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Radikale Parteien im demokratischen System. Bedingungen für Erfolg oder Mißerfolg | APuZ 49/1967 | bpb.de

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APuZ 49/1967 Radikale Parteien im demokratischen System. Bedingungen für Erfolg oder Mißerfolg

Radikale Parteien im demokratischen System. Bedingungen für Erfolg oder Mißerfolg

Hans Bachem

I. Vorbemerkungen

Abbildung 1

Die spontanen Erfolge der NPD, die Häufung von früheren NSDAP-und SS-Funktionären in ihrer Führung, die Parallelität der Methoden und programmatischen Aussagen zwischen NPD und NSDAP haben sowohl im Inland wie im Ausland erneut die Angst vor dem deutschen Nationalismus und die Frage nach der Stabilität der Demokratie in Deutschland provoziert. In der deutschen Publizistik wurde diese „absolute" Fragestellung im Blick auf die ausländischen Befürchtungen als dem „relativen" Erfolg der NPD nicht angemessen abgeschwächt.

Die Vielzahl der publizistischen Stellungnahmen allein ist aber schon ein Zeichen für die Besorgnis, die das Anwachsen der NPD als extrem politische Partei hervorruft. Aus dieser Besorgnis heraus stellt man zumindest die Frage nach der möglichen Gefahr der NPD für die Demokratie in Deutschland, wenn man nicht schon allein die Existenz der NPD als Beweis für „die Unfähigkeit der Deutschen" für Demokratie gelten läßt.

Weitgehend einig ist sich die politische Öffentlichkeit in der Charakterisierung der NPD als rechtsradikale Bewegung. Die Begründungen für dieses Urteil sind jedoch sehr unterschiedlich.

Eine Prognose der Gefahr der NPD in der Zukunft setzt eine Analyse der Bedingungen ihrer jetzigen Erfolge voraus, und zwar im Rahmen der generellen Bedingungen für den Erfolg oder Mißerfolg extremer politischer Bewegungen in einem demokratischen System.

Es zeigt sich also, daß doch die weitgefaßte Frage nach der Stabilität der Demokratie gestellt werden muß, allerdings nicht polemisch, sondern analytisch. Die Antwort wird dann aber auch über die Erklärung der aktuellen NPD-Erfolge hinausweisen und allgemein erklärenden und prognostischen Wert haben. Im folgenden soll in diesem Sinne der Versuch unternommen werden, mögliche Bedingungen für den Erfolg des politischen Radikalismus aufzuzeigen.

Eine erschöpfende Antwort kann der folgende Beitrag sicher nicht sein. Die internationale Literatur der Sozialwissenschaften kennt zwar Ansätze zu einer Theorie des Radikalismus in westlichen Demokratien, wie die Arbeiten von Adorno, „The Autoritarian Personality“, Eysenck, „Psychology of Politics" und Rokeach zeigen. Eine Zusammenfassung dieser Ansätze zu einer empirisch überprüfbaren Theorie des Radikalismus wurde aber erst jetzt von Scheuch, Klingemann und Paige in „Beiträge zur politischen Soziologie, Materialien zum Phänomen des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik 1966", Köln 1967, versucht. Diese Materialien liegen den folgenden Ausführungen unter anderen zugrunde.

II. Was besagt „Radikalismus" als politische Erscheinung in der Demokratie?

In der öffentlichen Diskussion besteht die Gefahr, daß sich die Auseinandersetzung mit der NPD in eine ideologische Abrechnung mit alten Nazis oder mit politischen Sektierern verirrt. Diese Verengung der Diskussion endet meist in utopischen Plänen zur Bekämpfung aktueller Erscheinungen. Sehr bald wird dann die Forderung nach einer „gründlichen Umerziehung" im Denken oder aber einem Verbot der Betätigung solcher Gruppen erhoben. Dies ist sicher gut gemeint und zum Teil berechtigt. Ein solches Bemühen ist jedoch einmal zu langwierig und ineffektiv, zum anderen der Problematik nicht angemessen, und es verstellt den Blick für einige wichtige Zusammenhänge des politischen Prozesses.

Um solche Irrwege zu vermeiden empfiehlt es sich, zunächst das Phänomen, das es zu erklären gibt, genauer zu umreißen.

Wir beabsichtigen, die Bedingungen für den Erfolg oder Mißerfolg des politischen Radikalismus im demokratischen System zu beleuchten. In diesen Rahmen ist die NPD zu stellen, wenn man diesem Phänomen gerecht werden will. Die NPD wird nicht in erster Linie als „rechte", sondern als radikale Partei diskutiert. Radikalismus ist die allgemeinere Bestimmung für die NPD als politischem Phänomen. Extremer Radikalismus wird in der Demokratie erst dadurch zur politischen Erscheinung, daß er programmatisch, organisatorisch und personell identifizierbar ist und als Konkurrent um die Macht auftritt.

Die persönlichen politisch-extremistischen Ansichten eines Menschen bleiben Privatsache und politisch irrelevant, wenn es keine organisierte politische Gruppe gibt, die diese Ansichten in politische Ziele und Maßnahmen umzusetzen bereit und in der Lage ist.

Organisierte politisch-extremistische Gruppen sind durch typische Merkmale gekennzeichnet: Dogmatische Aussagen über letzte, für alle verbindliche Werte, die selbst keine politische Relevanz besitzen 1).

Solche Werte sind Volk, Rasse, Geschichtsgesetze, Treue usw. 2. Stereotypisierung der Wirklichkeit.

Verwendung des Freund/Feind-Schemas, Entwicklung von Konspirationstheorien, Fremdenhaß. 3. Ideologisch fixiertes politisches Programm.

Das politische Programm wird aus wenigen dogmatischen Annahmen (siehe 1.) deduziert. Es wird behauptet, für alle Sachfragen aus diesen wenigen Grundannahmen Lösungsmöglichkeiten eindeutig ableiten zu können. 4. Ablehnung der bestehenden politischen Institutionen. Die Ablehnung wird begründet mit der geringen Effektivität und Unzulänglichkeit der bestehenden Institutionen.

Dogmatisierung, Stereotypisierung, Ideologisierung und Verfassungsfeindlichkeit gefährden die Grundlagen der Demokratie, weil damit grundsätzlich die „Offenheit der Macht“ im demokratischen System in Zweifel gezogen wird. Die „offene Macht" ist charakteristisch für die Demokratie und institutionell deshalb gewollt, weil grundsätzlich verschiedenen Entwürfen einer „gerechten Gesellschaftsordnung“ die Chance der Verwirklichung gegeben sein soll, da die gerechte Gesellschaftsordnung eine Utopie bleibt. Dogmatisierung, Stereotypisierung und Ideologisierung widersprechen demokratischer Grundhaltung. In diesem Verhalten liegt das tendenziell Undemokratische extremistischer Gruppen, mögen auch ihre konkreten politischen Programme oder ihr manifestes politisches Handeln den Tatbestand der Verfassungsfeindlichkeit noch nicht erfüllen, das heißt, die Ideologie noch nicht in politischen Forderungen münden, die sich gegen die demokratische Verfassung als solche wenden.

Unsere Aufgabe ist es zu klären, welche Faktoren Erfolg oder Mißerfolg politisch radikaler Gruppen im demokratischen System bestimmen. Ein Maßstab für Erfolg und Mißerfolg ist der Umfang der Anhängerschaft. Konkret ist also gefragt: Wie kommt es zur Identifikation von Personen mit politisch radikalen Gruppen durch manifestes Verhalten, Mitgliedschaft und/oder Wahl? Da auch die Mitgliedschaft bzw. Wahl jeder anderen Partei möglich wäre, haben wir uns zunächst darüber klar zu werden, wie es zur Identifikation mit einer politischen Partei oder Gruppe überhaupt kommt. Dazu sind einige allgemeine theoretische Ausführungen über die Bestimmungsgründe politischen Verhaltens notwendig.

III. Allgemeine Bestimmungsgründe politischen Verhaltens

Wir können davon ausgehen, daß jedes menschliche Verhalten, auch das politische vom Handelnden her gesehen zielgerichtet ist. Die existentielle Bedeutung und die Wertschätzung von Zielen ist der eigentliche Motor menschlichen Verhaltens.

In der Situation, die unterschiedlich breit und differenziert individuell definiert ist, entscheidet man sich für ein bestimmtes Verhalten und handelt dadurch. Handeln vollzieht sich also in der Entscheidung zwischen alternativen Verhaltensmöglichkeiten in der Situation. „Es kann unschwer nachgewiesen werden, daß das Leben jedes einzelnen Menschen eine fast ununterbrochene Kette von Wertungen darstellt."

Die Entscheidung in der Situation ist nicht zufällig, sondern gesteuert. Gesteuert wird die Entscheidung 1. durch den Bedürfnisdruck und 2. durch Wertungen der Handlungsalternativen im Hinblick auf ihre Bedeutung für das Erreichen der existentiell bedeutsamen Ziele.

Ziele sind Vorstellungen von etwas Erstrebenswertem (z. B. sozialer Gerechtigkeit, Prestige usw.).

In der konkreten Situation ist nicht zu wählen zwischen zum Beispiel sozialer Gerechtigkeit, ja oder nein, sondern zwischen mehreren Parteien oder Maßnahmen, die die soziale Gerechtigkeit gewährleisten oder zu ihr hinführen könnten. Die soziale Gerechtigkeit verliert ihren Zielcharakter nicht durch eine Entscheidung für eine konkrete Maßnahme, die der sozialen Gerechtigkeit dient. Die Entscheidung zwischen den Parteien oder Maßnahmen ist gesteuert durch die Bedeutung, die einer Partei oder Maßnahme im Hinblick auf das Ziel des Handelns (sozialer Gerechtigkeit) beigemessen wird.

Soziale Gerechtigkeit ist ein hohes Ziel bzw. ein hoher Wert, der durch Entscheidungshandeln in der Situation verfolgt wird.

Daraus ergibt sich, politisches Verhalten (Mitgliedschaft, Wahl) ist wertgesteuertes (zielgesteuertes) Handeln.

Ziele oder Werte sind sowohl erstrebenswerte immaterielle als auch materielle Objekte, zu deren Förderung in der Situation zwischen materiellen und immateriellen Mitteln gewählt werden muß.

Die erstrebenswerten Ziele oder Werte werden gelernt — soweit sie nicht existentiellen Charakter haben und deshalb nicht in dem Sinne gelernt zu werden brauchen — wie die Beurteilung der Mittel, die der Förderung der Ziele dienen können. Durch kulturelle Tabuierung (Tradition, Religion) können bestimmte Mittel generell trotz hohen Funktionswerts als Alternative ausgeschlossen sein. Auch diese Tabuierung ist gelernt.

Menschliches Verhalten ist also eine Funktion bestimmter Ziel-oder Wertorientierungen. Diese Wertorientierungen tragen zwar individuelle Züge, bleiben jedoch normalerweise im Rahmen der allgemeinen sozialkulturellen Normen einer Gesellschaft. Dadurch wird das Handeln des einzelnen zum sozialen Verhalten, das heißt zu sozialkulturell geregeltem Verhalten.

Die Tatsache, daß diese Zusammenhänge dem einzelnen nicht immer bewußt sind, widerlegt die Annahme nicht, sondern deutet nur darauf hin, daß das Bewerten von Objekten zur Verfolgung von Zielen selbstverständlich und gewohnt geworden ist. Dies ist eine Erleichterung und schafft Verhaltenssicherheit, übrigens zeigen die Schwankungen der Parteianhängerschaften beispielsweise, wie sehr Parteien als Mittel der Verfolgung politischer Ziele Veränderungen in der Bewertung unterliegen. Wichtig ist festzuhalten, daß die Entscheidung für eine Partei stets Mittelcharakter trägt. Eine Partei wird nur solange gewählt, als dadurch die Erreichung der hochgeschätzten politischen Ziele nach dem subjektiven Eindruck möglich bleibt.

Die Identifikation mit einer politischen Partei durch manifestes Verhalten ist also zu erklären als eine in der Situation positive Bewertung dieser Partei als Mittel zur Erreichung hochgeschätzter politischer Ziele. Die Wahl der Partei ist nicht das Ziel selbst, sondern nur Mittel zum Zweck.

