Einleitung
Die Länder Ost-und Südosteuropas haben seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht nur eine Ausrichtung an den ökonomischen und politischen Interessen der Sowjetunion erfahren, sondern gleichzeitig Kräfte gesammelt, um sich den — ihren eigenen Interessen zuwiderlaufenden — Auswirkungen dieses Prozesses zu widersetzen. Jugoslawien konnte sich der Gleichschaltung von Anfang an entziehen und suchte seinen eigenen Weg zum Sozialismus. Dieses Beispiel und die Chancen der Entstalinisierung ermunterten die Kräfte des Widerstandes in Polen und Ungarn. Trotz der weiterbestehenden sowjetischen Hegemonie haben beide Länder seither gewisse Eigenarten im politischen Leben bewahren können und im Gegensatz zu früher größeren Handlungsspielraum gewonnen. Dieser Prozeß der Rückbesinnung auf die z. T. historisch gewachsenen geistigen, wirtschaftlichen und geographischen Interessen und Eigenarten fand in jedem der Länder Osteuropas in anderer Form und mit anderen Wirkungen statt und setzt sich heute noch fort. Osteuropa kann daher seit Anfang der sechziger Jahre nicht mehr als einheitliches Ganzes betrachtet werden. Der Differenzierungsprozeß hat dazu geführt, daß heute jedes Land des östlichen Wirtschafts-und Bündnissystems (auch die DDR) gesondert betrachtet werden muß, will man seine Entwicklung und Politik verstehen und seinen Interessen gerecht werden.
Wer die Entwicklung verfolgt, wird grundsätzlich zwei Wege erkennen, auf denen die Länder versuchten, mehr Handlungsspielraum zum Durchsetzen der eigenen Interessen zu erlangen. Empiriker werden nachweisen, daß die beiden gemeinten Wege, der Ansatz über die Innenpolitik und der über die Außenpolitik, nicht in reiner Form aufgetreten sind. Sie ha-ben recht, zumal Innen-und Außenpolitik einander beeinflussen und voneinander abhängig sind. Trotzdem seien die beiden Wege hier als Unterscheidungsmerkmale genannt. Daraus ist noch kein theoretischer Ansatz oder ein Hinweis auf Erfolgsmöglichkeiten ableitbar. Als Beispiel für den einen Weg mag die ÖSSR dienen: Die Reformen des Jahres 1968 richteten sich auf die innenpolitischen Verhältnisse. Die Modernisierung der Wirtschaft und des Wirtschaftssystems sollte verbunden sein mit einer gewissen Demokratisierung der Wirtschaft und des gesamten öffentlichen Lebens. Die bisher verfolgte außenpolitische Linie sollte in ihren Grundelementen nicht verändert werden: Zugehörigkeit zum sozialistischen Lager, Einhaltung der Bündnis-und Beistandsverpflichtungen und keine ausdrücklichen Ambitionen, eigene Wege in der Außenpolitik zu gehen.
Im Gegensatz dazu steht der Weg der Rumänen. Sie haben eine oft bis in die jüngste Zeit als stalinistisch bezeichnete Innenpolitik betrieben. Diese Kennzeichnung ist sicher übertrieben, aber Reformen, die bewußt die Demokratisierung fördern oder sie gar anstreben, gab es in Rumänien nicht. In das Bewußtsein der breiten Öffentlichkeit rückte Rumänien (in der Bundesrepublik) erst Anfang 1967, als die Regierungen der Sozialistischen Republik Rumänien und der Bundesrepublik Deutschland die Aufnahme gegenseitiger diplomatischer Beziehungen vereinbarten. Dieser Schritt war seitens der Rumänen nicht der Anfang einer neuen Außenpolitik, sondern ein schon längere Zeit angestrebtes Ziel. Mindestens seit dem April 1964 betrieb die Regierung Rumäniens eine Außenpolitik, die den eigenen, besonders den wirtschaftlichen Interessen diente und nicht an den außenpolitischen Leitlinien der Sowjetunion orientiert war.
I. Rumäniens Emanzipation
Der Außenhandel Rumäniens in Mio Lei-Va-luta:
*) Reihenfolge im Westhandel (Europa)
Der Außenhandel Rumäniens in Mio Lei-Va-luta:
*) Reihenfolge im Westhandel (Europa)
1. Die Auseinandersetzung im RGW 1962/63
Verschiedene Gründe veranlaßten die Sowjetunion am Ende der fünfziger, Anfang der sech-ziger Jahre nach neuen Wegen zur Festigung des osteuropäischen Herrschaftsbereiches zu suchen: Im Verlauf des sowjetisch-chinesischen Konflikts wurde am Beispiel Albaniens deutlich, daß diese Herrschaft nicht unbedingt gesichert war. Der erfolgreichen Wirtschaftsintegration in Westeuropa mußte durch eigene Maßnahmen begegnet werden, zumal der amerikanische Präsident John F. Kennedy eine flexible Politik gegenüber Osteuropa ankündigte. Es bot sich der Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) als Instrument an, mit dem durch stärkere wirtschaftliche Integration und Arbeitsteilung größere Effektivität der einzelnen Volkswirtschaften erreicht werden könnte. Durch die damit verbundene stärkere wirtschaftliche Abhängigkeit von der Sowjetunion hätte sich auch die politische Bindung festigen lassen.
Die Integrationsvorstellungen der Sowjetunion vereinbarten sich aber nicht mit den hochgespannten Industrialisierungsplänen Rumäniens. Mindestens seit 1958 hatten rumänische Partei-und Wirtschaftskommissionen an diesen Plänen gearbeitet, und der III. Parteikongreß der Rumänischen Arbeiterpartei (RAP) hatte sie 1960 gebilligt. Neben dem Ausbau der chemischen Industrie sahen die Pläne den Aufbau einer Stahlindustrie (Schlüsselprojekt in Galati: ab 1970 jährliche Produktion von 4 Mio t Stahl) und eine erhebliche Steigerung der Stromproduktion vor
Die gegensätzlichen Auffassungen wurden hauptsächlich im RGW ausgetragen. Im Juni 1962 nahmen die Ersten Sekretäre der Kommunistischen und Arbeiterparteien auf einer Tagung „Grundprinzipien der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung" an. Dieses Papier muß ein Kompromiß gewesen sein, da es widersprüchliche Formulierungen enthält. Rumänien scheint sich insofern durchgesetzt zu haben, als zu den Grundprinzipien auch das Recht eines jeden Landes auf allseitige Wirtschaftsentwicklung gehört 3). Aber schon wenige
Wochen später versuchte Chruschtschow einen neuen Vorstoß. In einem Aufsatz kritisierte er — ohne das Land namentlich zu erwähnen — die Wirtschaftspolitik Rumäniens und schlug die Schaffung einer gemeinsamen Behörde vor, die einen verbindlichen kollektiven RGW-Entwicklungsplan aufstellen sollte 4).
Rumänien leistete gegen diesen Plan massiven Widerstand, da es in einer supranationalen Behörde überstimmt worden wäre. Die Heftigkeit der Auseinandersetzungen läßt sich an der Häufigkeit der Exekutivkomitee-Sitzungen des RGW im ersten Halbjahr 1963 ablesen. Nach einer der ersten Sitzungen unternahmen die rumänischen Kommunisten einen ungewöhnlichen Schritt. Sie veröffentlichten am 8. März ein Kommunique über eine vorangegangene Sitzung des ZK der RAP, auf der die Haltung der Delegation unter Alexandru Birladeanu während der RGW-Beratungen im Februar nochmals ausdrücklich gebilligt wurde. In dem Kommunique wird den Prinzipien der sozialistischen Arbeitsteilung gemäß dem Juni-Beschluß von 1962 zugestimmt, aber gleichzeitig auf die Moskauer Erklärung von 1960 (kommunistische Weltkonferenz) hingewiesen, in der die „Prinzipien der Achtung der Unabhängigkeit und nationalen Souveränität, der völligen Gleichberechtigung, des gegenseitigen kameradschaftlichen Beistandes und des gegenseitigen Vorteils" verkündet worden waren
Der rumänische Widerstand erhielt auf einer der folgenden Sitzungen des RGW-Exekutivkomitees seine Rechtfertigung. Ein Perspektivplan für das Elektrifizierungsniveau im Jahre 1980 sah vor: für die CSSR 40 000 KWh pro Kopf der Bevölkerung, für Rumänien 5 000 KWh pro Kopf der Bevölkerung
Die für Rumänien positive Entscheidung fiel schließlich auf der Tagung der Ersten Sekretäre der Parteien der RGW-Länder vom 24. bis 26. Juli 1963 in Moskau. Eine supranationale Behörde wurde für den RGW statutarisch nicht verankert, und an die Stelle der von Moskau angestrebten Multilateralität traten bilaterale Gespräche. 2. Die Haltung im sowjetisch-chinesischen Konflikt Den Erfolg im RGW haben die Rumänen insbesondere durch ihre geschickte Haltung im sowjetisch-chinesischen Konflikt errungen.
Noch bis zum Ende des Jahres 1961 folgten sie vorbehaltlos der Linie Moskaus, verurteilten Albanien und beriefen Anfang 1962 ihren Botschafter aus Tirana ab. Trotzdem wurde im Sommer 1962 der Tonfall der Chinesen gegenüber Rumänien freundlicher. Die Chinesen begannen, um Rumänien zu werben, indem sie die rumänische Haltung gegenüber Moskau unterstützten
In der entscheidenden Phase der Auseinandersetzungen mit Moskau vom Februar bis Juli 1963 hat Rumänien diese Beziehungen voll normalisiert. Im März wurde der rumänische Botschafter nach Tirana zurückgeschickt. Der Handel mit China, der entsprechend dem der anderen Ostblockländer seit 1960 ständig gesunken war, wurde für 1963 durch ein im April 1963 unterzeichnetes Warenprotokoll ausgeweitet. Einige Wochen später unterzeichneten China und Rumänien ein Abkommen über wissenschaftliche Zusammenarbeit und kulturellen Austausch. Sehr wichtig war auch die rumänische Haltung in dem ideologischen Streit. Moskau hatte den „Bruderparteien" zu verstehen gegeben, daß es die Veröffentlichung von antisowjetischen chinesischen Stellungnahmen nicht wünsche. Diesem Wunsch kam Bukarest nicht nach. Die wichtigste Veröffentlichung in diesem Zusammenhang war die inhaltliche Wiedergabe der 25 Thesen der KP Chinas zur „Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung" in der Parteizeitung , Scinteia'im Juni 1963. Diese Thesen enthielten zusammengefaßt alle Anschuldigungen der Chinesen gegen die Sowjets.
Ende Juni 1963 nahm nur ein unbedeutender Vertreter der RAP an den Feiern zu Walter Ulbrichts 70. Geburtstag teil. Das war eine indirekte Antwort auf Ulbrichts scharfe Angriffe gegen die rumänische RGW-Politik. Gleichzeitig war es aber ein deutlicher Hinweis für Chruschtschow, daß man nicht bereit war, China zu verurteilen. Chruschtschow benutzte nämlich dieses Treffen in Ost-Berlin, um mit den anderen Parteiführern die Gespräche mit China, die für Anfang Juli 1963 geplant waren, vorzubereiten. Einer Verurteilung Chinas konnte Rumänien in dieser Phase der Auseinandersetzungen keinesfalls mehr zustimmen, da sich anschließend der Druck der Sowjets noch stärker gegen die rumänische Abweichung gewandt hätte. 3. Die Reaktion auf den sowjetischen Druck Der ohnehin vorhandene wirtschaftliche und politische Druck Moskaus sowie der CSSR und der DDR konnte aber nicht nur durch die besondere Stellungnahme zum sowjetisch-chinesischen Konflikt aufgefangen werden. Daneben sind die Belebung des rumänischen Nationalbewußtseins und die Intensivierung der Gespräche mit Nicht-RGW-Ländern, insbesondere mit kapitalistischen Ländern, zu nennen.
