür daß solche Maßnahmen mit religiöser Toleranz nur wenig zu tun hatten, lassen sich eine ganze Reihe von Beispielen anführen: Bereits Anfang 1952 wurde in Shanghai eine neue chinesische Koranübersetzung unter dem Titel „Umriß und besondere Kennzeichen des Korans" herausgegeben, in der nur diejenigen Suren und Verse Berücksichtigung fanden, die geeignet waren, die Richtigkeit der kommunistischen Lehre zu beweisen. Mit dieser Über-setzung wurde gewissermaßen der Versuch unternommen, die Lehre des Islams dem Schema des marxistisch-leninistischen Dogmas anzupassen. Diese Maßnahme wurde ferner durch die Einrichtung besonderer islamischer Lehrinstitute unterstützt. In ihnen wurden sowohl die Geistlichen wie auch die Kinder auf der Grundlage der neuen Koran-Übersetzung ausgebildet und unterrichtet, einer Islam-Version also, die den Zielsetzungen und Bedürfnissen des kommunistischen Staates angepaßt war.

Schließlich muß hier auch noch die Gründung zweier zentraler islamischer Organisationen erwähnt werden, der „Chinesischen Islamischen Gesellschaft" und des „Flui-Kulturvereins" — ein Unternehmen, durch das es der chinesischen Partei-und Staatsführung möglich war, das religiöse, soziale, ökonomische und politische Leben der islamischen Minderheiten Chinas im Sinne ihrer innenpolitischen Zielsetzungen zu beeinflussen, zumindest aber unter ständiger Kontrolle zu halten. Darüber hinaus wurden diese Organisationen vor allem zur Herstellung und Pflege der Verbindungen mit den islamischen Ländern eingesetzt, ein außerordentlich wirksamer Schachzug, auf den nicht zuletzt die Erfolge der chinesischen Außenpolitik im Vorderen Orient, in Afrika und in Südostasien bis 1963/64 zurückgeführt werden müssen.

Die relativ entgegenkommende chinesische Islam-Politik stand keineswegs im Widerspruch zur offiziellen Religionsauffassung der marxistisch-leninistischen Doktrin, deren letztes Ziel natürlich die Vernichtung der Religion und des religiösen Bewußtseins bei der Bevölkerung war und ist. Aber in ihr wird dennoch eine — wenn auch zeitlich begrenzte — wesentlich mildere Behandlung des Islams etwa dem Christentum gegenüber erkennbar; dies gilt im übrigen nicht nur für den Islam, sondern auch für den Buddhismus. 2. Rückzug der Sowjetunion und Isolierung Sinkiangs Alle diese Maßnahmen der neuen chinesischen Regierung bis 1955 waren durchaus dazu angetan, die Sowjetisierung des Landes in der Zeit der unvermeidbaren Prädominanz der Sowjetunion in Sinkiang einzuschränken, wenn nicht ihr sogar entgegenzuwirken. Sie waren aber keineswegs das Zeichen für ein prinzipiell tolerantes Verhältnis zur Religion und insbesondere zum Islam oder sogar für die Bereitschaft, der muslimischen Bevölkerung eine echte Autonomie innerhalb der Volksrepublik China zu gewähren. Dies zeigte sich bereits deutlich 1955 nach dem Rückzug der Sowjets aus Sinkiang Denn die daraus resultierende Festigung der kommunistisch-chinesischen Herrschaft war mit einer spürbaren Verschärfung der Politik der Pekinger Zentralregierung verbunden. Aus der Zurückdrängung des sowjetischen Einflusses ergab sich nun eindeutig, daß die gegen die islamischen Nationalitäten gerichteten Maßnahmen von jetzt an ausschließlich von der Kommunistischen Partei Chinas ausgingen.

a) Neubelebung des organisierten Widerstandes Die Beobachtung der inneren Entwicklung Sinkiangs durch Außenstehende wurde dadurch wesentlich erschwert, als von nun an der Informationsfluß durch Regierung und Partei der Volksrepublik China ganz nach Ermessen gestaltet werden konnte. Uber die Vorgänge in Sinkiang läßt sich deshalb für die Periode von 1955 bis etwa 1963 nur ein höchst lückenhaftes Bild gewinnen.

Aus den spärlichen Nachrichten, die in dieser Zeit nach außen gedrungen sind, kann jedoch geschlossen werden, daß der chinesischen Politik seit 1955 nicht nur wachsender Widerstand entgegengesetzt, sondern daß dieser auch in zunehmendem Maße organisiert geleistet wurde. So stellte z. B. Sais ad-Din am 26. Juli 1955 in einer Rede vor dem Nationalen Volkskongreß fest daß es notwendig sei, die wachsende konterrevolutionäre Aktivität in Sinkiang zu bekämpfen. Er wies bei dieser Gelegenheit auch auf den Versuch einer Re volte hin, der gegen Ende des Jahres 1954 in Khotan (Hotien), einer Stadt etwa 400 km ostwärts von Kaschgar, unternommen worden war. Diese „Revolte" scheint ein nicht unbeträchtliches Ausmaß gehabt zu haben: Noch im September 1959 wurde in einer in Urumtschi erscheinenden Tageszeitung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Aufstände in Khotan im März und im Dezember 1954 darüber berichtet daß konterrevolutionäre Elemente in diesem Raum eine erneute Agitation unter der Bevölkerung entfaltet hätten, die sich in erster Linie religiöser und nationaler Parolen bediente. Mehr als ein Jahr später kündigte dieselbe Zeitung an daß eine umfassende Operation zur Liquidierung der restlichen Elemente dieses Aufstandes für den „nächsten Winter und Frühling" geplant sei. Besonders turbulent scheint die Entwicklung im Jahre 1958 gewesen zu sein. Wang En-mao, ein lokaler Parteiführer und höherer Offizier, kennzeichnete die Atmosphäre in Sinkiang mit der Feststellung alles deute darauf hin, „daß die lokalen Nationalisten auf irgend etwas im Sinne der Ereignisse in Ungarn hoffen, um die demokratische Volksdiktatur beseitigen zu können". Die Ereignisse dieses Jahres, welche Wang En-mao zu dieser Äußerung veranlassen, sind nur höchst lückenhaft zu rekonstruieren. Die Ursache scheint in einer Instruktion der Pekinger Regierung für die höheren Lehranstalten Sinkiangs gelegen zu haben, mit der die Sprachen der nationalen Gruppen als Unterrichtssprache durch die chinesische Sprache abgelöst werden sollten.

Parallel dazu sollten zwangsläufig nach und nach auch die örtlichen Lehrer durch chinesische ersetzt werden. Diese Maßnahmen führten zu Unruhen unter den Schülern und Studenten, zu . Streikversuchen und Protestversammlungen. Die Reaktion der chinesischen Behörden war zuerst der Entzug der Lebensmittelkarten und später — als diese Maßnahme ohne Wirkung geblieben war — der Verweis vieler Lehrer und Studenten von den Hochschulen und ihre Verhaftung.

