I. Vorbemerkung
Am 31. Dezember 1918 wurde in Berlin die Kommunistische Partei Deutschlands — die KPD — gegründet.
Im Jahre 1933 wurden von den Nationalsozialisten alle politischen Parteien — auch die KPD — auf dem „Verordnungswege" mit Terror und Gewalt liquidiert.
Nach trat auch Ende des Zweiten Weltkrieges die KPD wieder in das politische Leben Deutschlands ein. Zuerst, am 11. Juni 1945, mit tatkräftiger politischer und materieller Hilfe der Sowjets in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ). In den folgenden Monaten — Ende 1945/Anfang 1946 entstanden in der englischen, amerikanischen und französischen Zone Organisationseinheiten der KPD zunächst auf Orts-und Kreisebene, später auf Landesebene. Der Parteivorstand der KPD in den drei Westzonen (d. h. auf dem Gebiet der 1949 entstandenen Bundesrepublik Deutschland) wurde erst im April 1948 offiziell konstituiert.
Nach monatelangem Gesinnungsterror durch Ulbrichts Partei-(KPD-) Apparat und unter dem massiven psychischen und physischen ruc der sowjetischen Besatzungsmacht wurde le Sozialdemokratische Partei Deutschlands (in der Sowjetischen Besatzungszone n e April 1946 mit der KPD der SBZ zwangsvereinigt. Es entstand die SED, die heute vorgibt, das „Vermächtnis" der alten KPD von zu erfüllen.
In den drei Westzonen versuchten die Kommunisten nach 1945 immer wieder, sic 1 an i Rockschöße der Sozialdemokratie zu. hangsen und auch in Westdeutschland die „ ion heit der Arbeiterklasse" -das hieß damals. Die „Vereinigung" von SPD und KPD beizuführen. Doch Dr. Kurt Schumacher de die SPD in den drei Westzonen wiederbegrun-dete und die Partei bis zu seinem Tode imsah re 1952 führte, hatte von vornhereinkeinen Zweifel daran gelassen, daß es fürSoziald mokraten kein Paktieren mit den Kommuni sten gibt. Einmal gefragt, ob Sozialdemokraten und Kommunisten denn nicht Brüder seien, antwortete Dr. Schumacher: „Brüder, ja, ebenso wie Kain und Abell" Kurt Schumacher machte klar, daß „die Sozialdemokratie keine Veranlassung hat, für den geschwächten Parteikörper der Kommunisten den Blutspender abzugeben und auf irgendeinen Annäherungsversuch auch nur andeutungsweise einzugehen." In den Teilen Deutschlands also, in denen dem Besiegten nicht das System des Siegers aufgezwungen wurde — wie das nach den Anweisungen Stalins in der Sowjetzone vom ersten Tage der Besetzung an geschah —, mißlangen die Verschmelzungsversuche der Kommunisten; die „sozialdemokratische Blutspende" blieb aus.
In den Jahren nach 1946 wurde die KPD in den drei Westzonen und später (ab 1949) in der Bundesrepublik Deutschland immer mehr zu einer politischen Sekte, deren Einfluß stetig nachließ, deren Abhängigkeit von der SED und der sowjetischen Politik ständig wuchs, und die sich — kommunistischer Strategie und Taktik entsprechend — systematisch in konspirativer Tätigkeit übte und auf die Illegalität vorbereitete.
Am 22. November 1951 stellte die Bundesregierung den Antrag, die Verfassungswidrigkeit der KPD festzustellen. Grundlage dieses Antrags war Artikel 21 Absatz 2 des Grundgesetzes: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche, demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig."
/Nach mehrjährigen Vorbereitungen und einer vom November 1954 bis zum Juli 1955 dauernden Verhandlung vor dem Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe wurde am 17. August 1956 das Urteil dieses Gerichts verkündet: Verbot der KPD (und eventueller Ersatzorganisationen). Das Verbot der KPD traf im Grunde genommen einen politischen Leichnam. Bei den Bundestagswahlen im Jahre 1949 errang die KPD immerhin noch 5, 7 Prozent 1 361 708 der 23 732 398 gültigen Stimmen. Im Jahre 1953 erhielt die KPD bei den Bundestagswahlen nur noch 2, 2 Prozent = 607 860 der 27 551 272 gültigen Stimmen.
In den vergangenen Jahren, seit dem Verbot bis heute, forderten und fordern die Kommunisten die Wiederzulassung der verbotenen KPD. Ende Oktober 1968 jedoch wurde — selbst für viele Kommunisten überraschend und sie verwirrend — eine kommunistische Partei in der Bundesrepublik Deutschland „neukonstituiert" (auf diesen Terminus wird von den Kommunisten außerordentlich großer Wert gelegt): Die „Deutsche Kommunistische Partei (DKP)".
Fürwahr, der Trick erscheint allzu billig, durch Versetzung eines einzigen Buchstabens aus der (verbotenen) KPD eine (legale) DKP zu machen.
II. Ursprung
Nach dem Verbot der KPD begann die Partei — im Laufe der Jahre mit graduellen Veränderungen der Taktik und mit gelegentlichen Verlagerungen von Schwerpunkten der Arbeit — in der Bundesrepublik Deutschland auf drei Ebenen tätig zu werden:
1. Die mit Hilfe des verdeckten KPD-Apparates durchgeführte konspirative Tätigkeit, eingeordnet in den Bereich der von OstBerlin gesteuerten kommunistischen Infiltrationsarbeit in der und gegen die Bundesrepublik Deutschland, 2. die „offene Arbeit" von Kommunisten in der Bundesrepublik, 3. die Kampagnen mit der Forderung nach Wiederzulassung der KPD.
Die Reihenfolge der Aufzählung sagt nichts über die Bedeutung der Arbeitsbereiche aus, in denen die verbotene KPD tätig ist. Außerdem lassen sich immer wieder „Mischformen" kommunistischer Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland feststellen.
KPD im Untergrund „Die hundertmal totgesagte KPD lebt. Die Kommunisten in der Bundesrepublik sind ein Nun, so einfach ist die Frage nicht zu beantworten. Man muß das Gebilde „DKP", das vor kurzem in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland aufgetaucht ist, näher betrachten, um dessen wahren Charakter erkennen und in das politische Geschehen unserer Tage richtig einordnen zu können. Ist die DKP eine Sekte oder eine Avantgarde im linksextremistischen Bereich der Bunderepublik Deutschland? Ist sie der sichtbare legale bzw. legalisierte Teil des nach wie vor tätigen illegalen Apparates der KPD? Ist die DKP eine Art erweiterter „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD"? Unter welchen Umständen entstand die DKP, welchen Weg ist sie bis zur Jahreswende 1968/69 gegangen und welche Ziele hat sie sich oder wurden ihr von fremder Hand gesetzt?
Die nachstehenden Anmerkungen und Dokumente mögen dazu beitragen, Ursprung, Position, Weg und Ziel der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) aufzuhellen. politischer Faktor, der nicht auszuschalten ist." Solche und ähnliche Behauptungen werden in der kommunistischen Agitation seit Jahren immer wieder verbreitet. Einen „politischen Faktor" stellte und stellt die verbotene KPD in der Bundesrepublik nun aber gewiß nicht dar. Wohl aber ist der verhältnismäßig kleine, Straff organisierte, illegal arbeitende Apparat dieser Partei ein wichtiger, aktiver Hilfstrupp der kommunistischen Infiltration. Die Infiltrationsarbeit der KPD wird von dem in Ost-Berlin residierenden Politbüro der KPD bzw. vom Zentralkomitee der KPD angeleitet, die wiederum unmittelbar vom Politbüro und vom Zentralkomitee der SED, hinsichtlich der Infiltrationsarbeit durch die „Kommission für nationale Arbeit" beim SED-Politbüro und die „Abteilung 62" beim ZK der SED gelenkt werden. Auch die Finanzierung der illegalen Tätigkeit der verbotenen KPD hat die SED übernommen. Der „Apparat" entsprach allerdings in seiner Stärke zahlenmäßig niemals der Größe der Mitgliedschaft der KPD zum Zeitpunkt ihres Verbotes. Beim Verbot hatte die KPD noch etwa 78 000 Mitglieder. Sehr bald nach dem Verbot gaben etwa 90 Prozent der KPD-Mitglieder ihre Verbindung zur Partei auf und varen nicht bereit, innerhalb des illegalen Apparates tätig zu werden. Im Jahre 1968 berug die Zahl der (illegalen) Mitglieder der verbotenen) KPD — seit vielen Jahren unverändert — etwa 10 Prozent der Mitgliederzahl m Jahre 1956: ca. 7500. Das Zentralorgan ier SED „Neues Deutschland" schrieb am 7. August 1963: „In so schwierigen Situatioien (d. h. im Zustand der Illegalität der KPD n der BRD — H. Bw.) konnten Schwankungen n den Reihen der Mitglieder der Partei nicht lusbleiben. Die Parteiführung mußte gegen Pendenzen des Liquidatorentums auftreten. Sie rämpft gegen den Revisionismus und tritt für narxistisch-leninistische Prinzipienfestigkeit in."
Gelegentlich sichtbar werdende Bereiche der Regalen Tätigkeit des KPD-Apparates sind vor allem Agitationskampagnen (Flugschriften tc.; hierzu gehört auch die Tätigkeit des . Deutschen Freiheitssenders 904", der in Burg bei Magdeburg installiert ist) und die Unter-Wanderung oder Manipulierung von Tarn-und Hilfsorganisationen der Kommunisten.
im kommunistischen Selbstverständnis sind iie kommunistischen Staatsapparate und Organisationen Motoren zur Erhaltung der Macht der des Kampfes um die Macht. Als soge-nannte „Transmissionsriemen" wirken in kommunistisch regierten Staaten die „Massenorganisationen", in „kapitalistischen" Staaten die kommunistischen Parteien, Tarn-und Hilfsorganisationen bzw. die kommunistisch beeinflußten (unterwanderten), manipulierten bzw. manipulierbaren Parteien oder Organisationen. [n der Bundesrepublik Deutschland gab und gibt es eine Vielzahl solcher Organisationen, iie entweder nach dem Verbot der KPD vom illegalen KPD-Apparat ins Leben gerufen wurden oder ohne unmittelbare kommunistische Beteiligung entstanden und erst später von len Kommunisten als willkommene Obje e rnd „Transmissionsriemen" benutzt, „umpro grammiert" und mißbraucht wurden.
Mit der Methode der Unterwanderung versucht der KPD-Apparat durch personelle Infilration bestehende Parteien oder Organisatio en kommunistisch zu durchsetzen und sie au diese Weise zu „Transmissionsriemen un zu Hilfstruppen kommunistischer Politik zu mahen. Diese Unterwanderung vollzieht Si meist von unten nach oben in der kommun stischen Infiltrationsstrategie wird diese 4 ik „demokratische Initiative von unten ge-nannt — und auf eine Weise, daß der kommunistische Einfluß weitgehend unerkannt bleibt. Als in der Öffentlichkeit wirkende Repräsentanten solcher Organisationen lassen die Kommunisten meist integre, gutgläubige Personen im Amt, die weder von ihrer Weltanschauung her als Kommunisten bezeichnet werden können noch vorher irgend etwas mit der KPD oder dem illegalen KPD-Apparat zu tun hatten.
Eine Abart der Unterwanderungsmethode besteht darin, sich in Kampagnen oder Aktionen anderer Organisationen oder Personengruppen einzuschalten, wenn diese Forderungen vertreten, die sich mit dem . „Minimalprogramm" der KPD decken und sich in die Infiltrationspläne der Kommunisten einordnen lassen. Bei der Anwendung dieser Taktik ergeben sich in der Praxis Übergänge zur „offenen Arbeit" der verbotenen KPD.
Obwohl die KPD kommunistischer Taktik entsprechend bereits vor ihrem Verbot im Jahre 1956 in bestimmten Bereichen konspirativ arbeitete und den Parteiapparat systematisch auf die Illegalität vorbereitete, mußten die Angehörigen des illegalen KPD-Apparates immer wieder auf die Notwendigkeit „revolutionärer Wachsamkeit" und auf den „Kampf gegen Sorglosigkeit und Vertrauensseligkeit" hingewiesen werden. So veröffentlichte zum Beispiel das illegal erscheinende KPD-Zentralorgan „Freies Volk" im Oktober 1963 „Zehn Goldene Regeln für illegale Parteiarbeiter", in denen „von jedem Mitglied die Bereitschaft erwartet (wird), unermüdlich für die Verwirklichung der Beschlüsse der Partei und ihrer Organe zu kämpfen, für die Partei und die Arbeiterklasse Opfer zu bringen". Die Abhängigkeit des KPD-Apparates vom „großen Bruder" in Ost-Berlin, von der SED-Führung, wird in diesen Verhaltensmaßregeln für die illegal arbeitenden KPD-Genossen durch die Forderung deutlich: „Mit Entschiedenheit weist er (jeder Genosse — H. Bw.) auch alle Angriffe auf die DDR zurück. Sein Verhalten zur DDR ist Maßstab für seine Treue zur Partei."
In der im Ost-Berliner Dietz Verlag 1966 erschienenen Broschüre „KDP 1945— 1965/Abriß, Dokumente, Zeittafel" (zusammengestellt von Mitarbeitern des ZK der KPD) wird über die illegale Arbeit der Partei unter anderem geschrieben: „Die Partei begann sofort nach dem Verbot, den illegalen Kampf zu organisieren. Obwohl die Kommunisten in bestimmtem Maße auf das Verbot vorbereitet waren, war der Übergang in die Illegalität dennoch'eine schwierige Aufgabe. Vorübergehend verlor eine Reihe von Organisationen die Verbindung zu den übergeordneten Leitungen, zerriß der Kontakt mancher Mitglieder zu den Grund-organisationen oder Parteileitungen. Es war notwendig geworden, gewisse Teile des Parteistatuts — wie die Wählbarkeit der Leitungen und andere Bestandteile der innerparteilichen Demokratie — einzuschränken. Aber die Partei meisterte im wesentlichen die Probleme des Übergangs in die Illegalität."
Die „offene Arbeit" der illegalen KPD Parallel zu der niemals vernachlässigten „verdeckten" illegalen Tätigkeit begannen die Kommunisten in der Bundesrepublik Anfang der sechziger Jahre, in immer stärkerem Maße zur „offenen Arbeit" überzugehen. Im Jahre 1961 hatte der „Deutsche Freiheitssender 904" einen damals in der Öffentlichkeit wenig beachteten Marschbefehl für die Angehörigen des illegalen KPD-Apparates in der Bundesrepublik Deutschland herausgegeben: „Die illegale Parteiorganisation arbeitet dort am besten, wo sie alle Genossen befähigt, erfolgreiche legale Arbeit unter den Massen zu leisten, wo sie diese Arbeit anleitet, fördert und kontrolliert."
Auf der Ende November 1963 in Mitteldeutsch-land durchgeführten 2. Tagung des Zentralkomitees der KPD kritisierte der 1. Sekretär des ZK der KPD, Max Reimann: „Wir werden auch dadurch gehemmt, daß manche Genossen glauben, mit ihrem öffentlichen Auftreten könnten sie sich selbst und die illegale Arbeit der Partei gefährden. Das ist aber falsch. Der wichtigste Hebel unserer Tätigkeit ist die legale Massenarbeit. Die Entwicklung von Massenaktionen zur Wahrung der demokratischen Rechte ist das legalste, was es geben kann, denn wir verteidigen damit das Grundgesetz . . . Ohne Zweifel erkennen viele unserer Genossen, daß es die Pflicht jedes Kommunisten ist, aktiver Gewerkschafter zu sein. Es ist die Aufgabe eines jeden Kommunisten im Betrieb, gewerkschaftlicher Vertrauensmann zu werden . . . Vor allem kommt es darauf an, ausgehend von dem Grundsatzprogramm des DGB die begonnene Klärung in der Arbeiterklasse über den Standort und den Klassencharakter der Gewerkschaften fortzusetzen."
Die Taktik ist klar: Teile der nach dem Verbot der KPD verbliebenen Kader wurden damals aus dem Dunkel der Illegalität herausgeholt, um im Zwielicht einer Schein-Legalität tätig zu werden. In den folgenden Jahren wurde die „offene Arbeit" der verbotenen KPD immer intensiver, um auf diese Weise die verbotene KPD aus der ständig wachsenden Sterilität und Isolierung unter den (im Sinne der Kommunisten) „demokratischen Kräften" in der BRD herauszuführen.
In diesem Zusammenhang sei auf das „Memorandum über die Probleme der internationalen Arbeiter-und kommunistischen Bewegung und ihre Einheit" hingewiesen, das der im Jahre 1964 verstorbene Vorsitzende der italienischen KP, Togliatti, hinterließ. Unter der Überschrift „Uber die Entwicklung unserer Bewegung"
schrieb Togliatti unter anderem: „Wir waren stets der Meinung, daß es nicht richtig sei, eine vorwiegend optimistische Darstellung der Arbeiter-und kommunistischen Bewegung in den westlichen Ländern zu geben. In diesem Teil der Welt, auch wenn hier und da Fortschritte gemacht wurden, sind unsere Bewegung und unsere Kräfte noch heute unzureichend für die Aufgaben, die vor ihnen stehen. Einige Parteien (Frankreich, Italien, Spanien etc.) ausgenommen, kommen wir noch nicht aus der Situation heraus, in der die Kommunisten nicht imstande sind, eine wirkliche und wirksame politische Aktion zu entfalten, die sie mit den großen Massen der Werktätigen verbindet. Sie beschränken sich auf Propagandaarbeit und haben keinen effektiven Einfluß auf das politische Leben ihres Landes. Es muß auf jede Weise gelingen, diese Phase zu überwinden, die Kommunisten dazu zu drängen, ihre relative Isoliertheit zu durchbrechen, sich in aktiver und kontinuierlicher Weise in die politische und soziale Wirklichkeit einzuschalten, politische Initiative zu entwickeln, eine wirk-1 liehe Massenbewegung zu werden." (Zitiert nach: „Die Zeit", 17. 9. 1964.)
In den Jahren 1966 bis 1968 fanden einige wichtige internationale KP-Konferenzen statt, 1 die sich eingehend mit diesen — von Togliatti . skizzierten — Schwierigkeiten der kommunistischen Parteien in westlichen Ländern befaßten und in ihren Ergebnissen auch neue Leitlinien für die Tätigkeit der Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland festlegten.
Im Mai 1966 fand in Wien eine Konferenz westeuropäischer kommunistischer Parteien statt. Die verbotene KPD war durch den 1. Sekretär des ZK, Max Reimann, vertreten. Zwei der wichtigsten Beratungspunkte dieser Wiener Konferenz waren: a) Die „Aktionseinheit" von „linken und demokratischen Kräften", vor allem die Forcierung der „Einheitsfront von unten" von Kommunisten und Sozialdemokraten, b) Schwächung der Position der Bundesrepublik Deutschland innerhalb des westlichen Verteidigungsbündnisses.
Vom 1. bis 3. November 1966 tagte in Prag, einberufen von der Redaktion der internationalen kommunistischen Monatsschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus", eine Konferenz von Vertretern kommunistischer Parteien aus 16 nichtkommunistischen westlichen Industriestaaten. Im Mittelpunkt der Be[ratungen standen die Probleme und Schwierigkeiten für die Kommunisten, die sich aus der technischen Revolution, aus dem Produktionsanstieg und der Hebung des Lebensstandards sowie aus dem starken Einfluß der freien Gewerkschaften und dem Wirken der Sozialdemokratie in den Heimatländern der nach Prag gekommenen KP-Funktionäre ergeben.
