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Die Weltanschauung der Neuen Linken | APuZ 32/1968 | bpb.de

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APuZ 32/1968 Die Weltanschauung der Neuen Linken

Die Weltanschauung der Neuen Linken

Giselher Schmidt

Vorbemerkung

Inhalt Vorbemerkung I. Der Anspruch auf objektive und absolute Wahrheit II. Parteiische Toleranz III. Gnostisch-manichäischer Messianismus IV. Politischer Existentialismus V. Die vulgärmarxistische Denunziation der freiheitlichen Demokratie VI. Der dezidierte Antiparlamentarismus VII. Der Kampf gegen das „System" VIII. Die Theorie von der Gewalt in den Metropolen IX. Psychologismus, aristokratischer Ästhetizismus, Kulturpessimismus X. Schlußbetrachtung: Die Stunde der Demokraten Literaturverzeichnis

Die Neue Linke ist gewiß kein rocher de bronce. Selbst ihre Kerntruppe, der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS), stellt — wie Rene Ahlberg erst kürzlich nachzuweisen wußte — keinen monolithischen Block dar, sondern besteht aus zwei Hauptrichtungen: einer revolutionär-marxistischen und einer anarcho-kommunistischen Zum SDS und der aus ihm hervorgegangenen oder mit ihm sympathisierenden Intelligenz kommen noch einige — insbesondere studentische — Trabantenorganisationen hinzu, die sich zumindest in Nuancen vom SDS unterscheiden. Angesichts der verschiedenen Schattierungen wäre gewiß eine stark differenzierende Betrachtungsweise, für die hier nicht genügend Platz ist, ein Gebot intellektueller Redlichkeit. Doch wird man andererseits einer Untersuchung die Redlichkeit nicht deswegen absprechen dürfen, weil sie nicht alle Nebenströmungen einbezieht, sondern hauptsächlich die Posaunen und Trompeten der Neuen Linken zur Kenntnis nimmt, obwohl bekannt ist, daß es daneben noch subtile Pikkoloflöten gibt. Auch eine differenziertere Betrachtungsweise dürfte übrigens nicht dazu fuhren, bei allen Verästelungen das Prädominierende und Bestimmende oder — um es trivial zu sagen — vor lauter Bäumen den Wald nicht zu sehen.

Zudem wird jeder Wissenschaftler und Publizist — und dies kann gesagt werden, ohne einen wissenschaftlichen Methodenstreit zu entfachen — eine Auswahl treffen müssen, um das wiederzugeben, was ihm wichtig und signifikant erscheint. Zur Neuen Linken sollen alle jene gerechnet werden, die Gesicht und Charakter der revolutionären Studentenbewegung und der Republikanischen Clubs geprägt und die sich als Motoren der institutionalisierten Außerparlamentarischen Opposition erwiesen haben. (Die Außerparlamentarische Opposition, ein legitimes Element jeder parlamentarischen Demokratie — das schon seit langer Zelt von führenden nonkonformistischen Zeitungen und Zeitschriften in der Bundesrepublik wahrgenommen wird —, wird von der Neuen Linken mit einem Monopol belegt, zur „APO" institutionalisiert und zur antiparlamentarischen Opposition umfunktioniert.)

Von der Neuen Linken sollen alle traditionalistisch kommunistischen Gruppierungen, die sich einseitig an der illegalen KPD-Führung oder der SED orientieren, unterschieden werden; ebenso die vielfältigen neutralistischen und pazifistischen Gruppierungen und die verschiedenen Ad-hoc-Organisationen (wie etwa gegen die Notstandsgesetzgebung). Zur Neuen Linken können natürlich nicht die Gewerkschaften gerechnet werden, auch wenn einzelne ihrer Mitglieder — was auch für die oben genannten Gruppierungen gilt — mit der Neuen Linken sympathisieren oder ihr sogar angehören. Das Epitheton „neu" ist trotz der Tatsache, daß der Sozialistische Deutsche Studentenbund auf mehr als zwei Jahrzehnte seines Bestehens zurückblickt, berechtigt; denn in den letzten Jahren hat sich unter dem Einfluß des Sozialphilosophen Herbert Marcuse und von Denkern aus den Entwicklungsländern eine bedeutsame Metamorphose der Weltanschauung vollzogen. Und diese neue Weltanschauung — im wesentlichen ein Synkretismus aus Marx, Freud und Mao — hat weite Kreise der sich als links verstehenden Intelligenz erfaßt.

Problematischer erscheint die Frage, ob die aus Gründen der Einfachheit und der Verständlichkeit beibehaltene Bezeichnung „Linke" angebracht ist. Wenn man den Glauben an die Vernunft und an den Fortschritt als Kriterium für „links" und die Skepsis gegenüber Vernunft und Fortschritt als „rechts" betrachtet, dann wird man viele „rechte" Komponenten in der Weltanschauung der Neuen Linken feststellen können. Andererseits ist aber zu betonen, daß die Neue Linke sich primär am Menschen, seinem Glück, seiner Freiheit und seiner Wohlfahrt orientiert, daß sie also den anthropologischen Ausgangspunkt mit den Verfechtern der parlamentarischen Demokratie gemeinsam hat und sich so prinzipiell von kryptonazistischen und pseudokonservativen Gruppen, die vom Kollektiv „Rasse" oder einem mythisch-mystisch begriffenen „Volk" ausgehen, unterscheidet Die Neue Linke hat bei allen ihren Aktionen und Demonstrationen das apriorische Werturteil, „daß das menschliche Leben lebenswert ist oder vielmehr lebenswert gemacht werden kann oder sollte", zur Voraussetzung

Trotz aller irrationalen Verschüttungen ist der Ansatzpunkt der Neuen Linken doch ein rationaler. Man darf auch nicht vergessen, daß viele Mißstände in der Struktur der Bundesrepublik und des westlichen Bündnisses primär von der Neuen Linken ins Bewußtsein der Öffentlichkeit gerückt worden sind, wie etwa die hierarchisch-feudalen Restbestände an den Universitäten, der autoritäre Charakter des besonderen Gewaltverhältnisses in den Schulen, die Pressekonzentration, die Problematik des militärischen Engagements der USA in Vietnam und insbesondere die Problematik der militärischen Eskalation. Auch die Internationalität der von der amerikanischen Universität Berkeley ausgegangenen weltweiten studentischen Protestbewegung, die — allerdings mit teilweise ganz anderen Vorzeichen — auch auf die Staaten Osteuropas übergreift, kann als Positivum gewertet werden. Dennoch gibt es viele für den Bestand der Demokratie, ja selbst für den Bestand des Weltfriedens gefährliche Komponenten in der Weltanschauung der Neuen Linken. Deswegen bedarf sie einer kritischen, behutsamen und — im Geiste von Humanität, allseitiger Toleranz und wertgebundener Demokratie — engagierten Untersuchung :

I. Der Anspruch auf objektive und absolute Wahrheit

Klaus-Peter Schulz, Berliner Bundestagsabgeordneter und Studioleiter der Deutschen Welle Berlin, würdigt — bei aller kritischen Distanz — die Studentenrebellion als einen „Kampf um die Wahrheit"

Er hat damit den Nagel auf den Kopf getroffen. Die sittliche Größe der außerparlamentarischen Protestbewegung liegt in ihrem Wahrheitsfanatismus, der vor Opfern und Entbehrungen nicht zurückschreckt. Man denke daran, daß manche Mitarbeiter im Berliner Republikanischen Club ihre Habilitation um der Revolution willen wahrscheinlich auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben haben.

Der außerparlamentarischen Protestbewegung gegenüber müssen die Organe und wichtigsten Persönlichkeiten des Staates als simpel, ridikül, kompromißlerisch oder gar als korrupt erscheinen. Denn Aufgabe eines demokratischen Gemeinwesens kann es nicht sein, ein System absoluter Wahrheiten zu vermitteln oder gar einen Katalog von dogmatischen Glaubenssätzen in die praktische Politik zu transformieren.

Karl Loewenstein sieht das entscheidende Kriterium für einen totalitären Staat in der Durchdringung der gesamten politischen, gesellschaftlichen und moralischen Ordnung mit einer einheitlichen, geschlossenen Weltanschauung, wohingegen der demokratische Konstitutionalismus nur eine einzige, gemeinsam verpflichtende Ideologie kenne: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus

Mag unsere heutige Demokratie sich zwar als wertgebundene Demokratie verstehen und das Theorem des Staatsrechtslehrers Hans Kelsen, die Weltanschauung der Demokratie sei der Relativismus, verwerfen, so kann es doch in einem pluralistisch-demokratischen Staat nur einen Minimalkonsensus über gemeinsame Wertvorstellungen geben. Ein gewisses Maß an Pragmatismus und Kompromißbereitschaft ist für jede Demokratie eine Lebensnotwendigkeit. Deshalb können auch politische Parteien nicht mit dem Anspruch auf absolute Wahrheit auftreten. Fritz Erler, der verstorbene sozialdemokratische Politiker, hatte dies aut dem Evangelischen Kirchentag von 1959 in einer schlichten, einprägsamen Weise dargelegt: „In der Politik gibt es nicht nur eine Wahrheit. Der Andersdenkende muß nicht irren, selbst wenn ich das meine." So heißt es im Godesberger Programm der SPD: „Der demokratische Sozialismus . . . will keine letzten Wahrheiten verkünden .. Die Unionsparteien, zwar an den letzten Werten des Christentums orientiert, lehnen es selbstverständlich gleichwohl ab, im Politischen einen Monopolanspruch auf Wahrheit zu erheben oder letzte Wahrheiten verwirklichen zu wollen. Im Gegensatz dazu erheben Repräsentanten totalitärer Staaten und Parteien den Anspruch auf absolute Wahrheit, die angeblich nur auf ihrer Seite sein kann. So erklärte Mao Tse-tung: „Die Kommunistische Partei hat vor keiner Kritik Angst, weil wir Marxisten sind, weil die Wahrheit auf unserer Seite ist . .

Auch verschiedene Ideologen der Außerparlamentarischen Opposition verkünden den Glauben an die objektive und absolute Wahrheit, die auf Seiten jener Gruppen sei, die gegen das falsche Bewußtsein kämpfen. Nach Herbert Marcuse gibt es „eine objektive Wahrheit . . ., die nur dadurch aufgedeckt und ermittelt werden kann, daß erfahren und begriffen wird, was ist, sein kann und zur Verbesserung des Loses der Menschheit getan werden sollte." Marcuse fährt fort: „Dieses öffentliche und historische . Sollen'ist nicht unmittelbar einsichtig, liegt nicht auf der Hand: es muß enthüllt werden, indem das gegebene Material durchschnitten’, , aufgespalten', . zerbrochen'(di-cutio) wird — wodurch Recht und Unrecht, Gut und Schlecht, Richtig und Falsch auseinandergehalten werden."

Nach Ekkehart Krippendorff, dem führenden Kopf des Republikanischen Clubs in West-Berlin, hat die Linke, „und zwar auch noch die extremste Linke . . ., immer das Element der historischen Wahrheit für sich", dagegen die Rechte, „und zwar auch die nur gemäßigte Rechte, das Element der Unwahrheit und des Unrechts"

Das bedeutet letzten Endes: Der Gegner (selbstverständlich auch die Berliner Sozialdemokraten Schütz, Neubauer und Mattick) ist kein fairer Mitstreiter im Kampf um eine optimale Verwirklichung von Gerechtigkeit in Staat und Gesellschaft, sondern der Repräsentant von Unwahrheit und Unrecht. Eng verwandt mit dem Anspruch auf objektive und absolute Wahrheit ist der Wunsch, einen neuen Menschen zu schaffen. Der Demokrat bekennt sich zu dem Grundsatz, daß die Menschenwürde und die menschliche Persönlichkeit dem Staate vorgegeben sind und daß der Staat die Pflicht hat, die optimalen Bedingungen zur freien Entfaltung der menschlichen Persönlichkeit zu schaffen. So heißt es etwa im Godesberger Programm der Sozialdemokratie: „Das Leben des Menschen, seine Würde und sein Gewissen sind dem Staate vorgegeben. Jeder Bürger hat die Überzeugung seiner Mitmenschen zu achten . . . Der Staat soll Vorbedingungen dafür schaffen, daß der einzelne sich in freier Selbstverantwortung und gesellschaftlicher Verpflichtung entfalten kann." Demgegenüber plädieren viele Protagonisten der Neuen Linken dafür, daß ein neuer Mensch durch politische Aktionen und Institutionen geschaffen werden soll. Herbert Marcuse antwortete im „Spiegel" -Interview auf die Frage, ob ein neuer Mensch die Führung übernehmen solle: „Ja. Einen neuen Menschen erziehen, das ist es — nicht weil ich gerade die Idee habe, sondern weil die Entwicklung der modernen Industriegesellschaft den Punkt erreicht hat, wo ein solcher neuer Mensch nicht nur möglich, sondern auch notwendig ist ..." Rudi Dutschke preist die kubanische Revolution als „Sieg neuer Menschen". Die paradigmatischen Revolutionen von China und Kuba unterscheiden sich von allen anderen Revolutionen dadurch, „daß sie sowohl in der Theorie als auch in der Praxis als permanente Revolutionen begriffen wurden, als ununterbrochener Lernprozeß der Massen und der Partei, mit dem Ziel der Schaffung eines neuen Menschen für eine neue menschliche Gesellschaft" Diese Theorie vom neuen Menschen ist eine säkularisierte Variante der religiös motivierten absolutistischen Staatsauffassung in der frühen Neuzeit, wonach der Monarch für das Seelenheil seiner Untertanen verantwortlich ist und ihnen den Weg zur wahren Gotteserkenntnis, rechten Gottesanbetung und zur sittlichen Vervollkommnung weisen soll. Freilich ist diese Variante frühabsolutistischer Staatsgesinnung ins Prometheische erhöht worden.