Auch über das Ausmaß der Unruhe in Sinkiang gibt es nur wenige Angaben. Nach dem Bericht eines uigurischen Flüchtlings aus Hong Kong waren an den Unruhen des Jahres 1958 in Ostturkestan rund 60 000 Muslime beteiligt. In einem Bericht der nationalchinesischen Nachrichten-Agentur in Taipeh wurde sogar festgestellt daß Mitglieder einer Untergrund-Befreiungsbewegung Mitte 1953 eine Regierung der „Uigurischen Republik"

ausgerufen hätten. Bei allen diesen Berichten und Meldungen handelt es sich nur um höchst unvollständige Angaben. Eines scheint danach aber ziemlich sicher zu sein, daß nämlich das Zentrum der Aufstandsbewegung wiederum Khotan war, wo Militärdepots in Brand gesetzt und Nachrichtenverbindungen gestört wurden. Nach dem zitierten Bericht des nach Hong Kong entkommenen uigurischen Flüchtlings haben sich die Sowjets nach den Jahren der Zurückhaltung die Unruhen des Jahres 1958 in Sinkiang offenbar zum ersten Mal wieder zunutze gemacht. Darin wird festgestellt, daß von den 60 000 am Aufstand 1958 in Ostturkestan Beteiligten etwa die Hälfte von sowjetischen Instrukteuren ausgebildet und mit Waffen ausgerüstet waren. Ferner wird in diesem Bericht davon gesprochen, daß es den Rebellen gelungen war, sich für mehr als zwei Monate in den an Kasachstan angrenzenden Bergen festzusetzen und daß die Chinesen ihren Widerstand nur unter großen militärischen Anstrengungen brechen konnten. Der in einer französischen Tageszeitung veröffentlichte Erfahrungsbericht eines anderen, nach Pakistan geflohenen Uiguren spricht gleichfalls davon, daß 1958/59 der Aufstand im Raum von Khotan erneut in erheblichem Umfang aufgeflammt ist. In Khotan selbst sollen danach die Rebellen das Gefängnis in Besitz genommen, etwa 600 Gefangene befreit und dabei rund 50 Chinesen getötet haben.

Auch in den folgenden Jahren konnte die Rebellion in den an die Sowjetunion angrenzenden Gebieten Sinkiangs von den Chinesen nicht niedergeschlagen werden. Sie hat im Gegenteil sogar an Intensität dadurch wesentlich zugenommen, daß sich die aufständischen Muslime immer offener um die direkte Unterstützung der Sowjetunion bei der Durchsetzung ihrer Forderungen gegen die Pekinger Regierung bemühten. Dies trat vor allem im Jahre 1962 deutlich hervor, das ein Höhepunkt der Aufstandsbewegung gewesen zu sein scheint. Im Juli dieses Jahres, so wird berichtet hatte eine schwere Nahrungsmittelversorgungskrise, die vor allem durch die Umleitung großer Mengen von Nahrungsmitteln in andere Gebiete Chinas entstanden war, in den Grenzstädten Kuldscha und Chuguchak (Tahcheng) zu schweren Zusammenstößen zwischen der einheimischen Bevölkerung und den chinesischen Verwaltungsorganen (einschließlich des Militärs) geführt. Dabei hat es zahlreiche Verwundete und Tote gegeben, unter ihnen auch zahlreiche uigurische Mitglieder der Kommunistischen Partei Chinas, die versucht haben, die Aufständischen zu beruhigen. Der Aufstand konnte jedoch nicht unterdrückt werden; die kasachischen Demonstranten versammelten sich sogar vor dem sowjetischen Konsulat in Kuldscha und baten um bewaffnete Unterstützung mit dem Ziel, die Chinesen zum Verlassen Sinkiangs zu veranlassen und die Unabhängigkeit des Landes wiederherzustellen. Der sowjetische Konsul lehnte jegliche Interventionen ab und überredete die Demonstranten, sich zu zerstreuen. Daraufhin flohen viele Familien in die Sowjetunion, wo sie als „lebende Beispiele der chinesischen Brutalität" ausgenommen wurden. Obwohl sich das sowjetische Konsulat in aller Form von diesen Vorkommnissen distanziert und jegliche Verantwortung dafür abgelehnt hatte, wurde nicht nur die sowjetisch-chinesische Grenze, sondern auch die Konsulate in Kuldscha und in Chuguchak sowie das sowjetische Generalkonsulat in Urumtschi von den Chinesen geschlossen.

Die Ordnung in Kuldscha konnte zwar im September 1962 durch geringfügige Erhöhung der Lebensmittelrationen zunächst wiederhergestellt werden. Dadurch war aber nicht zu verhindern, daß die Unruhe sich weiter ausbreitete: Auch in der Folgezeit berichtete vor allem die indische Presse immer wieder von Ausbrüchen blutiger Rebellionen, als deren „Drahtzieher" von den Chinesen vor allem die Kasachen, aber auch die Uiguren, Kirgisen, Usbeken und Tataren bezeichnet wurden. Dieser Widerstand gegen die chinesische Autorität hat sich offenbar keineswegs nur auf die an die Sowjetunion grenzenden Gebiete erstreckt, sondern mehr oder weniger ganz Sinkiang erfaßt: So scheinen 1962 die Arbeiter auf den Olfeidern von Tu-schan-tsu gestreikt und viele sogar ihre Arbeitsplätze verlassen zu haben. Im Oktober 1962 soll hier infolgedessen die Zahl der Arbeitskräfte auf 10 000 gegenüber 15 000 im Jahre 1959 und die Olproduktion auf 75 Prozent des Standes von 1960 gesunken sein. Anhaltende Aufstände wurden auch aus der Altai-Region, also aus dem Grenzgebiet zur Äußeren Mongolei, gemeldet, wo die Verkehrsverbindungen der Chinesen unterbrochen, große Brücken gesprengt und zahlreiche Angriffe durchgeführt wurden. Immer wieder wird in diesen Berichten auch davon gesprochen, daß die Sowjetunion die Tätigkeit der Rebellengruppen durch geheime Waffenlieferungen unterstützt hat. b) Zuspitzung der Spannungen zwischen der Sowjetunion und China Alle diese Angaben lassen sich durch offizielle sowjetische und chinesische Stellungnahmen dieser Zeil vieder bestätigen noch widerlegen. Das muß aber nicht gegen die zitierten Berichte sprechen, denn beide Seiten haben sich publizistisch bis Ende 1962 trotz der sich immer mehr zuspitzenden sowjetisch-chinesischen Spannungen noch immer relativ große Zurückhaltung auferlegt über Einzelheiten der Vorgänge in Sinkiang wurde überhaupt nicht berichtet. Von normalen Beziehungen zwischen beiden Ländern konnte allerdings auch schon in dieser Zeit kaum noch die Rede sein

Die Dokumente des Jahres 1963, die zugleich den offenen Ausbruch des Konfliktes und den schon zu dieser Zeit nahezu unüberbrückbaren Abgrund zwischen Moskau und Peking bezeugen, unterstreichen jedoch die Glaubwürdigkeit der den hier zitierten Berichten entnommen Einzelangaben weitgehend: In einem redaktionellen Artikel, den die chinesischen Zeitungen Hung ch'i und Jen Min Jih Pao am 6. September 1963 in Zusammenhang mit der Antwort des ZK der KPCh vom 14. Juni 1963 auf den Brief des ZK der KPdSU vom 30. März 1963 veröffentlichte, wurden auch die Ereignisse des Jahres 1962 in Sinkiang durch schwere Angriffe und Vorwürfe gegen die KPdSU bestätigt. Darin heißt es u. a. wörtlich:

„Vom April bis Mai 1962 provozierten die Führer der KPdSU . . . einige tausend chinesische Bürger, die mit Unterstützung der sowjetischen Regierung und ihrer in Sinkiang akkreditierten offiziellen Repräsentanten im Ili-Distrikt eine subversive Tätigkeit großen Stils entfaltet hatten, zur Flucht in die Sowjetunion Ungeachtet zahlreicher Proteste und Appelle der chinesischen Regierung hat es die sowjetische Regierung . . . abgelehnt, diese Bürger zu repatriieren. Diese Angelegenheit ist noch immer nicht bereinigt worden. Dies ist ein ungeheures Vorkommnis, für das es in den Beziehungen zwischen sozialistischen Ländern keinen Präzedenzfall gibt."

