Es wird — relativ gesehen — in keinem Staat der Welt so viel für die Förderung der Wissenschaften und des Schul-und Erziehungswesens ausgegeben wie in den kommunistisch regierten Ländern. Ihre großen Anstrengungen fallen besonders dann auf, wenn man den niedrigen Lebensstandard dieser Völker berücksichtigt. Um den Lebensstandard zu heben, so behaupten die Ideologen, muß sich die wissenschaftliche Forschung dem nationalen Plan unterordnen. Die Wissenschaft wird also in den Dienst der wirtschaftlichen Entwicklung und der ideologischen Indoktrination der Bevölkerung gestellt. In jüngster Zeit erhält sie sogar als Rechtfertigung und Grundlage der Außenpolitik immer noch zunehmende Bedeutung. Das ist der Grund, warum vor allem die Naturwissenschaften gefördert werden, von den Geisteswissenschaften hingegen nur diejenigen, die für die ideologische und politische Zielsetzung des Staates wichtig sind, nämlich: Geschichte, Rechtswissenschaft, Politische Ökonomie, Sozialwissenschaften und vor allem, verständlicherweise, Marxismus-Leninismus.
Die „dienende Rolle" der Wissenschaft
Für den Begriff Wissenschaft gibt es im Marxismus-Leninismus zwei Definitionen:
1. „Allgemeine soziale Produktivkraft'', 2. „unmittelbare Produktivkraft".
Diese beiden Begriffe werden — wie es in der jetzigen philosophischen Literatur heißt — oft verwechselt bzw. gleichgestellt, obwohl sie keinesfalls die gleiche Bedeutung haben. Der erste Begriff weist nur auf die soziale Natur der Wissenschaft hin, der zweite auf die in der Produktion schon angewandte Wissenschaft *). Aus diesen Feststellungen geht deutlich hervor, daß sich die östliche Betrachtung über Wissenschaft und wissenschaftliche Forschung grundsätzlich von der westlichen Auffassung unterscheidet. Nach östlicher These sind Ideologie und Wissenschaft untrennbar. Bei den Naturwissenschaften ist der Kontakt zwar nicht so eng wie bei den Geisteswissenschaften, aber auch die Naturwissenschaften müssen weltanschaulich ideologisch ausgerichtet sein.
Nach der kommunistischen Ideologie muß die Wissenschaft materialistisch sein; sogar die Naturwissenschaften könnten nur auf der dialektischen materialistischen Weltanschauung beruhen. Der wichtigste Unterschied zwischen Natur-und Geisteswissenschaften sei nur, daß die Naturwissenschaften keine direkte Beziehung zur Partei und Klassengesellschaft hätten. Die marxistisch-leninistische Ideologie gibt sich als wissenschaftliche Ideologie, das heißt, alle Wissenschaften müssen mit ihr verbunden sein.
Die Ostblockstaaten lehnen die These der „reinen Wissenschaft", der „Wissenschaft für die Wissenschaft", grundsätzlich ab und ersetzen diese durch die der „Wissenschaft für das Volk". Wissenschaft und Wissenschaftler dürfen — laut kommunistischer Ideologie — nicht objektiv sein, zumindest nicht im Sinne der „bürgerlichen Objektivität". Eine solche Objektivität sei nur für die bürgerliche Reaktion vorteilhaft, wobei zu betonen sei, daß der Marxismus-Leninismus zwischen „Okjektivität" und „parteilicher Objektivität" eine grundsätzliche Unterscheidung macht.
Laut Ideologie muß die Wissenschaft „parteilich", das heißt parteigebunden, von der Partei geleitet und kontrolliert sein — genau so wie alle übrigen Elemente des ideologischen „Überbaus". Die Lenkung der Wissenschaft durch die Partei ist eine wichtige Garantie der Parteigebundenheit der wissenschaftlichen Arbeit. Sie geht von ler materialistischen Weltanschauung aus und stützt sich auf den dialektischen und historischen Materialismus. Es ist die Parteilichkeit, die die rasche Entwicklung der Wissenschaft garantiert.
Nach Aufassung der ostzonalen Wissenschaftler ist es die Partei, die durch richtungsweiB ’) Quellen-Angaben befinden sich in dem vom gleichen Autor verfaßten Werk: Die Wissenschaft in Osteuropa, Mainz 1967. Diese Studie ist eine kurze Zusammenfassung der erwähnten umfangreichen Arbeit. sende historische Beschlüsse Ziel, Zweck und Inhalt der historischen Forschung bestimmt. Der Präsident der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften, Frantisek Sorm, vertrat 1965 die Meinung: „Die Partei leitet die wissenschaftliche Forschung, damit sie deren Resultate der Menschheit zur Verfügung stellt. Die Parteiorgane müssen die Entwicklung der Wissenschaften nicht nur im allgemeinen, sondern auch operativ leiten und lenken."
Daraus ergibt sich, daß die Partei die Wissenschaftler in der freien Forschung einengt. Ausgangspunkt und Endresultat sind festgelegt. Allen wissenschaftlichen Arbeiten müssen die marxistisch-leninistische Dialektik und der historische Materialismus als Grundlage dienen. Dies bedeutet, daß auch die Forschungsmethoden und Gesichtspunkte für die Interpretierung der Erscheinungen schon im voraus bestimmt sind.
Der Wissenschaftler muß eine „parteiliche Objektivität" — statt der „bürgerlichen Objektivität“ — anstreben. Die „parteiliche Objektivität" schließt den sogenannten „idealistischen Objektivismus" grundsätzlich aus.
Während der Allunionskonferenz der Sowjet-historiker im Frühjahr 1963 deutete Ponomorew den Begriff „parteiliche Objektivität" folgendermaßen: „Als Kriterium der Parteilichkeit der Geschichtswissenschaft dient ihr politischer Inhalt; dieser hängt davon ab, inwieweit der Historiker seine Arbeit zu einem notwendigen, wirksamen und nützlichen Teil der allgemeinen Arbeit und des allgemeinen Kampfes des von der Kommunistischen Partei geleiteten Volkes macht."
Ein Angriff gegen den Grundsatz der Partei-gebundenheit in der wissenschaftlichen Arbeit kommt einem Angriff gegen das Volk, einem Versuch, dem Volk ein wirksames Instrument zum Umbau der Gesellschaft aus der Hand zu schlagen, gleich. Entscheidend für die Wissenschaft ist die Ideologie der Partei.
Nach kommunistischer Auffassung ist es die Parteigebundenheit der Wissenschaft, welche die genaue Aufdeckung der Gesetzmäßigkeiten in der Geschichte, in der Gesellschaft und in der Natur ermöglicht.
In dem Bericht über den IX. polnischen Historikerkongreß, der im September 1963 in Warschau stattfand, heißt es: „Die politische instellung des Forschers zugunsten des Sozialismus dient in der Geschichtswissenschaft" — und selbstverständlich auch in den übrigen Zweigen der Wissenschaft — „als Hauptbedingung der Parteilichkeit und der Objektivität, und zwar im Sinne der parteilichen Objektivität."
In der SBZ nimmt die Partei die Geschichtswissenschaft unmittelbar in den Dienst der politischen Kampfaufgaben. Die Geschichtsschreibung in der Sowjetzone hat zur Konsolidierung des Regimes in der SBZ beizutragen und vor allem sogenannte wissenschaftlich begründete Argumente für Propagandaangriffe gegen die Bundesrepublik zu liefern.
Aber nicht nur die wissenschaftliche Forschung muß parteigebunden sein. Auch die Bibliotheken, die Archive, die Justiz, die Staatsverwaltung und auch die Literatur, Kunst, Musik usw. sind an den Grundsatz der Parteilichkeit gebunden. Diese kommt besonders bei den Sozialwissenschaften, die die Aufgabe haben, die Klassenbeziehungen zu untersuchen, zum Ausdruck.
Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei definierte in seiner Sitzung, die Anfang Dezember 1965 in Prag stattfand, den Begriff „Parteilichkeit" folgendermaßen: „Parteilichkeit ist die Wahrheit selbst. Die Wahrheit über die Gesellschaft ergreift für den Sozialismus Partei. Und deshalb ist die Forderung nach Parteilichkeit der Sozialwissenschaften die Forderung nach Wahrheit über die Gesellschaft und nach systematischem Kampf gegen den Idealismus der bürgerlichen Wissenschaften, die, gleich welcher Gestalt — gewollt oder ungewollt —, die Wahrheit über die Gesellschaft in wesentlichen Fragen verbirgt und verschleiert."
Es ist bekannt, daß die Sozialwissenschaft — wie alle Wissenschaften — in der Stalin-Ära stark vom Dogmatismus betroffen war und daß in dieser Zeit das Prinzip der Parteigebundenheit der wissenschaftlichen Erkenntnisse verzerrt und versimpelt worden ist. Die Partei hat jetzt — so behaupten die KP-Ideologen — die Möglichkeit der Überwindung des Dogmatismus in den Sozialwissenschaften geschaffen. „Einige Historiker, Philosophen und Ästhetiker waren bestrebt, den Kampf der Partei um die Überwindung der Folgen des Personenkultes zu entstellen und die prinzipielle partei-mäßige Kritik zu mißbrauchen. Sie ermöglichten unter dem Deckmantel des Kampfes gegen den Dogmatismus das Eindringen und die Verbreitung von Ansichten und Konzeptionen, die dem Marxismus-Leninismus feindlich gegenüberstehen. Die Hauptgrundlage dieser Mängel besteht in der Tatsache, daß einige Wissenschaftler in ihren Arbeiten nicht von den Klassenpositionen der Arbeiterschaft ausgehen und dem kleinbürgerlichen Individualismus und Subjektivismus unterliegen" — heißt es in dem Beschluß des ZK der KPC vom 22. 12. 1964.
Die Partei hat also die Aufgabe, die Wissenschaftler davon zu überzeugen, daß sie durch ihren „Subjektivismus" nur die schädlichen Einflüsse der bürgerlichen Ideologie fördern und damit den Aufbau des Sozialismus erschweren. Der Aufbau des Sozialismus soll in erster Linie von der Sozialwissenschaft gefördert werden. Aus diesem Grunde läßt sich in letzter Zeit eine große Aktivität auf dem Gebiet der Sozialwissenschaft feststellen. Es wird in allen Ostblockstaaten zugegeben, daß diese Wissenschaft sehr vernachlässigt wurde. Akademiemitglied Tibor Erdei-Gruz urteilt (1965) über die Entwicklung der Sozialwissenschaften in Ungarn folgendermaßen:
„Tatsächliche Möglichkeiten für eine schöpferische, marxistisch-leninistische Förderung der Sozialwissenschaften entstanden erst nach 1953. Diese positive Entwicklung wurde aber als Folge des konterrevolutionären Putsches (gemeint ist der Volksaufstand von 1956) zum Stillstand gebracht. Erst nach der Niederwerfung der Konterrevolution nahm die Entwicklung der Sozialwissenschaften eine prinzipiell richtige Entwicklungslinie auf und seitdem wird diese Linie verfolgt. Die Sozialwissenschaften sind bei der Bekämpfung des Revisionismus und Dogmatismus behilflich. Die Sozialwissenschaftler studieren immer tiefgreifender die sozialwissenschaftliche, politische und kulturelle Praxis im Lande und entdecken die Gesetzmäßigkeiten der sozialen Entwicklung." Die Wissenschaft muß also der Partei und ihrer Politik dienen und beim „sozialistischen" bzw. „kommunistischen" Aufbau behilflich sein. Wie der ehemalige Leiter der ideologischen Kommission des Zentralkomitees der KPdSU, L. E. Iljitschew, beim Treffen der führenden Persönlichkeiten von Partei und Regierung mit den Schriftstellern und Künstlern 1962 erklärte, ist die Freiheit für das literarische, künstlerische und für das wissenschaftliche Schaffen nur so weit garantiert, als sie nicht gegen die Parteipolitik und die Interessen des kommunistischen Aufbaus mißbraucht wird. „Es gibt bei uns vollständige Freiheit zum Kampf für den Kommunismus. Aber es gibt keine und es kann keine Freiheit zum Kampf gegen den Kommunismus geben."
Die KPdSU verlangt in diesem Sinne rasche und vollständigste Umwandlung der Wissenschaft in unmittelbare „Produktivkraft". Diese kommt als indirekte Produktivkraft durch die Mehrleistung der Werktätigen, die sich die wissenschaftlichen Errungenschaften aneignen, zum Ausdruck.
Widerspenstige Wissenschaftler
Allerdings deuten mehrere Beispiele darauf hin, daß das kommunistische Regime erhebliche Schwierigkeiten dabei hat, den Wissenschaftlern die Parteigebundenheit aufzuzwingen. Der polnische Parteichef Gomulka tadelte auf dem XIII. Plenum des Zentralkomitees der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei (Sommer 1963) diejenigen Wissenschaftler, die eine „Entpolitisierung" wissenschaftlichen der Forschung gefordert hatten, Parteilichkeit und Wissenschaftlichkeit (und zugleich auch die Objektivität) voneinander trennten und der Meinung seien, Ideologie und Wissenschaft hätten miteinander nichts zu tun. Im Frühjahr 1964 warf die Partei den mehr Freiheit fordernden Wissenschaftlern und Literaten Abweichungen von der Parteilinie vor. Nach Meinung des Parteiideologen Grzybowski dürfe sich der echte Wissenschaftler von der Gesellschaft, in der er lebt, nicht isolieren. Das persönliche Interesse müsse er mit dem der Gesellschaft in Einklang bringen, wobei dem letzteren immer der Vorrang gewährt werden müsse.
Auch Viktor Koucky, Sekretär des Zentral-komitees KPC und der Partei, Chefideologe klagte während der Generalversammlung der Akademie der Wissenschaften der ÖSSR (3. April 1964), daß einige Vertreter der Sozial-wissenschaften Versuche unternommen hätten, die Parteilinie von rechts her zu revidieren. Die ideologische Kommission des Zentralkomitees der KPÖ sei wegen der neuen Entwicklungstendenz auf dem Gebiet der Sozialvrissenschaft sehr besorgt, Als abschreckendes Beispiel nannte Koucky die in Lidice abgehalB tene Konferenz über die Fragen des Kampfes gegen die bürgerliche Ideologie. Hier wurde nämlich die Forderung gestellt, die politische Ökonomie — einen der Hauptpfeiler des Marxismus-Leninismus — aus den Lehren des Marxismus-Leninismus auszuklammern. Koucky klagte weiter darüber, daß in der Publizistik Meinungen aufgetaucht seien, wonach Wissenschaft und Ideologie miteinander unvereinbar seien. In den Geisteswissenschaften zeigten sich in der Tschechoslowakei Bestrebungen, die die Entwicklung der marxistischen Philosophie von der praktischen Politik der Partei trennen wollten. Dies käme einer Häresie gleich. Die Philosophen müßten — wie es die Partei von ihnen verlangt — sich für die Einheit der Philosophie und der Politik der Kommunistischen Partei einsetzen. Sie für hätten die Aufgabe, die organische Verschmelzung des fortschrittlichen Denkens und des revolutionären Handelns zu Die kämpfen.
wissenschaftliche Forschung dürfe also nicht Selbstzweck zum werden. Wissenschaft und Wissenschaftler müßten dem Volk, das heißt der Partei dienen. Die Partei betrachtet sich als einzige richtige Vertreterin des Volkes.