Auch Immanuel Kant — wohl einer der freiheitlichsten Denker der deutschen Geistesgeschichte gerade in politischen Fragen — hatte in seinen Schriften mit aufgeklärten Despoten und mit namhaften Juristen seiner Zeit eine Kontroverse darüber geführt, ob der Zweck des Staates die Glückseligkeit seiner Untertanen sein solle. Kant vertritt zwar die Ansicht, daß wahre Politik keinen Schritt tun könne, ohne vorher der Moral gehuldigt zu haben, daß der Staat notwendig sei, damit sich in ihm das Ethische verwirklichen könne, und daß der Staat das Volk über das Wesen des Menschen aufklären oder doch zumindest diese Aufklärung begünstigen solle

Andererseits warnt aber Kant den Gesetzgeber, eine auf ethische Zwecke gerichtete Verfassung durch Zwang bewirken zu wollen Ebenso ist für ihn der Zweck des Staates nicht die Glückseligkeit. Wollte er nämlich die Glückseligkeit seiner Untertanen anstreben, so müßte er zur Despotie ausarten So geht auch den Fürsten das Seelenheil seiner Untertanen nichts an; allerdings muß er verhüten, daß einer den anderen gewaltsam daran hindert, an der Bestimmung und Beförderung des Seelenheils nach seinem Vermögen zu arbeiten Aus der Ablehnung der Glückseligkeitstheorie folgt konsequent, daß Kant, im Gegensatz zu den Verfechtern des Absolutismus, jede „väterliche" Regierung, also jede Erziehungsdiktatur mit dem Ziel, einen besseren Menschen zu schaffen, ablehnt

II. Parteiische Toleranz

Aus dem Anspruch auf absolute Wahrheit wird der Gedanke einer parteiischen Toleranz abgeleitet. Nach Herbert Marcuse bedeutet „befreiende Toleranz" die „Intoleranz gegenüber Bewegungen von rechts . . . und Duldung von Bewegungen von links." Die traditionelle liberale Toleranz stärke nur „die Tyrannei der Mehrheit" „Wahrheit" sei das „Telos der Toleranz" Marcuse versucht den Einwand, der Verzicht auf eine allseitige Toleranz sei undemokratisch, wie folgt zu widerlegen: „Daß rückschrittlichen Bewegungen die Toleranz entzogen wird, ehe sie aktiv werden können, daß Intolerenz auch gegenüber dem Denken, der Meinung und dem Wort geübt wird (Intoleranz vor allem gegenüber den Konservativen und der politischen Rechten) — diese antidemokratischen Vorstellungen entsprechen der tatsächlichen Entwicklung der demokratischen Gesellschaft, welche die Basis für allseitige Toleranz zerstört hat. Die Bedingungen, unter denen Toleranz wieder eine befreiende und humanisierende Kraft werden kann, sind erst herzustellen."

Die parteiische Toleranz verlangt, „. . . daß Gruppen und Bewegungen die Rede-und Versammlungsfreiheit entzogen wird, die eine aggressive Politik, Aufrüstung, Chauvinismus und Diskriminierung aus rassischen und religiösen Gründen befürworten oder sich der Ausweitung öffentlicher Dienste, sozialer Sicherheit, medizinischer Fürsorge usw. widersetzen."

Das würde bedeuten, daß Parteien und Gruppierungen, die sich der Ausweitung des Wohlfahrtsstaates zum sogenannten „Versorgungsstaat" widersetzen (dazu gehören wohl die FDP und die CDU/CSU in ihrer Mehrheit), verboten werden müßten. Auch Begriffe wie „aggressive Politik" — gerade in Verbindung mit der grundsätzlich verdammten „Aufrüstung" — und „Chauvinismus" werden von den Protagonisten der Neuen Linken anders bewertet als von den Vätern des Grundgesetzes (die in Artikel 26 GG Handlungen gegen das friedliche Zusammenleben der Völker als verfassungs-widrig gebrandmarkt haben). Wenn etwa Ursula Schmiederer der Regierung der Großen Koalition und dem derzeitigen Außenminister „Aggressivität gegenüber dem Sozialismus" vorwirft, so kann man sich vorstellen, daß die konsequente Verwirklichung der Theorie der Neuen Linken zum Verbot aller demokratischen Parteien führen könnte

Marcuse spricht sich auch gegen die Lehrfreiheit aus und plädiert für Zensur und Vorzensur Zur Frage der Zensur äußerte er sich auch in seinem „Spiegel" -Gespräch. Auf die Frage, ob er das platonische Ideal einer Philosophenaristokratie anstrebe, antwortete er: „Genau das, ohne die platonische Grausamkeit." Von einer Erziehungsdiktatur, zu der die Revolution tendiere, erwartet er, daß sie sich „in ihrer Erfüllung aufheben würde"

Für parteiische Toleranz setzt sich auch Rudi Dutschke ©in. Es darf keine „Freiheit von Faschisten" und „keine Freiheit für die Konterrevolution geben" Auf die große Gefahr einer extensiven Auslegung des Begriffes „Faschismus" wies sehr eindrucksvoll der Berliner Ordinarius für Politische Wissenschaft, Ossip K. Flechtheim, in seinem Bad Boller Gespräch mit Rudi Dutschke, Ernst Bloch und anderen zu Beginn dieses Jahres hin.

Da Dutschke zufolge die „neue Form des Faschismus . . . nicht mehr in einer Partei oder in einer Person zu finden", sondern „vielmehr in allen Institutionen das Spätkapitalismus vorhanden" sei (er nennt Fabrik, Universität, Schule und Kirche als Beispiele unter vielen), so würde die Realisierung seines Freiheitsbegriffs die Zerschlagung von Kirchen, Plural-verbänden, aber auch von Parteien und parlamentarischen Körperschaften zur Folge haben. Nach Dutschke darf es Freiheit nur für Sozialisten (auch nicht für Sozialdemokraten) geben. Er spricht sich „für die Entfaltung der Demokratie auf der Grundlage der nicht mehr in Frage zu stellenden sozialistischen Basis" und für „verschiedene sozialistische Interpretationen der Wirklichkeit" aus.

Selbst die Entwicklung und Liberalisierung in der Tschechoslowakei geht Dutschke anscheinend fast schon zu weit. Auf die „konkret" -Frage: „Welche Gefahren sehen Sie andererseits in den Liberalisierungstendenzen in der CSSR?", richtet Dutschke die Mahnung an die Adresse der Tschechoslowakei: „Es besteht allerdings die Gefahr, daß es bei den demokratischen Kräften in den sozialistischen Ländern zu einer zeitweiligen Verherrlichung bürgerlich-demokratischer Formen kommt (Liberalisierung) ... Die simplifizierende Darstellung des Kapitalismus, die nicht mehr historisch-materialistisch die neuesten Bewegungsformen des Kapitals analysierte, wird so die größte Gefahr für das Eindringen antisozialistischer Tendenzen."

III. Gnostisch-manichäischer Messianismus

Der Anspruch auf absolute Wahrheit und der Wunsch, einen neuen Menschen zu schaffen, transzendiert zu einer neuen Pseudo-oder Parareligion. Diese Parareligion manifestiert sich auch in dem Personenkult, der mit verschiedenen Revolutionären der Dritten Welt und mit Rudi Dutschke betrieben wird. Zwar schreibt der Dramatiker Peter Weiß in seinem Nachruf auf den in Bolivien erschossenen Revolutionär Ernesto Che Guevara: „Wir wollen keine Heiligen. Den Mystizismus, der einen Glorienschein um den Opfertod legt, lehnen wir ab. Das Bild des vom Kreuz genommenen Christus, wartend auf den Tag der Auferstehung, lehnen wir ab." Aber die Tausende von Demonstranten, die bei ihren Umzügen überlebensgroße Bilder von „Che" durch die Straßen führen, halten es offenlichtlich mehr mit Regis Debray, dem inzwischen festgenommenen französischen Revolutionär in Bolivien, der über Che Guevara ausrief: „Er ist ein Heiliger!" Die SDS-Mitglieder Gaston Salvatore und Rudi Dutschke sprechen sich für den Märtyrerkult aus: „Die Darstellung der ersten Opfer, die Glorifizierung der schon gefallenen Märtyrer der Befreiungsbewegung soll die zu Integrationsmechanismen erstarrten Führer der Unabhängigkeitskriege des 19. Jahrhunderts durch revolutionäre Gestalten der jetzigen Phase ersetzen, eine neue historische Kontinuität der amerikanischen Geschichte begründen. Die darin enthaltenen Momente an Irrationalität müssen als Vorurteile der Aufklärung gegen die von den Massen verinnerlichten Schemata des Chauvinismus aufgefaßt werden. Die Erinnerung an die ersten neuen Führer hat für die Guerille-ros, für die in den Kampf eintretende junge Generation eine befreiende und vorwärtstreibende Kraft, hilft mit, den Prozeß der Schaffung nationaler Identität und eines revolutionären Bewußtseins zu forcieren."

Das Redaktionsmitglied der „Zeit", Rolf Zundel, bemerkte beim „Notstandshappening in Bonn", daß „ein Dutschke-Bild . . .dem Christuskopf nachempfunden" war Tatsächlich hat auch der Dutschke-Kopf auf der Titelseite der Mai-Ausgabe von „konkret" eine gewisse Ähnlichkeit mit den Christusbildern von G. Fernandez und El Greco. Und wie Friedrich Hölderlin die christliche Dreifaltigkeitslehre durch die Trinität Christus—Dionysos—Heraklit ersetzte, so proklamierten Studenten am Karfreitag nach dem Mordanschlag auf Rudi Dutschke die neue Trinität Christus-—Martin Luther King—Dutschke. Es darf allerdings auch nicht verschwiegen werden, daß verschiedene Mitglieder des SDS — wie die traditionalistischen Gruppierungen in Bonn und Köln und verschiedene Berliner um Wolfgang Lefevre — die Gefahr eines Personenkults mit Dutschke frühzeitig beriffen hatten.

Die Parareligion weiter Kreise der Außerparlamentarischen Opposition ist ein gnostisch-manichäischer Messianismus Elemente dieses gnostisch-manichäischen Denkens sind: 1. Der Gedanke einer Selbsterlösung durch geheimes Heilswissen bzw. durch richtiges Bewußtsein. 2. Die einseitig negative Bewertung der Erwerbstätigkeit durch Herbert Marcuse.

3. Dezidiert anti-autoritäre, anarchistische Vorstellungen.

4. Gewisse aszetisch-duristische Vorstellungen bei Rudi Dutschke (die allerdings im Gegensatz zu dem von Marcuse gepredigten Hedonismus stehen).

5. Die Symbole des Führers, des Propheten und der Bruderschaft autonomer Personen 6. Dualistische Begriffe, wobei dem guten Lichtwesen der Manichäer der Sozialismus oder die Dritte Welt und der bösen Finsternis der Kapitalismus entspricht.

Das Heil kommt nach der Ansicht der Protagonisten der Außerparlamentarischen Opposition aus den unterentwickelten Ländern — Ekkehart Krippendorff zufolge aus Bolivien nach Gaston Salvatore und Rudi Dutschke eher aus Vietnam. Che Guevara, Regis Debray und Ho Tschi Minh gelten als die Heilsbringer, ja als die Heilande eines neuen Zeitalters. Darüber hinaus sind die Bürgerkriegsverbände der Dritten Welt nicht nur Vorbilder, sondern auch Erlöser der Menschheit:

„Das vietnamesische Volk erteilt uns täglich eine unübersehbare Lektion an Opfermut, Ausdauer und revolutionärer Menschlichkeit im Kampfe gegen den weltweiten Vertreter der Unterdrückung und Repression. . . . Die verzweifelte Lage des vietnamesischen Befreiungskrieges, die verzweifelte Lage der dritten Welt schafft eine verzweifelte Entschlossenheit der Revolutionäre in der ganzen Welt. . . . Das Ziel dieses Kampfes kann nur die radikale Beseitigung des Weltsystems des Imperialismus, die soziale und ökonomische Befreiung der Völker sein."

In dem neuen rororo-Band „Rebellion der Studenten" weist Dutschke auf die „weltgeschichtliche Bedeutung des Kampfes des vietnamesischen Volkes, die exemplarische Bedeutung dieser Auseinandersetzung für die folgenden Kämpfe gegen den Imperialismus" hin Dem Vietcong und anderen Revolutionsarmeen wird sogar die Gabe der Multilokation', das heißt der gleichzeitigen Anwesenheit an mehreren Schauplätzen, zugeschrieben. Mit Oskar Negt spricht Dutschke von der abstrakten „Gegenwart der Dritten Welt in den Metropolen" und bezeichnet dies „als geistige Produktivkraft im Bewußtwerdungsprozeß über die Antinomien der heutigen Welt" Wenn alles Heil aus der Dritten Welt kommt, so kommt alles Unheil aus den Vereinigten Staaten von Amerika als dem Reich der Finsternis. Che Guevara bezeichnet seine „ganze Aktion" als „eine Kriegsansage gegen den Imperialismus" und als einen „Ruf nach der Einheit der Völker gegen den großen Feind des Menschengeschlechts: die Vereinigten Staaten von Nordamerika". Er fordert „Vernichtung des Imperialismus durch die Eliminierung seines mächtigsten Bollwerks, die imperialistische Herrschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika."

Gaston Salvatore und Rudi Dutschke brandmarken die USA als „die größte imperialistische Weltmacht" und als „die organisierte Internationale der Unterdrückung" In seinem letzten „konkret" -Interview betont Dutschke noch einmal nachdrücklich: „Solange der heute dominierende US-Imperialismus noch weite Teile der Welt unterdrückt, solange kann eine menschliche Welt ohne Rüstung, Krieg, Elend und Ausbeutung nicht geschaffen werden." Die humanitäre Anteilnahme an der Dritten Welt wird von vielen Mitgliedern der Außerparlamentarischen Opposition zu einem heroischen Pauperismus pervertiert, als einer pseudosozialistischen Variante der konservativen Verklärung des einfachen und der faschistischen Glorifizierung des gefährlichen Lebens.

Von einigen wird die Begeisterung für die jungen (oder doch als jung geltenden) Völker und Staaten zu einem Juventismus, das heißt zu einer Idolisierung der Jugend gesteigert. Wenn etwa rebellische Studenten in Paris den Schriftsteller Aragon mit Zurufen wie „Hau ab, alter Bart" am Sprechen hindern, so kann ein solcher Vorgang — schon in Anbetracht der deutschen Herkunft des Initiators der Studentenunruhen an der Sorbonne, Cohn-Bendit — nicht als eine rein französische Angelegenheit angesehen werden Auch der Juventismus ist eher faschistischer als sozialistischer Herkunft.

