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Der Kommunismus als Zielvorstellung von Marx bis zur Gegenwart | APuZ 23/1969 | bpb.de

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APuZ 23/1969 Parteienfinanzierung und Bundesverfassungsgericht Der Kommunismus als Zielvorstellung von Marx bis zur Gegenwart

Der Kommunismus als Zielvorstellung von Marx bis zur Gegenwart

Erwin Oberländer

I. Der Kommunismusbegriff bis 1848

Der Begriff Kommunismus erscheint zuerst 1838/39 im Kreise der revolutionären französischen Geheimgesellschaften in der Form des Adjektivs „communiste", zunächst noch neben Formen wie communaute, communautaire, communautiste usf. Am 1. Juli 1840 fand in Belleville bei Paris das „Erste kommunistische Bankett" statt, an dem 1200 Anhänger der verschiedenen sozialreformerischen Ideen teilnahmen Ebenfalls in der zweiten Hälfte des Jahres 1840 berichtete ein Anhänger Owens, J. G. Barmby, aus Paris an die Zeitschrift „The New Moral World" neben den älteren Begriffen von einem communism, und um die gleiche Zeit begann die Augsburger Allgemeine Zeitung mit gelegentlichen Berichten über die französischen Kommunisten und ihren Kommunismus Neben der positiven Bedeutung eines allgemeinen Programms der Gütergemeinschaft, die das neue Wort für die Schule Cabets oder für Weitling und seine Anhänger hatte, verdankte es seine schlagartige Verbreitung offenbar nicht zuletzt der Tatsache, daß konservative Kreise Frankreichs, Deutschlands und der Schweiz den neuen Begriff als Synonym für alle gegen die bestehende Ordnung und vor allem gegen das Privateigentum gerichteten Tendenzen aufgriffen, so daß es etwa 1841 in den bei Weitling aufgefundenen Papieren hieß, „daß alles Furcht hatte, sich (als) Kommunist zu erklären, (denn) man stellte sich darunter einen Menschen vor, dem die Polizei an allen Straßenecken auflauert" Auch in der von Papst Pius IX. am 9. 11. 1846 erlassenen Enzyklika „Qui pluribus“ erschien der Kommunismus als „abscheuliche und dem Naturrecht selbst aufs höchste widersprechende Lehre" und nicht erst in der Einleitung zum Kommunistischen Manifest, sondern schon 1846 war in dem von Rotteck und Welcker herausgegebenen liberalen Staatslexikon vom Kommunismus als „drohendem Gespenst" die Rede, dessen Forderung nach Aufhebung des Privateigentums der menschlichen Natur widerspreche

In der einschlägigen Literatur immer wieder anzutreffende Feststellungen wie „Der Kommunismus ist ...der Traum der Philosophie wie die Hoffnung des Volkes seit den ersten Tagen, da das Denken der einen und das Leiden der anderen sich vor das Problem des rechten gesellschaftlichen Lebens gestellt sah" und „Im Altertum ist der Urquell aller communistischen und sozialistischen Theorien zu suchen" deuten darauf hin, daß die Sache älter ist als der Begriff. Mit diesem wurden seit der Mitte der vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts — bei verschiedenen Sozialisten und Kommunisten ebenso wie bei Nichtkommunisten — auch Dieser Beitrag erscheint in gekürzter Fassung in Bd. 3 der vergleichenden Enzyklopädie „Sowjetsystem und demokratische Gesellschaft", Verlag Herder, Freiburg 1966 ff. antike und spätmittelalterliche Zeugnisse wie Platons „Staat", die Vorstellungen Thomas Müntzers, die Utopien eines Morus oder Campanella, die Bestrebungen christlicher Sekten usf. erfaßt. Ohne auf die umstrittene Frage nach der jeweiligen Bedeutung dieser Vorläufer näher einzugehen, soll nur festgehalten werden, daß sich die moderne sozialistische und kommunistische Bewegung vor allem auf die Schriften der französischen Gesellschaftskritiker des 18. Jahrhunderts (Rousseau, Mably, Morelly, Boissei u. a.) und die Erfahrungen der französischen Revolution stützt. Letztere hatte gezeigt, daß es möglich war, eine politische und soziale Ordnung umzustürzen. Gleichzeitig aber hatte die vorwiegend politisch orientierte Befreiungsbewegung in der Revolution dazu geführt, daß das Mißverhältnis zwischen politischer und sozialer Freiheit besonders scharf empfunden wurde, was zu einer weiteren Verschiebung des theoretischen Interesses von der politischen Verfassungslehre zu ökonomischen Theorien führte. Dahinter stand die heraufziehende industrielle Revolution, für die vor allem die englischen Verhältnisse als beispielhaft galten, und die die Ordnung der ökonomischen Verhältnisse zur Existenzfrage werden ließ.

Aus der Erfahrung der Französischen Revolution haben nur F. N. (Gracchus) Babeuf (1760 bis 1797) und einige Mitglieder der „Conspiration des Egaux" mit ihrer Forderung nach einer zentralistisch geleiteten, allerdings vorwiegend agrarisch orientierten „nationalen Gütergemeinschaft" radikale, „kommunistische" Konsequenzen gezogen: „Wir brauchen nicht nur jene Gleichheit, wie sie schriftlich niedergelegt ist in der Erklärung der Menschen-und Bürgerrechte, wir wollen sie in unserer Mitte haben, unterm Dach unserer Häuser." Vollständige Verwirklichung der politischen und sozialen Gleichheit auf der Grundlage der Gütergemeinschaft, Abschaffung aller Stände, die nicht unmittelbar der Produktion dienen, wie Gelehrte und Künstler, sowie gleiche Erziehung aller — das waren die Vorstellungen, die unter der Bezeichnung Babouvismus Mitte der dreißiger Jahre in verschiedenen französischen Geheimgesellschaften weite Verbreitung fanden nachdem Babeufs Mitverschworener F. Buonarotti 1828 im Rahmen einer Geschichte der 1797 gescheiterten Verschwörung auch die Lehren Babeufs zu neuem Leben erweckt hatte Doch erst mit E. Cabet, der seine . Ideen selbst ab 1840 als kommunistisch bezeichnete (Comment je suis communiste), begann die „öffentliche Laufbahn des Kommunismus" (L. v. Stein).

Die Lehren der Sozialisten und Kommunisten, die vor der Revolution von 1848 auftraten, werden gewöhnlich unter dem Begriff „Früsozialismus" zusammengefaßt. Schon diese Tatsache deutet darauf hin, daß eine strenge Unterscheidung zwischen Sozialismus und Kommunismus (zu Lebzeiten so bedeutender Sozialreformer wie Saint-Simon und Fourier existierten diese Begriffe überhaupt noch nicht)

für diese Zeit sehr schwierig ist. Immerhin darf es als sicher gelten, daß derjenige, der sich nach 1840 als Kommunist bezeichnete, wußte, „daß er sich damit in die Reihe der radikalsten Bekämpfer der bürgerlichen Eigentumsordnung stellte" Dies gilt vor allem für Cabet, Dezamy und ihre Anhänger in Frankreich sowie für Weitling, Moses Heß und ihre Freunde in Deutschland.

Etienne Cabet (1788— 1856) war 1834 aus politischen Gründen nach England emigriert, also in das Land, dessen ökonomische und die sich daraus ergebenden sozialen Verhältnisse der sozialistischen und kommunistischen Bewegung der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Anschauungsmaterial lieferten. Unter dem Eindruck der Lehren Owens sowie der älteren utopischen Literatur verfaßte Cabet hier seine „Reise nach Ikarien", einen utopischen Roman, der sich gerade unter den französischen Arbeitern weiter Verbreitung erfreute, da er neben der historischen Begründung auch das konkrete Bild einer auf Brüderlichkeit gegründeten Gütergemeinschaft bot Cabet war der Überzeugung, daß die „Brüderlichkeit aller Menschen ihre Gleichheit unvermeidlich nach sich zieht", eine Gleichheit, der „keine andere Grenze gesetzt ist als die des Unmöglichen" Zugleich forderte er die konsequente Aufhebung des Privateigentums, da „die Natur die Erde dazu bestimmt hat, in Gemein-schäft und ungeteilt besessen zu werden" „Alle Produkte, Naturprodukte wie industrielle Erzeugnisse, werden eingesammelt in großen Magazinen und gleichmäßig unter alle Arbeiter und Bürger verteilt, die auf diese Art alle genährt, gekleidet, beherbergt werden im Verhältnis zu ihren Bedürfnissen unter der einzigen Bedingung, daß sie eine mäßige Arbeit leisten, deren Dauer gleich sein soll." Als Verfassung der „Communaute" empfahl er die Demokratie. So radikal Cabet in seinem Kommunismus war, in dem er zugleich die Verwirklichung des „wahren Christentums" erblickte, so gemäßigt war er in der politischen Praxis, da er jegliche gewaltsame Aktivität im Sinne seines Ideals konsequent verwarf, und im Vertrauen darauf, „daß der Mensch seinem Wesen nach zur Vervollkommnung durch Erfahrung und Erziehung fähig ist" nur durch das Vorbild, wie etwa die in Amerika gegründeten Musterkolonien, wirken wollte.

Wie aus einer neueren Untersuchung hervorgeht, hat Cabet gegen Ende der vierziger Jahre seine ursprüngliche Hoffnung auf ein Zusammengehen des Bürgertums und der Bauern mit den Arbeitern allmählich aufgegeben und statt dessen einen Arbeiterkommunismus vertreten, der nicht mehr die Brüderlichkeit aller Menschen, sondern nur noch die der Arbeiter predigte Theodore Dezamy (1803— 1850), der einige Jahre lang Sekretär und Mitarbeiter Cabets gewesen war, dann aber ein eigenes kommunistisches System entwickelte, hat noch konsequenter als Cabet das Proletariat in den Mittelpunkt seiner Sozialkritik gestellt. Vor allem aber lehnte er, vom philosophischen Materialismus ausgehend, jede Art von religiöser Verbrämung des Kommunismus ab und war schließlich keineswegs so antirevolutionär eingestellt wie Cabet.

Das Thema „Gütergemeinschaft" wurde im Pariser „Bund der Gerechten" und anderen deutschen Auslandsvereinen etwa seit 1837 diskutiert Den ersten bedeutenden Entwurf, wie man sich die auf dem Wege der Revolution zu erreichende Gütergemeinschaft vorzustellen habe, schrieb 1838 Wilhelm Weitling (1808 bis 1871) unter dem Titel „Die Menschheit, wie sie ist und wie sie sein sollte". Die Abschaffung allen Privateigentums, „gleiche Verteilung der Arbeit und gleicher Genuß der Lebensgüter", wobei vor allem das Geld entfallen sollte, volle persönliche Freiheit, Verwaltung statt Regierung und „allgemeine Vereinigung der ganzen Menschheit zu einem großen Familienbunde" waren die wichtigsten Züge seiner Zukunftsgesellschaft, die er allerdings keineswegs in allen Details als unveränderlich verstanden wissen wollte. Erst im Jahre 1841 bezeichnete sich Weitling anstatt mit dem bis dahin gebräuchlichen Wort „Gemeinschafter" in seinem Aufsatz „Die Kommunion und die Kommunisten" mit dem Fremdwort „Kommunist", offenbar, „weil sich ihm darin die von ihm geglaubte Identität seines sozialen Programms mit der christlichen Botschaft offenbarte" (W. Schieder). Kommt der Begriff Kommunismus auch in den Hauptwerken Weitlings nur selten vor, so haben er und seine Anhänger doch im deutschen Bereich zur Verbreitung des Wortes im positiven Sinne entscheidend beigetragen. Gegen die gelegentlich erhobene Forderung, den Namen Kommunisten abzulegen, schrieb August Becker, ein Anhänger Weitlings, 1844: „Daß die Worte . kommun', . gemein', infolge des Sprachgebrauchs der Aristokraten, deren Leibeigene unsere Voreltern waren, eine üble Nebenbedeutung bekommen haben, geniert uns wenig. Gerade deshalb liegt es in unserem Interesse, den Namen, nach dem wir genannt sind, nicht abzulegen, sondern zu Ehren zu bringen ... es liegt im Interesse der niederen Stände, . . . das Gemeine, das Niedere, das Verachtete, das Unedle zu erhöhen und adlig zu machen!"

War Weitling der Auffassung, daß die „deutsche Philosophie geradezu die Quintessenz des deutschen Unsinns" und mithin nur dazu geeignet sei, „den gesunden Menschenverstand zu umnebeln" so muß es als Verdienst von Moses Heß (1812— 1875) gelten, sich nicht nur um eine ökonomische, sondern als erster auch um eine philosophische Begründung des Kommunismus bemüht zu haben. Ihm erschien die deutsche Philosophie, „die bis Hegel nur eine esoterische Wissenschaft war und erst jetzt als spekulativer Atheismus [Feuerbach] ihre Wirkung aufs Leben auszuüben beginnt, und die französische Socialphilosophie, die in gleicher Weise erst jetzt, nach St. Simon und Fourier, sich von der Schule befreit und als wissenschaftlicher Communismus ins Volk einzudringen anfängt" im wesentlichen als identisch, d. h., Heß interpretierte den Kommunismus als die logische Folge der Philosophie des deutschen Idealismus. „Philosophie der Tat" hieß seine Parole, da er dem abstrakten Denken vorwarf, letzten Endes zu religiösen und politischen Dogmen zu führen, die an der Unfreiheit der Menschen Schuld seien. Um vollständige persönliche Freiheit und Gleichheit im Kommunismus gesichert zu sehen, rief er zum Kampf gegen alle religiösen und politischen Illusionen auf und erklärte die Anarchie zur äußeren Form des Kommunismus, den er als den „Schluß der Entstehungsgeschichte der Gesellschaft“ betrachtete Mit dieser Verbindung von deutscher Philosophie und französischem Kommunismus hat Heß auf die radikale Intelligenz großen Einfluß ausgeübt und nicht zuletzt Engels für den Kommunismus gewonnen, während sein Einfluß auf Marx'Übergang zum Kommunismus umstritten ist.