Das rumänische Nationalbewußtsein hat als ein wesentlicher Faktor auch die Auseinandersetzungen innerhalb der kommunistischen Par tei mitbestimmt. So gab es lang anhaltende Richtungskämpfe zwischen der . Moskauer'und der rumänischen Gruppe. Ein Zeichen dieser Auseinandersetzung war auch der Streit um die Rolle von rumänischen Kommunisten und Roter Armee, die diese bei der Befreiung Rumäniens vom Faschismus gespielt hatten. R. V. Burks verweist in diesem Zusammenhang auf das ZK-Plenum vom November/Dezember 1961, auf dem eines der beherrschenden Themen die Parteigeschichte gewesen sei. Er bezeichnet diese Sitzung als „. . . a declaration of Romanian communist independence addressed to the initiated . .
Nach der Veröffentlichung über die RGW-Exekutivkomitee-Sitzung vom Februar 1963 nutzte die Partei antirussische Gefühle in der Bevölkerung aus und schuf sich eine Massenbasis. Auf Parteiveranstaltungen, die bis Ende März im ganzen Land stattfanden, wurden die verschiedenen Gliederungen der Partei, und durch diese große Teile der Bevölkerung, über die antirumänischen Pläne der Sowjets informiert. Es folgten im Laufe des Jahres eine Reihe von Maßnahmen zur , Entrussifizierung'. Straßen und Plätze mit bisher russischen erhielten rumänische Namen. Zu den wichtigsten Aktionen gehörten die Eingliederung des von der Sowjetunion unterstützten Maxim-Gorki-Instituts in die Bukarester Universität und die Abschaffung des obligatorischen Russischunterrichts. Gleichzeitig mit der Rumänisierung’ wurde ein verstärkter Kulturaustausch mit westlichen Ländern, u. a. mit Frankreich und Italien, aber auch mit Großbritannien und den USA eingeleitet.
Das erste Ergebnis der Bemühungen um eine Verstärkung der wirtschaftlichen Beziehungen mit Ländern außerhalb des RGW zeigte sich im Juni 1963. Die zuvor immer wieder verschleppten Verhandlungen mit Jugoslawien über das Projekt „Eisernes Tor" (Wasserkraftwerk an der Donau) wurde zügig beendet. Im November 1963 wurde anläßlich des Besuchs von Partei-und Regierungschef Gheorghe Gheorghiu-Dej in Jugoslawien ein entsprechendes Abkommen unterzeichnet. Gleichzeitig führten die Rumänen Sondierungsgespräche mit einer Reihe von anderen Ländern. Die Ergebnisse dieser Gespräche zeigten sich seit dem Herbst 1963. So wurde im Oktober mit der Bundesrepublik Deutschland der Austausch von Handelsvertretungen vereinbart. Der Handel mit der Bundesrepublik, mit Österreich, Schweden, Norwegen und anderen Ländern wurde intensiviert und mit den USA die ersten Gespräche über bessere wirtschaftliche Beziehungen geführt. Der Warenaustausch mit Entwicklungsländern, insbesondere mit afrikanischen Ländern, wurde verbessert. Gleichzeitig versuchte Rumänien, diesen Ländern Unterstützung zu gewähren — in ihrem Bemühen um wirtschaftlichen und technischen Fortschritt. Ende 1963 wurden die diplomatischen Beziehungen mit Belgien, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien und Schweden in den Rang von Botschaften erhoben
Die im Sommer 1963 im RGW gefallene Entscheidung gab Rumänien die Chance für eine allseitige Industrialisierung. Aber die zu lösenden Probleme auf dem Weg dorthin hatten sich vergrößert. Neben die rein wirtschaftlichen Aufgaben traten nun die politischen Aus-einandersetzungen und Interessenkonflikte mit den Parteien und Regierungen der anderen sozialistischen Länder Osteuropas und der Sowjetunion. Die sowjetischen Genossen zeigten sich nicht geneigt, die Wirtschaftspläne der Rumänen zu unterstützen. Die ausbleibende Hilfe wurde durch verstärkten Handel mit kapitalistischen Ländern ausgeglichen. Die besseren Beziehungen, die daher zu diesen Ländern hergestellt werden mußten, konnten die rumänischen Kommunisten mit der von Chruschtschow propagierten und praktizierten Politik der friedlichen Koexistenz rechtfertigen. Der Entschluß, dieses außenpolitische Instrumentarium nach eigenem Ermessen anzuwenden, war der erste Schritt zu einer eigenständigen rumänischen Außenpolitik.
Der verstärkte rumänische Westhandel belastete den RGW-Handel. Gegenüber den . Bruderparteien'wurde nun stärker die in Moskau 1960 zum Prinzip erhobene nationale Souveränität betont, die sich aus der Selbständigkeit und Unabhängigkeit der einzelnen Parteien ergibt. Später, etwa ab 1965, wurde die selbständige Handelspolitik durch eine Art Qualitätsverpflichtung in den Wirtschaftsverträgen ergänzt. Diese Formel liefert den Rumänen die Möglichkeit, bei mangelhafter Qualität die gleichen Erzeugnisse aus westlichen Ländern zu beziehen
Schließlich blieb immer noch die Gefahr, daß sich die Mehrheit der kommunistischen Parteien unter Führung der Sowjetunion entschließen könnte, die Chinesen zu „exkommunizieren". Das hätte bedeutet, daß der Bann auch Bukarest getroffen hätte oder daß man voll Reue unter Aufgabe der Industrialisierungspläne und unter Verlust der persönlichen Führungspositionen unter sowjetisches Weisungsrecht hätte zurückkehren müssen. Bei diesen unerfreulichen Aussichten setzten die Führer der RAP all ihr Geschick ein, die Verurteilung Pekings zu verhindern. Vor dem ZK der KPdSU hielt Suslow Anfang Februar 1964 eine Rede, die darauf abzielte, die Chinesen allgemein zu verurteilen. Die Rumänen intervenierten; an die Sowjets richteten sie den Appell, die Suslow-Rede nicht zu veröffentlichen, und den Chinesen schlugen sie vor, die Polemik einzustellen und mit den rumänischen Parteiführern zu konferieren. Der Vorschlag wurde von beiden Seiten angenommen und von zahlreichen osteuropäischen Parteiführern begrüßt
Der Vermittlungsversuch war relativ erfolglos. Wie alle bisherigen Freundschaftsbeteuerungen zwischen Chinesen und Rumänen brachten auch diese Gespräche keine Festlegung der Rumänen auf chinesischen Kurs. Die Aktion stärkte aber die Selbständigkeit der rumänischen Partei. Die Vermittlungsgespräche und offensichtlich auch alle damit zusammenhängenden Probleme wurden im April 1964 von einem erweiterten Plenum des ZK der RAP diskutiert. Das Ergebnis der Diskussion war die inzwischen legendäre „Erklärung zum Standpunkt der Rumänischen Arbeiterpartei in den Fragen der internationalen kommunistischen und Arbeiterbewegung, angenommen auf dem erweiterten Plenum des ZK der RAP vom April 1964".
In der Erklärung wird noch einmal die Haltung der rumänischen Kommunisten zu jeder Art von übernationalen Behörden verdeutlicht. Es verstoße gegen die Unabhängigkeit der einzelnen Parteien und gegen die Souveränität sozialistischer Staaten, wenn die Partei in ihrem Land nicht über die volle Entscheidungsfreiheit der notwendigen Schritte zum Aufbau des Sozialismus verfüge. Keine Partei könne über die Richtigkeit von Maßnahmen anderer Parteien entscheiden. Von Moskau und Peking erwarteten die Rumänen, daß sie ihre öffentliche Polemik einstellen und alles unternehmen würden, um der Einheit der kommunistischen Bewegung zu dienen. Auf einer gut vorbereiteten Konferenz, an der alle Parteien teilnehmen müßten, sollte die Einheit dann wieder hergestellt werden. Neben der Haltung im RGW und zum sowjetisch-chinesischen Streit wurde noch die Politik der friedlichen Koexistenz als wesentliches Element rumänischer Außenpolitik behandelt. In allen Bereichen begründeten die Rumänien ihre Argumentation mit den 1960 in Moskau formulierten und angenommenen Prinzipien für die Beziehungen zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien.
Durch dieses Dokument befreiten sich die Rumänen im voraus von den Folgen, die eine — wie auch immer geartete — Regelung des sowjetisch-chinesischen Konflikts für ihre Politik hätte bringen können. Es erlaubte ihnen theoretisch, in allen Bereichen eigene Entscheidungen zu treffen. Die etwa seit dem Herbst 1963 von der Partei-und Staatsführung praktizierte Politik wurde durch diese Theorie abge-sichert. Die Erklärung ist die Grundlage für die rumänische Außen-und Handelspolitik der folgenden Jahre sowie für die Haltung der rumänischen Kommunisten in der internationalen kommunistischen Bewegung.
Auf die April-Erklärung folgte eine z. T. polemische öffentliche Auseinandersetzung zwischen Moskau und Bukarest, die sich bis zum Spätsommer 1964 hinzog, aber nicht zum Bruch zwischen den Parteien führte
Aus sowjetischer Sicht gab es verschiedene Möglichkeiten, der rumänischen Eigenwilligkeit zu begegnen, von denen allerdings einige ausscheiden mußten, wenn die Sowjetunion nicht einen erheblichen Prestigeverlust in Kauf nehmen wollte. Eine ideologische Verurteilung — insbesondere ohne vorherige Verurteilung Chinas — wäre nicht nur auf Unverständnis bei den anderen Parteien gestoßen, sondern hätte sicher auch deren Widerstand zur Folge gehabt, denn die rumänische Partei war eine linientreue Partei. Ein solches Vorgehen hätte das sozialistische Lager erheblich geschwächt und wäre dem , Imperialismus'zugute gekommen. Diese Gründe sprachen auch gegen ein eventuelles militärisches Eingreifen: Es wäre unmöglich gewesen, den Rumänen gemeinsame Sache mit den Kapitalisten, das heißt also Konterrevolution oder ähnliches vorzuwerfen oder nachzuweisen. Einschneidende wirtschaftliche Sanktionen hätten kaum den gewünschten Erfolg gehabt. Rumänien hätte Hilfe von Peking oder Washington oder von beiden erhalten. Moskau blieben also nur noch zwei Möglichkeiten. Die erste davon versuchte Chruschtschow in die Tat umzusetzen; sie ist gescheitert. Chruschtschow suchte oppositionelle Elemente in der rumänischen Partei, die bereit waren, gegen den Partei-und Staatschef Gheorghiu-Dej zu konspirieren. Die Verschwörung ist aber dank der straffen Parteiführung rechtzeitig aufgedeckt worden. Das Verhältnis zwischen Chruschtschow und Gheorghiu-Dej kühlte daraufhin stark ab
Für den erfolgreichen Emanzipationsprozeß waren in erster Linie folgende wirtschaftliche, innen-und außenpolitische Faktoren entscheidend: 1. Rumänien war nach dem Krieg (neben der SBZ/DDR) am stärksten von den sowjetischen Reparationsforderungen betroffen. Bis ca. 1954 kontrollierte die Sowjetunion mit Hilfe von sogenannten Gemeinsamen Gesellschaften große Bereiche der rumänischen Wirtschaft und war damit gleichzeitig bedeutender Teilhaber der Wirtschaft.
Die Wiederherstellung einer solchen oder ähnlichen Situation war innerhalb und außerhalb der RAP unerwünscht. 2. Das ausgeprägte Nationalbewußtsein der Rumänen widersetzte sich jeder Ausweitung von politischer, wirtschaftlicher oder militärischer Dominanz der Sowjetunion. 3. Eine Arbeitsteilung ohne vorherige industrielle Niveauangleichung im RGW hätte die Spezialisierung Rumäniens auf Agrarprodukte Rohstofförderung und ohne -und -export um fassende Industrialisierung bedeutet. 4. Rumänien stand seit 1958 nicht mehr unter dem Druck von im Lande stationierten sowjetischen Truppen und hatte keine sowjetischen Berater in entscheidenden Machtpositionen. 5. Eine innerparteiliche Opposition hatte bei der straffen Parteiführung keine Chance, einen Kurswechsel zu erzwingen. 6. Rumänien hatte keine nationalen oder außenpolitischen Konflikte zu lösen, für die es die Unterstützung der Sowjetunion benötigt hätte. 7. Die Sowjetunion hatte unter den gegebenen Umständen keine andere Möglichkeit, als den Weg der RAP zu akzeptieren.