IV. Politischer Existentialismus

Der Manichäismus weiter Kreise der APO führt zur Reduktion des Politischen auf das Freund-Feind-Schema. Er führt weiterhin zu einem politischen Existentialismus: zu einer Heroisierung der Tat, der Aktion, des Kampfes, ja des Krieges, auf der anderen Seite aber auch zu einer Glorifizierung des Leidens und der Entbehrungen.

Der politische Existentialismus wird befruchtet durch die Ideen des 1924 in Martinique geborenen Arztes Frantz Fanon, für den die Kultur „im Feuer des Kampfes geschmiedet" wird Fanon, der von einem glühenden Haß gegen die in Liquidation begriffenen europäischen Kolonialherren beseelt ist und der das Ziel, die „koloniale Welt in die Luft zu sprengen", ein „sehr klares, sehr verständliches Aktionsbild" nennt gibt der Gewalttheorie der Neuen Linken wichtige geistige Impulse. Er hat mit seiner Großstadtfeindlichkeit („Die Stadtmenschen sind . Verräter, Verkaufte’, die mit dem Okkupanten unter einer Decke zu stecken scheinen und im Rahmen des Kolonialsystems hochzukommen versuchen") starken Einfluß auf die antizivilisatorischen Tendenzen in der linken Protestbewegung. Sowohl Herbert Marcuse als auch Rudi Dutschke berufen sich gerne auf Frantz Fanon Der politische Existentialismus wird aber insbesondere angeregt durch die Schriften Ernesto Che Guevaras. Er pries den „Haß als Faktor des Kampfes", den unbeugsamen „Haß dem Feinde gegenüber" Guevara griff sogar den Goebbels-Slogan vom totalen Krieg auf: „Der Krieg muß dorthin gebracht werden, wohin der Feind ihn bringt: zu seinem Haus, zu seinen Vergnügungsvierteln — der totale Krieg." Er forderte weiterhin die „Vernichtung des Imperialismus durch die Eliminierung seines mächtigsten Bollwerks, die imperialistische Herrschaft der Vereinigten Staaten von Nordamerika" Guevara war sich über die Folgen im klaren: „Das bedeutet einen langen Krieg, und wir wiederholen es noch einmal: einen grausamen Krieg." Er verkündete die Durchhalteparole: ...... was bedeuten die Gefahren oder Opfer von einem Manne oder einem Volke, wenn das Schicksal der Menschheit auf dem Spiele steht."

Guevaras Brief an die Organisation der Solidarität der Völker Afrikas, Asiens und Lateinamerikas (OSPAAL) klang aus mit einer Apotheose von Kampf, Krieg und Tod, bebend von dem Fanfarenton der Sondermeldungen des Großdeutschen Reiches und triefend von dem Sentiment Veit Harlanscher Kriegsfilme: „An jedem beliebigen Ort, wo uns der Tod überraschen könnte, sei er willkommen, wenn unser Kriegsruf gut ausgenommen würde und eine andere Hand nach unseren Waffen greifen würde und andere Menschen bereit wären, die Totenlieder mit Maschinengewehrgeknatter und neuen Kriegs-und Siegesrufen anzustimmen.

Gaston Salvatore und Rudi Dutschke versuchen durch subtile Erklärungen den Haßgesang Che Guevaras verständlich zu machen: „Die uns alle bedrückende Passage über den Haß als Faktor des Kampfes ist von der Situation und der Zerrissenheit der revolutionären Bewegung nicht zu trennen. Wir müssen aber deutlich zwei Seiten dieser Erscheinung unterscheiden: Auf der einen Seite liegt im Haß gegen jedwede Form der Unterdrückung ein militanter Humanismus. Auf der anderen Seite — wie B. Brecht richtig betont — macht auch der Haß gegen die Unterdrücker die Stimme heiser, besteht die Gefahr der revolutionären Verdinglichung, die das emanzipatorische Interesse, das alle Mittel und Formen der revolutionären Befreiung durchdringen muß, nicht mehr in den Mittelpunkt stellt. Die Gefahr des Umschlags von militantem Humanismus in verselbständigten Terror wohnt jeder Form des Hasses inne. Che sieht dieses Problem in , Mensch und Sozialismus auf Cuba'sehr klar, wenn er vom modernen Revolutionär fordert, daß dieser sich durch viel Menschlichkeit auszeichnen muß. Wir müssen uns aber darüber Rechenschaft ablegen — und so ist Che zu verstehen —, daß in der dritten Welt kein revolutionärer Kampf ohne die mobilisierende Wirkung des Hasses gegen die Repräsentanten der nationalen und internationalen Repression gewonnen werden kann."

Gaston Salvatore und Rudi Dutschke bekennen sich ausdrücklich zu dem Satz Mao Tse-tungs: „Wir sind für die Abschaffung des Krieges, wir wollen den Krieg nicht, aber man kann den Krieg nur durch den Krieg abschaffen; wer das Gewehr nicht will, der muß zum Gewehr greifen." (In Paranthese: Auch Adolf Hitler war für die Abschaffung des Krieges durch den Krieg. Denn die von ihm angestrebte nationalsozialistische Weltherrschaft hätte sicherlich den Krieg überflüssig gemacht.) Salvatore und Dutschke hoffen, daß „durch den bewaffneten Kampf der Krieg überhaupt von den Menschen abgeschafft wird" Aber zunächst sehnen sie einmal ein „zweites oder drittes Vietnam" herbei, weil dadurch „die revolutionäre Bewußtwerdung der Massen in den sozialistischen Ländern", die Aufhebung der Entfremdung zwischen Partei und Massen in der Sowjetunion und den Ländern Osteuropas, . . . eine realgeschichtliche . . . Lösung des sowjetisch-chinesischen Streits" und die „Wiederherstellung der internationalen Solidarität " ermöglicht würde Salvatore und Dutschke ist der Martialismus, die selbstzweckhafte Verherrlichung des Krieges als des reinigenden Stahlgewitters, nicht fremd: „Der Kampf allein bringt die Herstellung des revolutionären Willens, der es den Völkern ermöglicht, ihre schon immer von ihnen gemachte Geschichte nun endlich bewußt und zielbestimmt zu machen."

Es muß darauf hingewiesen werden, daß die Gedankengänge Guevaras und auch der Guevara-Kult von dem dezidiert pazifistischen Flügel der Außerparlamentarischen Opposition abgelehnt wird. Der Berliner Politologe Ossip K. Flechtheim, der bedeutendste Repräsentant der pazifistischen Richtung, hat sich in dem Bad Boller Gespräch mit Ernst Bloch und Rudi Dutschke behutsam, aber bestimmt von der Ideologie der revolutionären Gewalt distanziert.

Eine weitere Form des politischen Existentialismus ist der für die Metropolen geltende Aktionismus, die selbstzweckhafte Rechtfertigung und Idealisierung von Aktionen und Demonstrationen. Rudi Dutschke gibt zu, daß es seinen Freunden und ihm bei den Vietnam-Demonstrationen nicht nur um den Vietnam-Krieg geht: „Unsere Vietnamdemonstrationen sind schon längst primär Momente des gesellschaftlichen Kampfes mit unserer herrschenden Oligarchie . . ." Es fehlt nicht das militärische oder doch paramilitärische Vokabular. Man denke nur an Rudi Dutschkes Wort vom „langen Marsch durch die Institutionen"

Rudi Dutschke betrachtet die „technische Seite der Organisationsfrage" wie „Megaphone, Flugblattverteilung, vorbereitete Losungen, Lieder, Schilder, Spruchbänder, Farbtöpfe, Rauchkerzen" als „ein Moment des Gesamtkomplexes". Eine Verselbständigung könnte zwar zu einem inhaltslosen „Technizismus" fuhren, eine Vernachlässigung der technischen Seite hingegen „sehr leicht zum pragmatischen Opportunismus auf der Straße" Die Gefahr von Voluntarismus, Aktionismus und Existentialismus wird von verschiedenen Mitgliedern der Protestbewegung durchaus erkannt. So spricht etwa Bernd Rabehl von einer Gruppe des SDS, die „im existentialistischen Protest stecken" blieb

Dutschke setzt sich ausführlich mit denen auseinander, die ihm und seinen Anhängern Voluntarismus und die Durchführung von Demonstrationen ohne politischen Inhalt vorwerfen: „Vielen Genossen von uns wurde in dieser Zeit von anderen unseres Schlages vorgeworfen, Demonstrationen durchzuführen, ohne politische Inhalte sichtbar werden zu lassen. Nun zeigte es sich aber gerade, daß diese aktiven Konfrontationen mit der Polizei und damit auch dem Senat und der Politik des Senats in West-Berlin, daß wir in diesen Auseinandersetzungen jenen elementaren Lernprozeß absolvierten, um überhaupt uns die Fähigkeit für den politischen Kampf, für den Klassenkampf zu erwerben. Ohne diesen Selbsterziehungsprozeß und Selbstaufklärungsprozeß in der Praxis, in der aktiv-militanten Auseinandersetzung mit dem System ist eine Politisierung der einzelnen, ist eine Politisierung der Individuen nicht möglich."

V. Die vulgärmarxistische Denunziation der freiheitlichen Demokratie

Eine in der Neuen Linken weitverbreitete vulgärmarxistische Theorie führt die staatliche Ordnung einseitig auf die Produktionsverhältnisse zurück, wobei die Produktionsverhältnisse in pluralistischen Demokratien als „kapitalistisch" und in kommunistischen Ländern als „sozialistisch" angesehen werden. Das weise Wort des Ex-Kommunisten Arthur Koestler, es gelte nicht mehr die Alternative Kapitalismus — Sozialismus, sondern Freiheit — Diktatur, ist für die Neue Linke so etwas wie eine Verhüllungstheorie. Die freiheitliche Demokratie mit Parlamentarismus, Pluralismus, Sozial-staatlichkeit und Grundrechten stellt nach Ansicht der Neuen Linken lediglich den überbau der verabscheuten kapitalistischen Basis dar. Die sogenannten sozialistischen Länder Ost-europas werden zwar teilweise wegen ihrer autoritären Struktur und ihrer mangelhaften Solidarität mit den Guerilleros in den Entwicklungsländern kritisiert, aber man betrachtet sie doch als latent fortschrittliche Mächte, die die Basisrevolution vollzogen haben und in denen es deshalb keine gesellschaftlichen Antagonismen, sondern nur noch Widersprüche gibt.

Vulgärmarxistische Gesellschaftstheorie und Lessingsche Toleranz werden von dem kanadischen Politologen C. B. Macpherson in seiner Studie „Drei Formen der Demokratie" verschmolzen

Es gibt erstens die westliche liberale Demokratie, zweitens die nichtliberale kommunistische Form der Demokratie und drittens die nichtliberale Form der Demokratie in den Entwicklungsländern, die wie die kommunistischen Staaten ebenfalls eine Ein-Partei-Herrschäft haben.

Macpherson ist sicherlich weitaus toleranter als Rudi Dutschke, der kategorisch erklärt hat: „Demokratie und Kapitalismus schließen sich daher per definitionem aus." Nach Macpherson haben hingegen auch „kapitalistische" Länder Anspruch auf den Titel Demokratie, aber keinen Monopolanspruch. Er gesteht auch zu: „Nichtsdestoweniger haben wir im Westen ein System geschaffen, das wir sehr hoch einschätzen. Es verbindet ein hohes Maß an individueller Freiheit mit einer beträchtlichen Annäherung an die Herrschaft der Mehrheit."

Dennoch wird die liberale Demokratie mit vulgärmarxistischen Schlagworten denunziert: „. . . die liberale Demokratie und der Kapitalismus gehören zusammen. Die liberale Demokratie findet sich nur in Ländern, deren Wirtschaftssysteme vollständig oder vorherrschend auf dem kapitalistischen Unternehmertum beruhen." „Das Ideal der liberalen Demokratie ist die Souveränität des Verbrauchers — was wir wollen, kaufen wir mit unseren Stimmen." „Da ist einmal unsere westliche liberale Demokratie, die ins Leben gerufen wurde, um den Bedürfnissen der konkurrierenden Marktgesellschaft zu dienen. . .. Die liberale Demokratie ist so das einzigartige Produkt erfolgreicher kapitalistischer Marktgesellschaften." So ist also nach Macpherson die pluralistische Demokratie nichts anderes als der über-bau der kapitalistischen Gesellschaft. Die Marktgesellschaft erzeugte nach Macpherson zunächst den liberalen Staat mit verantwortlicher Regierung, mehreren Parteien, der Versammlungs-und der Meinungsfreiheit und schließlich — als späte Zugabe zur liberalen Konkurrenzgesellschaft und ihrem Staat — die Demokratie mit gleichem Wahlrecht. Die eindeutig nichtliberalen Systeme hätten einen echten historischen Anspruch auf den Titel Demokratie, denn Demokratie sei ursprünglich eine Klassenangelegenheit, nämlich eine Herrschaft der Plebejer gewesen (wenn der Autor sich der Mühe unterzogen hätte, einmal bei Aristoteles nachzulesen, dann hätte er im vierten Buch der „Politik" eine Definition von Demokratie gefunden, wonach „um nichts mehr die Armen oder die Reichen den Vorrang haben und daß weder die einen noch die anderen die oberste Staatsgewalt besitzen, sondern sich gleichstehen"). Macpherson zufolge werden die „nichtkapitalistischen Länder ihren heutigen moralischen Vorteil — daß sie nämlich keine Ausbeutung kennen — behalten" und „den Mangel an politischen und bürgerlichen Freiheiten allmählich ausgleichen". Daraus folgt: „Wenn nun die liberalen kapitalistischen Länder lediglich ihre gegenwärtigen moralischen Vorteile und Nachteile beibehalten, wird die Waage der Vorteile gegen sie ausschlagen und sie werden an relativer Macht verlieren." Diese vulgärmarxistische Interpretation verschiedener Herrschaftsformen taucht in Publikationen der Neuen Linken immer wieder auf. Robert Paul Wolff bezeichnet die pluralistische Demokratie als „die höchste Stufe der politischen Entwicklung des Industriekapitalismus" Johannes Agnoli nennt die westliche Demokratie „ein Produkt des Kapitalismus" Für Ursula Schmiederer ist die gegenwärtige Ostpolitik der Bundesregierung durch „Aggressivität gegenüber dem Sozialismus" (gemeint sind die osteuropäischen Länder) gekennzeichnet