II. Der Kommunismusbegriff bei Marx und Engels

Karl Marx (1818— 1883) verstand unter dem Begriff Kommunismus als Zielvorstellung wesentlich mehr als nur die Verwirklichung der sozialen Gerechtigkeit oder der christlichen Nächstenliebe mit Hilfe einer rational konstruierten idealen Gesellschaftsordnung, wie das für die Frühen Sozialisten typisch war. Noch im Oktober 1842 hatte er in der „Rheinischen Zeitung" geschrieben, daß er „den kommunistischen Ideen in ihrer jetzigen Gestalt nicht einmal theoretische Wirklichkeit zugestehen, also noch weniger ihre praktische Verwirkli-chuiig wünschen oder auch nur für möglich halten kann", zugleich aber versprochen, sie einer „gründlichen Kritik" zu unterwerfen Während er in diesem Aufsatz noch von den „Kommunisten" Leroux, Considerant und Proudhon sprach, war er nach einjährigem Studium der zeitgenössischen sozialistischen und kommunistischen Werke im Herbst 1843 bereits wesentlich besser unterrichtet. Zwar hielt er den Kommunismus noch immer für eine dogmatische Abstraktion, doch hatte er jetzt „nicht irgendeinen eingebildeten oder möglichen, sondern den wirklich existierenden Kommunismus, wie ihn Gäbet, Dezamy, Weitling etc. lehren", im Auge, dem er die „sozialisti-sehen Lehren wie die von Fourier, Proudhon etc." gegenüberstellte. Dabei erschien ihm der Kommunismus als eine „besondere, einseitige Verwirklichung des sozialistischen Prinzips", doch stellte er zugleich fest, daß auch das sozialistische Prinzip einseitig sei, da es nur die „Realität des wahren menschlichen Wesens betreffe", während man auch die „theoretische Existenz des Menschen", also Religion, Wissenschaft usw. zum Gegenstand der Kritik machen müsse

Spätestens seit dem Frühjahr 1844 bekannte sich Marx selbst zum Kommunismus wenn auch zu keiner der bereits vorhandenen Richtungen, wie aus den um diese Zeit entstandenen „Ökonomisch-philosophischen Manuskripten" hervorgeht. Marx distanzierte sich dort zunächst von dem „ganz rohen und gedankenlosen Kommunismus", der „alles vernichten will, was nicht fähig ist, als Privateigentum von allen besessen (zu) werden", für den der Gedanke der Weibergemeinschaft typisch sei, der „die Persönlichkeit des Menschen überall negiert", und dessen „abstrakte Negation der ganzen Welt der Bildung und der Zivilisation" Marx bewies, daß es sich hier nur um die „Rückkehr zur unnatürlichen Einfachheit des armen, rohen und bedürfnislosen Menschen, der nicht über das Privateigentum hinaus, sondern noch nicht einmal bei demselben angelangt ist", handelte. Ohne Namen zu nennen, schien Marx mit dieser Art des Kommunismus die verschiedenen Gruppen der Ba-bouvistes im Auge zu haben, die er auch in der „Heiligen Familie" als „rohe, unzivilisierte Materialisten" apostrophierte Die beiden anderen kommunistischen Richtungen, die Marx kritisierte, nannte er die politischen, die sich demokratisch oder despotisch geben, womit er wohl an Cabet dachte, während er offenbar Dezamy meinte, wenn er von dem Kommunismus sprach, der den Staat aufheben will. Diese beiden Richtungen wüßten sich zwar als „Reintegration oder Rückkehr des Menschen in sich, als Aufhebung der menschlichen Selbst-entfremdung", doch warf ihnen Marx vor, mangels Erkenntnis des umfassenden Wesens der Entfremdung von dieser noch infiziert zu sein.

Für Marx selbst, dessen Weg zum Kommunismus ja nicht im Zeichen der Ökonomie, sondern im Zeichen der Philosophie Hegels und Feuerbachs stand, bedeutete Kommunismus die Aufhebung jeglicher Entfremdung des Menschen sowohl gegenüber der Natur als auch gegenüber dem Mitmenschen und damit die Voraussetzung für den Beginn der eigentlichen menschlichen Geschichte. Da er in der ökonomischen Entfremdung in Gestalt des Privateigentums die allen anderen Formen der Entfremdung (religiöse, philosophische, politische, soziale) zugrunde liegende Erscheinung erblickte, war die Aufhebung des Privateigentums auch die Forderung, die ihn mit seinen kommunistischen Vorläufern und Zeitgenossen verband: „Der Kommunismus als positive Aufhebung des Privateigentums als menschlicher Selbstentfremdung und darum als wirkliche Aneignung des menschlichen Wesens durch und für den Menschen ... Dieser Kommunismus ... ist die wahrhafte Auflösung des Widerstreites zwischen dem Menschen mit der Natur und mit dem Menschen, die wahre Auflösung des Streits zwischen Existenz und Wesen, zwischen der Vergegenständlichung und Selbstbestätigung, zwischen Freiheit und Notwendigkeit, zwischen Individuum und Gattung.

Er ist das aufgelöste Rätsel der Geschichte ..."

Doch betonte Marx ausdrücklich: „Der Kommunismus ist die Position der Negation der Negation, darum das wirkliche, für die nächste geschichtliche Entwicklung notwendige Moment der menschlichen Emanzipation und Wieder-gewinnung . . . Aber der Kommunismus ist nicht als solcher das Ziel der menschlichen Entwicklung — die Gestalt der menschlichen Gesellschaft." Unter diesem Gesichtspunkt ist es durchaus verständlich, wenn Marx nur wenig oder sehr allgemeines über die kommunistische Zukunft als Zielvorstellung zu sagen hatte, da er die Voraussetzungen für die wahre menschliche Geschichte und nicht deren mögliche Verfassung oder andere Details im Auge hatte.

Damit deckt sich auch eine zweite Verwendung des Begriffs Kommunismus durch Marx und Engels, nämlich als Bezeichnung für den Weg, auf dem die oben erwähnten Voraussetzungen geschaffen werden sollten: „Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach sich die Wirklichkeit zu richten haben (wird). Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt. Die Bedingungen dieser Bewegung ergeben sich aus der jetzt bestehenden Voraussetzung." Ausgehend von der bereits in den „ökonomisch-philosophischen Manuskripten" getroffenen Feststellung, „daß in der Bewegung des Privateigentums, eben der Ökonomie, die ganze revolutionäre Bewegung sowohl ihre empirische als theoretische Basis findet" haben Marx und Engels nach verschiedenen Vorstufen im „Manifest der Kommunistischen Partei" die Lehre vom Klassenkampf zwischen Proletariat und Bourgeoisie und vom notwendigen Sieg des Proletariats formuliert, der zur Aufhebung aller Klassen, d. h. nicht nur zur Emanzipation des Proletariats, sondern zur Emanzipation aller Menschen vom Zwang der ökonomischen (Basis)

und den von diesen abhängigen politischen, sozialen, religiösen und philosophischen (überbau) Erscheinungen führt Dem Beweis für die Behauptung, daß die Kommunisten „theoretisch vor der übrigen Masse des Proletariats die Einsicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Resultate der proletarischen Bewegung" d. h. also, in die Gesetzmäßigkeit der „materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung[en] in den ökonomischen Produktionsbedingungen" voraus haben, hat vor allem Marx sein ganzes weiteres Schaffen gewidmet.

Zum primär anthropologischen Charakter seiner Entfremdungslehre kam damit der vorwiegend ökonomische Aspekt seiner Lehre von der Aufhebung jeglicher Entfremdung. Marx'Tätigkeit umfaßte also zwei Phasen, ohne daß eine strikte Unterscheidung zwischen einem anthropologischen und einem ökonomischen Marx möglich wäre, auch wenn er viele Grundgedanken der Jahre bis 1847 später nicht wieder aufgegriffen hat und Engels nur noch von Marx'ökonomischen Theorien sprach Der vermeintliche Gegensatz zwischen dem jungen und dem älteren Marx, eine Entdeckung unserer Zeit, entspringt daher nicht der Lehre von Marx, sondern der Geschichte ihrer Überlieferung. Einmal standen seine unmittelbaren sozialistischen und kommunistischen Erben ganz unter dem Eindruck seines nationalökonomischen Spätwerks, zumal zwischen dem Ende der ersten Phase seiner Tätigkeit und dem Beginn einer primär von Marx und Engels beeinflußten Arbeiterbewegung fast 20 Jahre vergingen. Zum anderen waren wesentliche Texte zum Verständnis des jungen Marx („Ökonomisch-philosophische Manuskripte", wichtige Teile der „Deutschen Ideologie" u. a.) bis in die dreißiger Jahre unseres Jahrhunderts unbekannt.

Schon zu Anfang der zwanziger Jahre unternahm Georg Lukacz den Versuch, dieMarx’sche Antropologie gegenüber seiner Nationalökonomie aufzuwerten doch erst die Veröffentlichung der genannten „Frühschriften" führte dazu, daß es nach dem Zweiten Weltkrieg zu einer lebhafteren Diskussion um den wahren Marx kam. Westliche, dem Sozialismus nahe-stehende Denker (Erich Fromm, Herbert Marcuse) behaupteten nun unter Berufung auf den jungen Marx, daß ein richtig verstandener Marxismus die Entfremdungslehre und nicht die „ökonomischen Gesetze" in den Mittelpunkt stellen müßte, wobei allerdings erkennbar die Gefahr besteht, daß das auf eine Umkehrung der Formel, wonach das Sein das Bewußtsein bestimmt, hinausläuft. Doch wurde hier z. T.sehr eindringlich auf ganz neue Erscheinungen der Entfremdung hingewiesen, die den Besonderheiten der modernen Industriegesellschaft entspringen, ja sogar gelegentlich die Überzeugung geäußert, daß die Entfremdung ein Wesenszug des Menschen und mithin überhaupt nicht zu überwinden sei.

Die Diskussion um den „jungen Marx" wurde durch die Arbeiten von R. Garaudy, V. G. Tugarinov, A. Schaff, L. Kolakowsky, K. Kosik u. a. auch in den Bereich des Marxismus-Leninismus getragen, wo die neue Richtung allerdings von der herrschenden „orthodoxen" Lehre als „Neufeuerbachianismus", „Neukantianismus", „utopischer Sozialismus", kurz als „existenzialistische Epidemie" abqualifiziert und heftig bekämpft wird Jüngst wurde von einem polnischen Autor sogar unterstellt, daß die Ereignisse in der Tschechoslowakei vor der Besetzung im August 1968 nichts anderes als die Folge des Eindringens dieser angeblich marxistischen Anthropologie gewesen seien

Das Scheitern der Revolution von 1848 und später der Pariser Kommune dämpften Marx'

und Engels'Hoffnungen auf einen baldigen Sieg des Proletariats und legten ihnen die Einsicht nahe, daß „die Arbeiterklasse (noch)

lange Kämpfe, eine ganze Reihe geschichtlicher Prozesse durchzumachen hat". Die Pariser Kommune bestärkte vor allem Marx in seiner Überzeugung, daß es nicht darum gehe, „fix und fertige Utopien durch Volksbeschluß einzuführen", sondern nur darum, „die Elemente der neuen Gesellschaft in Freiheit zu setzen, die sich bereits im Schoß der zusammenbrechenden Bourgeoisgesellschaft entwickelt haben" Als Schritt auf diesem Wege, als „Vorboten einer neuen Gesellschaft" hat Marx die Pariser Kommune und ihre Ansätze zu einer auf Produktivgenossenschaften beruhenden Kommunalverfassung gewürdigt, gleichzeitig jedoch auch in diesem Zusammenhang die kommunistische Zukunft einem von veränderten Umständen „gänzlich gewandelten Menschen" überlassen. Demgegenüber hat Friedrich Engels (1820—-1895), der anders als Marx eher mit einer „maximalen (und optimalen) Moralisierung“ (Fetscher) des alten Menschen rechnete (darin ist ihm später Lenin gefolgt), Fragen der zukünftigen Gesellschaftsverfassung größere Aufmerksamkeit gewidmet. Dies um so mehr, als Engels, der ja schon bei seinem ersten Aufenthalt in England von den praktischen Unternehmungen Owens stark beeindruckt worden war mehr und länger als Marx Gelegenheit gehabt hat, mit der von ihren Ideen geleiteten Arbeiterbewegung zusammenzuarbeiten, und diese praktische Bewegung verlangte naheliegenderweise nach Präzisierung und Popularisierung ihrer Vorstellungen. Doch ist Engels bei seiner „intensiveren" Beschäftigung mit dem Zukunftskommunismus kaum über die auch bei Marx zu findenden Andeutungen hinausgegangen, und man erhält im übrigen den Eindruck, daß beide den Vorstellungen der vor allem von Marx so oft geschmähten „utopischen Sozialisten" nichts originelles hinzugefügt haben. Engels sah ihr Verhältnis zu diesen Vorläufern zweifellos realistischer als Marx, wenn er gelegentlich anerkennend bemerkte, daß „Saint-Simon, Fourier und Owen . . . zahllose Dinge genial antizipierten, deren Richtigkeit wir jetzt wissenschaftlich nachweisen"

Von Marx und Engels ist zu erfahren, daß an die Stelle der bürgerlichen Gesellschaft eine „Assoziation" treten wird, im „Kapital" gelegentlich auch „Verein freier Menschen" genannt Diese Assoziation, in der die Abschaffung des Privateigentums und die volle Übereinstimmung aller Interessen Ausbeutung und damit Klassengegensätze ausschließt, erlaubt jedem Individuum die volle Entfaltung seiner Anlagen, was schließlich, da die Arbeit zum ersten Lebensbedürfnis wird und jeder dank polytechnischer Erziehung alles kann, zur Aufhebung der Arbeitsteilung im herkömmlichen Sinne führt Eine politische Ordnung wird überflüssig; während Marx etwa in der „Kritik des Gothaer Programms" die Betonung erst einmal auf die Diktatur des Proletariats als besonderer Form des Übergangsstaates legte und sich über dessen weiteres Schicksal ausschwieg sagte Engels im „Anti-Dühring" das „Absterben" des Staates voraus Immerhin sprachen sowohl Marx als auch Engels wiederholt davon, daß die Assoziation der Zukunft die Produktivkräfte mittels eines großen Planes lenken werde, damit nicht nur jeder nach seinen Fähigkeiten arbeitet (was ihm ja ein Bedürfnis ist), sondern damit auch die Produktion in dem Maße gesteigert wird, daß jedem nach seinen Bedürfnissen gegeben werden kann Wenn Engels erklärend hinzufügte, daß „an die Stelle der Regierung über Personen die Verwaltung von Sachen und die Leitung von Produktionsprozessen tritt" womit er sein Wort vom „Absterben des Staates" zu rechtfertigen suchte, so wurde das Problem damit rein formal gelöst, während die entscheidende Frage nach der den Staat verkörpernden Bürokratie, ohne die ja auch eine umfassende Planung kaum denkbar ist, ganz außer acht gelassen wird. Gerade diese Frage aber ist zu einem zentralen Problem der modernen kommunistischen Bewegung geworden. Man wird das Werk von Marx und Engels allerdings kaum schmälern, wenn man diese wenigen konkreten Hinweise auf die Zukunft, die sicher für viele ihrer Anhänger große Anziehungskraft besessen haben und im Bereich des Marxismus-Leninismus noch heute als richtungweisend gelten, nicht nur der Herkunft nach dem utopischen Sozialismus zurechnet.