Trotz drastischer Maßnahmen konnte die chinesische Regierung auch in den folgenden Jahren die unruhigen Verhältnisse in Sinkiang nicht unter Kontrolle bringen. Das einflußreiche türkische Organ „Yeni Istanbul" berichtete noch Anfang 1966 über die Entwicklung in Sinkiang

„Kürzlich wurden zusätzlich 60 000 chinesische Soldaten an die sowjetisch-chinesische Grenze in Ostturkestan verlegt. Diese Maßnahme zeigt, daß die chinesische Verwaltung in Ostturkestan hinsichtlich der Drosselung der Fluchtbewegung der Kasachen und der Uiguren in die Sowjetunion noch immer nicht erfolgreich gewesen ist ... Aber es ist nicht nur das Flüchtlingsproblem, das die Führer in Peking stört. Tatsache ist, daß seit einigen Jahren bewaffnete Zusammenstöße zwischen Kasachen, Uiguren und anderen türkischen Völkern auf der einen Seite und chinesischen Besatzungstruppen auf der anderen unvermindert hier andauern. Die Partisanen-Bewegung ostturkestanischer Patrioten beunruhigt weiterhin nicht etwa nur das bergige Tarbagatai-Gebiet, sondern auch das Ili-Tal und die Gebiete um Kaschgar und Aq Su (Wen Su). Nach den meist sehr zurückhaltenden Schätzungen haben noch kürzlich etwa 40 000 gut bewaff-nete uigurische und kasachische Partisanen auf dem Territorium Ost-Turkestans operiert. Sie überfielen und zerstörten chinesische Garnisonen, sprengten Brücken und Bahnlinien, ließen Truppentransportzüge entgleisen usw. Die chinesische Truppenführung ist gezwungen, hier allein zum Schutz der Verkehrsverbindungen ungefähr 100 000 Soldaten einzusetzen."

Zur Unterstützung dieses Kampfes wurde in Istanbul ein „Nationales Zentrum für die Befreiung Ostturkestans" gegründet, das verschiedentlich an die Weltöffentlichkeit appelliert hat, die Rechte der Völker Östturkestans zu unterstützen und sie vor der völligen Liquidation durch die Chinesen zu schützen. In diesem Zusammenhang berichtet eine andere türkische Zeitung, die „Yeni Gazeta", im Februar 1966 über ein Interview, das der Vorsitzende des „Nationalen Zentrums für die Befreiung Ostturkestans", Isa Yusuf Alptekin, einer Gruppe von amerikanischen Journalisten gab Dabei erklärte er, seine Organisation beabsichtigte, den „Fall der illegalen Okkupation Ostturkestans" durch die Chinesen den Vereinten Nationen zur Überprüfung zu übergeben. Alptekin beschuldigte die Regierung in Peking des Verstoßes gegen die Menschlichkeit, namentlich aber der Völkerausrottung, der Vertreibung der Völker Ostturkestans aus religiösen, rassischen und nationalen Gründen. Er verurteilte die Chinesen ferner, weil sie Ostturkestan als Versuchsgelände für die Erprobung ihrer Atomwaffen benutzen.

In Berichten, die Alptekin von in der Sowjetunion lebenden türkischen Flüchtlingen aus Sinkiang erhalten haben will wird davon gesprochen, daß die türkischen Partisanen vor allem von Basen auf dem Territorium der Sowjetunion aus in Sinkiang operieren. Darin wird auch festgestellt, daß ein früherer Generalmajor der chinesischen Volksbefreiungsarmee, der Uigure Zunun Taipov, von Alma Ata aus eine in Sinkiang operierende starke Armee kommandiert. Taipov hatte 1944 an der Revolte gegen die Chinesen als Regiments-kommandeur teilgenommen und war 1963 in die Sowjetunion geflohen, nachdem ein von ihm organisierter Aufstand mißlungen war. Die „Izvestija" veröffentlichte im September 1964 einen ausführlichen Brief von ihm, in dem es u. a. heißt „Es ist ein bedrückender Gedanke, daß jenseits der Staatsgrenze Tausende meiner Brüder — Uiguren und Kasachen, Kirgisen und Mongolen — einer unglaublichen Verfolgung und Unterdrückung unterworfen sind . . . Ich habe selbst festgestellt, wie die Chinesen immer despotischer den nationalen Minderheiten gegenüber auftreten. Peking verbirgt seine Absicht kaum noch, Sinkiang zu sinisieren und von seinem Nachbarn, der Sowjetunion, durch eine feste Mauer abzuschließen."

In dem zitierten Bericht der „Neuen Zürcher Zeitung" wird die Existenz geheimer Ausbildungsstätten bestätigt, in denen Flüchtlinge aus Sinkiang nicht nur in der Partisanen-Kriegführung, sondern auch in Verwaltungsfragen ausgebildet werden. Außerdem wird darin betont, daß die in diesen Lagern ausgebildeten hohen Partisanenfunktionäre laufend nach Sinkiang eingeschleust werden. Die Zahl der seit 1962 in die Sowjetunion geflohenen Türken wird im übrigen — unter ausdrücklichem Hinweis darauf, daß früher der Flüchtlingsstrom umgekehrt geflossen sei — mit ungefähr 300 000 angegeben. 3. Kulturrevolution und Religionsverfolgung Die Berichte über das unmittelbare Interesse der Sowjetunion an der neuesten Entwicklung in Sinkiang und über die moralische oder sogar materielle Unterstützung des Widerstandes der Bevölkerung gegen die chinesische Staatsgewalt durch sie werden auch durch die sowjetische Presse, die seit 1963 mit zunehmender Intensität über die Vorgänge in Sinkiang berichtet, bestätigt — wenn zwar nicht in allen erwähnten Einzelheiten, so doch in der Grundtendenz, überwiegend stammt das Material auch für diese Berichte von Flüchtlingen aus Sinkiang. Noch vor wenigen Jahren wäre das Erscheinen solcher gegen das chinesische Vorgehen in Sinkiang gerichteter Darstellungen in sowjetischen Publikationsorganen völlig unvorstellbar gewesen.

Die Beispiele, die hier zitiert werden, stammen nicht nur oder in erster Linie aus der zentralasiatischen Presse der Sowjetunion, sondern sie sind vor allem in zentralen Organen veröffentlicht worden. Im September 1963 berichtete z. B.der kasachische Schriftsteller Buchar Tyskanbaev in der „Literaturnaja gazeta" unter der Überschrift „Unverborgener Chauvinismus" ausführlich über die Erfahrungen in einem sogenannten „Umerziehungslager" in das die überwiegende Masse der ostturkestanischen Intellektuellen geschickt wurde, nachdem sie von den Chinesen zur Selbstkritik gezwungen worden waren. a) „Assimilierung" der muslimischen Nationalitäten Wie aus einem Anfang 1967 gleichfalls in der „Literaturnaja gazeta" erschienenen Artikel zu schließen ist, wurde die Kampagne gegen die muslimische Bevölkerung auch in den folgenden Jahren laufend gesteigert. Mit der Kulturrevolution hat sie ihren bisherigen Höhepunkt erreicht. Der Verfasser dieses Artikels, Anuar Alimzanov, beschränkt sich nicht darauf, den „imperialistischen Chauvinismus der Führer der Volksrepublik China" zurück-zuweisen, den er in den territorialen Ansprüchen erkennt. Er stellt ihm unmißverständlich, wenn auch nur indirekt, die historische Verbundenheit Ostturkestans mit Rußland entgegen.