II. Das Verhältnis zur Sowjetunion seit 1964
Die Haltung im Warschauer Vertragssystem und in der kommunistischen Bewegung 1. Die Konsolidierung der eigenständigen Außenpolitik Der Sturz Chruschtschows im Oktober 1964 brachte keine Änderung der rumänischen Haltung. Die Rumänen waren wohl kaum erschüttert von Chruschtschows Entmachtung; es ist möglich, daß die führenden Politiker mit Änderungen im Kreml gerechnet hatten
Die Konsolidierung der neuen Außenpolitik erfolgte im Sommer 1965. Nach dem Tod von Gheorghiu-Dej im März 1965 wurde Nicolae Ceau? escu zum Generalsekretär des ZK gewählt; Chivu Stoica wurde Vorsitzender des Staatsrates. Diese Ämter hatte Gheorghiu-Dej beide innegehabt.
Unter der Führung von Ceauescu fand im Juli 1965 der IV. Parteitag der RAP statt, auf dem beschlossen wurde, die Partei in Rumänische Kommunistische Partei (RKP) umzubenennen und — anknüpfend an die Geschichte der RKP — diesen Parteitag offiziell zum IX. Parteitag der RKP zu erklären. Eingehend beschäftigte sich der Parteitag mit Fragen der Außenpolitik. Der rumänische Journalist Constantin Florea schrieb Anfang 1966 dazu, der Parteitag „... billigte uneingeschränkt die von Partei und Regierung entfaltete Tätigkeit zur EntWicklung der internationalen Zusammenarbeit mit allen Ländern der Welt und in erster Linie mit den sozialistischen Ländern, die von unserem Staat unternommenen Aktionen auf internationaler Ebene zur Wahrung und Festigung des Friedens sowie die zu diesem Zweck gemachten Vorschläge."
Einen Monat später verabschiedete die Nationalversammlung die neue Verfassung der nunmehr „Sozialistischen Republik Rumänien". In die neue Verfassung wurden auch die Grundlagen der Außenpolitik ausgenommen: Im Teil I, Artikel 14 heißt es: „Die Sozialistische Republik Rumänien unterhält und entwickelt Beziehungen der Freundschaft und brüderlichen Zusammenarbeit zu den sozialistischen Ländern im Geiste des sozialistischen Internationalismus, sie fördert Beziehungen der Zusammenarbeit mit den Ländern anderer sozialpolitischer Ordnung und nimmt an der Tätigkeit internationaler Organisationen teil, zur Sicherung des Friedens und der Völkerverständigung."
Die Politik der friedlichen Koexistenz haben die Rumänen zwar von den Sowjets übernommen, sie aber entsprechend den eigenen Interessen etwas anders interpretiert. Ministerpräsident Maurer führte in einem Interview mit der französischen Nachrichtenagentur AFP Anfang August 1964 aus, friedliche Koexistenz bedeute nicht einfach „Abschaffung des Krieges", sondern habe darüber hinaus einen „aktiven Sinn": „Dieser lebendige Gehalt schließt die Nutzung aller Hilfsquellen, aller Möglichkeiten, über die die Staaten verfügen, ein, um einander zu verstehen und miteinander zu arbeiten. Er setzt einen unaufhörlichen Kreislauf der materiellen und geistigen Werte voraus, dem jedes Land, seiner Eigenart entsprechend, etwas zu geben oder von dem er etwas zu empfangen hat."
Die wirtschaftlichen und technischen Beziehungen entwickelten sich weiterhin gut. 1965 wurde eine rumänische Industrieausstellung in Peking und eine chinesische in Bukarest veranstaltet. Von den Ausschreitungen gegen Vertreter osteuropäischer Länder im Verlauf der Kulturrevolution blieben die Rumänen ebenso wie die Albaner verschont. Im Juni 1966 anläßlich des Besuchs von Tschou En-lai in Rumänien traten offensichtlich Meinungsverschiedenheiten über das zulässige Maß öffentlicher Kritik an der Sowjetunion auf, wie das fehlende Abschlußkommunique vermuten ließ
Das rumänische Engagement im Vietnamkrieg unterschied sich kaum von den Stellungnahmen der anderen osteuropäischen Staaten. Die Solidaritätsbekundungen und Hilfsangebote der Staaten des Warschauer Vertrags wurden mitunterzeichnet. In den rumänischen Appellen für die Einheit des antiimperialistischer! Kräfte zur Abwehr der amerikanischen Aggression fehlen jedoch die Hinweise, daß China für die Uneinigkeit Verantwortlich sei. 3. Die rumänisch-sowjetischen Auseinandersetzungen a) Die Bessarabiensrage Für die Verselbständigung der Handels-und Außenpolitik in den Jahren 1963 und 1964 hatten die rumänischen Politiker im eigenen Volk Unterstützung gesucht durch das Hochspielen des Nationalismus und die damit verbundenen antirussischen Emotionen. Dieser Prozeß wurde durch die sogenannte Bessarabienfrage verstärkt. Die Rumänen behaupteten, daß dieses Gebiet Zwischen Prut und Dnjestr rechtmäßig zu ihrem Staat gehöre. Zur Unterstützung dieses Anspruchs verwiesen sie auf Handschrift ten von Karl Marx, die = bis dahin unbekannt — im Herbst 1964 von der rumänischen Akademie der Wissenschaften veröffentlicht wurden. Die Handschriften enthielten einen Hinweis auf Bessarabien, aus dem hervorgeht, daß Marx diese Provinz für rumänisches Gebiet gehalten hatte. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Bessarabienfrage meist ignoriert worden; in der Zwischenkriegszeit hatten rumänische Kommunisten die Angliederung des Gebietes an Rumänien 1918 sogar als Raub bezeichnet.
Seite Ende 1963 und besonders seit 1964 hat es viele versteckte und auch offene Anspielungen darauf gegeben, daß man Bessarabien als rumänisches Gebiet betrachte. Tatsächlich scheint man diese Frage aber eher bewußt zu Propagandazwecken als mit der Vorstellung in den Blickpunkt gerückt zu haben, daß dieses Gebiet wirklich von der Sowjetunion an Rumänien abgetreten werden könnte. Gestützt wird diese These durch die Tatsache, daß die Bessarabienfrage immer dann zum Gegenstand von Polemiken zwischen Rumänen und Sowjets wurde, wenn es Höhepunkte in Auseinandersetzungen über politische Fragen gab, die Rumänien als Einmischung in seine Angelegenheiten betrachtete.
Nach dem Sturz Chruschtschows entspannte sich das rumänisch-sowjetische Verhältnis zunächst; im September 1965 besuchte Ceau-
escu erstmals offiziell als Erster Sekretär des ZK der RKP die sowjetische Hauptstadt. In dem offiziellen Kommunique über den Besuch heißt es, beide Seiten würden die Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen in Europa anerkennen. Dessenungeachtet wurde die Bessarabienfrage wieder im Sommer 1966 aktuell, als die Straffung des militärischen Bündnissystems in Osteuropa zur Diskussion stand. Rumänien widersetzte sich derartigen Plänen und ließ keine Gelegenheit aus, die Sowjets anzugreifen. In einer Rede am 7. Mai 1966 spielte Ceauescu versteckt darauf an, daß Bessarabien eigentlich zu Rumänien gehöre. Das theoretische Organ der RKP, Lupta De Clasa, formulierte den Anspruch in der Juni-Ausgabe 1966 sogar sehr eindeutig: „Am 28. Juni 1940 gingen infolge der von der rumänischen Regierung angenommenen ultimativen Forderungen der Sowjetregierung Bessarabien und die Nordbukowina in dem Staats-verband der UdSSR auf."
Die Bessarabienfrage wurde seitdem nicht mehr zum beherrschenden Thema der Polemik auf einer der beiden Seiten; sie scheint als Propagandainstrument stumpf geworden zu sein. b) Rumäniens Widerstand gegen eine Straffung des militärischen Bündnisses 1965/1966
Nach Chruschtschows Sturz brauchte die neue sowjetische Führung eine relativ lange Zeit zur Konsolidierung. Ihre außenpolitischen Ziele blieben in verschiedenen Fragen zunächst offen. Anfang 1965 versuchten die Sowjets sogar, ihr Verhältnis zur VR China zu normalisieren. Die Abweichungen der Rumänen von der gemeinsamen, das heißt an Moskaus Interessen orientierten Politik schien man im Kreml hinnehmen zu wollen, zumal Chruschtschow dafür verantwortlich gemacht werden konnte
Das bedeutet aber nicht, daß die Rumänen von ihrem Standpunkt abgerückt wären. Sie verfolgten tatsächlich ihren Kurs konsequent weiter und bezogen das Prinzip der vollständigen Souveränität sozialistischer Staaten erst vorsichtig und dann immer deutlicher auch auf die Organisation des Warschauer Vertrags. Zunächst verkürzten sie etwa zur Jahreswende 1964/65
Nach dem 23. Parteitag der KPdSU (März/April 1966) unterbreiteten die Sowjets gemäß einer Ankündigung Breschnjews vom September 1965 Vorschläge für eine neue Organisation des Warschauer Vertrags; die Organisation sollte gestrafft werden und an ihrer Spitze ein Ständiges Organ stehen. Das war ein neuer Versuch der Sowjets, ihre Vorherrschaft in Osteuropa zu festigen. Nachdem der Versuch Chruschtschows, dieses Ziel über die Wirtschaftsorganisation zu erreichen, gescheitert war, benutzten seine Nachfolger das militärische Bündnis als Hebel. Zur Rechtfertigung dieses Schrittes konnten sie auf die Ausweitung des Vietnam-Krieges durch die USA hinweisen und auf das Drängen der deutschen Bundesregierung, unter ihrer Beteiligung eine atlantische oder multilaterale Atomstreitmacht im Rahmen der NATO aufzubauen. Da gleichzeitig eine Diskussion über die Zukunft der NATO im Gange war (Frankreichs Alleingang), leiteten die Sowjets daraus die These von der wachsenden Aggressivität des Imperialismus im Zuge seiner Krise ab.
Gegen die sowjetischen Pläne wandten sich die Rumänen mit aller Entschiedenheit. In einer programmatischen Rede vom 7. Mai 1966 anläßlich des 45. Jahrestags der Gründung der Kommunistischen Partei Rumäniens wies Ceau-
escu die sowjetischen Vorstellungen zurück. Die rumänischen Kommunisten folgten nicht der sowjetischen These von der wachsenden Aggressivität des Imperialismus im Zuge seiner Krise, sondern sahen vielmehr Chancen wachsender internationaler Sicherheit und forderten daher eine Politik, die die Auflösung der Militärblöcke zum Ziel haben müsse und nicht deren Verstärkung. In diesem Zusammenhang konnten die Rumänen auf die französische Politik in der NATO hinweisen: Im März 1966 hatte de Gaulle den Auszug der französischen Militärs aus den NATO-Stäben noch für den Sommer desselben Jahres angekündigt. Die von Moskau angestrebte Stärkung des sozialistischen Lagers, so meinten die Rumänen, sollte in erster Linie durch eine Stärkung der Wirtschaftskraft seiner Mitglieder erfolgen.
Im Frühsommer 1966 kursierten auch Gerüchte über rumänische Vorschläge zur Lockerung des Bündnissystems. Bukarest dementierte diese Gerüchte; sicher wurde ein solcher Vorschlag auch nicht unterbreitet, aber ebenso sicher ist, daß die Rumänen am Entstehen der Gerüchte nicht unbeteiligt waren
Der Interessenkonflikt zwischen Rumänien und der Sowjetunion war mit der Deklaration von Bukarest nicht beendet. Das Dokument schien ein Erfolg der rumänischen Politik zu sein. Es hinderte die Sowjets aber nicht, ihre Ziele auf bilateraler Ebene der Verwirklichung näher zu bringen und gleichzeitig Druck auf Rumänien auszuüben und es innerhalb des osteuropäischen Bündnissystems zu isolieren. Aus sowjetischer Sicht war diese Politik sicher auch notwendig, um andere Bündnispartner davon abzuhalten, eine ähnlich eigenwillige Politik zu betreiben wie Rumänien. Die Eigenwilligkeit drückte sich u. a. in dem schließlich erfolgreichen Versuch aus, diplomatische Beziehungen mit der Bundesrepublik Deutschland aufzunehmen, in der besonderen Haltung gegenüber Israel und den arabischen Ländern in der Nahostkrise im Sommer 1967, in der kritischen Haltung zum Atomsperrvertrag und endlich in der CSSR-Krise 1968.
