Von Platons Staat der Wächter bis Humboldts Nachtwächterstaat und von dort bis zum gegenwärtigen Staat fast totaler Vorsorge ist nahezu kontinuierlich über Fragen der Führung reflektiert worden, mal mehr in der Form geistreicher Spekulation, mal mehr in der Art handfest-pragmatischer Empfehlungen. Die historische Abfolge der Führungstheorien ist verschiedentlich dargestellt worden
Einmal sind das 19. und 20. Jahrhundert in wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und staatlichen Ausprägungen aufeinander bezogen, Phänomene der Gegenwart sind vielfach nur verstehbar aus der Tradition des 19. Jahrhunderts oder den bewußten Gegenkräften gegen die Tradition des 19. Jahrhunderts. Die fragwürdigen oder auch weniger fragwürdigen Traditionsreste des 19. Jahrhunderts ragen in die Gegenwart hinein und binden ein Volk, das den Anschein erweckt, als desertiere es aus der eigenen Geschichte
Aber es geht, von der politischen Aktualität abgesehen, letztlich um mehr als die Anpassung von Führungsschichten an die politischen Veränderungen — sofern das überhaupt möglich oder wünschenswert wäre — oder die Herausbildung von jeweils an den politischen Zeitgeist angepaßten Führungsschichten, nämlich hauptsächlich darum, wie Führungsschichten konstituiert werden können, die dem technischen und technologischen Fortschritt und Vorweis auf das Jahr 2000 entsprechen. Auch scheint mir die Akzentuierung der nur oder vorrangig politischen Führungsschichten weithin einseitig zu sein, da nur eine — wie gelegentlich angenommen — saubere Abgrenzung von z. B. politischen und wirtschaftlichen Führungsschichten nicht möglich erscheint
Gewiß, diese gesellschaftlichen Veränderungen können hier nur vordergründig und nur im Bezug zum Thema angedeutet werden.
Während sich bis in die Mitte des vorigen Jahrhunderts die Führungsschichten aus dem Adel rekrutierten, beginnen im Zusammenhang der industriellen Entwicklung Aufstiegs-und Abstiegsprozesse, die eine bis dahin wohl-geordnete Hierarchie ins Wanken brachten. Der Adel war außerstande, in dem beginnenden ökonomischen Zeitalter die Führungspositionen weiterhin und ausschließlich für sich zu reservieren. Während bis etwa zur Mitte des vorigen Jahrhunderts noch angenommen werden konnte, daß Besitz, Blut und Bildung zusammenfallen, brachen diese Elemente auseinander und konnten auch durch eine Nobilitierung der Besitzenden und Gebildeten nicht eine homogene Führungsschicht wieder herstellen. Ortega y Gasset hat in diesem Zusammenhang gemeint, „die Aristokratie habe sich selbst zum , Mondschein-Adel'degradiert"
In dieser Situation gesellschaftlicher Veränderungen wird das Führungsproblem verschiedenen Klärungsversuchen zugeführt; am Ende des vorigen und zu Beginn unseres Jahrhunderts erlangen drei Elitetheorien eine internationale Bekanntheit, und zwar die von Gaetano Mosca
Nach der beginnenden Stabilisierung der Bundesrepublik, deren Start ja entgegen einer frühen Warnung Leopold Schwarzschilds
Ausgehend von einem theoretischen Vorwissen erfährt unsere Darstellung durch die skizzierte Entwicklung einen ausgesprochen praktischen Aspekt. Weder eine weithin von den Realisierungschancen absehende Theorie noch der Verweis auf historische Vorformen vermögen uns gegenwärtig weiterzuhelfen. Daher werden wir praktische Verfahrensweisen, gegenwärtige Tatbestände mithin, charakterisieren, werden Modelle anderer Länder vorführen
Führungsprobleme in den politischen Parteien
Auf die Probleme der Führungspraxis und Führungsbildung in den politischen Parteien bin ich in einer Darstellung bereits 1957 näher eingegangen
Während einerseits der Einfluß der Parteien auf die Exekutive zunimmt und deren Verfahrensweisen kopiert, schwindet in gleichem Maße ihre Verankerung in und ihre Glaubwürdigkeit bei den Wählermassen
Nun fällt aber an diesem Vorgang der Überfremdung auch der Wählerschaft ein Teil Schuld zu, da sie sich der aktiven Mitarbeit in den Parteien weithin enthält und sich dadurch der Einflußnahme entzieht. Nicht einmal 5 Prozent der Wählerschaft gehört einer Partei an
Eine moderne Partei ist auf Homogenität und Spezialistentum angewiesen. Nicht mehr die Zahl profilierter Persönlichkeiten entscheidet über die Werbe-und Durchschlagskraft einer Partei, sondern das Maß ihrer inneren und äußeren Straffheit. So ist es geradezu zum Verhängnis liberaler Parteibildungen der Gegenwart geworden, daß sie sich vom Leitbild der Honoratiorenpolitik noch nicht völlig gelöst haben. Eine stark persönlichkeitsgebundene Auslese tendiert notwendig zu parteipolitischer Diffusion, auch leidet die Ansprechbarkeit der Wählermassen darunter.
Der freidemokratische Bundestagsabgeordnete Erich Mende hat bereits auf dem Bundesparteitag am 25. März 1955 in Oldenburg zum Ausdruck gebracht, daß die Dynamik einer modernen Partei nicht so sehr von den Offizieren als von einer großen Mannschaft ausgeht: „Ich glaube, wir entnehmen unsere parteipolitische Propaganda allzusehr aus dem Reservoir unserer Akademiker und Intellektuellen und nehmen allzuwenig Rücksicht auf die Zusammensetzung unserer Bevölkerung. Auch das schönste und beste politische Programm verliert seinen Wert, wenn man nicht in der Lage ist, es durchzusetzen, indem man jene Mannschaft bekommt, die dann in den Parlamenten eben das Durchsetzen überhaupt ermöglicht. Wir haben in Deutschland . . : 82 °/o, die die Volksschule besucht haben, 14 0/0 mit mittlerer Reife und 4 °/o mit dem Abitur. Unsere Diktion ist viel zu sehr auf die 4 °/o und viel zu wenig auf die 82 °/o ausgerichtet."
Gewiß sind „Minoritäten schutzbedürftiger als Majoritäten"
Ein weiteres: Die Parlamente sollen die Bevölkerung repräsentieren. Aber leisten die Par-teien, die ja hinsichtlich der politischen Wir-kuhgsmöglichkeiten Monopolstellung haben, diese Aufgabe, eine echte Repräsentanz der Wählerschaft herzustellen? In seinem kenntnisreichen Buch „Fraktion und Regierungsbildung" hat Götz Roth seine Untersuchungen in einige Thesen zusammengefaßt, die hier, soweit sie Wähler und Abgeordnete betreffen, wiedergegeben seien: „Der Einfluß des Wählers auf die praktische Politik seines Landes ist sehr gering . . . Der Abgeordnete ist nicht Vertreter des ganzen Volkes, sondern seiner Partei ... Das Parlament (der Landtag) hat in diesem System nicht den Charakter einer demokratisch legitimierten repräsentativen Versammlung des sich selbst regierenden Volkes. Es hat vielmehr die Tendenz, sich aus einer demokratischen Institution zu einer Institution der Parteioligarchie zu verwandeln."
Bis in die sechziger Jahre hinein waren die Führungsgremien nahezu aller Parteien überaltert und haben dem Nachwuchs nur geringe Chancen gegeben
Freilich, die derzeitigen Tendenzen, insbesondere im Hinblick auf den Führungsnachwuchs in den politischen Parteien und in den Parlamenten, lassen sich nicht eindeutig verifizieren, da wir uns offenbar in einem schwer zu analysierenden Transformationsprozeß befinden; trotz aller nach außen bekundeten Stabilität und Geschlossenheit der politischen Parteien und deren Aktionen
Notwendigkeit zukunftsorientierter Ausbildung in der Verwaltung
In dem Maße, in dem die Führungsqualitäten der politischen Entscheidungsgremien in Zweifel gezogen werden, wächst auch das öffentliche Unbehagen an der Selbstdarstellung der staatlichen und kommunalen Verwaltung.
Nicht, daß in der Verwaltung die exekutiv-juristische Potenz schwinde, aber es scheint im Blick auf Gesetzesinitiative und vor allem vorausschauende Planung an dem interdisziplinär orientierten Sachverstand zu fehlen, den prognostische Aufgaben voraussetzen
Aber die Aufgaben gegenwärtiger Verwaltung sind weiter gesteckt; es sind vor allen Dingen Aufgaben des Planens, und dazu bedarf es einer anderen als der bisherigen konventionellen Ausbildung. Besieht man sich das Schrifttum zum Führungsproblem in der Verwaltung, so wird nahezu übereinstimmend darauf hingewiesen, daß die Vorbildung unzulänglich sei, daß die Verwaltungsführung sich als weithin unfähig erweise, Verantwortung zu delegieren, und daß sie nicht über jene Zurüstung verfüge, die sie befähige, planerische Aufgaben im Blick auf die Zukunft zu übernehmen. Um es im Klartext zu sagen: Was die Vorbildung betrifft, so ist das derzeitige juristische Studium nicht geeignet, den Führungsnachwuchs in der Verwaltung sicherzustellen. Dieses Studium macht vielleicht stärker als jedes andere bewußt, daß die innere hochschuldidaktische Reform von der gegenwärtigen Hochschulreformdiskussion ausgeschlossen zu sein scheint. Es müßte Unbehagen, wenn nicht Protest hervorrufen, daß sich ein Teil des Studiums, und zwar der für das Examen wohl entscheidendste Teil, außerhalb der Universität, nämlich in den Fallkursen der Repititoren vollzieht. Gewiß, die Universität ist keine „Berufsschule höherer Ordnung"
Der Professor für Management an der Graduate School for Business in New York, Peter F. Drucker, weist in seinem neuesten Buch „The Age of Discontinuity"
„Schon während des Studiums sollten die Kurse verschiedener Fakultäten besucht werden, was ein Umsatteln auch im mittleren Lebensalter ermöglicht."