Alimzanov gibt Augenzeugenberichte wieder, die besonders das Vorgehen der sogenannten „Hungweipingler" in Urumtschi beschreiben und in denen die Solidarität der Sowjets mit der von den Chinesen verfolgten Bevölkerung Sinkiangs betont wird.

Alle von Alimzanov zitierten Flüchtlingsberichte beklagen eindringlich die „zwangsweise Assimilierung" der Bevölkerung Ostturkestans. b) Die Sowjetunion als Anwalt der Religionsfreiheit in Sinkiang Die Härte und Entschiedenheit, mit der die Differenzen zwischen den beiden Ländern seit Beginn der Kulturrevolution geführt werden, zeigt sich nicht zuletzt daran, daß die sowjetischen Publikationsorgane der Bekämpfung des Islams durch China einen ungewöhnlich breiten Raum widmen. In dem bereits mehrfach zitierten Artikel von Alimzanov wird nachdrücklich herausgestellt, daß der Kampf gegen den Islam ein wesentlicher Bestandteil der Kulturrevolution in Sinkiang ist: „Am 14. und 15. Dezember 1966 kamen 300 . Hungweipingler'aus Peking nach Urumtschi . .. Sie begannen, alle Moscheen abzureißen und führten deren Geistliche, die sie mit Farbe bemalt hatten, durch die Straßen."

Nach einem anderen ausführlichen Bericht der sowjetischen Nachrichtenagentur TASS bestätigte auch der frühere Chefredakteur der türkischsprachigen Zeitschrift „Die Befreiungsarmee Sinkiang", Sakir Gubarbakiev, daß sich die Maßnahmen der Kommunistischen Partei Chinas in Sinkiang in erster Linie gegen die Muslime richten: „In Kuldscha", stellt er nach seiner Flucht in die Sowjetunion fest „gab es einst mehr als 150 Moscheen. Jetzt gibt es nur noch drei, eine uigurische, eine dunganische und eine usbekische." Ein uigurischer Dichter, dessen Name in demselben TASS-Bericht mit Abdulchai Ruzi angegeben wird, verbreitet sich ausführlich darüber, daß in ganz Sinkiang entgegen den Wünschen der muslimischen Bevölkerung die arabische Schrift — ungeachtet der phonetischen Besonderheiten der Sprache — durch eine neue lateinische zurückgedrängt wurde. Die Schulkinder würden vom Studium ihrer eigenen Geschichte abgehalten, zur Unterrichtssprache sei ausschließlich das Chinesische erhoben worden.

Den Berichten dieser Art in der sowjetischen Presse könnten viele andere hinzugefügt wer-

Fussnoten

Fußnoten

  1. Diese Prozentzahlen nannte Hsinhua am 25. Oktober 1962. Zur Problematik der statistischen Erfassung der religiösen Minderheiten in der Sowjetunion und in China s. Hans Bräker, Kommunismus und Islam. Religionsdiskussion und Islam in der Sowjetunion, Tübingen 1969, S. 44 ff.

  2. Die folgenden Angaben nach: Bol’saja Sovetskaja Enciklopedija, 2. Ausl., Band XXXIX, Moskva 1956, S. 132, und nach B. C. Olschak, Die Mongolenfrage als außenpolitisches Problem, in: Ost-Probleme, 17. Jahrg. 1965, S. 17— 27, hier S. 27 (die Autorin stützt sich auf Angaben in: The China Year-Book 1926).

  3. Zur Geschichte der Türken und des Islams in Zentralasien s. vor allem folgende Darstellungen von W. Barthold (V. V. Bartol'd), Zwölf Vorlesungen über die Geschichte der Türken Mittelasiens, Darmstadt 19622 (unveränderter photomech. Nachdruck der Ausgabe Berlin 1935); Histoire des Tures d’Asie central, Paris 1945; Turkestan down to the Mongol Invasion, London 19282. Die Werke von Bartol’d sind jetzt wieder leichter zugänglich, weil sie seit 1963 in Moskau vom Institut der Völker Asiens bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR neu herausgegeben werden. Bisher sind erschienen: Socinenija, T. I, 1963; T. II (1), 1963; T. II (2), 1964; T. III, 1965; T. IV, 1966; T. V, 1968; T. VI, 1968. Insgesamt sollen wahrscheinlich 12 Bände erscheinen. Einen knappen Überblick über die chinesische Nationalitätenpolitik vermittelt S. Chandra Sarker, China’s Policy towards Minorities, in: The World Today, Nr. 10/1959, S. 408— 416.

  4. S. hierzu u. a. W. M. McGovern. The early empires of Central Asia, Chapel Hill 1939; R. Giraud, L'empire des Turcs celestes: les regnes d'Elterich, Qapghan et Bilgä, (S. 680— 734), Paris 1960; W. Samolin, East Turkestan to theTwelfth Century, Den Haag 1964; H. A. Gibb, The Arab Conquest of Central Asia, London 1923; J. R. Hamilton, Les Ouighours ä l'epoque des cing dynasties (907 ä 960), Paris 1955; Lui Mau Tsat, Die chinesischen Nachrichten zur Geschichte der Osttürken (T'u-küe), 2 Bände, Wiesbaden 1958.

  5. Zur Entwicklung in Zentralasien im 17. Jahrhundert s. vor allem M. Courant, L'Asie centrale aux XVIIe et XVIIIe siecles. Empire Kalmouk ou Empire Mantchou?, Lyon-Paris 1912 (vor allem unter Auswertung der chinesischen Quellen); ferner auch: P. Pelliot, Notes Critiques d'Histoire Kalmouke, 2 Bände, Paris 1960; F. Michael, The Origin of Manchu Rule in China, Baltimore 1942. Zum Vordringen Englands in Indien: P. E. Roberts, History of British India under the Company and the Crown, London 19522; C. H. Philips, The East India Company 1784— 1834, Manchester 1940; M. W. Fischer, England, India, Nepal, Tibet, China: 1765— 1958, Berkeley/Cal. 1959; A Lamb, Britain and Chinese Central Asia, London 1960.

  6. S. hierzu und zum Folgenden: T. Yuan, Jakub Bek (1820— 1877) and the Moslem Rebellion in Chinese Turkestan, in: Central Asiatic Journal, Nr. 6/1961, S. 134— 167; J. C. Y. Hsü, British Mediation of Chinas War with Yakub Bek, 1877, in: Central Asiatic Journal, Nr. 2/1964; zur allgemeinen Entwicklung: V. G. Kiernan, Kashgar and the politics of Central Asia, 1868— 1888, in: Cambridge Historical Journal, 1953— 55.

  7. Vgl. hierzu Otto Hoetzsch, Rußland in Asien. Geschichte einer Expansion, Stuttgart 1966 (hrsg. von K. Mehnert), S. 72 f. und 89 f.

  8. S. hierzu und zum Folgenden vor allem: W. L. Bales, Tso Tsung-t’ang: Solidier and statesman of old China, Shanghai 1937; W. J. Chu, Tso Tsungt’ang’s role in the recovery of Sinkiang, in: Tsing Hua Journal of Chinese Studies (Taipei), Jahrg. 1958; J. A. Dabbs, History of the discovery and exploration of Chinese Turkestan, Den Haag 1963.