Der Vertreter der KPD, der Sekretär des ZK und Kandidat des Politbüros der KPD, Josef Schleifstein (jetzt Mitglied des Bundesausschusses der DKP), meinte auf dieser Konferenz: „Wir versuchen, solche (reformistische) Illusionen wirksam zu bekämpfen, indem wir uns als gute und hartnäckige Kämpfer für soziale und demokratische Reformen erweisen und zugleich ständig eine möglichst anschauliche, möglichst konkrete Beziehung zu unseren sozialistischen Zielen herstellen. Das ist praktisch sehr schwer. Auch unseren Genossen stellt das Leben täglich opportunistische Fallen . .. Unsere Erfahrung ist, daß viele Arbeiter uns Kommunisten als scharfe und kompromißlose Kämpfer schätzen, daß aber viele meinen, wir könnten nur negieren und hätten keine brauchbaren positiven Vorschläge. Der KP -Funktionär Schleifstein forderte, daß sich auch die deutschen Kommunisten von alten Klischees in ihrer Arbeit lösen und neue Metho den entwickeln müßten. Aber, so klagte Schleifstein, „mir scheint, daß einige Revou tionäre in den Fragen der Formen und et 10 den der Arbeit oft die hartnäckigsten Konservativen sind und daß dies unserer Arbeit ei neswegs dienlich ist."
In einem Schlußwort erklärte das Mitglied des Politbüros der KP Finnlands, Salomaa: " 5 wichtigste Schlußfolgerung aus unserer Diskussion ist, daß sich die kommunistischen Parteien heute in ihrer Tätigkeit nict Von, b 5. Schlüssen leiten lassen können, die in en er und 30er Jahren richtig waren, zu einer Zeit, da der Kapitalismus anders war als heute. Die Bedingungen haben sich wesentlich verändert. Eine erfolgreiche Arbeit der Partei bedingt eine Neueinschätzung der Lage, neue Schlußfolgerungen und neue Arbeitsmethoden." (Zitiert nach: „Probleme des Friedens und des Sozialismus", Nr. 12/1966.)
Auf der Konferenz kommunistischer Parteien Europas vom 21. bis 26. April 1967 in Karlsbad wurden ebenfalls Richtlinien für die weitere politische Arbeit der Kommunisten in nichtkommunistischen europäischen Ländern festgelegt. Die Organisierung von Massenaktionen — selbstverständlich unter Führung der Kommunisten als „Avantgarde der Arbeiterklasse" und mit direkter organisatorischer, personeller, propagandistischer und diplomatischer Unterstützung durch kommunistisch regierte Staaten Europas — wurde in Karlsbad an die erste Stelle eines Maßnahmen-Katalogs gestellt.
Auf einem Konsultativtreffen kommunistischer Parteien von Ende Februar bis Anfang März 1968 in Budapest forderte Max Schäfer, Mitglied des Politbüros der KPD, eine Verstärkung der „Einheit der kommunistischen und Arbeiterbewegung", stellte „neue Erscheinungen in der gesellschaftlichen Entwicklung" in den „kapitalistischen Ländern", so auch in der Bundesrepublik Deutschland, fest und verlangte eine weitere Forcierung der Bemühungen um die Herstellung der „Einheitsfront von unten" zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten sowie „fortschrittlichen" Teilen des Bürgertums, Christen und „demokratischen Kräften aus allen Schichten des Volkes".
Nicht ohne Auswirkungen auf die „offene Arbeit" der KPD in der Bundesrepublik blieb auch der VII. Parteitag der SED im April 1967. SED-Chef Ulbricht erklärte damals in seinem mehrstündigen Referat (das durch einen Beschluß des Parteitages an Stelle einer Entschließung zur parteioffiziellen Stellungnahme erklärt wurde): „Wir wissen, daß die Über-windung der friedensfeindlichen militaristischen und neonazistischen Kräfte (in Westdeutschland) nur im Kampf um die elementarsten demokratischen Forderungen und durch den Zusammenschluß und die Verständigung aller demokratischen Kräfte, von der Vorhut der Arbeiterklasse (damit sind die Kommunisten gemeint — H. Bw.) bis zu den werktätigen Bauern und der fortschrittlichen Intelligenz, bis zu den demokratischen Kräften des Bürgertums möglich ist.'Nach den Leitlinien, die der in Ost-Berlin residierenden KPD-Führung von Politbüro und Zentralkomitee der SED vorgezeichnet wurden, und im Sinne gemeinsamer Konferenzen von SED und KPD in Mitteldeutschland sowie verschiedener, oben erwähnter internationaler KP-Besprechungen führte und führt die in der BRD verbotene KPD ihre „offene Arbeit" zum Beispiel so durch:
Veranstaltungen in der Bundesrepublik: Foren, Diskussionen, Pressefeste, „Friedensfahrten" und dergl.
Versuchte oder vollendete Beeinflussung anderer Veranstaltungen (Ostermärsche etc.) sowie bestehender Organisationen. Kandidatur von Kommunisten bei Wahlen. Arbeit in den Betrieben; Tätigkeit von Mitgliedern der illegalen KPD als Betriebsräte; Tätigkeit kommunistischer Betriebsgruppen oder Betriebsstützpunkte, deren Mitglieder als Einzelpersonen meist offen im kommunistischen Sinne agitieren (die Gruppen arbeiten nach Regeln der Konspiration).
Gründung von überwiegend kommunistisch beeinflußten Organisationen, wie zum Beispiel der am 22. November 1967 in Stuttgart gegründeten „Demokratischen Linken" (DL). 1. Vorsitzender der DL wurden Eugen Eberle, der früher Mitglied der KPD-Landesleitung Baden-Württemberg war und jetzt parteiloser Stadtrat in Stuttgart ist. Interessant ist, wie sich die „Mitgliedschaft der ersten Stunde" der DL, d. h. zum Zeitpunkt der Gründung bzw. kurz danach, zusammensetzte: 30 Prozent der DL-Mitglieder kamen aus der KPD; 40 Prozent waren (davon die meisten als „Abgesandte" der KPD) Mitglieder der DFU und 6 Prozent gehörten früher der SPD an, aus der sie entweder ausgeschlossen wurden oder aus der sie austraten. Der Rest von 24 Prozent war vor seinem Eintritt in die DL anderweitig oder überhaupt nicht politisch organisiert.
Bei der „offenen Arbeit" verzichten die Kommunisten zwar nicht völlig auf die Anwendung konspirativer (Schutz-) Maßnahmen, jedoch wird darauf geachtet, daß alle Formen „offener Arbeit" nach außen dicht unterhalb der „Verbotsschwelle" bleiben.
Forderung nach Aufhebung des KPD-Verbots In einer als Manuskript vorliegenden „Erklärung des Parteivorstandes der KPD — , Die KPD lebt! Hinweg mit dem Verbot!'vom 17. August 1956" (zitiert nach: „KPD 1945— 1965", Dietz Verlag Ost-Berlin, 1966) heißt es:
„Die KPD-ist da, und die KPD bleibt da. So erfordert es das Interesse der Arbeiterklasse und des Volkes . . . Das Volk wird das Urteil gegen die KPD niemals anerkennen, weil es gegen Frieden, Freiheit und nationale Wiedervereinigung gerichtet ist.. . Die KPD kann man nicht ausschalten und schon gar nicht beseitigen, sie ist Fleisch vom Fleisch der deutschen Arbeiterklasse. Die KPD hat tiefe Wurzeln in der Arbeiterklasse und im Volk, denn sie vertritt die Interessen der Arbeiterklasse und des Volkes . . . Freiheit für die KPD! Weg mit dem Verbot! Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Rechte der KPD!"
Vom Tage des Verbots der KPD an protestierten die deutschen Kommunisten — die SED ebenso wie die KPD — gegen das Verbot und forderten die Wiederzulassung der Partei. Die Forderung nach Wiederzulassung der KPD, aus dem Selbstverständnis der KPD durchaus begreiflich, wurde in den kommenden Jahren und trotz der Gründung der DKP bis hinein in unsere Zeit (auf diese scheinbare „Schizophrenie" wird an anderer Stelle noch eingegangen) zu einem Hauptbestandteil der kommunistischen Agitation in der und gegen die Bundesrepublik Deutschland. Seit 1956 wiederholen die Kommunisten stereotyp den Ruf „Weg mit dem Verbot der KPD" auf verschiedenen Agitationswegen und Kommunikationsebenen: In Publikationen, in Rundfunksendungen vom Boden der SBZ aus, in Reden, auf Pressekonferenzen, in Offenen Briefen und in Schreiben an die Bundesregierung, an die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen, an Abgeordente etc.
In der bereits zitierten, in Ost-Berlin erschienenen Broschüre „KPD 1945— 1965" heißt es in dem Abschnitt „Der Kampf um die Wiederherstellung der Legalität der KPD" unter anderem: „Die Partei ist seit zehn Jahren nicht mehr in der Lage, ihre Politik offen darzulegen. Das Ringen um die Wiederherstellung der Legalität ist ein untrennbarer Bestandteil des Kampfes um Demokratie und Friedenssicherung in der Bundesrepublik. Dieser Kampf wird seit Jahren beharrlich, kontinuierlich und mit zunehmender Kraft im In-und Ausland geführt." Oft ergibt sich dabei der Eindruck, daß es sich nur noch um eine Agitationsphrase handelt: eine Platte, die vor allem aus taktisch-psychologischen Gründen immer wieder und immer noch abgespielt wird. Immerhin weiß die KPD-Führung sehr genau, daß eine Aufhebung des durch das Bundesverfassungsgericht ausgesprochenen Verbotsurteils — und damit eine Wiederzulassung der KPD — aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist. Darüber hinaus gab und gibt es selbst in der Führungsspitze der KPD Funktionäre, die einer wiederzugelassenen KPD keine politische Chance geben. Diese Skeptiker sehen — gewiß zu Recht —, daß mit einer Wiederzulassung der KPD nur wieder eine politische Sekte in die politische Landschaft der Bundesrepublik eintreten würde, die keine Aussicht hat, in der offenen politischen Auseinandersetzung mit den demokratischen Parteien und in einer freien Wahl zu bestehen. Die offizielle Parteilinie jedoch wurde von der Überzeugung (in Wirklichkeit jedoch von der Fehleinschätzung der realen Situation) abgeleitet, daß die „Bundesrepublik gerade jetzt eine legale KPD braucht"
(so argumentierte zum Beispiel der kommunistische Informationsdienst „Bonner Korrespondenz" vom 8. 8. 1968). In Moskau gab sich Reimann in einem Gespräch mit einem westlichen Diplomaten übertrieben zuversichtlich:
Die KPD würde heute schon „ 20 Prozent der Stimmen" in der Bundesrepublik gewinnen, wenn die Kommunisten sich wieder der Wahl stellen könnten („Die Welt", 30. 4. 1968).
Die internationale kommunistische Monatsschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus" schrieb in der Ausgabe Nr. 9/1968 unter der Überschrift „Die KPD lebt und kämpft" unter anderem: „Ungeachtet des Terrors und der Verfolgungen lebt und kämpft sie, ihr Einfluß wächst, denn die KPD ist die einzige Partei, die zur Politik der herrschenden Kreise eine wirkliche Alternative aufgestellt hat, der auch die anderen demokratischen Kräfte folgen können."
Der Autor des zitierten Artikels behauptet weiter, daß „die Autorität der Partei nach der im Februar dieses Jahres (1968 — H. Bw.) erfolgten Veröffentlichung des Entwurfs des Programms der KPD noch größer geworden" sei, und zwar, wie Max Reimann in einem Interview mit der italienischen KP-Zeitung „L Unita" Anfang Mai 1968 feststellte, „in den Gewerkschaften, in der Sozialdemokratie, unter den jungen Arbeitern und Studenten, in den Intellektuellenkreisen und unter den Katholiken“, bei denen es „genügend fortschrittliche Kräfte" gebe. „Die KPD", so betonte Reimann in dem Interview, sei ein „untrennbarer Bestandteil der Aufgaben der demokratischen Kräfte" in der Bundesrepublik Deutschland (zitiert nach „Deutschlandsender" Ost-Berlin, 8. 5. 1968).
Der „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD"
Anfang des Jahres 1967 glaubte die KPD, einen für sie und ihre Forderungen günstigen Trend — gleichsam eine Art „Aufweichung" — in der öffentlichen Meinung der Bundesrepublik Deutschland feststellen zu können. Die Äußerungen zahlreicher Politiker über eine mögliche Neugründung der KPD (im Sinne des Artikels 21 GG), die öffentliche Erörterung der rechtlichen Problematik einer Wiederzulassung der KPD bzw. einer Aufhebung des KPD-Verbots und eine größere Anzahl von Publikationen in Presse, Rundfunk und Fernsehen der Bundesrepublik über das KPD-Verbot und die möglichen Chancen einer neu gegründeten kommunistischen Partei in der BRD vermittelten der Wiederzulassungskampagne der KPD neue Impulse, die im Frühjahr 1967 zu einer Intensivierung und Koordinierung dieser Art „offener Arbeit" führten. Auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main stellte sich am 13. März 1967 ein „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD" vor, der von fünf führenden Kommunisten gegründet worden war: Karl Schabrod, Düsseldorf; Franz Ahrens, Hamburg; Kurt Erlebach, Hamburg; Richard Scheringer, Kösching/Bayern; Manfred Kapluck, Essen.
Seit seiner Gründung führte der „Initiativausschuß" zahlreiche Veranstaltungen durch bzw. traten Mitglieder des „Initiativausschusses"
als Redner auf Veranstaltungen auf, zu denen unter anderem kommunistische Hilfs-und Tarnorganisationen, aber auch nichtkommunistische Organisationen eingeladen hatten. Der „Initiativausschuß" forderte niemals nur die Wiederzulassung der KPD, sondern gab auch für diese Partei programmatische Erklärungen ab, obwohl die Ausschußmitglieder ständig behaupteten, daß der „Initiativausschuß" nichts mit der verbotenen KPD zu tun habe. Interessant ist, daß der „Initiativausschuß" nach der Gründung der DKP im Oktober 1968 bis zum Januar 1969 keine Erklärung dahin gehend abgegeben hat, daß er seine Aufgabe nach der Gründung einer legalen kommunistischen Partei in der Bundesrepublik — der DKP — als erledigt betrachte.
KPD-Programmentwurf als Stimulans Nicht ganz ein Jahr nach dem ersten Auftreten des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD" wurden in der Wiederzulassungskampagne der KPD „mit dem Programm-entwurf neue Fakten gesetzt" („Bonner Korrespondenz", 8. 8. 1968). Anfang Februar 1968 wurden aus Ost-Berlin drei seit dem Verbot der KPD dort lebende Spitzenfunktionäre des Zentralkomitees der KPD in das Bundesgebiet geschickt, und zwar Max Schäfer, Herbert Mies und Grete Thiele. Diese drei KPD-Funktionäre sollten am 8. Februar 1968 auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main den Entwurf eines Parteiprogramms der KPD vorlegen und erläutern.
Der Polizeipräsident von Frankfurt/Main verbot die geplante Pressekonferenz unter Hinweis auf § 5 Nr. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Versammlungsgesetzes, da mit dieser Pressekonferenz „die verbotenen Ziele dieser Partei" (der KPD — H. Bw.) durch einen „Funktionär der verbotenen KPD" gefördert und fortgesetzt werden sollen.
In der Verbotsbegründung des Frankfurter Polizeipräsidenten heißt es weiter: „Aus wiederholten Erklärungen der Organe der verbotenen KPD ergibt sich, daß es Ihnen nicht um die Neugründung einer verfassungsrechtlich unbedenklichen Partei, sondern um die Fortführung der verbotenen Partei mit den für verfassungswidrig erklärten Zielen geht" (Hervorhebungen d. H. Bw.).
Am 15. Februar 1968 veröffentlichte die SPD-Bundestagsfraktion in ihren „Informationen"
(Tagesdienst Nr. 102 vom 15. 2. 1968) folgende Erklärung: „Im Innenausschuß (des Bundestages — H. Bw.) ist heute das Auftreten von Mitgliedern der verbotenen KPD auf Presse-konferenzen behandelt worden. Der Innenausschuß hat es begrüßt, daß der Bundesinnenminister im Benehmen mit dem Bundesjustizminister Klarheit darüber geschaffen hat, wo eingeschritten werden muß.
Der Ausschußvorsitzende Hermann Schmitt-Vockenhausen (SPD) erklärte dazu, daß die Pressekonferenzen nur den Zweck verfolgten, die Öffentlichkeit zu verwirren. Mit einer Initiative zur Gründung einer neuen Partei habe die Pressekonferenz jedenfalls nichts zu tun gehabt. Offensichtlich seien die Veranstalter gar nicht daran interessiert, daß es in der Bundesrepublik Deutschland wieder eine kommunistische Partei gibt, sonst würden sie sich nicht auf die Wiederzulassung einer vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärten und mithin verbotenen Partei konzentrieren, sondern den möglichen Weg der Gründung einer neuen Partei gehen, deren Satzung und Tätigkeit sich im Rahmen des Grundgesetzes hält."
Der kommunistische „Deutsche Freiheitssender 904" brachte am 26. Februar 1968 Auszüge aus der Rede Reimanns auf der 11. Tagung des ZK der KPD. Danach erklärte Reimann zum Programmentwurf der KPD und zu dessen Bedeutung für die illegale und „offene" Arbeit der Partei unter anderem: „Mit der Veröffentlichung des Entwurfs des Programms der KPD muß ein neuer Aufschwung im Leben und Kampf der Partei erreicht werden . .. Das ZK stellt diesen Entwurf in der Partei, in der Arbeiterklasse, in der Öffentlichkeit zu einem Zeitpunkt zur Diskussion, da . . . das Interesse in der Arbeiterklasse und der jungen Generation an der Politik der KPD, die Rolle unserer Partei zunimmt und zugleich höhere Anforderungen an die politische und ideologische Arbeit der Kommunisten gestellt werden ... Primär muß die Diskussion in der Partei zur Klärung unserer Strategie und Taktik, zur Steigerung der politischen Aktivität der Mitglieder und Grundorganisationen führen . .. Die Diskussion wird geführt mit dem Ziel, die Partei, vor allem die Grundorganisationen politisch und organisatorisch zu stärken ... Wir sollten alle Möglichkeiten nutzen, die sich in den Gewerkschaften, mit Sozialdemokraten, mit der Arbeiterjugend, an den Universitäten usw. ergeben, um den Entwurf als ganzes oder auch in Teilfragen zur Diskussion zu stellen . .. Durch die damit verbundene notwendige Verstärkung unserer Massenarbeit wachsen auch die Möglichkeiten für die Werbung neuer Mitglieder. Konsequenter sollten wir dies im Interesse der Stärkung der Kampfkraft unserer Partei nutzen."
Fast alle Autoren, die sich eingehend mit dem Entwurf eines „Programms der KPD" beschäftigt haben, stimmen darin überein, daß dieses Programm trotz seiner formalen Anerkennung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland mit diesem nicht vereinbar ist, sondern in vielen Passagen einen Abklatsch der zur gleichen Zeit in Mitteldeutschland vorgelegten neuen „Sozialistischen Verfassung der DDR" darstellt.