Dieser Ausgangspunkt erlaubt es, Erfolg oder Mißerfolg der NPD und jeder anderen Partei in gleicher Weise zu erklären: Eine Identifikation mit der NPD erfolgt dann, wenn sie geeignet erscheint, dadurch politische Ziele zu erreichen. NPD-Wahl ist vom Wähler her gesehen damit genauso „normal" wie die Wahl jeder anderen Partei. Diese Normalität kann nicht beruhigen, sondern macht erst die große Gefahr bewußt, in der jedes demokratische System ständig steht.

Von der Politik erwartet man die Förderung bestimmter politischer Ziele. Politik ist nicht Selbstzweck, sondern erfüllt notwendige Funktionen. Leistungserwartungen werden an die Politik und an die Träger der Politik gerichtet. Die Identifikation mit den politischen Institutionen (Verfassung, Parteien) ist von der Bewertung ihrer Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Sicherung der hochgeschätzten politischen Wertziele abhängig. Dies gilt vor allem in der modernen funktional differenzierten Industriegesellschaft. Bestimmte Leistungserwartungen an die Politik und deren Träger, die Parteien, sind unverzichtbar, das heißt, ein Mindestmaß an Funktionsfähigkeit muß vorhanden sein. Wenn eine Partei oder sogar das politische System diesen Erwartungen nicht gerecht wird, ist mit der radikalen Ablehnung der Partei oder des Systems zu rechnen, was sich in der Zustimmung zu radikalen Parteien und außerparlamentarischer Opposition zuerst andeutet. Welches die radikalen Ziele sind, zu denen man sich dann bekennt, ist nicht so entscheidend wie die Tatsache, daß damit die Demokratie als solche in Frage gestellt wird. Politisches Handeln (Mitgliedschaft in Parteien, Wahl, Diskussion) vollzieht sich also folgendermaßen: Wenn das in Frage stehende Individuum zum Beispiel materiellen Wohlstand positiv bewertet und nicht im Wohlstand lebt, wird es diese oder jene Typen von politischen Maßnahmen abschätzen, und zwar im Hinblick auf die Erreichung des Wohlstands.

Wenn das Individuum diese oder jene Typen politischer Maßnahmen positiv bewertet, wird es sich wegen seiner Erwartung, daß die eine oder andere Partei, wenn es sie wählt, diese Maßnahmen durchführt, mit der Partei durch sein Verhalten identifizieren.

Dieser Ablauf setzt voraus, daß das Individuum gelernt hat, daß bestimmte politische Maßnahmen, wenn sie durchgeführt werden, mehr oder weniger Wohlstand bewirken und daß Wohlstand ein positiver Wert ist und die Wahl dieser oder jener Partei die Verwirklichung der politischen Maßnahmen bedeutet. Dem Informationsstand kommt also eine große Bedeutung zu.

Jedes Individuum ist durch solche Wertungen, Erwartungen und Annahmen bestimmt. Sie sind konstitutiv für die Persönlichkeit

IV. Allgemeine Ziele politischen Handelns

Wenn man die Vielfalt möglicher Ziele politischen Handelns zu klassifizieren versucht und auf ihren wesentlichen Gehalt reduziert, lassen sich zwei übergeordnete Ziele finden, die in irgendeiner Form stets dem konkreten politischen Handeln zugrunde liegen. Einmal handelt es sich um den Wunsch zu überleben, zum anderen um den Wunsch, mit anderen Menschen in befriedigender Weise zusammenzuleben und zu wirken.

Beide Ziele sind wegen ihrer existentiellen Bedeutung unabdingbare Erwartungen auch an die Politik. Diese Ziele bestimmen aber nicht nur das politische Verhalten, sondern jedes soziale Verhalten.

Beim überleben geht es um die eigene Existenz, wobei eine Gefährdung des gewohnten Lebensstandards (soziales Existenzminimum) schon als Gefährdung des überlebens empfunden wird — und nicht erst die Unterschreitung des physischen Existenzminimums. Dabei ist die subjektive Einschätzung der Chancen des überlebens verhaltensrelevanter als die objektiven Gegebenheiten. Alle menschlichen Handlungen, auch das politische Handeln, dienen unmittelbar oder mittelbar dem Ziel zu überleben. Der Wunsch zu überleben wird — da die Abhängigkeit des einzelnen vom erfolgreichen Arbeiten der eigenen Umgebung, aber auch der Gesamtgesellschaft, ein unmittelbares Erlebnis ist — auf Gesellschaft und Politik als Erwartung der Sicherung des eigenen über-lebens übertragen Die Sicherung des über-lebens wird in der arbeitsteiligen Industriegesellschaft zu einer Funktion der Politik. Diese Funktion wird in erster Linie wahrgenommen durch die Wirtschafts-, Sozial-und Sicherheitspolitik.

Mit anderen Menschen in befriedigender Weise Zusammenwirken. umschreibt den Wunsch, als Person geachtet und anerkannt zu werden sowie alle gerechterweise erreichbaren Entfaltungsmöglichkeiten der Person auch zu haben.

Im privaten Bereich gehören dazu unter anderem persönliche Anerkennung, Zuneigung, Liebe, Freundschaft und persönlicher Austausch. Im öffentlichen Bereich erwartet man den Abbau ungerechtfertigter Privilegierungen, Eröffnen von Zugangsmöglichkeiten zu erstrebenswerten Informationen, Positionen und Lebensmöglichkeiten. Gesellschaftspolitik, Rechtspolitik, Bildungspolitik, Eigentumsordnung usw. tragen dieser Funktion Rechnung. Beide Handlungsziele stehen in engster Beziehung zueinander. Das Erreichen der einen ist ohne die andere kaum denkbar. Es ist allerdings kein starres oder kausales Verhältnis, sondern beide Ziele ergänzen sich in unterschiedlicher Weise.

Da man überleben und befriedigendes Zusammenwirken nicht ein für allemal oder durch bloß sich wiederholendes Verhalten gewährleisten kann, sondern dies stets durch neue Entscheidungen (sowohl im privaten wie im politischen Bereich) gesichert werden muß, ist immer wieder zwischen Mitteln (Objekten, Parteien) im Rahmen der institutionellen und materiellen Gegebenheiten zu wählen, die die beiden Generalziele zu sichern in der Lage sind. Die Gesichtspunkte der Auswahl sind dabei keineswegs allein objektiv sachlicher Natur, sondern um so mehr von der subjektiven Einschätzung bestimmt, je weniger über-und durchschaubar alle Zusammenhänge und mögliche Folgen der Entscheidung für ein bestimmtes Mittel sind: Die subjektive Einschätzung der Wirksamkeit eines Mittels ist mehr oder weniger objektiviert.

Die subjektive Einschätzung der Eignung von Mitteln (hier: Parteien) zur Sicherung der generellen Handlungsziele wird normalerweise in erster Linie durch das eigene Erlebnis (die erlebte Wirklichkeit), ferner durch das Urteil von Referenzpersonen und zusätzlich durch die „formulierte Wirklichkeit", also das, was über die Wirklichkeit ausgesagt wird, bestimmt.

Die formulierte Wirklichkeit hat meist eine verstärkende oder abschwächende Wirkung auf das durch persönliches Erleben gebildete subjektive Urteil, je nachdem, ob es mit dem eigenen Urteil kumuliert oder gegenläufig ist.

Das eigene Erlebnis der Wirklichkeit vermag übernommene Urteile zu korrigieren. Eine Partei wird also weitgehend als das gewählt, als was sie dem einzelnen erscheint, nicht als das, was sie wirklich ist. Die Möglichkeiten des eigenen Erlebens, der Primärerfahrung, sind allerdings zugunsten der formulierten Wirklichkeit, der Sekundärerfahrung, der Erfahrung aus zweiter Hand, in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft weniger geworden. Diese Tatsache begünstigt Projektionen von Wünschen und Erwartungen in neue Parteien und erleichtert die Propagandaarbeit radikaler Parteien.

Generelle Ziele des menschlichen Handelns sind also überleben und befriedigendes Zusammenleben in der physischen, aber auch insbesondere der sozialen Umwelt. Beide Ziele werden stets in Kombination miteinander erstrebt. Wir haben festgestellt, daß dazu immer neue Entscheidungen notwendig sind — subjektive Entscheidungen, die zwar von den objektiven Eigenschaften bestimmter immaterieller und materieller Objekte beeinflußt, aber nicht allein bestimmt sind; diese subjektiven Wertungen eines Mittels zur Sicherung der beiden existentiellen Ziele des Handelns sind letztlich ausschlaggebend.

Diese Wertungen werden gelernt, und zwar sowohl während des Hineinwachsens in die Kultur und Gesellschaft wie auch in einem ständigen Prozeß des Lernens aus der Erfahrung. Es bilden sich individuelle Überzeugungen und Gewohnheiten aus. Ergebnis dieses Lernprozesses ist eine Skala von Wertungen, die in den Entscheidungssituationen vom einzelnen als Hilfen verwandt werden, um zu einer Entscheidung zu kommen. Der Prozeß des Entscheidens nach den gelernten Wertungen selbst wird zur Gewohnheit und ist dem einzelnen kaum noch in jeder Phase bewußt.

Unsere Frage lautet dann: Wer überträgt wann radikalen Parteien die Funktion, das überleben und befriedigende Zusammenwirken zu sichern?

Professor Scheuch bezweifelt mit Recht, daß eine einfache Kausalbeziehung zwischen dem Prozentsatz von Menschen mit tradierten radikalen Einstellungen und den politischen Erfolgen radikaler Bewegungen besteht. Nach seiner Ansicht ist der Erfolg radikaler Bewegungen nicht allein die Folge eines besonders hohen Potentials an grundsätzlich radikal eingestellten Menschen

Zur Erklärung der Bereitschaft der Identifikation mit radikalen Gruppen soll hier die Frustrations-Aggressions-Hypothese verwendet werden. Diese Hypothese erklärt als Ergänzung zu der vorhin aufgezeigten Theorie des politischen Verhaltens, warum in bestimmten Fällen die Wahl auf eine radikale Partei fällt und nicht auf eine andere, demokratische Partei. Diese Hypothese wird im folgenden in ihrer allgemeinen Form zunächst dargestellt.

V. Zur Erklärung radikalen Verhaltens

Radikales Verhalten ist stets durch Aggressivität gekennzeichnet.

Der amerikanische Sozialwissenschaftler I. Dollard und seine Kollegen legen „dem Erforscher der menschlichen Natur (nahe), daß er immer dann, wenn er eine Aggression beobachtet, die Möglichkeit erwägt, daß der Organismus oder die Gruppe eine Enttäuschung erlebte, und dann, wenn er eine Verletzung individueller oder sozialer Gewohnheit feststellt, u. a. immer nach einer Aggression Ausschau halten soll"

Enttäuschung (Frustration) bedeutet Nichter-reichen von Handlungszielen und der damit verbundenen Befriedigung.

Aggression als Verletzung individueller oder sozialer Gewohnheiten besagt nichts anderes, als daß Konsequenzen des Verhaltens hingenommen werden, die das Individuum bisher selbst nicht akzeptiert hat bzw. von der sozialen Umwelt nicht gutgeheißen wurden, wie etwa Raub oder die Wahl einer antidemokratischen Partei. Aggressivität scheut die Zer

Störung nicht, sondern sucht sie sogar Dollard hält die Auffassung für haltbar und nützlich, daß der Eintritt einer Aggression stets eine Frustration voraussetzt. Er fährt fort: „Die zweite Hälfte der Feststellung, nämlich die Versicherung, daß die Existenz von Frustration immer zu irgendeiner Form von Aggression führt, ist dagegen unglücklich ausgedrückt. Ein Einwand gegen die fragliche Annahme besteht darin, daß sie es versäumt, zwischen der Erregung aggressiver Tendenzen und dem tatsächlichen Eintreten einer Aggression zu unterscheiden. Daher übersieht sie die Möglichkeit, daß andere Reaktionen dominant werden und das Eintreten von aggressiven Handlungen verhindern. . . . Frustration ruft Erregungen zu einer Reihe verschiedener Reaktionen hervor, von denen eine die Erregung ag-gressiver Tendenz ist. ... Wenn die Erregungen zu anderen Reaktionen, die mit Aggression unvereinbar sind, stärker als die Erregung zur Aggression sind, werden diese anderen Reaktionen zuerst eintreten und wenigstens vorübergehend das Eintreten aggressiver Akte unterbinden. Dies eröffnet zwei weitere Möglichkeiten. Wenn diese anderen Reaktionen zu einer Reduktion der ursprünglich unbefriedigten Regung führen, dann wird die Stärke der Erregung zur Aggression ebenfalls reduziert, so daß irgendwelche aggressiven Handlungen in der betreffenden Situation überhaupt nicht eintreten. Wenn aber die ersten Reaktionen nicht zu einer Reduktion der ursprünglichen Erregung führen, dann werden die Erregungszustände, die zu ihnen hinführen, durch Auslöschung abgeschwächt werden. Nunmehr können die nächst stärkeren Reaktionen, die in Richtung auf eine Aggression gehen können, aber nicht müssen, eintreten. Aus dieser Analyse folgt, daß eine Erregung zur Aggression um so wahrscheinlicher dominant und damit der Eintritt einer aggressiven Handlung um so wahrscheinlicher wird, um so mehr aufeinanderfolgende nicht-aggressive Reaktionen durch unaufhörliche Frustration ausgelöscht werden. Ob die sukzessive Auslöschung der Erregung von nicht-aggressiven Reaktionen unvermeidlich zu der Dominanz der Erregung zur Aggression führt, hängt von quantitativen Annahmen ab ... Frustration ruft einen Anreiz zur Aggression hervor. Sie bildet aber nicht den einzigen Typus von Anreiz, die sie auslösen kann.