Daraus läßt sich wohl ableiten, daß mit den herkömmlichen, dem 19. Jahrhundert entlehnten Ausbildungsvorstellungen eine moderne Verwaltung in ihren Führungsbereichen nicht mehr auskommt. Sie muß die detaillierten Durchführungsverfahren delegieren und sich für übergreifende und vorweisende Entscheidungen freihalten. Daß die Kritik an der Ausbildung für die höchsten Leitungs-und Verantwortungsbereiche der Verwaltung keineswegs auf Deutschland beschränkt ist, läßt sich, wie gesagt, aus mancherlei aktuellen Publikationen ablesen. In diesem Zusammenhang wird auch stets betont, daß sich Aufgabenbereiche so ausweiten, daß sie von einer klassischen Disziplin her nicht mehr bewältigt werden können. Das betrifft insbesondere die Landesplanung, die die Verantwortlichen aus Mangel an Kooperationsbereitschaft, Einsicht und Sachverstand vor sich herschieben. Die Fülle der nur kooperativ zu leistenden Aufgaben verdeutlicht ein mahnender Beitrag zur Landesplanung in der „Neuen Zürcher Zeitung": „Die Fülle dieser Anliegen und Aufgaben läßt ohne weiteres erkennen, daß eine wirksame Landesplanung nicht die Sache des Architekten oder Technikers allein sein kann, sondern daß der Wirtschaftsfachmann, der Jurist, der Soziologe und sogar der Psychologe zur Mitarbeit herangezogen werden müssen, weil eine Landesplanung oder Raumplanung, die sich letztlich die Schaffung menschenwürdiger Bedingungen des gesellschaftlichen Zusammenlebens zum Ziele setzt, an der Natur des Menschen, der Bedürfnisse der Wirtschaft und der Gesellschaft, an den biologischen und ästhetischen Fragen der Erhaltung der Landschaft und der Kulturgüter und an den soziologischen Problemen einer gesunden Gesellschaftsstruktur nicht achtlos vorbeigehen kann."
Universität und Führungsnachwuchs
Vor solchen Aufgaben wird das Juristen-Monopol fragwürdig, das ohnedies nur noch von der Tradition her zu rechtfertigen wäre, und es kommt der Zweifel, ob die klassische Universität überhaupt in der Lage ist, Vorsorge für den Führungsnachwuchs zu treffen. Ich behaupte, daß ein konventionelles juristisches Studium selbst mit dem Hillsmittel eines Kontaktstudiums allenfalls den angepaßten Routinier hervorbringt, nicht aber die dirigierende und entscheidungsbereite und befähigte Führungskraft
Gerade für die künftigen Führungsaufgaben muß ein viel breiter angelegtes Studium entwickelt werden. Es stellt sich jedoch die Frage, auf welchem Weg, in welcher Weise, in welchen Institutionen sich die Nachwuchsbildung für die Führungsschichten vollziehen soll. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Verfahren bieten sich an: Einmal kann unmittelbar auf ein abgeschlossenes Universitätsstudium eine Spezialausbildung erfolgen, oder es muß ein an den Realitäten der Praxis, nicht notwendig mit der Universität verbundenes System von Weiterbildungsmaßnahmen für das top-management in der Verwaltung entwickelt werden. Aber für eines von beiden muß man sich entscheiden, sonst wird man letztlich die Frage von Roman Schnur „Haben wir die richtigen Beamten?"
Einige der kritischen Anmerkungen von Roman Schnur sollen hier wiedergegeben werden:
. ein Regierungsassessor kann eher eine zivilrechtliche Zwangsvollstreckung vornehmen als das Haushaltsgesetz des Bundes lesen .... es wird . . . nichts anderes übrig bleiben, als die Laufbahn des höheren Dienstes von seinen modernen Aufgaben her zu definieren. Das muß zur eigenen Ausbildung für den höheren Verwaltungsdienst führen. . . . Das wird auch zu einer viel stärkeren Förderung des interdisziplinären Studiums führen. . . . Viele höhere Beamte erledigen heute zu niedrige Aufgaben . . ., es ergibt sich die Notwendigkeit, die Zahl der höheren Verwaltungsbeamten erheblich zu reduzieren, . . . die in Fachkreisen viel diskutierte Führungsakademie für Verwaltung . . . (ist) unumgänglich."
Allerdings scheint mir, daß ein Aspekt von Schnur zu wenig akzentuiert wird, daß nämlich in allen Phasen der Beamtenlaufbahn das Leistungsprinzip durchgesetzt werden muß. Die Verbeamtung auf Lebenszeit ist ein Vertrauensbeweis des Staates, wohl auch eine Honorierung für einen Dienst ohne zureichenden Verdienst, aber sie unterwirft den Aufstieg der Vorausberechnung — die Anwartschaft auf Beförderung nach so und soviel abgesessenen und erdienten Jahren ist in Tabellen ablesbar —; die Beförderungsroutine weniger nach Leistung als nach Jahren vermag nicht gerade Initiative und Engagement zu fördern. Der Aufstieg in führende Positionen auf Grund erwiesener Leistungen müßte sich in einem Alter vollziehen, da der Mensch alle Energie seiner beruflichen Tätigkeit zur Verfügung stellen kann; warum sollte der jugendliche Manager nicht auch in der Rolle des Staatssekretärs, des Staatsrates, des Präsidenten einer Bundesbehörde vorstellbar sein. Es scheint, als hätten — auf Bundesebene zumindest — die parlamentarischen Staatssekretäre das Klischee vom angegrauten Staatssekretär als Erfüllung und Abschluß einer Beamtenlaufbahn aufgehoben. Aber dies alles verbleibt noch im Stadium der Kritik oder der beiläufigen Reform. Was ist zu tun, um den Führungsnachwuchs hervorzubringen, und wie ist es zu tun? Bevor wir uns am ausländischen Vorbild und Beispiel orientieren, einiges zur hiesigen Situation.
Verwaltungswissenschaft als Integrationswissenschaft
1. An Forderungen zur Modifizierung der Ausbildungsgänge fehlt es — wie wir gesehen haben — nicht. Allerdings ist nicht abzusehen, ob solchen Forderungen entsprochen wird. Ich wiederhole in aller Deutlichkeit und Eindeutigkeit: Mir scheint die innere, auf die Disziplinen bezogene Hochschulreform wichtiger als die äußere, die sich in Fragen über Struktur und Mitbeteiligung erschöpft. Eine Hochschule, die die Mitbestimmung, die Paritäten für alle Gruppen zufriedenstellend reguliert hat, muß nicht notwendig in ihren Verfahren und Ausbildungsaufträgen modern sein.
2. Das Juristenmonopol für den Führungsnachwuchs bleibt nur dann gerechtfertigt, wenn sich die juristische Ausbildung als Kern interdisziplinärer Veranstaltungen versteht und eine Verwaltungswissenschaft konzipiert, wie sie Thomas Ellwein für die siebziger Jahre fordert: „Wissenschaftspraktisch gesprochen kann die Verwaltungswissenschaft nur noch als Integrationswissenschaft verstanden und in enger Kooperation mit der Soziologie und Psychologie, mit der Politik-, Rechts-und Wirtschaftswissenschaft, mit der Kybernetik oder auch der Philosophie betrieben werden."
Die Zukunftsforschung z. B. hat sich als eine anerkannte oder anzuerkennende Disziplin bei uns noch nicht etabliert
Wir haben diesen einen Aspekt didaktischer Reform oder zumindest Erweiterung hier so ausführlich herausgestellt, um darzutun, daß mit der Enge tradierter Wissenschaftlichkeit die Führungsbildung nicht vorangebracht werden kann. Trotz unserer kritischen Einwände kann festgestellt werden, daß immerhin schon einiges, aber zu wenig geschieht. Wenn man dagegen die Bemühungen der Wirtschaft um den Führungsnachwuchs setzt, dann muten die Anstrengungen in der Verwaltung geradezu bedeutungslos an. Wie in vielen Fällen bedeutet auch hier Vielfalt nicht beglückenden Reichtum.