Die sozialdemokratische Wochenzeitung „Vorwärts" zum Beispiel stellte in ihrer Ausgabe vom 15. Februar 1968 eindeutig fest: „Wer erwartet hatte, die seit 1956 illegale KPD werde im Laufe der Jahre eine entdogmatisierte Konzeption etwa nach dem Beispiel des italienischen Kommunismus entwickeln, ist seit dem vergangenen Donnerstag um eine Illusion ärmer. Der in Frankfurt/Main unter spektakulären Umständen vorgestellte Entwurf eines . Programms der Kommunistischen Partei Deutschlands'behauptet zwar: . . die KPD gestaltet ihre Politik auf dem Boden des 1 Grundgesetzes', indessen ist sein Inhalt dem stalinistischen Arsenal der Ulbricht-Gruppe entnommen." (Hervorhebungen d. H. Bw.)
Der im Februar 1968 veröffentlichte Programm-• der KPD enthält keine bedeuten) Änderungen der ideologisch-politischen Grundlagen, der Ziele sowie der Strategie und Taktik der KPD. Das Bekenntnis zum „Marxismus-Leninismus" und — allerdings „entschärft" und verklausuliert — zur „Diktatur des Proletariats" im Sinne Lenins wird bestätigt. In der Frage der Revolution hält sich die KPD in ihrem Programmentwurf beide Möglichkeiten, den „friedlichen" und den gewaltsamen Weg, offen. Die meisten Formulierungen des Programmentwurfs waren allerdings von dem mit der Vorlage dieses Entwurfs verfolgten Ziel — die Wiederzulassung der KPD und Sympathiewerbung in weiten Kreisen der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland, vor allem jedoch unter Gewerkschaftern und „unzufriedenen" Sozialdemokraten — bestimmt.
Der Programmentwurf der KPD fand allerdings bei den von der KPD herausgestellten Zielgruppen nur geringe Resonanz. Die Enttäuschung der KPD-Führung über diesen offensichtlichen Mißerfolg wurde durch Hinweise auf „Verbote, Verhaftungen und Beschlagnahmungen" und eine „neue Kommunistenhatz" kaschiert. Die eigene Bedeutung und Bedeutsamkeit maßlos überschätzend behaupteten die Kommunisten, daß „seit Fanny Hill keine Schrift so von der Verbotsbürokratie in Westdeutschland gejagt worden" sei „wie der Entwurf des Parteiprogramms der KPD" („Bonner Korrespondenz", 8. 8. 1968).
In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß aus einigen linkssozialistischen Bereichen der „Außerparlamentarischen Opposition" in der BRD der Programmentwurf der KPD teilweise heftig und polemisch kritisiert wurde. „Eine neue KPD? — Niemals!"
Mitte der sechziger Jahre, in besonderem Maße seit Anfang 1968, geriet die Arbeit und Agitation der KPD in eine Etappe, die auf den ersten Blick schizoid erscheinen mag, die sich jedoch bei näherer Betrachtung und besonders nach einer Analyse der bisher erkennbaren Organisation und Tätigkeit der DKP als eine — psychologisch recht geschickt angelegte — doppelgleisige Taktik erweist.
Führende Politiker der Bundesrepublik Deutschland, darunter mehrere Bundesminister und die Innenminister der Länder (so auf der Innenministerkonferenz in Ulm am 12. Oktober 1967), hatten in den Jahren 1967 und 1968 immer wieder darauf hingewiesen, daß es durchaus möglich sei (nach Artikel 21 GG), eine kommunistische Partei in der Bundesrepublik neu zu gründen, wenn diese Neugründung auf dem Boden des Grundgesetzes stehe und vor allem nicht gegen Artikel 21 Abs. 2 GG verstoße.
Die Kommunisten reagierten auf solche Angebote äußerst ablehnend und beharrten nicht nur auf ihrer Forderung nach Wiederzulassung der 1956 verbotenen KPD, sondern verstärkten die Wiederzulassungskampagne sogar noch erheblich.
Das Zentralkomitee der KPD erklärte zum Beispiel sofort nach der Ulmer Innenminister-konferenz vom 12. Oktober 1967: „Die Bewegung für die Aufhebung des KPD-Verbots wird in der Bevölkerung immer breiter und umfassender. Offenbar wollen die Innenminister mit ihrer Erklärung der weiteren Entfaltung dieser Bewegung entgegenwirken . . . Eine Partei ohne kommunistische Ziele wäre in Wirklichkeit keine kommunistische Partei . . . Die Lösung kann daher nur darin bestehen, daß das Verbot der in der Illegalität bestehenden KPD aufgehoben und daß alle Unterdrückungsmaßnahmen gegen ihre Funktionäre, Mitglieder und Anhänger eingestellt bzw. rückgängig gemacht werden ..." (zitiert nach: „Neues Deutschland", Zentralorgan der SED, 14. 10. 1967).
Der „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD" erklärte in einem „Offenen Brief" vom 4. Oktober 1967, daß „eine . Neugründung'der KPD weder politisch noch juristisch vertretbar" sei und es jetzt vielmehr darauf ankomme, „die an das Parlament und die Regierung gerichteten Vorschläge zur Wiederzulassung der KPD unverzüglich anzunehmen und das widerrechtliche Verbot endlich aufzuheben."
Auch in einem Interview des kommunistischen „Deutschen Freiheitssenders 904" vom 27. November 1967 mit den Mitgliedern des Politbüros der KPD Willi Mohn und Erich Glückauf wurde die Neugründung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik Deutschland entschieden abgelehnt. Nachstehend wer den die in diesem Zusammnhang wichtigsten Passagen dieses Interviews wiedergegeben, da die darin enthaltenen Aussagen zweier führender KPD-Funktionäre (von denen einer, Erich Glückauf, vor Jahren als „Verbindungsmann" vom ZK der SED abgestellt und in das Politbüro der KPD „delegiert" wurde) in den folgenden Monaten immer wieder in der kommunistischen Agitation gegen eine Neugründung der KPD verwendet wurden:
„Sprecher: Aber gerade die Minister, von denen Du vorher gesprochen hast, betonen immer wieder, nicht die Aufhebung des KPD-Verbots streben sie an, sondern die Neugründung . . .
Mohn: . . . Sie sagen, so hat es die Innenministerkonferenz festgestellt, die KPD kann sich neu gründen mit den alten Mitgliedern, aber sie darf nicht auf dem Boden des Marxismus-Leninismus stehen. Sie wünschen sich eine KPD, die keine KPD wäre, bei der Kiesinger eventuell Ehrenvorsitzender werden könnte, eine KPD, die die Bonner Politik mehr oder minder toleriert. . . Aber das ist keine KPD, denn die KPD braucht sich nicht neu zu gründen. Die wurde 1918 gegründet. . .
Sprecher: Ja, Genosse Glückauf, es ist aber so, daß besonders viele junge Arbeiter sagen, lassen wir doch ’ne neue Partei gründen. Was wir draus machen, ist doch unsere Sache.
Glückauf: Natürlich ist eine Ungeduld unter den Menschen, die endlich eine legale KP erwarten. Und aus dieser Ungeduld heraus kommen dann auch solche Überlegungen. Das ist nicht ganz unverständlich. Aber es ist doch erforderlich, sich den Kopf anzustrengen, um wirklich zu überlegen, was steht hinter der Absicht der Neugründung . . . man will eine geläuterte KPD, eine nach dem Willen der gegenwärtigen Koalitionsregierung maßgeschneiderte KPD.
Sprecher: Im Kaiserreich hieß das Seiner Majestät allergetreueste Opposition . . . Glückauf: . . . Nie und nimmer wird ein Kommunist für solch eine Art der Neugründung einer KPD auch nur den kleinen Finger reichen. Mohn: . . . man braucht die KPD, man braucht eine Kraft, die in den Parlamenten wirksam wird und konsequent die Interessen der Werktätigen vertritt und die im Großen wie auch im Kleinen für eine Änderung der Politik eintritt . . .
Glückauf: . . .denn das ist das Neue in diesem Jahr, daß die Bewegung für die Zulassung der KPD in engem Zusammenhang steht mit der großen Entfaltung der Bewegung der Massen für eine neue Politik, sei es auf sozialem Gebiet, sei es im Kampf gegen die Notstandsgesetze, sei es im Kampf um eine wirkliche Politik des Friedens und Entspannung, durch die Anerkennung der Realitäten . .. und in diese Bewegung ist eingebettet die Forderung um die Legalität der KPD.
Mohn: . . . nur im Kampf wird die KPD ihre Legalität erreichen, und zwar die KPD, so wie sie 1918 gegründet wurde ... mit ihrem Programm einer marxistisch-leninistischen Partei, die zur großen Familie der kommunistischen Weltbewegung gehört."
Das Mitglied des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD", Manfred Kapluck, veröffentlichte in den von der „Vereinigung Unabhängiger Sozialisten" (VUS) herausgegebenen „Sozialistischen Heften" (Nr. 3/1968) ein „Plädoyer für eine legale KPD".
Zur Frage „Neugründung oder Relegalisierung der KPD?" meinte Kapluck: „Da die KPD trotz aufgezwungener Illegalität in der Bundesrepublik lebt und wirkt, geht es jetzt — da ihr Verbot politisch und rechtlich unhaltbar geworden ist — darum, dieser KPD ihre legitimen und demokratischen Rechte wieder zu gewähren, nicht aber irgendeine pseudokommunistische Partei neu zu gründen. Die Neugründungsempfehlungen der Innenminister zielen jedoch offensichtlich darauf ab, die KPD zu veranlassen, auf ihre marxistisch-leninistischen Prinzipien und ihre sozialistische Zielvorstellung zu verzichten, um sich dadurch die Legalität zu erkaufen. Das ist unzumutbar und irreal. . . Also: Wenn man die Frage, ob es in der Bundesrepublik eine legale kommunistische Partei geben kann und geben soll, positiv beantwortet, dann sollte man auch davon ausgehen, daß es um die Wiederzulassung eben der KPD geht, die soeben den Entwurf ihres Programms der Öffentlichkeit übergeben hat."
Bei einer anderen Gelegenheit äußerte sich Kapluck noch drastischer: „Wir wollen keine kommunistische Partei, der die Zähne fehlen. Wir wollen ein scharfes Gewürz, Cayenne-Pfeffer, also roten scharfen Pfeffer." („Die Welt", 30. 4. 1968) Überlegungen hinter den Kulissen Die für den illegalen KPD-Apparat gültige, von der KPD-Führung in Übereinstimmung mit SED-und sowjetischen KP-Funktionären fest-B gelegte Leitlinie war die Maßgabe, daß eine verbotene kommunistische Partei den Ausweg aus der Illegalität niemals durch eine auch nur vorübergehende Preisgabe ihrer kämpferischen Ziele einhandeln dürfe. Hinter den Kulissen jedoch, vom „Apparat" und den Wiederzulassungs-Agitatoren kaum bemerkt, wurden in Übereinstimmung mit der Führung der SED und der KPdSU in der Führungsspitze der KPD Überlegungen angestellt, die eindeutig auf eine Neugründung — oder wie es in der kommunistischen Terminologie heißt: Neukonstituierung kommunistischen — einer Partei in der Bundesrepublik Deutschland hinzielten. Ein wichtiger Entscheidungspunkt dieser Mitte 1968 noch internen Entwicklung, die parallel zu der immer hektischer werdenden Wiederzulassungskampagne verlief, war ein Gespräch, das die beiden Mitglieder des Zentralkomitees der KPD, Max Schäfer und Grete Thiele, Anfang Juli 1968 im Bundesjustizministerium führten. Spätestens bei diesem Gespräch muß den kommunistischen Gesprächspartnern endlich klar geworden sein, daß die Forderung nach 'Wiederzulassung der verbotenen KPD bzw. nach Aufhebung des KPD-Verbots unter anderem durch Grundgesetzartikel 21 Absatz 2 bedingt — völlig irreal ist. (Trotzdem wird diese Forderung bis in die jüngste Zeit hinein, auch nach Gründung der DKP, aus taktischen, politisch-psychologischen Gründen immer wieder erhoben.)
Nach dem Gespräch der KPD-Funktionäre im Bundesjustizministerium traten das Politbüro und das Zentralkomitee der KPD zu einer Geheimsitzung zusammen, auf der der Weg in Richtung auf Neugründung bzw. Neukonstituierung einer kommunistischen Partei in der BRD festgelegt wurde.
Mindestens einmal gab es noch vor Gründung der DKP aus dem Munde führender KPD-Funktionäre vage Andeutungen über „andere Möglichkeiten" als die „Wiederzulassung" der KPD. Am 28. März 1968 veranstalteten in Bonn die Mitglieder der „Kommission für Verhandlungen mit der Bundesregierung der KPD (nicht zu verwechseln mit dem „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD"), Schäfer, Mies, Landwehr und Grete Thiele, in einem Bus eine „fliegende" Pressekonferenz, auf der ein Schreiben Max Reimanns an die Bundestagsfraktionen und eine schriftliche Stellungnahme von Max Schäfer verteilt wurden. In beiden Schriftstücken wird die Aufhebung des KPD-Verbots und die Wiederzulassung der KPD gefordert. Aus mündlichen Erklärungen der KPD-Funktionäre auf Fragen einiger Journalisten ergaben sich vieldeutige Hinweise darauf, daß die KPD auch andere Möglichkeiten als die der Wiederzulassung erwägt, damit die Kommunisten im Bundesgebiet in einer legalen Partei politisch tätig werden können.
Am 14. November 1968, also nach der Gründung der DKP, kehrte Max Reimann aus Ost-Berlin nach Düsseldorf zurück, nachdem das gegen ihn seit 1954 laufende Strafverfahren wegen Vorbereitung zum Hochverrat verjährt und der bestehende Haftbefehl aufgehoben worden war. Bereits vor seiner Einreise in das Bundesgebiet erklärte Reimann, daß er „zu gegebener Zeit an Ort und Stelle" Schritte zur „Aufhebung" des KPD-Verbotes einleiten werde. Am 19. November 1968 trat Reimann („ein an der Schwelle des Greisenalters stehender Mann", der „aus der Geschichte nichts gelernt und keine neuen Einsichten gewonnen" hat — SPD-Pressedienst vom 22. 11. 1968) in Düsseldorf auf einer Pressekonferenz erstmals seit 14 Jahren wieder öffentlich in der Bundesrepublik auf. Auf dieser Pressekonferenz konfrontierte der KPD-Chef seine Zuhörer, wie der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, Heinz Kühn, treffend feststellte, „mit dem alten Instrumentenladen altkommunistischer Politik" und forderte, trotz der Existenz der DKP, die Wiederzulassung der KPD.
In seiner schriftlichen Presseerklärung stellt Reimann fest: „Aber mit der Neukonstituierung einer legalen kommunistischen Partei, der Deutschen Kommunistischen Partei, ist das Problem der Aufhebung des Verbots der KPD noch nicht gelöst. . . Darum besteht weiterhin die Notwendigkeit, den Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbots zu führen. Als Leiter der Kommission für Verhandlungen mit der Bundesregierung über die Wiederzulassung der KPD sehe ich im Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbots meine Aufgabe. Idi werde durch Äußerungen in der Öffentlichkeit und geeignete Initiativen immer wieder gerade darauf hinweisen, wie schädlich dieses Verbot ist, und daß es fallen muß. Ich verstehe den Kampf um die Aufhebung des KPD-Verbots als politischen Kampf — als Teil des Ringens um eine neue Politik ...'
Am 4. Dezember 1968 schrieb Reimann unter der Anschrift Düsseldorf-Gerresheim, vonGahlen-Straße 4, an die „Regierung der Bundesrepublik Deutschland" einen Brief, in dem den „sehr geehrten Damen und Herren Ministern" „vorgeschlagen" wird, nunmehr unverB züglich die Verhandlungen über die Aufhebung des Verbots der KPD einzuleiten. Die innen-und außenpolitischen Probleme, die eng mit dem Verbot der KPD verbunden seien, wären, so betonte Reimann in seinem Schreiben an die Bundesregierung, „nicht dadurch gelöst, daß sich im Herbst dieses Jahres eine legale kommunistische Partei neu konstituiert hat". Das KPD-Verbot sei, so heißt es weiter, „nicht in erster Linie ein juristisches Problem, welches mit der Neukonstituierung der Deutschen Kommunistischen Partei nach Art. 21 GG gelöst ist, sondern es bleibt ein erstrangiges politisches Problem für die demokratische Entwicklung in der Bundesrepublik und für die Sicherung des Friedens in Europa." Am Schluß des Briefes an die Bundesregierung vom 4. Dezember 1968 wird von Reimann „vorgeschlagen", daß „die Bundesregierung einen Beauftragten benennt, sowie mir Ort und Zeitpunkt eines baldigen Verhandlungsbeginns mitteilt" (siehe auch Anhang/Dokumente).
An dieser Stelle soll wiederholt werden, daß der kommunistische Bereich in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland um die Jahreswende 1968'69 bei oberflächlicher Betrachtung den Eindruck der Zerrissenheit hinterließ; das Verhalten der Kommunisten wirkte schizoid: Einerseits wurde die Deutsche Kommunistische Partei konstituiert, andererseits wird starrsinnig und stereotyp die Forderung nach Aufhebung des KPD-Verbots erhoben. In einem der folgenden Abschnitte wird klar, daß die scheinbare Zwiespältigkeit in Wirklichkeit eine — trotz aller Verschleierungsversuche durchschaubare — Taktik in der gegenwärtigen Phase kommunistischer Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland ist.
Die Gründung der DKP war wesentlich von der für die KPD-Führung bitteren Erkenntnis bestimmt, daß es den Kommunisten in der Bundesrepublik trotz aller Bemühungen nicht gelungen war, den „progressiven Kräften" in der BRD die kommunistische „Bündnispolitik" schmackhaft zu machen, weite Bereiche der „Außerparlamentarischen Opposition" unter Kontrolle zu bringen, eine Aktionseinheit der linkssozialistischen Kräfte (unterhalb der Schwelle einer Parteigründung) unter kommunistischer Führung herzustellen und die fortschreitende Isolierung des KPD-Apparates zu durchbrechen. Außerdem wuchsen in den Führungsgremien der KPD die Befürchtungen, daß die Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland durch das Entstehen neuer linksextremer Organisationen oder Gruppen auf der politischen Bühne immer stärker in die Ecke gedrängt werden könnten. Bei solchen Überlegungen spielte auch die Furcht vor maoistischen und anarchistischen Strömungen innerhalb der APO eine Rolle. Mit der gleichen Entschiedenheit, mit der die Kommunisten es bis zum Herbst 1968 — zumindestens verbal — ablehnten, eine kommunistische Partei neu zu gründen, reagierte die KPD-und SED-Führung auf Absichten linkssozialistischer Gruppierungen in der BRD, eine Partei „links von der SPD" zu gründen. Auf keinen Fall, darüber war man sich in der Führungsspitze der KPD — und der SED — klar, dürfe in der Bundesrepublik irgendeine, von der KPD unkontrollierte „Ersatzpartei" für die verbotene KPD entstehen.
In dem Redemanuskript des Mitglieds des Politbüros der KPD, Max Schäfer, für die geplatzte Pressekonferenz am 8. Februar 1968 in Frankfurt/Main findet sich der Satz: „Wir wollen unser Programm durch die Stärkung der außerparlamentarischen Bewegung verwirklichen." Dieser „Auftrag" an die in der Bundesrepublik tätigen Kommunisten wurde offensichtlich nicht zur Zufriedenheit der Führung erfüllt.