  9. Die sogenannte „Ili-Krise" ist eingehend analysiert worden von J. C. Hsü, The Ili Crisis. A Study of Sino-Russian Diplomacy, 1878 so 1881, Oxford 1965; allgemein hierzu: Roger Levy, Les confrontations territoriales Sino-Russes: particulierement dans la region de l'Ili, au Singkiang, in: Politique Etrangere, Nr. 2/1966, S. 157 ff.

  10. Vgl. Otto Hoetzsch, a. a. O., S. 89.

  11. Zur Frage der Grenze zwischen China und Ruß-land bzw.der Sowjetunion und Zentralasien: H. Pommerening, Der chinesisch-sowjetische Grenzkonflikt. Das Ende der ungleichen Verträge, Olten und Freiburg 1968; D. Frenzke, Der Begriff der ungleichen Verträge im sowjetisch-chinesischen Grenzkonflikt, in: Osteuropa-Recht, Heft 2/1965, S. 869 ff.; ders., Die Gebietsforderungen der Volksrepublik China gegenüber der Sowjetunion, in: Europa-Archiv, Folge 21/1965, S. 812 ff.

  12. Soweit nicht besonders zitiert, wird im Folgenden zurückgegriffen auf R. Yang, Sinkiang under the administration of General Yang Tseng-hsin 1911— 1928, in: Central Asiatic Journal, Nr. 1/1961.

  13. Grundlage für die Rückführung in die Sowjetunion war das am 27. und 28. Mai 1920 in Kuldscha zwischen beiden Ländern geschlossene Grenzverkehrs-und Repatriierungsabkommen. Text: Sovetsko-kitajskie otnosenija 1917— 1957 gg. Sbornik dokumentov, Moskva 1959, S. 47; engl. auch: J. Degras, Soviet documents on foreign policy, Bd. I—III, London 1951— 1953, hier: Bd. I, S. 48'3, und L. Shapiro, Soviet treaties series. A collection of bilateral treaties, aggreements and conventions, concluded between the Soviet Union and foreign powers, Bd. I 1917— 1928; Bd. II 1929— 1939, Washington, D. C. 1950— 1955, hier: Bd. I S. 47.

  14. Diese Zusammenarbeit mit der Roten Armee erfolgte auf der Grundlage eines am 17. Mai 1921 unterzeichneten „Abkommens mit dem Oberkommando der sowjetischen Truppen in Turkestan über die vorübergehende Grenzüberschreitung sowjetischer Truppen zur Bekämpfung von Weißgardisten auf dem Gebiet der chinesischen Provinz Sinkiang" (Sovetsko-kitajskie otnosenija, a. a. O., S. 434) und eines weiteren, am 26. September 1921 unterzeichneten „Abkommens über den Grenzübertritt sowjetischer Truppen nach Sinkiang zur Bekämpfung weißgardistischer Streitkräfte im Altai-Gebiet" (Ebenda, S. 59; vgl. hierzu auch: Voprosy Istorii, Nr. 3/1957, S. 147).

  15. Dieses Handelsabkommen wird lediglich von R. Yang in seinem zitierten Aufsatz (Anm. 12) erwähnt. In den hier konsultierten — meist unvollständigen — Dokumentationen wird es hingegen nicht genannt.

  16. Sie wurden durch einen Notenwechsel im Oktober 1924 mit der Provinzialregierung von Sinkiang ermöglicht. S. hierzu: Cheng Tien-fong, A history of Soviet-Chinese relations, Washington 1957, S. 168, und auch W. Whiting, Sheng Shihts'ai, Sinkiang: pawn or pivot, East Lansing, Mich. 1958, S. 9. Die russischen Konsulate in Kaschgar und Kuldscha waren 1918 geschlossen worden.

  17. Vgl. hierzu: Izvestija vom 18. Juli‘ 1929: Sovetsko-Kitajskij Konflikt 1929g. Sbornik dokumentov, Moskva 1930, S. 31.

  18. Text mit Kommentar bei N. Orleanskij, Zakon o religionznych ob'edinenijach RSFSR (Gesetz über die religiösen Vereinigungen der RSFSR), Moskva 1930; deutsch bei R. Stupperich (FIrg.), Kirche und Staat in der Sowjetunion. Gesetze und Verordnungen, Witten 1962, S. 13— 28.

  19. Die ausführlichste Schilderung der muslimischen Aufstandsbewegung unter Ma Tschüng-ying gegen die chinesische Provinzial-und Zentralregierung ist dem Buch von Sven Hedin, Die Flucht des großen Pferdes (Leipzig 1935), zu verdanken (eine etwas gekürzte Neuauflage erschien in Wiesbaden 1964; nach ihr wird im Folgenden zitiert). Sven Hedin führte im Auftrage der chinesischen Regierung eine Expedition nach Sinkiang durch, um die Durchführbarkeit seines Planes, „Ostturkestan und die Dsungarei durch zwei große Autostraßen an das Reich der Mitte anzuschließen" (S. 10), zu überprüfen. Was Sven Hedin zum Inhalt seiner Denkschrift selbst feststellt, ist in dem hier behandelten Zusammenhang besonders interessant: „Ich beschränke mich . .. auf die Fragen des Handels und der Verkehrswege. Der russische Handel hatte den chinesischen unterbunden und war dabei, den englischen aus Indien zu verdrängen. Die Russen unterhielten vortreffliche, ständig verbesserte Wege bis zur Grenze von Singkiang und arbeiteten sich bei Kaschgar, Kuldscha, Tschugutschak und im Altai vor. Der chinesische Handel benutzte von altersher vorwiegend Kamelkarawanen durch die Gobi nach Hami und Urumtschi Die Karawanen waren drei Monate unterwegs. Setzte man nun Kraftwagen dafür ein, so würde sich bei gutem Weg die Zeit auf zehn bis zwölf Tage verkürzen lassen, und man könnte den Wettbewerb mit Erfolg aufnehmen"

  20. S. hierzu vor allem: Recueil des traites (Societe des Nations); Treaty series (League of Nations), Band 1— 205, Genf 1920— 1946, hier: Band 122, S. 439; J. Degras, a. a. O., (Anm. 13), Bd. II, S. 507; L. Shapiro, a. a. O. (Anm. 13), Bd. II, S. 36.

  21. Hier zitiert nach der ausführlichen Zusammenfassung des Textes bei Aitchen K. Wu, China and the Soviet Union. A Study of Sino-Soviet Relations, London/New York 1950, S. 376 ff.

  22. Die diplomatischen und konsularischen Beziehungen zwischen beiden Ländern wurden erst durG einen am 12. Dezember 1932 in Genf vollzogeacn Notenwechsel wiederaufgenommen. Text der Noten: Izvestija vom 13. September 1932; Sovetskokitajskie otnosenija (Anm. 13), S. 156; L. Shapiro, a. a O (Anm. 13), Bd. II, S. 62.

  23. Nach dem Bericht von Dr. Cherbakoff, In Kashgar, December 1921—October 1931, in: Royal Central Asian Journal, Oct. 1933, S. 532 ff.

  24. Eine kurze Schilderung der Einflußnahme Japans anf die Entwicklung der Inneren Mongolei und die aamit verbundene Gefahr des Übergriffs auch auf Sinkiang findet sich bei B. C. Olschak, a. a. O. (Anm. 2), S. 24 f.