Dies kommt auch in den Verfassungen der von Kommunisten regierten Staaten zum Ausdruck. Sie befürworten zwar die Förderung der Wissenschaft, jedoch nur unter der Bedingung, daß diese „dem Volk" dient. Art. 62 der polnischen Verfassung von 1952 erklärt: „Die Volksrepublik Polen sorgt für die allseitige Entwicklung einer Wissenschaft, die sich auf die Errungenschaften des hervorragenden Gedankengutes der Menschheit und des fortschrittlichen polnischen Gedankengutes stützt, einer Wissenschaft, die im Dienst des Volkes steht.“ Art. 53 der ungarischen Verfassung von 1949 lautet folgendermaßen: „Die Ungarische Volksrepublik unterstützt wirkungsvoll die wissenschaftliche Arbeit, die der Sache des Volkes dient, und die Kunst, die die Wirklichkeit, das Leben und den Kampf des Volkes darstellt und den Sieg des Volkes verkündet, und fördert mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln die Entwicklung einer dem Volk treu ergebenen Intelligenz." Es ist bemerkenswert, daß die sowjetische Verfassung von 1936 einen solchen Paragraphen nicht enthält. Das ist damit zu erklären, daß die großangelegte Förderung der Wissenschaft in der UdSSR erst viel später ihren Anfang nahm.
Neben der Wissenschaft soll auch die populärwissenschaftliche Literatur die Ideologie der Partei fördern. Die ideologische Kommission der ZK der KPdSU klagte Anfang 1964 darüber, daß die -populärwissenschaftliche Litera tur wenig Anziehungskraft besitze. Die aktuellen Probleme würden in ihr zu wenig beachtet. Das Niveau der philosophischen Auseinandersetzungen sei sehr niedrig. Es gäbe sogar einige Wissenschaftler, die halbausgearbeitete Thesen, ja sogar Hypothesen popularisierten, wodurch sie bei den Massen nur Verwirrung hervorriefen. Die populärwissenschaftlichen Broschüren und Zeitschriften über Technik und Naturwissenschaften beschränkten sich meist auf Fachprobleme und berücksichtigten nicht die Erläuterung von weltanschaulichen Problemen. Die Generalversammlung der Akademie der Wissenschaften beschloß im Oktober 1962, gemeinsam mit der Gesellschaft „ZNANIE" eine populärwissenschaftliche Serie „Die Wissenschaft für die Massen" herauszugeben. Sie hat die Aufgabe, die ideologischen und weltanschaulichen Probleme für die Massen zu deuten und zu verbreiten.
Wissenschaftliche Untermauerung der Außenpolitik
Laut kommunistischer Ideologie muß die Wissenschaft u. a. auch den Weg für die außen-politische Zielsetzung der Partei ebnen. Die Rechts-und Geschichtswissenschaften müssen die einzelnen Probleme der friedlichen Koexistenz erörtern, um der sowjetischen Außenpolitik breite Bewegungsfreiheit für die dialektische Interpretierung zu Die Aufgaben zur Erforschung der Geschichte und der heutigen Möglichkeiten der außenpolitischen Beziehungen der UdSSR wurden unter eine große Anzahl von wissenschaftlichen Instituten und Wissenschaftlern verteilt.
Die „Arabisten" und ihre Fachkonferenzen in der Sowjetunion müssen sich nicht nur mit der Geschichte des Nahen Ostens, sondern auch mit der wissenschaftlichen Klärung der Möglichkeiten und Voraussetzungen der sowjetischen Außenpolitik im arabischen Raum befassen. An 30 sowjetischen Hochschulen werden Spezialisten für Afrika und Asien ausgebildet. Spezielle Institute, vor allem für die Erforschung Asiens und Afrikas, bereiten den Weg für die sowjetische Außenpolitik auf diesem Gebiet vor. Das Studium und die For15 schung der Afrika-und Asien-Spezialisten wird in drei Richtungen geführt:
a) Politik und Wirtschaft, b) Geschichte, c) allgemeine Ideologie, wobei die sowjetischen Ostforscher gegen den westlichen Einfluß auftreten müssen. Das Präsidium der Akademie der Wissenschaften der UdSSR machte auf seiner Sitzung vom 12. Februar 1965 die Erforschung der Entwicklungstendenz in den afrikanischen Ländern zu einer der Hauptaufgaben. Der Direktor des Afrika-Institutes in Moskau, Akademiemitglied V. G. Solodownikow, umriß in einem im Mai 1965 veröffentlichten Artikel die Aufgabe des Institutes folgendermaßen: „Das Afrika-Institut muß alle Faktoren, welche auf die Entwicklung der afrikanischen Länder Einfluß ausüben, untersuchen. Die sowjetischen Afrikaspezialisten müssen sich vor allem mit folgenden Fragen auseinandersetzen: a) mit dem Gebiet der Wirtschaft, b) mit der Verallgemeinerung der Erfahrungen der wirtschaftlichen und technischen Zusammenarbeit der Sowjetunion mit den afrikanischen Ländern, c) mit der Erforschung der Ökonomie der einzelnen Länder, d) mit den Problemen der regionalen Integration in Afrika, e) mit der Mobilisierung von Kapital für die Förderung der Wirtschaft, f) mit den Problemen des Außenhandels, der ausländischen Schulen, g) der Beziehung zum privaten ausländischen Kapital usw. Das Institut hat die Aufgabe, die Entstehung von Klassen und politischen Parteien zu untersuchen. Es muß die ideologischen Aspekte des Klassenkampfes, die lokalen sozialistischen Doktrinen (z. B. . afrikanischer Sozialismus'), die nationalen Interessen der einzelnen Länder, die Frage der afrikanischen Integration und der politischen Koordination erforschen. Von besonderem Interesse ist das Studium der afrikanischen Geschichte, denn diese ist ein . wichtiger Bestandteil des ideologischen Kampfes'.“
Die wichtigsten Diskussionsthemen der sowjetischen Ostkunde waren im Jahre 1965 folgende: — die allgemeine und besonders die politische Entwicklung des asiatischen Ostens (bzw. Afrikas und Lateinamerikas), vor allem die besonderen Aspekte der allgemeinen, objektiven Gesetzmäßigkeiten der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft in diesen Gebieten; — die asiatische Produktionsmethode; — das Studium der Geschichte der östlichen Völker an den Hochschulen;
— Periodisierung der Geschichte des Ostens; — humanistische Tendenzen in der wissenschaftlichen und schöngeistigen Literatur des Ostens;
— die Sprachgruppen der Ostvölker;
— die Sprachen in den afroasiatischen Ländern. Nach der Fachzeitschrift für afroasiatische Probleme „Narody Azii i Afriki" (Die Völker Asiens und Afrikas) konzentriert sich die Diskussion in den kommenden Jahren erneut auf politische und wirtschaftliche Probleme der afroasiatischen Länder.
Auch in Polen widmet der Staat den der Außenpolitik dienenden wissenschaftlichen Forschungen große Aufmerksamkeit, wobei es sich vor allem um die Verteidigung der Oder-Neiße-Linie und das deutsch-polnische Verhältnis handelt. Es wurde ein „Westinstitut“ für die erwähnten Aufgaben errichtet, und die Polnische Akademie der Wissenschaften veröffentlicht ständig Arbeiten aus diesem Forschungsgebiet. Sogar den vom Staat finanzierten „regionalen wissenschaftlichen Gesellschaften" und ihren unmittelbar der Aufsicht und Kontrolle durch die Akademie der Wissenschaften unterstellten Instituten wurde als eine der wichtigsten Aufgaben der Kampf gegen die „westdeutsche revisionistische Propaganda" gestellt (Institut für Schlesien in Oppeln, Schlesisches wissenschaftliches Institut in Kattowitz, das Baltische Institut, die wissenschaftlichen Gesellschaften von Danzig, Breslau, Posen und Thorn u. a.). Diese Gesellschaften und ihre Institute entfalteten besonders seit 1957 eine beachtenswerte politische Tätigkeit.