Die Planungen des Bundesinnenministeriums
Die Hoffnungen all derer, die sich theoretisch oder praktisch mit Führungsfragen befassen, konzentrieren sich seit geraumer Zeit auf die Planungen des Bundesinnenministeriums. Die zunächst eingesetzte Kommission, der man eine große Publizitätsfreudigkeit wahrlich nicht nachsagen kann, schien sich nach dem, was man vernehmen konnte, durchaus auf der von Schnur und Hennis geforderten Linie zu bewegen und vor allem eine Fortbildungsinstitution zu empfehlen, die dem Führungsnachwuchs zur Verfügung stehen sollte. Also nicht Fort-und Weiterbildung auf möglichst breiter Grundlage, ohne besondere Differenzierung und Spezialisierung, sondern Beschränkung auf die Bedürfnisse und Erfordernisse des top-management. Inzwischen scheinen diese Vorarbeiten revidiert zu sein; aus einer Mitteilung des Bundesinnenministers Benda läßt sich wohl ablesen, daß eine auf Breitenwirkung zielende Fortbildung projektiert wird. Zunächst sei zustimmend vermerkt, daß die Reform der Bundesverwaltung in Gang kommt, was u. a. daran abzulesen ist, daß die Bundesregierung einen eigenen Kabinettsausschuß für diese Aufgabe errichtet hat, dessen Vorsitzender der Bundeskanzler und dessen Stellvertreter der Bundesminister des Innern ist. In einem Vortrag über „Politische Führung und Verwaltungsorganisation" hat der Bundesminister des Innern, Ernst Benda, seine Konzeption dahingehend präzisiert, daß er offenbar versucht, beides zu vereinen: die Weiterbildung des Führungsnachwuchses und eine mehr allgemeine, weitgehend beruflich orientierte Fortbildung
Die Zielvorstellungen des Bundesministers des Innern im Hinblick auf die Fortbildung sind bündig in einer Rede zusammengefaßt, die Benda auf dem 7. Deutschen Beamtentag des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Bremen gehalten hat: „Die Fortbildung der Angehörigen des öffentlichen Dienstes wird intensiviert werden. Nach der inzwischen erfolgten Billigung meiner Vorschläge durch den Kabinttsausschuß für wissenschaftliche Bildung und Ausbildungsförderung wird eine Akademie für öffentliche Verwaltung errichtet werden, die mit den modernsten didaktischen Methoden für Erwachsenenbildung arbeiten soll. — In der Akademie erfolgt die Fortbildung der Bundesbediensteten in einem vierstufigen, auf die Bedürfnisse der modernen Verwaltung zugeschnittenen Fortbildungssystem: 1. Einführung in die Aufgaben der Verwaltung für die Nachwuchskräfte, die dabei mit der besonderen Struktur und den komplexen Funktionszusammenhängen moderner Verwaltung vertraut gemacht werden. 2. Berufsbegleitende Fortbildung, bei der fach-bezogenes Wissen vermittelt und der Stoff der Einführungslehrgänge aktualisiert wird.
3. In den Lehrgängen für Führungsaufgaben und für internationale Verwendung sollen besonders qualifizierte Kräfte für verantwortliche nationale und supranationale Positionen geschult werden. 4. Ein Fortbildungsseminar für Führungskräfte hat die Aufgabe, die bereits in leitenden Positionen Tätigen insbesondere mit den neuen Methoden der Führungs-und Planungstechnik vertraut zu machen."
Auf der Grundlage solcher allgemeinen Überlegungen ist das System der „dienstlichen Fortbildung im öffentlichen Dienst" inzwischen präziser gefaßt worden. Im Innenausschuß des Deutschen Bundestages hat Minister Benda die inzwischen konzipierte Grundstruktur vorgetragen, wobei er in einem „Allgemeinen Überblick" deutlich gemacht hat
Im Zusammenhang mit dem 4. Punkt wird die englische Fortbildungseinrichtung Treasury, die amerikanische Civil Service Commission und die renommierte Ecole Nationale d'Administration (ENA) als zwar vorbildlich, aber für unsere Verhältnisse nicht praktikabel bezeichnet. Hinsichtlich der ENA wird von Benda eingewandt, „daß die Schwäche des französischen Systems darin besteht, daß die künftigen Führungskräfte in einem Alter zwischen 23 und 25 Jahren ausgesucht werden, einem Alter, in dem sich zwar die Intelligenz mit Sicherheit feststellen läßt, nicht aber die Fähigkeit, als Führungskraft mit der Praxis fertig zu werden". Die Einwände gegen eine frühzeitige Elitebildung werden hier nicht belegt, und sie werden zudem durch die erfolgreiche Praxis der ENA in keiner Weise ins Recht gesetzt. Dagegen ließe sich nach meinem Dafürhalten mancherlei gegen die vergleichsweise späte Auswahl, die im Alter von etwa 35 Jahren erfolgen soll, vorbringen, so der lange Abstand zur Ausbildung, so die inzwischen versierte Einübung in die Routine, so auch eine vielfach eingleisige Spezialisierung, die den Blick für übergeordnete Zusammenhänge zu versperren droht. Alle pädagogischen Konzepte der Elitebildung
Das Projekt eines vierstufigen Fortbildungssystems
Doch zurück zu der im Bundesinnenministerium entwickelten Struktur der Führungsauswahl in der Form von Fortbildungsstufen. Die diesbezüglichen Erläuterungen sollen in ihrem ganzen Umfang wiedergegeben werden: „Die Grundstruktur dieses Fortbildungssystems weist vier Stufen auf, die beliebig durch Sonderlehrgänge nach Bedarf erweitert werden können. Die vier Stufen sind, vom Fortbildungsbedarf her gesehen, eigentlich zwangsläufig. Es beginnt mit einer Einführungszeit von 18 Monaten für die Nachwuchskräfte, während der sie in verschiedenen Verwaltungssparten praktisch unterwiesen werden sollen. Innerhalb dieses Zeitraums sind zwei Einführungslehrgänge von zusammen 8 Wochen Dauer zu absolvieren. Es geht dabei nicht nur um die Einführung in die Verwaltungspraxis, sondern auch um die Vermittlung interdisziplinären Elementarwissens und um die Vermittlung der Fähigkeit, über den eigenen Fachbereich hinauszublicken und größere Zusammenhänge zu erkennen. Ziel der allgemeinen berufsbegleitenden Fortbildung ist es, allen Kräften bis in die mittlere Führungsebene thematisch breit gestreut fachbezogenes Wissen zu vermitteln, um die Berufskenntnisse zu aktualisieren und mit modernen Erkentnissen in Fragen der Methodik und der Anwendung technischer Verfahren vertraut zu machen. Die Bedeutung dieser Fortbildungsstufe liegt in der erheblichen Breitenwirkung, sowohl was den Wissensstoff als auch was den Personenkreis angeht.
Die dritte Stufe befaßt sich mit der Heranbildung von Führungsnachwuchs zunächst für die mittlere Führungsebene (Referenten). Ziel ist es, die Absolvierung dieser Stufe grundsätzlich zur Voraussetzung für die Erlangung einer Referentenposition zu machen. Dem trägt der hohe Standard des dabei zu vermittelnden Lehrstoffs Rechnung. Wenn das Durchlaufen dieser Stufe gewissermaßen obligatorisch wird, so wird damit auch der oft beschworenen Gefahr einer negativen Auslese begegnet.
Nicht gelöst ist damit allerdings das für alle Fortbildungsstufen bedeutsame Problem der Lernmotivation. Ich bin deshalb sehr dafür, nach Abschluß der Führungsnachwuchslehrgänge Leistungsbewertungen vorzunehmen oder Leistungsberichte zu erstellen. Die Dauer dieser auf etwa 3 bis 4 Monate berechneten Lehrgänge und die auf aktiver Mitarbeit basierenden didaktischen Methoden ermöglichen eine gesicherte Beurteilung. Eine solche Bewertung würde auch eine wertvolle Hilfe für die personalverwaltenden Stellen sein und es ihnen unter Berücksichtigung der Leistungen am Arbeitsplatz erleichtern, frühzeitig die Eignung für höhere Führungspositionen zu erkennen und zielstrebig im Sinne einer lang-fristig angelegten Personalpolitik darauf aufzubauen. In der gleichen Stufe, aber getrennt als Sonderlehrgänge, sollen die schon seit 1965 laufenden Lehrgänge für internationale Aufgaben nach Bedarf weitergeführt werden.
Die vierte Stufe umfaßt Seminarveranstaltungen für die Führungskräfte. Ich messe diesem Zweig der Fortbildung keine geringe Bedeutung bei. In diesen Seminaren hat die Vermittlung moderner Management-Methoden und die Vertiefung der Fähigkeit zu interdisziplinärer Kooperation ihren ganz besonderen Platz. In dieser Stufe ist auch — von der Größenordnung her gesehen — die Durchführung gemeinsamer Veranstaltungen für Führungskräfte des Bundes, der Länder und der Gemeinden sowie die Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wirtschaft am ehesten möglich. Bei der Heranbildung von Führungsnachwuchs und mehr noch bei den Einführungslehrgängen sind dem Grenzen gesetzt. Doch soll auch insoweit, falls dies gewünscht wird, eine Beteiligung kleinerer Länder keineswegs ausgeschlossen sein. Für eine sektorale Zusammenarbeit mit Einrichtungen der Wirtschaft ist auch bei der Heranbildung von Führungsnachwuchs genügend Raum."