Reaktionen, welche mit Aggression unvereinbar sind, können, wenn sie genügend gereizt werden, das Vorkommen von Aggressionsakten verhüten. In unserer Gesellschaft stellt die Bestrafung von Aggressionsakten häufig eine Quelle der Auslösung von Handlungen dar, welche mit Aggression nicht vereinbar sind."

Diese allgemein formulierte Hypothese zur Erklärung aggressiv-radikalen Verhaltens läßt sich auf das politische Verhalten ohne weiteres übertragen. Die durch das politische Handeln verfolgten Ziele, überleben und befriedigendes Zusammenwirken, können versagt bleiben und zu Enttäuschungen führen mit der Folge der Verhaltensänderung, zum Beispiel des Parteiwechsels. Lösen die Enttäuschungen jedoch Aggressivität aus, die sich im Rahmen des demokratischen Verhaltensspielraumes nicht auswirken kann (Fehlen einer politischen Alternative zu herrschenden Parteien, Gruppen; Mangel an Artikulationsfähigkeit der bestehenden Parteien; mangelnde Transparenz des politischen Bereichs), dann ist die Identifikation mit radikalen Parteien wahrscheinlich.

Auf das politische Verhalten angewendet, lautet die Frustrations-Aggressions-Hypothese: Bei der Erforschung politischen Verhaltens wird nahegelegt, immer dann, wenn radikales, aggressives Verhalten beobachtet wird, die Möglichkeit zu erwägen, daß eine Enttäuschung erlebt wurde, und wenn eine Verletzung politischer Gewohnheiten und demokratischer Normen festgestellt wird, u. a. nach einer Aggression Ausschau zu halten.

Ist man sich dann noch der Tatsache bewußt, daß „das politische Problem des Gesellschaftssystems ein Brennpunkt für die Integration all seiner analytisch unterscheidbaren Komponenten ist und nicht nur einer besonders differenzierten Gruppe dieser Komponenten" dann ergibt sich daraus, daß Enttäuschungen von Erwartungen im gesellschaftlichen, kulturellen, sozialen, wirtschaftlichen Bereich zur Quelle radikalen politischen Verhaltens werden können.

VI. Die Persönlichkeitsstruktur als Quelle radikalen Verhaltens

Radikales politisches Verhalten haben wir bisher erklärt als eine mögliche Reaktion auf Enttäuschungen, das heißt aus dem Nichterreichen von hochgeschätzten Handlungszielen. Es gibt in jeder Gesellschaft erfahrungsgemäß kleinere Gruppen von Menschen, die eine hohe Bereitschaft besitzen, radikalen politischen Zielen zuzustimmen, ohne daß aktuelle Enttäuschungen und Versagungen in jedem Falle nachweisbar sind. Gemeint sind Menschen mit einer zur Daseinspraxis gewordenen Radikalität und Aggressivität. Solche Menschen werden als autoritäre Persönlichkeiten bezeichnet.

Die Aggressivität der autoritären Persönlichkeit basiert zwar auch auf dem Frustrations-Aggressions-Mechanismus; die Enttäuschungen und Versagungen sind jedoch nicht aktuell bzw. primär in der Außenwelt begründet, son-dem im Menschen selbst. Die autoritäre Persönlichkeit ist durch einen ständigen Konflikt zwischen einem verhältnismäßig schwachen „Ich" und einem autoritären, das heißt wenig integrierten „Uberich" (persönliches Leitbild) gekennzeichnet. Für die autoritäre Persönlichkeit bleibt die eigene moralische Leistung stets hinter dem als verpflichtend gesehenen moralischen Anspruch zurück.

Normalerweise stellt sich in einer solchen Situation das Schuldgefühl ein, eine Art Aggression gegen sich selbst, mit dem Ziel, die eigene moralische Leistung der Forderung des Uberichs anzupassen. Bei der autoritären Persönlichkeit wird dieser innere Konflikt jedoch nicht in Richtung einer Anpassung gelöst. Die eigene Schwäche gegenüber dem autoritären Soll wird immer aufs neue erfahren und zum Fundamentalerlebnis. Folge davon ist nicht mehr ein Schuldgefühl, sondern Aggressivität nach außen. Eine solche Persönlichkeitsstruktur produziert ständig Aggressivität, die zur allgemeinen Verhaltenspraxis wird und damit unabhängig von aktuellen Enttäuschungen oder Versagungen.

Die autoritäre Persönlichkeit wird zum Bewunderer der Macht, die scheinbar alles erreichbar macht, sie neigt zu Vorurteilen und Dogmatismus. Verwendung von Vorurteilen und dogmatischen Glaubenssätzen sind der verzweifelte Versuch der autoritären Persönlichkeit, die Teilhabe am sozial-moralischen Prestige der Eigengruppe zu demonstrieren. Weniger spezifisch für die autoritäre Persönlichkeit ist eine generelle Ängstlichkeit oder Unsicherheit. Diese Unsicherheit, vor allem in relativ undurchschaubaren Situationen, wird von der autoritären Persönlichkeit durch Verkürzung der Wirklichkeit, wie Freund-Feind-Schemen und Vorurteile, zu überwinden versucht.

Hans Strotzka gibt eine ungefähre Schätzung für die Größe der Gruppe, die psychosoziale Störungen dieser Art aufweisen. „In einer Durchschnittsbevölkerung unserer Kultur leiden etwa 10 v. H. aller Menschen an schwereren, behandlungsbedürftigen psychosozialen Störungen. Der Anteil an echten Geisteskrankheiten und Schwachsinn schwereren Grades ist dabei nicht sehr groß, es handelt sich vielmehr vorwiegend um erlebnisbedingte Verhaltens-störungen, wobei Organ-und Charakterneurosen eine sehr große Rolle spielen. Bei weiteren 20 v. H. sind solche Störungen in einem leichteren Grade feststellbar."

Auf Grund ihrer Persönlichkeitsstruktur werden autoritäre Personen grundsätzlich eher dogmatischen und radikal-politischen Zielen und Mitteln zustimmen als dies normalerweise der Fall ist. Treten Enttäuschungen politischer Erwartungen hinzu, dann führt die höhere Frustrationsempfindlichkeit der autoritären Persönlichkeiten sehr schnell zu radikalen Verhaltensänderungen auch im politischen Bereich. Dabei ist die Wahl radikaler Parteien sehr wahrscheinlich.

Autoritäre Persönlichkeiten sind prädisponiert zu Führern und Trägern radikaler politischer Bewegungen. Dies besonders deshalb, weil ihre Aggressivität häufig durch dogmatische Rechtfertigungsideologien zu legitimieren versucht wird, wie zum Beispiel durch die Mittelstandsideologie, die Kleine-Leute-Ideologie, Rassenideologie, Nationalismus, merkantilistische Wirtschaftsideologie usw. Daß es sich dabei in erster Linie um Rechtsideologien handelt, erklärt sich aus dem typisch konservativen Dogmatismus autoritärer Persönlichkeiten.

Die psychologische und moralische Quelle des aggressiven Verhaltens autoritärer Persönlichkeiten ist auch die Erklärung für die enorme Opferbereitschaft und den Fanatismus, mit dem gerade Anhänger von radikalen politischen Gruppen zu ihrer Idee halten.

Die häufige Zustimmung autoritärer Persönlichkeiten zu radikalen politischen Gruppen ist also eine Folge der krankhaften Aggressivität dieser Menschen. Hans Strotzka sagt über das Schicksal solcher Menschen: „Das individuelle psychologische Schicksal erweist sich in einem hohen Grad davon bestimmt, wie das Wert-system einer Kultur strukturiert ist, welche Auffassungen und Einstellungen zu psychischer Gesundheit und Krankheit bestehen, welche Forderungen an die Anpassungsfähigkeit eines Menschen gestellt werden und mit welchem Maß an Liebe und Zuwendung einerseits und Leistungsforderungen andererseits man ihm begegnet. Dabei ist wieder den frühen Erlebnissen eine größere Wertigkeit zuzumessen als den späteren."

Es wäre jedoch völlig irrig anzunehmen, daß der Erfolg oder Mißerfolg radikaler Parteien in der Demokratie etwa allein abhängig sei von der Anzahl autoritärer Persönlichkeiten in dieser Gesellschaft. Unter den ideologisch fixierten Anhängern aller anderen Parteien sind ebenfalls autoritäre Persönlichkeiten zu finden, bei radikalen Parteien jedoch häufiger. Auch besteht keineswegs die gesamte Anhängerschaft radikaler Parteien aus autoritären Persönlichkeiten.

Wie weit dogmatisches und radikales Denken in der Bundesrepublik verbreitet ist, sollen folgende Ergebnisse verdeutlichen. Bei einer Repräsentativbefragung stimmten 15 v. H.der erwachsenen Bevölkerung der Bundesrepublik dem Satz zu: „Man sollte nicht dulden, daß die Menschen bei uns in den Grundfragen des Lebens wie Sitte, Familienleben und Glaube an Gott verschiedener Meinung sind." 70 v. H.der Befragten lehnte diese Aussage klar ab Rund 24 v. H.der Bevölkerung in Schleswig-Holstein halten es für richtig, daß man manchmal Gewalt anwenden muß, um ein Ideal, an das man restlos glaubt, zu fördern. 55 v. H. sprechen sich gegen diese Meinung aus

Die Befürworter solcher Aussagen haben also eine Vorliebe für diese dogmatischen Ziele und sind bereit, unter allen Umständen, das heißt auch unter Inkaufnahme von Gewaltanwendung, diese Ziele zu verfolgen. Nach unseren Überlegungen müßten unter den Befürwortern häufiger NPD-Sympathisierende zu finden sein. Die Untersuchungsergebnisse bestätigen dies eindeutig. Unter den Ablehnern des Pluralismus in Fragen der Sitte und Moral sprechen sich 17 v. H. für eine Stärkung der NPD aus. Von den Befürwortern des Pluralismus dagegen nur 8 v. H.

Dieses Ergebnis spricht für unsere Hypothese, daß autoritäre Persönlichkeiten, zu deren Eigenschaften Dogmatismus und Aggressivität gehören, eher radikale Parteien befürworten. Andererseits zeigen die Ergebnisse aber, daß die NPD auch unter Bürgern Befürworter findet, deren Persönlichkeitsstruktur nicht als autoritär zu bezeichnen ist. Das Verhalten dieser Gruppe muß also anders erklärt werden.

VII. Der gesellschaftliche Prozeß als Quelle radikalen Verhaltens

Wenn wir die Wahl radikaler politischer Parteien als Durchbrechung des normierten politischen Verhaltens in der Demokratie (Aggression) bezeichnen und beim Auftreten radikalen Verhaltens stets eine Frustration (Nichterrei-chen von Handlungszielen und der damit verbundenen Befriedigung) voraufgegangen ist, dann stellt sich uns jetzt die Frage, welche Frustrationsquellen enthält der gesellschaftliche Prozeß, die zur Aggressivität und zur Identifikation mit radikalen politischen Kräften führen können.

Der gesellschaftliche Prozeß ist ein verwickeltes Zusammenspiel von sozialen Handlungen, Gruppen und Verhaltensnormen. Dieser Prozeß ist nicht statisch wie der Lauf einer Maschine, sondern dynamisch, das heißt, er produziert Veränderungen. Der einzelne ist gleichzeitig Motor und Getriebener dieses Prozesses. Sich aus diesem Prozeß herauszubegeben, würde den physischen und sozialen Tod bedeuten. Von seiner Stellung und Rolle in diesem Prozeß ist die soziale Existenz jedes Menschen abhängig.