Die Wissenschaft hat besonders in der SBZ die Politik der kommunistischen Partei zu rechtfertigen. Die Wissenschaftler in der Sowjetzone werden gezwungen, u. a. für die Errichtung der Mauer in Berlin eine wissenschaftlich fundierte Begründung zu geben. Es heißt wörtlich: „Im Morgengrauen des 13. August 1961 nahmen bewaffnete Organe der DDR gemeinsam mit den Kampfgruppen der Berliner Arbeiterklasse die Grenze gegenüber Westberlin zuverlässig unter Kontrolle. Damit war der abenteuerlichen imperialistischen Provokationspolitik der Weg verbaut. Jetzt gab es keine Möglichkeit mehr, von Westberlin aus gegen die DDR Provokationen zu starten. Noch ehe die geplante Aggression begonnen hatte, war sie zusammengebrochen. Durch diese entschlossene Aktion rettete die DDR den Frieden in Mitteleuropa und damit auch in der Welt, denn aus den militärischen Handlungen der imperialistischen Kräfte hätte sehr leicht ein atomarer Weltkrieg entstehen können.
Mit dem 13. August 1961 zeigt sich der Bankrott der Deutschlandpolitik Adenauers ganz offen. War in der vorhergehenden Zeit bewiesen worden, daß die Versuche der , Aufweichung'der DDR kein Ergebnis zeitigten, so war nun der Beweis dafür erbracht, daß auch die militärische Aktion mit dem Ziel, die imperialistische Macht nach Osten auszudehnen, keinerlei reelle Chance hatte. Den imperialistischen Kräften wurde sogleich die Möglichkeit genommen, die DDR ökonomisch zu schädigen und den Wirtschaftskrieg gegen den sozialistischen Aufbau fortzusetzen. Das reelle Kräfteverhältnis in der Welt wurde auch in Deutschland eindeutig sichtbar. Die ganze Gefährlichkeit, aber auch die Sinnlosigkeit der Bonner Politik lag offen zutage."
Die Partei dirigiert die Wissenschaft
Die Einschränkung der Freiheit des Wissenschaftlers im Ostblock ergibt sich bereits aus der staatlichen Planung und der damit verbundenen Kontrolle. Der Wissenschaftler hat also nur einen beschränkten Raum für die Auswahl seiner Forschungsthemen; er ist an die im Forschungsplan aufgestellten Themen strengstens gebunden. Außerdem werden Wissenschaftler und Wissenschaft durch Parteileitung und -kontrolle noch viel mehr eingeengt. Dabei muß betont werden, daß sowohl die durch die Planung als auch durch die Parteileitung und -kontrolle erfolgte Gebundenheit gerade erst im Aufbau begriffen ist. Es ist also anzunehmen, daß im Laufe der kommenden Jahre der Drude auf die Wissenschaftler noch größer sein wird und daß sie in ihrer Freiheit noch mehr eingeengt werden als bisher.
Das am 31. Oktober 1961 angenommene neue Statut der KPdSU dehnt die unmittelbare Leitung und Kontrolle durch die Grundorganisationen der Partei auch auf die wissenschaftlichen Forschungsinstitute aus (was bis dahin nicht der Fall war), wenn ihre Tätigkeit mit der Wirtschaft verbunden ist, was meistens der Fall ist. Art. 59 des neuen Statuts besagt: „Die Grundorganisationen der Partei in den Industrie-und Handelsunternehmen, Staats-gütern, Kollektivwirtschaften, Projektierungsund Konstruktionsbüros sowie Forschungsinstituten, die unmittelbar mit der Produktion verbunden sind, haben das Recht, die Tätigkeit der Betriebsleitung zu kontrollieren."
Nach den gültigen Thesen des sowjetischen Verwaltungsrechts gehören Kontrolle und Leitung zusammen: „Wer leitet, der kontrolliert" und umgekehrt. Die Tatsache, daß diese Parteikontrolle in staatlichen Rechtsnormen — in den Normen des sogenannten äußeren Staatsrechts — nicht verankert wurde, ändert nichts an der Lage, denn praktisch sind die Normen des internen Staatsrechts, das heißt des Partei-rechts, für das Funktionieren aller Organe im Staat maßgebend.
1. Die in den Forschungsinstituten tätigen Parteiorganisationen errichteten im Sinne des oben angeführten Paragraphen des Parteistatuts spezielle Kontrollkommissionen. So wurden allein in Leningrad 400 solcher Parteikommissionen mit etwa 2500 Kommunisten für die Kontrolle der Forschungsinstitute geschaffen. 2. Die „Kaderpolitik" wird nicht nur in der Staats-und Wirtschaftsverwaltung, sondern auch in den Forschungsinstituten allein von der Partei bestimmt. Art. 2 Abs. „h" des Parteistatuts vom 31. Oktober 1961 lautet:
„Das Parteimitglied ist verpflichtet, unentwegt die Weisungen der Partei über die Auslese der Kräfte nach ihrer politischen und fachlichen Eignung einzuhalten, stets unversöhnlich zu sein, wenn die Leninschen Prinzipien der Auslese und Erziehung der Kader verletzt werden ..."
Dieser Paragraph wirkt sich in der „Kaderpolitik" der Forschungsinstitute so aus, daß die politisch Zuverlässigen und nicht die fachlich Geeigneten Vorrang haben. Im Institut für Wirtschaftswissenschaft der Unionsrepublik Moldau haben zum Beispiel 65 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeiter keine Hochschulbildung. Sie wurden auf Grund der „Vetternwirtschaft" berufen. In der Akademie der Wissenschaften von Sowjetmoldau arbeiteten 1963 mehr als 100 Personen, die miteinander verwandt waren. Im Rechenschaftsbericht des XX. republikanischen Par17 teikongresses des ZK der KP von Sowjetlettland klagte man 1966 darüber, daß im Forschungsinstitut für Viehzucht die Abteilungsleiter und andere leitende Funktionäre auf der Basis der „Vetternwirtschaft" ernannt wurden.
3. Die „Parteidisziplin" ist die Gewähr dafür, daß die Parteikader die führenden Posten bekleiden und den Parteianweisungen unbedingt Artikel nachkommen. 2 Abs. „i" des Statutes vom 31. Oktober 1961 besagt:
„Das Parteimitglied ist verpflichtet, die für alle Parteimitglieder im gleichen Maße bindende Partei-und Staatsdisziplin zu wahren. In der Partei besteht eine Disziplin, ein Gesetz für alle Kommunisten, unabhängig von ihren Verdiensten und Posten." Dieses Prinzip der „Parteidemokratie" kann aber infolge des Zentralismus nicht zur Geltung kommen.
4. Die stark zentralisierte Struktur des Parteiaufbaus trägt einerseits zur Festigung der zentralen Leitung der wissenschaftlichen Institute, andererseits aber zur Vervollkommnung der Leitung und Kontrolle durch die Partei bei. In Leningrad wurden bei den Bezirks-Parteikomitees für die im Bezirk befindlichen Forschungsinstitute spezielle „gesellschaftliche" Parteikommissionen zur Förderung des technischen Fortschrittes errichtet. Alle höheren Parteiorgane haben eine Abteilung oder eine Gruppe innerhalb einer Abteilung oder mindestens eine gesellschaftliche Kommission für die Leitung und Kontrolle der wissenschaftlichen Institutionen. Sowohl im ZK der KPdSU als auch in den Zentralkomitees der Sowjetrepubliken gibt es spezielle Abteilungen für Leitung der -wissenschaft die lichen Institute, Hochschulen und der Forschung. es vor einigen Jahren nur im Rahmen des ZK der KP Weißrußlands eine solche gab, heute alle ZK Abteilung haben eine entsprechende Abteilung errichtet. Daran ist zu erkennen, welche der wissenschaftlichen Forschung in der Sowjetunion beigemessen wird.