Wenn Rudi Dutschke auch in der „Rebellion der Studenten" Zweifel an dem wahrhaft sozialistischen Charakter der DDR äußert, wenn er in dem „konkret" -Interview die dogmatische Handhabung der politischen Führung in den osteuropäischen Ländern, ihren autoritären Sozialismus und ihre Teilnahme „an der Ausbeutung der Dritten Welt" kritisiert, so hält er doch an dem alten dualistischen Klischee „Kapitalismus — Sozialismus" bzw. „kapitalistische Länder — sozialistische Länder" fest. So konstatiert er bei allen Vorbehalten gegenüber den Herrschaftsformen in den osteuropäischen Ländern mit Sympathie, daß in diesen Ländern eine „Basisrevolution" stattgefunden habe, der sich noch eine „Überbaurevolution" anschließen müsse. Hingegen habe der „Spätkapitalismus" noch eine „Basisrevolution" — das heißt die Sprengung des Kapitalverhältnisses — durchzuführen

Sicherlich kann man sich selbst auf der Grundlage der Marx-Engelsschen Lehre gegen diese vulgärmarxistischen Simplifikationen wehren. Die Marxsche Theorie von der ökonomischen Basis und dem überbau an Ideen und gesellschaftlich-politischen Institutionen war geistes-geschichtlich gesehen eine Revolte gegen den einseitigen philosophischen Idealismus des frühen 19. Jahrhunderts mit seinem „Weltgeist" — und „Volksgeist" — Spuk. Marx wandte sich gegen die einseitig idealistische Darstellung des politischen Geschehens, die die ökonomischen Determinanten politischen Geschehens verkannte. Es sei hier an den Brief von Friedrich Engels an Joseph Bloch erinnert, in dem es u. a. heißt: „Nach materialistischer Geschichtsauffassung ist das in letzter Instanz bestimmende Moment in der Geschichte die Produktion und Reproduktion des wirklichen Lebens. Mehr hat weder Marx noch ich je behauptet. Wenn nun jemand das dahin verdreht, das ökonomische Moment sei das einzig bestimmende, so verwandelt er jenen Satz in eine nichtssagende, abstrakte, absurde Phrase." Den vulgärmarxistischen Simplifikateuren gilt das andere Engels-Wort: „Was den Herren allen fehlt, ist Dialektik."

VI. Der dezidierte Antiparlamentarismus

Rolf Seeliger schreibt in seinem Buch „Die außerparlamentarische Opposition": „Außerparlamentarisch heißt nicht antiparlamentarisch". Er zitiert Heinz-Joachim Heydorn, Ordinarius für Erziehungs-und Bildungswesen an der Universität Frankfurt, Mitglied des Bundeskuratoriums der Sozialistischen Förderer-gesellschaft und Mitglied des Bundesausschusses des Sozialistischen Bundes: „Die außerparlamentarische Opposition wendet sich nicht gegen den Parlamentarismus, sondern nur gegen seine ungenügenden Inhalte."

Es kann nicht geleugnet werden, daß einige Repräsentanten der Außerparlamentarischen Opposition sich ehrlichen Herzens zur parlamentarischen Opposition bekennen. Dennoch dürfen die dezidiert antiparlamentarischen Stimmen nicht überhört werden, zumal es den Anschein hat, daß sie stärkeren Widerhall finden als die gemäßigten, „systemkonformen" Stimmen. Zudem wird die legitime außerparlamentarische Opposition von der Neuen Linken weitgehend zu einer institutionalisierten antiparlamentarischen Opposition umfunktioniert.

Ein Kompendium und Pandämonium des Antiparlamentarismus und eine Magna Charta der „APO" ist das im inzwischen nicht mehr existierenden West-Berliner Voltaire-Verlag (der viele Schriften der Neuen Linken herausgab) erschienene Buch „Die Transformation der Demokratie". Seine Autoren sind Johannes Agnoli, ein aus dem italienischen Linkssozialismus hervorgegangener Politologe, Habilitant an der Freien Universität und Gründungsmitglied des „Republikanischen Clubs" in West-Berlin, und Peter Brückner, Lehrstuhlinhaber für Politische Wissenschaft in Hannover. Während Brückner mit seinem Essay „Die Transformation des demokratischen Bewußtseins" mehr für die neofreudianische Komponente in der Ideologie der Neuen Linken verantwortlich ist, attackiert Agnoli aus vulgärmarxistischer Sicht den Parlamentarismus. Für Agnoli stellt das parlamentarische Regierungssystem „die Transformation des Verfassungsstaates in seiner spezifisch bürgerlich-kapitalistischen Form" dar Er beanstandet insbesondere, daß „in der Gesellschaft vorhandene, teils sich hart widersprechende Kräfte ... parlamentarisch und durch das Parteiensystem nicht reproduziert und damit politisch potenziert", sondern daß sie „repräsentiert und in ihrer Widersprüchlichkeit entschärft werden" daß Verbände und Institutionen ihrer „antagonistischen Funktion entkleidet und zu Schutzorga-nisationen des Staates umgebildet" werden, um die „Integration zugunsten der etablierten Herrschaft" zu betreiben Das Parlament — nach Agnoli nur eine in Gänsefüßchen gesetzte „Volksvertretung" — gilt als ein „Transmissionsriemen der Entscheidungen politischer Oligarchen" Das Repräsentationsprinzip, welches dem parlamentarischen Regierungssystem zugrunde liegt, wurde mit der „repressiven Aufgabe" konzipiert, „die Mehrheit der Bevölkerung von den Machtzentren des Staates fernzuhalten" Es besteht deshalb eine „innige Verwandtschaft von Repräsentativsystem und Obrigkeitsstaat" Das Petitionsrecht, eine der ersten Errungenschaften liberaler Verfassungen, kann — wie Agnoli behauptet — „in seiner manipulativen Bedeutsamkeit nicht hoch genug eingeschätzt werden" Da Agnoli zufolge nur eine „Fundamentalopposition" gegen die parlamentarische Demokratie daran interessiert sein kann, „politische und gesellschaftliche Mißstände schonungslos aufzudecken" wirft er verschiedenen kommunistischen Parteien in Westeuropa vor, sie würden nicht „mit der Klebrigkeit des parlamentarischen Regierungssystems" rechnen „und so dessen ungeheure Fähigkeit zur sozialen Umfunktionierung zum Opfer" fallen

Agnoli verrät auch, welche Idealvorstellungen er von einer wahrhaft marxistischen Partei hat: „Marxistische Klassenparteien streben keine Kooperation gesellschaftlich sich entgegenstehender Gruppen und keinen sozialen Ausgleich an. Vielmehr fordern sie die Anerkennung des Totalitätsanspruchs der Proletarierklasse durch die anderen oder sie zielen auf die gewaltsame Durchsetzung dieses Anspruchs im Klassenkampf."

Man wird hierbei an die vom Sozialistischen Deutschen Studentenbund geäußerte Befürchtung erinnert, die KPD könne sich zu sehr dem parlamentarischen Regierungssystem anpassen und dabei das Endziel, die Diktatur des Proletariats, aus dem Auge verlieren. Der Antiparlamentarismus ist in der Neuen Linken weitverbreitet. Er äußert sich insbesondere in der Forderung nach einer Rätedemokratie („Brecht dem Schütz die Gräten — alle Macht den Räten"). Eine Rätedemokratie würde — wie etwa Arthur Rosenberg in seinem Buch „Die Geschichte des Bolschewismus" nachweist — ein Klassenwahlrecht, von dem nicht nur die Besitzenden, sondern auch viele soziologisch schwer fixierbare Menschen ausgeschlossen wären, zur Voraussetzung haben. Der Schritt vom allgemeinen zum Klassenwahlrecht wäre kein Schritt nach vorne, sondern ein Schritt zurück. Treffend äußert sich Heinz-Joachim Heydorn: „Die parlamentarische Demokratie selbst ist das Ergebnis eines siegreich beendeten Kampfes um menschliche Befreiung; wer sie aufheben will, geht keinen Schritt nach vorn, sondern zurück in die dunkelste Abhängigkeit und Entfremdung."

Jahrzehntelang haben freiheitliche Sozialisten unter der Parole gekämpft: Das gleiche Wahlrecht ist das Zeichen, in dem wir siegen werden. Sie würden sich im Grabe umdrehen, wenn sie wüßten, daß heute Pseudosozialisten ein Klassenwahlrecht und eine Klassenherrschaft anstreben. Zum anderen wäre die Gefahr einer totalen Manipulation in einer eo ipso stark plebiszitären Rätedemokratie stärker als in einer parlamentarischen Demokratie (man denke an Theodor Heuss'weises Wort, Plebiszite seien Prämien für Demagogen). Wenn etwa die Sowjets (Räte) schon bald nach der russischen Oktoberrevolution zu einem rein dekorativen Symbol der Herrschaft zusammenschrumpften — worauf auch Arthur Rosenberg in „Die Geschichte des Bolschewismus" hinweist —, so lag das nicht etwa nur am Macht-hunger und an der Skrupellosigkeit Lenins, sondern einfach an der Irrealität des Rätewesens.

VII. Der Kampf gegen das „System"

Vorbei ist die Zeit, als noch subtile Untersuchungen darüber angestellt werden konnten, ob das von der Außerparlamentarischen Opposition gebrauchte Modewort „Establishment" nicht eine gewisse Ähnlichkeit hätte mit dem im abschätzigen Sinne verwendeten Wort „System", womit die nationalsozialistische Propaganda die Weimarer Republik diskreditieren wollte. Rudi Dutschke benutzt in der „Rebellion der Studenten" selbst zig-mal die kompromittierende Vokabel „System" zur Diskreditierung der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland. Der Faschismus manifestiere sich heute — so meint Dutschke — nicht mehr in einer Partei oder einer Person, sondern „im bestehenden System der Institutionen" Er rechnet es dem SDS als Verdienst an, daß es ihm gelang, „die latente und manifeste Irrationalität des Systems" und „die Verwundbarkeit des Systems nachzuweisen" er fordert die „Entlarvung des Systems" als „Diktatur der Gewalt" und die Globalisierung der radikalen Opposition „gegen das bestehende System. . ." Dem „System" wird von Dutschke der totale Kampf angesagt: „Unsere Opposition ist nun aber nicht gegen einige kleine , Fehler’ des Systems, sie ist vielmehr eine totale, die sich gegen die ganze bisherige Lebensweise des autoritären Staates richtet."

Auch Bernd Rabehl greift die Vokabel vom „System" auf und wendet sich mit der gleichen Entschiedenheit wie Dutschke gegen jede

Opposition auf dem Boden der parlamentarischen Demokratie: „Statt dessen diesen Studenten zu raten, durch geschickte Politik in diesen Institutionen, über deren grundsätzlich faschistoiden Gewaltcharakter diese Ratgeber ja keinen Zweifel haben, die eine oder andere , Härte’ des Systems zu glätten, das reimt sich nur zu gut zu der Unverfrorenheit, faschistischer Terror mit den Gewalt karikierenden Aktionen derer zu verwechseln, die gegen den herrschenden Terror kein besseres Mittel wissen. Diese Liberalen oder gar , Linken’ fühlen sich zu Recht betroffen, wenn das , Fachidiotenblatt'vom 26. 11. 1966 ausführt. . ."

Der Unterschied zwischen der gewerkschaftlichen Opposition gegen die Notstandsgesetze (die sich zum Grundgesetz bekennt) und der Opposition der Neuen Linken (die sehr häufig das Grundgesetz in Frage stellt) geht am deutlichsten aus der „ Arbeiter-Schüler-Studenten-Zeitung", dem Extrablatt der Frankfurter Studentenzeitung „Diskus", vom Mai 1968 hervor, wo es u. a. heißt: „Die gewerkschaftliche Notstandsopposition ist defensiv, nicht kämpferisch. Das zeigt sich nicht zuletzt an der Struktur ihrer Argumente. 1. Vor allem will sie das Grundgesetz verteidigen, ähnlich wie die Gewerkschaften in wirtschaftlichen Krisen den Lebensstandard der Arbeiter zu verteidigen vorgeben. Beschwörend heißt es: Hände weg vom Grundgesetz, als würde in ihm die freiheitlich-demokratische Grundordnung ihre verläßlichste Stütze haben. Die Aufklärungsarbeit bezieht sich auf den Vergleich der papiernen Bastion des Grundgesetzes mit den Notstandsentwürfen. Ihr letztes Wort ist: Das Grundgesetz reicht zur Bewältigung von Notständen völlig aus. . . . 2. Die Gewerkschaften verteidigen das Grundgesetz, weil sie den Kapitalismus als Basis von Faschismus und autoritärem Staat nicht angreifen wollen . . .".

Angesichts der massiven Angriffe gegen das Grundgesetz und die parlamentarische Demokratie von Seiten der Außerparlamentarischen Opposition kann wohl kaum jemand ihr angebliches Engagement zum Schutze dieser Demokratie gegen die Notstandsgesetze für glaubwürdig halten.

VIII. Die Theorie von der Gewalt in den Metropolen

Die Theorie der Gewalt, zu der sich die Mehrheit der Neuen Linken bekennt, geht weitgehend auf die Lehren Herbert Marcuses zurück. Seine Rechtfertigung von Gewaltanwendung läßt sich komprimiert in folgenden Punkten wiedergeben:

1. Die institutionalisierte Gewalt „ist in der monopolistischen Industriegesellschaft in noch nie dagewesenem Maße in der Herrschaft konzentriert, die das Ganze der Gesellschaft durchdringt"

2. Zwar ist jede Gewalt ethisch gesehen „unmenschlich und von Übel“. Da Geschichte aber noch nie nach ethischen Maßstäben gemacht wurde, würde eine Anwendung ethischer Maßstäbe zu einem Zeitpunkt, da die Unterdrückten gegen die Unterdrücker aufbegehren, -der tatsächlichen etablierten Gewalt dienen So bedeutet die Predigt der prinzipiellen Gewaltlosigkeit nichts anderes als eine Reproduktion der bestehenden institutionalisierten Gewalt Man vergleiche hiermit die Äußerung des West-Berliner Rechtsanwaltes und SDS-Rechtsberaters Horst Mahler: „Eins ist ganz sicher, daß Springer nichts dringlicher ersehnt, als daß wir der Gewalt abschwören."