Die Auseinandersetzungen um das militärische Bündnis wurden nicht mehr so lautstark ausgetragen, sie waren eher eine Politik der kleinen Stiche. Mitte Juni 1967 ging Ceau^escu in einer Rede in Brasov auf die Bündnispolitik ein. Er erhob die Forderung, die Grundsätze, die für die Beziehungen zwischen sozialistischen Ländern gültig seien, auch auf den War-schauer Vertrag anzuwenden. Bei Anwendung dieser Grundsätze, so folgerte er, müsse jede Armee auch ihren eigenen Oberbefehlshaber haben
Die Sowjets scheinen versucht zu haben, ihre Vormachtstellung im Bereich der Waffentechnik und Waffenproduktion gegen Rumänien auszuspielen. Die Rüstungsindustrie für den Bereich des Warschauer Vertrags ist in der Sowjetunion konzentriert. Außer der CSSR stellt keiner der Partner schwere Waffen her, und die übrige Fabrikation ist von sowjetischer Lizenz abhängig
Ob die Probleme über die Ausrüstung der rumänischen Armee gelöst wurden, konnte nicht festgestellt werden. Wahrscheinlich war aber der sowjetische Druck doch erfolgreich, denn nach einer Pause von ca. drei Jahren beteiligte sich Rumänien im August 1967 wieder an gemeinsamen Manövern von Land-und See-streitkräften zusammen mit Bulgarien und der Sowjetunion. Die Manöver fanden auf dem Gebiet der drei beteiligten Staaten statt
Erst ein Jahr später, im Sommer 1968, drangen wieder Informationen über Auseinandersetzungen um die Organisation des Warschauer Vertrags an die Öffentlichkeit. In dem Kommunique vom 3. August 1968 über die Beratungen von Bratislava zwischen Tschechoslowaken und Sowjets waren Andeutungen enthalten, daß Moskau erneut die Straffung der Organisation des Warschauer Vertrags anstrebte
Ein weiterer Gegenstand sowjetisch-rumänischer Unstimmigkeiten war die Weiterführung des Freundschafts-und Beistandspaktes aus dem Jahre 1948. Der Vertrag hatte eine Laufzeit von 20 Jahren. Im Herbst 1967 wurden Verhandlungen über eine Verlängerung bzw. Neufassung des Vertrags ausgenommen. Rumänien wehrte sich gegen den Moskauer Wunsch, eine Passage aufzunehmen, wonach der Vertrag sich gegen die „revanchistische und aggressive" Bundesrepublik richte. Weiterhin gab es Meinungsverschiedenheiten über die Konsultationsklausel. Die Verhandlungen kamen Ende 1967 zum Stillstand. Infolgedessen verlängerte sich der Vertrag laut Vertragstext automatisch um fünf Jahre.
Die militärische Intervention in der ÖSSR im August 1968 (an der rumänische Truppen nicht beteiligt waren) unter Leitung der Sowjetunion legte die Befürchtung nahe, die Sowjets könnten nun auch gleich versuchen, Rumänien zu disziplinieren. In der RKP und der Bevölkerung löste das sowjetische Vorgehen daher starke Empörung aus. Führende Partei-und Regierungsgremien verurteilten die Besetzung der ÖSSR und verlangten den Abzug der fremden Truppen. Ceaujescu kündigte auf einer Massenkundgebung am 21. August die Aufstellung bewaffneter patriotischer Garden an. Am folgenden Tag verabschiedete die Große Nationalversammlung eine Resolution, in der die Haltung Rumäniens zum Warschau-er Vertrag erläutert wurde: Der Vertrag sei unter keinen Umständen und in keiner Form für militärische Aktionen gegen ein sozialistisches Land gedacht. Jede Aktion von Truppen des Warschauer Vertrags müsse das Ergebnis von Beratungen und einem gemeinsamen, einstimmigen Beschluß sämtlicher Mitgliedstaaten sein, so, wie es der Vertrag vorsehe
Rumänien hat gegen Ende Oktober 1968 in den Publikationsorganen die Angriffe gegen die sowjetische Politik eingestellt. Die Grundhaltung in den außenpolitischen und internationalen Fragen haben die rumänischen Kommunisten aber beibehalten. Am 29. November 1968 erklärte Staatspräsident Ceaujescu vor der Großen Nationalversammlung, die These, nach der die nationale Souveränität der sozialistischen Länder im Kampf gegen den Imperialismus zugunsten eines übergeordneten Interesses eingeschränkt oder gar aufgehoben werden kann, könne auf keinen Fall akzeptiert werden. Die staatliche Unabhängigkeit sei ein unantastbarer Grundsatz der Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten. In der kommunistischen Bewegung habe sich „völlig gerechtfertigt" Unruhe über die Verletzung fundamentaler Normen der gegenseitigen Beziehungen bemerkbar gemacht. Die kommunistische Bewegung benötige kein Führungszentrum, da jede Partei unabhängig denken und handeln müsse. Rumänien werde sich auch keinesfalls mit Vorschlägen einverstanden erklä-ren, die auf eine Integration der Mitgliedstaaten des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe und die Ausstattung dieser Organisation mit „überstaatlicher Machtbefugnis" hinausliefen
Diese Haltung vertreten die führenden rumänischen Politiker mindestens schon seit der „April-Erklärung" von 1964. Sie haben m. E. dabei nie angestrebt, das bestehende Bündnis-system unter den derzeitigen politischen Bedingungen in Europa zu verlassen, um etwa eine Politik der „Blockfreiheit" oder „Nichtverpflichtung" nach jugoslawischem Vorbild zu betreiben. Das brachte der rumänische Partei-und Staatsratsvorsitzende Ceau? escu auch noch einmal in einem Interview mit der britischen Zeitung , The Times'Anfang Dezember 1968 zum Ausdruck. Er erklärte, Rumänien werde ein getreues Mitglied des Warschauer Vertrags bleiben und alle Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag ergeben, uneingeschränkt erfüllen, solange auf der anderen Seite die NATO existiere. Wenn es notwendig sein sollte, könnten auch Manöver der Streitkräfte des Warschauer Vertrags in Rumänien abgehalten werden. Dieses Problem habe sich aber bisher nicht ergeben
Gegen Ende des Jahres 1966, sicher aber Anfang 1967 muß die Führung der KPdSU versucht haben, Einfluß in der RKP zu gewinnen. Darauf deuten verschiedene Äußerungen in Scinteia’ seit Februar 1967 hin, in denen von den alten Praktiken der Einmischung in die inneren Angelegenheiten anderer Parteien, die noch nicht aufgegeben worden seien, die Rede ist. Korrespondenten berichteten auch über mögliche Auseinandersetzungen innerhalb der RKP und über Widerstände gegen den nationalistischen Kurs der Parteiführung, die sich um die Geheimpolizei kristallisieren sollen
Diese spekulativen Überlegungen wurden auf der ZK-Tagung der RKP im November/Dezem-ber 1967 z. T. bestätigt. Der bereits im Juli kritisierte Alexandru Draghici, ein möglicher Rivale Ceauescus, sowie Alexandru Birla-deanu wurden von einigen entscheidenden Positionen abgewählt. Gleichzeitig wurde der Generalsekretär des ZK der RKP, Ceauescu, zusätzlich zum Staatsratsvorsitzenden gewählt. Damit hat er seine Position in der Partei weiter gefestigt und die einstige Machtfülle Ghe-orghiu-Dejs in seiner Hand vereint. Im April 1968 gingen die Veränderungen in der Partei weiter: Eine Anzahl ehemals verurteilter Funktionäre wurde rehabilitiert, während Draghici verurteilt wurde. Heftige Kritik wurde auch an einer Reihe von Maßnahmen geübt, die Gheorghiu-Dej veranlaßt hatte
Die Einmischungsversuche der KPdSU scheint Ceau? escu durch diese Maßnahmen abgefangen zu haben. Eine straffe Parteiführung hatte auch schon Gheorghiu-Dej geholfen, die Auseinandersetzungen mit den Sowjets erfolgreich zu bestehen. 4. Die RKP und die antiimperialistische Front Die rumänische Haltung zur kommunistischen Bewegung wurde schon im April 1964 grundsätzlich formuliert. Bukarest lehnt ein internationales Führungszentrum ab und nimmt an internationalen Beratungen nur teil, wenn sicher ist, daß dort keine bindenden Beschlüsse gefaßt werden. Aus diesem Grund haben die Rumänen im März 1965 an dem Konsultativtreffen zur Vorbereitung einer kommunistischen Weltkonferenz nicht teilgenommen. Der Karlsbader (Karlovy Vary) Konferenz der kommunistischen Parteien Europas im April 1967 blieben sie mit der Begründung fern, Charakter und Ziel der Konferenz seien durch die Veranstalter vorher nicht ausreichend klar formuliert worden. Die anstehenden Probleme würden daher besser in bilateralen Gesprächen gelöst. Die dargelegten Gründe waren letztlich auch entscheidend für Rumäniens Entschluß, im Februar/März 1968 die Budapester Konferenz von 64 kommunistischen Parteien zur Vorbereitung einer Weltkonferenz vorzeitig zu verlassen. In ihrer Haltung suchte und fand die RKP Verbündete u. a. in der Kommunistischen Partei Italiens und insbesondere bei den jugoslawischen Genossen. Die gemeinsame Haltung der Jugoslawen und Rumänen in dieser Frage half auch die Unstimmigkeiten zwischen den Regierungen beider Länder anläßlich der Nah-ost-Krise 1967 zu überwinden.
Zum 7. Mai 1967, dem 46. Jahrestag der Gründung der Rumänischen Kommunistischen Partei, schrieb Ceaujescu einen Grundsatzartikel für die Parteizeitung Scinteia’. Darin bestätigte er die bisherige außenpolitische Linie sowie die Haltung in den Beziehungen zu den kommunistischen und Arbeiterparteien und betonte besonders die notwendige Einheit aller antiimperialistischen Kräfte. Eine neue Variante trat dadurch auf, daß Ceau? escu unter den antiimperialistischen Kräften, mit denen die RKP die gemeinsame Haltung besprochen habe, ausdrücklich eine Reihe von .demokratischen und fortschrittlichen Organisationen der kapitalistischen Länder, der neuen unabhängigen Staaten und der nationalen Befreiungsbewegungen ..." aufzählte, u. a. die Sozialistische Volkspartei Norwegens, die Italienische SP, die Laotische Volkspartei und die SFIO (Frankreich)
III. Die Politik gegenüber westlichen Staaten
1. Die allgemeine Entwicklung der Westkontakte Die stärkeren Handelsverbindungen und der Ausbau der politischen Beziehungen zum Westen waren eine Konsequenz der rumänischen Industrialisierungspläne und der außenpolitischen Emanzipation. Um die errungene Selbständigkeit zu festigen, mußten diese Beziehungen ständig erweitert werden — und so entwickelte sich auf dem Gebiet der Außenpolitik allmählich eine Eigengesetzlichkeit. Noch bevor die Rumänen begannen, eine eigenständige Außenpolitik zu betreiben, verstärkten sie ihre Handelsbeziehungen mit nichtsozialistischen, insbesondere mit kapitalistischen Ländern. Die Ausweitung des Westhandels steht offenbar in engem Zusammenhang mit den Industrialisierungsplänen. Seit 1958 arbeiteten die Rumänen an diesen Plänen, und seit dieser Zeit veränderte sich auch die regionale Verteilung des rumänischen Außenhandels. In den Jahren 1959 bis 1964 hat sich der Handel mit den RGW-Ländern knapp verdoppelt, während der Handel mit kapitalistischen Ländern um mehr als das Dreifache stieg. Damit nahm auch der prozentuale Anteil des Handels mit nichtsozialistischen Ländern am Gesamtvolumen des rumänischen Außenhandels zu: 1958 betrug er nur etwa 22%, zwischen 1961 und 1964 durchschnittlich 31, 5 %
Das gesamte Außenhandelsvolumen betrug (in Mio Lei-Valuta)
1965 wurden bereits etwa 35 % des gesamten Außenhandels mit nichtsozialistischen Ländern abgewickelt. In der Zeit von 1958 bis 1965 sank der sowjetische Anteil am Außenhandel Rumäniens von 51, 5 % auf ca. 39 %; 1966 betrug er nach rumänischen Angaben nur noch 34 % und war damit nicht höher als der Anteil der kapitalistischen Länder am rumänischen Außenhandel
Seit 1963/64 wurden die politischen Kontakte mit westlichen Ländern immer wichtiger. Die wachsenden politischen Spannungen mit der Sowjetunion mußten durch eine internationale Aufwertung ausgeglichen werden. Zum Ende des Jahres 1963 waren drei Punkte des außen-politischen Konzepts erkennbar: 1. Gegenüber dem RGW betrieb Rumänien eine Politik der zurückhaltenden Zusammenarbeit und erklärte gleichzeitig, daß der Rahmen des RGW zu eng sei.