5. Es sind die Parteiorgane, die in ihren Beschlüssen die Aufgaben und Richtlinien der Tätigkeit der wissenschaftlichen Organe bestimmen. Die Grenzen der Parteileitung zu bestimmen, ist kaum möglich. Obwohl im Parteistatut betont wird, daß die Partei die Tätigkeit der staatlichen Verwaltung — in diesem Fall die Tätigkeit der Institutsleitung — nicht beeinflussen darf, kommt es in Wirklichkeit jedoch sehr oft vor, daß sich die Parteiorganisation in die Institutsarbeit einmischt und wichtige Entscheidungen fällt. Das offizielle Organ des ZK der KPdSU „Partijnaja izn‘" schrieb (8/1965) in diesem Zusammenhang: „Leider ist es keine seltene Erscheinung, daß die Partei-komitees und das Parteibüro und ihre ständigen Kommissionen ihre Kompetenzen überschreiten. Es geschieht gewöhnlich in guter Absicht, um der Institutsleitung Hilfe zu leisten ..."
An den Hochschulen und Universitäten wurde im Rahmen des Parteikomitees der Hochschule bzw.der Universität eine ideologische Kommisson ins Leben gerufen. Diese hat drei Sek -toren:
1. für die Fragen des ideologischen Inhaltes der Vorlesungen, 2. für Agitation und Propaganda, 3. für kulturelle Arbeit unter den Massen.
An den sowjetischen Hochschulen wurden — ähnlich wie in den Betrieben, an Baustellen und wissenschaftlichen Forschungsinstituten — im Sinne des Beschlusses des Novemberplenums (1962) des ZK der KPdSU Gruppen und die mit Posten für Zusammenarbeit den Organen der Partei-und Staatskontrolle (seit Ende 1965 Volkskontrolle) gebildet. An den sowjetischen gab es 1965 21 Gruppen und 34 solcher Posten. Ihre Mitglieder sollen so ausgewählt werden, daß sie alle Gebiete der Lehre, Forschung und der Verwaltung der unter Kontrolle haben. In ihnen waren 1965 300 Personen Besondere Aufmerksamkeit wird der Kontrolle über die Qualität des Unterrichts zur Förderung der wissenschaftlichen Forschungen und deren Nutzung in der Produktion gewidmet.
Partei und Wissenschaft am Beispiel Polens
Auch in den Volksdemokratien hat sich das gleiche Verhältnis zwischen Partei und Wissenschaft entwickelt. Es wird betont, daß die Parteiführung nicht als eine administrative Leitung aufgefaßt werden dürfe, daß die Wis-senschaftler auch auf eigene Initiative handeln könnten und daß sie nicht immer auf Partei-anweisung warten müßten. Die Wissenschaftler sollten den Parteiorganen vielmehr Empfehlungen unterbreiten, nach denen dann die Partei ihre Beschlüsse faßt. In Wirklichkeit bleibt dies nur eine These.
Das offizielle Organ des polnischen ZK „Zycie partii“ („Parteileben", 12/1965) erklärte im Zusammenhang mit der Arbeit der Partei an den Hochschulen, daß die Parteiorganisationen an den Hochschulen und Universitäten auf zwei Gebieten zu arbeiten haben. Einerseits sollen sie sich für die Heranbildung von jungen Akademikern einsetzen und die Kontakte zwischen Wissenschaft und Produktion fördern. Andererseits müssen sie die ideologisch-politische Gesinnung der Wissenschaftler festigen. Beide Hauptaufgaben hängen miteinander eng zusammen.
Eine Schwierigkeit entsteht jedoch infolge der (beschränkten) Autonomie der Hochschulen und Universitäten. Die Rektoren und Dekane werden zwar gewählt, die Partei muß aber dafür sorgen, daß vom Recht auf die Wahlen „richtig und den Interessen der Gesellschaft" entsprechend Gebrauch gemacht wird.
Die Parteiorganisationen sollen sich für die richtige Auslegung des Begriffes „Hochschulautonomie" einsetzen. „Es gibt unrichtige Meinungen, wonach diese die Autonomie einzelner Hochschulen und Lehrstühle bedeutet und nicht des gesamten Hochschulwesens." Eine weitere Aufgabe der Parteiorganistionen an den Hochschulen und Universitäten ist die Sorge für die Vervollkommnung der Organisation der Arbeit sowie der gesamten Struktur des Hochschulwesens.
Es ist die Partei, die die wissenschaftlichen Aufgaben bestimmt. Das ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei legte in seiner Sitzung im Frühjahr 1965 die Aufgabe der Partei bezüglich der wissenschaftlich-technischen Basis in der Volkswirtschaft folgendermaßen fest: „I. Die wichtigsten Auigaben der wissenschaftlichen Forschungsinstitute und Zentrallaboratorien in der Industrie 1. Die ganze Forschungs-und technische Kapazität der Institute und Laboratorien muß für die Lösung der Aufgaben mit den gegenwärtigen und Perspektivbedürfnissen der Industrie verbunden sein. Die Tätigkeit der wissenschaftlichen Institutionen muß zur Beseitigung der veralteten, unwirtschaftlichen und die Entwicklung erschwerenden technologischen Verfahren, zur Vervollkommnung der Organisationsmethoden der Produktion beitragen.
2. Die wissenschaftlichen Institutionen müssen beauftragt werden, das technische Niveau der Industrie zu prüfen und mit dem Ausland zu vergleichen.
3. Die wissenschaftlichen Institutionen müssen eine breite Tätigkeit auf dem Gebiet der Information, der Ausbildung von Forschern, Konstrukteuren und Technologen entfalten, wobei sie sowohl die inländische als auch die ausländische Entwicklung berücksichtigen müssen.
II. Die Koordinierung der wissenschaitlichen Forschungsstellen und die Ausnutzung ihrer Erfolge 1. Die Ministerien und Industrievereinigungen müssen sowohl für die Arbeit in den ihnen unterstellten wissenschaftlichen Institutionen als auch für die Einführung der Errungenschaften der Forschungen in der Produktion die Verantwortung tragen.
2. Die Tätigkeit der wissenschaftlichen Institutionen muß danach bewertet werden, wieweit sie zur Förderung der Technik in der Industrie beitragen.
3. Die Ministerien und die Industrie-Vereinigungen müssen die Forschungen in den ihnen unterstellten wissenschaftlichen Institutionen koordinieren, und zwar vom Beginn der Forschung bis zur Einführung der Forschungsergebnisse in die Produktion.
III. Planung und Organisation der Arbeit in den wissenschaftlichen Forschungsstätten 1. Die Arbeitspläne der Institute müssen auf die Entwicklungspläne der entsprechenden Industriebranchen abgestimmt werden. Die Plan-entwürfe der Institute müssen allen interessierten Betrieben zur Verfügung gestellt werden. Die Ministerien und Industrie-Vereinigungen müssen die Planentwürfe prüfen und bestätigen, wobei sie dafür sorgen müssen, daß dieselben Themen nicht zweimal bearbeitet werden. Die Tätigkeit der Ministerien und Industrie-Vereinigungen muß auf eine maximale Konzentration der Kräfte und Mittel in den Forschungsinstitutionen für die Lösung der wichtigsten Forschungsprobleme ausgerichtet sein . ..
IV. Die Förderung der wissenschaftlich-technischen Basis 1. Das Komitee für die Förderung der Wissenschaft und Technik muß die Ausmaße und die Struktur der technischen Basis der einzelnen Industriezweige prüfen. Auf Grund dieser Prüfung muß das Programm für die Aufhebung der Disproportionen ausgearbeitet werden. Parallel muß ein Plan für die Garantie der entsprechenden Grundlage für alle Industrie-branchen laufen ..."