III. Kommunismus und Sozialismus 1848— 1914

a) Westeuropa Zunächst aber fand die Lehre von Marx und Engels, vor allem das kurz vor der gescheiterten Revolution von 1848 erschienene „Manifest der Kommunistischen Partei" weder ein positives noch ein negatives Echo: sie blieben unbeachtet. Wenn Engels 1888 in der Vorrede zur englischen Ausgabe bemerkte, daß das Manifest damals „dazu verdammt zu sein schien, der Vergessenheit anheimzufallen" dann entsprach das ganz dem Eindruck eines Zeitgenossen, W. Schulz-Bodmer, der 1859 in der dritten Auflage des bereits erwähnten Staatslexikons von Rotteck und Welcker geschrieben hatte: „Als Nachwirkung von 1848 hörte man zwar auch von einem proletarischen Aufrufe und einem sogenannten Communisten-Verein, der sich aber als völlig bedeutungslos erwies." Einzig die Polizei machte hier eine Ausnahme, denn in dem von den Polizeidirektoren Wermuth und Stieber 1853 herausgegebenen und für den Gebrauch der Polizeibehörden der deutschen Bundesstaaten bestimmten zweibändigen Handbuch „Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts" wurde nicht nur der vollständige Text des Manifests, sondern auch ausführliche Steckbriefe seiner Autoren veröffentlicht

Doch ungeachtet des Mißerfolges von Marx und Engels waren auch nach 1848, wie Meyer's Conversations-Lexikon 1851 ausdrücklich vermerkte, „die kommunistisch-socialistischen Lehren in Jedermanns Munde", und man war sich bewußt, „daß der Kommunismus keine Modesache, keine willkürliche, pathetische Phantasterei ist, ... da die bewegende Kraft, die ihm innewohnt, schon genügend an den Tag getreten ist" Während aber beispielsweise Lorenz von Stein zwischen Kommunismus und Sozialismus noch deutlich unterschieden hatte, wobei der letztere günstiger beurteilt worden war als der erstere, zeichnete sich jetzt die Tendenz ab, die beiden Begriffe, wenn überhaupt, nur noch sehr oberflächlich gegeneinander abzugrenzen. Am deutlichsten wurde im Bereich der „bürgerlichen" Nationalökonomie zwischen Kommunismus und Sozialismus unterschieden, und die von Karl Diehl 1890 gegebene Definition faßte die Bemühungen seiner Fachgenossen vor und nach der Jahrhundertwende so zusammen: „. . . unter Sozialismus im engeren Sinne begreifen wir diejenige Richtung, welche die Aufhebung des Privateigentums an den Produktionsmitteln erstrebt, unter Kommunismus diejenige, welche das Privateigentum an den Produktionsmitteln und an den Gegenständen des Verbrauchs aufheben will." Für konservative Gegner jeglicher revolutionärer Richtungen wie Alfred Sudre, Friedrich Julius Stahl, Emile de Lavaleye, Victor Cathrein u. a. war eine genauere Trennung der Begriffe schon weniger wichtig, da sie ihnen „nur (als) Spielarten eines und desselben Systems, die fast unmerklich ineinander übergehen" erschienen. Diese Betrachtungsweise wird verständlich, wenn man bedenkt, daß die Sozialisten bzw. Sozialdemokraten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts selbst Sozialismus und Kommunismus (sofern sie dieses Wort überhaupt gebrauchten) als Synonyme behandelten, so daß etwa Ch. Verecque 1911 im „Dictionnaire du Socialisme" schreiben konnte: „Kollektivismus, Kommunismus und Sozialismus sind drei Begriffe, die heute das gleiche bezeichnen, d. h. die Rückführung der Produktionsmittel in die Hände der Gesellschaft und ihre Nutzung zum Wohle aller Mitglieder der Gemeinschaft."

Auch Marx und Engels haben in ihren späteren Werken keinen Unterschied mehr zwischen Kommunismus und Sozialismus gemacht, ja Engels räumte in Beantwortung der Frage, warum sie eigentlich das Manifest 1848 „kommunistisches" und nicht „sozialistisches" Manifest genannt hatten, ein, daß sich heute (1888) im Gegensatz zu damals diese beiden Begriffe inhaltlich deckten Nachdem die „von Marx und mir vertretene dialektische Methode und kommunistische Weltanschauung . . . ein reichlich zwanzigjähriges Inkubationsstadium durchgemacht hatten" (Engels) und sich seit den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts in verschiedenen Ländern „marxistische" Arbeiterzirkel oder Parteien zu konstituieren begannen, nannte sich jedenfalls keine einzige kommunistisch, sondern alle entweder sozialistisch oder (später) sozialdemokratisch, obwohl sie sich fast ausnahmslos auf das „Kommunistische Manifest" beriefen. Wilhelm Liebknecht betonte in seiner Rede zur Begründung des Gothaer Programms (1875), daß „zwischen Sozialismus und Kommunismus . . . nach moderner Auffassung kein Gegensatz, ja kein Unterschied mehr" besteht und Kautsky bemerkte 1908: „Die Kommunisten, das war ungefähr dasselbe, was man heute Marxisten nennt." Doch sollte die weitere Entwicklung zeigen, daß trotz synonymen Gebrauchs der beiden Begriffe zwischen den Marx'schen Vorstellungen der vierziger Jahre und dem „Marxismus", der nach 1870 von den Arbeiterparteien, allen voran der deutschen Sozialdemokratie, gepredigt wurde, deutliche Unterschiede bestanden. Bei den Theoretikern und politischen Führern der Arbeiterbewegung handelte es sich jetzt schon um eine „Generation von Marxismusanhängern, die generell nicht (mehr) von der Philosophie, sondern von der Naturwissenschaft in der Form eines als Lebenslehre popularisierten Darwinismus zur materialistischen Geschichtsauffassung kamen (und die) die Engel’sche Enzyklopädie (AntiDühring) als authentische Darstellung des Marxismus ansahen, der sich in dieser Form mit ihren vom Darwinismus geprägten materialisti55) sehen Anschauungen trefflich verbinden ließ." Engels brachte also den „Marxismus" auf Kosten der dialektischen Geschichtsauffassung von Marx, in der die Revolution eine dominierende Rolle gespielt hatte, in engere Verbindung mit der Evolutionslehre, womit jedoch nicht gesagt sein soll, daß das gegen den ausdrücklichen Willen von Marx geschah, der nach 1860 mehrfach positiv zum Evolutionismus Stellung genommen, sich insgesamt jedoch eher unentschieden verhalten hat Da sich aber die unmittelbaren Nachfahren von Marx und Engels mit der Zeit immer konsequenter zum Evolutionismus bekannten, schätzten sie auch bestimmte kommunistische Zielvorstellungen noch geringer ein als ihre Lehrer, denn wer im Sinne einer langfristigen Entwicklung handeln will, pflegt die Konzentration auf die nächsten Schritte der Spekulation über eine fernere Zukunft vorzuziehen. Diese Einsicht ist dann allerdings erst bei den sogenannten Revisionisten zur absoluten Maxime geworden.

Die deutsche Sozialdemokratie hat sich — ebenso wie die zu jener Zeit unbedeutenderen französischen und englischen sozialistischen Parteien — niemals offiziell, d. h. in einem Programm oder Parteitagsbeschluß, zu detaillierten Zielvorstellungen im Sinne einer „sozialistischen Gesellschaft" bekannt, da es ihr nicht darum ging, „das Gaukelbild des Zukunftsstaates den Arbeitern vorzuzaubern, sondern die Arbeiter aufzuklären über den Entwicklungsprozeß und die Bewegungsgesetze der heutigen Gesellschaft" Die grundsätzliche Haltung der Partei in diesem Punkt hat Wilhelm Lieb-knecht (1826— 1900) in einer Reichstagsrede vom 7. Februar 1893, in der er ebenso wie vor ihm August Bebel auf die Frage nach dem so-genannten sozialistischen Zukunftsstaat antwortete, mit Nachdruck unterstrichen: „Was den Zukunftsstaat angeht, so ist das Phantasiesache. . . Jeder macht sich nach seiner Faon in seinem eigenen Zukunftsstaat selig. .. Wenn jemand sagt: ich stelle mir nach der Verwirklichung des Programms, nachdem die Lohnarbeit abgeschafft ist und die Ausbeutung der Menschen aufgehört hat, die Gesellschaft etwa so vor — nun gut! Gedanken sind zollfrei. Es sind eben Phantasiestücke und nichts weiter. In anderer Weise hat die Sozialdemokratie den Zukunftsstaat niemals aufgefaßt." Immerhin war die Sozialdemokratie selbst an der „Zukunftsstaatsfragerei" nicht ganz schuldlos, spielten doch Begriffe wie Volksstaat, Zukunftsstaat etc. in den Schriften ihrer Führer (auch Liebknechts) trotz aller theoretischen Vorbehalte offenbar mit Rücksicht auf die breite Masse ihrer Anhängerschaft eine nicht geringe Rolle, worin sich vor allem das Erbe Lassalles offenbarte, der ja gerade den Staat zum Träger der Sozialisierung hatte machen wollen.

Ferdinand Lassalle (1825— 1864), Theoretiker und erster Präsident des im Mai 1863 gegründeten „Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins", wollte die Befreiung des Arbeiterstandes durch die Aufhebung des „ehernen Lohn-gesetzes" erreichen, nachdem „der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt", während der überwiegende Teil des Arbeitsertrags den Unternehmern zufällt. Um dem Arbeiter den vollen Arbeitsertrag zu sichern, forderte er in Anlehnung an Louis Blanc, den „Arbeiterstand zu seinem eigenen Unternehmer zu machen", und zwar im Rahmen sogenannter Produktivassoziationen, die mit (vor allem finanzieller) Hilfe des Staates eingerichtet werden sollten. Lassalle war sich allerdings darüber im klaren, daß nicht die bestehende Regierung, sondern nur eine „aus dem allgemeinen und direkten Wahlrecht hervorgegangene" gesetzgebende Körperschaft dieser „Aufgabe des Staates" gerecht werden könnte, so daß die Forderung nach dem allgemeinen Wahlrecht in den Mittelpunkt seiner Agitation trat Diese Vorstellungen Lassalles fanden fast uneingeschränkt Eingang in das Gothaer Programm der „Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands", auf das sich die Lassalleaner und die von Marx her kommenden „Eisenacher" 1875 einigten und dessen Inhalt Lieb-knecht im Zentralorgan der „Eisenacher", dem „Volksstaat", auf die Formel brachte: „Unser Ziel ist: der freie Volksstaat mit ökonomischer und politischer Gleichberechtigung; die freie Gesellschaft mit genossenschaftlicher Arbeit.

Das Wohlergehen aller ist unser einziger Staats-und Gesellschaftszweck.“ Die weitgehende „Heiligsprechung der Lassalle’schen Glaubensartikel" (Marx), vor allem die übertriebene Fixierung auf den Begriff „Staat", riefen die heftigste Kritik von Marx und Engels schon am Programmentwurf hervor doch stießen sie damit bei ihren Anhängern auf taube Ohren, wofür sich etwa Liebknecht in seiner Begründung des ersten rein „marxistischen", des Erfurter Programms (1891), mit der Bemerkung rechtfertigte: „Hoch steht mir Marx, aber höher steht mir die Partei."

Der Zukunftsstaat als „notwendige, unvermeidliche Folge des kapitalistischen Gegenwartsstaates" (Liebknecht 1891) hat neben weniger bedeutenden Geistern auch Bebel und Kautsky dazu angeregt, unverbindliche und von einer aufgrund der zahlreichen technischen Erfindungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts nahezu unbegrenzten Fortschritts-gläubigkeit getragene „Phantasiestücke" zu liefern. Ihre Zukunftserwartungen unterschieden sich kaum von den Hoffnungen, die etwa die französischen Marxisten Jules Guesde (1845— 1922) und Paul Lafargue (1842— 1911) an die kommende Revolution knüpften während die englischen Sozialisten, wenn man einmal von William Morris'utopischem Roman „News from Nowhere" (1890) absieht, angesichts der mächtigen und ganz auf Reformen der bestehenden Verhältnisse ausgerichteten Gewerkschaftsbewegung, der sie sich schließlich in Gestalt der Labour Party (gegründet 1900) beugten, kaum der „Zukunftsstaatsmalerei" gehuldigt haben.

In Deutschland erwies sich vor allem August Bebel (1840— 1913) in seinem Buch „Die Frau und der. Sozialismus" als ein aus-gezeichneter Kenner der „märchenhaften Aussichten", die Elektrizität und Chemie zu eröffnen schienen. Nur noch Großbetriebe, und zwar in der Industrie wie in der Landwirtschaft, waren seiner Meinung nach in der Lage, durch „umfassende Anwendung. . .der vollkommensten Maschinen und Werkzeuge, weitgehende Arbeitsteilung und geschickte Kombination der Arbeitskräfte" eine solche Steigerung der Arbeitsproduktivität herbeizuführen, daß sowohl die Arbeitszeit wesentlich verkürzt als auch die Befriedigung aller Bedürfnisse möglich wird. Da das Geld entfallen und jeder entsprechend seiner Leistung nicht mehr Waren, sondern Gebrauchsgegenstände erhalten würde, d. h., bei größeren Bedürfnissen also entsprechend mehr arbeiten müßte, war eine „alle Tätigkeitsgebiete der Gesellschaft" umfassende Verwaltung erforderlich, der mit Hilfe der Statistik Feststellung und Einsatz der Kräfte, Kontrolle der Leistung, Vorausberechnung der Bedürfnisse etc. obliegen sollte. Wie Engels verband auch Bebel das Bekenntnis zum Zentralismus mit der Absage an den Staat, der mit seinem politischen Apparat, dem stehenden Heer, der Polizei und den Gerichten überflüssig und durch reine Verwaltungskollegien ersetzt werden würde, die den ganzen Produktions-und Distributionsprozeß zu überwachen hätten. Eine besondere Rolle fiel dabei der Vergesellschaftung der Verkehrsmittel zu, denn ein „aufs höchste vervollkommnetes Kommunikationssystem" würde die „Dezentralisierung der gegenwärtig in den Großstädten und Industriezentren aufgehäuften Menschenmassen über das ganze Land begünstigen", wobei sogenannte Gartenstädte auf dem Lande die gleichen Annehmlichkeiten des Lebens bieten würden wie die Städte. Trat aber die Sicherung des Lebensunterhaltes als Zweck des Lebens in den Hintergrund, dann erschien Bebel die allseitige Entwicklung der menschlichen Persönlichkeit gewährleistet, so daß schließlich jeder auf allen Gebieten tätig werden könne, besonders auch im Bereich der Kunst und Literatur, wo übrigens volle Meinungsfreiheit herrschen sollte..