KPD: Die Avantgarde sind wir!
Die KPD erhob und erhebt der „Außerparlamentarischen Opposition" in der BRD gegenüber nachdrücklich ihren ‘ Führungsanspruch und kritisiert ebenso offen und scharf anarchistische, „antiautoritäre", „ultralinke", maoistische und ähnliche Gruppen und Strömungen innerhalb der APO. Die KPD, so wird argumentiert, dürfe in der öffentlichen Meinung auf keinen Fall mit solchen Tendenzen identifiziert werden.
Der kommunistische „Deutsche Freiheitssen-i der 904" verkündete am 10. Juni 1968: „Und diese breite Front kann doch nur zustande-kommen, wehn sie eine führende Kraft hat, die mit einem wissenschaftlichen Programm äüsgestattet ist, die in der Lage ist, all diese Erscheinungen wissenschaftlich zu analysieren — und das ist eben der Marxismus-Leninismus. Die APO braucht ein Zentrum — und dieses Zentrum kann nur die KPD sein! ... Es geht nicht darum, daß wir Kommunisten mit dem erhobenen Zeigefinger sozusagen alles besser wissen, sondern daß wir einfach durch die Kraft unserer wissenschaftlichen Lehre und damit durch die Kraft unserer besten Argumente mit dazu beitragen, den Klärungsprozeß voranzubringen, daß wir klare Antworten auf klare Fragen geben können."
Publizistische Schützenhilfe erhielten und erhalten die westdeutschen Kommunisten bei der Anmeldung des Führungsanspruchs einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der „Außerparlamentarischen Opposition" von der SED. So wird zum Beispiel der „Außerparlamentarischen Opposition" in der Bundesrepublik im Theo-i retischen Zentralorgan des ZK der SED, „Einheit", Nr. 8/68, klargemacht, daß der von der APO beschrittene Weg nur unter der Führung einer „kampferfahrenen marxistisch-leninisti: sehen Partei der Arbeiterklasse" zum Ziel fühi ren kann.
In der internationalen KP-Monatsschrift „Probleme des Friedens und des Sozialismus , Nr. 15/68, berichtete ein Funktionär der KPD:
„Ich glaube, daß es nicht übertrieben ist, wenn ich sage, daß sich in der Mehrzahl aller Aktionen und Demonstrationen seit der Ermordung Benno Ohnesorgs vor einem Jahr ein gutes Verhältnis entwickelt hat zwischen Kommunisten, Studenten und anderen demokratischen Kräften. Wir haben den größten Ostermarsch, seit es bei uns Ostermärsche gibt, mit ungefähr 300 000 Teilnehmern durchführen können. In dieser Bewegung arbeiten Kommunisten entscheidend auf allen Ebenen, besonders an der Basis, mit den verschiedenen Kräften zusammen. Wenn ich vorhin die Bildung von Ausschüssen erwähnt habe, in denen Arbeiter, Studenten und Schüler tätig sind, dann sind diese Ausschüsse häufig auf die Initiative unserer Genossen zurückzuführen."
In einer längeren Abhandlung zum Thema „Revolutionärer Marxismus und der linke Revolutionarismus gestern und heute in der Ost-Berliner „Deutschen Zeitschrift für Philosophie", Nr. 10/68, wird kritisch festgestellt: „Die internationale Arbeiterbewegung hat seit ihrer Existenz einen ständigen ideologischen und politischen Kampf gegen rechte und linke Abweichungen, gegen den Revisionismus von rechts und von links geführt... Es zeigt sich jedoch, daß verschiedene Ideen und Forderungen des Anarchismus heute in den Auffassungen des linken Revolutionarismus fortleben und in ihm einen zentralen Platz gefunden haben. Das betrifft die Negierung der historischen Mission der Arbeiterklasse, die Ablehnung der marxistisch-leninistischen Partei, die Forderungen nach einer führenden Rolle der Intelligenz bzw. kleiner revolutionärer Gruppen, putschistische Methoden u. a. ...
Mit den folgenden Sätzen sollen besonders die Intellektuellen und Studenten in der Bundesrepublik angesprochen werden, bei denen „die Bildung der Großen Koalition zum Zusammenbruch mancher Illusionen über die Sozialdemokratie als Opponenten gegenüber dem staats-monopolistischen System" geführt habe: „Der einzig mögliche Ausweg ist für die Intelligenz und die Studenten der gemeinsame Kampf mit der Arbeiterklasse und die Aneignung des Marxismus-Leninismus. Es gibt in kleinen Gruppen der Intelligenz und der Studenten Ansätze und Versuche, eine marxistisch-leninistische Antwort auf die Fragen der gesellschaftlichen Entwicklung zu finden. Verschiedene objektive und subjektive Faktoren hindern jedoch gegenwärtig noch die Mehrheit daran, zu solchen Erkenntnissen vorzudringen." Die Genossen der KPD und deren politische Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland kritisierend stellt die SED-Monatsschrift fest: „Das Begreifen der historischen Mission der Arbeiterklasse ist besonders in solchen Ländern wie Westdeutschland sehr erschwert, in denen durch den noch geringen Einfluß der kommunistischen Partei auf die Arbeiterklasse .. . die Arbeiterklasse ihrer Aufgabe, sich an die Spitze aller antiimperialistischen und progressiven Kräfte zu stellen und ihnen den Weg und das Ziel des gesellschaftlichen Fortschritts zu zeigen, bisher nicht gerecht wurde. Das Nichterkennen der historischen Mission der Arbeiterklasse und die fehlende Einsicht in die Notwendigkeit der marxistisch-leninistischen Partei als Vorhut der Arbeiterklasse hat Vertreter der jungen Intelligenz zu sektiererischen Auffassungen von .selbsternannten Avantgarden', die völlig autonom handeln und von keiner Zentrale organisiert werden, geführt... Es kann aber auch nicht verschwiegen werden, daß sich in der . Taktik der kleinen Gruppen'Züge von kleinbürgerlicher Spontaneität und Ungeduld bei der Lösung schwieriger und komplizierter Fragen zeigen.
Die Lehre Lenins, daß die Revolution nur durch den Übergang breiter Volksmassen zur revolutionären Aktivität möglich ist, der vom Wirken objektiver Faktoren bestimmt ist, wird nicht verstanden."
Die Ost-Berliner Hochschulzeitung „Forum", Nr. 21/68, geht hart mit dem SDS („eine gespaltene Organisation ohne strategisches Ziel") ins Gericht und fordert: „Man muß sich auf die Arbeiterklasse orientieren als die Hauptkraft der sozialistischen Revolution. Wer sozialistische Politik verwirklichen will, muß unter den antiimperialistischen und demokratischen Kräften, deren konsequenteste Vertreter die Kommunisten sind, Bündnispartner suchen. "
Auf Umwegen zur DKP Anfang Januar 1968 tagte in Frankfurt am Main ein Arbeitsausschuß zur Vorbereitung einer „Sozialistischen Februarkonferenz“ am 3. Februar 1968 in Offenbach am Main. Diesem Arbeitsausschuß gehörten Vertreter der „Vereinignung Unabhängiger Sozialisten" (VUS), des „Sozialistischen Bundes“ (SB), der „Arbeitsgemeinschaft Sozialistische Opposition"
(ASO), der „Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Sozialisten" (ADS), der „Deutschen Friedensunion" (DFU), des „Sozialistischen Deutschen Studentenbundes" (SDS) und — unabhängig davon, daß die meisten der genannten Organisationen ohnehin kommunistisch beeinflußt sind — des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD" an. Der KPD-Funktionär Kurt Erlebach vom „Initiativausschuß" wurde auf dieser Sitzung als Mitglied des Präsidiums der Offenbacher Konferenz bestimmt.
Die Kommunisten versuchten über ihre offiziellen Vertreter, die Offenbacher „Sozialistische Februarkonferenz" von vornherein in ihrem Sinne zu beeinflussen und den Ablauf des Kongresses auf das kommunistische Gleis umzudirigieren. Diese Versuche scheiterten am Widerstand einiger Teilnehmergruppen, die drohten, den Kongreß platzen zu lassen. Die Kommunisten operierten recht flexibel und bemühten sich, die von ihnen angestrebte „Aktionseinheit“ nicht von vornherein durch taktisch falsche Züge zu gefährden.
Als Ergebnis der „Sozialistischen Februarkonferenz" wurde am 3. Februar 1968 in Offenbach das „Sozialistische Zentrum" (SZ) gegründet. Nach der in Ost-Berlin erscheinenden „Dokumentation der Zeit" (2. Aprilheft 1968) waren zu der Konferenz „ 1 500 Teilnehmer aus allen Teilen der Bundesrepublik und West-Berlin" erschienen, die „die wichtigsten Gruppen der linksoppositionellen Kräfte repräsentierten, die lange Zeit getrennt voneinander gewirkt hatten". Mit dem „Sozialistischen Zentrum" sei in der Bundesrepublik eine „Sammlungsbewegung entstanden, die geeignet ist, die zahlreichen Gruppen und Gruppierungen der außerparlamentarischen Opposition zusammenzuführen, um den Aktionen gegen die Politik der Großen Koalition größere Schlagkraft zu verleihen."
Das Zentralorgan der SED, „Neues Deutschland", veröffentlichte am 9. Februar 1968 die Stellungnahme eines „Sprechers des ZK der KPD" zur „Sozialistischen Februarkonferenz". Danach erklärte der KPD-Funktionär — angeblich in Düsseldorf: „Wir Kommunisten betonen die Notwendigkeit der Zusammenarbeit aller dieser Kräfte und lenken die Aufmerksamkeit der Sozialisten auf die Millionen Arbeiter und Bürger, die von der SPD beeinflußt werden, auf jene Massen von Werktätigen, die in den Gewerkschaften organisiert sind und von den Beschlüssen dieser ihrer Organisationen aus den Kampf gegen das herrschende System führen.
Die sozialistischen Kräfte werden in dem Maße ihrer Rolle gerecht, wie sie es verstehen, sich mit diesen Massen zu verbinden und sie zu aktivieren für die Forderungen, die im Aktionsprogramm des Sozialistischen Zentrums enthalten sind.
Wir Kommunisten selbst haben in einigen Fragen, wie sie im Aktionsprogramm formuliert sind, andere oder weitergehende Auffassungen, sind aber der Meinung, daß diese Fragen, wie die Rolle der sozialistischen Staaten im weltrevolutionären Prozeß, die Bedeutung der DDR für die Klassenauseinandersetzung mit dem Imperialismus in der Bundesrepublik, in kameradschaftlicher Aussprache weiter geklärt werden müssen."
Die Kommunisten sicherten sich sofort nach Gründung des Sozialistischen Zentrums einen Platz in der „Politischen Bürokommission"
(entspricht etwa dem Politbüro) durch Kurt Erlebach vom „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD" und außerdem mehrere direkte Stimmen in dem „Arbeitsausschuß"
(der etwa dem Zentralkomitee entspricht). In Wirklichkeit sind die Kommunisten in den Führungsgremien des „Sozialistischen Zentrums" mit Hilfe etlicher dem SZ angehörender kommunistisch beeinflußter oder manipulierter Gruppen stärker vertreten. Trotzdem gelang es den Kommunisten nicht, das Konglomerat linkssozialistischer und pseudosozialistischer Strömungen, den „bunten Haufen ... enttäuschter oder von der SPD ausgeschlossener Sozialdemokraten, Schwarmgeister, denen der Blick für das Mögliche und Notwendige fehlt, potentieller Antidemokraten, denen das Grundgesetz nur ein Lippenbekenntnis ab-lockt" (SPD-Pressedienst, 1. 2. 1968), in den Griff zu bekommen und das „Sozialistische Zentrum" zu einem kollektiven Koordinationszentrum und zu einem Wahlbündnis (unterhalb der Schwelle einer Parteigründung) „links von der SPD" unter kommunistischer Führung zu entwickeln.
Selbst die Tatsache, daß der „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD" (auf diesem Wege der KPD-Apparat) mehr Geld in das SZ investierte als die anderen am „Sozialistischen Zentrum" beteiligten Gruppen, konnte an dieser Entwicklung nichts ändern.
Die Kommunisten suchten sehr bald nach einer anderen Operationsbasis außerhalb des „Sozialistischen Zentrums" und nach weiteren Möglichkeiten zur Schaffung eines Wahlbündnisses der „demokratischen und sozialistischen Kräfte auf möglichst breiter Grundlage". Bereits im März 1968 hatten „ 15 bekannte Kommunisten Nordrhein-Westfalens" erklärt: „Wir würden es für sinnvoll und für die politische Bewußtseinsbildung förderlich halten, beim Bundestagswahlkampf 1969 die außerparlamentarische Bewegung, die dann sicherlich doppelt notwendig sein wird, mit den Möglichkeiten des Kampfes um ihre entsprechende parlamentarische Repräsentation zu koordinieren . . . Wir treten . . . für ein Wahlbündnis demokratischer und sozialistischer Kräfte auf möglichst breiter Grundlage ein, das für alle Beteiligten die größten Erfolgschancen bietet, und sind bereit, uns an einem solchen Bündnis zu beteiligen."
Die Unterzeichner dieses „an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens verschickten Schreibens" (nach einer Meldung der sowjetzonalen Nachrichtenagentur ADN vom 25. 3. 1968) erklärten sich bereit, „Erwägungen zu einer unabhängigen Kandidatur als Kommunisten zurückzustellen, wenngleich eine solche Kandidatur den Interessen der Arbeiterschaft unmittelbar entspräche und auch das Bemühen um die Aufhebung des KPD-Verbots fördern würde."
Bekannteste Unterzeichnerin dieses Schreibens war die ehemalige KPD-Bundestagsabgeordnete Grete Thiele, Mitglied des Zentralkomitees der KPD.
Im späten Frühjahr 1968 kam es dann — wohlgemerkt trotz Bestehens des „Sozialistischen Zentrums" — mit direkter und indirekter (über von der KPD gesteuerte Organisationen) Unterstützung der Kommunisten zur Gründung des „Gießener Kreises", dem unter anderem Vertreter der DFU, der „Kampagne für Demokratie und Abrüstung", des „Bundes der Deutschen" (BdD), des „Sozialistischen Bundes" (SB) von Professor Abendroth, Marburg, der KPD (u. a. Grete Thiele) und — sozusagen als „Paradepferde" — die Professoren Dr. Werner Hofmann, Marburg, und Dr. Helmut Ridder, Gießen, beitraten.
Der Stellvertretende Generalsekretär des BdD, Dr. Hans Brender (ehemals KPD-Funktionär bei der Landesleitung Schleswig-Holstein der KPD), verschickte am 24. Mai 1968 mit einem Anschreiben „Grundgedanken zum Aufruf zur Bildung eines Wahlbündnisses", die auf einer Sitzung des „Gießener Kreises" am 4. Mai 1968 erarbeitet worden waren. In dem Schreiben Dr. Brenders heißt es unter anderem: „Verschiedene Gruppen haben erklärt, daß sie zur Bundestagswahl mit einem Alternativprogramm zur Großen Koalition auftreten wollen und dabei ein Bündnis mit anderen demokratischen Kräften anstreben — so in letzter Zeit die DFU, der BdD und eine Gruppe von Kommunisten in Nordrhein-Westfalen."
Auf einer Pressekonferenz am 1. Juli 1968 in Bonn unterbreitete der „Gießener Kreis" der Öffentlichkeit einen „Aufruf zu einem Wahlbündnis für 1969". Auf dieser Pressekonferenz beantwortete Prof. Hofmann unter anderem diese Frage: „Die KPD hat ihren eigenen Begriff von Demokratie. Ist dieser mit Ihrem eigenen identisch?". Prof. Hofmann antwortete — selbstverständlich im Sinne seiner kommunistischen „Bündnispartner" —: „Wir akzeptieren jeden Bündnispartner, der der Auffassung ist, daß die Demokratie erneuerungsbedürftig ist. Wir sind der Auffassung, daß die KPD mit ihrem neuen Programm, das in der Presse nicht veröffentlicht werden durfte, die Voraussetzungen zur Aufnahme in ein Wahlbündnis erfüllt."
Innerhalb des „Sozialistischen Zentrums" wurde den Kommunisten vorgeworfen, durch die intensive Mitwirkung am Aufbau des „Gießener Kreises" ein Doppelspiel getrieben zu haben. Kurt Erlebach vom „Initiativausschuß für die Wiederzulassung der KPD", der prominenteste Vertreter der KPD im „Sozialistischen Zentrum", verteidigte in Gesprächen mit Vertretern anderer am SZ beteiligter Gruppen die Bildung des „Gießener Kreises". Erle-bach behauptete, daß es sich dabei um ein Koordinationszentrum handele, das prüfen solle, ob und unter welchen Bedingungen auf breitester Grundlage eine Sammlungsbewegung für die Bundestagswahlen im Jahre 1969 geschaffen werden könne, die eine reale Chance hätte, mehr als fünf Prozent aller gültigen Stimmen zu erhalten.
Der Bundesgeschäftsführer der DFU, Pfarrer Heinrich Werner, behauptete in einer Presseerklärung vom 1. August 1968 (als „Antwort" auf ein Interview des Bundesgeschäftsführers der SPD, Hans-Jürgen Wischnewski): „Wer glaubt, daß diese Unterordnung der SPD unter die CDU-Politik sich nur auf 2, 5 Prozent der Wähler auswirken wird, der will die Wirklichkeit nicht sehen. Herr Wischnewski aber muß wissen, daß die Linke dabei ist, sich zu einigen und zu formieren . . . Die SPD muß sich der Tatsache stellen, daß 1969 ein linkes Wahlbündnis kandidieren wird, dessen Potential weit über 5 Prozent liegt."
Erlebach behauptete in seinen Gesprächen mit „Bündnispartnern" im SZ weiter, daß der „Gießener Kreis" kein Konkurrenzunternehmen zum „Sozialistischen Zentrum" darstelle und daß das SZ ohnehin nur ein Koordinationszentrum unter mehreren sei.
Immer wieder sahen sich die Vertreter der KPD im „Sozialistischen Zentrum" im Laufe der Sommermonate des Jahres 1968 wegen der kommunistischen Initiative mit dem „Gießener Kreis" heftiger Kritik ausgesetzt. So griffen Funktionäre des SDS in Gesprächen mit führenden Mitgliedern des SZ den „Gießener Kreis" an und warfen dieser von der KPD initiierten Institution vor, nur Verwirrung innerhalb der „Außerparlamentarischen Opposition" zu stiften. Wenn überhaupt, so argumentierten Vertreter des SDS, dann müsse sich eine solche sozialistische Gruppierung an den Bundestagswahlen 1969 beteiligen, die mit einem revolutionären Aktionsprogramm, das eine Alternative zu den Programmen der etablierten Parteien darstellen müsse, in den Kampf ziehe. Dabei ginge es in erster Linie darum, Widerstand gegen das „Establishment" zu mobilisieren, und nicht darum, einen oder mehrere Abgeordnete in das Parlament zu entsenden.