Einige signifikante Merkmale dieses Plans seien zumindest schlagwortartig hervorgehoben: die enge Anlehnung an die Praxis, die methodische und didaktische Annäherung des Ausbildungsprogramms der Führungskräfte der Verwaltung an das der Wirtschaft — das legt übrigens die Vermutung nahe, daß hier davon ausgegangen wird, daß die Anforderungen an die Führungskräfte und deren Qualitäten in Wirtschaft und Verwaltung kongruent sind — und der gleichzeitige Kontakt zur Wissenschaft, das Abgehen von der fachlichen Spezialisierung und die Ausweitung der Kenntnisse in zunächst fachfremde Bereiche. Im Moment läßt sich jedoch noch nicht absehen, wann die Bundesakademie ihren Lehrbetrieb aufnehmen wird und ob sie trotz ihrer vergleichsweise starren Kapazität — die Akademie soll bei vollem Programm eine Dauerbelegung von 200 Personen haben — in die Konkurrenz mit den ausländischen Fortbildungseinrichtungen eintreten kann.
Vorsprung der Wirtschaft auf dem Gebiet der Führungsausbildung
Die in der Ost-West-Auseinandersetzung vielfach bemühte „Konvergenz" -Formel, also die technisch-technologischen Sachzwänge, die eine Annäherung in Verhaltensweisen, Strukturen, Produktionsverfahren etc. bewirken, gilt auch im Bereich der Führungsbildung. Die „Auswahl und Entwicklung von Führungskadern"
Nach dieser Tatbestandsanalyse im Umkreis der Verwaltung soll unser Augenmerk nun der Führungsauswahl im Bereich der Wirtschaft gelten.
Im Vergleich zu der nur schwer in Gang kommenden systematisierten Führungsbildung in der Verwaltung hat die Wirtschaft sich viel länger, wohl auch schon mit nachweisbaren Erfolgen, um die Heranbildung einer eigenen Führungsschicht bemüht. Das Schrifttum zur Führungsbildung in der Wirtschaft ist nahezu Legion
Die Wirtschaft weiß, daß die Befähigung, im industriellen Betrieb verantwortliche Funktionen zu übernehmen, entscheidend eine Frage der Substanz und dann erst der Routine ist. Diese Einsicht ist international; sie ist in Amerika ebenso geläufig, wie sie bei uns von berufener Seite nachdrücklich vertreten wird. So heißt es in einem Bericht der amerikanischen Gesellschaft für Ingenieur-Ausbildung: „Sucht ein Fabrikant heute junge Ingenieure, dann schaut er sich im allgemeinen nach solchen Leuten um, die Eignung zum Betriebsleiter haben. Er sucht Männer, die sich durch Ordnungssinn, Sorgfalt, Geschicklichkeit bei der Lösung von Problemen, klares Vorstellungsvermögen, logisches Denken, die Fähigkeit, sich richtig auszudrücken und Unternehmungsgeist auszeichnen. Die Industrie als Ganzes braucht junge Ingenieure, und sie bemüht sich um deren Heranbildung, die erstens fähig sind, Grundprinzipien zur schöpferischen Lösung neuer Probleme anzuwenden, zweitens in der Lage sind, ihren Beitrag zur Lösung der sozialen Probleme zu leisten, drittens eine Erziehung genossen haben, die ihnen die erforderliche Anpassungsfähigkeit verleiht, um mit der Änderung der Lebensziele, die mit der Reife einzutreten pflegt, fertig zu werden."
Nun hat es die Wirtschaft mit dieser Forderung und diesem Streben insofern leichter als die Politik, weil es im Rahmen der industriellen Unternehmungen ziemlich gleichgültig ist, welchem Bekenntnis oder welcher Richtung der Arbeiter oder der Angestellte angehört, sofern er sein Fach versteht und charakterlich zuverlässig ist. Gesichtspunkte der Protektion oder persönliche Rücksichten spielen in großen Betrieben eine geringe Rolle, seitdem sie aus den Händen der alten Familien-und Wirtschaftsdynastien mehr und mehr in das unpersönliche Eigentum von Aktionären übergegangen sind. Andererseits gelten die erwähnten Anforderungen speziell für die technische Führungsschicht, weil die Führungsaufgabe der eigentlichen Spitzengruppe sich auf den wirtschaftspolitischen Bereich zu beschränken pflegt. Die Spitzengruppe setzt sich aus den führenden Könnern des Wirtschaftslebens zusammen. Daß die großen Wirtschaftsführer zugleich große Techniker sind, ist seit den Zeiten von Siemens und Krupp kaum mehr der Fall. Die Spezialisierung der einzelnen Bereiche macht eine universale Bewältigung schon physisch unmöglich.
In der Spitzengruppe zeigen sich naturgemäß auch oligarchische Tendenzen: die Neigung, möglichst wenig Kompetenz aus der Hand zu geben
Führung insgesamt muß bestrebt sein, über die bloße Sachgerechtigkeit hinauszugreifen, sie muß Qualitäten entwickeln, die leistungsund funktionsbezogen sind.
Führungsgruppen und Führungsqualitäten
An dieser Stelle füge ich einen theoretischen Exkurs über Elite und Führung ein.
Aus dem Echo eigener Arbeiten weiß ich, daß man mit dem Begriff Elite heute sehr sorgsam umgehen muß, weil ihm moralisierend an-spruchsvolle Beiwerte anhaften. Stellt man jenes Verständnis von Elite, wie es im 19. Jahrhundert üblich war, zurück und ver-steht man unter Elite jene Gruppen, die einen prominenten Standort im Bereich der Politik und der Wirtschaft innehaben, so lassen sich im Anschluß an Wolfgang Zapfs Überlegungen sechs Funktionseliten ausmachen, die hier skizziert werden sollen. Es bedarf dieses weiteren Exkurses, da nur aus ihm ersichtlich wird, welche Einzeldisziplinen an dem Prozeß der Führungsbildung teilhaben können.
In Anlehnung an Zapf soll mit den politischen Funktionsgruppen begonnen werden. Hierher gehören die Kabinette, die Landes-regierungen, die Parlamente, die Parteien und auch Formen von politischer Elite, die in diesen Institutionen nicht faßbar sind. Neben diese politische Elite tritt eine andere, ebenfalls durch Leistung und Ansehen ausgezeichnet, die man als Verwaltungselite bezeichnen könnte, wiewohl dieser Begriff nicht sonderlich prägnant ist. In diese Gruppe würden etwa die Oberen Gerichte, die Verwaltungsspitzen der verschiedenen Behörden, der Diplomatische Dienst fallen, auch die Generalität und natürlich das breite Reservoir der Verwaltungsbürokratie. Zum Kreis der Wirtschaftseliten zählen die Wirtschaftsverbände, die Großunternehmen, die Gewerkschaften und die Berufsverbände. In einem vierten Bereich stehen die konfessionell gebundenen und geprägten Eliten der protestantischen und katholischen Kirche und die aus der Masse herausragenden Kirchenführer. Schließlich muß noch an eine fünfte Gruppe gedacht werden, die allgemein umschrieben wird als Funktionsträger in der Kulturverwaltung. Dazu würden etwa die Kultusminister und jene Expertengremien zu rechnen sein, die Kraft ihrer Unabhängigkeit weithin gewirkt haben und noch wirken. Als eine allerletzte Gruppe nenne ich die herausragenden Vertreter der Meinungsbildung. Hier wären vor allen Dingen die in Presse, Rundfunk und Fernsehen tätigen Hauptverantwortlichen zu nennen, deren Rang vielfach unbestritten ist, die aber im Zusammenhang einer Eliten-Diskussion nicht in Betracht gezogen werden.
Nun wird fraglos manch einer sagen, daß die hier angezeigten Gruppen sicher Funktionsgruppen markieren, daß ihnen aber nicht ohne weiteres das Prädikat „Elite" zukommt. Wir müssen uns aber von den Vorstellungen lösen, die im 19. Jahrhundert mit dem Begriff „Elite" verbunden waren, und von jenen wert-gebundenen Ansichten, wie sie etwa in der Honoratiorenpolitik am Ausgang des 19. Jahrhunderts gang und gäbe wären. Die Tradition begründet heute keinerlei Führungsanspruch mehr; Führung ist in jedwedem Bereich leistungsgebunden und leistungsorientiert
Wir kommen an dieser Stelle zum Problem der Typologisierung. Aus den vorliegenden Darstellungen, in denen die Unterschiedlichkeit und auch Unbestimmtheit der Begriffe deutlich wird, darf ich einen allerdings überzeugenden Typologisierungsversuch vorführen: die typischen Führungsgruppen in Unternehmen und Betrieb. Diese Einteilung ist maßgeblich für die Bezeichnung der in den einzelnen Veranstaltungen erwarteten Teilnehmer. /. Unternehmer: Kennzeichen:
Träger der unternehmenspolitischen Entschlüsse und der letzten Verantwortung für die Durchführung.