3. Es stehen sich gegenüber: Auf der einen Seite die „institutionalisierte Gewalt des Bestehenden" = die „Gewalt, der Unterdrückung"

= die „Gewalt der Aggression". Auf der anderen Seite die „Gewalt der Befreiung" = die „Gewalt der Verteidigung des Lebens" = „die Gewalt des Widerstandes"; diese bleibt zwar gegenüber dem positiven Recht illegal, besitzt aber das höhere Recht und die Pflicht zum Widerstand „als Triebkraft der geschichtlichen Freiheit .. . als potentiell befreiende Gewalt" Die gewaltlose Gesellschaft ist die Möglichkeit einer geschichtlichen Stufe, die erst erkämpft werden muß 4. Unterdrückte und überwältigte Minderheiten haben ein Naturrecht auf Widerstand, das heißt ein Recht darauf, „außergesetzliche Mittel anzuwenden, sobald die gesetzlichen sich als unzulänglich herausgestellt haben" Wenn diese Minderheiten Gewalt anwenden, „beginnen sie keine neue Kette von Gewalt-taten, sondern zerbrechen die etablierte" Gewalt Marcuse zufolge ist also ein letztes Gefecht der Gewalt zur Erringung eines ewigen Friedens und einer ewigen Gewaltlosigkeit erforderlich.

Die Theorie der Gewalt wird von Rudi Dutschke weiter ausgebaut. Er ist fasziniert von dem Modell der chinesischen und der kubanischen Revolution und von den Methoden des Guerillakrieges. In der Zeitschrift „konkret" empfahl Dutschke den „spätkapitalistischen" und „autoritär sozialistischen" Ländern zwar, von den „schöpferischen Versuchen" Chinas und Kubas zu lernen. Gleichzeitig betonte er aber, daß diese Methoden wegen der besseren sozialökonomischen Bedingungen in unserer Gesellschaft nicht unkritisch übernommen werden könnten. Ebenso erklärt er gemeinsam mit Gaston Salvatore in der Einleitung zu Che Guevaras Brief an das Exekutivsekretariat von OSPAAL, daß die Lage in den Metropolen gegenwärtig grundsätzlich verschieden von der in der Dritten Welt sei. Deshalb wird mit Herbert Marcuse die „Globalisierung der revolutionären Opposition" durch direkte Teilnahme am aktuellen Kampf in der Dritten Welt und durch Herstellung der internationalen Vermittlung sowie die Entwicklung spezifischer Kampfformen für die Metropolen empfohlen, ebenso die „organisierte Verweigerung" als einen scheinbar gewaltlosen Widerstand, an dessen Ende der „Zusammenbruch der etablierten Apparate" stehen soll Etwas später wird aber darauf hingewiesen, daß der Über-gang „Von der jetzigen indirekten Unterstützung der amerikanischen Gewaltmaschinerie zu einer direkten Beteiligung mit der Importierung der gewaltsamen Revolution durch die Herrschenden selbst identisch" sei

Wenn man bedenkt, wie leichtfertig häufig von der äußersten Linken das Gerücht in die Welt gesetzt wurde, die Bundesrepublik beteilige sich mit einer „Legion Vietnam" als Nachfolgeorganisation der „Legion Condor" am Vietnam-Krieg, so kann man sich vergegenwärtigen, wie leicht die Neue Linke die „Importie-rung der gewaltsamen Revolution" konstatieren und Vietcong-Methoden in der Bundesrepublik praktizieren könnte.

Rudi Dutschke entwirft in der „Rebellion der Studenten" eine Strategie der Gewalt in den sogenannten spätkapitalistischen Ländern: „Die Durchbrechung der Spielregeln der herrschenden kapitalistischen Ordnung führt nur dann zur manifesten Entlarvung des Systems als , Diktatur der Gewalt', wenn wir zentrale Nervenpunkte des Systems in mannigfaltiger Form (von gewaltlosen offenen Demonstrationen bis zu konspirativen Aktionsformen) angreifen — so zum Beispiel das Abgeordnetenhaus, Steuerämter, Gerichtsgebäude, Manipulationszentren wie Springer-Hochhaus oder SFB, Amerika-Haus, Botschaften der Marionettenregierungen, Armeezentren, Polizeistationen etc.!"

Dutschke erörtert auch die Notwendigkeit und Möglichkeit des Tyrannenmordes. Grundsätzlich bejaht er ihn: „Der Tyrannenmord ist die seit Jahrhunderten richtige Form des Widerstands des Volkes gegen eine unmenschliche Herrschaft einer Clique."

Nach seiner Ansicht kann der Tyrannenmord in den Entwicklungsländern sinnvoll sein: „Einen Ky, Branco, Duvalier, den Schah und andere mehr können die Menschen hassen, sie müssen einen unerbittlich harten militärischen Kampf des Volkes gegen die Diktatoren beziehungsweise Marionetten organisieren, Attentate durchführen, revolutionären Terror gegen die Unterdrücker und ihre Helfershelfer anwenden." Diese Regeln gelten jedoch nicht in den technisch hochentwickelten Ländern:

„Diese Charakteristik trifft für die Metropolen nicht zu. Bei uns in den Metropolen, und das heißt auch in Nordamerika, ist die Lage prinzipiell verschieden: Unsere Herren an der Spitze sind völlig fungibel, jederzeit durch neue bürokratische Charaktermasken ersetzbar. Wir können sie nicht einmal hassen, sie sind Gefangene und Opfer der repressiven Maschinerie des kapitalistischen Verwertungsprozesses. So hätte es keinen Sinn gehabt, gegen Humphrey per Attentat vorzugehen, es wäre vielmehr ein konterrevolutionärer Akt gewesen."

Dutschke wirft auch die Frage auf, ob es sinnvoll gewesen sei, den Schah während seines Besuches in der Bundesrepublik zu ermorden. Er verneint die Zweckmäßigkeit: „Da im Juni 1967 die Kampforganisationen der persischen Bauern noch nicht stark genug waren, um aus einem erfolgreichen Attentat den Anfang der sozialrevolutionären direkten Umwälzung werden zu lassen, mußte jegliches Attentat von der Linken unterbleiben, wäre nichts als ein in letzter Konsequenz konterrevolutionäres Unternehmen gewesen."

Eine Dokumentation im „Spiegel" vom 13. Mai 1968 zeigt, wie weitverbreitet die Theorie der Gewalt in der Neuen Linken ist. Aber auch Anhänger der gewaltfreien direkten Aktion kalkulieren anscheinend bewußt Tote und Verwundete in ihre Überlegungen mit ein. So schreibt etwa der Berliner Universitätsassistent Theodor Ebert, daß „die Opfer, welche die gewaltfreie Aktion fordert, nicht nur . . . bedauerliche Konsequenzen eines Aufstandes sind, sie sind als kalkuliertes, gezieltes Leiden ein wichtiges Element der Strategie." Wird man hierbei nicht etwas an die zynische Äußerung des SDS-Rechtsanwaltes Horst Mahler zum Tode des Münchener Pressephotografen Klaus Frings erinnert?: „Wir mußten von vornherein mit solchen Unfällen rechnen. Es hat keinen Sinn, mit menschlichen Argumenten zu kommen . . . Das ist genauso, wie wenn ich mich an das Steuer eines Autos setze und damit rechnen muß, daß ein Reifen platzt." Dennoch muß gesagt werden, daß sich Theodor Ebert insbesondere in seinem Essay „Direkte Aktion in Formaldemokratien — Grundzüge der Strategie der gewaltfreien, direkten Aktion" sehr bestimmt von manchen Terror-aktionen des SDS distanziert: „Im Laufe des Jahres 1968 muß geprüft werden, ob nicht bestimmte Formen der Gegengewalt statt das System aufzuweichen und soziale Stützpunkte für den radikaldemokratischen Wandel zu schaffen, die Protestierenden isolieren und den autoritären backlash fördern. . . . Der Übergang von Rauchkerzen und Feuerwerkskörpern zu Bomben ist fließend, und im Augenblick des Werfens eines Gegenstandes laßt sich selten genau feststellen, worum es sich handelt. Die subjektive Überzeugung der Werfenden, daß ihre Geschosse . harmlos'seien, ist für die momentane Wirkung belanglos und darum psychologisch gesehen falsch."

So gehört Ebert mit seiner gewaltfreien Strategie — ebenso wie sein Meister Ossip K. Flechtheim — zu den eingangs erwähnten subtilen Pikkoloflöten der Außerparlamentarischen Opposition, die sich aber offensichtlich nicht gegenüber den robusten Blechinstrumenten der APO durchsetzen können. Es nimmt nicht wunder, daß Ekkehart Krippendorff, einer der militantesten Vertreter der Neuen Linken in West-Berlin, in einer Rezension von Eberts Buch „Gewaltfreier Aufstand — Alternative zum Bürgerkrieg" Kritik an Ebert übt: „Es ist kein Zufall, daß es im Grunde nur einen erfolgreichen gewaltfreien Aufstand gibt, nämlich den indischen . . . Die Nichteinbeziehung der sozialen Voraussetzungen und gesellschaftspolitischen Zielsetzungen von diesen als , Aufstand'und . Revolution’ bezeichneten gewaltfreien Aktionsbewegungen macht die Analyse auf weite Strecken blind für die konkrete Situation etwa in der Bundesrepublik und in West-Berlin, auf die hin — als . Anleitung zum Handeln'— ja Eberts Analyse nicht zuletzt geschrieben sein dürfte."

Geradezu verherrlicht wird der Kult der Gewalt in der „konkret" -Ausgabe vom Juni 1968. Ein „Redaktionskollektiv", bestehend aus Rudi Dutschke, Bahman Nirumand, Hans Magnus Enzensberger, Michael Schneider, Jürgen Horlemann, Gaston Salvatore und Eckhard Siepmann, beschäftigt sich dort intensiv mit dem Thema „Gewalt". Es geht ihnen darum, „die Diskussion über Möglichkeit und Notwendigkeit der Anwendung von Gewalt aus dem Dunstkreis von bürgerlichem Humanismus, moralischen Vorurteilen und einem besinnungslosen Pazifismus herauszuholen."

Die Autoren gehen von folgenden Prämissen aus: 1. Gewalt gehöre „zum Kapitalismus wie der Polizist zum Privateigentum, und solange es den Kapitalismus gibt, wird die Gewalt nicht verschwinden".

2. „An die Stelle der offenen Gewalt ist die Manipulation getreten, an die Stelle der Bürgerkriegsarmee der Springerkonzern, an die Stelle der gewaltsamen Unterdrückung die Selbstunterdrückung."

3. Es sei zwischen unterdrückender (repressiver) und befreiender (emanzipierender) Gewalt zu unterscheiden. Nur die Gewalt sei gerechtfertigt, die der Abschaffung der Gewalt diene.

4. Die Durchlöcherung der Festungen des Kapitalismus schaffe die Voraussetzungen für die Aufklärung der Massen.

5. Eine durch ständige Provokationen bewirkte Rückverwandlung der manipulativen Gewalt der Herrschenden in offene Gewalt kann zur Befreiung der proletarischen Gewalt führen. Daraus erwächst konsequent die strikte Ablehnung von gewaltfreien direkten Aktionen:

„Unsere gewaltfreien direkten Aktionen waren Springer eine Lust, dem Bürger ein Greuel und den Arbeitern ein Ärgernis. Erst seit wir zaghaft beginnen, die Sprache des Systems selber zu sprechen, werden wir den Arbeitern verständlich und Springer eine Gefahr: diese Sprache ist die Gewalt."

Dem Autorenkollektiv zufolge kann man mit den Herrschenden nur in der Sprache der Gewalt sprechen: „Seit Jahren fordern die Herrschenden den Dialog mit uns. Während sie unentwegt Gewalt ausüben, ermuntern sie uns zur Diskussion. Und wir sind tatsächlich herumgerannt und haben in aller Unschuld über Manipulation, Ausbeutung und die Gewalt des Systems gesprochen. Aber gehört wurde unser Protest gegen den Vietnamkrieg erst, als die Scheiben des Amerikahauses klirrten. Erst als wir unsere Argumente mit Steinen vorbrachten, wurden sie verstanden. Jetzt ist der Dialog zustande gekommen. Also gut: reden wir mit unseren Gesprächspartnern in der Sprache, die sie verstehen! Wenn sie nur die Sprache der Gewalt verstehen, müssen wir sie lernen. Aber verschwenden wir unsere Zeit nicht damit, sie in einer Sprache anzureden, die sie nicht verstehen!"

Die Gewaltaktionen gegen das Berliner Amerikahaus und gegen das Springer-Hochhaus werden als Akte der Selbstbefreiung und der Revanche gerechtfertigt: „Die Steine gegen die Zentren der Manipulation, gegen das Amerikahaus und den Springerkonzern, haben die Verkrustungen über unseren Bedürfnissen aufgebrochen und uns das Gefühl zurückgageben, daß die Gleichgültigkeit gegen die Unterdrük-kung niemandem angeboren ist. Die Angst wurde denen zurückerstattet, die sie uns einjagten, und deren Lebensinteresse es ist, den Menschen zum Feind des Menschen zu machen."

Ein Heckenschütze aus Detroit, der von seinem Dach aus auf die Polizei schoß, wird zum Helden stilisiert: „Was die subjektive Seite des Problems angeht, müssen wir sehen, daß der aktive Widerstand gegen das System der Unterdrückung nicht nur eine Voraussetzung für die Befreiung des neuen Menschen ist, sondern schon ein Stück seiner Verwirklichung. Ein junger Heckenschütze aus Detroit sagte einem Reporter, wie es ihm ging, als er sich von seinem Dach aus mit dem Gewehr gegen die anrückende Polizei verteidigte: , Es war unbeschreiblich schön, Baby, du kannst dir gar nicht vorstellen, wie schön es war.'Der das sagte, ist kein Zyniker. Er stellte durch seinen Kampf einen Teil seiner verwüsteten Identität wieder her. Als er schoß, bewies er, daß er den Charakter, den der amerikanische Kapitalismus für ihn bereithält, nämlich zu leben wie ein Hund, nicht für den seinen hielt. Er machte sich in diesem Augenblick zu einem Menschen."