Mitte 1968 zeigte sich immer deutlicher, daß die „Bündnispolitik" der KPD — in der kommunistischen Agitation wird seit Anfang 1968 anstelle der altbekannten, abgenutzten Vokabel „Volksfrontpolitik" fast nur noch der Terminus „Bündnispolitik" verwendet — nicht die von der Führungsspitze der KPD in Ost-Berlin und die von der SED-Führung erhofften Erfolge brachte.
In diesem Zusammenhang muß jedoch nachdrücklich vor einer Fehleinschätzung gewarnt werden. Obwohl der Einfluß des KPD-Apparates innerhalb der APO der Bundesrepublik im Laufe des Jahres 1968 nachließ, blieb die Wirkung der gegen die und in der Bundesrepublik Deutschland betriebenen, von der SED gesteuerten kommunistischen Infiltrationsarbeit im Bereich der APO durchaus erhalten. Der Infiltrationsapparat der SED verfügt neben dem KPD-Apparat noch über eine Reihe anderer „Transmissionsriemen", über die von Ost-Berlin aus politische, personelle und finanzielle Infiltration betrieben wird.
Die Position, die Ausstrahlungskraft und die Einflußmöglichkeiten der Kommunisten im Bereich der „Außerparlamentarischen Opposition" in der Bundesrepublik Deutschland wurden durch die militärische Intervention von fünf Staaten des Warschauer Paktes (d. h. von fünf kommunistisch beherrschten Staaten) in der Tschechoslowakei weiter — und nachhaltig — geschwächt und in manchen Teilbereichen sogar ernstlich gefährdet.
Wie die Funktionäre der „Kampagne für Demokratie und Abrüstung", Dr. Arno Klönne (Paderborn) und Klaus Vack (Offenbach), in einer Erklärung feststellten, haben „nahezu alle Organisationen der Außerparlamentarischen Opposition, darunter sämtliche linken Studentenverbände und die Kampagne für Demokratie und Abrüstung die Intervention der UdSSR und anderer Warschauer Paktstaaten in der CSSR verurteilt". Dabei seien „klare Positionen bezogen worden, die jede falsche , Bündniseinheit'ausschließen: Entgegen den Wunschvorstellungen der Springerpresse hat die Außerparlamentarische Opposition vor aller Öffentlichkeit klargestellt, daß es bei ihrem Protest gegen die Intervention in der CSSR keine Gemeinsamkeiten gibt mit jenen politischen Kräften in der Bundesrepublik, die Rüstungs-und Notstandspolitik betreiben, die den Krieg der USA in Vietnam gutheißen und die sich von einer Liberalisierung der CSSR den Übergang dieses Staates in den Machtbereich der NATO erhoffen. Die Außerparlamentarische Opposition hat auch keinen Zweifel daran gelassen, daß sie weiterhin den Antikommunismus in der Bundesrepublik bekämpfen wird."
Der KPD-Chef Max Reimann gab am 23. August 1968, zwei Tage nach Beginn der stalinistischen Strafexpedition gegen die CSSR, über den „Deutschen Freiheitssender 904" eine prosowjetische Erklärung ab, in der er die militärische Intervention rechtfertigte und abschließend seine „lieben Hörerinnen und Hö18 rer" und die „lieben Freunde und Genossen" beschwört: „Ich appelliere an alle Bürger der Bundesrepublik, vor allem an die Gewerkschafter, an die Sozialdemokraten, an die Angehörigen der APO, die Tatsachen und Hintergründe zu prüfen und sich nicht durch die Hysterie der Regierungspropaganda beeinflussen und für die Interessen der deutschen Imperialisten ausnutzen zu lassen. Vergessen wir nicht, bei allen Meinungsverschiedenheiten, die es über die Beurteilung der Ereignisse in der CSSR auch geben mag, daß es uns gemeinsam aufgegeben ist, wachsam zu sein. Wir müssen verhindern, daß hinter dem Wall von antikommunistischer Propaganda die herrschenden Kreise ihre Aufrüstung verstärken und die Unterdrückung der oppositionellen Kräfte verschärfen. Was not tut, ist der gemeinsame Kampf für eine Wende in der westdeutschen Politik."
Doch die Auseinandersetzungen über die militärische Intervention fünf kommunistischer Staaten in der CSSR gingen weiter und drohten die KPD — die ergeben und „knechtselig" (dieser Ausdruck stammt von Dr. Kurt Schumacher, dem 1. Vorsitzenden der SPD von 1945 bis 1952), von der SED beaufsichtigt, auf dem prosowjetischen Weg dahintrottete — immer mehr zu isolieren und deren Einflußmöglichkeiten in der APO der Bundesrepublik mehr und mehr einzuengen. Es wird noch zu berichten sein, daß die DKP — wie in vielen anderen Fragen — zur militärischen Intervention der fünf Staaten des Warschauer Paktes in der CSSR die gleiche Haltung wie die KPD einnimmt.
An anderer Stelle war bereits darauf hingewiesen worden, daß seit Anfang 1968 — verstärkt in den frühen Sommermonaten des Jahres 1968 —, in der Führungsspitze der KPD, parallel zu der ständig wiederholten Forderung nach Wiederzulassung der KPD, streng geheim gehaltene Vorbereitungen zur Neugründung bzw. Neukonstituierung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik stattfanden. In der obersten Führungsspitze der KPD war man sich darüber klargeworden, daß nunmehr eine legale kommunistische Partei politisch tätig werden müsse, um den Führungsanspruch der Kommunisten innerhalb der APO durchzusetzen und die APO bzw. entstehende Wahlbündnisse nicht auf Wege geraten zu lassen, die nicht kommunistischen Vorstellungen entsprechen. Schließlich fuhren im Sommer 1968 mehrere Spitzenfunktionäre der KPD in Übereinstimmung mit der SED-Führung nach Moskau, wo sie von der KPdSU das Plazet für die Neukonstituierung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik Deutschland erhielten. Lediglich die Ereignisse in der CSSR bremsten die weitere Entwicklung vorübergehend ab und ließen es der KPD-Führung opportun erscheinen, erst Ende September 1968 die Öffentlichkeit und selbst den größten Teil des KPD-Apparates mit dem Plan der Neukonstituierung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik zu überraschen.
Am 22. September 1968 fand in Frankfurt am Main eine Konferenz führender Vertreter der zum „Sozialistischen Zentrum" gehörenden Gruppen statt. Diese Konferenz stand von Anfang an wegen der CSSR-Frage unter dem Zeichen heftigster Kontroversen. Gelegentlich drohten die Auseinandersetzungen sogar in Handgreiflichkeiten auszuarten. Sehr schnell zerfiel die Konferenz in zwei Lager: Auf der einen Seite standen die Kommunisten und die mit ihnen bzw. ihrer Einstellung zur Intervention sympathisierenden Gruppen und Einzelpersonen, auf der anderen Seite die Gruppen und Einzelpersonen, die die Befürwortung der militärischen Intervention in der CSSR durch die KPD scharf verurteilten. In tumultartigen Szenen warfen sich beide „Flügel" gegenseitig vor, die Einheit und Geschlossenheit des „Sozialistischen Zentrums" und damit möglicherweise der „Außerparlamentarischen Opposition" zu zerstören. Schließlich zogen die Kommunisten und die mit ihnen Sympathisierenden (bzw. die von ihnen Abhängigen) unter Protest aus dem Konferenzraum. Das war — nur ein Zufall? — vier Tage vor der Veröffentlichung der „Erklärung des Bundesausschusses zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei".
In einer offiziellen, nach Gründung der DKP veröffentlichten „Verlautbarung des Sozialistischen Zentrums" werden der Verlauf der Sitzung des „Arbeitsausschusses" des SZ am 22. September 1968 und die sich aus dieser Konferenz ergebenden Konsequenzen so geschildert: „Im Arbeitsausschuß, dem Vertreter der einzelnen sozialistischen Gruppen und Organisationen sowie kommunistische Mitglieder des Initiativausschusses (für die Wiederzulassung der KPD) angehören, zeigten sich unterschiedliche und gegensätzliche Beurteilungen der Ereignisse und der Intervention in der CSSR . ..
Aufgrund des Kartellcharakters des Sozialistischen Zentrums wurde bislang im Arbeitsaus-schuß bei politischen Erklärungen und Beschlüssen ein sogenanntes Vetorecht praktiziert, um bei wichtigen Entscheidungen ein überstimmen eines Partners zu verhindern .. . Das zwang den Arbeitsausschuß dazu, jeweils eine gemeinsame Linie bzw. einen Kompromiß zu finden. Am 22. September erwies sich auch das als nicht möglich . . . Das Büro des Sozialistischen Zentrums gelangte deshalb in einer Diskussion am 2. Oktober 1968 zu der Feststellung, daß das Sozialistische Zentrum sich bisher weder als eigenständig auftretende Aktionsgemeinschaft entwickeln konnte, noch, daß das beabsichtigte und notwendige Maß an gegenseitiger Information und Kooperation erreicht wurde. Darüber hinaus erschwerten die Meinungsverschiedenheiten und das praktizierte Vetorecht gemeinsame Willenserklärungen, bis hin zur völligen Unmöglichkeit in der Sitzung am 22. September . . .
Im Büro des SZ wurden daraufhin und aus Anlaß der Neukonstituierung der DKP die Möglichkeiten und Formen der weiteren Existenz und Arbeit des Sozialistischen Zentrums erörtert ... Im Kern geht es dabei, wie das Büro erklärte, um die Möglichkeiten der Fortführung des Sozialistischen Zentrums 1. als Diskussionforum der verschiedenen sozialistischen Gruppen und Organisationen unter Einschluß kommunistischer Genossen, also im Grunde einer Fortführung wie bisher . . . oder 2. als Diskussions-, Kooperations-und Aktions-Zentrum (nichtkommunistischer) sozialistischer Kräfte, das allerdings a) einer wesentlichen organisatorischen und politischen Stärkung bedürfte und b) die allgemein als notwendig erachtete Diskussion mit den kommunistischen Genossen auf einer anderen Ebene (etwa zwischen dem SZ und der DKP) führt ..." (Informationen des Sozialistischen Zentrums, EXTRA/Nr. 9/68.)
III. Weg und Ziel
Die DKP tritt ans Licht Am 26. September 1968 wurde von dem Mitglied des ZK der illegalen KPD, Kurt Bach-mann, in Frankfurt am Main eine Pressekonferenz veranstaltet, auf der die „Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei“ vom 22. September 1968, unterzeichnet vom „Bundesausschuß zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei", veröffentlicht wurde (siehe Anhang/Dokumente). Mit dieser Erklärung wurde der Öffentlichkeit — auch dem „Fußvolk" des KPD-Apparates — bekanntgegeben, daß „die Unterzeichner dieser Erklärung in der Bundesrepublik Deutschland eine Kommunistische Partei neu konstituiert haben".
Sofort nach der Pressekonferenz trat ein aus fünf Funktionären der illegalen KPD bestehender DKP-„Arbeitsausschuß" in Funktion (inzwischen auf neun erweitert). Der „Arbeitsausschuß", der etwa dem „Sekretariat beim Parteivorstand der KPD" entspricht, hat die Aufgabe, zunächst bis zum ersten Parteitag der DKP alle mit dem Auf-und Ausbau der Partei-organisation auf Bundesebene zusammenhängenden Fragen zu klären und die Geschäfte der DKP auf Bundesebene zu führen. Als Mitglieder des „Arbeitsausschusses" wurden zunächst Kurt Bachmann, Kurt Erlebach, Josef Mayer, Ludwig Müller und Karl-Heinz Noetzel bestimmt. Viele Mitglieder der KPD bzw.des KPD-Apparates kritisierten in parteiinternen Auseinandersetzungen die — für sie unverhoffte — Gründung der DKP. Diese Kritiker erklärten unter anderem, die Parteiführung habe in der Frage der Neugründung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik plötzlich ihre Haltung geändert, ohne davon die Funktionäre und Mitglieder im Bundesgebiet vorher zu informieren. Andere Kritiker wiesen darauf hin, daß sie Mitglieder der KPD seien und nicht einsähen, weshalb sie jetzt einer anderen kommunistischen Partei beitreten sollten. Wieder andere bezweifelten sogar, daß es sich bei der DKP um eine „richtige" kommunistische Partei handelt. Solche und andere Kritiker aus dem „Fußvolk" der KPD wurden von DKP-Funktionären aufgefordert, „umzudenken"; außerdem könne später, wenn die Reaktion der Bundesregierung und der westdeutschen Öffentlichkeit auf das Auftreten einer legalen kommunistischen Partei — eben der DKP — bekannt sei, die Bezeichnung DKP in KPD umgewandelt werden. Die DKP gibt sich „selbständig" ...
Um nicht von vornherein als Ersatz-oder Nachfolgeorganisation der illegalen KPD in die Verbotszone zu geraten, bemühte sich die DKP von Beginn ihrer Tätigkeit an, in ihrem Auftreten und in ihrer Agitation alles zu vermeiden, was eine Fortsetzung der verfassungswidrigen Ziele der verbotenen KPD offenkundig werden lassen könnte. Dieses vorsichtige Taktieren zeigt sich besonders in der programmatischen „Erklärung zur Neukonstituierung''der DKP, auf die an anderer Stelle noch näher I eingegangen werden wird.
Das in erster Linie taktisch bedingte, von ver-
fassungsrechtlichen Überlegungen diktierte Bemühen der Kommunisten, die DKP zumindest optisch von der verbotenen KPD abzurücken, zeigte sich auch in der Erklärung des KPD-Chefs Reimann auf dessen Pressekonferenz am (19. November 1968 in Düsseldorf.
Reimann erklärte zur „Neukonstituierung" der DKP: „In meinem Antwortschreiben an die Deutsche Kommunistische Partei habe ich ausdrücklich diesen Schritt begrüßt. Ich wünsche der Deutschen Kommunistischen Partei viel Erfolg in ihrem politischen Wirken für die Interessen der Arbeiterklasse, der Jugend und aller Werktätigen, für eine friedliche, demokratische Entwicklung der Bundesrepublik, zur Verständigung mit der DDR und allen Nachbar-staaten unseres Landes. Ich wünsche ihr viel Erfolg im Ringen um ihre weitergehenden Ziele, die sozialistische Umgestaltung der Bundesrepublik."
In einem Interview („Stuttgarter Zeitung", 2. 10. 1968) erklärte der „Sprecher" des „Arbeitsausschusses" der DKP, Kurt Bachmann: „Wir teilten ihm (Max Reimann — H. Bw.) am Wochenende brieflich mit, daß wir uns neukonstituiert haben. Doch ob er uns akzeptiert und ob er zurückkehren will, das werden wir erst wissen, sobald eine Antwort von ihm eingetroffen ist. Bisher haben wir noch nichts gehört. Weder von ihm persönlich noch überhaupt von Ost-Berlin."
Am 1. Oktober 1968 wurde in Düsseldorf das Antwortschreiben Max Reimanns veröffentlicht, in dem der KPD-Chef den Eingang der Mitteilung über die Neukonstituierung einer kommunistischen Partei bestätigt. Er, Reimann, habe „mit großem Interesse von der Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei Kenntnis (genommen), die der Ausschuß auf der Pressekonferenz am 26. 9. 1968 der Öffentlichkeit übergeben hat." (Nach ADN, Düsseldorf, 1. 10. 1968.)
Welch ein groteskes Schauspiel wird hier geboten — ein Schauspiel, hinter dem sich eine wohl durchdachte, durch Überlegungen verfassungsrechtlicher, politischer und psychologischer Art bestimmte Taktik verbirgt. Dieses — für die DKP lebensnotwendige — Taktieren erklärt auch, daß der scheinbare Zwiespalt zwischen Neugründung einer kommunistischen Partei in der Bundesrepublik Deutschland einerseits und dem Beharren auf der Forderung nach Wiederzulassung der verbotenen KPD andererseits in Wirklichkeit ein Teil der Taktik ist, die zum Ziel hat, optisch den Eindruck zu erwecken: Die DKP hat mit der KPD nichts zu tun.
In diesem Zusammenhang ist ein Artikel in der Ost-Berliner Zeitschrift „Horizont — Sozialistische Wochenzeitung für internationale Politik und Wirtschaft" (Nr. 5/68, 1. Dezemberhett 1968) interessant. Dieser Artikel ist die Antwort auf die angebliche Anfrage eines Lesers aus Dresden, der wissen möchte, wie „eigentlich die Stellung" von DKP und KPD „zueinander ist". „Warum", so wird weiter gefragt, „fährt Genosse Reimann nach Westdeutschland, um mitzuhelfen, eine Aufhebung des KPD-Verbotes zu erwirken, wo doch nunmehr eine DKP besteht?"
Die SED-Zeitschrift „Horizont" antwortete unter anderem: „Die DKP (ihr endgültiger Name wird auf dem 1. Parteitag festgelegt) ist die derzeitig einzige legale westdeutsche Partei, die sich zum Marxismus-Leninismus und zu den besten Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung bekennt. Angesichts der Tatsache, daß die KPD bereits mehr als 12 Jahre unter den erschwerten Bedingungen der Illegalität kämpft und der Druck der öffentlichen Meinung noch nicht zu einer Aufhebung des Verbotsurteils führte, gewinnt die Neu-konstituierung einer kommunistischen Partei auf dem Boden des Bonner Grundgesetzes an besonderer Bedeutung. Die DKP ist jedoch weder eine , Ersatzpartei'noch eine organisatorische Fortsetzung der KPD. Alle Gremien, von der untersten bis zur zentralen Leitung, wurden neu konstituiert.
Was die Stellung der DKP und der KPD zueinander betrifft, so wurde von der Führung der KPD die Gründung der Bruderpartei begrüßt, Führung und Mitglieder der DKP wiederum unterstützen den Kampf der KPD um die Aufhebung des widerrechtlichen Verbotsurteils und die völlige Wiederherstellung ihrer Legalität.
Haben beide Parteien ein und dasselbe Programm? Nein, denn es handelt sich um zwei eigenständige, selbständige Parteien. Ein Programm hat bisher nur die KPD, während Programm und Statut der DKP erst auf dem Parteitag beschlossen werden ... Gemeinsam ist also beiden Parteien nicht das Programm, wohl aber die Forderung nach einer Alternative zur antidemokratischen, volksfeindlichen Bonner Politik, gemeinsam ist ihnen der Marxismus-Leninismus als die weltverändernde Kraft unseres Jahrhunderts, gemeinsam ist ihnen das Bestreben, alle demokratischen Kräfte der Bundesrepublik gegen die drohenden Gefahren von rechts zu einen, damit von Westdeutschland nicht ein neuer Krieg ausgeht...
. . . Dieser Kampf (um die Wiederzulassung der KPD — H. Bw.) — der seit nunmehr 12 Jahren währt — wird verstärkt fortgesetzt und erhält die volle Unterstüzung der DKP . .. Die Aktionen um die Aufhebung des Terrorurteils (des Verbots der KPD — H. Bw.) bilden ein Stück des Klassenkampfes zwischen den demokratischen Kräften Westdeutschlands und der Diktatur der Monopole. Dieser Kampf geht weiter. Die KPD hat dabei in den Funktionären und Mitgliedern der DKP enge Verbündete, aber keinen . Ersatz’ für ihre Partei. Beide Parteien — und das muß hier noch einmal nachdrücklich unterstrichen werden — sind absolut selbständig. Die westdeutschen Kommunisten selbst werden darüber zu entscheiden haben, ob und wann sie eine Vereinigung ihrer Parteien für gegeben halten.“ (Hervorhebungen d. H. Bw.)