Wie Engels erwartete auch Bebel als Ergebnis einer „maximalen Moralisierung" des Menschen die uneingeschränkte Beachtung des Grundsatzes: „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg'auch keinem andern zu." Die Religion als Stimulans zur Einhaltung solcher Leitsätze erklärte er für überflüssig, denn „die Überzeugung, daß der Himmel auf Erden ist und gestorben sein zu Ende sein heißt, wird die Menschen veranlassen, vernünftig zu leben" Diesen reichlich hausbackenen Erwartungen Bebels entsprach auch das, was er über die Emanzipation der Frau, die technische „Revolution im gesamten häuslichen Leben" mit wissenschaftlich arbeitenden „Zentralnahrungsbereitungsanstalten" etc., über die Ehe als „Privatvertrag ohne Dazwischentreten eines Funktionärs", über die schließliche Verbrüderung und Föderation aller Völker der Erde und den darauffolgenden ewigen Frieden zu sagen hatte, und er relativierte am Ende seine Erklärungen selbst mit dem Hinweis, daß es sich bei der Verwirklichung des Sozialismus doch in erster Linie um ein „naturgeschichtliches Werden" handelt

Auch nach Karl Kautskys (1854— 1938) Meinung forderte die ökonomische Entwicklung die genossenschaftliche, die „kommunistische oder, wie man heute sagt, sozialistische Produktion", in der an die Stelle der Warenproduktion für den Verkauf die Produktion für den Selbst-bedarf tritt. In seinem Kommentar zum Erfurter Programm (1891) der lange Zeit die Rolle eines politischen Katechismus spielte und bezeichnenderweise auch ein Kapitel über den „Zukunftsstaat" enthielt, vertrat Kautsky die Auffassung, daß als Rahmen einer solchen sozialistischen Genossenschaft heute nur noch der Staat denkbar sei, der dann mehr oder weniger autark sein werde. Die sich daraus ergebende Frage nach dem „Sozialismus in einem Land" oder dem „isolierten sozialistischen Staat" , wie man es damals nannte, ist zwar erst in der Sowjetunion in den zwanziger Jahren unseres Jahrhunderts akut geworden, aber sie hat die Gemüter schon in den siebziger Jahren des 19. Jahrhunderts bewegt. „Reformisten" wie etwa Georg von Vollmar waren schon damals der Meinung, „daß der endgültige Sieg des Sozialismus in vorerst nur einem einzelnen Staat nicht nur historisch wahrscheinlicher sei, sondern daß auch der Existenz und Prosperität des isolierten sozialistischen Staates nichts im Wege stehe" Wenn Kautsky und seine Freunde auch daran festhielten, daß der Sieg des Sozialismus zumindest in mehreren Ländern gleichzeitig erfolgen werde, so reichten doch auch ihre Voraussagen kaum über die Sozialisierung des eigenen Staates hinaus. Die in ihm zu verwirklichende sozialistische Gesellschaft sollte ein „einziger, riesiger industrieller Betrieb" mit planmäßiger Produktion und Verteilungsformen sein, die im Sinne der allmählichen Steigerung der Arbeitsproduktivität zunächst „eine Fortentwicklung der heute bestehenden Lohnformen darstellen", deren Endziel aber der Grundsatz „Jedem nach seinen Bedürfnissen" sei Dem „Kommunismus in der materiellen Produktion" stellte Kautsky allerdings den „Anarchismus in der geistigen" gegenüber, da, wie er mit Recht bemerkte, deren Existenz sonst bedroht sein könnte Wichtiger aber war der Hinweis Kautskys auf die mit der vollständigen Planung der Produktion und Konsumtion verbundene Aufhebung der freien Wahl des Arbeitsplatzes, die den Vorstellungen von Marx, Engels, Bebel u. a. von der vollständigen Entfaltung aller menschlichen Fähigkeiten widersprach, doch schränkte Kautsky seine abweichende Meinung mit der Bemerkung ein, daß es ja nicht um die Freiheit der Arbeit, sondern um die Freiheit von der Arbeit gehe Als Ergebnis des Sozialismus erwartete jedenfalls auch er „einen höheren Typus des Menschen", „einen Übermensch, wenn man will, aber nicht als Ausnahme, sondern als Regel . . ." Gerade mit solchen Zukunftsvorstellungen und dem trotz ihrer reformistischen Praxis in der Sozialdemokratie noch weitverbreiteten Glauben an die wundertätige Wirkung einer Revolution wollten der „Revisionist" Eduard Bernstein (1850— 1932) und seine Anhänger aufräumen die unter Sozialismus die „Bewegung zur oder den Zustand der genossenschaftlichen Gesellschaftsordnung" verstanden und ein eindeutiges Bekenntnis zur Demokratie als „Mittel der Erkämpfung des Sozialismus" und als der „Form der Verwirklichung des Sozialismus" ablegten. Bernsteins gelegentliche Bemerkung, daß „ein Irrtum nicht dadurch der Forterhaltung wert wird, daß Marx und Engels ihn einmal geteilt haben", richtete sich vor allem gegen deren „Utopisterei", daß heißt ihre Prognosen über die weitere Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft, die Auswirkungen der kommenden Revolution sowie die Notwendigkeit einer Diktatur des Proletariats, die nach seiner Ansicht überholten Verhältnissen entstammten. Eine ähnliche Auffassung vertrat in Frankreich Jean Jaures (1859— 1914), der ebenfalls die „declamatorischen Gewalt-phasen" und die „halb mystische Erwartung einer rettenden Katastrophe" zugunsten einer „revolutionären Evolution" verwarf, die darin bestehen sollte, „in die heutige Gesellschaft Eigentumsformen einzuführen, die ihr widersprechen und über ihren Rahmen hinausgehen, die die neue Gesellschaft ankündigen und vorbereiten und durch ihre organische Kraft die Auflösung der alten Welt beschleunigen"

Jaures und Bernstein schien es daher an der Zeit, daß der Marxismus den Blanquismus nicht nur hinsichtlich der Methode, des „Putsches", sondern vor allem hinsichtlich der „Überschätzung der schöpferischen Kraft der revolutionären Gewalt für die sozialistische Umgestaltung der modernen Gesellschaft" überwinde. In diesem Sinne hat Edmund Fischer in den „Sozialistischen Monatsheften", von Kautsky gelegentlich auch „hochwissenschaftliches Monatsheft für 14tätige Verhunzung des Sozialismus" genannt, 1910 in etwas überspitzter Form den Revisionisums in seinen verschiedenen Zweigen viel weniger einen Konflikt mit der marxistischen Lehre als mit den Überresten des utopischen kommunistischen Denkens genannt Er verband damit die Feststellung, daß in den zehn Jahren der „Revisionismus" -Diskussion „im Sprachgebrauch die Bezeichnung Kommunismus für Sozialismus auch innerhalb der sozialistischen Bewegung so ziemlich verschwunden" sei, und schloß daraus, daß der Begriff Sozialismus im Sinne der Demokratisierung und Sozialisierung der vorhandenen, der bürgerlichen Gesellschaft, eine starke Umwandlung erfahren habe: „Der Kommunismus als ein Zustand mit einem allen Gesellschaftsmitgliedern gemeinsamen Besitz, dem gleichen Anrecht an allen Gütern und der völligen wirtschaftlichen Gleichheit ist bisher nur als ein gesellschaftliches Ideal in die Erscheinung getreten. Mit diesem Ideal ist das des modernen Sozialismus aber nicht mehr identisch. . . Der moderne Sozialismus ist keine Sache der Zukunft, son-dem der Gegenwart. Und sozialistische Formen sind in ihren Anfängen bereits da." Von diesem Bekenntnis ist die weitere Geschichte der nicht vom Leninismus erfaßten, vorwiegend westeuropäischen sozialistischen bzw. sozialdemokratischen Parteien geprägt worworden. Sie wurden, sofern sie es, wie etwa die britische Labour-Party, nicht ohnehin schon waren, spätestens nach dem Ersten Weltkrieg im Sinne Bernsteins „demokratisch-sozialistische Reformparteien", b) Kommunistischer Anarchismus Nirgends aber galt der Glaube an die schöpferische Kraft der revolutionären Gewalt unbestrittener als unter den Anarchisten, die „jeglicher Regiererei, Staatlerei, über-und Unterordnung, kurz jedweder Herrschaft und dazugehöriger Knechtschaft" (Johannes Most) den Kampf angesagt hatten. Für die staatenlose Zukunft erwartete der kollektivistische Flügel der Anarchisten, allen voran M. A. Bakunin (1814— 1876), die Bildung freier industrieller und landwirtschaftlicher Assoziationen auf der Grundlage der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, wobei die Art der Verteilung im Belieben der jeweiligen Assoziation stehen sollte. Bakunin und seine Anhänger bezeichneten sich ausdrücklich als Kollektivisten und nicht als Kommunisten, da sie ebenso wie Proudhon dem Kommunismus autoritäre Tendenzen vorwarfen, was sich zu Bakunins Zeiten gegen Marx und später vor allem gegen die deutschen Sozialdemokraten richtete Da der Begriff „Kollektivismus" aber im französischen Sprachgebrauch der siebziger Jahre zum Synonym für ein System mit individueller Verteilung der Arbeitsprodukte wurde, führende Anarchisten wie Carlo Cafiero, Errico Malatesta, Elisee Reclus und Peter Kropotkin aber zu der Überzeugung gekommen waren, daß die Berechnung des Tauschwertes der Güter sowie der geleisteten Arbeitszeit doch wieder zu übergeordneten Autoritäten führen werde und daß Freiheit und Gleichheit nur bei voller Gütergemeinschaft gesichert seien, begann man, im kommunistischen Grundsatz „Jedem nach seinen Bedürfnissen" das einzige, dem Anarchismus entsprechende Verteilungsprinzip zu sehen. Der Jurakongreß in La Chaux-de-Fonds proklamierte daher im Oktober 1880 den „kommunistischen Anarchismus", dessen bedeutendster Theoretiker P. Kropotkin (1842— 1921) wurde. Er und seine Anhänger waren die einzigen, die von der Mitte der siebziger Jahre bis zum Ersten Weltkrieg (und darüber hinaus) konsequent vom Kommunismus im Sinne vollständiger Gütergemeinschaft gesprochen und ihn immer wieder gegen andere, gelegentlich mit dem gleichen Namen bezeichnete Erscheinungen abgegrenzt haben: „Unser Kommunismus ist nicht derjenige der Phalansterien [Fouriers], noch derjenige der autoritären deutschen Theoretiker. Er ist der anarchistische Kommunismus, der Kommunismus ohne Regierung — derjenige freier Menschen." Anarchie und Kommunismus, „synonym mit Freiheit und Gleichheit", erschienen ihren Anhängern jetzt als „notwendige und untrennbare Ausdrucksformen der Revolution" als deren Ziel die russische anarchistische Zeitschrift „Chleb i Volja" 1905 „die vollständige Vernichtung des Kapitalismus und des Staates und ihre Ersetzung durch den anarchistischen Kommunismus" nannte

Der Auffassung Kropotkins, daß die allgemeine Entwicklung der Menschheit zum Kommunismus im Sinne der Güterverteilung nach dem Bedürfnisprinzip führe, entsprach seine Über-zeugung, daß der Kommunismus nur in Verbindung mit der Anarchie den Menschen wahre Freiheit bringen könne Zur Vermeidung mehr oder weniger autoritärer übergangsformen forderte er den sofortigen Durchbruch zum staatenlosen Kommunismus, wobei er sich allerdings die Struktur der zukünftigen Gesellschaft als etwas vorstellte, „was niemals endgültig konstituiert ist". In zahlreichen Aufsätzen, vor allem in seinem wohl am meisten verbreiteten Buch „La conquete du pain" zeichnete er jedoch Umrisse der „neuen Gesellschaft", in der sich völlig freie und gleiche Mitglieder freiwillig zu einer Vielheit von „Assoziationen, . . . Gewerbebünden und Konsumgemeinden", gelegentlich auch Kommunen ge-nannt, zusammenschließen, die in ihrer Zusammensetzung ständig wechseln und in denen das Prinzip der gegenseitigen Hilfe oberstes Gesetz sein sollte. Diese Kommunen bilden ihrerseits wieder ohne Rücksicht auf nationale Zugehörigkeit größere Föderationen, in denen nach dem Vorbild des Internationalen Postvereins, der Vereinigung der Eisenbahnen oder wissenschaftlicher Gesellschaften alles „auf dem Wege der freien Vereinbarung an Stelle des Gesetzes" geregelt wird. Das Recht des Arbeiters auf sein Produkt wird durch das Recht eines jeden auf eine menschenwürdige Existenz abgelöst, wobei jeder produzieren und konsumieren kann, was er will. Sofern sich aber jemand weigern sollte, überhaupt etwas zu produzieren, empfahl Kropotkin der Gesellschaft, ihren Vertrag mit diesem Mitglied als gelöst zu betrachten und es seinem Schicksal zu überlassen. Nicht nur hier zeigte sich deutlich, wie leicht sich der freiwillige Vertrag mit der Gesellschaft in Macht der Gesellschaft über den Menschen verwandelte, denn ein Ausweg aus der menschlichen Gesellschaft war ja auch für die Zukunft nicht zu erwarten. Doch ist diese kommunistisch-anarchistische Vision einer von Föderationen und Konföderationen gebildeten „grandiosen Gesellschaft allmenschlicher Harmonie" (Nestor Machno) bis heute ein wesentlicher Bestandteil anarchistischer Programmatik geblieben c) Rußland Die russische vormarxistische revolutionäre Bewegung stand von den vierziger Jahren bis in die achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts fast ganz im Zeichen der Weiterentwicklung früh -sozialistischer Ideen, vor allem Fouriers und Proudhons, deren friedliche Reformpläne allerdings in Rußland von Anfang an mit der Forderung nach der Revolution verbunden wurden, da die Intelligencija der Überzeugung war, daß die russischen Verhältnisse eine friedliche Lösung der sozialen Frage ohne vorherige revolutionäre Umgestaltung der politischen Verhältnisse nicht zuließen. Im Sinne der Lehre Fouriers, wonach eine Neuordnung der Gesellschaft bei einer besseren Organisation der Gemeinde ansetzen müsse, und in ihrer Begeisterung für seine Phalansterien interessierten sich schon die Anhänger M. V. Butasevic-Petrasevskijs in den vierziger Jahren für die russische Dorfgemeinde (mir oder obscina).

Diese Verbindung von westierischem Sozialismus mit slavophiler Bewunderung für die bäuerliche Dorfgemeinschaft hat dann allerdings erst Alexander Herzen (1812— 1870) in weiteren Kreisen der radikalen Intelligencija populär gemacht. Sein „russischer Sozialismus"

sollte in erster Linie eine Verbindung der in der russischen Dorfgemeinschaft verkörperten Gleichheit mit dem vom Westen übernommenen Prinzip der Achtung vor der Würde des einzelnen sein Im Gegensatz zu Herzen, der sich revolutionären Bestrebungen gegenüber ambivalent verhielt, sah N. G. ernysevskij (1828— 1889) in einer erfolgreichen Revolution die einzige Chance für eine Verwirklichung des „russischen Sozialismus", und vor allem von ihm haben dann die Narodniki diese Idee übernommen. Auch die Tatsache, daß der bedeutende Jurist B. N. Cicerin 1856 nachwies, daß es sich bei der obscina nicht um eine uralte slavische Erscheinung, eine Art konserviertem „Urkommunismus", sondern eine vorwiegend fiskalisch motivierte Einrichtung der Behörden des Moskauer Staates handelte, beeindruckte Cernysevskij kaum, da er nur an der Frage interessiert war, ob die obscina zur Weiterentwicklung in sozialistisch-kommunistischen Bahnen geeignet sei. Er bejahte diese Frage, sofern dem Kapitalismus nicht Gelegenheit gegeben werde, diese Wurzeln des Sozialismus in Rußland zu zerstören, d. h., wenn Rußland den Kapitalismus überspringen und zum Sozialismus gelangen ernysevskijs könnte, eigene Vorstellungen von der sozialistischen Gesellschaft entsprachen mit geringen Abweichungen dem Phalansterium-Ideal Fouriers, das er in seinem Roman „Was tun?" (1862/63) eindrucksvoll geschildert hat Das gleiche Ideal vertrat auch der weniger bekannte Petersburger Anwalt V. I. Taneev in seinem 1879 geschriebenen, aber erst 1959 veröffentlichten Traktat „Die kommunistischen Staaten der Zukunft", in dem außerdem die Föderationspläne Proudhons eine große Rolle spielten