Selbstbefreiung und eigentliche Menschwerdung des Menschen durch die Tat, ja durch die Gewalt, ist ein Motiv, das häufig in der Literatur des 20. Jahrhunderts anklingt, etwa in den Dramen von Jean-Paul Sartre (ins dere „Die Fliegen") und in den Romane Ernest Hemingway. In „konkret" wird Motiv verabsolutiert: Gewalt und Terro: nicht nur notwendig, um die Gesellsch ändern (wobei sich einige mit Blut bef müssen), nein, der Mord würde zu einer der Selbstentsühnung des Menschen ode: es weniger theologisch zu sagen — zu Mittel, um die Selbstentfremdung des sehen zu überwinden.

Gewiß, es bleibt immer noch die Thes nur die Gewalt gerechtfertigt sei, die di Schaffung der Gewalt diene. Aber auch These zeigt, daß viele Protagonisten der Linken von der gefährlichen innerwel Utopie einer vollkommenen Gesellscha: gehen. Die Anhänger dieser Utopie si: meist nicht nur bereit, die gegenwärtic Seilschaft einer zukünftigen zu opfern, sc auch geneigt, Hekatomben von gegenw Menschen einem zukünftigen idealen Mei zu opfern. Denn was bedeutet schon de unzähliger Menschen, die manipulierer auch manipuliert werden, wenn aus ihre bern eine neue Generation, völlig frei vc nipulation und Repression, aufersteht? I nerweltliche Utopist wird deshalb sehr (Leben des gegenwärtigen Menschen c schätzen. Nur derjenige, der an eine zw; besserungsfähige, aber doch im letzten U kommene Welt und an einen verbesse fähigen, aber doch im letzten unvollkomi Menschen glaubt, wird dem Leben deswärtigen Menschen den nötigen Respe} gegenbringen können.

IX. Psychologismus, aristokratischer Ästhetizismus, Kulturpessimismi

Der Versuch, Sigmund Freud für die politische Theorie fruchtbar zu machen und seine Gedanken mit den Ideen von Marx zu verschmelzen, ist sicherlich nicht auf Herbert Marcuse beschränkt. Aber dennoch kann gesagt werden, daß er zur Zeit der Repräsentant eines soziologischen und politologischen Psychologismus mit der größten Breitenwirkung ist und daß Modeschlagworte wie „Repression", „Sublimierung" etc., die wie gängige Münzen unter der linken Intelligenz kursieren, weitgehend von dem Neofreudianismus Herbert Marcuses herrühren.

Publizisten haben nachzuweisen versucht, daß das von Marcuse offenbarte Paradies eigentlich rechts liege Aber schon in der Vorbemerkung wurde darauf hingewiesen, daß Marcuse einen anderen anthropologischen Ausgangspunkt hat als pseudokonser Denker. So unterscheidet sich seine Kul tik wegen ihres humanistischen Impuls« wegen einiger treffender Analysen vor ständen in der modernen Zivilisation sei der pseudokonservativen oder gar kry schistischen Kulturkritik. Selbstredend der Einfluß von Marx auf das Gesamtwerl cuses und die starke „linke" Komponen nes Schaffens nicht abgestritten werden noch ist die Vorliebe Marcuses für Denki Dichter auffallend, die man — bei alle spekt vor ihrer Bedeutung und bei aller behalten gegenüber einem vereinfach Links-Rechts-Schema — eher als „rechts ordnen kann. Dazu gehören: Friedrich Nietzsche, der mit seinem Voluntarismus, seiner Lebensphilosophie und seinem Kulturpessimismus die konservative Revolution in Deutschland und den italienischen Faschismus inspiriert hatte. Während Marcuse in einem früheren Essay Friedrich Nietzsche — oder zumindest doch eines seiner Hauptwerke, nämlich „Jenseits von Gut. und Böse" — für die „Philosophie des Lebens" und den „irrationalistischen Naturalismus" in der „totalitären Staatsauffassung" verantwortlich machte preist er in seinem neuen Buch „die befreiende Atmosphäre von Nietzsches Denken" und bekennt sich in „Psychoanalyse und Politik" zu Nietzsches Gesetz von der „Ewigkeit der Lust" Die Widersprüche Marcuses im Verhältnis zu Nietzsche können freilich nicht nur aus dem Abstand der Jahre, sondern auch aus den Widersprüchen im Gesamtwerk Nietzsches selbst erklärt werden.

Martin Heidegger, der nicht nur wegen seiner pronationalsozialistischen Freiburger Rektoratsrede von 1933, sondern wohl auch wegen der universalistischen, mystischen und antisokratischen Implikationen seiner Existenzial-Ontologie eher der „Rechten" zuzuordnen ist. Marcuse war früher Assistent von Heidegger, der ihn stark beeinflußt hat. In „Der eindimensionale Mensch" beruft sich Marcuse ausdrücklich auf Heidegger

Die antisubjektivistische Heideggersche Existenzial-Ontologie, der die Konfrontation des umfassend-umgreifenden Seins mit dem vereinzelten Seienden zugrunde liegt, ist in jenem Passus aus dem „eindimensionalen Menschen" gegenwärtig: „Allgemeinheiten sind primäre Erfahrungselemente . . . Was erfahren wird, ist zum Beispiel Schnee oder Regen oder Hitze; eine Straße; ein Büro oder ein Chef; Liebe oder Haß. Besondere Dinge (Seiendes) und Ereignisse erscheinen nur in einer Gruppe und einem Kontinuum von Verältnissen und selbst als Gruppe und Kontinuum in Gestalt von Vorgängen und Teilen, die in einer allgemeinen Konfiguration auftreten, von der sie nicht getrennt werden können; sie können nicht auf andere Weise erscheinen, ohne ihre Identität zu verlieren. Besondere Dinge und Ereignisse gibt es nur auf einem allgemeinen Hintergrund, der mehr ist als ein Hintergrund — er ist die konkrete Grundlage, auf der sie sich erheben, bestehen und vergehen. Diese Grundlage ist strukturiert nach Allgemeinheiten wie Farbe, Gestalt, Dichte, Härte oder Weichheit, Licht oder Dunkelheit, Bewegung oder Ruhe. In diesem Sinne scheinen die Allgemeinheiten den , Stoff der Welt zu bezeichnen..."

Es klingt hier — sehr leise, sehr poetisch und sehr dezent — ein philosophischer Universalismus in der Nachfolge Heideggers, aber auch Hegels an, der Gefahr läuft, im ganzen das einzelne — ohne Rücksicht auf seine Individualität oder gar Personalität —aufzuheben. Dieser dezent aufgetragene Universalismus kann vergröbert zu dem sozialphilosophischen Universalismus eines Ottmar Spann führen, der dem einzelnen nur insofern Wirklichkeit zubilligte, als das einzelne Glied einer umgreifenden Ganzheit ist.

Charles Baudelaire, der bedeutende französische Lyriker, der den Symbolismus als die aristokratisch-ästhetizistische Gegenbewegung gegen die progressiven literarischen Strömungen des Realismus und des Naturalismus und gegen die sozial und politisch fortschrittlich engagierte Lyrik eines Heine, Herwegh, Petöfi und Walt Whitman einleitete und nicht zuletzt den faschistischen italienischen Poeten und Politiker Gabriel d'Annunzio inspirierte. In dem Essay „Repressive Toleranz" greift Marcuse zustimmend Baudelaires Warnung vor der Gefahr „zerstörerischer Toleranz" gegenüber der Kunst auf In „Triebstruktur und Gesellschaft" bekräftigt Marcuse seine Zivilisationsfeindlichkeit mit einem Zitat Baudelaires:

„La vraie Civilisation . . . n'est pas dans le gaz, ni dans le vapeur, ni dans les tables tournantes. Elle est dans la diminuation des traces du pche originel" In freier Übersetzung etwa: Die wahre Kultur liegt nicht in Gas, Dampf oder Drehscheiben. Sie liegt in der Auslöschung der Spuren der Erbsünde.

Paul Valery, französischer Dichter, ursprünglich Symbolist, später Repräsentant einer „poesie pure", wird von Marcuse selbst als großer Konservativer der Literatur gefeiert

Stefan George, deutscher Lyriker, Repräsentant eines aristokratischen Ästhetizismus und Klassizismus, Haupt des George-Kreises, ist nach einem früheren Verdikt Marcuses mitverantwortlich für die „Heroisierung des Menschen" in der „totalitären Staatsauffassung" (Daß Josef Goebbels über seinen — nichtnationalsozialistischen — Doktorvater Friedrich Gundolf, einem Mitglied des George-Kreises, zum Enkelschüler des ebenfalls nicht-nationalsozialistischen Stefan George wurde, sei nur am Rande bemerkt.) In seinem Hauptwerk „Der eindimensionale Mensch" bekennt sich Marcuse zu dem die aristokratisch-esoterische Haltung Georges verratenden Satz des bedeutenden Lyrikers: „Schon eure Zahl ist Frevel!"

Rainer Maria Rilke, deutscher Dichter, auch ein Esoteriker und ein Priester des Schönheitskultes — freilich auf weitaus sanftere, verinnerlichte Weise und ohne die Herrscherattitüde Georges —, als Nachromantiker und Mystiker den Fragen des technischen, sozialen und politischen Geschehens fernstehend und so ein großer Gegenspieler der sozial engagierten deutschen Literatur seiner Zeit vom frühen Gerhart Hauptmann bis zu Bertolt Brecht. (Nur in Parenthese seien Rilkes Verbeugungen vor Mussolini und dem italienischen Faschismus in den Briefen an seinen italienischen Verleger erwähnt.) Rilke, der in früheren Jahrzehnten oftmals als der vielleicht bedeutendste deutsche Dichter der Zeit von 1900— 1925 angesehen wurde, wird heute von verschiedenen Literaturhistorikern wegen seiner mangelnden Zeitbezogenheit und seiner retrospektiven Haltung angefochten. Aber diese Eigenschaften werden von Marcuse als positiv empfunden, und daher erklärt sich seine Vorliebe für ihn. Wenn Marcuse dem Urbild Prometheus („der Kulturheld der Mühsal, der Produktivität und des Fortschritts durch Unterdrückung") die Urbilder Orpheus und Narziß (die „niemals die Kulturheroen der westlichen Welt" wurden) entgegenstellt und wenn er „die Befreiung von der Zeit" preist, dann zitiert er aus Rilkes „Sonette an Orpheus"

Er beruft sich auch auf Rilke, auf die erste der Duineser Elegien, wenn er sein Bekenntnis zur Schönheit ablegt: „Wenn ich von einem schönen Mädchen, einer schönen Landschaft, einem schönen Bild spreche, dann habe ich unzweifelhaft höchst verschiedene Dinge im Sinn. Was ihnen allen gemeinsam ist — . Schönheit’ — ist weder eine geheimnisvolle Wesenheit noch ein geheimnisvolles Wort . . . In dieser Unbestimmtheit und Unmittelbarkeit wird die Schönheit im Schönen erfahren — das heißt gesehen, gehört, gesprochen, berührt, gefühlt, begriffen. Sie wird fast als ein Schock erfahren, vielleicht infolge des Gegensatzcharakters der Schönheit, der den Umkreis der alltäglichen Erfahrung durchbricht und (für einen kurzen Augenblick) eine andere Wirklichkeit eröffnet (zu der das Entsetzen als integrales Element gehören kann)"

Es kann auch nicht verkannt werden, daß der große Lehrer Marcuses und der Neuen Linken, Sigmund Freud, unbeschadet seiner progressiv-befreienden Tat der Psychoanalyse, als Anthropologe und Kulturphilosoph („Das Unbehagen in der Kultur") an den kulturpessimistischen, voluntaristischen und vitalistischen, also „rechten" Strömungen des 19. Jahrhunderts und seiner Zeit partizipierte. So schreibt Thomas Mann in seinem Essay über Schopenhauer sehr treffend: „Schopenhauer, als Psycholog des Willens, ist der Vater aller modernen Seelenkunde: von ihm geht, über den psychologischen Radikalismus Nietzsches, eine gerade Linie zu Freud und denen, die seine Tiefenpsychologie ausbauten und auf die Geistes-wissenschaften anwandten. Nietzsches Intellekt-Feindschaft und Anti-Sokratismus ist nichts anderes als die philosophische Bejahung und Verherrlichung von Schopenhauers Entdeckung des Willensprimats, seiner pessimistischen Einsicht in das sekundäre und dienende Verhältnis des Intellektes zum Willen ... Er (Schopenhauer) selbst sagt z. B.: . Doch ist zu bemerken, daß man, um sich selbst zu täuschen, sich scheinbare Übereilungen vorbereitet, die eigentlich heimlich überlegte Handlungen sind. Denn wir betrügen und schmeicheln niemandem durch so feine Kunstgriffe, als uns selbst’. In dieser beiläufigen Anmerkung sind ganze Kapitel, ja Bände der analytischen Entlarvungs-Psychologie in nuce enthalten — wie später so oft in Nietzsches Aphoristik Freud-sehe Erkenntnisse und Enthüllungen blitzartig vorweggenommen sind ..."

An einer Stelle konzediert Marcuse indirekt, daß er — wie sein Vorbild Sigmund Freud — im Grunde ein Konservativer ist, denn er erklärt, daß das von ihm anvisierte „nichtrepressive Fortschrittsprinzip ... in einem entschei-denen Sinne konservativ ist" Herbert Marcuse weist auch selbst auf den kulturpessimistischen Grundzug in der Psychophilosophie Sigmund Freuds hin: „Hier liegt das Zentrum der Freudschen Fragestellung. Glück ist nach Freud ebensowenig wie Freiheit ein Werk der Kultur. Glück und Freiheit sind mit Kultur unvereinbar. Kulturentwicklung ist gegründet in Unterdrückung, Beschränkung, Verdrängung sinnlicher Triebwünsche und ohne repressive TriebVerwandlung nicht denkbar." So sind Kulturpessimismus und Antitechnizismus bestimmende Grundzüge im Gesamtwerk Herbert Marcuses. Bereits in dem 1933 veröffentlichten Essay „über die philosophischen Grundlagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs" äußerte er: „In einem einzelnen Ballwurf des Spielenden liegt ein unendlich größerer Triumph der Freiheit des Menschenwesens über die Gegenständlichkeit als in der gewaltigsten Leistung technischer Arbeit."