Auch in einer vom „Bundesausschuß der neu-konstituierten Kommunistischen Partei" herausgegebenen, als Arbeitsmaterial konzipierten Broschüre wird versucht, der DKP das Image einer von der KPD unabhängigen, selbständigen Partei zu geben. Die folgenden Zitate aus dieser Broschüre sollen das verdeutlichen:
Stichwort: Warum Neukonstituierung? „Von . Neukonstituierung'sprechen wir, weil wir damit deutlich machen wollen, daß wir in keinem Fall die politischen Bedingungen akzeptieren, die von verschiedenen Seiten mit dem Begriff , Neugründung'verbunden worden sind. Nach dem Grundgesetz ist die Bildung politischer Parteien bekanntlich frei. Das bedeutet, daß nur die Mitglieder über Programm und Tätigkeit einer Partei bestimmen können."
Stichwort: Verhältnis zur KPD „. . . Sie ersehen jedoch bereits aus der Erklärung, daß wir uns zum wissenschaftlichen Sozialismus, zu den Ideen von Marx, Engels und Lenin bekennen und die revolutionären Traditionen der deutschen Arbeiterbewegung, der Tradition Karl Liebknechts, Rosa Luxemburgs und Ernst Thälmanns, der Tradition des antifaschistischen Widerstandskampfes in uns aufnehmen wollen, während wir uns gleichzeitig konsequent auf den Boden des Grundgesetzes stellen. Eine Fortsetzung im Sinne einer Ersatzorganisation für die verbotene KPD aber scheidet selbstverständlich aus . . .
. . . Wir formulieren unsere politische Aussage unabhängig davon, ob sie mit der Aussage irgendeiner anderen politischen Gruppierung in oder außerhalb der Bundesrepublik übereinstimmt oder nicht, und zwar allein nach dem Gesichtspunkt, was wir für politisch richtig halten. Wir werden uns nicht davon abhalten lassen, richtige politische Erkenntnisse auszusprechen, weil sie auch von anderen, etwa von der KPD, ausgesprochen worden sind ..."
Stichwort: Stellung zum KPD-Programm-entwurf „... Wir haben bereits gesagt, daß wir den Programmentwurf der KPD für ein wichtiges Dokument halten . . . Welche Entscheidung allerdings die KPD hinsichtlich Fortexistenz ihrer Organisation treffen wird, entzieht sich unserer Kenntnis. Wir sind weder befugt noch in der Lage, für die verbotene KPD irgendwelche Erklärungen abzugeben. Sicher ist jedenfalls, daß sich unsere Partei mit aller Kraft für die Aufhebung des KPD-Verbots und aller anderen Verfolgungsmaßnahmen gegen demokratische und fortschrittliche Kräfte in der Bundesrepublik einsetzen wird."
Stichwort: Mitgliedschaft „Frage: Werden Sie Mitglieder und Funktionäre der verbotenen KPD in ihre Partei aufnehmen? Antwort: Wir haben nicht die Absicht, bei jeder Neuaufnahme zunächst beim Verfassungsschutz anzufragen, ob die oder der Betreffende eventuell in Verdacht steht, Mitglied der illegalen KPD zu sein. Wir stellen für die Mitgliedschaft in unserer Partei keine andere Bedingung als die Anerkennung der Grundge-B danken unserer Erklärung zur Neukonstituierung, später des vom Parteitag beschlossenen Programms und Statuts ..."
Stichwort: Max Reimann . Max Reimann und andere führende Funktionäre der verbotenen KPD gehören diesem Kreis (dem Bundesausschuß der DKP — H. Bw.) nicht an . .. Die Frage der Mitgliedschaft beantworten wir für führende Funktionäre der KPD nicht anders als für deren Mitglieder ..."
Stichwort: KPD-Mitgliedschaft „Frage: Waren Sie selbst bisher Mitglieder der verbotenen KPD?
Antwort: Wir weisen jeden Versuch, irgendeine illegale Verbindung zwischen der neu-konstituierten Kommunistischen Partei und der verbotenen KPD zu konstruieren, entschieden zurück. Im Bundesausschuß sind frühere Mitglieder der KPD und auch Mitstreiter, die neu dazugekommen sind. Als Kommunisten haben wir in der Vergangenheit aktiv in den verschiedensten demokratischen Bewegungen mitgearbeitet, und das werden wir auch weiter tun. Außerdem sind wir alle Mitglied einer Gewerkschaft."
Stichwort: Name der Partei „Wir meinen, daß der Name unserer Partei (Deutsche Kommunistische Partei — H. Bw.) den politischen und nationalen Bedingungen, unter denen heute die Neukonstituierung erfolgt, entsprechen sollte. Wir berücksichtigen dabei, daß es mittlerweile in Deutschland zwei unterschiedliche deutsche Staaten gibt, die aller Voraussicht nach noch lange Zeit nebeneinander fortexistieren werden. Wir sind deutsche Kommunisten, aber unsere Partei wirkt ausschließlich in der Bundesrepublik, nicht auf dem Territorium beider deutscher Staaten. Die Bezeichnung . Deutsche Kommunistische Partei ist ein Vorschlag.
Die endgültige Entscheidung hat der Parteitag zu treffen. Außerdem haben wir die alte Bezeichnung KPD nicht übernommen, weil wir jede bequeme Demagogie für jene, die uns gegenüber Verbotsabsichten hegen, unterbinden möchten."
Stichwort: Gegensatz zu Ulbricht? „Frage: Können Sie sich vorstellen, daß Sie jemals in Gegensatz zur Politik Ulbrichts geraten könnten?
Antwort: Offen gestanden: nein ... Es scheint uns nicht der Sinn oder ein Richtpunkt sozialistischer Politik in der Bundesrepublik zu sein, daß man danach strebt, mit Walter Ulbricht in Gegensatz zu kommen . . . Das berührt selbstverständlich in keiner Weise den Grundsatz, daß wir unsere Politik in der Bundesrepublik selbständig und auf der Grundlage unserer eigenen Grundsätze, Erkenntnisse und Erfahrungen entwickeln."
In diesem Zusammenhang ist die nachstehend zitierte Passage aus einem Interview des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel" mit dem Mitglied des „Arbeitsausschusses" der DKP, Kurt Erlebach, interessant („Der Spiegel", Nr. 43/68 vom 21. 10. 1968): „Spiegel: Wir können uns nicht erinnern, daß die KPD jemals betont hat, sie habe eigene Standpunkte entwickelt. Die Frage nach der Unabhängigkeit deutscher Kommunisten reduziert sich auf die Erfahrung, daß die KPD noch niemals einen von der Sowjetunion abweichenden Standpunkt eingenommen hat — was vernünftig wäre, wenn die Sowjets immer eine vernünftige Politik gemacht hätten.
Erlebach: Das ist eben die Frage.
Spiegel: Wird ein Mitglied der DKP offene Kritik an der Sowjetunion üben können?
Erlebach: Das wage ich insofern zu bezweifeln, als ich von einem Mitglied unserer Partei erwarte, daß es eine positive Haltung zur Sowjetunion einnimmt. Ich wüßte auch nicht, warum wir der Politik der KPdSU widersprechen sollten." ... doch was ist hinter der Fassade?
Die seit Gründung der DKP angestellten Analysen des organisatorischen und personellen Aufbaus sowie der Finanzierung der DKP lassen die von den Kommunisten vor der DKP aufgebaute Fassade recht rissig und durchscheinend werden. Vieles spricht dafür, daß es sich bei der DKP um einen legalisierten, geschickt auf dem Boden des Grundgesetzes lavierenden Teil der verbotenen KPD bzw.des KPD-Apparates handelt — oder, um ein anderes Bild zu wählen: um die sichtbare Spitze des „Eisberges" KPD (denn — darauf muß nachdrücklich hingewiesen werden — der illegal, konspirativ tätige „Apparat" wird, kommunistischer Taktik entsprechend, trotz des Bestehens einer legalen kommunistischen Partei in der BRD existent und tätig bleiben). Nachstehend einige Fakten, die das Bild der DKP als eine von der verbotenen KPD bzw.dem KPD-Apparat völlig unabhängige Partei in starkem Maße zweifelhaft erscheinen lassen: 1. Der Gründungsausschuß bzw.der Bundesausschuß der DKP, der die „Erklärung des Bundesausschusses zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei" unterschrieben hat, besteht aus 31 Personen. Von diesen sind den Staatsschutzbehörden des Bundes und der Länder bekannt:
Fünf als Mitarbeiter bzw. Funktionäre des Zentralkomitees der KPD; 20 als Mitarbeiter des illegalen KPD-Apparates auf Bezirks-bzw. Kreisebene; drei als Angehörige des SDS, von denen sich mindestens einer nach vorliegenden Erkenntnissen für die bzw. im Sinne der verbotenen KPD betätigt hat; zwei, die in der Vergangenheit zumindest sympathisierenden Kontakt zur verbotenen KPD hatten.
Lediglich ein Mitglied des 31köpfigen Bundesausschusses der DKP war vor seinem Auftreten in diesem Ausschuß politisch nicht in Erscheinung getreten. 2. Innerhalb kurzer Zeit nach der Gründung der DKP hatten sich in allen Bundesländern so-genannte „Landesausschüsse" der DKP gebildet. Diese zehn Landesausschüsse (in West-Berlin gibt es die DKP nicht) hatten Ende 1968 insgesamt 336 Mitglieder. Von diesen 336 Landesausschußmitgliedern der DKP gehörten vor dem Verbot der KPD an: 236 (= ca. 70 ®/o) gehörten nach dem Verbot der KPD bzw.deren illegalen Apparat an: 278 (= ca. 80 °/o) wurden nach Auflösung der KPD wegen verbotener Tätigkeit für die KPD verurteilt: 72 (= ca. 20 °/o) waren nach dem Verbot der KPD in kommunistischen Hilfs-oder Tarnoganisationen in der Bundesrepublik Deutschland tätig: 286 (= ca. 85 °/o) 3. Wie unter anderem die Zeitung „Die Welt" am 29. Oktober 1968 feststellte, „kommt nach den Ermittlungen der Sicherheitsbehörden finanzielle Unterstützung für die DKP-Gremien aus Ost-Berlin".
In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, daß sich die finanziellen Zuwendungen der SED an die 16 Bezirksorganisationen der verbotenen KPD 1968 auf insgesamt zirka 800 000 DM monatlich (!) allein für die Basis-finanzierung (ohne Sonderaktionen, Kosten für die Parteischulung, Druckkosten für die beiden illegal vertriebenen KPD-Organe „Freies Volk" und „Wissen und Tat", etc.) beliefen. Es liegen bereits sehr „harte" Informationen darüber vor, daß ein Teil dieser Gelder, als „Spenden" getarnt, nunmehr der DKP zufließt. „Die Welt" vom 29. Oktober 1968 berichtet darüber: „Das Geld erhält ein Vertrauensmann des illegalen Apparates, der es an die einzelnen Mitglieder zu verteilen hat. Sie erscheinen dann als Gründungsgenossen der DKP und zahlen in der Versammlung die ihnen überlassenen Beträge spontan als Spende in die Parteikasse ein."
Der DKP-Sprecher Kurt Bachmann wies derartige Behauptungen als „kindisch" zurück und behauptete, die DKP würde durch „Spenden und nochmals Spenden" finanziert werden („Stuttgarter Zeitung", 2. 10. 1968).
DKP betrachtet sich als „notwendig"
In den Tagen und Wochen nach der Konstituierung der DKP begründeten zahlreiche Sprecher und Funktionäre dieser Partei und der KPD die „Notwendigkeit" der „Neukonstituierung einer kommunistischen Partei" in der Bundesrepublik Deutschland.
So Kurt Erlebach (Mitglied des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD" und Mitglied des „Arbeitsausschusses" der DKP): „Der Initiativausschuß hat unmittelbar nach Bekanntwerdung der Neukonstituierung einer kommunistischen Partei Stellung genommen und diese Initiative begrüßt. Wir sind ja in unserer ganzen Tätigkeit davon ausgegangen, daß es notwendig ist, in der Bundesrepublik auch den Bürgern mit kommunistischer Gesinnung und solchen, die eine kommunistische Partei haben wollen, die freie Betätigung zu geben. Unseres Erachtens nach ist also mit der Neukonstituierung . .. ein erster Schritt dazu getan." (Zitiert nach: Deutschlandsender Ost-Berlin, 4. 10. 1968.)
Willi Bechtle (Chefredakteur der kommunistischen Wochenschrift „offen und frei", Stuttgart): „Wir haben schon lange die Auffassung vertreten, daß die Existenz einer legalen kommunistischen Partei, die an der politischen Willensbildung in der Bundesrepublik teilnimmt, eine Lebensnotwendigkeit vor allem für die arbeitende Bevölkerung ist. Nach der Unterordnung der SPD-Führung unter die CDU/CSU gab es bisher tatsächlich in der Bundesrepublik keine legale politische Partei mehr, die für die demokratischen Gegenwartsinteressen der Bevölkerung konsequent eintrat und die Umwandlung der gesellschaftlichen Verhältnisse in eine sozialistische Zukunft anstrebte ... Eine neukonstituierte legale kommunistische Partei, eine Partei der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes, entspricht einem brennenden Erfordernis, damit eine Änderung der jetzigen Politik in der Bundesrepublik herbeigeführt werden kann." (Zitiert nach einer ADN-Meldung vom 6. 10. 1968.)
Georg Polikeit (Mitglied des Bundesausschusses der DKP und Chefredakteur des kommunistischen Informationsdienstes „Bonner Korrespondenz"): „Wir haben eine kommunistische Partei neu konstituiert, weil wir dies für politisch notwendig halten und weil der Zeitpunkt uns dafür reif erschien. Die politische Notwendigkeit ergibt sich aus der immer schärferen Rechtsentwicklung und aus der Tatsache, daß gerade in dieser Situation in der Bundesrepublik keine legale marxistische Partei der Arbeiterklasse vorhanden war." (Zitiert nach einer ADN-Meldung vom 11. 10. 1968.)
Max Schäfer (Mitglied des Bundesausschusses der DKP): „Das Vermächtnis der fünfzigjährigen Geschichte seit der Gründung der KPD (am 31. 12. 1918 — H. Bw.) bedeutet für die Bundesrepublik, durch das einheitliche Handeln der Arbeiterklasse und aller Demokraten, den Rechtskurs zu stoppen, den Frieden zu sichern und durch die Herstellung demokratischer Verhältnisse die Voraussetzungen für den Übergang zum Sozialismus zu schaffen. Um dieses Ziel zu erreichen, so meinte Schäfer in einem Interview mit dem Bonner ADN-Korrespondenten, brauche die Bevölkerung der Bundesrepublik die DKP als marxistische Partei der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes. (Zitiert nach einer ADN-Meldung vom 23. 12. 1968.)
Aus Moskau kam eine Reihe offizieller zustimmender Erklärungen zur Konstituierung der DKP. Die SED leistet seit der DKP-Grundung umfangreiche publizistische und agitatorische Schützenhilfe durch zahlreiche Veröffentlichungen (ADN-Meldungen, Artikel im Zentralorgan der SED „Neues Deutschland usw.) sowie durch zustimmende Äußerungen führender SED-Funktionäre. Im Anhang sind die wichtigsten Auszüge aus einer Diskussionsrede von Hermann Matern, Mitglied des Politbüros der SED, zum Thema „Zur Strategie und Taktik der Deutschen Kommunistischen Partei" auf der Ende Oktober 1968 stattgefundenen 9. Tagung des Zentralkomitees der SED zu finden.
Das vorläufige Programm der DKP Die auf der Frankfurter Pressekonferenz vom 26. September 1968 vorgelegte „Erklärung zur Neukonstituierung einer Kommunistischen Partei" ist zwar noch nicht das endgültige „Programm" der DKP (das auf dem ersten Parteitag verabschiedet werden soll). Diese „Erklärung" enthält jedoch programmatisch die wesentlichsten ideologischen und politischen Leitlinien der Konzeption der DKP. Allerdings werden alle Wendungen vermieden, die eine Fortsetzung der verfassungswidrigen Ziele der KPD offensichtlich werden lassen, ohne sich in der Sache von der kommunistischen Orthodoxie zu entfernen. Dies zeigt auch ein Vergleich dieser „Erklärung" mit dem Anfang 1968 von der illegalen KPD vorgelegten Entwurf eines Parteiprogrammes. Die Passagen und Vokabeln des Programmentwurfes der KPD, die Anfang 1968 als Anzeichen für die nach wie vor aufrechterhaltenden Bindungen der KPD an die vom Verfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichneten Bestrebungen zitiert werden konnten, werden in der „Erklärung" der DKP vermieden.
Während der Programmentwurf der KPD noch vor der engen Kampfgemeinschaft zwischen KPD und SED und der gemeinsamen marxistisch-leninistischen Weltanschauung sprach, heißt es in der Erklärung der DKP nunmehr:
„Mit der SED fühlen wir uns durch den Marxismus und die gemeinsamen Traditionen verbunden. “
Der im Programmentwurf der KPD mehrmals angeführte Begriff „Marxismus-Leninismus" fehlt in der „Erklärung" überhaupt (wird jedoch nach Veröffentlichung der „Erklärung" von führenden DKP-Funktionären in bezug auf den politischen Standort der DKP immer wieder verwendet!); ebenso wird die Formel „demokratischer Zentralismus" in der DKP-„Erklärung" im Unterschied zum Programmentwurf der KPD nicht gebraucht.
An anderer Stelle erklären die Gründer der DKP, sie wollten die Ideen von Marx, Engels und Lenin zur Grundlage ihres Handelns machen. Es fehlt die Berufung auf Stalin, die im Statut der KPD noch enthalten war. Ein im Programmentwurf der KPD von Anfang 1968 enthaltener Hinweis auf die Diktatur des Proletariats fehlt in der „Erklärung" der DKP. Hierzu ist anzumerken, daß sich führende DKP-Funktionäre nach der Konstituierung der Partei — wie bereits erwähnt — eindeutig zum Marxismus-Leninismus bekannten und bekennen und die DKP als eine marxistisch-leninistische Kampfpartei klassifizieren. Damit wird auch die „Diktatur des Proletariats" anerkannt. Lenin schrieb in „Staat und Revolution" (Ausgewählte Werke, Stuttgart 1952, Band II, Seite 182): „Ein Marxist ist nur, wer die Anerkennung des Klassenkampfes auf die Anerkennung der Diktatur des Proletariats erstreckt."
Das Bundesverfassungsgericht stellte in dem Verbotsurteil gegen die KPD vom 17. August 1956 eindeutig fest: „Die Diktatur des Proletariats ist mit der freiheitlichen demokratischen Ordnung des Grundgesetzes unvereinbar. Beide Staatsordnungen schließen einander aus."
Dieser gerichtlichen Feststellung sei die Aussage des bis 1933 in Deutschland tätigen sozialdemokratischen Professors Emil Lederer hinzugefügt: „Niemand kann gegen den Faschismus auftreten (die DKP behauptet, gegen die angebliche , Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland'kämpfen zu müssen — H. Bw.), wenn er die Diktatur des Proletariats empfiehlt, wie wir sie nach dem geschichtlichen Beispiel von Rußland verstehen."