  25. Die ausführlichste Dar’ellung dieser Periode findet sich bei; V.. Whitr. g, Sheng Shih-ts'ai, Sinkiang: pawn or pivot, East Lansing, Mich. 1958.

  26. Die Geheimverhandlungen werden nur erwähnt von Li Chang, The Soviet Grip on Sinkiang, in: Foreign Affairs, April 1954, S. 491 ff. In den sowjetischen Quellen sind Angaben darüber, soweit ich feststellen konnte, nicht zu finden.

  27. Li Chang (Anm. 26), der die Entsendung der sowjetischen Truppen erwähnt, behauptet, sie wären für ihren Einsatz in chinesische Uniformen gesteckt worden.

  28. Eine sehr farbige und anschauliche Schilderung eines solchen Angriffs auf die Truppen Ma's in Korla gibt: Sven Hedin, a. a. O. (Anm. 19), S. 101 bis 119.

  29. Nach: Royal Central Asian Journal, Jan. 1935, S. 102. Hier heißt es wörtlich: „Als die chinesische Nordarmee Kaschgar erreichte, riet der dortige sowjetrussische Generalkonsul dem Dunganengeneral Ma Tsch'ung-ying, nach Rußland zu reisen. Der General wurde vom Sekretär und einigen anderen Mitgliedern der Handelsagentur des sowjetischen Konsulats an die Grenze geleitet. Man berichtet, daß er bei seiner Ankunft in Moskau gestorben sei."

  30. Sven Hedin, a. a. O. (Anm. 19), S. 115 ff.

  31. Diese Zahlen nennt: Li Chang, a. a. O. (Anm. 27).

  32. Nach: The Times vom 25. März 1939.

  33. S. hierzu: Vnesnjaja torgovlja SSSR s socialisticeskimi stranami, Moskva 1957, S. 31 (Handels-und Anleihe-Abkommen zwischen der sowjetischen Außenhandelsorganisation „Sovin’torg" und der Handelsorganisation von Sinkiang „Tucangunsy"); das Abkommen wurde erst am 16. Mai 1935 unterzeichnet, weil die Zentralregierung in Nanking mehrfach Protest eingelegt hatte. Von sowjetischer Seite wurde der Vertrag im übrigen vom damaligen Leiter der sowjetischen Außenhandels-Bank, Svanidse, dem Schwager Stalins, unterschrieben.

  34. Text des Abkommens in: Tzvestija vom 30. August 1937; Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR, Moskva, 15. Juni 1938, Nr. 7; engl. auch: L. Shapiro, a. a. O. (Anm 13), Band II, S. 185.

  35. Dabei handelt es sich nach: Sovetsko-Kitajskie otnosenija 1917— 1957 gg (Anm. 13) um folgende Kreditabkommen: 1. März 1938 — 50 Millionen Dollar (S. 167); 1. Juli 1938 — 50 Millionen Dollar (S. 172); 13. Juni 1939 — 150 Millionen Dollar (S. 176).

  36. Text des „Handelsvertrages mit Anhang über die Rechtsstellung der sowjetischen Handelsvertretung in China": Vedomosti Verchovnogo Soveta SSSR, Moskva, 15. Juni 1940, Nr. 16; engl. auch: J. Degras, a. a. O. (Anm. 13), Band III, S. 341, und L. Shapiro, a. a. O. (Anm. 13), Band II, S. 203.

  37. Einem späteren Brief Schengs an Chiang Kaishek (Quelle: Anm. 38) zufolge ist der Beitritt wahrscheinlich im September 1938 erfolgt. Wörtlich heißt es in einem Brief dazu: „Im September 1938, als ich die Sowjetunion bereiste und Stalin einen Besuch abstattete, brachte ich erneut die Frage meines Beitritts zur KPCh zur Sprache. Man legte mir jedoch nahe, zunächst Mitglied der KPdSU zu werden und mich dann an die KPCh überweisen zu lassen ... Da mein Uberweisungsantrag aber auch noch lange danach unbearbeitet blieb, wurde ich zwangsläufig mißtrauisch . .."

  38. S. hierzu: Sowjetische Wirtschaftsaggression in Sinkiang (chin.), Taipeh 1950 (herausgegeben vom national-chinesischen Außenministerium in Taipeh). In den hier ausgewerteten einschlägigen sowjetischen oder westlichen Quellenwerken wird dieser Vertrag nicht erwähnt, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, daß er von chinesischer Seite schon lange vor Bekanntwerden wieder gekündigt worden ist. Das hier zitierte Werk konnte ich in Hong Kong dank der Unterstützung durch das Union-Research Institute, Kowloon, auswerten.

  39. übersetzt und zitiert nach der Photokopie des russischen Originals, in: Sowjetische Wirtschaftsaggression in Sinkiang (Anm. 38), S. 45 ff.

  40. ‘Text des Briefes von Scheng Schi-ts'ai an Chiang Kai-shek vom 7. Juli 1942, ebenda, S. 64 ff.

  41. Nach Angaben von Li Chang, a. a. O. (Anm. 26).

  42. Nach der Photokopie des Originals des russischen Entwurfs in: Sowjetische Wirtschaftsaggression in Sinkiang (Anm. 38), S. 82 ff

  43. Text des Briefes Shengs an Chiang Kai-shek, a. a. O. (Anm. 40), S. 61 f.

  44. Der Briefwechsel zwischen Sheng und Molotov wird erwähnt bei Li Chang, a. a. O. (Anm. 26).

  45. Die folgenden Angaben gleichfalls bei Li Chang, a. a. O. (Anm 26).

  46. Grundlage für das sowjetische Eingreifen war das am 12. März 1936 in Ulan Bator zwischen der Sowjetunion und der Mongolischen Volksrepublik unterzeichnete „Protokoll über den gegenseitigen Beistand" (Text bei J. Degras, a. a. O., Bd. III, S. 168, und L. Shapiro, a. a. O., Bd. II, S. 162), gegen das China im übrigen am 7. April 1936 scharfen Protest erhob (Izvestija vom 9. April 1936), sowie die im Rahmen des am 13. April 1941 in Moskau unterzeichneten sowjetisch-japanischen „Neutralitätspaktes" abgegebene „Gemeinsame Erklärung über die territoriale Integrität von Mandschukuo und der Mongolischen Volksrepublik" (Text: J. Degras, a. a. O., Bd. III, S. 486).

  47. TASS vom 3. April 1944; zitiert nach Li Chang, a. a. O. (Anm. 26).

  48. In seinem Buch: Sondermission in Sowjet-Asien und China, Zürich 1947, (übers, aus dem Engi.: Soviet Asia Mission) berichtet Wallace darüber allerdings mit keinem Wort.

  49. Ebenda, S. 15.

  50. Tschiang Kai-shek, Sowjetrußland in China, Bonn 1959 (übers, aus dem Englischen: Soviet Russia in China).

  51. S. hierzu: o. V., United States Relations with China. With Special Reference to the Period 1944 to 1949, Washington, D. C. 1949; Beschreibung der Mission, S. 55 ft.; vollständige Texte der Gesprächs-protokolle S. 549— 560; aufschlußreich ist in diesem Zusammenhang der Kommentar von Wallace zur Abberufung von Scheng durch Chiang Kai-shek in seinem Buch (S. 135): Der Grund für die Versetzung, so schreibt er hier, sei die „Blödheit" gewesen, mit der er in seiner Provinz eine „Antisowjetstimmung" entfachte. Den Rückzug der Russen 1943 aus Sinkiang kommentierte er im übrigen mit folgenden Worten: „. . . angesichts der Antisowjet-Intrigen in Sinkiang zogen sich die Russen, um einen offenen Bruch mit Tschung King zu vermeiden, zurück."