In dem Beschluß des ZK der Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei wird darüber geklagt, daß die Kontakte zwischen den Instituten und der Industrie noch immer nicht genügend geregelt wurden. In vielen wissenschaftlichen Institutionen beobachte man noch Partikularismus, thematische Aufspaltung, und die Forschungsaufgaben würden von geringer wirtschaftlicher Effektivität erfüllt.
Der Theorie nach sollte die Partei die störungsfreie, disziplinierte und zentralgeleitete Arbeit der Institute garantieren. In der Tat sind es aber gerade die Parteiorganisationen, die die Tätigkeit der Institute erschweren. Die höhere Parteiführung lehnt zwar „jene Methode, bei der den Wissenschaftlern kurzfristige Anordnungen erteilt werden ..., ab“, in der Praxis läßt sich dies jedoch kaum vermeiden. Da die Parteimitglieder sich vor der Partei für ihre im Institut geleistete Arbeit zu verantworten haben, kann eine „Kommandierung" — wie es im Parteistatut heißt — nicht ausbleiben.
Vaclav Rab klagte in einem 1964 veröffentlichten Aufsatz darüber, daß sich einige Genossen fragen, wem sie verantwortlich sind: der Wissenschaft, den wissenschaftlichen Tatsachen, der wissenschaftlichen Analyse, der Partei oder dem Zentralkomitee.
„Ich muß schöpferisch arbeiten, wenn die Resultate meiner Forschungsarbeiten zu neuen Kenntnissen führen sollen, die von der Partei-stellungnahme abweichen ... Es ist nicht möglich", schreibt Vaclav Rab weiter, „die schöpferische theoretische Arbeit auf dem Gebiet der sozialen Forschungen der Parteiverantwortung und der Parteidisziplin eines Kommunisten-Theoretikers gegenüberzustellen. Außerdem darf nicht vergessen werden, daß der Theoretiker auf dem Gebiet der Sozial-wissenschaften ein Teil Und ein Instrument der Parteiarbeit ist, dessen Aufgabe es ist, Kenntnisse zu sammeln. Er entwickelt die Wissenschaften im Interesse der Partei. Die Ergebnisse seiner Arbeit dienen der Partei. Es gibt also keine objektiven Bedingungen für die Entstehung und Existenz von scharfen Gegensätzen zwischen der theoretischen Forschung und der praktischen Tätigkeit der Partei, denn beide dienen dem gleichen Zweck. Außerdem sind die Wissenschaftler nicht die einzige Quelle für die Sammlung von Kenntnissen. Es ist also allein die Partei, die fähig ist, die Sozialwissenschaften zu entwickeln."
Es muß festgestellt werden, daß die Parteimitglieder fachlich oft hinter den parteilosen Wissenschaftlern Zurückbleiben. Bei den Parteimitgliedern werden Kenntnisse durch die Parteizugehörigkeit ersetzt.
Die Parteimitglieder sind meist mit „gesellschaftlicher Arbeit" überlastet; sie müssen laufend verschiedenen Sitzungen beiwohnen. Das war u. a.der Grund, weshalb die Parteilosen im Budapester Forschungsinstitut für Physik (1962) den Beitritt zur Partei einem Rückfall auf wissenschaftlichem Gebiet gleichstellten. In den Leningrader Forschungsinstituten sind etwa 20 Prozent aller Sekretäre der Partei-organisation in den wissenschaftlichen Instituten Träger eines akademischen Titels (wie sie in den Besitz dieses Titels kamen, wird nicht erwähnt!). Die Planerfüllung von Wissenschaftlern und Forschungsinstituten wird nur von zuverlässigen Kommunisten geprüft. Sie sind verantwortlich für die weltanschauliche „Entwicklung" der parteilosen Wissenschaftler. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß die Parteizugehörigkeit nicht unbedingt verlangt wird. Aus manchen Berichten kann man sogar darauf schließen, daß man keinen Wert darauf legt, daß die Vertreter der technischen Wissenschaften in die Partei eintreten. Die Parteiführung in der Wissenschaft hat zur Folge, daß einige Parteimitglieder manche Gebiete der Wissenschaft „monopolisieren", alle übrigen Vertreter des betreffenden Wissenschaftsgebietes, besonders wenn sie parteilos und begabt sind, unterdrücken und von der wissenschaftlichen Führung fernhalten. Die Partei betrachtet also, sowohl in den Volksdemokratien als auch in der Sowjetunion, Wissenschaft und Wissenschaftler als ihre wichtigsten Helfer bei der Ausarbeitung der Theorie und der Praxis der Erziehung des neuen Menschen, des „kommunistischen Menschentyps". Die Wissenschaftler müssen einen ständigen Kampf gegen alles, was der sozialistisch-kommunistischen Entwicklung im Wege steht, führen.
Wissenschaft als Mittel internationaler Zusammenarbeit
Die Staaten des Ostblocks streben seit einigen Jahren eine engere Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Wissenschaft an. Diese umfaßt in erster Linie die technischen und Naturwissenschaften. Das Ziel ist die Aufhebung der parallelen Forschungen bzw. die Koordinierung der Forschungsarbeiten.
Zur Förderung der Zusammenarbeit gibt es im Ostblock zwei Wege:
1. die zweiseitigen Vereinbarungen, 2. die vielseitigen Vereinbarungen.
Beide Wege werden mit der gleichen Intensität betrieben. Die Zusammenarbeit der Akademien der Wissenschaften der Ostblockländer hat sich in der ersten Periode auf Grund von zweiseitigen Verträgen entwickelt. Im Februar 1965 wurde zwischen den Vertretern der tschechischen Kommission für die Förderung und Koordinierung der Wissenschaft und Technik und dem polnischen Komitee für die Förderung der Wissenschaft und Technik in Prag ein Abkommen getroffen.
Die Verhandlungen konzentrierten sich auf das Programm der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit in den Jahren von 1966 bis 1970 sowie auf die Methoden zur Erfüllung der gestellten Aufgaben. Außerdem wurden die wichtigsten Richtlinien der Zusammenarbeit in den einzelnen Wissenschaftszweigen vereinbart. Für die Koordinierung von wichtigen Aufgaben wurden gemeinsame wissenschaftlich-technische Räte gebildet. Wichtige Aufgaben sollen von gemischten Arbeitsgruppen gemein gelöst werden. Es wurde ferner vereinbart, daß das Forschungsinstitut eines Landes die Resultate der Forschungen dem anderen Land zur Verfügung stellt. Eine unmittelbare und enge Zusammenarbeit zwischen dem Polnischen Komitee und der Tschechoslowakischen Kommission wurde beschlossen. Die gemeinsam durchzuführenden Forschungen sollen unter der Kontrolle dieser Organe durchgeführt werden. Diese Forschungen umfassen u. a. die Automation in der Hüttenindustrie und einige Gebiete der chemischen Industrie. Ende November 1963 wurde ein tschechoslowakischsowjetisches Abkommen über die Errichtung einer tschechoslowakisch-sowjetischen Regierungskommission für die wirtschaftliche und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit unterzeichnet. Hauptaufgabe des neuen Organs ist die Erweiterung der wissenschaftlichen Beziehungen, und zwar im Sinne der internationalen Arbeitsteilung. Eine der Hauptaufgaben der Kommission ist die Lösung der mit der Koordinierung der Perspektivpläne und der kurzfristigen Pläne zusammenhängenden Probleme. Die Errichtung der Kommission hat besondere Bedeutung, da die Perspektivpläne bis 1970 ausgearbeitet werden sollen. Die Kommission soll die Spezialisierung und Kooperation auf den wichtigsten Gebieten der industriellen Produktion durchführen (vor allem in der Brennstoffindustrie, in der Energetik und in der Eisenverhüttung, in der Buntmetallindustrie, im Maschinenbau, in der chemischen und Konsumgüterindustrie und im Verkehr).