II. Obere Führungskrälte:
1. Kennzeichen:
Stellung unmittelbar unter dem Unternehmer. Träger allgemeinen Auftrags in der Durchführung der festgelegten Unternehmenspolitik. Träger der Verantwortung für die Durchführung des allgemeinen Auftrags („Linie")
oder Leitende Träger zentraler Spezialaufgaben ohne oder nur mit mittelbarer Exekutive („Stab").
2. Aufgabe:
a) Weitgehend selbständige Führung eines oder mehrerer Hauptarbeitsgebiete. b) Beratung des Unternehmers, Vorbereitung der Unternehmensentscheidungen. 3. Anforderungen:
Fähigkeit, den weitgespannten Verantwortungsbereich im Rahmen der unternehmens-politischen Notwendigkeiten und Möglichkeiten zu führen.
Erforderlich z. B. hohe dispositive Fähigkeiten in bezug auf Planung, Organisation, Verwaltung und Kontrolle, Fähigkeit der Menschenführung, hohes Verantwortungsbewußtsein, hervorragende Spezialkenntnisse.
III. Mittlere Führungskräfte:
1. Kennzeichen:
Träger speziellen Auftrags mit umfassendem Verantwortungsbereich.
Träger der Verantwortung für die Durchführung des speziellen Auftrags durch nachgeordnete Führungskräfte („Linie")
oder Bearbeiter von Spezialaufgaben als ständige Funktion ohne wesentliche Exekutive („Stab"). 2. Aufgabe:
a) Führung eines Sachgebietes (Teil eines Hauptarbeitsgebietes).
b) Einsatz und Überwachung der Führungskräfte der Unterstufe. 3. Anforderungen:
Fähigkeit, den engeren Verantwortungsbereich im Rahmen der sachlichen und persönlichen Gegebenheiten zu führen.
Erforderlich z. B. dispositive Fähigkeiten in bezug auf Planung, Organisation, Verwaltung und Kontrolle, Fähigkeit der Menschenführung, Mut zur Verantwortung, Spezialkenntnisse.
IV. Untere Führungskräfte:
1. Kennzeichen:
Träger von Aufträgen mit begrenztem Verantwortungsbereich, in der Regel ohne Untergebene mit Führungsbefugnis. 2. Aufgabe:
Einsatz, Anleitung und Überwachung des Personenkreises, der lediglich ausführend arbeitet. 3. Anforderungen:
Fähigkeit zur Menschenführung im ständigen Kontakt mit den ausführenden Arbeitskräften; fachliche Beherrschung der beaufsichtigten Arbeit
Diese Anforderungen und Ansprüche an Führungsstil und Führungsqualität ist in Kuhnkes Worten allgemein so zu umschreiben: „Die Führung in der Wirtschaft muß a) über die anzustrebenden Ziele und die dorthin einzuschlagenden Wege entscheiden, b) die dazu notwendige Arbeit und deren Ausführung planen, c) die dafür notwendige Organisation aufbauen, d) für die Koordination aller Arbeiten sorgen, e) die Arbeits-und Zielkontrolle gewährleisten, f) die notwendige Information von oben nach unten und unten nach oben sicherstellen." Kuhnke fährt etwas weiter unten fort: „Führung in der Wirtschaft ist nach meinen Beobachtungen identisch mit der Fähigkeit, andere Menschen erfolgreich zu machen. Denn das organisierte Unternehmen und nicht mehr der große Einzelgänger ist das unternehmerische Zentrum der modernen Wirtschaft und Gesellschaft geworden."
Daß solche Führungsqualitäten auch in den Staaten des Ostblocks beachtet und erwartet werden und sich damit die technologisch motivierte Konvergenztheorie erneut bestätigt, läßt sich u. a. an zwei Äußerungen ablesen, deren erste von dem Krakauer Ökonomen Professor Zalewski und die zweite von Professor Afanasew stammt: „Der Vorgesetzte muß herausfinden, welche Spezialisten sich am besten für die betreffenden Aufgaben eignen. Er ist für ihre Auswahl, für ihre Position in der Organisation verantwortlich und legt die großen Linien ihrer Tätigkeit fest ... Es ist verständlich, daß eine solche Entwicklung die Arbeitsmethoden der Vorgesetzten ändert. Er benötigt die Hilfe eines Teams." „Wenn unsere jungen Leute von der Hochschule kommen, verstehen sie eine Menge von der Technik. Aber sie stehen oft hilflos vor den einfachsten Führungsaufgaben. Mit einem Wort: wir bilden Fachleute aus, aber keine Führungskräfte."
In diesen beiden Belegen spiegelt sich wider, daß die irrige Auffassung verabschiedet werden muß, das Sachkenntnis allein schon Führungsqualitäten begründet. In einer Unterneh-* merumfrage sind stichwortartig die folgenden Qualitäten genannt worden, die für Führungsaufgaben unerläßlich seien: Selbstdisziplin, Energie, Ausdauer, Entscheidungskraft, Mut, Menschenkenntnis, Vorbildlichkeit, gesunder Menschenverstand, Allgemeinbildung, Weltläufigkeit, Elastizität, Entscheidungsbereitschatt
Aus-und Fortbildungsinstitute in der Wirtschaft
Dieser gleichsam idealtypisch stilisierte Tugendkatalog mutet an wie ein profanisierter oder säkularisierter Dekalog für wirtschaftliche Führungskräfte. Daraus folgt sogleich der Ruf nach Ausbildungsinstituten, die sich dem Auftrag zuordnen, einen so idealtypisch verfaßten Nachwuchs heranzubilden. Daß die Universität, wie gelegentlich gemeint wird, der rechte Ort für eine solch pragmatische Führungsaus-und Weiterbildung sei, halte ich nicht unbedingt für richtig, zumal, wenn die Universität in der eingeübten Praxis und dem Selbstverständnis verbleibt, daß sie zwar Berufsvorbildung, aber nicht Berufsausbildung leiste
Mir erscheinen demgegenüber Akademien für das Management sinnvoller, da in ihnen die erforderliche Verbindung von Theorie und Praxis hergestellt werden kann und sie rasch am wechselnden Bedarf orientiert werden können. Und hier hat die Wirtschaft in der Tat beachtliche Anstrengungen unternommen: Die Zahl der Fortbildungsinstitute hat ständig zugenommen; vor allem sind die amerikanischen Erfahrungen ausgewertet worden; es gibt, wenn auch noch anfängerhaft, eine Methodik und Didaktik der Management-Bildung
1. Management-Technik, das heißt in Planung, Organisation, Entscheidungsbildung, Delegation, Kontrolle und anderem mehr;
2. Kooperationssystematik, das heißt in Information, Meinungs-und Kontaktpflege, Koordination, Prozeß-und Systemdenken und dergleichen; 3. Menschenführung, das heißt in Menschenkenntnis und -beurteilung, in zwischenmenschlicher Verhaltenssteuerung, Menschenbildung (vor allem in der Hinführung zur Lernfähigkeit, zu beruflicher Beweglichkeit und Anpassungsfähigkeit), kooperativem Führungstil und so weiter. Darüber hinaus bieten die Führungsseminare den leitenden Mitarbeitern zusätzlich Gelegenheiten zu Kontakt und Erfahrungsaustausch; sie geben ihnen aber auch die Möglichkeit, einen gemeinsamen Stil der Kollegialität und der Zusammenarbeit zu entwikkeln sowie sich mit gesellschaftlichen und politischen Fragen auseinanderzusetzen. Die Referate, die Wissenschaftler sowie erfahrene Praktiker aus Betrieben ähnlicher Führungsstruktur, aber auch Führungskräfte aus dem eigenen Haus halten, führen zu ausgiebigen Gruppen-und Plenumsgesprächen, deren Ergebnisse schriftlich festgehalten werden. Diese Ergebnisse bilden wichtige Grundlagen für personal-und sozialpolitische Entscheidungen und für Maßnahmen auf sämtlichen betrieblichen Führungsebenen, vor allem für die Weiterbildung der Mitarbeiter und für die Nachwuchsförderung.