Wandel charakterisiert den sozialen Prozeß der modernen Industriegesellschaft.

Die wesentlichsten Wandlungsprozesse sind: — Technischer Fortschritt, —-fortschreitende Funktionalisierung und Bürokratisierung von Wirtschaft und Verwaltung mit wachsendem Anteil von Unselbständigen zu Lasten des selbständigen Mittelstandes, — Erhöhung der vertikalen Mobilität, — zunehmende Bedeutung des erworbenen Status auf Kosten des herkunftsbedingten Status, — Ausweitung der Öffentlichkeit und Emotionalisierung der Privatheit.

Mit der Aufzählung dieser Wandlungstendenzen ist keine Wertung verbunden. Die Aufzählung ist auch nicht vollständig.

Diese Wandlungen aber fordern jeden zur Reaktion heraus in Form der Anpassung — verstanden als Antwort auf geänderte Bedingungen der Existenz.

Jeder Wandel der Existenzbedingungen führt zu einer Verhaltensunsicherheit, die im Hinblick auf die notwendige Sicherung der beiden existentiellen Ziele menschlichen Handelns, überleben und befriedigendes Zusammen-leben, möglichst schnell durch Anpassung der Verhaltensgewohnheiten überwunden werden muß. Auf diesen Anpassungsdruck kann man in zweierlei Weise reagieren:

1. Indem man die Verhaltensgewohnheiten (Entscheidung zwischen materiellen und immateriellen Objekten zur Sicherung der beiden existentiellen Handlungsziele) an die neu gestellten Anforderungen anpaßt und dadurch neue Verhaltenssicherheit gewinnt; die Anpassung ist gelungen.

2. Indem man sich gegen die neuen Anforderungen ganz abschließt und (oder) die alte Verhaltensgewohnheiten noch beibehält;

dies führt häufig zur Gefährdung der Existenz; ökonomische Nachteile, geringes Sozialprestige sind die Folgen. In diesem Falle befindet sich der einzelne in einem Anpassungskonflikt oder einer Anpassungsverspätung, die oft durch die mangelnde Bereitschaft zur Anpassung bedingt ist.

Der entscheidendste Wandel aber in der modernen Gesellschaft ist der der Grundstruktur sozialen Verhaltens überhaupt. Die Massenhaftigkeit, die zunehmende Öffentlichkeit und der immer häufigere Kontakt mit unbekannten Menschen in der modernen urbanisierten Gesellschaft verlangt eine Umstrukturierung des sozialen Verhaltens.

In der modernen Gesellschaft nimmt die Zahl der „förmlichen" Begegnungen und funktionalen Beziehungen zu. Das besagt: Die Zahl der Begegnungen und Verrichtungen, für die altruistisch-emotional-expressives Verhalten möglich und erwartet wird, nimmt zugunsten utili-tarisch-funktional-instrumentaler Handlungen ab. Dies gilt vor allem für den öffentlichen Bereich, das heißt, den Bereich außerhalb der Familie und der engen sozialen Umgebung. Ganz sicher gilt dies für den Bereich des Berufslebens und der Politik. Das Schlagwort von der Entideologisierung verweist auf diesen Tatbestand.

Für die Verhaltenssteuerung in der modernen Gesellschaft werden die erwarteten objektiven Konsequenzen (instrumenteller Nutzen für die Erreichung von Handlungszielen) wichtiger. Gleichzeitig werden durch den technischen und zivilisatorischen Fortschritt sowie durch die Mobilität die individuellen Handlungsalternativen vermehrt. Diese neue Situation bringt die Gefahr der Desorientierung und Verhaltensunsicherheit für den einzelnen mit sich, wenn er nicht durch neue Gruppenbezüge oder durch den Aufbau eines relativ inhaltsreichen und stark individualisierten Selbstbildes sich anpaßt. Gelingt dies nicht, dann sind Isolation, Reiz-und Informationsüberflutung, Verlust des Gruppenbezuges, mangelnde soziale Einbezogenheit, emotionale Versagungen und ökonomische Nachteile die Folge. Dies ist aber gleichbedeutend mit der Gefährdung der existentiellen und sozialen Sicherheit.

Länger dauernde Unangepaßtheit des einzelnen an die Bedingungen moderner Existenz führt zu Frustrationen. Existenzangst und Prestigeverlust senken gleichzeitig die Frustrationsschwelle und machen Aggressivität als Antwort auf die Existenzbedingungen in der modernen Gesellschaft wahrscheinlich.

Der Wunsch nach Sicherung der eigenen Existenz in der Gesellschaft wird in die Politik projiziert. Die Politik dient der Verwirklichung einer „gerechten" Gesellschaftsordnung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, wenn sich die aus dem Anpassungskonflikt bzw.der Anpassungsverspätung resultierende Aggressivität gegen das gesellschaftliche System — vor allem seine Modernität — und nicht zuletzt gegen seine politische Verfassung und politische Repräsentanz wendet. Die Forderung nach einer radikal anderen Gesellschaftsordnung läßt den sozial-kulturell Unangepaßten zum Anhänger extremistisch radikal-politischer Gruppen werden. Denn auch von ihm werden Ablehnung der Modernität, Verherrlichung früherer gesellschaftlicher Zustände, Konspirationstheorien, klassenkämpferische Parolen, reaktionäre und (oder) utopische Gesellschaftsbilder in dogmatischer Weise der Wirklichkeit entgegengesetzt. Rechts-oder linksradikale politische Gruppen schöpfen aus diesem Reservoir in akuter Anpassungsverspätung sich befindender Menschen einen Teil ihrer Mitglieder und Wähler.

Die Geschwindigkeit und Intensität des sozialen Wandels lassen die Zahl der durch den gesellschaftlichen Prozeß Frustrierten anwachsen. Der sozial-kulturelle Wandel in der gegenwärtigen Gesellschaft, vor allem die Umstrukturierung des sozialen Verhaltens selbst, ist eine der Quellen radikalen politischen Verhaltens. Die Erklärung radikalen politischen Verhaltens aus der Persönlichkeitsstruktur und dem gesellschaftlichen Prozeß stützt sich vorwiegend auf psychologische Gesetzmäßigkeiten, wie sie in der Frustratioris-Aggressions-Hypo-these formuliert sind. E. K. Scheuch sagt aber mit Recht, daß zwar für das Verständnis von Anfangserfolgen rechtsradikaler Bewegungen der psychologische Ansatz vielversprechend sei, die schließlichen Massenerfolge radikaler Bewegungen aber aus der Struktur des politischen Systems erklärt werden müßten. Auf jeden Fall ist eine monokausale Erklärung des Erfolges oder Mißerfolges radikaler Bewegungen entschieden abzulehnen.

VIII. Der politische Prozeß als Quelle radikalen Verhaltens

In den Kapiteln V und VI wurde radikales politisches Verhalten gesehen als Folge einmal der Persönlichkeitsstruktur und zum anderen als normale Pathologie moderner Industriege-sellschaften. Jeweils Minderheiten zeigten pathologisches Verhalten, das sich u. a. auch in politischer Radikalität äußert. Diese Quellen radikalen Verhaltens sind keineswegs unbedeutend, sondern gerade für die Entstehung radikaler politischer Bewegungen entscheidend. Aus diesem Reservoir von chronisch Radikalen organisiert sich der politische Radikalismus und wird dadurch personell, organisatorisch und programmatisch faßbar; er wird zum politischen Phänomen.

Wir stellen jetzt die Frage, welche Bedingungen lassen radikale Parteien zur akzeptablen politischen Alternative werden, und zwar nicht nur für radikale prädisponierte Persönlichkeiten, sondern auch für eine große Gruppe von Wählern bzw. für eine Mehrheit der Wählerschaft. Wir wenden uns den Bedingungen der Identifikation mit radikalen Parteien zu, die nicht im pathologischen Verhalten der Person begründet sind, sondern im politischen Prozeß selbst.

S. M. Lipset charakterisiert die Voraussetzungen des politischen Prozesses in der Demokratie folgendermaßen:

„So erstaunlich es klingen mag: eine stabile Demokratie kann nur da existieren, wo sich ein Konflikt oder ein Auseinanderklaffen der Meinungen offenbart, so daß Kämpfe um Vormachtstellungen, Angriffe gegen Regierungsparteien und Regierungswechsel durch Auswechseln der Regierungsparteien möglich sind; aber ohne gegenseitige Zustimmung — politisches System, welches dem friedlichen Kräfte-spiel'der Anerkennung von Entscheidungen der Regierungspartei seitens der Opposition und von Rechten der Opposition seitens der Regierungspartei Raum läßt —, ohne diesen . Konsens'kann es keine Demokratie geben. Die Untersuchung der für die Demokratie günstigen Bedingungen muß sich daher den Ursachen des Konsenses in gleicher Weise wie denen des Dissenses zuwenden.

Der legitime Dissens fördert die Integration von Gesellschaften und Organisationen. Gewerkschaften tragen z. B. dazu bei, ihre Mitglieder in die größere Ordnung des Staates einzufügen und ihnen eine Grundlage für eine gewisse Staatstreue zu geben."

Die Gewerkschaften haben die Funktion, die Interessen, die Ziele einer Gruppe von Menschen zu artikulieren und nach den institutionalisierten Spielregeln zu verfolgen. Gäbe es die Gewerkschaften nicht, dann gäbe es keine offizielle Artikulation dieser Ziele.

Das Hauptproblem des demokratischen Systems besteht also darin, wie es möglich ist, daß trotz Meinungsund Interessenverschiedenheit die Mitwirkung (Wahl, Steuermoral, Gesetzestreue, Arbeitsmoral, Verteidigungswille, Toleranz) im gesellschaftlichen und politischen Bereich gewährleistet bleibt, und zwar nach den demokratischen Spielregeln, das heißt auf Grund des wohlverstandenen eigenen Interesses im Rahmen institutioneller Regelungen. Das richtige Gleichgewicht zwischen Konflikt und Konsens zu halten, ist die Chance der Demokratie. Dies kann nicht dadurch erreicht werden, daß die Ursachen des Konfliktes beseitigt werden, sondern nur so, daß Konflikte kanalisiert werden durch anerkannte Spielregeln der Konfliktharmonisierung. Konflikte liegen in der Natur der Sache.

Wichtigste Mechanismen der Konsensbildung und der Konfliktharmonisierung sind die Majoritätsregel und Wahlen. Mit Absicht wird bei der Wahl von einem Mechanismus gesprochen, denn viel wichtiger als die Möglichkeit des Wählens ist für die Konfliktharmonisierung und Konsensbildung die Beschaffenheit der politischen Alternativen der Wahl. Den Parteien fällt die Aufgabe zu, die politischen Alternativen zu finden und zu artikulieren. Darauf wird später noch einzugehen sein. Im folgenden wird versucht, die Gedankengänge Lipsets in unsere bisherigen Überlegungen einzufügen. Dies ist möglich durch die Durchleuchtung der Sachverhalte, die als Konsens und Dissens benannt sind.

Bei unseren Überlegungen sind wir davon ausgegangen, daß der Staat und die politischen Institutionen (Verwaltung, Parlament, Parteien, Regierung usw.) nur eine Gruppe von vielen Arten gesellschaftlicher Institutionen darstellen. Die Qualifikation als politische Institutionen erhalten diese Einrichtungen nur deshalb, weil wir bestimmte gesellschaftliche Prozesse gedanklich als politische Prozesse aus dem gesamtgesellschaftlichen Prozeß ausgliedern. Der Politik fallen in dem gesamtgesellschaftlichen Prozeß wichtige gestalterische Funktionen zu, die durch den Einsatz von Macht letztlich allein erfüllbar sind. Wie T. Parsons mit Recht sagt, muß Politik die Integration des gesellschaftlichen Prozesses im Hinblick auf die diesem Prozeß vorgegebenen Ziele zustande, bringen, das heißt, die Politik hat eine Ordnungsfunktion.