Zwischen den beiden Ländern bestand schon seit Jahren eine rege wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit auf Grund eines Abkommens vom Jahre 1947. Die neue Kommission soll die Erfolge und Erfahrungen dieser Zusammenarbeit weiter ausbauen. Man rechnet damit, daß die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit mit der wirtschaftlichen Arbeit eng verbunden wird. Das neue Organ soll „fortschrittliche Formen" der Zusammenarbeit anwenden, vor allem bei der Koordinierung der Tätigkeit der wissenschaftlichen Forschungsinstitute und beim Austausch von Forschungsergebnissen. Es soll ferner den unmittelbaren Kontakt zwischen den Forschungsinstituten und Projektierungs-und Planungsinstitutionen beider Länder entwickeln. Die Beschlüsse der Kommission sollen zum breiten Austausch der Produktionserfahrungen wesentlich beitragen. Die Kommission führt ihre Tätigkeit im Sinne des Statuts des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) aus. In der Kommission sind auch leitende Funktionäre Mitglied. Der tschechoslowakischen Kommission gehören u. a. zwei Vizeministerpräsidenten, der Außenhandelsminister, der Minister für Hütten-und Maschinenindustrie und der Präsident der staatlichen Kommission für die Koordinierung der Wissenschaft und Technik an.
Eine der wichtigsten Aufgaben der Kommission ist also die Ausarbeitung der wirtschaftlichen Beziehungen beider Länder bis 1970 und die Spezialisierung der tschechoslowakischen Maschinenbauindustrie.
In letzter Zeit ist man immer mehr bemüht, „eine internationale sozialistische Arbeitsteilung" auf dem Gebiet der Wissenschaft auf Grund vielseitiger Verträge einzuführen. Die Grundlage für eine solche Zusammenarbeit wurde im März 1962 in Warschau anläßlich der Konferenz der Vertreter mehrerer Akademien der Wissenschaften geschaffen. Seitdem wurden weitere drei Konferenzen abgehalten, die letzte im Dezember 1964 in Moskau. Die Koordinierung der vielseitigen wissenschaftlichen Zusammenarbeit übernimmt immer eine der Akademien, in der Praxis die des Landes, in dem die betreffende Konferenz stattgefunden hat. Bei diesen Konferenzen werden die gemeinsamen Forschungspläne und -themen aufgestellt bzw. die Resultate der gemeinsamen Forschungen geprüft.
Die Zusammenarbeit der polnischen Akademie der Wissenschaften mit dem Ausland entwikkelte sich in den letzten Jahren recht günstig. Zwischen 1952 und 1964 fuhren etwa 10 000 polnische Wissenschaftler ins Ausland. Während der gleichen Zeit kamen mehr als 9000 ausländische Wissenschaftler nach Polen. Die Zusammenarbeit mit den Akademien der Ostblockstaaten wird vor allem im Rahmen von Jahresplänen oder Zweijahresplänen geregelt. Von großer Bedeutung ist die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf Grund von Austauschstipendien und eigenen Stipendien. Polen hat bereits 1964 für die wissenschaftliche Zusammenarbeit Vereinbarungen mit der UdSSR, Bulgarien, der CSSR, der SBZ, Rumänien, Jugoslawien, Kuba und der Mongolei getroffen.
Die Polnische Akademie der Wissenschaften entwickelte ihre Beziehungen ebenfalls zu den westlichen Ländern. Sie entsandte 1963 in 25 Länder Wissenschaftler; 31 westliche Wissenschaftler hielten sich für längere Zeit in Polen auf.
Besonders gute Kontakte wurden zur Französischen Akademie der Wissenschaften angeknüpft. Die Polnische Akademie der Wissenschaften hat in Paris ein eigenes wissenschaftliches Büro. Eine ähnliche Stelle existiert auch in Rom. Günstig entwickelte sich die Zusammenarbeit auch mit Österreich, Belgien, Holland und mit den skandinavischen Ländern. Bezüglich der wissenschaftlichen Zusammenarbeit hat die Tschechoslowakei auch mit den westlichen Ländern, und zwar mit Italien, Frankreich und Großbritannien, Abkommen getroffen. Diese Abkommen beziehen sich vor allem auf gegenseitige Information, den Austausch von Gelehrten und Wissenschaftlern und den Ankauf von Patenten. Die Beziehungen der Tschechoslowakischen Akademie der Wissenschaften zu der Bundesrepublik Deutschland wurden wesentlich verbessert.
Die Sowjetunion ist besonders bestrebt, eine intensive Zusammenarbeit mit den unterentwickelten Ländern herzustellen; dieser Aufgabe dient z. B. das Afrika-Institut.
Die Schwierigkeit der internationalen Kontaktnahme im Ostblock liegt in erster Linie darin, daß sie völlig vom Staat abhängt. Dies hängt nicht nur mit der Paßregelung und der Devisenwirtschaft, sondern auch mit der Hinderung der Kontaktnahme auf andere Weise zusammen. Die Kontaktnahme ist nur über die zuständigen staatlichen Organe möglich. Sogar in Polen, wo in dieser Beziehung weitaus die größte Freiheit gewährt wird, ist der Koordinator des wissenschaftlichen Austausches, der von den einzelnen Ressorts der Polnischen Akademie der Wissenschaften, den Hochschulen und wissenschaftlichen Instituten organisiert bzw. initiert wird, das Außenministerium. Das Außenministerium führt auch eine ständige Kontrolle über die Entwicklung der wissenschaftlichen Beziehungen zum Ausland. Der unmittelbare Leiter und Kontrolleur ist in den meisten Ostblockstaaten das Amt (auch Institut genannt) für kulturelle Beziehungen zum Ausland.
Die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften wird meist in Form von Arbeitsteilungen zwischen den einzelnen wissenschaftlichen Institutionen des Ostblocks gefördert. Zu diesem Zweck werden Konferenzen für die Vertreter der einzelnen Nationalen Akademien der Wissenschaften abgehalten. Ähnliche Konferenzen werden auch für die Leiter der einzelnen nationalen Institute für Staats-und Rechtswissenschaften, Philosophie, Geschichtswissenschaften einberufen. Außerdem gibt es noch eine sich auf Verträge stützende Zusammenarbeit zwischen allen bereits erwähnten Institutionen. Man ist neuerdings bemüht, diese zweiseitige Zusammenarbeit auf vielseitige umzuschalten. Diese Verträge haben aber — genau so wie die mehrseitigen Verträge — einen planmäßigen Charakter. Die zweiseitigen Verträge, z. B. zwischen den einzelnen Akademien der Wissenschaften, bilden eigentlich einen Teil der vielseitigen Vereinbarungen aller Akademien der „sozialistischen" Länder.
Es sind u. a. die ständigen Kommissionen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) für die einzelnen Wirtschaftsgebiete, die, parallel zu den Wirtschaftsproblemen, auch die gemeinsamen Forschungen regeln und gemein-B same Forschungsaufgaben aufstellen. Die XV. Session des RGW (1962) stellte sogar eine ständige Kommission für die Koordinierung der wissenschaftlichen und technischen Forschungen auf, die für die Förderung der wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit, für die Koordinierung der Zusammenarbeit bei den wichtigsten Forschungsaufgaben, die den übrigen gegenüber einen Vorrang haben müssen, einen speziellen Plan ausarbeiten. Abgesehen von den kurzfristigen Plänen muß die Kommission auch einen langfristigen Plan bis 1980 ausarbeiten.