Der Zug zum Anarchismus war für die ganze Narodniki-Bewegung der siebziger Jahre cha-rakteristisch. Sie bekannte sich zur föderalistischen Internationale Bakunins und bezeichnete „Anarchie und Kollektivismus" als ihr letztes politisches und ökonomisches Ideal Einer ihrer geistigen Führer, P. L. Lavrov (1823 bis 1900), schrieb 1873 in der Zeitschrift „Vpered": „In der Erweiterung des autonomen Prinzips in kleinen Gruppen von Kommunen und freien Vereinigungen auf Kosten des zentralistischen Prinzips der gegenwärtigen Staaten ist unserer Meinung nach der politische Fortschritt der Menschheit beschlossen" Er forderte in diesem Sinne Volksföderationen von bäuerlichen Gemeinden und handwerklichen Assoziationen (Arteli) zum gemeinsamen Aufbau der sozialistischen Gesellschaft, die von Gemeinschaftseigentum, allgemeiner Arbeit und Solidarität ihrer Mitglieder geprägt sein sollte In ähnlichem Sinne sah auch P. N. Tkacev (1844— 1886) in der obscina den Ansatzpunkt für die Verwirklichung „kommunistischer Prinzipien", und er wurde nicht müde, angesichts der seit der Bauernbefreiung (1861) fortschreitenden Zersetzung der Dorfgemeinde eine sofortige Revolution zu verlangen, mit deren Hilfe diesem Auflösungsprozeß Einhalt geboten und dem russischen Volk seine vom kapitalistischen Eigentumsbegriff bedrohte „instinktiv, traditionel? kommunistische" Einstellung erhalten werden sollte. Da das Volk aber offenbar seine Scheu vor der Revolution nicht überwinden konnte, forderte Tkacev die revolutionäre Minderheit dazu auf, das Volk mit dessen Hilfe von den herrschenden Mächten zu befreien, um dann kraft ihrer Autorität „in die Verhältnisse des Volkslebens neue, fortschrittlich kommunistische Elemente" einzuführen

Dieser Glaube an die Dorfgemeinde als „Stützpunkt der sozialen Wiedergeburt Rußlands“ wurde von Marx zwar 1881 in seinem Brief an Vera Zasulic unter der Voraussetzung gebilligt, daß „man zuerst die zerstörenden Einflüsse, die von allen Seiten auf sie einstürmen, beseitigen müßte" doch waren seine russischen Erben, vor allem G. V. Plechanov (1856— 1918), zur gleichen Zeit in der Schweiz bereits dabei, die „zerstörenden Einflüsse", d. h.den Kapitalismus in Rußland, für so stark zu erklären, daß alle Hoffnungen auf eine Rettung oder gar sozialistische Transformation der Dorfgemeinde illusionär seien. V. M. Cernov (1873— 1952), der führende Theoretiker der Sozialrevolutionäre (Parteigründung 1902), war aber noch 1906 davon überzeugt, daß der Kapitalismus in Rußland ohne die Hilfe des autokratischen Regimes zusammenbrechen werde und daß, wenn man den Bauern nach der Sozialisierung und anschließenden Verteilung des Bodens freie und kollektive Nutzung zur Wahl stelle, eine kollektiv arbeitende Landwirtschaft ohne Anwendung von Gewalt verwirklicht werden könnte. Doch dürfte nicht diese Zukunftsperspektive, sondern das Versprechen, das Land unter die Bauern verteilen zu wollen, den Sozialrevolutionären in der Verfassunggebenden Versammlung von 1918 zur absoluten Mehrheit verhülfen haben. Plechanov vertrat demgegenüber in seiner Auseinandersetzung mit den Narodniki der achtziger Jahre die Auffassung, daß die obscina sich auflösen und die Landwirtschaft sich zunehmend in großen, mechanisierten kapitalistischen Unternehmen konzentrieren werde, was ein wachsendes ländliches Proletariat und also die gleiche Entwicklung wie auf dem industriellen Sektor zur Folge haben werde. Er lehnte jede Hoffnung auf ein überspringen des Kapitalismus ab und hielt sich hinsichtlich seiner Zukunftserwartungen an die Vorstellungen der von Marx und Engels beeinflußten westeuropäischen sozialistischen Parteien. Wie stark der Sozialismus aber unter seinen russischen Anhängern noch utopisch gefärbt war, davon zeugt ein Brief P. B. Aksel’rods, in dem er am 5. Februar 1898 gegenüber Plechanov einerseits betonte, wie sehr er sich in seinem persönlichen Glauben an den „endlosen Fortschritt der menschlichen Gattung" und den schließlich, „nach Tausenden von Jahren", erscheinenden „Übermenschen" von Bernsteins eben veröffentlichten Thesen provoziert fühlte, in dem er aber andererseits ein Bernstein nur in der Form der Aussage widersprechendes Bekenntnis zum Evolutionismus ablegte. Er bezeichnete seinen Glauben als „eine Art religiösen Gefühls", das der Größe der selbstgewählten Aufgabe entsprach: „Wenn es keinen Gott gibt, der das Weltall geschaffen hat, — und Preis sei ihm, daß er nicht existiert, denn den Königen können wir wenigstens den Kopf abhauen, aber gegen einen despotischen Jehova wären wir völlig machtlos —, so wollen wir das Erscheinen einer Art von Göttern vorbereiten, von Wesen, allmächtig durch Vernunft und Willenskraft, fähig, Erkenntnis und Selbsterkenntnis zu genießen, und mit ihrem Geist die Welt zu umfassen und zu beherrschen — dies ist die psychologische Grundlage aller meiner geistigen und sozialen Bestrebungen, aller meiner Gedanken und Handlungen ..

IV. Der Kommunismusbegriff im Marxismus-Leninismus

Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs zerfiel die II. Internationale, da sich die sozialistischen Parteien der kriegführenden Mächte fast ausnahmslos hinter die nationale Politik ihrer Regierungen stellten. Zu den Häuptern jener kleinen Gruppe von Sozialisten, die von Anfang an einen „Burgfrieden" abgelehnt hatten, gehörte auch der Führer der russischen Bolschewiki, V. I. Lenin (1870— 1924). Schon vor den Ereignissen von 1914 hatte er die „reformistische" Politik der westeuropäischen Sozialisten mit Mißtrauen betrachtet, da er der Überzeugung war, daß der Übergang vom Kapitalismus zum Sozialismus nur durch eine Revolution eingeleitet werden könne. Die Doppelsinnigkeit des Revolutionsbegriffs von Marx und Engels, die bald von der Revolution im aktivistischen, voluntaristischen Sinne als gewaltsamer Umformung der Gesellschaft sprachen, bald (vor allem in ihren späteren Jahren) die Umwälzung in den historischen Prozeß selbst verlegten, erleichterte es Lenin, die Tradition der russischen revolutionären Bewegung, in der die Revolution als eine Art religiöses Prinzip galt und von einer revolutionären Minderheit (Intelligencija) im Interesse des Volkes vorbereitet wurde, mit dem Marxismus zu verbinden. In diesem Sinne forderte er auch die Arbeiter der kriegführenden Mächte auf, den imperialistischen Krieg in einen Bürgerkrieg zu verwandeln, um so nicht nur dem Krieg, sondern auch der Herrschaft der Bourgeoisie ein Ende zu bereiten. Auf den Zusammenkünften von Kiental und Zimmer-wald konstituierte sich unter seiner Führung jener radikale Flügel der internationalen Arbeiterbewegung, aus dem die kommunistischen Parteien und die Komintern hervorgegangen sind.

Lenin wählte bereits 1915 für eine von ihm, Bucharin und Pjatakov in Genf herausgegebene Zeitschrift den Namen „Kommunist" und im April 1917 schlug er definitiv vor, die Partei möge sich „Kommunistische Partei" nennen und damit dokumentieren, daß sie im Gegensatz zur Sozialdemokratie auf dem Boden des „Kommunistischen Manifests“ stehe.

Gleichzeitig erklärte er den Namen „Sozialdemokratie" für unwissenschaftlich, da vor allem die Betonung des Wortes Demokratie den Eindruck erwecke, als seien die Marxisten für eine parlamentarische Demokratie, während doch die Diktatur des Proletariats die einzig richtige Form des Staates auf seinem Weg zum endgültigen Absterben sei Die Grundsätze seiner Formationstheorie hat Lenin dann im August 1917 in „Staat und Revolution" näher ausgeführt. In Anlehnung an Marx’ „Kritik des Gothaer Programms" (1875), in der dieser zwischen einer niederen und einer höheren Stufe des Kommunismus unterschieden hatte, bezeichnete Lenin nun die niedere Stufe als Sozialismus, der im Zeichen der Diktatur des Proletariats, der Vergesellschaftung der Produktionsmittel und der Verteilung nach dem Leistungsprinzip stehen werde. Er warf den Führern der II. Internationale vor, beim Sozialismus Halt gemacht und den Kommunismus, der durch das Absterben des Staates und eine Verteilung nach dem Bedürfnisprinzip charakterisiert sei, völlig aus den Augen ver-loren zu haben Allerdings hatte Lenin nach der Oktoberrevolution selbst Gelegenheit festzustellen, wie schnell man sich in der politischen Praxis von solchen Idealvorstellungen entfernt. Hatte er z. B. die Sowjetordnung noch im Januar 1918 eine Organisation der Staatsmacht genannt, die klar den Übergang zur völligen Aufhebung jeder Staatsmacht zeige so betonte er im April 1920, daß sich die staatlichen Unterschiede, das heißt also auch der Staat selbst, „noch sehr sehr lange halten werde, sogar über die Verwirklichung der Diktatur des Proletariats im Weltmaßstab hinaus"

Wer sich im Sinne der revolutionären Ideale gegen die Diktatur Lenins und die Allmacht des Staates zu wenden wagte, wie etwa die sogenannte Arbeiteropposition und ihr verwandte Gruppen der zwanziger Jahre, die die Leitung nicht nur der Produktion, sondern des gesamten Staatsapparats durch die Volksmassen bzw.deren gewählte Vertreter forderten, wurde mundtot gemacht Als der „Kriegskommunismus" 1921 katastrophale Folgen bewirkte und durch die Neue ökonomische Politik ersetzt wurde, hieß es kurz und bündig, daß der Aufbau des Kommunismus auch auf dem Weg über den Staatskapitalismus möglich sei Lenin reagierte also auf den Zwang zur Anpassung seines „Marxismus" an die tatsächlichen Verhältnisse noch wesentlich radikaler als die von ihm geschmähten Führer der II. Internationale. Max Adler stellte deshalb 1919 sicher mit Recht fest, daß zwischen revolutionären Sozialdemokraten und Kommunisten „nicht die Frage des Kommunismus [als Zielvorstellung] das Trennende ist, sondern der ganze Komplex von taktischen Problemen, der eben den Bolschewismus ausmacht"

Als die Bolschewik! auf dem VII. Parteitag (März 1918) ihren alten Namen „Russische Sozialdemokratische Arbeiterpartei (Bolschewiki)" durch „Russische 'Kommunistische Partei (Bolschewiki)“ ersetzten, verlangte Bucharin in der dem Beschluß vorangehenden Diskussion, man möge gleichzeitig auch das Parteiprogramm um einen Passus erweitern, in dem die von der Partei angestrebte kommunistische Gesellschaft näher skizziert würde. Lenin wies dieses Ansinnen zurück. Wenn man die „sozialistische Gesellschaft in entfalteter Form, das heißt den Kommunismus" charakterisieren wolle, dann „kann man sich da nichts anderes ausdenken, als daß der Grundsatz verwirklicht wird: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. ’ Bis dahin ist es aber noch weit, und das sagen, heißt nichts weiter sagen, als daß der Boden unter unseren Füßen noch nicht fest ist." Aus gelegentlichen Andeutungen Lenins geht hervor, daß er mit der kommunistischen Gesellschaft im wesentlichen die seit Marx und Engels üblichen Vorstellungen verband, jede nähere Voraussage aber für eine „Verletzung der historischen Perspektive" hielt. Der Name „Kommunistische Partei" besagte seiner Meinung nach nur, „daß wir den vollen Kommunismus wollen", und er empfahl seinen Anhängern im übrigen, das Wort „Kommunismus" nur mit größter Vorsicht zu gebrauchen, da sonst zu leicht der Eindruck entstehen könnte, als ob die kommunistische Ordnung bereits existiere, während sich bisher doch allein in der „winzigen Erscheinung" der Subbotniks „etwas Kommunistisches gezeigt" habe, das heißt in der Bewegung jener Arbeiter, die sich an Samstagen zu Überstunden bereit erklärten und damit „die bewußte und freiwillige Initiative der Arbeiter bei der Entwicklung der Arbeitsproduktivität, beim Übergang zu einer neuen Arbeitsdisziplin, bei der Schaffung sozialistischer Wirtschafts-und Lebensbedingungen" demonstrierten Daß er in der vollständigen Ausnutzung des technischen Fortschritts eine der wesentlichsten Voraussetzungen für die ständige Erhöhung der Produktion und damit für die Annäherung an den Kommunismus erblickte, bewies seine mehrfach wiederholte Formel: „Kommunismus — das ist Sowjetmacht plus Elektrifizierung des ganzen Landes." Er forderte deshalb nicht nur „Erziehung zur kommunistischen Moral", als deren Grundlage er die „Festigung und Vollendung des Kommunismus" bezeichnete, sondern auch eine umfassende technische Aus-bildung der Jugend, und meinte 1920 in einer Rede vor dem Jugendverband: „Die Generation, die jetzt fünfzehn Jahre alt ist, wird die kommunistische Gesellschaft erleben und selbst diese Gesellschaft aufbauen." Das widersprach zwar anderen Feststellungen aus seinem Munde, aber Chruev mag sich dieser Prophezeiung erinnert haben, als er sich auf dem XXL Parteitag gerade auf das Jahr 1980 festlegte.