Diese Ordnungsfunktion wird erfüllt, wenn den Mitgliedern der Gesellschaft überleben und befriedigendes Zusammenwirken in der Gesellschaft auf Dauer ermöglicht ist. Dabei ist Niveau und Form des überlebens und befriedigenden Zusammenwirkens an den ökonomischen, sozialen und kulturellen Standards einer Gesellschaft ausgerichtet und nicht beliebig. Die Ordnungspolitik hat den Maßstäben einer modernen industriellen Gesellschaft zu genügen. Die Leistungsfähigkeit der Politik und ihrer Institutionen wird unter zwei generellen Aspekten zu beurteilen sein.

1. Unter dem Aspekt der Funktionsfähigkeit.

Funktionsfähigkeit meint in erster Linie instrumentale Leistungsfähigkeit der Politik und ihrer Institutionen im Hinblick auf „die Erfüllung der grundlegenden Regierungsfunktionen durch das politische System"

Dabei geht es jedoch nicht um Funktionsfähigkeit um jeden Preis, sondern 2. die im Volke vorhandenen Überzeugungen von legitimen Zielen und Lösungen politischer Probleme müssen gleichzeitig berücksichtigt werden.

Die Staatsform (parlamentarische Demokratie, gelenkte Demokratie) wird unter diesem Aspekt relativiert. Die wesentlichsten Bedin-gungen für die Stabilität eines demokratischen Systems sind Funktionsfähigkeit und Legitimität.

„Die Legitimität ist vorhanden, wenn es dem System gelingt, im Volke die Überzeugung zu schaffen und zu erhalten, daß die bestehenden politischen Institutionen für die betreffende Gesellschaft die bestmöglichen sind. Das Ausmaß der Legitimität demokratischer politischer Systeme der Gegenwart hängt daher weitgehend davon ab, wie sie die gesellschaftsspaltenden historischen Kardinalprobleme gelöst haben."

Legitimität und Funktionsfähigkeit sind eng miteinander verknüpft. Mangelnde Funktionsfähigkeit der politischen Führung und der politischen Institutionen und mangelnde Legitimität der von der politischen Führung und den politischen Institutionen verfolgten politischen Ziele bzw. getroffener Maßnahmen kann zu einem Legitimitätsverlust des gesamten politischen Systems führen und damit den Verfassungskonsens erschüttern. Anders ausgedrückt, der Konsens mit den Regeln der Konfliktharmonisierung im demokratischen System (Wahlen und Abstimmungen) ist dann gefährdet, wenn durch diese Regeln Konflikte nicht mehr hinreichend artikuliert und harmonisiert werden.

S. M. Lipset sieht in der Verteilung des Sozial-produkts, der Verteilung des sozialen Prestiges und der hinreichenden Einbeziehung aller Gruppen und Schichten in den gesellschaftlichen Prozeß die wichtigsten Quellen des Dissens, weil durch diese Faktoren die zureichende Sicherung des überlebens und die Sicherung des befriedigenden Zusammenwirkens aller Gruppen und Schichten in der Gesellschaft bestimmt ist. Hier läßt sich also unsere Überlegung nahtlos mit dem politischen Modell von S. M. Lipset verknüpfen. Enttäuschungen und Versagungen (Frustrationen) bei der Verfolgung politischer Ziele (überleben und befriedigendes Zusammenwirken) führen zu einer Überprüfung der politischen Entscheidungen der Wähler. Diese Überprüfung erfolgt, wie wir oben schon dargestellt haben, durch eine Wertung der Alternativen politischen Verhaltens im Hinblick auf ihre Eignung zur Erreichung hochgeschätzter Ziele, letztlich zur Sicherung des überlebens und befriedigenden Zusammenwirkens.

Ist die Funktionsfähigkeit und Legitimität eines politischen Systems so erschüttert, daß die Frustrationen keine andere Verhaltens-

möglichkeit als Aggressivität (generelle Ablehnung der bestehenden Verhältnisse) offen-lassen, dann ist die Identifikation mit politischen radikalen Parteien auch für die Mehrheit der Wähler die einzige politische Alternative. Die Gefährdung der wirtschaftlichen und sozialen Existenzbedingungen des Menschen macht ihn dazu bereit, jeder politischen Ordnungskonzeption zuzustimmen, wenn sie nur Aussicht auf die Sicherung der materiellen und sozialen Existenz bietet. Die Entscheidung fällt besonders dann zugunsten radikaler Lösungen, wenn allein die Wahl einer radikalen Partei als Möglichkeit der Artikulation der Enttäuschung übrigbleibt, das heißt, wenn Regierung und Opposition keine möglichen Alternativen sind.

In einer ökonomischen, sozialen und politischen Krise ist die Identifikation mit einer radikalen Partei um so wahrscheinlicher, wenn sie die richtige Kristallisationsthese findet. Dies wird einer radikalen Partei insofern erleichtert, wenn eine akute Krise die Kritikfähigkeit sehr herabsetzt, so daß allein schon die richtige Verbalisierung der Sorgen als Programm genügt. Die Identifikation und damit der Erfolg der radikalen Parteien wird also dann nicht so sehr durch ihre dogmatischen Grundaussagen, ihre verwendeten Stereotype und politischen Philosophien bewirkt, sondern liegt in der Tatsache begründet, daß die demokratischen politischen Alternativen zur Sicherung der existentiellen Bedingungen nach Ansicht der Wähler nicht mehr in der Lage sind. Die Entscheidung für die radikale Partei ist also in einem „Anti" gegen die bestehenden Verhältnisse und die politische Führung sowie die gesamte politische Ordnung motiviert.

Mit diesem Modell kann man bei der Erklärung von Massenerfolgen des Radikalismus in der Bundesrepublik auf die „Vergangenheit" und den sogenannten „Volkscharakter" endlich verzichten. Stabilität der Demokratie ist nicht allein und in erster Linie abhängig von einem normativ definierten „guten" Staatsbürger, der so schwierig zu produzieren ist, sondern vor allem von der Leistungsfähigkeit der Politik, des politischen Systems und der Politiker, denen viele technische und wissenschaftliche Hilfen ihre Aufgabe erleichtern, wenn Formen entwickelt werden, diese Hilfe zu nutzen.

Die Vergangenheit und spezifisch sozialkulturelle Denkmodelle und politische Lehren bieten für radikale Rechtfertigungsideologien allerdings geeignete Anknüpfungspunkte und erleichtern die Etablierung einer rechtsradikalen Partei. „Vergangenheit, die von rechtsextremen politischen Bewegungen angesprochen werden kann (bzw. die nur unvollkommen artikuliert als Wert-und Orientierungssysteme in den entsprechenden Gesellschaften weiterexistiert), ist in den westlichen Industriegesellschaften jeweils die Romantisierung der letzten stabilen Periode vor Beginn der , Moderne'. Der Gegenwart in Industriegesellschaften wird hiernach also ein Gesellschaftsund Wert-system entgegengesetzt, das in einer für das jeweilige Land eindeutigen Weise vorindustrielle Werte repräsentiert. Im Falle Deutlands ist das etwa das Bild der Romantik vom ausgehenden Mittelalter, und für die Vereinigten Staaten ist dieses Gegen-Ideal etwa das Ende der Grenzerzeit. Wenn dies zutrifft, dann sollte u. E. auch offensichtlich sein, daß Rechtsradikalismus nicht als extremer Konservatismus verstanden werden kann — auch wenn Personen und Gruppen mit diesen beiden Orientierungen zu Beginn des Auftretens einer neuen rechtsradikalen Gruppierung öfters Bündnisse eingehen."

Konkretisiert man die beiden sehr allgemein und existentiell bedeutsamen Ziele, überleben und befriedigendes Zusammenwirken, für die Verhältnisse einer modernen Industriegesellschaft, dann ergeben sich Grundziele der Gesellschaftsgestaltung, die im Hinblick auf die beiden existentiellen Ziele instrumentalen Charakter haben, jedoch jeweils noch so allgemein formuliert sind, daß sie als generelle Ziele politischer Gestaltung angesprochen werden und als Kriterien für die Funktionsfähigkeit und Legitimität der Politik, des politischen Systems und der politischen Parteien und Institutionen verwendet werden können.

R. A. Dahl und Ch. E. Lindblom ist die Formulierung solcher Gestaltungsziele in überzeugender Weise gelungen: „Die wichtigsten Primärziele der Menschen in den westlichen Gesellschaften beziehen sich auf die Existenz oder das überleben, physiologische Befriedigung (durch Nahrung, Sexualität, Schlag und Komfort), Liebe und Zuneigung, Anerkennung, Selbstachtung, Macht oder Herrschaft, Können und Bildung, Ansehen, ästhetische Befriedigung, Anregung, Neuheiten und vieles andere. ... Andererseits kann man sieben Ziele formulieren, die sowohl den Grad bestimmen, bis zu dem die obengenannten Primärziele der Menschen erreicht werden, als auch die Art und Weise festlegen, in welcher darüber entschieden wird, wer seine Ziele erreichen soll, falls Individuen bei ihrem Ziel-streben in Konflikt miteinander geraten. Für die meisten der sieben Ziele stehen konventionelle Namen mit weitreichenden historischen und emotionellen Anklängen bereit; wir werden diese konventionellen Bezeichnungen verwenden, obwohl es schwer ist, sie von den durch traditionellen Gebrauch entstandenen Unklarheiten zu befreien. Diese sieben instrumentalen Ziele sind Freiheit, Rationalität, Demokratie, subjektive Gleichheit, Sicherheit, Fortschritt und angemessene Einbeziehung."

Was mit diesen Begriffen gemeint ist, wird im folgenden an Hand der Ausführungen von Dahl und Lindblom wiedergegeben. Wir beschäftigen uns mit einigen diesen Begriffen so ausführlich, weil sie einer Operationalisierung sehr nahekommen und deshalb mit empirischem Material einigermaßen belegt werden könnten. Dies wiederum ermöglicht die Über-prüfung unserer Hypothesen, daß mit der Identifikation mit radikalen Parteien um so eher zu rechnen ist, je weniger in den Augen der Bürger der politische Prozeß in geeigneter Weise diese Ziele fördert und sichert.

Im folgenden wird zunächst diese Definition der Begriffe, die hier für in modernen Industriegesellschaften akzeptierten politischen Ziele und Gestaltungsprinzipien stehen, auszugsweise wiedergegeben:

„Freiheit: Wie viele Leute auch immer über die Bedeutung des Wortes . Freiheit'streiten mögen, so stimmen sie gewöhnlich doch darin überein, daß sie immer gut und niemals schlecht ist ... Wir wollen jedoch lieber anders herum beginnen, nicht mit einer Definition der Freiheit, sondern mit einem vorstellbaren Zustand, für den eine Bezeichnung benötigt wird. Der vorstellbare Zustand bestehe in dem . Fehlen von Hindernissen für die Verwirklichung der Wünsche'... Es ist außerdem nützlich, eine subjekive Form dieses Zustandes von einer objektiven zu unterscheiden ... Der so beschriebene Zustand kann nun durch die Beseitigung von Hindernissen, die Änderung von Wünschen oder durch beides maximiert werden. Vielleicht kann der Zustand, den wir als Freiheit bezeichnet haben, zusätzlich verdeutlicht werden, indem wir einige Bedeutungen des Wortes Freiheit darlegen, die wir hier nicht im Sinne haben . . .

Die Beschreibung der Freiheit als begrenztes Bündel von Handlungsweisen hat ihre psychologischen Wurzeln in dem positiven Beigeschmack des Wortes . Freiheit'. Denn wenn die Freiheit nur gut und nicht schlecht sein kann, dann bedeutet die Behinderung eines Verbrechers keine Beschneidung seiner Freiheit. Aber eine derartige Definition der Freiheit ist nur dann nützlich, wenn es relativ leicht ist, sich über den Inhalt des Bündels guter Handlungsweisen zu einigen. Aber gerade dieser Inhalt ist gewöhnlich der Hauptstreitpunkt . . .

Die Behauptung, daß nur diejenigen frei seien, die jene besonderen . Freiheiten'besitzen, wie sie vom Liberalismus des 19. Jahrhunderts definiert werden (oder von der Sozialdemokratie des 20. Jahrhunderts), würde das Wort Freiheit auf ein bloßes Äquivalent für die Ziele des Liberalismus des 19. Jahrhunderts (oder der Sozialdemokratie des 20. Jahrhunderts) reduzieren ... Daher erscheint es nützlich, die Freiheit als das Fehlen von Hindernissen für die Verwirklichung von Wünschen zu definieren."