Diese Seminare erschöpfen sich keineswegs in der Diskussion praktischer Führungsaufgaben und etwaiger Führungsschwierigkeiten im Betrieb, sondern bieten auch Einsichten in moderne Managementtheorien und in Grundsätze der Menschenführung, ja sie schlagen auch den Bogen über die Berufswelt hinaus in die Führungsproblematik von Wirtschaft, Gesellschaft und Staat. Solche Führungsseminare haben — wie Teilnehmer spontan bestätigten — in beachtlichem Umfang bewußt werden lassen: Was in den Betrieben hinsichtlich des „Führungsklimas" getan oder versäumt wird, entscheidet über die Zukunft einer Gesellschaft freier Menschen
Eine indes größere Resonanz finden jene Einrichtungen, die entweder von der Wirtschaft insgesamt oder von speziellen Wirtschaftszweigen oder regionalen Zusammenschlüssen getragen werden. Um den Umfang anzudeuten, nenne ich an dieser Stelle nur die im „Wuppertaler Kreis" zusammengeschlossenen Institute zur Weiterbildung von Führungskräften: Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Betriebsprüfung und soziale Betriebsgestaltung e. V., Berliner Institut für Betriebsführung e. V., C. Rudolf Poensgen-Stiftung e. V. zur Förderung des Führungsnachwuchses in der Wirtschaft, Deutsches Institut zur Förderung des industriellen Führungsnachwuchses, Deutsche Volkswirtschaftliche Gesellschaft e. V., Akademie für Führungskräfte der Wirtschaft, Freudenstädter Seminar e. V., Gesellschaft für Technik und Wirtschaft e. V., Haus der Technik e. V., Haus Friedrichsbad, Institut für sozial-und wirtschaftspolitische Ausbildung e. V. Berlin, Münchner Institut für Betriebs-führunge. V., Nürnberger Akademie für Absatzwirtschaft, Seminar der Bayerischen Wirtschaft, Technische Akademie e. V. — Institut technischer Akademien Bergisch-Land, Institut für Führungslehre, Vereinigung zur Weiterbildung des betrieblichen Führungsnachwuchses e. V. Außerdem müßten noch jene Verbände, Vereinigungen und Ausbildungsstätten aufgeführt werden, die neben anderen Veranstaltungen ebenfalls Weiterbildungskurse für Führungskräfte durchfuhren
Nur beiläufig sei darauf hingewiesen, daß eine vergleichbare Aktivität natürlich auch in anderen europäischen Ländern festzustellen ist. Erwähnt sei die 1964 in Zürich von der Aufsichtskommission und dem Kollegium der kantonalen Handelsschule gegründeten Kader-schule, deren Stoffprogramm u. a. enthält:
Arbeitsrecht, Steuer-und Verfassungsrecht, Betriebswirtschaftslehre, Chemische Technologie, Datenverarbeitung, Geschichte, Geographie, Deutsch, Englisch, Französisch, Mathematik, Statistik, Rechnungswesen und Volkswirtschaftslehre. Die Kaderschule wird in der öffentlichen Diskussion als „geglücktes Modell"
gelobt. So heißt es in der „Neuen Zürcher Zeitung" zusammenfassend: „Die Kaderschule Zürich, die nun in zwei Kursen von je vier Semestern Dauer große Erfahrung hat sammeln können, sieht ihr Konzept in seiner Richtigkeit und Fruchtbarkeit bestätigt. Sie ist als ein geglücktes Modell auf dem Gebiet der Weiterbildung zu bezeichnen, als ein Exempel auch insofern, als sie sich ohne staatliche Hilfe zu finanzieren vermag . .
Sehr viel mehr als die Erfassung von Daten und die Herausgabe von allgemeinen Berichten über das Management Development ist bei dieser Arbeit bislang nicht herausgekommen, und auch die daraus stilisierte Typologie reicht nicht über das allseits Bekannte hinaus. Der sogenannte Platt-Report von 1963, von der OECD unter dem Titel „Probleme und Perspektiven der Aus-und Weiterbildung auf dem Gebiet der Unternehmensführung" herausgegeben, umschreibt denn auch die Forderungen an den „zu Führungsaufgaben berufenen Mann" reichlich vordergründig. Demzufolge soll dieser Mann die Bedeutung und das Gewicht der folgenden Dinge erfassen: „ 1. die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Kräfte der heutigen Welt und die Besonderheit des wissenschaftlichen und technischen Fortschritts;
2. das Ineinandergreifen der wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen;
3. die ethischen und sozialen Auswirkungen seiner Entscheidungen;
4. das praktische Verständnis für die Entwicklung in denjenigen Wissensgebieten, die von besonderer Bedeutung für die Unternehmensführung sind: a) Organisationstheorien, Analyse des Verwaltungsvorgangs, vergleichende Betriebsstudien,
b) Psychologie und Psycho-Soziologie, 87 c) wissenschaftliche, vor allem quantitative Methoden und die Bedeutung heuristischer Methoden für die Entscheidungsfindung, d) Bedeutung und Begrenzung erprobten Wissens in der Festlegung der Firmenpolitik."
Die daran angeschlossenen Hinweise der BIAC — Working Group on Management Development — über Zweck und Ziel der Ausbildung auf dem Gebiet der Unternehmensführung können ebenfalls von dem Vorwurf der Unverbindlichkeit nicht freigesprochen werden, wenn es heißt: „Das Ziel der Ausbildung auf dem Gebiet der Unternehmensführung kann wie folgt zusammengefaßt werden: Förderung der Entwicklung der Fähigkeit 1. Zeit zum echten Denken zu finden, 2. die Probleme zu erkennen, die besonderer Analyse und Beurteilung bedürfen, 3. das Ineinandergreifen der verschiedensten Probleme zu erkennen, 4. die sozialen Auswirkungen der Unternehmens-und Wirtschaftspolitik zu erfassen, 5. zu beurteilen, welche Hilfsmittel (menschlicher, sachlicher oder finanzieller Art) zur Durchführung dieser Politik benötigt werden, und diese richtig einzusetzen, 6. geeignete Kontrollen einzuführen, die eine vernünftige Bewertung des Erfolges erlauben, und geeignete Methoden zur Überprüfung von Planung und Durchführung zu entwickeln, falls dieses sich als notwendig erweist, 7. mutig und einsichtig Entscheidungen zu treffen, Verantwortung zu übertragen und die Zügel der Führung zu halten."
In solcher Situation von Ratlosigkeit und offenbarem Verlust verbindlicher Zielvorstellungen wird zumal in Deutschland die Universität um Unterstützungen und Mithilfe angegangen; sie ist — seit Wilhelm v. Humboldt — die Stätte, an der Wahrheitssuche, reine Wissenschaftlichkeit und forscherische Exaktheit versammelt sind. Gewiß, in vieler Hinsicht vermag die Universität eine Öffentlichkeitsoder gesellschaftsdienliche Funktion wahrzunehmen; sie ist in diesem Sinn eben nicht nur solitär, sondern auch soziabel, aber das gilt doch zunächst nur für den Kranz von Disziplinen, die wir hier in Abkürzung als praxis-orientiert bezeichnen möchten, also für die Naturwissenschaften, die Medizin, für die Wirtschaftswissenschaften und — freilich nur bedingt — für die Sozialwissenschaften.
Zusammenarbeit zwischen Erziehungswissenschaft und Führungsbildung
Eine nicht unbeträchtliche Zahl von Wissens-disziplinen, zumal im Bereich der Geisteswissenschaften, läßt jedoch allzu deutlich — aus Bequemlichkeit oder einem falschen Verständnis von Wissenschaftlichkeit — den Bezug zur praktischen Anwendung vermissen. Gerade im Hinblick auf die Erziehungswissenschaft sei dies mit aller Deutlichkeit festgestellt. über
Das Gremium beauftragte nach mehreren Aussprachen das Deutsche Institut zur Förderung des industriellen Führungsnachwuchses, Köln, mit der Erstattung eines Gutachtens. Das Institut ist Veranstalter eines der außer-universitären Weiterbildungskurse für Unternehmens-führungskräfte in der Bundesrepublik (der Baden-Badener Unternehmergespräche), Mitglied der European Association of Management Training Centers, Brüssel, und Sekretariat des „Wupperialer Kreises', einer Zusammenfassung aller Weiterbildungsinstitute in der Bundesrepublik.
Das Gutachten wurde den Sachverständigen Anfang Juli 1967 vorgelegt; der Ausschuß beschloß, das Vorhaben auf der Basis dieses Gutachtens weiterzuverfolgen. Er bildete zwei Komitees: Eines, zusammengesetzt aus Hochschullehrern, soll die nächsten Vorbereitungen im Raume der Universität treffen und insbesondere geeignete Personen gewinnen und sich mit hochschulrechtlichen und -politischen Fragen befassen; das zweite Komitee, bestehend aus Unternehmensleitern, befaßt sich vornehmlich mit Vorbereitungen zur Mittel-beschaffung"
Programm und Verfahren der in Zusammenarbeit mit der Universität durchzuführenden Seminare wird wie folgt beschrieben: „Der Vorschlag der Gutachter sieht für die zehnwöchige Hauptveranstaltung (Universitätsseminar der Wirtschaft) vier eineinhalbstündige Kurse am Tag vor, dazu mindestens zwei Stunden täglich individuelle oder Gruppenarbeit und an ein bis drei Abenden pro Woche Sondervorträge geladener Gäste. Die insgesamt 420 Pflichtstunden der zehn Wochen könnten sich aufteilen in: 1. 42 eineinhalbstündige Einheiten: Methoden quantitativer Analyse für Planung, Entscheidung und Kontrolle (Schwergewicht auf Anwendung und Auswertung); 2. 34 Einheiten: Methoden und Erkenntnisse der Sozialforschung in bezug auf Unternehmensorganisation und Führung sowie auf Gesellschaftsentwicklung allgemein; 3. 32 Einheiten: Methoden und Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften in bezug auf staatliche Finanz-und Wirtschaftssteuerung sowie auf das Verhalten von Unternehmen und Verbänden; 4. 36 Einheiten: nur in der ersten Hälfte der zehn Wochen und zur Behebung fundamentaler Kenntnislücken: wahlweise in Gruppen Einführung der Teilnehmer in ihnen bisher unbekannte, aber zur Gesamtleitung notwendige Spezialkenntnisse betrieblicher Fachgebiete (z. B. Forschung und Entwicklung, Rechnungswesen, Finanzierung, Wirtschaftsmathematik und Statistik); 5. als Krönung der Veranstaltung, 30 Einheiten (plus 18 Einheiten vorbereitende Gruppen-arbeit): Kritische Analyse unternehmens-und geschäftspolitischer Fälle, Übungen zum Fällen von Entscheidungen; 6. 43 Einheiten: Sonderveranstaltungen wie (zur Einführung) Verhältnis Wissenschaft/Praxis (8 Einheiten); Abendvorträge (18); Exkursionen und vorbereitete Besuche bei Unternehmen, Behörden, Parlamenten usw. (10); ein Unternehmensspiel (7); 7. 45 Einheiten: individuelle und Gruppenpflichtarbeit (Arbeitsgemeinschaften, Lektüre usw.)."