Nachdem A. A. Bogdanov bereits 1907 in dem auf dem Planeten Mars spielenden utopischen Roman „Krasnaja Zvezda" das Bild einer optimal funktionierenden „Zentralverwaltungswirtschaft" entworfen hatte und Trockij sich über die kommunistische Gesellschaft nur gelegentlich im Sinne der immer wiederkehrenden Erwartung eines „Übermenschen" geäußert hatte, dessen durchschnittliches Niveau dem eines Aristoteles, Goethe und Marx entsprechen werde war N. I. Bucharin (1888 bis 1938) der einzige Sowjetführer, der sich vor Chruscev näher mit der kommunistischen Zukunft befaßt hat. Er stellte sich die ganze kommunistische Gesellschaft als eine „ungeheure Arbeitsgenossenschaft" vor, in der alle Mitglieder gleich sind und in der sich alle nach einem „ausgearbeiteten und berechneten Arbeitsplan" richten: „Das statistische Zentralbüro rechnet aus, wieviel Stiefel, Beinkleider, Wurst, Wichse, Weizen, Leinwand usw. im Laufe des Jahres produziert werden muß; es rechnet aus, welche Zahl von Genossen dazu auf den Feldern, in den Wurstfabriken, in den großen öffentlichen Schneiderwerkstätten arbeiten müssen — und in entsprechender Weise werden nun die Arbeitshände verteilt;"

Ebenso wie die Produktion werden auch die alljährlichen Bedürfnisse der Gesellschaft berechnet, alle Produkte in „gesellschaftlichen Vorratshäusern" gespeichert und von dort aus an die Arbeiter verteilt, zunächst nach Leistung und schließlich nach den Bedürfnissen. Als Ergebnis der totalen Planung und der „zentralisierten Produktion in Großbetrieben" sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft („landwirtschaftliche Arbeitskommunen") rechnete er mit einer den Erfordernissen der kommunistischen Gesellschaft entsprechenden Überproduktion. Für die vollstän-dige Gleichheit aller Menschen war seiner Meinung nach aber nicht nur die ökonomische, sondern auch die kulturelle Gleichheit notwendig. Auch hier zeigte er sich optimistisch, denn die enorme Steigerung der Produktivkräfte werde es den Menschen erlauben, einen ständig zunehmenden Teil der Zeit ihrer geistigen Entwicklung zu widmen. Nach zwei bis drei Generationen „sozialistischer Menschen" (später sprach er von einem längeren Zeitraum), werde auch die Diktatur des Proletariats „ohne jede Revolution in den Kommunismus übergehen", das heißt, der Staat und mit ihm die ständige Beamtenschaft werden verschwinden

Auf die Frage, wer dann den ganzen Riesenmechanismus von Planung und Organisation aufrechterhalten bzw. überwachen werde, versicherte Bucharin, daß es 1. in der neuen Gesellschaft nur noch um die „Macht über die Maschinen, nicht aber über die Menschen" geht, und daß 2. die „Inkompetenz der Masse" dank völlig anderer Bildungsverhältnisse verschwinden und eine „kolossale Überproduktion von Organisatoren" die bisherige Stabilität der Bürokratie brechen werde Sobald das Bildungsmonopol aufgehoben sei und jeder Mensch „wenigstens in den Grundzügen alle Berufe kennt" werde auch die Masse aufhören, Masse zu sein, und sich in eine „Gesellschaft hochkultivierter Menschen" verwandeln. Im Gegensatz zu diesem Versuch, das überlieferte Gerippe kommunistischer Zukunftsvorstellungen mit Fleisch und Blut zu umgeben, begnügte sich I. V. Stalin (1879— 1953) mit der alten Schablone, als er am 9. September 1927 der Ersten Amerikanischen Arbeiterdelegation unter Berufungen auf Marx, Engels und Lenin mit dürren Worten erklärte: „Will man in Kürze die Anatomie der kommunistischen Gesellschaft skizzieren, so wird das eine Gesellschaft sein: a) in der es kein Privateigentum an Produktionsinstrumenten und -mitteln, sondern nur gesellschaftliches, kollektives Eigentum an ihnen geben wird; b) in der es keine Klassen und keine Staatsmacht, sondern Arbeiter der Industrie und Landwirtschaft geben wird, die sich als freie Assoziation der Werktätigen wirtschaftlich selbst verwalten werden; c) in der die Volkswirtschaft, nach einem Plan organisiert, auf der höchst entwickelten Technik sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft basieren wird; d) in der es keinen Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft geben wird; e) in der man die Produkte nach dem Prinzip der alten französischen Kommunisten verteilen wird: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen'; f) in der Wissenschaft und Kunst sich unter so günstigen Verhältnissen entwickeln werden, daß sie zur vollen Blüte gelangen; g) in der die Persönlichkeit, befreit von der Sorge um das Stück Brot und von der Notwendigkeit, sich den . Mächtigen dieser Welt'anzupassen, wirklich frei sein wird. Und so weiter und so fort. Es ist klar, daß wir von einer solchen Gesellschaft noch weit entfernt sind."

Während aber für Lenin der vollendete Sozialismus mit dem Kommunismus identisch war, erweiterten seine Nachfolger die Formationstheorie um mehrere Zwischenstufen. Nachdem der 1. Fünf jahresplan die „materiell-technische Basis des Sozialismus" geschaffen hatte, erklärte Stalin 1936, daß „der Sozialismus im wesentlichen schon verwirklicht, die sozialistische Gesellschaft errichtet" sei und der XVIII. Parteikongreß verkündete im März 1939 als Ziel des 3. Fünfjahresplanes (1938— 1942) die „Vollendung des Aufbaus der klassenlosen sozialistischen Gesellschaft und den allmählichen Übergang vom Sozialismus zum Kommunismus" Nach Krieg und Wiederaufbau wurde diese Zielsetzung 1952 nochmals in ähnlicher Form wiederholt und erst 1958/1959 war vom „vollständigen und endgültigen Sieg des Sozialismus" die Rede Auf dem im Januar 1959 abgehaltenen XXL Parteitag verkündete N. S. Chruev den Anbruch der Epoche des Kommunismus, „die Periode des entfalteten Aufbaus der kommunistischen Gesellschaft", als deren Hauptaufgabe er die Schaf-fung der materiell-technischen Basis des Kommunismus bezeichnete, die im überflügeln der am weitesten entwickelten kapitalistischen Länder in der Produktion pro Kopf der Bevölkerung gipfeln sollte

Außer Jugoslawien übernahmen alle Ostblockstaaten diese Formationstheorie und meldeten Ende der fünfziger und Anfang der sechziger Jahre ihre „Siege des Sozialismus". Die Jugoslawen lehnten jeden detaillierten Zukunftsplan im Sinne des sowjetischen Vorbildes ab und versuchten, über eine Einschränkung des Zentralismus durch Stärkung der Gemeinde-autonomie (Kommune) der „Selbstverwaltung der unmittelbaren Produzenten" und einem der Entfaltung der Persönlichkeit gerecht werdenden „sozialistischenDemokratismus" näher-zukommen Ihre Auseinandersetzungen mit den Sowjetführern traten allerdings bald hinter wichtigeren Ereignissen zurück, denn im August 1958 „tauchte eine neue gesellschaftliche Organisation, jung wie die Morgensonne, an dem breiten Horizont Ostasiens auf" — die Volkskommune. Sie sollte nach den Plänen der chinesischen Führung auf dem Lande „Industrie (Arbeiter), Landwirtschaft (Bauern), Handel (Händler), Kultur und Volksbildung (Studenten) und Militärwesen (Angehörige der Miliz) zu einer Einheit verschmelzen, . . . um den Aufbau des Sozialismus vorfristig zu vollenden und den allmählichen Übergang zum Kommunismus durchzuführen", von dem gleichzeitig erklärt wurde, daß seine Verwirklichung in China „keine Frage der fernen Zukunft mehr" sei Die sowjetische Reaktion kam besonders deutlich in einem Aufsatz des Theoretikers C. A. Stepanjan zum Ausdruck, der noch einmal die Voraussetzungen für den Kommunismus wiederholte, nämlich in ökonomischer Hinsicht „eine noch nie dagewesene allseitige Entwicklung der Produktivkräfte" (Automation, Atomenergie), in sozialer Hinsicht „die vollständige Überwindung der wesentlichen Unterschiede zwischen Stadt und Land bzw. zwischen körperlich und geistig arbeitenden Menschen" und auf ideologischem Gebiet die „vollständige Überwindung der Überbleibsel des Kapitalismus im Bewußtsein der Menschen". Stepanjan räumte jedoch ein, daß die „allmähliche Überwindung der historisch entstandenen Ungleichmäßigkeit der Entwicklung innerhalb des Weltsystems des Sozialismus" verschiedenen Ländergruppen, so-genannten Wirtschaftszonen, die Möglichkeit gebe, „fast gleichzeitig in den Kommunismus einzutreten", wobei er zwischen einer europäischen Wirtschaftszone (RGW) und einer asiatischen Wirtschaftszone unterschied Vier Monate später waren aber nicht nur über 26 000 Volkskommunen entstanden, sondern die Chinesen hatten auch die Erfahrung gemacht, daß „jeder übereilte Versuch, . . . unter nicht herangereiften Voraussetzungen zum Kommunismus zu gelangen, zweifellos eine Utopie ist, der kein Erfolg beschieden sein kann" Chruev sprach daraufhin sehr viel freundlicher von den „vielen originellen Formen", die China beim Aufbau des Sozialismus anwendet, und betonte, daß es „keine Meinungsverschiedenheiten mit der Kommunistischen Partei Chinas gibt oder geben kann" Seine wiederholten Weigerungen bezüglich der Lieferung taktischer Kernwaffen an die Chinesische Volksbefreiungsarmee haben dann allerdings zu einem Konflikt geführt, in dessen Rahmen die Chinesen auch Chruscevs Zielvorstellungen als „Gulaschkommunismus", ja als idealisierte „bürgerliche Spießergesellschaft" abqualifizierten

Unter den Ägide N. S. Chruevs verabschiedete der XXII. Parteitag der KPdSU (Januar 1961) das „Programm für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft" deren Verwirklichung damit zum ersten Mal in der Geschichte in greifbarer Nähe zu liegen schien. Die Vollendung der „materiell-technischen Basis des Kommunismus" wurde für das Jahr 1980 erwartet: In einer ersten Etappe sollten von 1961 bis 1970 die USA in der Produktion pro Kopf der Bevölkerung überholt, Wohlstand und Einkommen gesteigert, der Wohnungsbedarf gedeckt, die schwere körperliche Arbeit weitgehend abgeschafft und die UdSSR zum Land mit dem kürzesten Arbeitstag werden. In der zweiten Etappe von 1970 bis 1980 sollte dann für die gesamte Bevölkerung ein Überfluß an materiellen und kulturellen Gütern gesichert und damit begonnen werden, bei der Verteilung das Prinzip „Jedem nach seinen Bedürfnissen" zu verwirklichen. Als erste Schritte in dieser Richtung wurden unentgeltliche Ausbildung, ärztliche Betreuung, Benutzung von Wohnungen und Inanspruchnahme öffentlicher Dienstleistungen (Verkehrsmittel, Wasser, Gas, Heizung) sowie kostenlose Mittagessen in Betrieben, Büros und Kolchosen genannt. Als Voraussetzung für die Erreichung dieser Ziele galten vollständige Elektrifizierung, Vollmechanisierung und Automatisierung, umfassende Anwendung der Chemie in der Volkswirtschaft, Entwicklung neuer Energiearten und Werkstoffe sowie vor allem eine Steigerung der Arbeitsproduktivität um das Vier-bis Viereinhalbfache.

Diese Prognosen und Erwartungen riefen in der Sowjetunion eine Flut von Schriften hervor, in denen die unmittelbar bevorstehende kommunistische Gesellschaft in den leuchtendsten Farben geschildert wurde, wobei die Blikke der Autoren allerdings häufig weit über die Feststellungen des Parteiprogramms hinausgingen. So entwarf z. B. das Akademiemitglied S. G. Strumilin folgendes Bild eines sowjetischen Kommunepalastes, das in dieser Form übrigens einer Schrift Fouriers entstammen könnte: „In jedem Kommunepalast mit einer Wohnfläche bis zu 40 000 Quadratmetern kann man im Erdgeschoß alle Diensträume wie Aufwartung, Krankenrevier, Post, Friseur, Wäscherei unterbringen und in den übrigen Etagen alle Kommuneangehörigen. In der zweiten Etage werden z. B. in einem Flügel die Kinderzimmer untergebracht und im anderen die pflegebedürftigen Alten und das sie betreuende Personal, in der dritten die Zwei-bis Dreizimmerwohnungen für Verheiratete, in der vierten Einzelzimmer für die arbeitende Jugend, Studenten und Junggesellen." Außerdem sollten pro Wohnetage 800— 1000 Quadratmeter für Speiseräume, Spielräume, Lesesäle, Musikzimmer und Sportanlagen bereitgestellt werden Auch vom Tageslauf des im Kommunismus lebenden Menschen hatte Strumilin sehr konkrete Vorstellungen: zehn Stunden für Schlaf und Mahlzeiten, vier Stunden Arbeit; und von der verbleibenden Freizeit: vier Stunden geistige Tätigkeit je nach Interessengebiet, vier Stunden für sportliche und künstlerische Betätigung sowie zwei Stunden für Entspannung vor dem Fernsehen, bei Musik oder im Theater

Alle mehr oder weniger phantasievolle Beschäftigung mit dem Übergang zum Kommunismus bzw.dessen konkreter Gestalt erhielt 1962 offiziell die Bezeichnung „wissenschaftlicher Kommunismus", den C. A. Stepanjan als „die Wissenschaft von den sozialpolitischen und ideologischen Gesetzmäßigkeiten der Vorbereitung, Entstehung und Entwicklung der kommunistischen Gesellschaftsordnung sowie (als) die Lehre von den allgemeinen Prinzipien und konkreten Formen des Aufbaus des Sozialismus und Kommunismus" definierte Als Vorläufer des „wissenschaftlichen Kommunismus" gelten übrigens neben Thomas Morus und Campanella auch alle namhaften Frühsozialisten was kaum verwundern kann, da doch die sowjetischen Zielvorstellungen in viel stärkerem Maße von den auf eine möglichst lückenlose Organisation ausgehenden Plänen .des Frühsozialismus als von den Marx'sehen Hoffnungen auf einen im Zeichen der Aufhebung jeglicher Selbstentfremdung „gänzlich gewandelten Menschen" geprägt sind.

Diese Tendenz zum Organisieren und Reglementieren kam besonders deutlich in den Angaben des Parteiprogramms über die „Entwicklung der Staatsverwaltung" zum Ausdruck. Die Sowjets als „allumfassende Organisationen des Volkes" sollten in Zukunft weniger eine staatliche als eine gesellschaftliche Rolle spielen und ihre personelle Zusammensetzung häufiger wechseln, damit „immer breitere Massen Übung in der Verwaltung erhalten" und auch die Tätigkeit der Bürokratie schließlich aufhört, ein besonderer Beruf zu sein. Das Prinzip der Wählbarkeit und Rechenschaftslegung sollte allmählich auf „alle führenden Funktionäre der Staatsorgane" ausgedehnt werden, wenn auch ausdrücklich betont wurde, daß vom völligen Absterben des Staates erst nach dem Sieg des Sozialismus im Weltmaßstab die Rede sein könne. Habe sich aber der Staat erst in „sozialen Selbstver -einmal der waltung" aufgelöst, dann werde sich auch die Partei in eine „nichtpolitische öffentliche Organisation" verwandeln, was wohl kaum anders zu verstehen ist, als daß der Parteiapparat an die Stelle eines reduzierten Staatsapparats treten wird. Irgendwelche Termine für diese Entwicklung werden allerdings seit Chruscevs Sturz (Oktober 1964) nicht mehr angegeben. Die Partei zieht es seither vor, über seine angesichts der sowjetischen Realität offenbar illusionären Prognosen zu schweigen und die konkrete Planung wieder deutlicher vom Endziel abzusetzen.