Subjektive Freiheit läßt sich am Fehlen von Frustrationen feststellen oder, falls Frustrationen vorhanden sind, an der Erwartung des Individuums, daß ihm Wahlmöglichkeiten zur Verfügung stehen, die seine Frustrationen ausschalten.

Objektive Freiheit wird geprüft durch das Urteil eines Beobachters darüber, ob ein Individuum, wenn es mit einer vom Beobachter erwarteten Wahlsituation konfrontiert wird, tatsächlich diejenige Wahl trifft, die ihm die Verwirklichung seiner Wünsche ermöglicht. Bei Annahme dieser Definition ist es klar, daß niemand jemals „absolut" frei ist, jedenfalls nicht im objektiven Sinne. Individuen können nur relativ freier oder unfreier sein; für eine Beurteilung ist dieser graduelle Unterschied relevant und nicht der Unterschied zwischen relativer und absoluter Freiheit.

„Das Fehlen der Freiheit bedeutet Frustration, Frustration bedeutet Unzufriedenheit und Feindseligkeit, Unzufriedenheit und Feindseligkeit können immer wieder auftauchende Gewalttätigkeit, Instabilität und Zerstörungssinn bedeuten, die ihrerseits das Erreichen unserer eigenen Ziele gefährden können. Das Fehlen der Freiheit kann auch eine Art steriler Passivität im sozialen Zusammenleben bedeuten, einen Niedergang der Produktivität, der Originalität, des Fortschritts und der Spontaneität, was sich auf unsere eigenen Freiheiten negativ auswirkt."

„Rationalität: Eine Handlung ist insoweit rational, als sie . korrekt'darauf abgestimmt ist, die Zielerreichung zu maximieren, wenn man das in Frage kommende Ziel und die reale Welt so, wie sie existiert, voraussetzt. Wenn mehr als ein Ziel vorgegeben ist (die übliche menschliche Situation), ist eine Handlung insoweit rational, als sie korrekt darauf abgestimmt ist, die Nettozielsetzung zu maximieren. Wenn mehrere Handlungen nötig sind, um die Ziele zu erreichen, so erfordert Rationalität Koordination, d. h. die Handlungen müssen eingeplant und miteinander verbunden werden, damit die Nettozielsetzung nicht durch vermeidbare Widersprüche zwischen den einzelnen Handlungen verringert wird." 20a)

Ein Bekenntnis zur Rationalität als ein Ziel muß nicht der erste Schritt in eine gefühlsarme sterile Existenz bedeuten. Impulsivität, Spontaneität, direkten Ausdruck der „Lebensgeister" (manche mögen sagen des menschlichen Geistes) für das Eingehen von Risiken ohne Kalkulieren der Folgen, für Freude, Vergnügen und Zorn gehört zu dem hochgeschätzten Ziel des befriedigenden Zusammenlebens. Die rationalste Handlung ist nicht unbedingt die am sorgfältigsten kalkulierte. „Demokratie: Das Ziel der Demokratie ist ein zweifaches. Es besteht einmal in einem zu erreichenden Zustand und zum anderen in einem Prinzip, das den Prozeß zur Erreichung dieses Zustandes regelt.

Der gemeinte Zustand ist die politische Gleichheit, die wir wie folgt definieren: Die Kontrolle über Regierungsentscheidungen wird so aufgeteilt, daß den Präferenzen keines einzigen Bürgers ein höheres Gewicht beigelegt wird als den Präferenzen irgendeines anderen Bürgers. Das Prinzip ist das der Majoritätsregel, die wir folgendermaßen definieren: Regierungsentscheidungen sollen von der Mehrheit dadurch kontrolliert werden, daß diese ihre Präferenzen ausdrückt und damit die . letzte Entscheidung'hat.

Demokratie ist ein Ziel, nicht etwas Erreichtes ... Warum ist politische Gleichheit erstrebenswert? . .. Wie bei der Freiheit liegen die Gründe in den psychologischen und strategischen Konsequenzen der politischen Gleichheit.

Erstens erzeugt, zumindest bei uns, die mitfühlende Identifizierung mit anderen Gefühle von Schuld, Angst und Qual, wenn wir bemerken, daß sie bedeutend weniger Gelegenheit als wir selbst zur Erfüllung ihrer Wünsche haben. Vermutlich teilen mit uns auch viele andere Individuen diese Reaktionen. Solche Gefühle sind zugegebenermaßen der . menschlichen Natur'nicht mehr zu eigen als Vorlieben für Hierarchie oder Diktatur. Sie sind Ergebnisse eines Zusammenspiels von Persönlichkeit und Kultur ...

Eine Art negatives Argument für politische Gleichheit ist die intellektuelle Schwierigkeit, irgendeine rationale Basis zu finden, auf Grund derer man schließen könnte, daß im Vorgang des Regierens die Präferenzen mancher Leute höher bewertet werden sollten als die Präferenzen anderer."

Ein weiterer „Grund für das Streben nach dem Zustand politischer Gleichheit ist das strategische Kalkül: . . . Wir können nicht auf eine dauernde Mitgliedschaft in einer Elitegruppe hoffen, deren Präferenzen stärker statt schwächer ins Gewicht fallen . . .

Wenn politische Gleichheit ein Ziel ist, das angestrebt werden soll, so ist die Majoritätsregel in der , letzten Entscheidung'über Regierungsprobleme ein Mittel hierzu . .. Der Zustand der Gleichheit besteht, wo immer in irgendeiner bestimmten Situation, in der mehr Menschen statt weniger Menschen die Möglichkeit geboten werden kann, ihre Ziele zu erreichen, die Entscheidung zugunsten der größeren und nicht der kleineren Zahl fällt..." „Sicherheit: Es wird manchmal behauptet, daß Sicherheit und Freiheit in Widerspruch zueinander stehen ...

Subjektiv ist jemand in dem Ausmaße sicher, in dem er sehr gewiß oder zuversichtlich erwartet, daß er auch weiterhin die Möglichkeit haben wird, seine Ziele zu erreichen.

Für einen Beobachter ist jemand objektiv sicher, wenn seine zuversichtlichen Erwartungen in den Augen des Beobachters auf einer richtigen Einschätzung der Wirklichkeit beruhen ...

Gibt es nun keinen Unterschied zwischen Freiheit und Sicherheit? Der Unterschied liegt nur in der Betonung. Spricht man von Sicherheit, so betont man, daß man über die Zeit hin frei ist oder zu sein erwartet. Da aber diese Betonung schon in unserer Definition der Freiheit mit eingeschlossen ist, ist es auch korrekt, zu sagen, daß Sicherheit nur ein Aspekt oder eine Seinsweise der Freiheit ist. Sie ist ein nützliches Wort, verwendbar in Diskussionen über die Wahrscheinlichkeit, daß die Freiheiten einiger Individuen oder Gruppen einen bestimmten Zeitabschnitt dauern werden. Da Sicherheit, als eine Seinsweise der Freiheit, von einer Wechselwirkung zwischen Wünschen und Hindernissen abhängt, darf man niemals vergessen, daß beide Seiten der Gleichung gleich wichtig sind. Während die westliche Zivilisation die Erreichung der Freiheit durch Entfernen äußerer Hindernisse betont, hat sie sich einseitig mit den von der Umwelt ausgehenden und irgendwie unpersönlichen Bedrohungen der Sicherheit beschäftigt; . .. Arbeitsentgelte, Altersversorgung, Arbeitslosenversicherung, Krankenversicherung, Polizei-und Gesundheitswesen, Rüstung usw.

Neuerdings wurde in zunehmendem Maße erkannt, daß die Beseitigung unpersönlicher Hindernisse noch keine Sicherheit bietet, wenn grundlegende Wünsche des Menschen nach Liebe, Achtung, Selbstachtung, Abwechslung und Solidarität vernachlässigt werden. Diese Tatsache wurde am dramatischsten offenbar durch die Frustration der alten Menschen." Dem Ziel des befriedigenden Zusammenlebens wird viel mehr Beachtung zu schenken sein.

Es ist unbedingt erforderlich, die Möglichkeiten des überlebens und des befriedigenden Zusammenlebens zu erweitern; nichts anderes heißt Fortschritt. Dabei sind grundsätzlich alle Menschen dieser Gesellschaft und aller anderen Gesellschaften einzuschließen. Dies ist die positive Motivation einer friedlichen Außenpolitik.

Ausgesprochen oder unausgesprochen werden diese allgemeinen Ziele der Gesellschaftsgestaltung wegen ihrer instrumentellen Bedeutung für das überleben und befriedigende Zusammenwirken im politischen Handeln vom einzelnen verfolgt. Da sich politisches Handeln in der demokratisch organisierten Massengesellschaft überwiegend nur durch Ablehnung oder Zustimmung zu artikulierten politischen Zielen, Maßnahmen und Programmen vollzieht, werden diese Ziele gesellschaftlicher Gestaltung zum Maßstab für die Artikulation politischen Wollens (Legitimität der Machtziele) und für die Artikulationsfähigkeit (Funktionsfähigkeit) der politischen Institutionen und vor allem der Parteien.

Treten Gefährdungen der Freiheit und Gleichheit durch mangelnde wirtschaftliche, soziale und politische Sicherheit bzw. Fortschritt auf, dann ist die Legitimität und Funktionsfähigkeit politischer Institutionen und Parteien in Frage gestellt.

R. Wildenmann stellt in einer unveröffentlichten Untersuchung aus dem Jahre 1965 über „die Faktoren des Wählerverhaltens" fest: „Das Verhalten der Träger öffentlicher Ämter und die Abhängigkeit des eigenen Schicksals von der Politik , in Bonn'werden deutlich und sensibel wahrgenommen. Daß die Wähler eine stumpfe Masse seien, ist eine falsche und zugleich gefährliche Fiktion."

In der gleichen Untersuchung sagt R. Wilden-mann über die Motivationen politischen Verhaltens: „Es kann davon ausgegangen werden, daß bei den möglichen Motiven politischer Einstellung drei verschiedene, gleichwohl miteinander verschränkte Sicherheitsmotive eine wesentliche Rolle spielen:

1. Das wirtschaftliche, 2. das soziale und 3. das politische Sicherheitsmotiv.

Beeinträchtigungen des wirtschaftlichen und sozialen Sicherheitsmotivs führen in der Regel zu stärkeren Entfremdungseffekten im sozialen und damit im politischen Verhalten als Gefährdung des politischen Sicherheitsmotivs. Anders gesagt: Eine politische Krise wird, wenn das wirtschaftliche und soziale Sicherheitsmotiv befriedigt sind, eher überwunden als eine wirtschaftliche und soziale Krise, auch wenn in einem solchen Fall das politische Sicherheitsempfinden nicht oder noch nicht beeinträchtigt ist. Alle drei Faktoren stehen in Wechselwirkung. Beeinträchtigung in dem einen Fall führt zu Rückwirkungen in den anderen: die Koalitionskrise von 1961 bis 1963 hat auch zu Unsicherheiten in der Einschätzung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung geführt. Andererseits haben selbst geringfügige Unsicherheiten in der wirtschaftlichen Lage Tendenzen zum politischen Grenzverhalten hervorgerufen. ...

Eine schwere Beeinträchtigung aller drei Sicherheitsmotive gefährdet die Stabilität der Verfassung. Dabei kommt es nicht auf die tat-B sächliche Lage, sondern auf die Einschätzung der Lage durch die Bevölkerung an. Aussagen über das mögliche Verhalten der Bevölkerung in einem solchen Fall lassen sich schwer treffen. ...

Das schließt nicht aus, daß Radikalismus, wenn alle Sicherheitsmotive gleichzeitig verletzt werden, möglich sein könnte (etwa bis zu 20 % der Wähler)."

Diese Ausführungen machte R. Wildenmann im Sommer 1965. Die Richtigkeit seiner Prognose wurde durch das Wahlergebnis der Bundestagswahl und der Landtagswahlen eindrucksvoll bestätigt. Gefährdungen der Ziele gesellschaftlicher Gestaltung führen zu einer Legitimitätskrise und stellen die Funktionsfähigkeit in Frage.

S. M. Lipset versucht in einem Schema die Beeinträchtigung der Stabilität der Demokratie durch wechselseitige Beeinträchtigung von Legitimität und Funktionsfähigkeit zu charakterisieren. Er sagt dazu: „Wenn man den Ver-such unternimmt, die Stabilität der politischen Institutionen eines Landes für den Fall einer Funktionskrise zu analysieren, muß man vor allen Dingen den Grad der Legitimität dieser Institutionen kennen. Die Beziehungen zwi-sdien dem Grad der Legitimität und der Funktionsfähigkeit eines bestimmten politischen Systems können durch eine viergeteilte Tabelle dargestellt werden, ...