2. Bei seinen Bemühungen um Westeuropa versuchte Rumänien, zunächst ein gutes Verhältnis zu Jugoslawien und Österreich herzustellen. Die politischen Kontakte mit westlichen Ländern wurden verbessert: Rumänien konnte Ende 1963 die Gesandschaften in Belgien, Frankreich, Großbritannien, Island, Italien und Schweden auf der Basis der Gegenseitigkeit in den Rang von Botschaften erheben
Im Frühjahr 1964 empfingen die Rumänen den österreichischen Vizekanzler Bruno Pittermann und im Juli 1964 fuhr eine rumänische Regierungsdelegation unter der Leitung des Ersten Stellvertretenden Ministerpräsidenten Apostol nach Wien. Es wurden Vereinbarungen über die Ausweitung der wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen getroffen. Während eines Besuchs des rumänischen Ministerpräsidenten Maurer in Österreich im November 1965 wurde ein langfristiges Handelsabkom-men für die Jahre 1966 bis 1970 unterzeichnet. Das Abkommen sah einen jährlichen Warenaustausch im Wert von 50 Millionen Dollar vor
Schon zwischen 1959 und 1964 war der Handel mit Großbritannien und Italien von großer Bedeutung. Seit 1964 wurden nun auch die politischen Kontakte besonders mit Italien ausgeweitet. Außerdem gestalteten die Rumänen die Beziehungen mit skandinavischen Ländern enger; u. a. schlossen sie mit Norwegen und Schweden Ende 1963 dreijährige Handels-und Zahlungsabkommen für die Jahre 1964 bis 1966 ab. Zur Verbesserung ihrer Zahlungsbilanz schafften die Rumänen anläßlich des internationalen Touristenjahres (1967) den Visumzwang für Touristen ab. 2. Das Verhältnis zu den USA Ein besonders wichtiger Schritt in der Verbesserung der Beziehungen mit dem Westen war der Besuch des rumänischen Planungschefs Gaston-Marin an der Spitze einer Wirtschaftsdelegation in den USA von Mitte Mai bis Mitte Juni 1964. Dort verhandelte sie vom 18. Mai bis zum 1. Juni 1964 mit dem US-Außenministerium. Das Ergebnis war eine erhebliche Liberalisierung des Handels zwischen den beiden Ländern und die Intensivierung des Kulturaustausches. Präsident Johnson bewilligte eine Garantie von Handelskrediten für Rumänien. Während der Verhandlungen bekundeten die Rumänen auch ihr Interesse am Bau eines Kernkraftwerkes in ihrem Land durch westliche Länder. Gleichzeitig wurden die Ge-sandschaften beider Länder zu Botschaften erhoben.
Seit dem Frühjahr 1965 wurde das Verhältnis Rumäniens zur westlichen Führungsmacht durch die Ausweitung des Vietnamkrieges belastet. Trotzdem rissen die Kontakte nicht vollständig ab. Im Herbst 1966 führten die Rumänen mit einer amerikanischen Handelsdelegation Gespräche, die zu einer Verbesserung der Handelsbeziehungen führten. Im November 1967 empfing Ceau? escu den Beauftragten des amerikanischen Präsidenten Johnson, Sonderbotschafter Harriman, zu politischen Gesprächen. Auch nach der militärischen Intervention in der CSSR standen Rumänien und die USA in engem Gedankenaustausch. Im November 1968 vereinbarten die beiden Staaten ein Austauschprogramm auf dem Gebiet der friedlichen Verwertung der Atomenergie; u. a. ist der Austausch von Wissenschaftlern und Informationen geplant. Außerdem wurde ein Abkommen über ein erweitertes Zweijahresprogramm für den Austausch auf wissenschaftlichem und kulturellem Gebiet geschlossen. Das Abkommen sieht u. a.den Austausch von Fernsehprogrammen vor, in denen Politiker und andere Persönlichkeiten zu Wort kommen sollen; auch der Austausch von Studenten und Ausstellungen ist geplant: Im Januar 1969 fand in Bukarest eine amerikanische Kunstausstellung statt. 3. Die Zusammenarbeit mit Frankreich Neben den Beziehungen zu den USA waren die Beziehungen zu Frankreich und zur Bundesrepublik Deutschland Schwerpunkte der rumänischen Westpolitik. Seit 1963/64 wurden die Beziehungen zu Frankreich durch eine Reihe von Abkommen und durch gegenseitige Besuche und Konferenzen von Fachleuten und Parlamentariern immer vielfältiger. Die beiden Länder entwickelten eine intensive Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem Gebiet und einen umfangreichen kulturellen Austausch.
Ende 1964 schlossen Rumänien und Frankreich ein langfristiges Handelsabkommen für die Zeit vom Januar 1965 bis Dezember 1969 ab. Nach dem Willen der Vertragspartner soll der Warenaustausch 1969 den doppelten Umfang von 1964 erreichen. Die Außenminister der beiden Länder unterzeichneten im Januar 1965 ein Kulturabkommen für die Dauer von fünf Jahren. Wahrscheinlich ist es auf dieses Abkommen zurückzuführen, daß es seit dem Juli 1965 in größeren Hotels westliche Zeitungen zu kaufen gibt: , Le Monde', Le Figaro', die , Neue Zürcher Zeitung’ und die Pariser Ausgaben der , New York Times'und , New York Herald Tribune'werden angeboten
Der Besuch Maurers in Paris trug erheblich zur Aufwertung Rumäniens im internationalen, besonders aber im europäischen Rahmen bei. In Paris wurde deutlich, daß beide Länder in vielen internationalen Fragen eine ähnliche Politik vertreten. Beide haben im Rahmen ihrer jeweiligen Ideologie die Rolle der Nation stark aufgewertet. Sie wenden sich gegen jede Form von Supranationalität, die die eigene Souveränität einschränkt oder einschränken könnte. Sie wollen die Hegemonie der beiden Supermächte in Europa überwunden wissen und setzen sich für die Auflockerung und schließliche Auflösung der Blöcke ein und fordern die Abschaffung der Militärbündnisse. Außerdem verurteilten die Regierungen beider Staaten das Engagement der Amerikaner in Vietnam.
Durch diese Reihe gemeinsamer Auffassungen sind beide Staaten in der Lage, sich gegenseitig in ihren politischen Vorstellungen zu unterstützen und zu bestätigen. So war es sicher auch im Sinne Frankreichs, daß sich Außenminister Manescu 1965 vor der UN-Vollver-Sammlung gegen die Pläne zur Aufstellung multilateraler oder atlantischer NATO-Streitkräfte aussprach. Staatspräsident de Gaulle hatte gerade im Sommer 1965 die Beteiligung Frankreichs an dem SEATO-Manöver und an der Übung , Fallex 65'abgelehnt. Im Juni 1965 verurteilte er noch einmal die Hegemonialbestrebungen der Sowjetunion und der USA in Europa. Ende 1965 verkündete de Gaulle, Frankreich werde 1969 aus der integrierten Kommandostruktur der NATO ausscheiden. Im März 1966 gab er dann bekannt, daß Frankreich schon im Sommer desselben
Jahres die NATO-Stäbe verlassen würde. Die USA forderte er auf, innerhalb eines Jahres ihre Truppen aus Frankreich abzuziehen.
Diese Entscheidungen de Gaulles waren sicher nicht (nur) gefallen, um den Rumänen zu helfen. Aber sie bestärkten die rumänischen Politiker in ihrer 1966 geführten Auseinandersetzung mit den Sowjets um die weitere Gestaltung der Organisation des Warschauer Vertrags. Die Rumänen konnten auf die französischen Schritte hinweisen, die zur Schwächung der NATO beitrugen. Damit konnten sie den sowjetischen Wunsch nach einer Stärkung des Warschauer Vertragssystems als unnötig zurückweisen. In ähnliche Richtung zielten auch Ausführungen, die der französische Außenminister Couve de Murville auf einer Pressekonferenz während eines Rumänien-Besuchs Ende April 1966 machte. Er erklärte, die Beseitigung der politischen Blöcke sei ein Mittel, friedliche Beziehungen zwischen den Ländern herzustellen. Auf dem Weg der Entspannung werde auch eine Lösung der Deutschlandfrage möglich sein; sie sei eine Vorbedingung für ein stabiles Gleichgewicht in Europa
Die guten Beziehungen zwischen beiden Ländern blieben in den folgenden Jahren bestehen. Ein Zeichen dafür war der triumphale Empfang, den die Rumänen dem französischen Staatspräsidenten Mitte Mai 1968 bereiteten. In seiner Rede vor der Großen Nationalversammlung in Bukarest wies de Gaulle noch einmal auf das gemeinsame französisch-rumänische Ziel hin: Die Unterordnung unter die Militärblöcke in Europa müsse beendet werden. Das Kommunique nannte als Ergebnis des Gesprächs u. a. die Einsetzung einer gemischten Kommission, die die Zusammenarbeit auf wirtschaftlichem, technischem und wissenschaftlichem Gebiet verfolgen und weitere Gebiete der Zusammenarbeit erschließen soll. Vereinbart wurde auch der Austausch von Bibliotheken und die Gründung von Dokumentationszentren. Während des Besuchs wurde ein Konsularabkommen unterzeichnet und ein Rechtshilfeabkommen in Aussicht genommen. De Gaulle hat den rumänischen Staatsratsvorsitzenden Ceauescu zum Besuch Frankreichs eingeladen. In vielen internationalen Fragen (Vietnam, Nahost, UNO) wurde Einvernehmen erzielt; unerwähnt blieben im Kommunique aber die Deutschlandlrage und der Vertrag über die Nichtverbreitung von Atomwaffen. 4. Die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland a) Die Handelsbeziehungen zur Bundesrepublik Die Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland entwickelten sich anders als die zu Frankreich. Die Bundesrepublik schien zunächst nur als bedeutendster westeuropäischer Handelspartner interessant zu sein. Politische Gespräche zwischen den Regierungen beider Länder hat es offiziell nicht gegeben, und eine politische Annäherung, wie sie zwischen Paris und Bukarest stattfand, war undenkbar. Nach dem Austausch von Handelsvertretungen im Oktober 1963 und einem Abkommen über den Warenverkehr bis Ende 1966 war es wieder ruhig um'die Beziehungen zwischen Rumänien und der Bundesrepublik geworden. Erst im Mai 1965 gab es erneut ein sichtbares Zeichen rumänisch-westdeutscher Kontakte. Der Staatssekretär des Auswärtigen Amtes, Rolf Lahr, traf zur Eröffnung der ersten Industrieausstellung der Bundesrepublik in Rumänien mit dem rumänischen Ministerpräsidenten Maurer zusammen. Gleichzeitig weilte eine Gruppe Parlamentarier aus der Bundesrepublik in Bukarest. Die bei dieser Gelegenheit aufgenommenen Wirtschaftsgespräche führten schon im folgenden Monat zu einem Ergebnis. Zwischen den rumänischen Behörden und der Gutehoff-nungshütte wurde im Juni 1965 ein Vertrag über die westdeutsche Beteiligung am Ausbau des Stahlwerks in Galati unterzeichnet. Es war der größte Auftrag, den ein deutsches Unternehmen nach dem Zweiten Weltkrieg aus Rumänien erhielt; er belief sich auf rd. 70 Millionen DM. Im Juli 1965 erweiterten die beiden Länder das Handelsabkommen von 1963 und verlängerten es bis Ende 1969. So wurde die Bundesrepublik schon 1965 zweitstärkster Handelspartner Rumäniens — nach der UdSSR und vor der CSSR
Im Gegensatz zu den Handelsbeziehungen entwickelten sich die kulturellen Beziehungen sehr viel langsamer. Nach Angaben von Staatssekretär Lahr lag schon seit Mai 1965 den Rumänen ein Entwurf für ein Kulturabkommen zur Prüfung vor
Anfang September 1966 empfingen die Rumänen zum erstenmal einen Minister der Bundesrepublik. Der Bundesminister für Wirtschaft, Kurt Schmücker, unterzeichnete in Bukarest ein Handelsprotokoll und führte offiziell poli-tische Gespräche. Bis zu diesem Zeitpunkt schienen die Beziehungen zur Bundesrepublik nur den wirtschaftlichen Interessen zu dienen. Tatsächlich aber verfolgten die Rumänen schon seit einiger Zeit das Ziel, mit der Bundesrepublik zu diplomatischen Beziehungen zu kommen. b) Die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit Bonn Als Staatssekretär Rolf Lahr im Mai 1965 in Bukarest war, wurde er von Ministerpräsident Maurer empfangen. Offenbar kam es also bei dieser Gelegenheit zu politischen Gesprächen. Ein Kommunique wurde aber nicht veröffentlicht. Zu dieser Zeit berichtete Viktor Meier aus Bukarest, daß man dort . . bereits ernsthaft von der Herstellung von vollen diplomatischen Beziehungen mit Bonn . . spräche
In den folgenden Monaten vollzog sich in der Bundesregierung ein Meinungswandel, der deutlich wurde, als Wirtschaftsminister Schmücker Anfang September 1966 Bukarest besuchte. Diese Reise stand eindeutig unter politischem Vorzeichen. In einem Rundfunkinterview vom 6. September äußerte Schmücker über den Zweck seiner Reise, er habe ausfindig machen wollen, ob es bei Aufrechterhaltung der Standpunkte möglich sei, letzten Endes zu diplomatischen Beziehungen zu kommen. „Schmücker erklärte am 7. September bei seiner Rückkehr vor der Presse, möglicherweise würden noch in diesem Jahr die diplomatischen Beziehungen ausgenommen. Außenminister Manescu habe eine Einladung nach Bonn angenommen."