Zusammenfassung Während die sowjetischen Führer unter Kommunismus stets nur das Ziel, die kommunistische Gesellschaft, verstanden, hat man sich im nichtkommunistischen Bereich seit 1917/18 daran gewöhnt, mit diesem Begriff die Verhältnisse bzw. das Herrschaftssystem in der Sowjetunion zu bezeichnen, ganz abgesehen von jenen Leuten, die ihn für alles verwenden, was nicht in ihre Vorstellungswelt paßt. Man hat auch in den vergangenen 50 Jahren keine Mühe gescheut, um festzustellen, ob es sich beim Kommunismus (im Sinne des Sowjetsystems bzw.der kommunistischen Weltbewegung) um eine orthodoxe Anwendung der Marx'schen Prinzipien, eine Schöpfung der russischen Revolution, ein Produkt der russischen Geschichte, eine Parteikonspiration, einen Kampf um die Weltherrschaft, einen Aufstand gegen den Westen, eine Form der industriellen Revolution, eine totalitäre Gesellschaft oder gar einen säkularen Glauben handelt. Dabei wurde nur zu oft übersehen, daß alles das, was in diesem Sinne mit Kommunismus bezeichnet wurde, nur Vorstufen zum eigentlichen Ziel, eben der kommunistischen Gesellschaft, sind. Während sich etwa die westlichen Sozialdemokraten von den Zielvorstellungen des 19. Jahrhunderts längst emanzipiert haben und dadurch in der Lage sind, der tatsächlichen Entwicklung Rechnung zu tragen, und während auch die Sowjetideologen ihren Marxismus großzügig den jeweiligen innen-und außenpolitischen Bedürfnissen der UdSSR angepaßt haben, sind die im wesentlichen von den Frühen Sozialisten stammenden und von Marx ergänzten Zielvorstellungen im Bereich des Marxismus-Leninismus sakrosankt geblieben, ja sie bilden nach wie vor die wesentlichste Legitimation des sowjetischen Systems.

Das Ideal des Kommunismus umfaßt zwei wesentliche Bereiche: 1. die Freiheit und die Möglichkeit zu uneingeschränkter Selbstverwirkli-chung soll für alle Menschen gesichert werden, und zwar 2. durch eine gesellschaftliche Ordnung, deren vorwiegend ökonomische Maßnahmen auf die materielle Unabhängigkeit des Menschen abzielen. Von Marx angefangen haben alle, die auf dieses Ziel hinarbeiteten, betont, daß seine ökonomische Voraussetzung, nämlich die Verteilung der Güter nach dem Bedürfnisprinzip, nur über ein Höchstmaß an Organisation und Planung erreicht werden kann. Dieser Widerspruch zwischen der als notwendig erkannten wirtschaftlichen Zentralisation mit einer entsprechenden Bürokratie und der angestrebten politischen Selbstverwaltung und Selbstverwirklichung des Menschen ist zwar von vielen Anhängern des Kommunismus erkannt worden, doch sind alle Lösungsversuche unbefriedigend geblieben. Gerade die sowjetischen Erfahrungen haben mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß man im Zeichen strengster politischer und wirtschaftlicher Zentralisation zwar ein verfallendes Reich, wie das zaristische Rußland, in eine industrielle Großmacht verwandeln kann, daß man damit aber dem eigentlichen Ziel des Kommunismus (vor allem im Sinne von Marx) nicht einen Schritt näher kommt, ja daß es sich im Laufe dieser Entwicklung immer deutlicher als Utopie erweist.

Als entscheidendes Hindernis für die Verwirklichung einer kommunistischen Gesellschaft erscheint also der in seinen Eigenschaften nur sehr beschränkt manipulierbare, in diesem Falle moralisierbare Mensch. Während etwa Marx der Auffassung war, daß eine Umerziehung oder Änderung des Menschen überflüssig sei, da er den Sinn der Revolution in der Entstehung einer Gesellschaft erblickte, die der wahren menschlichen Natur entspricht, haben schon Engels, vor allem aber Lenin und seine Erben richtig erkannt, daß der neue Mensch nicht erst das Ergebnis der kommunistischen Gesellschaft, sondern seine wesentlichste Voraussetzung ist. Die Erziehung des sogenannten neuen Menschen erschien ihnen deshalb als eine ihrer Hauptaufgaben. Doch der Erfolg blieb aus, weil diese auf die Zukunft ausgerichtete Erziehung zur Freiheit, Selbstverwaltung und Selbstentfaltung des einzelnen in einer von Zwang und Reglementierung beherrschten Gegenwart erfolgte, die die Menschen unvergleichlich viel stärker prägte als die moralischen Appelle der Partei. Angesichts der Unberechenbarkeit des menschlichen Verhaltens müßte ein umfassender Planungs-und Kontrollapparat auch dann aufrechterhalten werden, wenn, was nicht zu bezweifeln ist, die moderne Industriegesellschaft westlicher und sowjetischer Prägung in absehbarer Zeit in der Lage wäre, errechnete Durchschnittsbedürfnisse aller in ihrem Bereich wohnenden Menschen zu befriedigen. Die Feststellung, daß sich mit zunehmender Annäherung an die ökonomischen Voraussetzungen der kommunistischen Gesellschaft der eigentliche anthropologische Kern des Kommunismus-Ideals immer deutlicher als Utopie erweist, soll jedoch keineswegs die Rolle schmälern, die dieses Ideal als eine der Triebkräfte vor allem der europäischen Arbeiterbewegung gespielt hat.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Georges Morange, Les ides communistes dans les socits secretes et dans la presse sous la Monarchie de Juillet, Paris 1905, S. 36; vgl. allgemein auch Arthur E. Bestor, Evolution of the Socialist Vocabulary, in: Journal of the History of Ideas, Bd. 9, 1948, S. 259— 302.

  2. Premier banquet communiste, le I-er juillet 1840. Publie par le Comite de redaction: J. -J. Pillot, Th. Dezamy, Dutilloy, Homberg, o. O., o. J. (Paris 1840).

  3. Vgl. Hans Müller, Ursprung und Geschichte des Wortes „Sozialismus" und seiner Verwandten, Hannover 1967, S. 110 und 167.

  4. (Joh. Kaspar Bluntschli) Die Kommunisten in der Schweiz nach den bei Weitling vorgefundenen Papieren, Zürich 1843, S. 21, hier zitiert nach H. Müller, a. a. O., S. 169.

  5. Pii IX. pontificis maximi acta, erster Teil, Rom 1854, S. 13. Hier zitiert nach: Die Frühen Sozialisten, hrsg. von Frits Kool und Werner Krause, Olten 1967 (= Dokumente der Weltrevolution, Bd. 1), S. 15. Im folgenden abgekürzt mit DFS.

  6. Wilhelm Schulz (-Bodmer), Communismus, in: Das Staatslexikon, Encyklopädie der sämtlichen Staatswissenschaften für alle Stände, hrsg. von C. v. Rotteck und C. Welcker, 2. Ausl., Bd. 3, Altona 1846, S. 290— 339, hier S. 291.

  7. Max Adler, Der Kommunismus bei Marx, in: Archiv für Geschichte des Sozialismus und der Arbeiterbewegung, Bd. V, 1915, S. 229— 268, hier S. 229.

  8. Alfred Sudre, Geschichte des Communismus oder Historische Widerlegung der socialistischen Utopien, Berlin 1882, S. 5 (1.französische Auflage 1849).

  9. Sylvain Marechal, Manifest des Egaux, zitiert nach DFS, S. 123.

  10. Vgl. Anmerkung 1.

  11. (F.) Buonarotti, Conspiration pour l’galit dite de Babeuf, 2 Bde., Paris 1828; deutsch: Ph. Buonarotti, Babeuf und die Verschwörung der Gleichen, übers, und eingel. von A. und W. Blos, Stuttgart 1909.

  12. Paul Kägi, Genesis des historischen Materialismus, Wien—Frankfurt—Zürich 1965, S. 138.

  13. fit. Cabet, Voyages et adventures de Lord William Caridall en Icarie, 2 Bde., Paris 1840; spätere Auflagen nur noch unter „Voyage en Icarie"; erste deutsche Übersetzung Paris 1848.

  14. Cabet, Credo communiste, Paris o. J. (1841), hier zitiert nach DFS, S. 340 und 342.

  15. DFS, S. 341.

  16. Cabet, Comment je suis communiste, o. O.

  17. Cabet, Credo communiste, DFS, S. 338.

  18. Christopher H. Johnson, Etienne Cabet and the Problem of Class Antagonism, in: International Review of Social History, Bd. 11, 1966, S. 403— 443.

  19. Wolfgang Schieder, Anfänge der deutschen Arbeiterbewegung. Die Auslandsvereine im Jahrzehnt nach der Julirevolution von 1830, Stuttgart 1963 (= Industrielle Welt, 4).

  20. August Becker, Was wollen die Kommunisten?, Lausanne 1844, hier zitiert nach DFS, S. 491.

  21. Wilhelm Weitling, Was ist Kommunismus? in: Das Evangelium des armen Sünders, 2. Ausl., Birsfeld 1846, hier zitiert nach DFS, S. 475.

  22. Moses Heß, Socialismus und Communismus, in: Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz, hrsg. von Georg Herwegh, Teil I, Zürich und Winterthur 1843, hier zitiert nach Moses Heß, Philosophische und sozialistische Schriften 1837— 1850. Eine Auswahl, hrsg. und eingel. von A. Cornu und W. Mönke, Berlin 1961, S. 200.

  23. Moses Heß, (Zwei Reden über Kommunismus), in: Rheinische Jahrbücher zur gesellschaftlichen Reform, Bd. I, Darmstadt 1845, S. 36— 45, hier zitiert nach Moses Heß, Philosophische und sozialistische Schriften 1837— 1850, a. a. O., S. 352,

  24. Karl Marx, Der Kommunismus und die Augsburger „Allgemeine Zeitung", in: Karl Marx/Friedrieh Engels, Werke (im folgenden MEW), Bd. 1, Berlin 1961, S. 105— 108.

  25. Karl Marx, Briefe aus den „Deutsch-Französischen Jahrbüchern", in: MEW, Bd. 1, S. 344.

  26. Zu den Einzelheiten seines Übergangs zum Kommunismus siehe Paul Kägi, Genesis des historischen Materialismus, a. a. O., S. 137— 148.

  27. Karl Marx, ökonomisch-philosophische Manuskripte, in: MEW, Ergänzungsband Teil I, S. 467 bis 588. Die folgenden Zitate sind den Seiten 534— 536 entnommen.

  28. MEW, Band 2, S. 139.

  29. Beide Zitate aus den „ökonomisch-philosophischen Manuskripten", a. a. O., S. 536 und S. 546.

  30. Karl Marx und Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie (1845— 46), in: MEW, Bd. 3, S. 35.

  31. A. a. O., S. 536.

  32. MEW, Bd. 4, S. 459— 493.

  33. Ebenda, S. 474.

  34. Karl Marx, Zur Kritik der Politischen Ökonomie, Vorwort, (1859), in: MEW, Bd. 13, S. 9.

  35. Vgl. etwa Friedrich Engels, Karl Marx (1877), in: MEW, Bd. 19, S. 96— 106; ders., Die Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft (1880), in: MEW Rd. 19, S. 209.

  36. Georg Lukacz, Geschichte und Klassenbewußtsein. Studien über marxistische Dialektik, Berlin 1923.

  37. Karl Marx, Der historische Materialismus. Die Frühschriften, hrsg. von S. Landshut und J. P. Mayer, 2 Bde., Leipzig 1932.

  38. Eine eindrucksvolle Sammlung entsprechender Epitheta enthält etwa der Aufsatz von Stanislaw Kozyr-Kowalski, Marksizm a technokratyzm, in: Czlowiek i wiatopogld, Nr. 4/39, 1968, S. 69- 80.

  39. Marian Naszkowski, O kierunkach strategii ideologicznej imperializmu wobec krajöw socialistycznych, in: Nowe drogi, Nr. 9, 1968, S. 35- 54, hier: S. 48- 49.

  40. Beide Zitate aus Karl Marx, Der Bürgerkrieg in Frankreich, in: MEW, Bd. 17, S. 343.

  41. Friedrich Engels, Zwei Reden in Elberfeld (1845), in: MEW, Bd. 2, S. 536— 557.

  42. Friedrich Engels, Vorbemerkung zu " Der deutsche Bauernkrieg" (1870), in: MEW, Bd. 7, S. 541.

  43. Von dieser Assoziation ist die Rede in: Karl Marx, Das Elend der Philosophie (1847), in: MEW, Bd. 4, S. 182. Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus (1847), in: MEW, Bd. 4, S. 377; Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW: Bd. 4, S. 482; Karl Marx, Das Kapital, Bd. I und III, in: MEW, Bd. 2, S. 536— 557; Karl Marx/Friedrich 44) Friedrich Engels, Zwei Reden in Elberfeld, in: MEW, Bd. 2, S. 536— 557; Karl Marx/Friedrich Engels, Die deutsche Ideologie, in: MEW, Bd. 3, S. 74; Karl Marx, Das Elend der Philosophie, in: MEW, Bd. 4, S. 182; Friedrich Engels, Grundsätze des Kommunismus, in: MEW, Bd. 4, S. 363— 380; Manifest der Kommunistischen Partei, in: MEW, Bd. 4, S. 482; Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, in: MEW, Bd. 19, S. 13— 32; Friedrich

  44. Engels, Anti-Dühring, in: MEW, Bd. 20, S. 107 und 274; Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, in: MEW: Bd. 23, S. 508, 512, 618.

  45. MEW, Bd. 19, S. 28— 29.

  46. MEW, Bd. 20, S. 262.

  47. Von dieser Planung ist die Rede in Friedrich Engels, Zwei Reden in Elberfeld, in: MEW, Bd. 2, S. 539— 541; ders., Grundsätze des Kommunismus, in: MEW, Bd. 4, S. 377; Karl Marx, Kritik des Gothaer Programms, in: MEW, Bd. 19, S. 21; hier auch das Schlagwort: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen. Friedrich Engels, Anti-Dühring, in: MEW, Bd. 20, S. 276; Karl Marx, Das Kapital, Bd. I, II und III, in: MEW, Bd. 23, S. 92; Bd. 24, S. 137 und 316— 317; Bd. 25, S. 130 u. 197.

  48. Anti-Dühring, in: MEW, Bd. 20, S. 262.

  49. MEW, Bd. 4, S. 579.

  50. W. Schulz-Bodmer, Communismus und Socialismus seit 1848, a. a. O., Bd. II, Leipzig 1853, S. 634 bis 689, hier S. 679.

  51. Die Communisten-Verschwörungen des neunzehnten Jahrhunderts. Im amtlichen Auftrage zur Benutzung der Polizei-Behörden der sämtlichen deutschen Bundesstaaten auf Grund der betreffenden gerichtlichen und polizeilichen Akten dargestellt von Dr. jur. Wermuth, Königl, Hannoverschem Polizeidiiektor, und Dr. jur. Stieber, Königl. Preußischem Polizeidirektor, Teil I: Die historische Darstellung der betreffenden Untersuchungen, Berlin 1853 (317 Seiten). Teil II: Die Personalien der in den Communisten-Untersuchungen vorkommenden Personen, Berlin 1854 (154 S.). Das Werk wurde nur in 100 Exemplaren gedruckt; vgl. Vandermeulen, Enthüllungen aus den höheren Regionen der politischen Spionage, Berlin 1862, S. 32.

  52. Vgl.den ausgezeichneten und erschöpfenden Artikel „Kommunismus und Socialismus" in: Meyer’s Conversations-Lexikon, Bd. 18, Hildburghausen 1851, S. 708— 729, hier S. 708 und 710.

  53. Karl Diehl, P. J. Proudhon. Seine Lehre und sein Leben, Jena 1890, S. 312 (= Sammlung nationalökonomischer und statistischer Abhandlungen des staatswissenschaftlichen Seminars zu Halle a. d. S., Bd. VI, H. 3); ders., Uber Sozialismus, Kommunismus und Anarchismus, Jena 19235 (I. Ausl. 1905), S. 7; ders., Sozialismus und Kommunismus, in-Handwörterbuch der Staats Wissenschaften, hrsg. von L. Elster, A. Weber und Fr. Weiser, 4. umgearbeitete Ausl., Bd. VII, Jena 1926, S. 578— 612, hier S. 579.