Es ist nicht unsere Absicht, detailliert über alle diesbezüglichen Projekte und Aktivitäten zu berichten. Aus den wenigen Beispielen kann schon gefolgert werden, daß Wirtschaft und Universität bei der Heranbildung wirtschaftlicher Führungskräfte zunehmend intensiver zusammenwirken, und zwar in dem Maße, in dem sich die Führungsbildung als ein wissenschaftliches Problem darstellt und die daran interessierten Wissensdisziplinen ihren Bezug zur Praxis betonen und in ihren Lehrund Forschungsvorhaben bekunden. Welche Bedeutung die Wissenschaft und die Wissenschaftsorganisation der Unternehmensführung gerade in industriellen Ballungsräumen zumessen, mag auch daran abgelesen werden, daß an der Ruhr-Universität Bochum die Forschung auf dem Gebiet der Unternehmensführung in einem eigenen Institut betrieben wird: dem „Institut für Unternehmensführung und Unternehmensforschung ".
Zur Theorie, Methodik und Didaktik der Management-Bildung
Die „Verwissenschaftlichung" der Unternehmensführung wäre besonders im Hinblick auf Methodik und Didaktik wünschenswert, da die methodisch-didaktischen Empfehlungen und Verfahrensweisen vielfach vorwissenschaftlich anmuten. Während auf methodischem Gebiet noch ein gewisser Konsensus zu bestehen scheint, gibt es im Hinblick auf die Lehrinhalte eine heftige Kontroversdiskussion, die wir bereits charakterisiert haben und die sich auf die Schlagworte „fachliche Spezialisierung contra ökonomische Entscheidungsbefähigung" reduzieren läßt.
Wenn man davon ausgeht, daß im betrieblichen Mechanismus drei Phasen feststellbar sind, nämlich Planung, Entscheidung und Durchführung, und daß sich die Durchführung zunehmend auf maschinellem Wege vollzieht, so gewinnen die Planung und Entscheidung an Bedeutung. Die Durchführung, sei es die Fertigung eines Produkts oder eine Kalkulation zur Berechnung des Selbstkostenpreises, ist ein Teil des betrieblichen Mechanismus, der die Unternehmensführung erst in zweiter Linie interessieren darf. Daraus ergibt sich, so meine ich, daß Management-Training nicht vorrangig der Spezialisierung auf Durchführungsaufgaben zu dienen hat, sondern auf der Grundlage eines fachlichen und ökonomischen Sachwissens jene psychologische, soziologische, planerische Kenntnis zu vermitteln hat, die die Planung und die Entscheidung erst ermöglichen. Die gebildete Persönlichkeit entspricht dem Bild des zukunftsorientierten Managers mehr als dem des spezialisierten Funktionärs, der über sein Spezialfach nicht hinauszublicken vermag.
Zur Theorie, Didaktik und Methodik der Management-Bildung ist bereits einiges Material vorgelegt worden, von dem ausgehend ein festes Gerüst entwickelt werden könnte, wobei Erziehungswissenschaft, Psychologie, Soziologie und Nationalökonomie ihren Beitrag leisten könnten
5. 1. Der Einfluß der weiterzubildenden Führungsgruppe auf Stoffwahl, Fragestellung und Lehrmethode Je nach Führungskategorie bieten sich folgende Möglichkeiten lehrmäßiger Behandlung an: 5. 11 Untere Führungskräfte Themen:
(a) allgemeiner Überblick über Ziel und Zweck des betrieblichen Informationswesens, (b) richtiges Verhalten als Empfänger und Absender von Informationen, (c) grundlegende Instruktionen auf dem Gebiet der Statistik und der Informationstechnik. Lehrmethoden:
zu (a) Kurzreferate mit Diskussionen, zu (b) Diskussionen an Hand ausgearbeiteter Beispiele aus der Betriebspraxis, zu (c) Vorlesung mit Übungen.
Ziel:
Kenntnisbereicherung, Anleitung zum betriebsbezogenen Denken.
5. 12 Mittlere Führungskräfte Themen:
(a) systematische Einführung in das Informationswesen, (b) Demonstration von Informationssystemen der Praxis, (c) Ubungsberichte, Informationsbriefe, (d) Mitarbeitergespräche. Lehrmethoden:
zu (a) thesenhaft aufgebaute Referate durch Experten mit Diskussion, zu (b) Falldiskussionen, zu (c) Erarbeiten von Lösungsvorschlägen in kleinen Gruppen (Syndicate Method-Arbeitsgruppe), zu (d) Konferenzmethode, Rollenspiel. Ziel:
Anleitung zu kritischem Denken, Beherrschung der technischen Möglichkeiten und betriebswirtschaftlichen bzw. betriebssoziologischen Auswirkungen des Informationswesens.
5. 13 Obere Führungskräfte Themen:
(a) Aufzeigen typischer Informationsschwächen, (b) organisatorische Einordnung des Informationswesens, z. B. Controller-Konzept, Informationszentrale, etc.
(c) das Informationswesen im Rahmen der Geschäftspolitik, Festlegung entsprechender Richtlinien, (d) Durchführung von Mitarbeiter-Konferenzen. Lehrmethoden:
zu (a) Falldiskussion, analytische Fallstudien für Gruppenarbeit, Diskussion von Informationsbeispielen der Praxis, zu (b) Erarbeiten von Lösungsvorschlägen in Gruppen, Expertenreferate, zu (c) Erarbeiten von Lösungsvorschlägen in Gruppen (Syndicate Method), Podiumsgespräche leitender Persönlichkeiten, zu (d) Konferenzmethode, Rollenspiel.
Ziel:
Kritische Wertung von Führungsmethoden, Lösung von Querschnittsaufgaben, ausreichendes Anschauungsmaterial ist in allen Fällen sehr nützlich.
5. 2 . Die Anwendung gruppendynamischer Methoden 5. 21 Diskussion praktischer Fälle Im Rahmen dieses Themenkreises muß auf Querschnittsaufgaben hinzielen. Dann vielfache Bezüge zur Organisation, zur ökonomischen Steuerung des Betriebes, zur Methodik der Personalführung, zur Plankontrolle u. ä. . . . Analytische Fallstudien (Incident Method) fordern stärkere Gruppenaktivität heraus und dienen erschöpfender Durcharbeitung konkreter Fragestellungen. Thema /Öffentlichkeitsarbeit'eignet sich weniger für Falldiskussionen. 5. 22 Syndicate Method (Arbeitsgruppen)
Am besten geeignet für Behandlung des Informationswesens wegen der Ausstrahlungen und Rückwirkungen auf alle Funktionsbereiche und die Umwelt des Unternehmens. 5. 23 Konferenzmethode, Rollenspiel Konferenzmethode äußerst wirkungsvoll bei klar umrissenen Diskussionsprogrammen. Die Behandlung vorliegender Berichte oder Informationsmittel soll ausgenutzt werden, um Urteilsfähigkeit und Ausdrucksvermögen in Sachbereichen zu schulen. Beispiele:
Belegschaftszahlen:
Belegschaftsstruktur Fluktuation Betriebsklima Marktübersicht:
Marktanalyse Konkurrenzverhalten Finanzplan:
Kapitalbindung Liquiditätslage Produktionszahlen:
Produktivitätsentwicklung Kostenbericht:
Kostenanalyse Kapazitätsausnutzung Auftreten von Engpässen des Vertriebs und der Fertigung:
Lösungsvorschläge zu ihrer Überwindung Das Rollenspiel besonders bewährt zur lehrmäßigen Herstellung von Mitarbeitergesprächen (entscheidend dabei das Erkennen psychologischer Fehler in der Darstellung von Funktionsträgern verschiedener Rangstufen) und zur Übung der Zusammenarbeit der Betriebsleitung mit dem Betriebsrat oder der Tätigkeit des Wirtschaftsausschusses. 5. 24 Sonstige Lehrmethoden Verwendung traditioneller Lehrform Vorlesung bzw. Referat nur für Einführungen und Kurzdarstellungen. Unentbehrliche Wissensvermittlung wirkungsvoller an Hand knapp gefaßter, schriftlicher Unterlagen. 6. Schlußbemerkung Dieser Versuch, zwischen der Management-Bildung und der Schulpädagogik theoretische Zusammenhänge aufzuweisen, bedarf — denkt man an eine systematische Grundlegung der Pädagogik des Managements — verschiedener Ergänzungen: a) Die Betrachtung müßte vor allem auf den beruflichen Werdegang des Managers, den er in der Unternehmenspraxis zurücklegt, ausgedehnt werden. Für diesen Fall kann jedoch nicht mehr nur von . Bildung'gesprochen werden, wir hätten für das Thema einen übergreifenden Begriff zu wählen, b) Es wäre sodann notwendig, die in den verschiedenen Institutionen der Management-Bildung gesammelten Erfahrungen, in Sonderheit, soweit sie theoretisch durchdacht und publiziert worden sind, einer kritischen Sichtung zu unterziehen. c) Außerdem wäre es unumgänglich zu untersuchen, welche Systeme der Heranbildung des „Managements" in anderen als wirtschaftlichen Bereichen praktiziert werden, z. B. in staatlichen Einrichtungen, darunter auch in der Armee, und welche pädagogischen Theorien ihnen zugrunde liegen. Zu diesen drei Problemkreisen liegen zahlreiche Publikationen vor. Bei ihrer Auswertung auch weiterhin der Hypothese nachzugehen, daß Theorie, Didaktik und Methodik der Management-Bildung wesentlich auf der Schulpädagogik basieren, würde nicht nur dem Verständnis der Tatsache, daß Management-Bildung struktureller Bestandteil unseres gesamten Bildungswesens ist, förderlich sein, sondern auch ihrer weiteren Entwicklung."