Mit Vertretern der neuen Bundesregierung wurden vom 7. bis 16. Januar 1967 Sondierungsgespräche in Bukarest geführt. Dabei wurden die Bedingungen für den Botschafteraustausch festgelegt: Beide Regierungen gaben Erklärungen über ihren Standpunkt zur deutschen Frage ab; die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen wurde in einem gemeinsamen Kommunique bekanntgegeben; der bestehende Handelsvertrag, der die Gebiete der DM-West umschließt, wurde fortgeführt und die Befugnisse der bisherigen Handelsmissionen wurden auf die neuen Botschaften übertragen. Gemäß diesen Vereinbarungen wurde der Botschafteraustausch anläßlich des Besuchs von Außenminister Manescu in der Bundesrepublik (Ende Januar bis Anfang Februar 1967) bekanntgegeben.
Die Entscheidung zur Aufnahme der diplomatischen Beziehungen mit der Bundesrepublik entsprang verschiedenen Beweggründen. Rumänien sah sich durch die Bundesrepublik nicht bedroht, hat keine gemeinsame Grenze mit ihr, und nationale Interessen der Rumänen wurden durch die Politik der Bundesrepublik nicht berührt. Daher brauchte sich Rumänien dem sowjetischen Propagandafeldzug gegen die Bundesrepublik nicht anzuschließen. Das Zugeständnis, daß die Bundesrepublik den Frieden und die Sicherheit in Europa bedrohe, hätte die Rumänen außerdem gezwungen, sich an den von den Sowjets geforderten erhöhten Verteidigungslasten zu beteiligen. Durch die Aufnahme der diplomatischen Beziehungen zur stärksten Wirtschaftsmacht Westeuropas erweiterten sich außerdem die außenpolitischen Aktionsmöglichkeiten Rumäniens. Die Gleichberechtigung mit den Sowjets wurde unterstrichen und darüber hinaus der sowjetische Führungsanspruch für die Staaten des War-schauer Vertrags in außenpolitischen Fragen ignoriert. Bisher waren die Streitigkeiten „block-intern", jetzt hatte Rumänien aber die „Block-Solidarität“ verletzt. Die Rumänen hatten bewiesen, daß die Hallstein-Doktrin zu überwinden ist; damit hatten sie ein sowjetisch-ostdeutsches Propagandainstrument teilweise außer Funktion gesetzt. Außerdem konnten sie darauf hinweisen, daß dies ein echter Schritt zur Entspannung in Europa sei.
Die Reaktion der Bündnispartner war dementsprechend unfreundlich. Auf die besonders heftigen Angriffe des SED-Zentralorgans . Neues Deutschland'antwortete Scinteia’ mit ähnlicher Polemik und stellte sich im übrigen auf den Standpunkt, die Existenz zweier deutscher Staaten sei eine Realität und die Sowjetunion habe schließlich schon seit Jahren ihren Botschafter in Bonn. Zu der eilig einberufenen Außenministerkonferenz der Staaten des War-schauer Vertrags schickte Rumänien nur einen Stellvertretenden Außenminister. Auf diesem Treffen in Warschau vom 8. bis 10. Februar einigte man sich über die Bedingungen für die Normalisierung der Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage der Bukarester Deklaration von 1966. Rumänien vertrat dementsprechend in der Folgezeit (z. B. Rede Ceaujescus am 20. Februar 1967) die in der Deklaration festgelegten Bedingungen. Sie seien die Grundlage für eine Normalisierung der Verhältnisse in Europa und dienten der Förderung des Friedens und der Sicherheit in Europa: die Anerkennung der bestehenden Grenzen in Europa durch die Bundesrepublik Deutschland, die Anerkennung der DDR als souveränen Staat, sowie der Verzicht der Bundesrepublik auf (bzw. die Mitbestim-mung über) Atomwaffen
Die DDR, Polen und die Sowjetunion bemühten sich nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Bukarest und Bonn darum, die Haltung der Verbündeten gegenüber der Bundesrepublik zu koordinieren, um weitere derartige Kontakte zu verhindern, da sie das Bündnissystem geschwächt und eventuell die DDR isoliert hätten. Durch ein Netz von bilateralen Verträgen gelang es im Laufe des Jahres 1967, die DDR voll in das Beistands-und Bündnissystem zu integrieren. Rumänien beteiligte sich an diesem bilateralen Vertragssystem zunächst nicht. Erst Ende 1968 wurde bekannt, daß Gespräche über einen Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen Rumänien und der DDR ausgenommen worden seien
IV. Die Haltung zu einigen internationalen Problemen
1. Die rumänische Balkanpolitik Wie bei den Beziehungen zu westeuropäischen Ländern orientierte sich die rumänische Außenpolitik bei ihrer Balkanpolitik ebenfalls an traditionellen Prinzipien. Schon 1957 und 1959 hatte Rumänien Vorschläge für eine atomwaffenfreie Zone auf dem Balkan unterbreitet. Seitdem traten die Rumänen zwar nicht für eine Balkan-Allianz, aber doch für eine lose Balkan-Gemeinschaft ein, in der sie eine Art ständiger Vermittler sein könnten. Die Rumänen haben es im Laufe der Jahre verstanden, zu allen Balkanstaaten gute Beziehungen herzustellen. Auf der XV. Tagung der UN-Vollversammlung 1960 hat Rumänien einen Vorschlag unterbreitet, der „Aktionen auf regionaler Ebene zur Verbesserung gutnachbarlicher Beziehungen zwischen europäischen Staaten, die unterschiedlichen sozialpolitischen Systemen angehören", anstrebt. Auf der XX. UN-Vollversammlung 1965 wurde dieser Vorschlag erörtert und einhellig gebilligt
Wie schwierig auf dem Balkan eine Politik dieser Resolution entsprechend ist, wird deutlich, wenn man sich ganz kurz das bunte politische Bild der Gegensätze hier vergegenwärtigt: Es stoßen nicht nur die Verteidigungssysteme von , Ost'und , West'dort zusammen, sondern untereinander begegnen sich fast alle denkbaren Varianten des jeweiligen Systems. Die NATO-Partner Griechenland und Türkei stehen in — vom Nationalismus geprägten — Auseinandersetzungen um Zypern. Seit dem April 1967 ist in Form der griechischen Militärdiktatur sogar ein Regime vertreten, das den Grundsätzen der NATO-Konzeption widerspricht. Auf der anderen Seite erscheint Albanien als europäischer Interpret des Maoismus. Die Albaner und die jugoslawischen „Revisionisten" stehen — untereinander verfeindet — beide im Gegensatz zur sowjetischen Ideologie und zu den sowjetischen Interessen am Balkan. Letztere werden einigermaßen linientreu nur noch von Bulgarien vertreten.
Das Kernstück der rumänischen Balkanpolitik sind die Beziehungen zu Bulgarien und zu Jugoslawien. Zu Jugoslawien besserten sich die Beziehungen im Verlauf der Wieder-annäherung zwischen Belgrad und Moskau, also 1956/57, und dann wieder Anfang der sechziger Jahre. Seit 1964 haben sich die Beziehungen eigenständig weiterentwickelt. Neben der Vertiefung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit — das Symbol dafür wurde das Donauprojekt „Eisernes Tor" — näherte sich Rumänien auch in seiner außenpolitischen Linie derjenigen Titos. Die rumänische „aktive Koexistenz" erscheint als ein Mittelweg zwischen Moskaus Koexistenz und Belgrads Politik der Nichtverpflichtung. Seit der SSR-Krise 1968 stehen die guten Beziehungen zwischen Bukarest und Belgrad sogar im bewußten'Gegensatz zu Moskaus Politik.
Das Verhältnis zu Bulgarien ist traditionell nicht sehr gut, obwohl die gemeinsame Ideologie manchen alten Gegensatz überwinden half. Erst 1965 wurden die Beziehungen intensiviert, — und das z. T. durch bulgarische Initiative
Im Sommer 1966 näherte sich Rumänien geschickt den beiden NATO-Staaten Griechenland und Türkei. Die Rumänen hatten sich in der Zypern-Frage neutral verhalten und verkündeten, es auch weiterhin zu bleiben. Die Versuche Moskaus, ein besseres Verhältnis zur Türkei herzustellen, haben die Bemühungen um eine Annäherung an Ankara zusätzlich erleichtert. Ende Juli 1966 stattete Ministerpräsident Maurer Ankara einen Besuchab und fand dort Verständnis für die rumänische Balkanpolitik.
Im gleichen Jahr wurden die Schwierigkeiten mit Griechenland ausgeräumt. In der Frage der Entschädigungen für verstaatlichtes griechisches Eigentum in Rumänien kam es zu einem Kompromiß. Neben bilateralen Verträgen führten die Gespräche auch zu einer wesentlichen Klimaverbesserung zwischen beiden Ländern. Für eine Verschlechterung der Beziehungen nach dem Staatsstreich vom April 1967 in Griechenland waren keine Anzeichen zu finden, allerdings sind offenbar die rumänischen Bemühungen um eine weitere Vertiefung der Beziehungen eingestellt worden.