  52. Vgl. zu diesen Vorgängen D. Dallin, Soviet Russia and the Far East, New Haven 1948, insbes. S. 366 ff.

  53. Text des Freundschafts-und Bündnis-Vertrages in: Sovetsko-Kitajskie otnosenija 1917— 1957 gg. (Anm. 13), S 196. S hierzu auch: G. F. Hudson, The Sino-Soviet Alliance, Treaty of 1945, St. Antony's Papers, Nr. 2, London 1957, S. 13 ff. Im Rahmen dieses Vertrages fand am gleichen Tage auch ein „Notenwechsel über sowjetische Hilfeleistungen, über die Mandschurei und Sinkiang" statt (Text: Ebenda, S. 205). Der Vertrag wurde von der Regierung (National-) Chinas erst am 25. Februar 1953 für nichtig erklärt.

  54. S. hierzu und zum Folgenden: Jan Morrison, Some Notes on the Kasakhs of Sinkiang, in: Royal Central Asian Journal, January 1949.

  55. Ebenda, S. 70.

  56. Nach N. L. D. McLean, The New Dominion, in: Royal Cential Asian Journal, April 1948, S. 133.

  57. Eric Shipton, Mountains of Tatary, London 1950, S. 52 f.; ferner auch Diana Shipton, Antique Land, London 1950, S. 129.

  58. Nach Li Chang, a. a. O., der sich allerdings auf nicht weiter belegte „Berichte, die dem chinesischen Verteidigungsministerium im Jahre 1948 zugingen", beruft, entwickelte sich die Situation in den Wolframgruben der Bezirke Wentschuan und Polo folgendermaßen: 1945 förderten 3000 Arbeiter 150 t; 1946 10 000 Arbeiter 450 t; 1946 20 000 Arbeiter 1000 t. In den Bezirken Fujun und Tschenghua an der mongolischen Grenze waren über 1000 sowjetische Techniker, 3000 Arbeiter und 120 bewaffnete Wachmannschaften eingesetzt. Außer den Zinn-und Wolframlagern wurden Diamanten-, Gold-, Wismut-Beryll-, Talkum-, Asbest-, Gips-und Quecksilbervorkommen gefunden.

  59. Nach Li Chang, a. a. O. (Anm. 26), der sich auf ein ausführliches „Telegramm des Außenkommissariats von Urumtschi an das chinesische Außenministerium''beruft, für das er allerdings keinen weiteren Beleg angibt.

  60. Text des von Visinskij und Tschu En-lai unterzeichneten „Vertrages über Freundschaft, Bündnis und gegenseitigen Beistand" in: Sovetsko-Kitajskie otnosenija 1917— 1957 gg. (Anm. 13), S. 219. Mit dem Vertrag verbunden waren eine Reihe von Zusatzabkommen und Notenwechsel, so z. B. über die Nichtigkeitserklärung des Freundschafts-und Bündnisvertrages vom 14. August 1945 (Wortlaut: Izvestija vom 15. Februar 1950).

  61. S. hierzu: Sovetsko-Kitajskie otnosenija 1917 bis 1957 gg (Anm. 13), S. 227, in: Izvestija vom 29. März 1950.

  62. Amar Lahiri, Communist New Deal in Sinkiang, in: United Asia, Nr. 2/1950, S. 141 ff.

  63. Das Ausmaß der Säuberungsmaßnahmen läßt sich z. B. an folgenden Meldungen ermessen: (zitiert nach B. Hayit, Das Vorgehen der Sowjets im Orient, Beilage B XXVII/55 zur Wochenzeitung „Das Parlament" vom 6. Juli 1955): Am 24. August 1951 gab Radio Urumtschi bekannt, daß in Anwesenheit von 90 000 Menschen in Urumtschi Usman Batur und 25 seiner führenden Mitkämpfer demonstrativ gehängt wurden. Am 28 April 1951 erklärte der Sekretär der Kommunistischen Partei Ostturkestans, Scho Li-hin, es seien 13 569 Anhänger Usman Baturs, 889 Angehörige der Einheiten von Muhammed Niyaz (einer der Führer des Kampfes) und 300 Anhänger von Masus Sabri, der noch 1949 von den Kommunisten zunächst zum Gouverneur ernannt, am 8. April 1951 dann aber wegen Unterstützung der Nationalisten verhaftet worden war, vernichtet worden. Nach Scho Li-hin waren seit der Machtübernahme der Kommunisten in China 30 nationale Organisationen in Sinkiang aufgedeckt worden. In einer Radioansprache erklärte der ehemalige Gouverneur von Sinkiang, Burchan, wörtlich: „Im Laufe von drei Jahren wurde die Antirevolutionsbewegung unterdrückt. Die Säuberung unserer öffentlichen Einrichtungen von aufständischen Banditen, nationalistischen Feinden und Anhängern der Imperialisten wurde mit Erfolg durchgeführt. Es ist uns gelungen, von diesen Volksfeinden 120 000 zu vernichten." Nach Angaben der Zeitschrift „Milli Türkistan" (Nr. 75/1951, S. 8 f.) haben in dieser Zeit zwischen den Aufständischen und kommunistischen Truppen 66 Kampfhandlungen stattgefunden.

  64. Nach B. Hayit, a. a. O. (Anm. 63) gingen die Kommunisten davon aus, daß in Ostturkestan insgesamt 14 „Nationen" leben.

  65. Sovetskaja Kirgizija teilte am 18. November 1954 mit, daß in Ostturkestan ein dunganisches und kirgisisches autonomes Gebiet entstanden sei und die Bildung eines uigurischen und kasachischen autonomen Gebietes bevorstehe. Nach Hsinhua vom 1. Dezember 1954 wurde das kasachische autonome Gebiet bereits am 28. November 1954 gebildet. Es umfaßte Kuldscha, Tarbagatai und Altai.

  66. Uber die chinesische Religions-und insbesondere die Islam-Politik gibt es bis heute keine größeren Untersuchungen. Einige Anhaltspunkte bieten der bereits erwähnte Aufsatz von S. Chandra Särker (Anm. 3) und Chan Wing-tsit, Religious Trends in Modern China, New York 1953. Die folgende Darstellung der chinesischen Islam-Politik der „ersten Stunde" basiert vor allem auf drei kleineren Arbeiten: Yang I-fan, Islam in China, Hong Kong 1957; ders., Unruhe unter den Muslimen in der Chinesischen Volksrepublik, in: R. Italiaander (Hrg.), Die Herausforderung des Islams, Göttingen-—Berlin—Frankfurt 1965; O. V., Moslem Unrest in China, Hong Kong 1958.

  67. Grundlage für den Rückzug der Sowjetunion waren: das „Gemeinsame Kommunique über die Überführung der sowjetischen Anteile an den gemischten sowjetisch-chinesischen Aktiengesellschaften . Sovkitneff, , Sovkitmetall', . Skoga’ [Zivilluftfahrt] und Sovkitsudostroj [Schiffsbau und Schiffs-reparatur] in das Eigentum der VRCh" vom 12. Oktober 1954 (Sovetsko-Kitajskie otnosenija 1917 bis 1957 gg, S. 303) und die „Protokolle über den Abschluß der Überführung sowjetischer Anteile an den gemischten sowjetisch-chinesischen Aktiengesellschaften in das Eigentum der VRCh" vom 30. und 31. Dezember 1954 (Izvestija vom 31. Dezember 1954 und 1. Januar 1955).