Der Programmentwurf der KPD bezeichnet die Verteidigung der „DDR" noch als Aufgabe aller demokratischen Kräfte in der Bundesrepüblik. In der DKP-„Erklärung" heißt es: „Eine schematische Nachahmung des in der DDR beschrittenen Weges zum Sozialismus ist infolge der anders gearteten historischen Situation und unterschiedlicher Ausgangsbedingungen in der Bundesrepublik ausgeschlossen."
Getreu den Erklärungen von KPD und SED wird das militärische Eingreifen der fünf Armeen des Warschauer Paktes in der CSSR in der DKP-Erklärung verteidigt. Es sichere die „Weiterentwicklung der sozialistischen Demokratie" und behindere nicht die vom Januar-Plenum des ZK der KPC eingeleitete Korrektur der Fehler und Entstellungen der Vergangenheit.
An Bekenntnissen zur verfassungsmäßigen Ordnung des Grundgesetzes fehlt es in der „Erklärung" nicht. „Wir achten das Grundgesetz, wir verteidigen die darin verkündeten demokratischen Grundrechte und Grundsätze.
. . . Wir trachten danach, die politische und gesellschaftliche Wirklichkeit in der Bundesrepublik mit den im Grundgesetz verkündeten demokratischen Prinzipien in Einklang zu bringen." Das Ziel der DKP ist nach der „Erklärung" die „sozialistische Umgestaltung von Staat und Gesellschaft". Der Programmentwurf der KPD fordert die „sozialistische Umwälzung" und die „revolutionäre Veränderung der Gesellschaft".
In diesem Zusammenhang ist die nachstehend wiedergegebene Auffassung des Bundesverfassungsgerichts in dem Verbotsprozeß gegen die KPD sicherlich nicht uninteressant (zitiert nach „KPD-Prozeß, Dokumentarwerk, 3. Band):
Eine Partei kann auch dann verfassungswidrig sein, wenn sie die Realisierung ihrer verfassungswidrigen Ziele zurückstellt, da sie im Augenblick keine Aussicht hat, sie zu verwirklichen (a. a. O. S. 613). Die grundsätzliche Feindschaft gegen die bestehende Ordnung und der „gleichzeitige Gebrauch" sind kein Widerspruch im Verhalten der KPD, sondern durch die Dialektik der Geschichte nach kommunistischer Doktrin selbst gefordert. Trotz des Bekenntnisses zum Grundgesetz ist die KPD deshalb bestrebt, „zugleich die freiheitliche demokratische Grundordnung mindestens zu beeinträchtigen". Diese Ordnung hat für die KPD lediglich den Wert eines Instruments, um sie letzten Endes selbst zu beseitigen (a. a. O., Seite 714). Nach marxistisch-leninistischer Lehre ist es Aufgabe der Arbeiterklasse, sich zunächst in den „bürgerlichen Parlamenten" zu betätigen, um sie dann von innen her zu zersetzen und zu beseitigen. Die Teilnahme am parlamentarischen Leben ist demnach keine grundsätzliche Bejahung des Parlamentarismus, die Kommunisten benutzen ihn nur als Instrument (a. a. O., Seite 627 und 658). Die KPD will die freiheitliche demokratische Ordnung als „bequemes Hilfsmittel" benutzen, um ihren grundsätzlichen ideologischen Kampf weiterführen und letztlich eine Situation herbeiführen zu können, die es ihr gestattet, „die Frage der Revolution zu stellen" (a. a. O., Seite 663).
Bei zukünftigen Untersuchungen der Stellung der DKP gegenüber dem Grundgesetz müßten unter anderem diese Feststellungen des Bundesverfassungsgerichts im Verbotsprozeß gegen die KPD in Betracht gezogen werden. Am 27. Oktober 1968 führte die DKP ihre „Erste Bundeskonferenz" in Offenbach am Main durch. Diese Konferenz verlief ohne Höhepunkte. Der DKP-Sprecher Kurt Bachmann hielt ein etwa einstündiges Referat; danach hatten die Delegierten das Wort. Die Mehrzahl der Sprecher beschränkte sich in ihren Diskussionsbeiträgen auf die Schilderung innerbetrieblicher Probleme oder auf Berichte über den organisatorischen Aufbau der DKP-Ausschüsse auf den unteren Ebenen. Am Schluß der Tagung wurden dem Plenum Vorschläge für die Zusammensetzung der Programm-und Statutenkommission unterbreitet. Außerdem wurde der Bundesausschuß beauftragt, Ort und Zeitpunkt für die Abhaltung des 1. DKP-Bundesparteitages zu bestimmen, der voraussichtlich im Frühjahr 1969 stattfinden soll (Mitte Januar 1969 wurde bekannt, daß der Parteitag der DKP am 12. /13. April 1969 in Essen stattfindet). Auf diesem ersten Parteitag der DKP sollen die Richtlinien für die weitere Arbeit der Partei sowie Statut und Programm vorgelegt werden.
Der 1. Bundeskongreß der DKP in Offenbach verabschiedete einen „Brief an den Gründungskongreß eines Aktionsbündnisses für die Bundestagswahl 1969" sowie einen Aufruf „An die Arbeiterklasse der Bundesrepublik — An alle arbeitenden Menschen in Stadt und Land".
Der DKP-Sprecher Kurt Bachmann betonte in seinem Referat vor dem 1. Bundeskongreß der DKP, daß „sich die DKP mit ihren Vorstellungen vom Kampf um Demokratie und Sozialismus um ein gutes Verhältnis zu allen Kräften der außerparlamentarischen Opposition bemühen (wird). Bei allen politischen und ideologischen Meinungsunterschieden, die zwischen uns und sozialistischen oder anderen Richtungen bestehen, meinen wir, daß bei Wahrung der eigenen Standpunkte der gemeinsame antiimperialistische Kampf für Frieden und Demokratisierung aller Lebensbereiche der Kern des Bündnisses ist. ”
Sehr bald nach der Konstituierung begann die DKP mit dem Aufbau von DKP-Hochschulgnippen bzw. -Arbeitskreisen, die „allen demokratischen und sozialistischen Studenten die Möglichkeit geben sollen, verbindliche Alternativen zur bestehenden Klassenuniversität und zur durch das Monopolkapital bestimmten Gesellschaft zu erarbeiten". Diese DKP-Arbeitskreise bzw.deren Mitglieder sollen nach Möglichkeit im SDS verbleiben.
Zu dieser Frage erklärten DKP-Funktionäre am 27. Oktober 1968 in Offenbach/Main: „Wir wollen ihm (dem SDS — H. Bw.) keine kommunistische Politik aufzwingen, sondern ihn dazu bringen, konsequentester Vertreter der Studenten zu sein . . . Der SDS kann nicht Führer der Arbeiter sein. Er spricht nicht die Sprache der Arbeiter, er hat deshalb auch keinen Erfolg bei der Mobilisierung der Arbeiterschaft gehabt. Die Mitglieder der DKP und ihrer Hochschulgruppen sind dagegen zum großen Teil in den Gewerkschaften und den Jugendverbänden der Gewerkschaften organisiert. Sie sind als Arbeiter in den Fabriken tätig und daher prädestiniert, Sprecher der Arbeiter zu sein . . . Die ideologisch gefestigten Kommunisten wollen die vom SDS begonnene Arbeit im außerparlamentarischen Raum fortsetzen . . . Wir müssen die Studenten mit den Arbeitern zu einer Einheit verschmelzen."
Am 4. Mai 1968 wurde in Essen die „Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" (SDAJ) gegründet. An der Gründungsversammlung nahm Herbert Mies, Kandidat des Politbüros der verbotenen KPD, teil und brachte „die Solidarität der Kommunisten mit der sozialistischen Jugend zum Ausdruck". „Die Jugend", so erklärte Mies wörtlich vor der Gründungskonferenz der SDAJ, „sucht die Wahrheit dort, wo sie zu finden ist, bei den Marxisten." Auf der 1. Bundeskonferenz der DKP in Offenbach forderten SDAJ-Funktionäre, die zum größten Teil auch der DKP angehören, die DKP auf, das Programm des kommunistischen Jugendverbandes zu akzeptieren und „damit den Grundstein zu einem guten Zusammenwirken zu legen”.
Nicht alle der von der DKP angesprochenen „Kräfte der außerparlamentarischen Opposition" reagierten auf die Vorstellungen dieser Partei, im „gemeinsamen antiimperialistischen Kampf für Frieden und Demokratisierung aller Lebensbereiche" eine Art Avantgarde sein zu wollen, positiv. So verschärften sich gegen Ende des Jahres 1968 die Spannungen im „Sozialistischen Zentrum" und in der teilweise von den Kommunisten beherrschten oder beeinflußten „Kampagne für Demokratie und Abrüstung". Anfang November 1968 trat der „Sozialistische Bund" von Prof. Dr. Wolfgang Abendroth (Marburg) aus dem „Sozialistischen Zentrum" aus.
Der „Berliner Extra Dienst" (steht Teilen der APO, besonders dem „Republikanischen Club" in West-Berlin nahe) vom 13. November 1968 berichtete, daß der „Sozialistische Bund“ als Begründung für diesen Schritt angegeben habe, „daß es aufgrund vorliegender Erfahrungen und der gegenwärtigen Entwicklung nicht möglich sei, mit der neugegründeten Deutschen Kommunistischen Partei institutionell zusammenzuarbeiten". Der „Berliner Extra Dienst" vom 13. November 1968 berichtete weiter:
„Das Sozialistische Zentrum'hat beschlossen, trotz der DKP-Gründung mit den Kommunisten weiter zusammenzuarbeiten; die ursprüngliche Konzeption des SZ hatte vorgesehen, zu einem nicht näher genannten Zeitpunkt eine Sozialistische Partei zu konstituieren — ein Plan, der durch die DKP-Gründung offenbar in absehbarer Zeit nicht mehr zu verwirklichen ist. Die Vereinigung Unabhängiger Sozialisten (VUS) hingegen hat beschlossen, im Gegensatz zum SB weiter im Zentrum mitzuwirken." Einem Bericht der „Frankfurter Rundschau" vom 13. November 1968 war zu entnehmen, daß der SDS in Frankfurt nicht bereit sei, mit der DKP zusammenzuarbeiten. Am 12. November 1968 erklärte das Frankfurter SDS-Mitglied Günter Amendt in einer Diskussion mit dem DKP-Funktionär und Mitglied des DKP-Bundesausschusses Georg Polikeit, daß der SDS nicht die Meinung der DKP teile, daß man die Arbeiter „zur Aktion führen" könne. Der SDSler betonte, daß sich die Arbeiter vielmehr selbst befreien müßten. Polikeit bezeichnete den SDS-Standpunkt als „Spontaneitätstheorie" und unterstrich nachdrücklich die Auffassung der DKP, daß ohne eine marxistische Parteiorganisation ein proletarisches Bewußtsein nicht entstehen könne.
Ende 1968 äußerte sich der leitende Funktionär der „Kampagne für Demokratie und Abrüstung", Dr. Arno Klönne, über die Notwendigkeit der Gründung einer „sozialistischen Organisation" in der Bundesrepublik Deutschland. „Die politische Situation in der Bundesrepublik", so meinte Dr. Klönne, sei „aller Wahrscheinlichkeit nach einem Versuch zur Organisation der Sozialisten heute günstiger als in der Vergangenheit, weil (neben anderen Gründen — H. Bw.) das offene Auftreten der KP und die Gründung der DKP in der Bundesrepublik die politische Grenzziehung zwischen dieser Art westdeutscher Kommunisten und den Sozialisten (bzw. unabhängigen Kommunisten) leichter macht . . . Die sozialistische Organisation braucht eine klare, an konkreten Fragen vermittelte Konfrontation gegenüber der DKP-KPD." (Zitiert nach „Berliner Extra Dienst", 18. 12. 1968.)
Eine alte Parole: „Einheitsfront von unten"
Für den Kenner kommunistischer Taktiken gegenüber der Sozialdemokratie — das gilt für die Zeit zwischen 1918 und 1933 ebenso wie für die Zeit nach 1945 — ist es keinesfalls überraschend, daß die DKP sofort nach ihrer Gründung mit Versuchen begann, die „Einheitsfront von unten" mit Mitgliedern und Anhängern der SPD zu schaffen. Mit der Taktik der Umarmung sollen die Mitglieder der SPD von ihrer demokratisch gewählten Führung getrennt und für kommunistische Aktionen zur Erreichung kommunistischer Ziele manipuliert werden. Im Programmentwurf der KPD von Anfang 1968 wird behauptet: „Bestimmt wurde und wird der Kurs der SPD von jenen rechten Führern, die die Zusammenarbeit mit dem Großkapital zum obersten Grundsatz ihrer Politik gemacht haben."
Diesem Angriff gegen die demokratisch gewählte Führung der SPD wird im KPD-Programmentwurf das „Rezept" der „Einheitsfront von unten“ beigegeben: „Die Entwicklung seit 1945 hat erneut gezeigt, daß in der SPD zwei unterschiedliche Tendenzen wirksam sind, in denen gegensätzliche Klasseninteressen zum Ausdruck kommen. Auf der einen Seite steht die Mehrheit der Mitglieder und Anhänger der SPD, die in ihrer Partei eine Interessenvertreterin der arbeitenden Menschen sehen, die für soziale Gerechtigkeit und demokratischen Fortschritt eintreten . . . Mit ihnen fühlen wir Kommunisten uns immer eng verbunden."
Der KPD-Chef Reimann blies auf seiner Düsseldorfer Pressekonferenz am 19. November 1968 ebenfalls laut in das „Einheitsfront" -Horn und erklärte heuchlerisch: „Natürlich werde ich nicht aufhören, mich kritisch mit der Politik der sozialdemokratischen Minister in der Großen Koalition und der SPD-Führung auseinanderzusetzen, weil diese Politik für die Arbeiterklasse, für die Bundesrepublik selbst, ein Verhängnis ist. Aber ich möchte hier eindeutig sagen, daß die Interessen der Sozialdemokraten und der Kommunisten in vielen Fragen übereinstimmen, und möchte betonen, daß wir das Gemeinsame zwischen uns und ihnen besonders hervorheben und stets für die Aktionsgemeinschaft zwischen Kommunisten und Sozialdemokraten eintreten."
Die DKP stellt ihr „Verhältnis zu Sozialdemokraten" in der Broschüre „Fragen und Antworten zur Neukonstituierung einer Kommu-B nistischen Partei in der Bundesrepublik" unter anderem so dar: „Mit allen Sozialdemokraten, die dazu bereit sind, streben wir eine kameradschaftliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit für die gemeinsamen Interessen und Ziele ... an. Dabei verbergen wir nicht unsere Meinung, daß die derzeitige Führung der SPD als Partner der CDU/CSU in der Großen Koalition diese Ziele preisgegeben hat und genau im entgegengesetzten Sinne handelt . . . Die Zusammenarbeit von Kommunisten, Sozialisten und Sozialdemokraten halten wir für eine entscheidende Voraussetzung, um in der Bundesrepublik eine Wende zu einer fortschrittlichen sozialen Demokratie zu erkämpfen."
Mit Datum vom 6. Dezember 1968 veröffentlichte der Bundesausschuß der DKP einen von Kurt Bachmann unterzeichneten offenen „Brief an die Mitglieder und Funktionäre der SPD", der ganz im heuchlerischen, verlogenen und trickreichen Stil früherer kommunistischer Einheitsfront-Angebote gehalten ist. Der Partei-vorstand der SPD erklärte zu diesem DKP-Brief in gebotener politischer Härte: „Der offene Brief besteht ungeachtet vieler freundlicher Worte ausschließlich aus Attacken gegen die Politik der SPD . . . Die DKP wird feststellen müssen, daß ihre Bemühungen zum Scheitern verurteilt sind. Außer einer harten politischen Auseinandersetzung haben die Sozialdemokraten der DKP nichts zu bieten . .. Zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten gibt es keine Gemeinsamkeiten. Es gibt keinerlei Anlaß für gemeinsame Gespräche oder gar gemeinsame Aktionen."
Der Parteivorstand der SPD geht in seiner Stellungnahme besonders und mit Nachdruck auf zwei Punkte des „Offenen Briefes" der DKP ein: „Noch einmal machen die Kommunisten den Versuch, die Intervention von Truppen des Warschauer Paktes in der CSSR zu rechtfertigen. Im gleichen Atemzug wollen sie mit der SPD über Friedenspolitik reden. Aber mit kritiklosen Befürwortern rein militärischer Machtpolitik kann man sich nicht über die Erhaltung des Friedens unterhalten.
Die Kommunisten sprechen auch von der Mitbestimmung. Alle Arbeitnehmer in der Bundesrepublik wissen, daß es in Deutschland, dort, wo Kommunisten regieren, keinerlei Mitbestimmung gibt." (Aus dem Kommunique über die Sitzung des Vorstandes der SPD am 13. Dezember 1968 in Bonn.)
Zwei Tage nach dieser schnellen und eindeutigen Reaktion der SPD auf das Einheitsfront-
Gefasel der DKP trat der Landesausschuß der DKP Nordrhein-Westfalen zu seiner 3. Tagung zusammen. Der DKP-Funktionär Josef Ledwohn (ehemaliger KPD-Landtagsabgeordneter in Nordrhein-Westfalen, jetzt Mitglied des Landesausschusses der DKP) referierte zum Thema „Gemeinsames Handeln aller sozialistischen und demokratischen Kräfte — Voraussetzung für eine neue Politik".
Ledwohn hatte die Lektion „Einheitsfront mit Sozialdemokraten" gut gelernt. In seinem Referat meinte er: „Es versteht sich, daß die DKP mit den rechten Führern der SPD und ihrer Politik nichts gemein hat. Ja, es ist notwendig, diese Politik als arbeiter-und volksfeindlich zu enthüllen und zu bekämpfen . . . Wir verstehen den inneren Konflikt, in dem sich viele Mitglieder der SPD befinden. Einerseits wollen sie ihrer Partei die Treue halten, andererseits sind viele für eine Politik, die gegen die Regierung der Großen Koalition gerichtet ist. In diesen Konflikt haben die rechten Führer der Partei ihre sozialdemokratischen Genossen gestürzt. Dafür tragen allein Wehner, Brandt, Schiller und andere die Verantwortung. Nicht die DKP." (Zitiert nach Presseinformation der DKP, Landesausschuß NRW, vom 15. 12. 1968.) Diese heuchlerischen Worte eines führenden DKP-Funktionärs, diese doppelbödigen Tricks kommunistischer psychologischer Kriegführung bedürfen wohl keines Kommentars. Der 1. Vorsitzende der SPD, Bundesaußenminister Willy Brandt, richtete Ende Dezember 1968 ein Rundschreiben an alle Mitglieder seiner Partei. In diesem Schreiben wurde nochmals ein klar erkennbarer Trennungsstrich zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten gezogen; alle Anbiederungsversuche, Einheitsfront-Angebote und Provokationen der DKP gegenüber der SPD wurden von Brandt entschieden und politisch begründet zurückgewiesen.
Willy Brandt betonte in seinem Brief an alle SPD-Mitglieder: „Zwischen deutschen Sozialdemokraten und deutschen Kommunisten gibt es keine sachliche Grundlage für Gespräche oder gar Aktionen. Wir sind sicher, daß die deutschen Sozialdemokraten geschlossen die Umarmungsversuche ebenso zurückweisen werden wie die Angriffe gegen die Führung unserer Partei."