Die Rumänen haben sich also mit der Balkan-Gemeinschaft ein schwer erreichbares Ziel gesteckt. Den Schwerpunkt ihrer Balkanpolitik sehen sie in der Aufgabe, das Dreieck Belgrad —Bukarest—Sofia funktionsfähig zu halten. Den Balkan zu einer atomwaffenfreien Zone umzugestalten, ist ein reizvolles Ziel, da seine Verwirklichung helfen würde, die Blöcke zu überwinden. Das wäre nie’, t nur eine Bestätigung für die Richtigkeit rumänischer Außenpolitik. Das Balkanmodell könnte zugleich als Ansporn und als Vorbild für eine gesamteuropäische Entspannungspolitik gelten. 2. Die Haltung in der Nahost-Krise im Sommer 1967
In ihrem Bemühen, Handelsverbindungen und freundschaftliche Beziehungen zu vielen Ländern herzustellen, erreichten die Rumänen neben einem guten Verhältnis zu den arabischen Ländern auch eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel. Am 15. April 1967 usterzeichneten beide Länder ein Abkommen über wirtschaftliche, technische und wissenschaftliche Zusammenarbeit und ein bis 1970 gültiges Handels-und Zahlungsabkommen. Diese Beziehungen störten jedoch nicht das gute Verhältnis zu den Arabern, denen verschiedentlich versichert wurde, man trete für die „Wiederherstellung der Rechte der Palästinaaraber" ein
Bei Ausbruch des bewaffneten Konflikts im Juni 1967 appellierte die rumänische Regierung an Israel und die Vereinigte Arabische Repu63 blik (VAR), die Feindseligkeiten sofort einzustellen. Die Rumänen vertraten den Standpunkt, die Israelis sollten sich auf ihre Ausgangspositionen zurückziehen, die Araber die Existenz Israels offiziell zur Kenntnis nehmen; die Palästinafrage und das Problem der arabischen Flüchtlinge sollten durch Verhandlungen gelöst werden. Diesen Standpunkt vertraten die Rumänen gegenüber allen beteiligten oder engagierten Staaten.
Am 9. Juni weigerte sich eine rumänische Delegation in Moskau, eine Erklärung der Staaten des Warschauer Vertrags zu unterzeichnen, in der Israel als Aggressor verurteilt wurde. Rumänien veröffentlichte am nächsten Tag eine eigene Erklärung, in der zwar die Solidarität mit dem gerechten Kampf der arabischen Völker gegen Imperialismus und Neokolonialismus betont wird, die aber Israel nicht verurteilt. Außenminister Manescu erläuterte diese Haltung den Botschaftern Israels, der VAR, der Tunesischen Republik und der Syrischen Arabischen Republik. Syrien und der VAR wurden gleichzeitig Hilfsangebote zur Lieferung von Nahrungsmitteln und Medikamenten gemacht
Am 11. und 12. Juli 1967 fand in Budapest eine „Beratung der Leiter der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder" statt, an der Rumänien nicht teilnahm. Die Koordinierung der wirtschaftlichen und militärischen Hilfe für die arabischen Länder sollte beraten werden. Rumänien erklärte sich aber Anfang August in Kairo zu Hilfsmaßnahmen auf bilateraler Ebene bereit, die die Erweiterung wirtschaftlicher und technischer Kooperation, aber keine militärische Unterstützung vorsahen. Einen Monat später nahm Rumänien dann an Beratungen kommunistischer Staaten in Belgrad teil, auf denen die weitere Wirtschaftshilfe für die arabischen Länder erörtert wurde. Die unterschiedlichen Auffassungen zu dem Konflikt blieben jedoch weiter bestehen
Die rumänische Haltung im Nahost-Konflikt belastete also weder das Verhältnis zu den arabischen Staaten noch zu Israel. Mitte Dezember 1967 nahm der rumänische Außenhandelsminister Cioara an der ersten Tagung der gemischten rumänisch-israelischen Kommission teil. Zum Abschluß der Tagung wurde eine Reihe von Abkommen unterzeichnet; u. a. ein Zusatzprotokoll über den Warenaustausch für die Jahre von 1968 bis 1970 und ein Zivil-luftfahrtabkommen. Es wurden auch Pläne für eine verstärkte Zusammenarbeit in Industrie, Landwirtschaft und Tourismus besprochen.
Belastend wirkte sich das rumänische Verhalten aber auf das ohnehin gespannte Verhältnis zu den Bündnispartnern im Warschauer Vertrag aus. Die Isolierung Rumäniens in Osteuropa nahm weiter zu. Außerdem traten vorübergehende Meinungsverschiedenheiten mit Jugoslawien auf, da sich Tito ungewöhnlich stark für seinen Freund Nasser einsetzte und Moskaus Hilfsmaßnahmen intensiv unterstützte. Die Verstimmung zwischen Bukarest und Belgrad wurde aber durch den gemeinsamen Widerstand gegen den sowjetischen Führungsanspruch in der kommunistischen Weltbewegung überwunden. Schon Anfang Januar 1968 folgte Ceauescu gemeinsam mit Gheorghe Maurer und Paul Niculescu Mizil einer Einladung Titos zu einem Freundschaftsbesuch in Jugoslawien.
Der Nahost-Konflikt zeigte auch, wie oberflächlich tatsächlich die sonst guten Beziehungen Rumäniens zu China sind. Die chinesischen Kommunisten verurteilten nicht nur die israelische Aggression, sondern sprachen Israel außerdem die staatliche Existenzberechtigung ab. Die chinesische Anschuldigung, Moskau habe erneut die Weltrevolution verraten, ließ einen neuen Versuch Chinas erkennen, den Einfluß Moskaus auf die nahöstlichen Entwicklungsländer zurückzudrängen. 3. Die Politik in den Vereinten Nationen und die Stellungnahme zum Atomsperrvertrag Schon 1963 zeigten die Rumänen, daß sie die bisherige „Block-Disziplin" nicht länger respektieren wollten. In der UN-Vollversammlung stimmten sie nicht gemeinsam mit den kommunistischen Ländern: Sie unterstützten einen amerikanischen Antrag zur Schaffung einer aiomwaffenfreien Zone in Lateinamerika und enthielten sich bei der Abstimmung über den Antrag der UdSSR
Die an den nationalen Interessen orientierte Politik wurde auch deutlich in der Haltung zu dem Vertragsentwurf über die Nichtweiterverbreitung von Atomwaffen. In der außenpolitischen Debatte der Großen Nationalversammlung im Juli 1967 umriß Ceauescu den rumänischen Standpunkt. Rumänien fordere die Einstellung der Produktion von Kernwaffen und die Vernichtung der vorhandenen Atomwaffenbestände. Die Nuklearmächte müßten den Staaten ohne Atomwaffen Sicherheitsgarantien geben und sich verpflichten, unter keinen Umständen mit der Anwendung dieser Waffen zu drohen. Die Staaten ohne Atomwaffen sollten verbindliche Verzichterklärun-en abgeben und die Nuklearmächte sollten klare Verpflichtungen für die Vernichtung der vorhandenen Waffen übernehmen. Die Forschung auf diesem Gebiet und die friedliche Nutzung der Kernenergie müßte allen Staaten ohne Diskriminierung und eingeschränkte Rechte möglich sein
Entsprechend kritisierte der rumänische Delegierte in Genf den Entwurf der USA und der Sowjetunion. Er bemängelte besonders, daß die Atommächte von einer Inspektion ausgenommen seien und daß sie keine Verpflichtung zur Abrüstung eingingen. Rumänien brachte entsprechend seinen Bedenken eine Reihe von Änderungsvorschlägen ein.
Auf der Sitzung des Politischen Beratenden Ausschusses der Mitgliedstaaten des War-schauer Vertrags in Sofia Anfang März 1968 weigerten sich die Rumänen, eine Erklärung zu unterzeichnen, die die Annahme des im Januar 1968 vorgelegten gemeinsamen Entwurfs der UdSSR und der USA für einen Vertrag zur Nichtverbreitung von Atomwaffen empfiehlt. Ende April 1968 billigte das Plenum des ZK der RKP die Haltung der Delegation in Sofia und unterstrich die Nützlichkeit und den Erfolg der von Rumänien vorgelegten Änderungsvorschläge zu dem Vertrag. Weitere Verbesserungen seien allerdings wünschenswert. Trotz der vorgetragenen Kritik gehörte Rumänien zu den ersten Staaten, die den Vertrag (1. Juli 1968) unterzeichneten
Die rumänische Berichterstattung über Prag und seine Reformen gestaltete sich aber etwas schwierig. Im eigenen Land waren ähnliche Reformen z. Z. nicht möglich und so freie Diskussionen wie in der CSSR nicht erlaubt. Aber nicht nur die Prager Ereignisse machten Änderungen erforderlich: Studentenunruhen in aller Welt — u. a. auch in Polen — waren Alarmzeichen. So wurde der Spielraum für Meinungsäußerungen und Kritik an der Partei vergrößert. Diese Maßnahmen veröffentlichten die Rumänen gerade am 23. März 1968, dem Tag, an dem sich die Kritiker des Prager Frühlings in Dresden zusammensetzten, um die KPC-Führung zu maßregeln. Einen Monat später erörterte das ZK der RKP u. a. die Beziehungen zwischen den sozialistischen Staaten. In einer Verlautbarung wurde das Prinzip der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Länder bekräftigt. Gleichzeitig bedauerte das ZK, daß die RKP nicht zu dem Dresdener Treffen im März eingeladen worden war und stellte fest, daß derartige Praktiken nicht zur Festigung der Körperschaften von RGW und Warschauer Vertrag beitragen würden
Auch zu den folgenden Beratungen über die Reformen in der CSSR wurden die Rumänen nicht hinzugezogen: weder zu dem Moskauer Treffen am 8. Mai 1968 noch zu den Beratungen in Bratislava am 3. August 1968. Am 7. August 1968 erschien im Parteiorgan Scin-teia'eine sehr scharfe Erklärung zu den Beratungen von Bratislava. Der Sowjetunion wurde indirekt vorgeworfen, elementare Grundsätze der Beziehungen zwischen Bruder-parteien gebrochen zu haben und über Ereignisse in anderen Ländern einseitig und verzerrt zu berichten. Die Erklärung von Bratislava wurde begrüßt und als Zeichen dafür angesehen, daß die bestehenden Probleme am sinnvollsten im offenen Gespräch behandelt werden.
Ihre Sympathie mit der Entwicklung in der CSSR bekundeten die rumänischen Kommunisten noch einmal deutlich während des Besuchs einer Partei-und Regierungsdelegation unter Nicolae Ceauescu in der Tschechoslowakei. Der Besuch fand vom 15. bis 17. August 1968 auf Einladung des Präsidenten der CSSR und des ZK der KPC statt. Beide Seiten unterzeichneten bei dieser Gelegenheit den schon erwähnten Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand. b) Die militärische Intervention In der CSSR begannen am 20. Juni 1968 Manöver von Truppen einiger Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrags — ohne rumänische Beteiligung. Anfang Juli wurden die Manöver für beendet erklärt, der Abzug der Truppen aber bis Anfang August verzögert. Es besteht der begründete Verdacht, daß Prag durch diesen militärischen Druck zum Einlenken gezwungen werden sollte. In einer Rede am 14. August 1968 ging Ceau? escu auf die Rolle des Warschauer Vertrags und auf die Anwendung militärischer Gewalt gegen sozialistische Länder ein. Es wird allerdings nicht deutlich, ob er sich auf die vorangegangenen Ereignisse bezieht oder ob er befürchtet, es könnte eine militärische Intervention noch stattfinden. Ceau? escu sagte in seiner Rede in Bukarest: „Die militärische Kooperation der sozialistischen Länder war und ist gegen die Gefahr der imperialistischen Aggression von außen gerichtet, um jeden Angriff seitens der imperialistischen Kräfte gegen die Souveränität und territoriale Integrität der sozialistischen Staaten zu vereiteln. Es kann keinerlei Berechtigung dafür geben, auf irgendeine Weise die Streitkräfte für eine Intervention in die inneren Angelegenheiten irgendeines Mitgliedlandes des Warschauer Vertrags zu verwenden. Die Lösung der inneren Probleme ist ausschließlich Sache der Partei und des Volkes jedes einzelnen Landes; . .