Dem entspricht seine negative Wertung der Technik mehr als drei Jahrzehnte später: „Auch die Technik ist aus der Unterdrückung geboren; noch die höchsten Errungenschaften zur Erleichterung der menschlichen Existenz bezeugen ihre Herkunft in der vergewaltigten Natur und in den verstumpften Menschenwesen."

Auch in seinem neuen Werk „Der eindimensionale Mensch" verhehlt er Zivilisationsfeindlichkeit und antitechnischen Affekt nicht: „Eine komfortable, reibungslose, vernünftige, demokratische Unfreiheit herrscht in der fortgeschrittenen industriellen Zivilisation, ein Zeichen technischen Fortschritts." „Ich fahre in einem neuen Auto. Ich erlebe seine Schönheit, seinen Glanz, seine Stärke und Bequemlichkeit — aber dann wird mir bewußt, daß es sich in relativ kurzer Zeit abnutzen und reparaturbedürftig sein wird; daß seine Schönheit und Oberfläche billig sind, seine Kraft unnötig, seine Größe idiotisch und daß ich keinen Parkplatz finden werde."

Demgegenüber werden vergangene Zeiten und Kulturen mit leisen, wehmütig rückwärts-gewandten Eichendorff-, Brentanound Lenau-Assonanzen gepriesen: „Mit ihrem Formen-und Sittenkodex, mit dem Stil und Vokabular ihrer Literatur und Philosophie drückte diese vergangene Kultur den Rhythmus und Inhalt eines Universums aus, in dem Täler und Wälder, Dörfer und Schenken, Edelleute und Leibeigene, Salons und Höfe zur erfahrenen Wirklichkeit gehörten. In der Lyrik und Prosa dieser vortechnischen Kultur ist der Rhythmus von Menschen enthalten, die wandern oder in Kutschen fahren und die Zeit und Lust haben, nachzudenken, etwas zu betrachten, zu fühlen und zu erzählen."

Marcuse gesteht zwar, daß es eine „altmodische und überholte Kultur" gewesen sei, die nur durch „Träume und kindliche Regressionen" wieder eingefangen werden könnte. Aber diese Kultur sei doch in einigen ihrer entscheidenden Elemente eine nachtechnische. Ihre fortgeschrittensten Bilder und Positionen würden überleben. Deshalb rechnet er „mit der Möglichkeit ihrer Wiedergeburt"

Auch in seinem „Spiegel" -Interview unterstreicht Marcuse seine Zivilisationsfeindlichkeit und seine einseitige Orientierung an Leitbildern der Vergangenheit: „Aber die Tänze der vorindustriellen Gesellschaft waren viel humaner. Fleute kauft man sich ein Auto, das ist langweilig. Es ist ein ungeheurer Unterschied, ob ich zum Lieben oder zum Knutschen auf eine weiche grüne Wiese hinausgehe, wo mich niemand stört, oder ob ich das im Automobil machen muß. Das ist ein ungeheurer Unterschied, der die ganze Erotik affiziert."

Marcuse teilt den Kulturpessimismus mit seinem konservativen Fachkollegen Arnold Gehlen, aber auch mit Claude Levi-Strauss, der sich der politischen Linken verbunden fühlt.

Der Kulturpessimismus ist bei der Neuen Linken weitverbreitet. Er wird neben Marcuse auch von den antiwestlichen — antiamerikanischen und antieuropäischen — Affekten Mao Tse-tungs und vieler Revolutionäre in den Entwicklungsländern bestimmt.

Der amerikanische Politologe Fritz Stern weist auf die schrecklichen Gefahren einer aus dem Kulturpessimismus geborenen Politik hin und auf den Charakter des Kulturpessimismus — in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts — als eines Bindegliedes zwischen Radau-Nationalisten und Antisemiten einerseits und höchst achtenswerten, mit der Kultur unzufrir denen, aber politisch desinteressierten Kreisen andererseits Heute stellt der Kulturpessimismus ein Bindeglied zwischen der Neuen Linken, ultrakonservativen Kräften und der NPD dar

Marcuse sieht als ehernes und fluchbeladenes Gesetz des Fortschritts: „Der Fortschritt muß sich immer wieder selbst negieren, um Fortschritt bleiben zu können. Die Neigung muß immer wieder der Vernunft, das Glück immer wieder der transzendierenden Freiheit geopfert werden, damit die Menschen durch das Versprechen des Glücks in der entfremdeten Arbeit erhalten werden, produktiv bleiben, sich den vollen Genuß ihrer Produktivität verwehren und damit die Produktivität selbst perpetuieren."

Man wird hierbei an Gottfried Benns Wort vom „Gegenglück, dem Geist", oder auch an den Titel des Hauptwerkes von Ludwig Klages „Der Geist als Widersacher der Seele" erinnert. Tatsächlich zeichnet sich die Sozialphilosophie Marcuses durch einen ausgeprägten Vernunft-pessimismus aus. Das beweist insbesondere die Reduktion des Freudschen Trialismus von Lustprinzip („die uneingeschränkte Entfaltung der Lebenstriebe"), „Nirwana-Prinzip" („Regression in den schmerzlosen Zustand vor der Geburt") und „Realitätsprinzip" („die . Vernunft’ als die Wirklichkeit selber") zu dem Dualismus von „Lustprinzip" und „Realitätsprinzip" :

„Es scheint, daß sich hinter der Dreiteilung eine Zweiteilung verbirgt: wenn der Todestrieb zur Vernichtung des Lebens drängt, weil Leben überwiegen von Unlust, Spannung, Bedürfnis ist, dann wäre auch das Nirwana-Prinzip eine Lustprinzips, und der Form des Todestrieb käme in gefährliche Nähe zum Eros. Andererseits scheint Eros selbst an der Natur des Todestriebes teilzuhaben: der Drang nach Stilllegung, Verewigung der Lust indiziert auch im Eros einen triebhaften Widerstand gegen das Auftreten immer Spannungen, neuer gegen das Aufgeben eines erreichten lustvollen Gleichgewichtszustandes, der, wenn nicht lebensfeindlich, so doch statisch und daher . fortschrittsfeindlich'ist."

Der starren Konfrontation von Lustprinzip und Realitätsprinzip entspricht eine Verschärfung des Gegensatzes zwischen befreiendem Eros und — häufig repressiver — Vernunft. So konstatiert Marcuse eine „Spannung zwischen der Vernunft auf der einen Seite und den Bedürfnissen und Wünschen der Völker" auf der anderen; er bedauert, daß „wahre Erkenntnis und Vernunft . . . Herrschaft über die Sinne — wenn nicht Befreiung — von ihnen" verlangen und daß die „Einheit von Logos und Eros . . . schon bei Platon zum Vorrang des Logos" führte In der „Ersetzung des Lustprinzips durch das Realitätsprinzip" sieht Marcuse „das große traumatische Ereignis in der menschlichen Entwicklung" Es besteht aber eine große Chance für die Menschheit: „Die Eliminierung menschlicher Möglichkeiten aus der Welt der (entfremdeten) Arbeit schafft die Vorbedingungen für die Eliminierung der Arbeit aus der Welt der menschlichen Möglichkeiten." Das Ideal ist eine ästhetisch-erotische Kultur des Spiels. Der panerotische Zug bei Marcuse kann als ein ebenso verständlicher wie berechtigter Protest gegen die in der abendländischen Kultur weitverbreitete antierotische Lebensauffassung verstanden werden; er hebt sich teilweise auch erfreulich von dem in den letzten Jahren häufig propagierten Pansexualismus ab, der oft nur die Kehrseite eines die „Fleischeslust" verteufelnden Puritanismus ist. In „Psychoanalyse und Politik" differenziert Marcuse sehr genau zwischen Panerotik und Pansexualismus: „Eine Reaktivierung aller der erotischen Kräfte und Verhaltensweisen würde möglich, die unter dem repressiven Realitäts-prmzip abgesperrt und desexualisiert waren. Hiervon wäre die Konsequenz — und das möchte ich mit aller Schärfe betonen, weil an dieser Stelle das größte Mißverständnis vorliegt —, daß die Sublimierung nicht etwa aufhörte, sondern als erotische Energie zu neuen kulturschaffenden Kräften sich steigerte. Die Konsequenz wäre nicht Pansexualismus, der vielmehr wesentlich zum Bilde der repressiven Gesellschaft gehört (Pansexualismus ist nur vorstellbar als Explosion repressiver Trieb-energie, nie aber als Erfüllung nichtrepressiver Triebenergie). In dem Maße, in dem erotische Energie wirklich frei würde, hörte sie auf, bloße Sexualität zu sein, und würde zu einer den Organismus in allen seinen Verhaltensweisen, Dimensionen und Zielen bestimmenden Kraft. Mit anderen Worten: der Organis -mus würde sich zu dem bekennen, zu dem er sich unter dem repressiven Realitätsprinzip nicht bekennen durfte. Streben nach Befriedigung in einer glücklichen Welt hieße das Prinzip, unter dem die menschliche Existenz sich entwickelte."

Dies ist ein humanistisches Plädoyer für eine panerotische Kultur, die das Sexuelle keineswegs negiert, es aber als Teil einer größeren, umfassenderen und ins Allgemein-Menschliche umschlagenden Liebesbeziehung versteht; dies ist ebenso auch ein entschiedener Protest gegen die inhumanen Verzerrungen in der Morallehre des Puritanismus (der auch in politisch-totalitären Richtungen weitverbreitet ist und eine schwere Hypothek aus dem antiken Erbe der abendländischen Kultur darstellt). Andererseits transzendieren Marcuses Panästhetizismus und Panerotik doch häufig zu einem Panhedonismus als der unreflektierten Rechtfertigung oder gar Verherrlichung von Exzessen als Mittel des totalen Protestes. Neben dem Konsum von Rauschgift erkennt er auch „Petting" auf offener Straße als legitime Form der totalen Opposition an

Zu diesen Zügen von Ästhetizismus und Hedonismus stehen übrigens die aszetische Savo-narola-Attitüde Dutschkes und das Verhalten mancher bewußt blaß und unfeminin wirkender SDS-Streiterinnen in auffallendem Gegensatz.

Schlußbetrachtung: Die Stunde der Demokraten

Angesichts der irrationalen Erosionen von beiden Seiten hat die Stunde der Demokraten geschlagen. Es gilt, das schmale Gelände der Vernunft, des Fortschritts, der allseitigen Toleranz, der Vielgestaltigkeit und der redlichen Disputation nicht nur zu verteidigen, sondern stets aufs neue zu kultivieren. Denn die Demokratie ist nichts Vorgegebenes, sondern etwas stets Aufgegebenes, nichts Abgeschlossenes, sondern ein ewiges Fragment, eine unvollendete Sinfonie als Lebensaufgabe für ein Volk, ja für eine Kette von Generationen. Minimalkonsensus und Kooperation sind erforderlich, aber ohne permanente Unruhe bleiben die Uhren der Demokratie stehen. Es ist das Dilemma unserer jungen Demokratie, daß viele Menschen von einem traditionellen Demokratieverständnis Demonstrationen von vornherein skeptisch ansehen, während sich andererseits viele Demonstranten — auf ihrem „langen Marsch" — auf eine vermeintlich vollkommene und ideale Gesellschaft zubewegen, in der es eo ipso keine Demonstrationen mehr geben kann. So paradox es klingen mag: Aber in Anbetracht unserer unvollkommenen Welt ist nur die Gesellschaft optimal moralisch, die auch mit Frevel und Sünde leben kann, und nur die Gesellschaft ist optimal gerecht, wo es nicht nur die Möglichkeiten zu Demonstrationen, sondern auch provozierende Anlässe dazu gibt. Denn der Versuch, eine ideale und perfekte Gesellschaft zu schaffen, würde in letzter Konsequenz immer zum Totalitarismus und damit zur Unterdrückung und Verfolgung führen.

Wir brauchen in der Bundesrepublik die Unruhe der Studenten, der Jugend und der Intelligenz. Dennoch wäre eine klare Distanzierung der radikal-reformerischen von den dezidiert antiparlamentarischen Kräften erforderlich. Die Gefahr der antiparlamentarischen Kräfte liegt nicht etwa darin, daß sie eine Revolution mit dem Ziel einer Rätediktatur durchführen. Dazu fehlt ihnen die soziale Basis, denn die Arbeitnehmerschaft ist in ihrer übergroßen Mehrheit der demokratischen Grundordnung in der Bundesrepublik verbunden. Die Gefahr liegt einmal in der Entfremdung weiter Kreise der Jugend und der kritischen Intelligenz — ge-rade jener Kräfte, die für eine radikale demokratische Reformbewegung unbedingt benötigt werden — vom Staate, sie liegt weiterhin in der Erweckung archaischer Mächte und in der Umerziehung von Menschen, die —wiewohl noch ein wenig obrigkeitsgläubig — dennoch aus Vernunftsgründen ihren Frieden mit der Demokratie geschlossen haben, zu Anhängern von Aktionen der Gewalt.

Es kann auch nicht verkannt werden, daß durch das Verhalten der Neuen Linken die rechtsradikale NPD Auftrieb erhält. Einmal bietet sie sich angesichts der offensichtlichen „Unordnung" als „Ordnungs" -Partei an. Zum anderen animiert die Neue Linke durch das Hissen der roten Fahne rechtsradikale Bauern zum Hissen von schwarzen Fahnen mit weißem Pflug. Und schließlich ermuntert der Kampf des SDS gegen das „System" rechtsradikale Kreise dazu, den von ihnen gehaßten Staat zu schmähen und zu attackieren.

Es ist aber unter keinen Umständen ein Gebot praktischer Vernunft, gegen die Neue Linke mit den Mitteln totaler staatlicher Repression einzuschreiten. Die Neue Linke hat das Pathos der Überzeugung und den Purismus des Gewissens auf ihrer Seite. Sie steigert die Gesinnungsethik zum Exzeß. Auch die Gewissensfreiheit verfassungsfeindlicher Überzeugungstäter muß optimal geschützt werden, solange die Gewissensfreiheit anderer nicht direkt bedroht wird. Der Demokrat muß ein Optimum an Toleranz und an Verständnis — auch gegenüber antiparlamentarischen Kräften — mit einem Optimum an Entschiedenheit, die parlamentarische Demokratie mit allen angemessenen Mitteln zu verteidigen, verbinden. Dem Revoluzzertum der Neuen Linken kann man am besten durch Taten der praktischen Vernunft begegnen: durch die radikale Eliminierung feudaler und autoritärer Restbestände in Staat und Gesellschaft, die Reaktivierung des Parlamentarismus (z. B. durch eine stärkere Beteiligung der Öffentlichkeit bei Hearings) und durch permanente Reform und permanente Evolution — als Unruhe zur Gangregelung des Uhrwerks der Demokratie.