Der Koalitionspartner der Sozialdemokraten in der Bundesregierung reagierte ebenfalls eindeutig ablehnend, kritisch und warnend auf die Bildung der DKP als einer etablierten Gruppe im linksextremen Bereich. Der Generalsekretär der CDU, Dr. Bruno Heck, erklärte dem Autor Anfang Februar 1969: „Die neue kommunistische Partei wird nichts anderes wollen als die alte auch: sie wird den Kommunismus in der Bundesrepublik verwirklichen wollen; daß er anders aussehen soll als der Kommunismus des Herrn Ulbricht, ist unwahrscheinlich. Insofern wissen wir, was wir von dem neuen Unternehmen zu halten haben. Im übrigen wird sich zeigen, ob sich diese neue kommunistische Partei mit der radikalen , neuen Linken'verbündet oder ob sie eigene Wege geht. Ich bin überzeugt, daß unser Volk den radikalen Parolen, ob sie nun von rechts oder links kommen, nicht Folge leisten wird."
DKP und Wahlen Für viele Kommunisten in der Bundesrepublik Deutschland stellte sich nach der Gründung der DKP die Frage, ob die Legalisierung einer kommunistischen Partei in der BRD nicht zu einer bitteren Stunde der Wahrheit führen könnte — spätestens dann, wenn sich diese kommunistische Partei offen und allein einer Wahl, besonders der nächsten Bundestagswahl, stellen müßte. Solche selbstkritischen Überlegungen wurden auch in den Führungsgremien der KPD und DKP angestellt. In durchaus realistischer Einschätzung der Lage kamen die führenden deutschen Kommunisten zu der Über-zeugung, daß die Erfolgschance einer legalen kommunistischen Partei in der BRD, der DKP, bei der Bundestagswahl im Jahre 1969 sehr klein sind: Mehr als 1 bis 2 Prozent der gültigen Stimmen dürfte die DKP kaum erhalten. Bei dieser Vorausberechnung spielt als wesentliches Kalkül die Haltung der KPD und DKP zur Intervention in der CSSR eine Rolle. So nimmt es nicht wunder, daß die Kommunisten im Laufe des Jahres 1968 immer entschiedener auf die Schaffung (Und Manipulierung) eines Wahlbündnisses hinsteuerten. Ein sichtbares Zeichen dafür war die starke KPD-Beteiligung an dem und der starke KPD-Einfluß auf den „Gießener Kreis".
Die DKP setzte den so begonnenen Kurs fort. Sie operiert auf diesem Weg als „Sekte unter Sekten" — allerdings als eine Sekte mit Führungsansprüchen — und in der Hoffnung, mit Hilfe vieler Steigbügelhalter doch ein — wenn auch klappriges — Roß besteigen zu können, das die Fünfprozent-Hürde überspringt.
In der bereits mehrfach zitierten DKP-Broschüre „Fragen und Antworten" heißt es unter dem Stichwort „Bundestagswahlkampf": „Wir führen grundsätzlich den Kampf für die von uns vertretene Politik sowohl auf der parlamentarischen wie auf der außerparlamentarischen Ebene. Dementsprechend werden wir uns auch am kommenden Bundestagswahlkampf beteiligen. In welcher Form diese Beteiligung erfolgt, wird der Parteitag zu entscheiden haben. Es ist jedoch naheliegend, daß wir die Bemühungen um die Schaffung eines Wahlbündnisses aller demokratischen und sozialistischen Kräfte in der Bundesrepublik unterstützen werden. Einige Mitglieder unseres Ausschusses haben sich ja bereits in dieser Hinsicht engagiert, daß sie sich für ein derartiges Bündnis ausgesprochen haben, und sind bereits an entsprechenden Gremien beteiligt."
Die 1. Bundeskonferenz der DKP in Offenbach bestätigte diesen Kurs und richtete einen zustimmenden offenen „Brief an den Gründungskongreß eines Aktionsbündnisses für die Bundestagswahl 1969".
DKP konzipiert ein Wahlbündnis Das „Aktionsbündnis für die Bundestagswahl 1969" wurde von den Kommunisten konzipiert;
nach außen trat als Initiator der kommunistisch beeinflußte „Gießener Kreis" auf und als „Manager" für die Vorbereitung des Dortmunder Kongresses fungierte der bekannte ehemalige KPD-Funktionär und jetzige Stellvertretende Generalsekretär des ebenfalls kommunistisch beeinflußten „Bundes der Deutschen", Dr. Hans Brender, Krefeld. Im Frühherbst 1968 wurde ein „Aufruf zum Gründungskongreß eines Aktionsbündnisses für die Bundestagswahl 1969" veröffentlicht. Dieser Aufruf war von einer großen Anzahl von Personen unterzeichnet worden: von führenden Funktionären der DKP, der DFÜ, des Sozialistischen Bundes und der SDAJ, von vielen anderen Personen, die irgendwo in der weiten, unübersichtlichen Landschaft der außer-und antiparlamentarischen Opposition ihre Position haben, aber auch von Mitgliedern von Gewerkschaften und der SPD. In diesem Aufruf wird behauptet, daß „die herrschenden Parteien, die sich in keinem wesentlichen Punkt mehr voneinander unterscheiden, (uns) nichts mehr zu bieten" haben. Die „Unterzeichner" des Aufrufes erklären recht selbstsicher: „Dem Bündnis der herrschenden Parteien mit dem Großkapital werden wir zur Bundestagswahl 1969 eine Alternative entgegensetzen." Die SPD-Führung reagierte eindeutig ablehnend auf das kommunistische „Wahlbündnis" und verurteilte die Teilnahme von SPD-Mitgliedern. In einer Erklärung des SPD-Präsidiums vom 8. November 1968 wird betont, daß in dem „Aktionsbündnis zur Bundestagswahl 1969" „Gruppen und Ausschüsse links von der SPD" vereint werden sollen, „die sich die Schädigung und Zertrümmerung der SPD zum Ziel gesetzt haben". Das „Aktionsbündnis" wurde in der gleichen Erklärung als „eine Koalition von Kommunisten aller Variationen" bezeichnet, die sich „in der Rechtfertigung der Okkupation der CSSR durch sowjetische und Truppen des Warschauer Paktes" einig sind.
Die Gliederungen und Mitglieder der SPD wurden in der Präsidiumserklärung vom 8. November 1968 unmißverständlich gewarnt: „Jede Beteiligung von SPD-Mitgliedern an dieser Koalition und jede Unterstützung dieser Organisation durch Sozialdemokraten führt zur Einleitung von entsprechenden Parteiordnungsverfahren. "
Der Gründungskongreß des Aktionsbündnisses zur Bundestagswahl 1969 fand wie geplant am 2. November 1968 in Dortmund statt. Die kommunistische Regie war trotz allen „nichtkommunistischen " Dekorums unübersehbar. Führende Funktionäre der DKP (Kurt Erlebach, Grete Thiele, Kurt Bachmann) und von den Kommunisten abhängige manipulierte Personen hatten die Fäden fest in der Hand.
Mit kämpferischem Pathos wurde auf dem Kongreß ein Rezept zur „Umfunktionierung" von Wahlveranstaltungen demokratischer Parteien verkündet: „Wir werden keine Veranstaltung der herrschenden Parteien in ihrer sattsamen Demagogie unbehelligt lassen, sondern immer neu versuchen, sie zu offenen Diskussionsforen umzugestalten und auf die echten Probleme der arbeitenden Bevölkerung zu lenken."
Der Dortmunder Kongreß des „Aktionsbündnisses zur Bundestagswahl 1969" war keine Arbeitstagung, sondern eine kommunistische Heerschau. Es gab auch kein Programm, sondern auschließlich Polemik.
Der Dortmunder Kongreß beschloß, so bald wie möglich unter Beibehaltung der organisatorischen Selbständigkeit der verschiedenen Gruppen eine Partei im Sinne des Parteiengesetzes zu gründen, um damit überhaupt die rechtliche Möglichkeit zu erhalten, sich an den Bundestagswahlen 1969 beteiligen zu können.
Von der DKP an die Hand genommen: Die „Wahlpartei" ADF Die Gründung dieser „Wahlpartei" — der „Aktion Demokratischer Fortschritt" (ADF) — erfolgte am 7. Dezember 1968 in Frankfurt/M. An der Gründungsversammlung nahmen 231 stimmberechtigte Delegierte teil, die überwiegend von Kommunisten ausgewählt worden waren. Der Gründungskongreß verlief ohne Höhepunkte und brachte politisch nichts Neues. Im Grunde wurde nur der Form (d. h. rechtlicher Vorschriften wie Parteiengesetz, Bundeswahlgesetz) genügt, um die Möglichkeit zur Teilnahme an der Bundestagswahl 1969 zu bekommen.
In das Präsidium der ADF wurden gewählt: Professor Dr. Werner Bartsch, Lich/Hessen, Theologe, Mitglied des Zentralen Arbeitsausschusses des „Fränkischen Kreises";
Arno Behrich, Großkönigsdorf bei Köln, ehemaliger SPD-Bundestagsabgeordneter, Mitglied des DFU-Direktoriums, Landesvorsitzender der DFU Nordrhein-Westfalen;
Artur Fritz, Nürnberg, Betriebsratsvorsitzender, ehemaliges Mitglied der inzwischen aufgelösten kommunistischen „Aktionsgemeinschaft gegen die atomare Aufrüstung"; Professor Dr. Werner Hofmann, Marburg, Direktor des Soziologischen Institutes der Universität Marburg, Mitbegründer des „Gießener Kreises", ehemaliges Mitglied des zentralen Kuratoriums „Notstand der Demokratie"; Erwin Oltmann, Woltzeten bei Emden, Mitherausgeber der kommunistisch beeinflußten Zeitung „Bauernruf" und der auf der gleichen Linie agitierenden „Demokratischen Bauern-aktion"; Erwin Seel, St. Ingbert, Stellvertretender Bundesvorsitzender und Landesvorsitzender Saarland der „Sozialistischen Deutschen Arbeiter-jugend" (SDAJ);
Grete Thiele, Wuppertal, Mitglied des KPD-Zentralkomitees, des DKP-Bundesausschusses und des DKP-Landesausschusses Nordrhein-Westfalen; Karl Freytag, Stuttgart.
Dem Parteivorstand der ADF gehören 55 Personen an, von denen nach ersten Analysen der Staatsschutzbehörden 32 (das sind 58 %, also die absolute Mehrheit!) Kommunisten und leitende Funktionäre kommunistischer Hilfsorganisationen sind. Darunter befinden sich zum Beispiel folgende Personen: Helmut Bausch, Mitglied des Präsidiums des „Bundes der Deutschen" (BdD) und des DFU-Bundesvorstandes; Dr. Hans Brender, Mitglied des BdD-Präsidiums und des DFU-Bundesvorstandes, ehemaliger KPD-Funktionär;
Kurt Erlebach, Mitglied des „Arbeitsausschusses" des DKP-Bundesausschusses;
Lorenz Knorr, Mitglied des DFU-Direktoriums; Heinrich Werner, DFU-Bundesgeschäftsführer und Mitglied des DFU-Direktoriums.
Funktionäre der ADF erklärten nach der Gründung, ihre Partei werde den Kampf in erster Linie gegen die CDU/CSU und gegen die NPD richten, sich aber auch „mit der Politik derjenigen SPD-Führer auseinandersetzen, die sich dem CDU/CSU-Kurs angeschlossen haben" (so zum Beispiel Grete Thiele — DKP/ADF — in einem Interview mit dem Bonner Korrespondenten des SED-Zentralorgans „Neues Deutschland vom 16. 12. 1967). Bei dieser Gelegenheit agitierte die DKP-und ADF-Funktionärin Grete Thiele auch für die „Einheitsfront von unten": „Wenn sich, was ich mir durchaus vorstellen könnte, Kandidaten der ADF und der SPD auf regionaler Ebene zu gemeinsamen Aktionen gegen die Politik der CDU/CSU und vor allem gegen den Neonazismus zusammenfinden, dann würde das — davon bin ich überzeugt — von den demokratisch gesinnten Kräften in der Bundesrepublik gewiß honoriert."
Auf einer Pressekonferenz ließen Funktionäre der ADF erkennen, daß die kommunistische „Wahlpartei" ADF keine Bedenken hätte, staatliche Gelder für die Finanzierung des Wahlkampfes in Anspruch zu nehmen.
Funktionäre der DKP äußerten sich befriedigt über den Ablauf der Gründungsversammlung der ADF. Allerdings bezweifelten sie, daß es der ADF gelingen könne, die 5 %-Klausel zu überwinden. Die DKP habe sich zwar vorgenommen, das Wahlbündnis bzw. die Wahlpartei zu aktivieren, jedoch seien zwölf Jahre Verbot, zwölf Jahre Illegalität an der Partei und ihren Kadern nicht spurlos vorübergegangen.
In dem bereits erwähnten Interview des „Neuen Deutschland" mit Grete Thiele (Mitglied des Bundesausschusses der DKP und Mitglied des Präsidiums der ADF) wurde auch die Frage gestellt, wer die ADF trage. Grete Thiele gab in ihrer Antwort die folgende aufschlußreiche Darstellung des kommunistischen Wahlbündnisses: „Zunächst einmal: Nach dem Statut der ADF können Mitglieder anderer Parteien, wenn sie das ADF-Programm unterstützen, zugleich auch Mitglied dieser neuen Partei sein.
Getragen wird die ADF von dem in Dortmund gegründeten Bündnis. Wie Sie wissen, gibt es in Westdeutschland eine ganze Reihe von Parteien und Organisationen, von Persönlichkeiten aus dem geistigen, künstlerischen und kirchlichen Leben und, im Vordergrund natürlich, starke Gruppen von Arbeitern, Arbeiter-und Gewerkschaftsfunktionären, von Studenten, Jugendorganisationen, Angehörigen des Mittelstandes und besonders auch der Bauern, die mit der Politik der Monopole, mit der Politik der großen Koalition in Bonn nicht zufrieden sind. Ein großer Teil dieser Kräfte hat sich in Dortmund zusammengefunden, und dazu gehört die DKP, dazu gehört die DFU, dazu gehören auch viele andere Gruppen."
Sehr bald nach der Gründung der ADF wurde mit der Aufstellung von ADF-Kandidaten für die Bundestagswahlen 1969 begonnen. Mitte Januar 1969 zum Beispiel wurde bekannt, daß der Altkommunist und letzte Landesvorsitzende der verbotenen KPD in Bayern, Richard Scheringer (Mitglied des „Initiativausschusses für die Wiederzulassung der KPD"), zu den Bundestagswahlen 1969 für die ADF kandidieren wird.
Zu den Unterzeichnern des „Aufrufs zum Gründungskongreß eines Aktionsbündnisses für die Bundestagswahl 1969" gehörte der Betriebsrat Kurt Birking aus Hannover. Birking nahm auch noch an dem Dortmunder Kongreß am 2. November 1968 teil, wo er Gelegenheit hatte, hinter die Kulissen dieser Veranstaltung und des „Wahlbündnisses" zu schauen. Danach widerrief Birking seine Unterschrift unter dem „Aufruf" und zog sich von der weiteren Mitarbeit im kommunistischen Wahlbündnis zurück. Diese Schritte begründete Birking in einem offenen Brief an die „Unterzeichner des , Aktions-und Wahlbündnisses'" und an die „Betriebs-und Gewerkschaftskollegen".
Im Anhang dieser Schrift findet sich der volle Wortlaut dieses für die Auseinandersetzung mit der DKP und der ADF aufschlußreichen Dokuments.
DKP plant eigenes Pressenetz In Führungskreisen der DKP sind seit Anfang 1969 Bemühungen im Gange, für die DKP ein eigenes Pressenetz aufzubauen, um auf diese Weise die Öffentlichkeitsarbeit der Partei auf eine breitere Basis stellen zu können. Aus Plä-B nen, die in der DKP-Führung bereits ernsthaft besprochen werden und über die zum Teil auch bereits verhandelt wird, geht hervor, daß die DKP in den kommenden Monaten versuchen will, die nachstehende Periodika herauszubringen: ein Zentralorgan der DKP, zehn Landesorgane, ein theoretisches Organ, eine Funktionärszeitschrift und eine Zeitschrift für Frauenfragen.
Anfang 1969 hatten Verhandlungen darüber begonnen, drei bereits seit langem offen erscheinende kommunistische Publikationen auf das DKP-Gleis zu rangieren. Es handelt sich dabei um die „Deutsche Volks-Zeitung" (DVZ), die als Zentralorgan der DKP vorgesehen ist, die „Tatsachen", die zum Landesorgan der DKP für Nordrhein-Westfalen umgewandelt werden sollen, und um die „Marxistischen Blätter", die nach den Vorstellungen der DKP-Führung das theoretische Organ der DKP abgeben könnten.
IV. KPD/ML — Eine maoistische Splittergruppe
Am 50. Jahrestag der Gründung der KPD, am 31. Dezember 1968, konstituierte sich in Hamburg die pro-chinesische, Mao-freundliche „Kommunistische Partei Deutschlands/Marxisten-Leninisten (KPD/ML)". Gründer dieser kommunistischen Splittergruppe ist der Altkommunist und ehemalige KPD-Funktionär Ernst Aust, Herausgeber der maoistischen Zeitschrift „Roter Morgen". Die KPD/ML will, wie Aust auf einer Pressekonferenz in Hamburg am 3. Januar 1969 verkündete, den Kampf gegen den „Revisionismus" der Moskau-freundlichen und Mao-feindlichen Kommunisten in der KPD und DKP führen. Bereits im November hatte ein Funktionär der DKP, Bernd Hart-mann, die Aufrufe zur Gründung einer pro-chinesischen Partei als einen Versuch bezeichnet, „mit linksradikalen Phrasen das Geschäft des Antikommunismus zu betreiben". (Zitiert nach „Die Welt", 3. 1. 1969.)
V. Das Wirken der DKP — Eine Herausforderung aller Demokraten
Eine Nachbemerkung In der DKP-Broschüre „Fragen und Antworten" steht unter dem Stichwort „Chancen geschrieben: „Frage: Welche Chancen rechnen Sie sich bei Ihrer politischen Tätigkeit aus?
Antwort: Wir sind nüchterne und illusionslose Realisten . . . Was vor uns liegt, wird .. . kein leichter Kampf sein. Wenn wir uns jedoch die Möglichkeit erkämpfen, unsere Ansichten in der Bevölkerung verbreiten und begründen können, glauben wir, auf die Dauer doch Gehör und Vertrauen zu finden, weil unsere Argumente stichhaltig sind und unsere Politik den Interessen der breitesten Schichten der Bevölkerung enspricht."
Gewiß ist es notwendig, daß dafür zuständige staatliche Stellen Programmatik und Wirken der DKP unter Beachtung verfassungsrechtlicher Maßstäbe beobachten und analysieren. Doch unabhängig davon sollten die demokratischen Kräfte in unserem Lande der DKP und allen ihren Trabanten eine harte, kompromißlose und offene politische Auseinandersetzung bieten. Alle Demokraten sind durch das Wirken der Kommunisten und ihrer Mitläufer in unserem Lande herausgefordert — herausgefordert zur Auseinandersetzung. Extreme politische Strömungen, Extremisten aller Schattierungen haben immer dann eine Erfolgschance, wenn die demokratischen Kräfte schlafen, resignieren, gleichgültig oder unwissend abseits stehen, kurz: sich inaktiv und indifferent der Auseinandersetzung mit dem Extremen, mit den Extremisten entziehen.