Funktionsfähigkeit + -Legitimität: + A B C D

Gesellschaften, die in die Abteilung A fallen, das heißt Gesellschaften, die ein hohes Maß sowohl an Legitimität als auch an Funktionstähigkeit aufweisen, besitzen stabile politische Systeme.

Funktionsunfähige und illegitime Regime, die in die Abteilung D fallen, sind per definitionem labil und brechen zusammen, sofern es sich nicht um Diktaturen handelt, .. . Länder, die sich von A nach B bewegten, blieben demokratisch; Länder, die sich von C nach D bewegten, brechen zusammen.“

Nadi unseren bisherigen Überlegungen kommt es mit hoher Wahrscheinlichkeit dann zu radikalem politischen Verhalten, wenn die Ziele, die im politischen Handeln des einzelnen verfolgt werden, versagt bleiben und die Legitimität politischer Institutionen, vor allem der Parteien, dadurch verloren geht, daß sie der Funktion, legitime politische Machtziele zu artikulieren, nicht gerecht werden. Mangelnde Funktionsfähigkeit (Gefährdung der wirtschaftlichen, sozialen Sicherheit bzw. mangelnde Hoffnung auf Fortschritt in diesen Bereichen) führt zu einer akuten Krise der Stabilität der Demokratie.

Die programmatische, personelle und organisatorische Präsens ist eine weitere Bedingung für die Hinwendung zu extremistisch radikalen Parteien. Gelingt es der extremistischen Partei, eine der politischen Situation angemessene Kristallisationsthese zu finden, dann ist die Identifikation einer Mehrheit der Bevölkerung mit dieser Partei wahrscheinlich. Diese Identifikation erfolgt meistens über die Ablehnung der bestehenden politischen Institutionen. Die radikale Partei lebt insofern von der Antihaltung gegenüber den demokratischen Parteien.

Extremistisch radikale Parteien haben keine Chance, wenn das demokratische System in der Lage ist, Konsens und Konflikt, Legitimität und Funktionsfähigkeit in einem ausgeglichenen Verhältnis zu halten, und wenn die Parteien ihrer Funktion der Artikulation alternativer Machtziele, über die in der Wahl entschieden wird, gerecht werden.

Damit ist auch der wirksamste Ansatz zur Bekämpfung radikaler Parteien gegeben: Die politisch verantwortlichen Parteien müssen sich um ein Höchstmaß an Legitimität und Funktionsfähigkeit bemühen, das heißt, vor allem in der Lage sein, Prozesse des sozialen und politischen Wandels zu verstehen und in das politische Handeln zu integrieren. Wichtigste Voraussetzung dafür ist ein funktionierendes Informations-und Kommunikationssystem in der Politik und in der Gesellschaft. Der politische Prozeß als Quelle radikalen Verhaltens ist somit für die Erklärung von Erfolg und Mißerfolg radikaler Parteien in erster Linie heranzuziehen. Denn sowohl qualitativ als auch quantitativ ist der politische Prozeß selbst entscheidend für die Identifikation mit radikalen Parteien und nicht pathologisches Verhalten von einzelnen oder Gruppen bzw. Volkscharakter und Residuen aus der Vergangenheit.

IX. Bedingungen für den Erfolg der NPD als radikale Partei in der Bundesrepublik

In den bisherigen Kapiteln wurden mehrere Bedingungskomplexe für den Erfolg eier radikalen Partei einzeln untersucht. Der Erfolg hängt aber in erster Linie von der Kumulation mehrerer Bedingungen und nicht etwa allein von programmatischen Aussagen, organisatorischer Stärke oder von einer wirtschaftlichen und politischen Krise ab. Die Bedingungen, die durch Kumulation den Erfolg der NPD möglich machen, sind folgende:

Personelle und organisatorische Präsens der Partei (Kristallisationskern);

Programmatische Aussagen (Kristallisationsthese) ;

Versagungen und Enttäuschungen im gesellschaftlichen und politischen Prozeß, auf die mit Aggressivität reagiert wird;

Gefährdung des überleben und befriedigenden Zusammenwirken von einzelnen und Gruppen im gesellschaftlichen und politischen Prozeß durch Anpassungsverspätung und mangelnde Funktionsfähigkeit und Legitimität des politischen Systems infolge mangelnder Artikulationsfähigkeit der existentiellen Sorgen der Bevölkerung.

Ganz allgemein lassen sich die Bedingungen für den Erfolg einer radikalen Partei umschreiben als gestörtes Gleichgewicht zwischen Konsens und Konflikt.

Leider ist es der empirischen Sozialforschung noch nicht überzeugend gelungen, die einzelnen Bedingungen für den Erfolg einer radikalen Partei zu operationalisieren, das heißt meßbar zu machen. Vor allem gilt dies für den Grad der Kumulation verschiedener Bedingungskomplexe. Die seit dem Erstarken der NPD durchgeführten empirischen Erhebungen beziehen sich jeweils auf einzelne Bedingungskomplexe. Darin liegt die Gefahr, daß Einzelergebnisse qualitativ und quantitativ bei der Prognose und Analyse der Erfolgschancen der NPD falsch eingeschätzt werden.

Zunächst ist im folgenden eine Dokumentation der wichtigsten programmatischen Selbstaussagen zusammengestellt. Dieser Dokumentation liegt der Jahrgang 1966 der „Deutschen Nachrichten" und alle Programmschriften sowie Musterreden der NPD zugrunde. Die Auswahl will nicht vollständig sein, sondern die eindeutigsten Aussagen aus den von der NPD für bedeutsam gehaltenen Bereichen wiedergeben. Die Systematik der Wiedergabe ist an das Material herangetragen. Die Möglichkeit, diese Systematik durch das Material zu bestätigen, ist eine gewisse Bestätigung für diese Systematik. Die Überschriften und Zwischenüberschriften geben die Systematik wieder. Sie ist angelehnt an die von T. Parsons entwickelten vier funktionalen Bereiche sozialer Systeme:

1. Weltanschauung, Religion, Doktrin, 2. Recht, Sitte, Moral, Leitbilder, Ideologie, 3. allgemeine politisch-bedeutsame Werte und Ziele, 4. unmittelbar ökonomisch bedeutsame Ziele.

Danach folgt eine Gegenüberstellung von Zielen der NPD und demokratischer Werte. 1. Ideologie und Weltanschauung a) Das nationale Engagement der NPD „Volk, Vaterland und Nation sind für uns Grundbegriffe, ohne deren Wiederherstellung es keine nationale Zunkunft geben wird." (Musterrede für eine NPD-Versammlung)

haben sich die herrschenden politischen Kräfte in Westdeutschland so eingerichtet, als sei der Staat ausschließlich ihr Eigentum, auf dessen Leitung und Nutzung sie ein Monopol besäßen. Ehre und Würde des Volkes galten nichts. Durch willfährige Anerkennung des Schuldspruchs der Sieger erhofften sie, sich deren Vertrauen zu erschleichen." (Wahlzeitung für Schleswig-Holstein)

die nationale Selbstbesinnung, zu der unser Volk jetzt (hoffentlich nicht zu spät) heranreift, ... ist ein Gesundungsprozeß, der in ganz Deutschland . . . begonnen hat." (Wahl-zeitung für Schleswig-Holstein)

„Als Glieder einer übernationalen Weltordnung bilden Völker und Nationen . . . absolute letzte Werte.“ (Deutsche Nachrichten, Nr. 51/52)

„Wenn wir heute den vaterländischen Gesichtspunkt in den Vordergrund stellen, dann nicht etwa, weil wir nur unser Deutschland sähen . . ., (sondern) um ein größeres Europa zu schaffen ... ein Europa aller derjenigen Völker, die sich noch zur abendländischen Kultur bekennen, die glauben, daß diese unsere Kultur noch nicht morsch und faul geworden ist, trotz aller Tendenzen, die aus Chicago oder von anderer Seite zu uns kommen." (DN, Nr. 51/52) b) Die Forderung nach einem wahren Geschichtsbild „Deutschland braucht um seiner Zukunft willen ein wahres Geschichtsbild. Wir wehren uns gegen . . . die Behauptung, Deutschland sei an allem Unglück der Welt allein schuld. Wir fordern deshalb: Schluß mit der Lüge von der deutschen Alleinschuld, mit der von unserem Volk fortgesetzt Milliardenbeträge erpreßt werden sollen." (Manifest) 2. Allgemeine politisch-bedeutsame Ziele a) Selbstdarstellung der NPD und politische Kritik an anderen Parteien: „Die NPD ist . . .der recht pragmatische Versuch, durch Abkehr von Illusionen und Irrtümern der nationalen Vernunlt in der Politik das Wort zu reden, d. h. Alternativen zur gescheiterten Politik von Bonn zu setzen." (DN, Nr. 50) ..... daß die NPD sehr klare Vorstellungen über die Neuordnung unserer aus den Fugen geratenen politischen Verhältnisse hat, wenngleich man von der nationalen Opposition nicht erwarten darf, daß sie den Kräften der regierenden übergroßen Mehrheit die Regierungsprogramme , frei Haus’ liefert." (DN, Nr. 49)

„Die verfahrene Lage läßt es heute nicht zu, ... weitreichende Programme aufzustellen." (DN, Nr. 49) b) Deutschlandpolitik „Die bisherige Politik hat sich als unbrauchbar erwiesen, die von den Siegermächten des zweiten Weltkrieges herbeigeführte Spaltung Deutschlands zu überwinden. ... raumfremde Mächte entmündigen die Völker Europas und halten gemeinsam die Teilung Deutschlands und Europas um ihrer eigenen politischen Ziele willen aufrecht. .. . solange die Spannungsfelder fremder Machtblöcke mitten durch Deutschland gehen und dadurch Europa spalten, wird die Welt ständig am Abgrund des Krieges stehen. Nationale deutsche Politik ist darum in ihrer tiefsten Bedeutung Friedenspolitik." (Manifest)

„.. . solange das deutsche Volk gefügig seine Spaltung hinnimmt und die Bundesregierung aus eigener Kraft nichts unternehmen will, wird sich die nationale Not nicht wenden." (Manifest) „Deutschland hat Anspruch auf die Gebiete, in denen das deutsche Volk seit Jahrhunderten gewachsen ist. Verzichtbereitschaft zerstört unsere völkerrechtliche Position bei der Vertretung der Lebensrechte des deutschen Volkes." (Manifest) c) Innenpolitik „Betrachtet man die gegenwärtige politische Lage, so läßt sich unschwer erkennen, daß der Schwerpunkt der deutschen Politik in der nächsten Zeit auf die Neuordnung der inneren Verhältnisse gerichtet sein muß, weil stabile innere Verhältnisse die unerläßliche Voraussetzung für eine konstruktive Außenpolitik sind. Schwerpunkt dieser Neuordnung im Innern ist ohne Zweifel die Sanierung der öffentlichen Finanzen im Bund, in den Ländern und namentlich auch in den Kommunen. Die lang versprochene, doch nie verwirklichte Finanzreform ist dabei das Kernproblem unserer inneren Politik." (DN, Nr. 49) d) Außenpolitik „Wir Nationaldemokraten glauben daher, daß von der Bundesrepublik erst dann Außenpolitik gemacht werden kann, wenn in Bonn eine handlungslähige nationale Regierung zustande kommt, die wirklich führt, in der Bundesrepublik stabile Verhältnisse schafft und dadurch das Vertrauen der Bevölkerung bekommt . .." (Musterrede) „Die USA mißbraucht die NATO als Mittel ihrer nationalen Politik . . . alle Vorschläge aber, in Westeuropa eine eigenständige Abschreckungsmacht aufzubauen, scheiterten an der Bonner Bindung an die USA ... Wir Nationaldemokraten halten überhaupt nichts von einer Politik geborgter militärischer Stärke." (Musterrede)

Dagegen:

„Die Bewaffnung der Bundeswehr mit nuklearen Waffen muß unter allen Umständen vermieden werden ... ein Betteln der Bonner Politiker um Atomwaffen bei den USA hält die NPD für unwürdig ... darum bietet sich eine deutsch-französisdie Allianz zur Rettung Europas förmlich an." (NPD-Redner-Anweisung) Weiterhin:

„Alle Freunde und Feinde des deutschen Volkes erkennen an, daß wir Deutschen ein soldatisches Volk sind ..."