  68. Nach Süleyman Tekiner, Sinkiang and the Sino-Soviet-Conflict, in: Bulletin. Institute for the Study of the USSR, Vol. XIV, No. 8 August 1967, S. 10.

  69. Hsin Chiang Jih Pao vom 23. September 1956 (zitiert nach Süleyman Tekiner, a. a. O.)

  70. Hsin Chiang Jih Pao vom 16. Oktober 1956 (zitiert nach Süleyman Tekiner, a. a. O., S. 11).

  71. In: Jen Min Jih Pao vom 27. Juni 1958.

  72. Er wird erwähnt bei Süleyman Tekiner, a. a. O., S. 11.

  73. Central News Agency vom 13. Juli 1958.

  74. Bericht darüber in: Le Monde vom 2. Juli 1959.

  75. Nach Süleyman Tekiner, a. a. O., S. 11 f.

  76. Der Aufsatz von Süleyman Tekiner, dem diese Angaben entnommen wurden (S. 12), beruft sich vor allem auf die Berichterstattung der indischen Tageszeitung Indian Express.

  77. Die gegenseitige Kritik bediente sich in dieser Zeit in der Regel noch immer vergleichbarer Ansatzpunkte und Entwicklungstendenzen in anderen „Bruderländern", so vor allem in Jugoslawien und Albanien. S. hierzu und zur Vorgeschichte des chinesisch-sowjetischen Konflikts: Harry Hamm, Joseph Kun, Das rote Schisma, Köln 1963 (mit 22 Dokumenten), insbes. die einleitende Analyse „Ursachen und Motive des Schismas", S. 8— 45.

  78. Die Literatur über den sowjetisch-chinesischen Konflikt ist inzwischen so angeschwollen, daß hier darauf verzichtet werden soll, Einzeltitel zu nennen. Zur laufenden Berichterstattung und Dokumentation wird auf die Zeitschriften „Ost-Probleme", „Osteuropäische Rundschau" (früher „Hinter dem Eisernen Vorhang"), „Europa-Archiv" und „Osteuropa" verwiesen.

  79. Hier zitiert nach der englischsprachigen Version dieses Artikels: The Origin and Development of the Differences Between the Leadership of the C. P. S. U. and Ourselves. Comment on the Open Letter of the Central Committee of the C. P. S. U., in: Peking Review, Nr. 37 vom 13. September 1963, S. 6— 20; die hier zitierte Stelle: S. 18.

  80. Veröffentlicht in englischer Sprache unter dem Titel: A Proposal Concerning the General Line of the International Communist Movement — The Letter of the Central Commitee of the Communist Party of China in Reply to the Letter of the Central Commitee of the Communist Party of the Soviet Union of March 30, 1963, in: Peking Review, Nr. 25 vom 21. Juni 1963.

  81. Veröffentlicht unter dem Titel: Pis'mo Central’nogo Komiteta KPSS Central'nomu Komitetu Kommunisticeskoj Partii Kitaja (Brief des Zentralkomitees der KPdSU an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas), in: Pravda vom 3. April 1963

  82. Die Italienische Tageszeitung II Messaggero vom 6. Juli 1963 berichtet über insgesamt 60 000 Kasachen und Uiguren, die in der Sowjetunion um politisches Asyl baten.

  83. Yeni Istanbul vom 9. Januar 1966 (zitiert nach Süleyman Tekiner, a. a. O., S. 12 f.).

  84. Yeni Gazete vom 20. Februar 1966 (zitiert nach Süleyman Tekiner, a. a. O., S. 13).

  85. S. dazu: Neue Zürcher Zeitung vom 3. Februar 1967 unter der Überschrift: Die Türkvölker zwischen China und Rußland. Alptekin wird in diesem Bericht als „Regierungschef von Ostturkestan, bis dort 1949 die chinesischen Kommunisten die Macht übernahmel", bezeichnet. Es wird auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sich „seine Informationen bisher immer als korrekt erwiesen" hätten.

  86. Zunun Taipov, Po tu storonu granicy. Pis'mo byvsego generalmajora narodno-osvoboditel'noj armii Kitaja, in: Izvestija vom 13. September 1964, S. 4.

  87. Eto — neprikrytyj sovinizm. Rasskazyvaet pokinuvsy Kitaj pisatel Buchara Tyskanbaev, in: Literaturnaja gazeta vom 26. September 1963.

  88. Anur Alimzanov, Tragiceskaja istorija odnogo lozunga (Die tragische Geschichte einer Losung), in: Literaturnaja gazeta, vom 25. Januar 1967, S. 14.

  89. Zur Kulturrevolution s. u. a. die Analysen und Dokumente in: Ost-Probleme, 18. Jahrg. 1966, S. 546— 576; 19. Jahrg. 1967, S. 98— 128; 20. Jahrg. 1968, S. 314— 336; ferner K. Mehnert, Maos zweite Revolution, Stuttgart 1967; G. Blumer, Die chinesische Kulturrevolution 1965/67, Frankfurt/M. 1968; J. Glaubitz, Chinas Weg in die Krise, Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte" zur Wochenzeitung „Das Parlament", B 20/67 vom 17. 5. 1967; D. Heinzig, Neues zur Vorgeschichte der Kultur-revolution in China, in: Außenpolitik, Heft 4/1968; ders., Die Krise der kommunistischen Partei Chinas, in: Mitteilungen des Instituts für Asienkunde, Nr. 27, Hamburg 1969; C. Neuhauser, The Chinese Communist Party in the 1960s: Preludo to the Cultural Revolution, in-The China Quarterly, Nr. 32/1967; ders., The impact of the cultural revolution on the Chinese Communist Party machine, in: Asian Survey, June 1968.

  90. „Hungweiping" = Rote Garde. Dieser chinesische Terminus zur Bezeichnung der Roten Garde wird durchweg auch in der sowjetischen Presse verwendet — wahrscheinlich, um jede Assoziation mit der „Roten Garde" der sowjetischen Frühzeit („Krasnaja Gvardija") von vornherein zu vermeiden.

  91. So wörtlich in dem von Alimzanov abgedruckten Augenzeugenbericht der geflohenen „ehemaligen chinesischen Bürger" S. M. und J. Daurakbaev und O. Magomedov (vgl. Anm. 88).

  92. TASS-Bericht vom 10. Februar 1967.

Weitere Inhalte

Hans Bräker , Dr. phil., Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln. Zahlreiche Veröffentlichungen zu Fragen der Entwicklungsländer, der Entwicklungshilfe, der Wirtschaftspolitik der osteuropäischen Länder und über religionswissenschaftliche Probleme. Zuletzt u. a.: Multilaterale Hilfeleistung für Entwicklungsländer, Köln-Opladen 1968; Die religionsphilosophische Diskussion in der Sowjetunion. Zur heutigen Auseinandersetzung des Marxismus-Leninismus mit dem Christentum, in: Marxismus-studien, Sechste Folge, Tübingen 1969; Die Integration in West-und Osteuropa und die Europapolitik der Sowjetunion, in: Moderne Welt, Heft 2/1969; Kommunismus und Welt-religion Asiens. Zur Religions-und Asienpolitik der Sowjetunion, Band I, 1: Kommunismus und Islam. Religionsdiskussion und Islam in der Sowjetunion, Tübingen 1969; Band I, 2: Kommunismus und Islam. Islam und sowjetische Südostasien-Politik, Tübingen 1970.