Entsprechend dieser Haltung hat Rumänien die gemeinsame Intervention der übrigen Staaten des Warschauer Vertrags in der CSSR vom 21. August 1968 scharf verurteilt und den sofortigen Abzug der fremden Truppen aus der Tschechoslowakei gefordert. Am 21. August 1968 fand eine gemeinsame Sitzung des ZK der RKP, des Staatsrates und der Regierung statt. Ein gemeinsames Kommunique über die Beratungen forderte u. a. die Schaffung von Bedingungen, die es dem tschechoslowakischen Volk ermöglichen, „seine inneren Angelegenheiten allein und ohne jede Einmischung von außen zu regeln“. Es wurden Maßnahmen zur Gewährleistung der nationalen Souveränität Rumäniens gebilligt. Auf einer Massenkundgebung in Bukarest kündigte Ceau? escu die sofortige Aufstellung bewaffneter patriotischer Garden aus Arbeitern, Bauern und Intellektuellen für die Verteidigung der Unabhängigkeit Rumäniens an. Der 23. August (rumänischer Staatsfeiertag) stand im Zeichen der Solidarisierung mit der CSSR. Ceau? escu und Maurer empfingen Vertreter der amtierenden tschechoslowakischen Regierung, die zum Zeitpunkt der Intervention im Ausland waren. Auf einer Truppenparade traten erstmals Einheiten der patriotischen Garden auf
cescu
In welchem Maße wirklich die Gefahr einer sowjetischen Intervention auch in Rumänien bestand, ist bisher schwer zu sagen. Auf jeden Fall bereiteten sich die Rumänen darauf vor. Das kurzfristig angesetzte Treffen zwischen Ceau? escu und Tito am 24. August 1968 läßt vermuten, daß beide Länder ihre Maßnahmen für den Fall einer militärischen Auseinandersetzung mit den Sowjets abstimmten und auch ihr sonstiges Verhalten koordinierten. c) Auswirkungen der Krise Endgültige Aussagen zu den Auswirkungen der Intervention in der CSSR lassen sich m. E. noch nicht machen. Es hat vielmehr den Anschein, daß die Krise andauert. Fronten sind in , Ost'und , West‘ aufgerissen worden und ein klares Bild der Neuorientierung läßt sich noch nicht erkennen. Soweit es die Rumänen betrifft, hat sich ihre politische Haltung nicht verändert. Auch ihre außenpolitische Situation ist ähnlich geblieben: die Isolation im Bündnissystem ist groß und der sowjetische Druck sicher nicht geringer als vor der Intervention. Aus den guten Beziehungen zu Jugoslawien ist nahezu ein Zwang zur Gemeinsamkeit in der außenpolitischen Haltung geworden. Diese Situation kann die Rumänen eines Tages zu der Entscheidung zwischen Zugehörigkeit zum osteuropäischen Bündnissystem und Neutralität nach jugoslawischem Vorbild zwingen. Die Rumänen werden aber sicher versuchen, so lange wie möglich einer solchen Entscheidung auszuweichen.
Innenpolitisch hat die Krise dazu beigetragen, die Herrschaft der RKP unter Ceauescu weiter zu festigen. Jede innerparteiliche Opposition, die sich an Moskau orientiert, ist für lange Zeit in einer hoffnungslosen Position. Ob die Entwicklung in der CSSR Ansätze zur Demokratisierung in Rumänien fördern oder ob die rumänischen Kommunisten jeden Anschein von . Revisionismus'vermeiden werden, läßt sich noch nicht mit Sicherheit sagen. Vielleicht finden sie einen Weg zwischen den Fronten; es wäre ihnen auch möglich, dieser Frage zunächst dadurch aus dem Wege zu gehen, daß sie die Weiterführung der wirtschaftlichen Reformen und besonders der Industrialisierung in den Vordergrund stellen.
V. Schlußbetrachtung
Im Sommer 1963 hätte kaum ein Beobachter der politischen Ereignisse in Osteuropa zu behaupten gewagt, daß Rumänien ein Jahr später kein sowjetischer Satellit mehr sein würde. Tatsächlich aber war Rumänien schon im Jahre 1963 auf dem Weg zur Emanzipation. Die rumänischen Kommunisten beugten sich Moskaus Wünschen nicht, sondern vertraten selbstbewußt die Interessen ihres Landes. Aber die Sowjets waren nicht bereit, diese Interessen ausreichend zu respektieren. Es war für sie unvorstellbar, ihre politische Vorherrschaft in Osteuropa aufzugeben und sich unter den Bedingungen der Gleichberechtigung mit osteuropäischen Kommunisten an einen Tisch zu setzen. Die Sowjets hatten 1956 gerade erst die Erfahrung gemacht, daß die osteuropäischen Staaten nicht so behandelt werden können, als seien sie Teile der Sowjetunion.
Die Beziehungen, die Rumänien mit dem Westen anknüpfte, waren zunächst nicht so sensationell, wie sie oft dargestellt wurden
Rumänien hat seine Emanzipation gegen Moskau durchgesetzt. Die fünf Jahre nach der rumänischen „Gleichberechtigungserklärung"
Eine Frage, die angesichts der anhaltenden Differenzen im RGW und im militärischen Bündnis auftaucht, ist die nach der treibenden Kraft in diesem Streit. Ist es in erster Linie die Sowjetunion, die den Alleingang der Rumänen rückgängig machen möchte? Es scheint weniger der „Einzelfall" als vielmehr der „Modellfall" Rumänien zu sein, den die Sowjetunion durch Gegenmaßnahmen isolieren muß. Rumäniens Haltung gefährdet die sowjetische Vormachtstellung noch nicht, aber der Anreiz für die übrigen Partner, ähnliche Wege zu gehen, ist gefährlich. Aus diesem Grund bemüht sich die Sowjetunion um verstärkte Integration, Koordination und Kooperation. Damit hält sie den rumänischen Abwehrwillen ständig wach. Die Rumänen müssen jeden Integrationsversuch als Anschlag auf ihre Selbständigkeit betrachten. Die Forderung nach mehr Selbständigkeit kann also als Versuch gewertet werden, einen möglichst guten Kompromiß zu erreichen, der wenigstens den bisherigen Zustand erhält.
Die anderen Mitgliedstaaten des Warschauer Vertrags haben die rumänische Emanzipation unterschiedlich ausgenommen. Eine unmittelbare Reaktion auf die „April-Erklärung" liegt m. W. nicht vor. Nur die DDR und die CSSR kritisierten die rumänischen Industrialisie-rungspläne und den verstärkten Handel der Rumänen mit kapitalistischen Staaten. Die DDR und die CSSR sahen dadurch eigene wirtschaftliche Interessen bedroht.
Die rumänische Abweichung hat aber vermutlich stärkere Eindrücke in Osteuropa hinterlassen, als die offiziellen Aktionen und Reaktionen der anderen Staaten annehmen lassen. Das Bewußtsein, daß es die Möglichkeit gibt, die sowjetische Hegemonie zu überwinden, hat Kräfte ermutigt, die heute in ähnlicher Richtung arbeiten. Eine direkte Wirkung scheint die rumänische Politik auf das Verhalten der bulgarischen Kommunisten gehabt zu haben; das kommt u. a. in ihrer Balkan-politik zum Ausdruck. Indirekt wird das Beispiel Rumäniens auch auf die Entwicklung in der ÖSSR gewirkt haben.
Die Neuorientierung, die sich in Osteuropa angekündigt hat, ist nicht nur durch die rumänische Politik hervorgerufen worden. Auch wirtschaftliche Gründe hatten und haben große Bedeutung für die Entwicklung in Osteuropa. Nachdem sich Rumänien den Integrationsbestrebungen im RGW widersetzt hatte, wich die Sowjetunion im Verkehr mit den anderen osteuropäischen Staaten auf Formen der bilateralen Koordination aus und vertiefte — sofern sich Gelegenheit dazu bot — auch die Multilateralität, oft ohne Rumänien. 1963/64 entwickelte die UdSSR ein Netz bilateraler Kommissionen für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Ungarn, der ÖSSR, Polen und Bulgarien. Mit der DDR waren entsprechende Vereinbarungen schon früher getroffen worden. Mit Rumänien wurde eine solche Kommission erst im September 1965 geschaffen.
Unter den multilateralen Projekten seien hier genannt: das Zahlungsabkommen kommunistischer Länder von 1963 mit der 1964 geschaffenen „Bank Sozialistischer Länder" (auch: „Internationale Bank für wirtschaftliche Zusammenarbeit"), der Waggonpool, das Elektroverbundnetz . Frieden', die Erdölleitung , Freundschaft', an die Rumänien und Bulgarien nicht angeschlossen sind.
Die Spezialisierungsund Koordinierungsbemühungen sind insgesamt zwar nicht gescheitert, aber durch den rumänischen Widerstand verlangsamt worden. Rumänien wickelt auch weiterhin — trotz der Westorientierung im Außenhandel — im Durchschnitt etwa 60 Prozent seines Außenhandels mit dem RGW ab. Ohne daß es ursprünglich Rumäniens Absicht gewesen sein mag, durchkreuzte es mit seinem Bestehen auf dem Industrialisierungsprogramm die politischen Ziele der Sowjets. Folglich trat dieser Aspekt der Auseinandersetzungen in den Vordergrund; der Kampf gegen die rumänischen Selbständigkeitsbestrebungen beherrscht seitdem einen Teil der politischen Szene in Osteuropa. Außer den Schwierigkeiten in der Integration, die durch Rumäniens Widerstand deutlich wurden, gab es verschiedene andere wirtschaftliche Probleme. Als Beispiel sei hier der Rohölmarkt genannt. Werner Bröll untersuchte eingehend die energetische Integration der RWG-Länder. Als Resümee für den Rohölmarkt stellte er fest, daß dieser in Osteuropa aufgelockert worden sei: „Eine Einschaltung in den Weltölmarkt ist in Zukunft stärker zu erwarten, die Abhängigkeit von der Sowjetunion wird sich zwar nicht mindern, jedoch werden nationale Eigeninteressen verstärkt geltend gemacht und verfolgt. Dies wird die Wirtschaftsintegration im RGW tendentiell erschweren. Andererseits toleriert die Sowjetunion die Versuche ihrer Partner, um sich zu entlasten."
Als Triebkraft für die jüngste Entwicklung in Osteuropa wird oft auch der Nationalismus genannt und besonders auf das Beispiel Rumäniens hingewiesen. Ohne eine Untersuchung über den Nationalismus anstellen zu wollen, sei darauf hingewiesen, daß auch in Westeuropa nationalistische Kräfte in den letzten Jahren wieder stärker hervorgetreten sind
Die unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Kräfte, die sich in Osteuropa bemerkbar machen, wirken der sowjetischen Hegemonie entgegen. Die Bewegung, in die Osteuropa geraten ist, hat die Sowjets veranlaßt, den Schwerpunkt ihres Hegemoniestrebens auf den nördlichen Teil des Bündnisses zu verlagern. Dort versuchen sie ihre Vorherrschaft mit allen Mitteln zu verteidigen, wie die Intervention in der CSSR gezeigt hat. Für ihre militärischen, politischen und wirtschaftlichen Interessen in Europa sind die nord-osteuropäischen Staaten bedeutender als die Länder Südosteuropas. Jedoch hat die Entwicklung in der CSSR gezeigt, daß auch in Nordosteuropa die sowjetische Hegemonie auf Widerstand stößt. Die Bereitschaft der neuen tschechoslowakischen Führung zu einer Zusammenarbeit mit der Sowjetunion auf der Grundlage der Gleichberechtigung haben die Sowjets ignoriert. Tatsächlich vermochte aber bisher der militärische Eingriff die politischen Probleme nicht zu lösen. Vielleicht gelingt es den sowjetischen Diplomaten und der sowjetischen Geheimpolizei, den Hegemonieanspruch einige Zeit aufrechtzuerhalten. Eine echte Lösung der Probleme wird aber erst möglich sein, wenn die Sowjetunion die Gleichberechtigung zum Prinzip ihrer Politik in Osteuropa erhebt.
Rumänien hat in seiner außenpolitischen Konzeption die nationalen Interessen eng verbunden mit dem Gedanken an ein europäisches Sicherheitssystem. Damit hat es einen Beitrag geleistet zur Vorbereitung einer neuen Phase der Auseinandersetzungen um die Neuordnung Europas. Europäische Sicherheit könnte in dieser Phase nicht mehr Teilung Europas in sowjetische und amerikanische Einflußsphären heißen, aber auch nicht „sowjetischer Einfluß in ganz Europa", sondern Zurückweichen des sowjetischen und amerikanischen Einflusses und vor allem Ausgleich zwischen den Völkern Ost-und Westeuropas. Die Sowjetunion wird versuchen, ihre Interessen in diesem Prozeß geltend zu machen. Je länger sie aber ihren Partnern in Osteuropa die Gleichberechtigung verweigert, um so geringer wird ihre Chance sein, ihren Standpunkt durchzusetzen. Literaturliste 1. Monographien Bromke, Adam (Hg.), The Communist States at the crossroads. Between Moscow and Peking, New York (N. Y.: Praeger, 1965).
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