An den bislang vorgetragenen und durchgeführten didaktischen Konzeptionen läßt sich zweifaches ablesen-einmal, daß Management-Ausbildung und Training inter-oder multidisziplinär angelegt wird, das Training wird nicht aut nur ökonomische Fragestellungen eingegrenzt; sodann kann beobachtet werden, daß auf der Grundlage von Spezialkenntnissen eine Weiterbildung betrieben wird, die vom Speziellen zum Allgemeinen führt. Diese doppelte Orientierung, die übrigens auch in der weiterentwickelten amerikanischen Management-Bildung verfolgt wird, scheint jener Vorstellung vom modernen Manager zu entsprechen, der über eine Überschau verfügt, ökonomisch versiert ist, sich von beiläufigen Details freihält und bereit ist, Verantwortung, soweit vertretbar, zu delegieren.
Austauschbarkeit von Führungskräften in Wirtschaft und Verwaltung?
Diese Überlegungen führen zu einem Punkt unserer Darstellung, an dem sich gegenteilige Meinungen zu entzünden pflegen. Es geht hierbei um die Austauschbarkeit von Führungskräften in Wirtschaft und Verwaltung. Die Fragen lauten: 1. Kann eine Führungskraft aus der Verwaltung im industriellen Management sinnvoll und effektiv eingesetzt werden und 2. liegen die erforderlichen Führungsqualitäten in Wirtschaft und Verwaltung nicht so dicht beieinander, daß eine Ausbildung des middle-und top-management in gemeinsamen Institutionen betrieben werden könnte?
Dazu zunächst eine Erfahrungstatsache: In Amerika ist der Wechsel aus verantwortungsreicher Tätigkeit in der Verwaltung in das Management der Industrie ein beinahe selbstverständlicher Vorgang. Hier könnte der Beweis mit viel politischer und administrativer Prominenz geführt werden. Daß dabei nicht nur Sachüberlegungen, sondern auch Werbe-effekte eine Rolle spielen, liegt auf der Hand. Zudem gibt es auch in der Bundesrepublik eine Reihe von Beispielen, die die Austauschbarkeit zu belegen scheinen. Staatssekretäre und hohe Ministerialbeamte aus Bundes-und Länderverwaltungen sind in nicht unerheblicher Zahl entweder ganz oder im Teilengagement in den Dienst der Wirtschaft getreten. Mir scheint, daß in der Wirtschaftsführung die mögliche Austauschbarkeit verneint wird
Gewiß setzen noch immer Laufbahnvorschriften und Beförderungsmodalitäten dem Leistungsprinzip in der Verwaltung Grenzen, aber die friederizianisch-wilhelminische Maxime, daß die entbehrungsreiche Tätigkeit in der Verwaltung vom Staat durch eine risikofreie Laufbahn honoriert werden müsse, hat vermutlich nur noch eine geringe Lebens-chance. Die heute noch behaupteten Barrieren zwischen der Management-Bildung in Wirtschaft und Verwaltung werden auf längere Sicht nicht aufrechterhalten werden, die heute schon vielseitigen und intensiven Verflechtungen zwischen beiden Bereichen werden sich vermutlich zunehmend verstärken. Von daher steht zu erwarten, daß mit zunehmender Austauschbarkeit in Führungspositionen auch die Ausbildungsverfahren einander angenähert werden. Dafür sprechen mehrere Anzeichen aus jüngster Zeit. So hat der Bundesverband des DGB mit der Forderung überrascht, eine Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung zu gründen
In ähnliche Richtung gehen auch die neuesten Empfehlungen des Deutschen Beamtenbundes, die vor allem deshalb bemerkenswert erscheinen, weil in ihnen von einer gemeinsamen Ausbildung der Nachwuchs-kräfte und deren Austauschbarkeit ausgegangen wird. In einer Pressenotiz werden die Intentionen des Beamtenbundes wie folgt interpretiert: „Der Deutsche Beamtenbund fordert, daß die Ausbildungsvoraussetzungen für den gehobenen Dienst der öffentlichen Verwaltung erschwert werden. Inspektor soll nach seinen Vorstellungen künftig nur werden können, wer zwölf Jahre lang weiterführende Schulen und drei Jahre eine neu einzurichtende Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung’ besucht hat. Außerdem muß der Kandidat einen anderthalbjährigen Vorbereitungsdienst abgeleistet haben. Das würde bedeuten, daß die Gesamtausbildungszeit für den gehobenen Dienst (Inspektor bis Oberamtsrat) um mindestens ein halbes Jahr verlängert wird. Der Beamtenbund gibt dafür in der jüngsten Ausgabe seiner Zeitschrift zwei Gründe an: Erstens entspreche der gehobene Dienst in der öffentlichen Verwaltung auf Grund der steigenden Anforderungen mehr und mehr dem mittleren Management in der Wirtschaft. Von diesem Management werde in der Regel ebenfalls der Abschluß einer Fachhochschule (Ingenieurschule oder höhere Wirtschaftsfachschule) gefordert. Zweitens ermögliche die Einrichtung einer neuartigen Fachhochschule für Wirtschaft und Verwaltung die gemeinsame Nachwuchsausbildqng für beide Bereiche und damit eine verstärkte Austauschbarkeit von Arbeitskräften zwischen Wirtschaft einerseits und Verwaltung andererseits."
Hier werden also Entwicklungen für das middlemanagement charakterisiert, die in ähnlicher Form auch für das top-management gelten — vielleicht noch nicht heute, aber doch in absehbarer Zeit. In eine ähnliche Richtung geht eine Pressenotiz über eine neue Rechtsverordnung zur Änderung der Hessischen Laufbahnordnung. Dort heißt es: „Junge dynamische Manager sollen nach dem Willen des hessischen Kabinetts in die Beamtenstuben der Behörden einziehen. Eine , Rechtsverordnung zur Änderung der hessischen Laufbahnordnung’, die in dieser Woche der Öffentlichkeit unterbreitet wurde, fand ungeteilten Beifall sowohl beim Gewerkschaftsbund als auch beim Beamtenbund. Dieser Modellfall soll die Beamtenlaufbahn im Dienste von Staat und Kommunen auch wieder für jene Fachelite attraktiv machen, die, von der Unbeweglichkeit des Behördenapparates entnervt, in die freie Wirtschaft abwanderte. Angesichts steigender Anforderungen bei der Verwaltung kappte das Kabinett konsequent die teilweise aus friderizianischer Zeit stammenden Bestimmungen der . Beamtenochsentour': 1. Die bisher übliche Mindestaltersgrenze von 32 Jahren für die Übernahme in den höheren Dienst fällt weg; 2. Wie in der modernen Industrie wollen Hessens Behördenchefs nur noch nach dem Leistungsprinzip arbeiten. Angestellte aus der Wirtschaft, die in den Staatsdienst überwechselten, konnten bisher nur dann als Beamte eingestuft werden, wenn sie mindestens fünf Jahre vergleichbare Beschäftigung nachweisen konnten. Diese Frist wurde auf vier Jahre gesenkt. 3. Außerdem werden jetzt Absolventen eines wirtschaftswissenschaftlichen oder anderen Fachstudiums den bisher privilegierten Juristen gleichgestellt."
Den vorstehenden Gedanken mag der Charakter des Aphoristischen nachgesagt werden, aber das ist nicht verwunderlich angesichts eines Gegenstandes, der noch in vieler Hinsicht unzureichend geklärt ist. Wissenschaft und Praxis werden hierdurch erneut auf eine Aufgabe aufmerksam gemacht, die theoretische Anstrengungen und einen realen Sinn erfordert und die zumal in der Verwaltung nicht ohne Schaden vertagt werden könnte.