Aber:

„Jeder Krieg auf europäischem Boden würde Deutschland auslöschen. Deshalb verbietet es uns unsere Vaterlandsliebe, auch nur mit dem Gedanken an einen Krieg zu spielen." (NPDRedner-Anweisung)

Aber:

„Den Deutschen in der Zone bleibt leider nur . . . abzuwarten, daß sie vom Westen befreit werden." 3. Kulturelle Leitbilder und Kulturkonflikt a) Jugend „Wir Nationaldemokraten treten dafür ein, daß eine Jugend heranwächst, die, pilichtbewußt und weltoffen gebildet, ohne Ansehen des Herkommens und des Geldes aller Güter des Geistes und der Kultur teilhaftig wird. Sie braucht diese Bildung, um im Wettkampf der Systeme unserer Zeit bestehen zu können." (Wahlzeitung für Schleswig-Holstein) ...... fordern wir . .. ein ... Erziehungsund Bildungswesen, das jeden Begabten . .. fördert und den ihm gebührenden Platz in dieser Ordnung gewährleistet." (Manifest) b) Wissenschait und Forschung „Wir fordern, daß Wissenschaft und Forschung, Bildung und Ausbildung endlich jenen Rang und jene Mittel erhalten, die dem Anspruch unseres Volkes und den Anforderungen unseres technischen Zeitalters gerecht werden." c) Kultur „Noch mehr beunruhigt ... allerdings unser kultureller Tiefstand, denn die Geschichte lehrt, daß er stets eine Begleiterscheinung des nationalen Niederganges ist. Was heute uns und vor allem der deutschen Jugend als . Kultur'angeboten wird, das ist nicht die Spitzenleistung eines Kulturvolkes, sondern seine Kloake .. ." „. .. muß zu der Überzeugung kommen, daß die Deutschen in ihrem geteilten Vaterland nur drei Hauptbeschäitigungen haben, nämlich Saufen, Fressen und Huren ..."

„... daß die schlimmsten Schmutzfabrikanten auch noch mit Kulturpreisen bedacht und auf die Lehrstühle von Universitäten berufen werden." (Manifest)

„Unsere Jugend ist heute . . .den Geschäfte-machern mit dem , Sex’ und zersetzenden Einflüssen einer verderblichen Umwelt ausgesetzt." „. . . fordern wir die Beseitigung der öffentlichen Unmoral ..."

„. . . fordern wir die Aufhebung der zersetzenden Meinungsmonopole in Fernsehen, Funk und Film. Es kann nicht länger geduldet werden, daß eine gewissenlose Clique unsere nationalen, moralischen und sittlichen Werte systematisch unterhöhlt und verächtlich macht." (Manifest) 4. Allgemeine wirtschaftlich bedeutsame Ziele a) überlremdung „Während der deutsche Bundesbürger sich seines Wohlstandes erfreut, bemerkt er nicht mehr, daß langsam die wichtigsten Wirtschaftsunternehmen in iremde Hände gehen und daß er immer mehr in die Rolle des Verbrauchers zurückgedrängt wird, der fremde Waren kauft, ausländische Kapitalisten ihren Profit sichert und für deren Interessen auch noch seine Arbeitskraft einsetzt. Deutsche als Arbeiter, Angestellte und Verbraucher — Amerikaner als großverdienende Unternehmer." (Musterreden)

„Wir wehren uns gegen die Überfremdung mit ausländischem Kapital, gegen den Ausverkauf unserer Grundindustrien an Weltkonzerne." (Manifest)

„Schon seit Jahren kreist über dem Irrsinn marktwirtschaftlichen Preiswettbewerbs ruhig und besonnen der amerikanische Adler und schlägt seine Opfer ..."

„Wenn es nicht in letzter Sekunde gelingt, die Nation und mit ihr die deutsche Wirtschaft in Form zu bringen, wird es nicht mehr lange dauern, daß die Bundesrepublik zur amerikanischen Bananenrepublik und der deutsche Arbeiter zum Lohnempfänger amerikanischer Konzerne geworden ist." (Musterreden) „Die Beteiligung ausländischen Kapitals an deutschen Firmen, an der Spitze stehen die Amerikaner, beträgt zur Zeit etwa 50 Mrd. DM." (Musterreden) b) Energiepolitik „Wir Nationaldemokraten treten dafür ein, daß die heimischen Bodenschätze und Energie-B quellen erhalten bleiben und nicht verkommen dürfen." (Wahlzeitung für Schleswig-Holstein) „Die Bewahrung eigener, unabhändiger Energiequellen ist unerläßlich. Nur sie gewähren politische Handlungsfreiheit." (Manifest)

„Die Wirtschaftsund Handelspolitik hat daher . . .den heimischen Produktionskräften volle Entfaltungsmöglichkeiten zu sichern." (Quelle: s. o.) c) Agrarpolitik „Deutschland braucht zur Wahrung seiner politischen Unabhängigkeit eine gesunde Landwirtschaft. Sie sichert die Ernährungsbasis ... Die Landwirtschaft braucht daher in unserer Industriegesellschaft die Sicherung ihrer Existens durch Einkommensgarantie.“ (Manifest) d) NPD und Gastarbeiter „Der deutsche Arbeiter hat einen vorrangigen Anspruch auf Sicherung seines Arbeitsplatzes gegenüber ausländischen Arbeitskräften.“ (Manifest)

„Durch die verfehlte, unsinnige Bonner Wirtschaftspolitik benötigen wir Gastarbeiter." (Musterreden) „Das Gastarbeiterproblem hat aber auch eine finanzielle Seite. Diese Menschen kommen ja nicht nach Deutschland, um uns Geld zu bringen, sondern um gutes Geld in ihre Heimat zu holen.“ (Musterreden) e) Die NPD und die Gewerkschaften „Gewerkschaften und Unternehmerverbände sind als Sozialpartner dazu da, für den notwendigen Interessenausgleich und den Arbeitsfrieden zu sorgen. Hier liegen ihre Aufgaben, nicht in der Anmaßung politischer Vorrechte. Die Wirtschaft und ihre Organe dienen Staat und Volk und nicht umgekehrt." (Manifest) „Wir fordern öffentliche Aufsicht über die Preisbildung zur Sicherung unserer Währung, unseres Arbeitsertrages und zum Schutze unserer Sparer." (Manifest) f) Die NPD und die Entwicklungshilfe „Wir zahlen auf fremdes Geheiß in ferne Länder Milliarden, die weder deutschen noch europäischen Interessen dienen. Dringende Aufgaben unserer eigenen Entwicklung werden dagegen vernachlässigt." (Manifest)

Gegensatz der politischen Ziele der NPD zu den Zielen der demokratischen Parteien

Versuchen wir, den Gegensatz der zentralen politischen Ziele der NPD zu den zentralen politischen Zielen der demokratischen Parteien im Spannungsfeld der vier Hauptbereiche politischer Auseinandersetzung zusammenfassend darzustellen, so ergibt sich folgendes Bild: 1. Weltanschauung und Ideologie Ziele der NPD 1. Politik als kulturkritischer Dogmatismus 2. Plebiszitäre Willensbildung 3. Zentralismus 4. Rechtspraxis an nationalen Interessen orientiert 5. Nationale Politik als Friedenspolitik 6. Diskriminierung von Fremdgruppen (Ethnozentrismus)

Ziele der demokratischen Parteien 1. Politik als realistischer Pragmatismus 2. Repräsentativ-parlamentarische Willensbildung

3. Föderalismus 4. Rechtspraxis an materiellem Recht orientiert

5. Internationale Friedenspolitik zur Wahrung der nationalen Interessen 6. Anerkennung und Achtung aller Völker und Nationen 2. Kulturelles Erbe und Kulturkonflikt Ziele der NPD 1. Traditionalistischer Dogmatismus hinsichtlich der Bewahrung des kulturellen Erbes (Tradition, Sitte, Moral)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Freiheit, Gleichheit, Rechtstaatlichkeit haben politische Relevanz, nicht allein deshalb, weil sie in der Verfassung stehen. Treue dagegen ist kein politischer Wert. Ferner ist die Ablehnung des Pluralismus hinsichtlich der Begründung politischer Werte charakteristisch.

  2. Diese Darstellung folgt den Ausführungen von Horst Schmelzer, Grundlagen einer Theorie des Verhaltens, Köln 1963 (unveröffentlichtes Manuskript).

  3. V. I. Willi, Grundlagen einer empirischen Soziologie der. Werte und Wertsysteme, Zürich 1966, S. 15.

  4. Eine Verfeinerung dieses Modells politischen Verhaltens hat E. C. Tolman geliefert in Psychological Review Nr. 59, 1952, S. 389— 400.

  5. In den EMNID-Informationen Nr. 1, 1967, S. 5, wird ein Befragungsergebnis wiedergegeben, in dem das Bewußtsein der Interdependenz sich in der allgemeinen Bedeutung, die dem Ruhrgebiet für die deutsche Wirtschaft und damit für die Existenzsicherung jedes einzelnen beigelegt wird, spiegelt. Frage: „Geht es dem Ruhrgebiet gut, dann geht es der ganzen deutschen Wirtschaft gut".

  6. E. K. Scheuch, Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften, Köln 1967.

  7. I. Dollard, N. E. Miller, R. R. Sears, O. H. Mowrer, L. W. Doob, Die Frustrations-Aggressions-Hypothese, zitiert in: Die Motivation menschlichen Handelns, Köln 1965, S. 205— 208.

  8. A. Mitscherlich, Zur Wesensbestimmung der Aggression, zitiert in: Die Motivation menschlichen Handelns, Köln 1965, S. 213/14: „Die Rolle der tolerablen Frustrierungen in der menschlichen Gesellschaft zu erkennen, wird zur obersten Aufgabe zeitgenössischer Kulturanalyse. Nicht jede schwere Versagung braucht zur Enthemmung der Aggressivität oder zu einer verhängnisvollen innerseelischen Auswirkung in Richtung der Apathie, Resignation, Depression und schließlich Psychose zu führen. Daß solche Ausbrüche der Asozialität und Prozesse der Verödung, des aktivitätsarmen Desinteressements, ihre Motivation in der sozialen Konstellation mindestens ebenso sehr wie in der anlagebedingten Reaktionsbereitschaft haben, wird kaum noch übersehen werden können.“

  9. T. Parsons, The Social System, zitiert in: Soziologie der Demokratie, von S. M. Lipset, Berlin 1962,

  10. H. Strotzka, Einführung in die Sozialpsychiatrie, rororo 1965, S. 127.

  11. Hans Strotzka, Einführung in die Sozialpsychia trie, a. a. O., S. 127.

  12. E. K. Scheuch, Materialien zum Phänomen des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik 1966, Köln 1967.

  13. H. Schmelzer, Wertsoziologische Analyse des Wahlverhaltens in Schleswig-Holstein, Köln 1967 (nichtveröffentlichte Untersuchung des Wema-Insti-tuts, Köln).

  14. S. M. Lipset, in: Soziologie der Demokratie, Berlin 1962, S. 14.

  15. S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, Berlin 1962, S. 70.

  16. S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, Berlin 1962, S. 70.

  17. E. K. Scheuch, Theorie des Rechtsradikalismus in westlichen Industriegesellschaften, Köln 1967.

  18. Robert A. Dahl und Charles E. Lindblom, Sieben Grundziele der Gesellschaftsgestaltung, Grundlagen der Wirtschaftspolitik, hrsg. von Gerard Gäfgen, Köln 1966.

  19. R. A. Dahl und Ch. E. Lindblom, a. a. O., S. 211— 214.

  20. R. A. Dahl und Ch. E. Lindblom, a. a. O., S. 214— 219.

  21. R. A. Dahl und Ch. E. Lindblom, a. a. O., S. 222/23.

  22. R. A. Rahl und Ch. E. Lindblom, a. a. O., S. 230.

  23. S. M. Lipset, Soziologie der Demokratie, S. 75.

  24. Unter Verwendung von unveröffentlichtem Material des Wema-Instituts, Köln 1967.

Weitere Inhalte

Hans Bachem, Diplom-Volkswirt, Referent des Sozialministeriums von Rheinland-Pfalz in Mainz, geboren 19. Mai 1935 in Arnoldsweiler bei Düren. Veröffentlichung von mehreren Beiträgen in den Materialien für wissenschaftliche Arbeitstagungen der Politischen Akademie Eichholz.