  54. Friedrich Julius Stahl, Die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche, Berlin 1863, S. 208 (als Vorlesung gehalten 1850/51).

  55. Paris 1911, S. 70— 71.

  56. Vorrede zur englischen Ausgabe des „Kommunnistischen Manifests", 1888, in: MEW, Bd. 4, S. 581.

  57. Die ersten deutschen Sozialisten-Kongresse. Urkunden aus der Jugendzeit der deutschen Sozialdemokratie (1865— 1875), Frankfurt 1906, S. 100, hier zitiert nach Hans Müller, a. a. O., S. 178.

  58. Karl Kautsky, Die historische Leistung von Karl Marx, Berlin 1908, S. 44.

  59. Hans-Josef Steinberg, Sozialismus und deutsche Sozialdemokratie. Zur Ideologie der Partei vor dem I. Weltkrieg, Hannover 1967, S 44.

  60. Vgl. etwa den Brief von Marx an Engels vom 7. Dez. 1867, in: MEW, Bd. 31, S. 403— 405; Karl Marx (Rede über den Haager Kongreß, 1872), in: MEW, Bd. 18, S. 159— 161; Karl Marx, Nach-wort zur 2. Auflage des „Kapital" (1873), in: MEW, Bd. 23, S. 18— 28.

  61. W. Liebknecht, Was die Sozialdemokraten sind und was sie wollen, Chemnitz o. J. (1894), S. 34. Der erste Teil der Broschüre enthält zwei von L. Mitte der siebziger Jahre verfaßte Agitationsnummern des „Volksstaat", der zweite Teil seine Rede zur Begründung des Erfurter Programms (1891), aus der das obige Zitat stammt.

  62. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des Reichstags, VIII. Legislaturperiode, II. Session 1892/93, Bd. 2, Berlin 1893, S. 893— 901, hier S 895.

  63. Ferdinand Lassalle, Offenes Antwortschreiben an das Zentralkomitee zur Berufung eines Allgemeinen Deutschen Arbeiterkongresses zu Leipzig (1. 3. 1863), in: Ferdinand Lassalle’s Gesamtweike, hrsg. von E. Blum, Bd. I, Leipzig o. J., S. 1— 39, hier S. 15, 23, 36— 37.

  64. W. Liebknecht, a. a. O., S. 16.

  65. Vgl. Friedrich Engels, Brief an Bebel vom 18. /28. März 1875, und Karl Marx, Brief an Wilhelm Bracke vom 5. Mai 1875, dem die „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei“ beigefügt sind, beides in: MEW, Bd. 19, S. 3- 32.

  66. W. Liebknecht, a. a. O., S. 23.

  67. Vgl. besonders Paul Lafargue, Kommunismus und Kapitalismus. Der Kommunismus und die ökonomische Entwicklung, Berlin 1894 (franz. Originalausgabe Lille 1892); eine zweite deutsche Über-setzung wurde 1918 in Petrograd von der Deutschen Gruppe der Russischen Kommunistischen Partei (B) herausgegeben.

  68. 1. Auflage 1878, 25. Auflage (aus der hier zitiert wird) Stuttgart 1953; vgl. vor allem Kap. IV: „Die Sozialisierung der Gesellschaft".

  69. Ebenda, S. 536 bzw. 556.

  70. Ebenda, S. 606.

  71. Karl Kautsky, Das Erfurter Programm, 1. Auflage Stuttgart 1892, 11. Auflage (aus der hier zitiert wird) Stuttgart 1912.

  72. G. V. (Georg von Vollmar), Der isolierte sozialistische Staat, in: Jahrbuch für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik, hrsg. von Ludwig Richter, I. Jg„ 1. Hälfte, Zürich 1879, S. 54— 74, hier S. 55.

  73. Karl Kautsky, a. a. O., S. 156— 157.

  74. Karl Kautsky, Die soziale Revolution, Berlin 1907 2, S. 109.

  75. Karl Kautsky, Das Erfurter Programm, a. a. O., S. 169— 170, 175.

  76. Karl Kautsky, Die soziale Revolution, a. a. O., S. 112.

  77. Grundlegend dafür Eduard Bernstein, Die Voraussetzungen des Sozialismus und die Aufgaben der Sozialdemokratie, Stuttgart 1899; die folgenden Zitate sind den Seiten 84, 124, 173 entnommen. Vgl. auch Richard Calwer, Das sozialdemokratische Programm, Jena 1914.

  78. Vgl. Jean Jaures, Aus Theorie und Praxis, Sozialistische Studien, hrsg. von Dr. Albert Südekum, Berlin 1902, S. 9— 48; hier S. 43 und S. 56.

  79. Eduard Bernstein, a. a. O., S. 31.

  80. Edmund Fischer, Kommunismus und Sozialismus, in: Sozialistische Monatshefte, 14. Jg. (1910), Heft 6, S. 364— 369.

  81. Vgl. Bakunins zweite Rede auf dem Kongreß der Friedens-und Freiheitsliga in Bern (1868), hier zitiert nach „Michail Bakunins sozialpolitischer Briefwechsel mit Alexander Iw. Herzen und Ogarjow", Stuttgart 1895, S. 315, und „Spanische Brieffragmente Bakunins über Internationale und Alliance" (1872), in: ders., Gesammelte Werke, Bd. III, Berlin 1924, S. 101— 121.

  82. Fürst Peter Kropotkin, Der Wohlstand für Alle (franz. Oiiginaltitel „La conquete du pain", 1892), 3.deutsche Auflage, Zürich 1918, S. 30.

  83. Carlo Cafiero, Anarchie et Communisme, in: Revolte, 13. — 27. November 1880, hier zitiert nach Max Nettlau, Der Anarchismus von Proudhon zu Kropotkin. Seine historische Entwicklung in den Jahren 1859— 1880, Berlin 1927, S. 307.

  84. Programmatische Erklärung in „Chleb i Volja", Nr 14, Genf-London Januar 1905, S. 1.

  85. P. Kropotkin, Kommunizm i anarchija, in: Doklady mezdunarodnomu revoljucionnomu raboemu kongressu 1900 goda, London 1902.

  86. Vgl. Anmerkung 82.

  87. Vgl. etwa „Prinzipienerklärung der kommunistischen Anarchisten Deutschlands", Berlin 1921; Alexander Berkman, What is Communist Anarchism?, New York 1929; Manifeste du Communisme Libertaire. Problemes essentials, Paris o. J. (1953).

  88. Vgl. „Das russische Volk und der Sozialismus" (1851), in: A. I. Herzen, Ausgewählte Philosophische Schriften, Moskau 1949, S. 491— 523 und das Kapitel „Russian Socialism" in: Martin Malia, Alexander Herzen and the Birth of Russian Socialism 1812 to 1855, Harvard University Press 1961, S. 388— 415.

  89. Vgl. auch seine Arbeit „Kapital i trud", in: Izbrannye ekonomceskie proizvedenija, Bd. II, Moskau 1948, S. 300-— 378.

  90. V. I. Taneev, Detstvo, Junost’, Mysli o buduscem, Moskau 1959, S. 578— 643.

  91. Programma „Zemli i Voli" (1876), in: Revoljucionnoe narodnicestvo 70-ch godov XIX veka, Bd. II, Moskau-Leningrad 1965, S. 27.

  92. Vpered! -Nasa Programma, in: Vpered, Nr. I, London, August 1873, S. 1— 26, hier zitiert nach P. L. Lavrov, Izbrannye socinenija na, social'no, politiceskie temy v voz’mi tomach, Bd. II, Moskau 1934, S. 23— 41, hier S. 30.

  93. Socializm i bor'ba za suscestvovanie, in: Vpered, Nr. 17, 3. 9. 1875, S. 513— 526, hier zitiert nach P. L. Lavrov, Izbrannye socinenija ..., Bd. 4, Moskau 1935, S. 99— 110, und ders., Gosudarstvennyj element v buduem obestve, London 1876, in: Izbrannye socinenija .. ., Bd. 4, S. 207— 396.

  94. Vgl. dazu besonders seine Aufsätze in der Zeitschrift „Nabat" (Genf): „, Nabat‘ (Programma zurnala)" (1875), „Narod i revoljucija" (1876), „Vozmona li social’naja revoljucija v Rossii v nastojascee vremja?" (1876), „Nakanune i na drugoj den’ revoljucii" (1876) und „Cto e teper’ delat’?" (1879). Alle diese Aufsätze finden sich in: P. N. Tkacev, Izbrannye socinenija na social’nopoliticeskie temy, V cetyrech tomach (1865— 1880),

  95. MEW, Bd. 19, S. 242— 243.

  96. Perepiska G. V. Piechanova i P. B. Aksel'roda, hrsg. von Berlin, Nikolaevskij, Vojtinskij, Bd. I, Moskau 1925, S. 192— 195.

  97. V. I. Lenin, Polnoe sobranie socinenij, Moskau 1960 ff. (im folgenden PSS), Bd. 26, S. 572.

  98. Zadaci proletariata v nasej revoljucii, PSS, Bd. 31, S. 151— 183, hier S. 179— 180. Vgl. dazu auch die 1918 verfaßte Schrift von Bela Kun, Was wollen die Kommunisten?, Hamburg o. J. (1919).

  99. Gosudarstvo i revoljucija, PSS, Bd. 33, hier S. 91— 102.

  100. Rede auf dem III. Sowjetkongreß (24. Januar 1918), PSS, Bd. 35, S. 259— 279, hier S. 273.

  101. Detskaja bolezn’ „levizny" v kommunizme, PSS; Bd. 41, S. 1— 104, hier S. 77.

  102. Vgl. dazu „Arbeiterdemokratie oder Partei-diktatur", hrsg. von Frits Kool und Erwin Ober-länder, Olten und Freiburg 1967 (= Dokumente der Weltrevolution, II).

  103. Interview mit einem Korrespondenten des „Manchester Guardian", 5. 11. 1922, PSS, Bd. 45, S. 259— 264, hier S. 263.

  104. Max Adler, Demokratie und Rätesystem, Wien 1919, S. 12.

  105. Sed’moj ekstrennyj s-ezd RKP(b), Mart 1918 goda, Stenograficeskij otcet, Moskau 1962, S. 160.

  106. Doklad o subbotnikach na Moskovskoj obscegorodskoj konferencii RKP(b), 20. 12. 1919, PSS, Bd. 40, S. 32— 38.

  107. Doklad Vserossijskogo Central’nogo Ispol’nitel’nogo Komiteta i Soveta Narodnych Komissarov o vnenej i vnutrennej politike, 22. 12. 1920, PSS, Bd. 42, S. 128— 161, hier S. 159.

  108. Zadaci sojuzov molodezi, PSS, Bd. 41, S. 298 bis 318.

  109. Leo Trotzki, Literatur und Revolution, Wien 1924, S. 176— 179.

  110. N. Bucharin, Das Programm der Kommunisten (Bolschewik!), hrsg. von der kommunistischen Partei Deutschösterreichs, Wien 1919, S. 14.

  111. N. Bucharin und E. Preobraschensky, Das ABC des Kommunismus, Bd. 1, Wien 1920, S. 54— 64.

  112. N. Bucharin, Theorie des Historischen Materialismus. Gemeinverständliches Lehrbuch der Marxistischen Soziologie, Hamburg 1922, S. 363— 366.

  113. Das ABC des Kommunismus, Bd. II, Wien 1920, S. 67

  114. Beseda s pervoj amerikanskoj rabocej delegaciej, in; I. V. Stalin, Socinenija, Bd. 10, Moskau 1954, S. 133— 135.

  115. J. Stalin, über den Entwurf der Verfassung der UdSSR, in: Ders., Fragen des Leninismus, Berlin 1951, S. 622.

  116. Tretij pjatiletnij plan razvitija narodnogo chozjajstva SSSR (1938-— 1942). Rezoljucija XVIII s-ezda VKP(b), in: KPSS v rezoljucijach i resenijach s-ezdov, konferencij i plenumov CK, Teil III, Moskau 1954, S. 340.

  117. Ustav Kommunisticeskoj Partii Sovetskogo Sojuza, 13. Okt. 1952, in: KPSS v rezoljucijach ..., a. a. O„ S. 579.

  118. Vgl. etwa V. I. Evdokimov, Poinaja i okoncatel’naja pobeda socializma v SSSR, in: Voprosy filososii, Nr. 11, 1959, S. 16— 26.

  119. N. S. Chruscev, O kontrol'nych cifrach razvitija narodnogo chozjajstva SSSR na 1959— 1965 gody, in: Pravda, Nr. 28, 28. 1. 1959.

  120. Program Saveza Komunista Jugoslavije, Rijeka 1965, S. 241. Das Programm wurde im April 1958 verabschiedet.

  121. Resolution on the Establishment of People's Communes in the Rural Areas — Central Committee of the Chinese Communist Party, August 29, 1958, in: Peking Review, 16. September 1958, hier zitiert nach „Ost-Probleme", 10. Jg. (1958), S. 695 bis 698.

  122. C. A. Stepanjan, Oktjabr'skaja revoljucija i stanovlenie kommunisticeskoj formacii, in: Voprosy filosofii Nr. 10, 1958, S. 19— 36, hier S. 34— 35.

  123. Resolution on Some Questions Concerning the People's Communes, (Zweiter Volkskommunen-Beschluß vom 10. 12. 1958), in: Peking Review, 23. Dezember 1958, hier zitiert nach „Ost-Probleme", 11. Jg. (1959), S. 71— 81, bes. S. 75.

  124. N. S. Chruscev, O kontrol’nych cifrach ..., a. a. O., S. 10.

  125. Uber den Pseudokommunismus Chruschtschows und die historischen Lehren für die Welt, Neunter Kommentar, (14. Juli 1964), hier zitiert nach „Die Polemik über die Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung", Peking 1965, S. 463 bis 536, bes. S. 517— 518.

  126. Deutscher Text in Boris Meissner, Das Parteiprogramm der KPdSU von 1903 bis 1961, Köln 1962, S. 143— 244.

  127. S. Strumilin, Rabocij byt i kommunizm, in: Novyj Mir, Nr. 7, 1960, S. 203— 220, hier S. 212.

  128. Zitiert nach Problems of Communism. Bd. IX (1960), Nr. 6, S. 23.

  129. C. A. Stepanjan, O predmete kursa „Osnovy nauenogo kommunizma", in: Voprosy filosofii, Nr. 6, 1962, S. 24— 35, hier S. 29.

  130. Vgl. Osnovy nauenogo kommunizma, Moskau 19672.

Weitere Inhalte

Erwin Oberländer, Dr. phil., Mitarbeiter am Bundesinstitut für ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln, geb. 1937 in Königsberg. Veröffentlichungen; Tolstoj, und die revolutionäre Bewegung, München 1965; Sowjetpatriotismus und Geschichte. Dokumentation, Köln 1967; Herausgeber (zusammen mit Frits Kool, Amsterdam) von „Arbeiterdemokratie oder Parteidiktatur", Bd. II der Reihe „Dokumente der Weltrevolution", Olten 1967; Mitverfasser des Sammelwerks „Internationaler Faschismus 1920— 1945", München 1966.