Literaturverzeichnis

Aus der Überfülle der Publikationen seien nur die nach Meinung des Autors wichtigsten zum Verständnis der Neuen Linken genannt (Publikationen von Ideologen und andererseits von teilweise recht kritischen Beobachtern der Neuen Linken).

Agnoli, Johannes/Brückner, Peter: Die Transformation der Demokratie, 1. Ausl. Berlin 1967, 2. Aull. Frankfurt/Main 1968.

Ahlberg, Rene: Die politische Konzeption des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung Das Parlament, Nr. 20 v.

15. Mai 1968.

Bergmann/Dutschke/Lefevre/RabehI: Rebellion der Studenten oder Die neue Opposition, rororo Taschenbuch, Hamburg 1968.

Fanon, Frantz: Die Verdammten dieser Erde. Vorwort von Jean-Paul Sartre, Frankfurt/Main 1967.

Guevara, Ernesto Che: Partisanenkrieg — eine Methode. Mensch und Sozialismus auf Cuba. Nachruf auf Che von Peter Weiss, München 1968.

Guevara, Ernesto Che: Brief an das Exekutiv-sekretariat von OSPAAL. Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, eingeleitet und übersetzt von Gaston Salvatore und Rudi Dutschke. Kleine revolutionäre Bibliothek (I), Oberbaumpresse Berlin.

Fiermann, Kai: Die Revolte der Studenten, Hamburg 19683.

Krippendorff, Ekkehart: Die Rechte in der Bundesrepublik. Zehn Thesen, in: Die Restauration entläßt ihre Kinder oder Der Erfolg der Rechten in der Bundesrepublik, hrsg. v. Freimut Duve, rororo Taschenbuch, Hamburg 1968.

Lamm/Rosenbaum/Schauer/Schmiederer: Die Große Koalition und die nächsten Aufgaben der Linken, Frankfurt/Main 1967.

Macpherson, C. B.: Drei Formen der Demokratei, Frankfurt/Main 1967.

Marcuse, Herbert: Kultur und Gesellschaft, Bd. 1 u. 2, Frankfurt/Main 1967.

Marcuse, Herbert: Psychoanalyse und Politik, Frankfurt/Main und Wien 1968.

Marcuse, Herbert: Der eindimensionale Mensch, Neuwied 1968

Marcuse, Herbert: Triebstruktur und Gesellschaft, Frankfurt/Main 1967. Schoeps/Dannenmann: Die rebellischen Studenten. Elite der Demokratie oder Vorhut eines linken Faschismus?, München 1968. Seeliger, Rolf: Die außerparlamentarische Opposition, München 1968. Wolff/Moore/Marcuse: Kritik der reinen Toleranz, Frankfurt/Main 1967.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Rene Ahlberg, Die politische Konzeption des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage der Wochen-zeitung Das Parlament, B 20/68 v. 15. Mai 1968, und in: Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung.

  2. Als Pseudokonservative werden all jene verstanden, die nicht, wie die echten Konservativen, vom christlichen Menschenbild — von der Gottesebenbildlichkeit des Menschen — ausgehen, sondern von einem Kollektiv, und den Menschen deshalb vorwiegend oder ausschließlich als Kollektivwesen betrachten.

  3. Vgl. Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, Neuwied 1968, S. 12.

  4. Schoeps/Dannenmann, Die rebellischen Studenten, München 1968, S. 108.

  5. Karl Loewenstein, Verfassungslehre, Tübingen 1959, S. 53 und 69.

  6. Zit. nach Fritz Erler, Politik für Deutschland. Eine Dokumentation, hrsg. und eingel. v. Wolfgang Gaebler, Stuttgart 1968, S. 255.

  7. Worte des Vorsitzenden Mao Tse-tung, Peking 1967, S. 305.

  8. Herbert Marcuse, Repressive Toleranz, in: Wolff/Moore/Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, Frankfurt/Main 1967, S. 101.

  9. Ekkehart Krippendorff, Die Rechte in der Bundesrepublik — Zehn Thesen, in: Die Restauration entläßt ihre Kinder oder Der Erfolg der Rechten in der Bundesrepublik, hrsg. v. Freimut Duve, Hamburg 1968, S. 158.

  10. Der Spiegel vom 21. August 1968.

  11. konkret, Mai 1968, S. 21.

  12. Vgl. Kants Schriften: Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung? und Zum ewigen Frieden, und Johannes Müller, Kantisches Staatsdenken und der preußische Staat, Kitzingen/Main 1954, S. 7 ff.

  13. Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Hamburg 1956, S. 102.

  14. über den Gemeinspruch: Das mag in der Theorie richtig sein, taugt aber nicht für die Praxis, Frankturt/M. 1956, S. 36.

  15. Beantwortung der Frage: Was ist Aufklärung?, in: Bd. IV von Kants Werken, hrsg. v. Ernst Cassirer, Berlin 1912— 1918, S. 174.

  16. Vgl. über den Gemeinspruch . . ., a. a. O., S. 36.

  17. Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 120.

  18. Ebenda, S. 94.

  19. Ebenda, S. 102.

  20. Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 121.

  21. Ebenda, S. Ulf.

  22. Vgl. Ursula Schmiederer, Eine neue Außenpolitik?, in: Lamm/Rosenbaum/Schauer/Schmiederer, Die Große Koalition und die nächsten Aufgaben der Linken, Frankfurt/M. 1967, S. 24.

  23. Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 122 und 124.

  24. Der Spiegel v. 21. August 1967.

  25. konkret, Mai 1968, S. 21.

  26. konkret, Mai 1968, S. 20.

  27. Vorwort zu Ernesto Che Guevara, Partisanenkrieg — eine Methode. Mensch und Sozialismus auf Cuba. Zwei Studien, München 1968.

  28. Zit. nach Günter Albrecht Zehm, Gibt es einen linken Faschismus?, in: Schoeps/Dannenmann, Die rebellischen Studenten, S. 121.

  29. Gaston Salvatore und Rudi Dutschke, Einleitung zu Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, Berlin 1967, S. 4.

  30. Die Zeit v. 17. Mai 1968.

  31. Gnostizismus = christlich-heidnischer Synkretismus der ersten Jahrhunderte nach Christi Geburt; Manichäismus = nach dem Babylonier Mani bekannte Lichtreligion des späten Altertums mit Einflüssen bis in das hohe Mittelalter hinein.

  32. Eric Voegelin, Die neue Wissenschaft der Politik, München 1 959, S. 159 f.

  33. Vgl. Die Zeit Nr. 51/67.

  34. Salvatore und Dutschke in Einleitung zu Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, S. 3 und 5.

  35. Bergmann/Dutschke/Lefevre/Rabehl, Rebellion der Studenten oder Die Neue Opposition, Hamburg 1968, S. 86.

  36. A. a. O„ S. 86.

  37. Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, S. 15 und 16.

  38. Einleitung zu Che Guevara, S. 3 und 4.

  39. konkret, Mai 1968.

  40. Vgl. Die Zeit v. 17. Mai 1968.

  41. Vgl. Vorwort von Jean-Paul Sartre zu Frantz Fanon, Die Verdammten dieser Erde, Frankfurt/M. 1967, S. 10.

  42. Fanon, a. a. O., S. 31.

  43. Ebenda, S. 87.

  44. Vgl. Kritik der reinen Toleranz, S. 114 f., und Rebellion der Studenten, S. 71.

  45. Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, S. 14.

  46. Ebenda.

  47. Ebenda, S. 15.

  48. Ebenda.

  49. Ebenda, S. 16.

  50. Ebenda, S. 16.

  51. Vorwort zu Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, S. 5.

  52. Ebenda, S . 3.

  53. Ebenda, S. 3.

  54. Ebenda, S. 4.

  55. Ebenda, S 3.

  56. Bergmann/Dutschke/Lefevre/Rabehl, Rebellion..., S. 82.

  57. Ebenda, S. 89.

  58. Ebenda, S. 84.

  59. Ebenda, S. 170.

  60. Ebenda, S. 75.

  61. C. B. Macpherson, Drei Formen der Demokratie, Frankfurt/Main 1967.

  62. konkret, Mai 1968.

  63. C. B. Macpherson, Drei Formen der Demokratie, S. 9.

  64. Ebenda, S. 11.

  65. Ebenda, S. 50.

  66. Ebenda, S. 53.

  67. Ebenda, S. 94.

  68. Ebenda, S. 94 f.

  69. Wolff/Moore/Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 58.

  70. Johannes Agnoli/Peter Brückner, Die Transformation der Demokratie, S. 25.

  71. Lamm/Rosenbaum/Schauer/Schmiederer, Die Große Koalition und die nächsten Aufgaben der Linken, S. 24.

  72. konkret, Mai 1968.

  73. Marx-Engels-Studienausgabe I, Philosophie, hrsg. v. Iring Fetscher, Frankfurt/Main 1966, S. 226.

  74. Brief an C. Schmidt, in: Marx-Engels-Studien-ausgabe, S. 232.

  75. Rolf Seeliger, Die außerparlamentarische Opposition, München 1968, S. 42.

  76. Agnoli/Brückner, a. a. O., S. 24.

  77. Ebenda, S. 28.

  78. Ebenda, S. 54.

  79. Ebenda, S. 68.

  80. Ebenda, S. 25.

  81. Ebenda, S. 37.

  82. Ebenda, S. 65.

  83. Ebenda, S. 81.

  84. Ebenda, S. 77.

  85. Ebenda, S. 40.

  86. Zit. bei Rolf Seeliger, S. 42.

  87. Bergmann/Dutschke/Lefevre/Rabehl, Rebellion der Studenten, S. 68.

  88. Ebenda, S. 75 f.

  89. Ebenda, S. 84.

  90. Ebenda, S. 85.

  91. Ebenda, S. 87.

  92. Ebenda, S. 166.

  93. Herbert Marcuse, Psychoanalyse und Politik, Frankfurt/M. 1968, S. 63.

  94. Ders., Kritik der reinen Toleranz, S. 114.

  95. Ders., Psychoanalyse . . ., S. 63

  96. Zit. nach Der Spiegel v. 13. Mai 1968.

  97. Marcuse, Psychoanalyse, S. 62.

  98. Ders., Kultur und Gesellschaft, Bd. 2, S. 146.

  99. Ders., Kritik der reinen Toleranz, S. 127.

  100. Ebenda.

  101. Einleitung zu Che Guevara, Schaffen wir zwei, drei, viele Vietnam, S. 6.

  102. Ebenda, S. 6.

  103. Dutschke, in: Rebellion der Studenten, S. 84.

  104. Ebenda, S. 80.

  105. Ebenda, S. 79.

  106. Ebenda.

  107. Ebenda, S. 80.

  108. Theodor Ebert, Gewaltfreier Aufstand — Alternative zum Bürgerkrieg, Freiburg/Br. 1968, zit. nach Die Zeit V. 17. Mai 1968.

  109. Der Spiegel v. 13. Mai 1968.

  110. Theodor Ebert, in: Schoeps/Dannenmann, Die rebellischen Studenten. Elite der Demokratie oder Vorhut eines linken Faschismus?, S. 125 und 136 f.

  111. Die Zeit v. 17. Mai 1968.

  112. Vgl. Ludwig Pesch, Das Paradies liegt rec Rheinischer Merkur v. 16. Februar 1968.

  113. Herbert Marcuse, Kultur und Gesellschaft, Bd. 1, Frankfurt/Main 1967, S. 17 f.

  114. Ders., Der eindimensionale Mensch, Neuwied 1968, S. 228.

  115. Ders., Psychoanalyse .... S. 50.

  116. A , a. O., S. 168.

  117. A. a. O„ S. 223.

  118. Marcuse, Kritik der reinen Toleranz, S. 100.

  119. Ders., Triebstruktur und Gesellschaft, Frankfurt/Main 1967, S. 152.

  120. Ders., Der eindimensionale Mensch, S. 87.

  121. Ders., Kultur und Gesellschaft, Bd. 1, S. 17 f.

  122. A. a. O„ S. 255.

  123. Marcuse, Triebstruktur und Gesellschaft, S. 160 f.

  124. Ders., Der eindimensionale Mensch, S. 222.

  125. Thomas Mann, Leiden und Größe der Meister, Frankfurt/Main 1957, S. 213 f.

  126. Marcuse, Psychoanalyse und Politik, S. 50.

  127. Ebenda, S. 40 f.

  128. Marcuse, Kultur und Politik, Bd. 2, Frankfurt/Main 1967, S. 16.

  129. Ders., Psychoanalyse und Politik, S. 17.

  130. Ders., Der eindimensionale Mensch, S. 21.

  131. Ebenda, S. 237.

  132. Ebenda, S. 79.

  133. Ebenda.

  134. Der Spiegel v. 21. August 1967.

  135. Fritz Stern, Kulturpessimismus als politische Gefahr, Bern und Stuttgart 1963.

  136. Vgl. Giselher Schmidt, Ideologie und Propa-gande der NPD, Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1968, S. 19 f.

  137. Marcuse, Psychoanalyse und Politik, S. 45.

  138. Ebenda, S. 12.

  139. Marcuse, Der eindimensionale Mensch, S. 161 f.

  140. Ders., Triebstruktur und Gesellschaft, S. 20.

  141. Ebenda, S. 106.

  142. Marcuse, Psychoanalyse und Politik, S. 49.

  143. Ebenda, S. 65.

Weitere Inhalte

Giselher Schmidt, geb. 24. Mai 1937 in Limburg/Lahn, Studium der Politischen Wissenschaft, Jurisprudenz, Philosophie und Neuen Geschichte an den Universitäten Frankfurt/Main, Bonn und Berlin; 1964 Diplomexamen als Politologe; zur Zeit Mitarbeiter verschiedener Buchverlage, Zeitschriften, Wochen-zeitungen und Rundfunkanstalten; Vortrags-tätigkeit in der Erwachsenenbildung. Veröffentlichung u. a.: Ideologie und Propaganda der NPD, in: Schriften der Bundeszentrale für politische Bildung.