Außerdem haben auch die nationalen Organe für die Förderung der wissenschaftlichen Forschungen die Aufgabe, die internationale Zusammenarbeit zu intensivieren. Dies betrifft vor allem die Komitees für die Koordinierung der wissenschaftlichen Forschungen und die Akademien der Wissenschaften, die für diesen Zweck spezielle Abteilungen errichtet haben. Zwischen den Instituten und den Redaktionen der Zeitschriften für Philosophie der Ostblockländer entwickelten sich, besonders nach dem XX. Parteikongreß der UdSSR, lebhafte Beziehungen im gemeinsamen ideologisch-theoretischen Kampf gegen die bürgerliche Philosophie und Soziologie, gegen den „Reformismus", „Revisionismus und Dogmatismus", im Dienste der gemeinsamen Ausarbeitung der philosophisch-theoretischen Probleme (Aufbau des Sozialismus und Kommunismus, Charakter und Widersprüche des modernen Kapitalismus usw.) und der Organisation von kollektiven Arbeiten unter den Wissenschaftler-Kollektiven der „sozialistischen" Länder. Die erste Konferenz für die Vertreter der philosophischen Zeitschriften der Ostblockländer wurde auf sowjetzonale und tschechoslowakische Initiative Anfang 1962 in Leipzig abgehalten; die zweite Konferenz im Mai 1965 in Lidice (CSSR). Eine weitere Konferenz wurde nach Varna (Bulgarien) einberufen. Bei der Lösung der gemeinsamen Forschungsaufgaben auf technischem Gebiet kommt der SBZ eine spezielle Bedeutung zu. Im Jahre 1962 war hier der Prozentsatz der international koordinierten Forschungsthemen zur Gesamtzahl der Forschungen folgendermaßen: in der Elektroenergetik 25, in der Kohlenindustrie 10, in der Maschinehindustrie 40 bis 70, in der chemischen Industrie 5 bis 10, in der Leicht-und Lebensmittelindustrie 50, im Transport 20 usw. Der von der ständigen RGW-Kommission für Eisenverhüttung zusammengestellte internationale Forschungsplan für 1964— 1965 umfaßte 75 Themen. Sie gehörten in erster Linie in das Gebiet der Automation. Während für die Koordinierung der Forschungen auf technischem Gebiet eine spezielle internationale Zentralstelle erlichtet wurde, gibt es keine für die Sozial-und Geisteswissenschaften.
Die Rolle der Wissenschaft bei der Ost-West-Auseinandersetzung
Im Sowjetblock legt man neuerdings großen Wert darauf, daß die Wissenschaftler gute Beziehungen auf internationalem Gebiet unterhalten. „Die Sowjetjuristen müssen auf internationaler Ebene öfters auftreten: keine internationale Konferenz und kein internationaler Kongreß über Rechtsfragen darf" — nach der Meinung von Piontkowskij — „ohne Sowjetjuristen abgehalten werden."
Die Teilnahme der Juristen des Ostblocks an solchen Veranstaltungen ist „von großer politischer Bedeutung". Es wird ihnen nahegelegt, in ausländischen Zeitungen und Zeitschriften Artikel zu veröffentlichen. Sie sollen ihre wichtigsten Werke auch in Fremdsprachen herausgeben. Die Aktivierung des Kampfes gegen die „imperialistische juristische Ideologie" erfordert auch die Erhöhung der theoretischen Kenntnisse der sowjetischen Rechtswissenschaftler. Die Wissenschaftler des Ostblocks müssen die Überlegenheit der kommunistischen Ideologie beweisen und auf die ideologische Armut des Antikommunismus hinweisen. Das Juniplenum des ZK der KPdSU (1964) stellte die Aufgabe, das ideologische Niveau zu erhöhen und die ideologische Arbeit zu vertiefen. Um diesen Beschluß verwirklichen zu können, muß das Niveau der sowjetischen Rechtsliteratur — so heißt es — ständig erhöht werden. Die Überreste des „Personenkultes" in der Wissenschaft müssen behoben werden. Lenin verlangte in seinem Artikel „über die Bedeutung des militanten Materialismus", daß die Naturwissenschaftler eine tiefe philosophische Bildung haben müssen. Nach Meinung der Sowjetjuristen bezieht sich diese Forderung Lenins „ . noch mehr auf die Juristen, denn ohne diese kann der Kampf gegen die bürgerliche Rechtsideologie nicht gewonnen werden." Grundprobleme, wie zum Beispiel die Kausalität im Recht, die Willensfreiheit, die Verantwortung und die Schuld, die Wahrheit müssen vom Standpunkt des Marxismus-Leninismus untersucht werden. Das falsche Konzept über Schuld diskreditiere nach Meinung der Prawda (25. Juni 1964) die sowjetische Rechtswissenschaft und rechtfertige die Verletzung der sozialistischen Gesetzlichkeit. Vor allem müsse das Niveau der Rechtstheorie gehoben, die Methoden der materialistischen Dialektik für die Anwendung des Rechtes ausgearbeitet, die allgemeine Bildung der Rechts-wissenschaftler erhöht und der Geschichte der Philosophie größere Aufmerksamkeit gewidmet werden —-fordert das Juniplenum 1964 des ZK der KPdSU. Seit einigen Jahren versucht die sowjetische Rechtswissenschaft, die im Ausland erschienene antisowjetische Literatur viel intensiver zu bekämpfen.
Vor allem wird zu der westlichen Auslegung des Begriffes der „Parteilichkeit" Stellung genommen. „Die Parteilichkeit bedeutet in der Sowjetunion nicht, wie man im Westen behauptet, daß die Parteimitglieder Privilegien haben." Die offizielle Erklärung hierüber lautet: „Die KPdSU ist der Vortrupp des Volkes, sie stützt sich auf die sozialpolitische und ideelle Einheit der Sowjetgesellschaft. Die Verankerung dieses Prinzips in der Sowjet-verfassung wird von der Gesetzmäßigkeit der Entwicklung des sowjetischen Verfassungssystems bestimmt: dies wurde im Jahre 1919 auf dem VIII. Kongreß der KP Rußlands festgelegt. Der Inhalt dieser Gesetzmäßigkeit besteht darin, daß , die Partei ihre Beschlüsse im Rahmen der Sowjetverfassung durch die Sowjetorgane ausführen (lassen) soll', daß die Partei bestrebt ist, , die Tätigkeit der Sowjets zu leiten, sie aber nicht zu ersetzen'. Unter den Bedingungen des Kapitalismus kann die Parteilichkeit der Verfassung nur eine bürgerliche sein. Die Verankerung der bürgerlichen Parteilichkeit in der Verfassung bedeutet, daß im Gesetz nur der Wille einer Mehrheit, die 1— 4 Prozent der Bevölkerung ausmacht, zum Ausdruck gebracht wird."
Es wäre falsch abzuleugnen, daß im Ostblock auf dem Gebiet der wissenschaftlichen Forschungen große Erfolge erzielt wurden. Diese Erfolge sind vor allem der staatlichen Förderung zu verdanken. Es ist eine Tatsache, daß das kommunistische System ausgedehnte Propaganda für die Wissenschaftler entfaltet, die darauf abzielt, den Wissenschaftlern gesellschaftliche Autorität und allgemeines Ansehen zu verschaffen. Die Wissenschaftler sind sowohl ideell als auch materiell viel besser gestellt als alle übrigen Schichten der Gesellschaft. Neben den Sportlern sind sie die populärsten Menschen in den Ostblockstaaten. Die staatliche Förderung und die wissenschaftlichen Erfolge zeigen eine gewisse Parallelität: jene Gebiete der wissenschaftlichen Forschung, denen eine größere staatliche Förderung zukommt, weisen auch größere Erfolge auf. Diesbezüglich muß man vor allem die Mitarbeiter der Institute der Kriegstechnik jeder Art erwähnen. Die wissenschaftlichen Erfolge der Ostblockstaaten beweisen eindeutig, daß es sich lohnt, die Entwicklung hinter dem Eisernen Vorhang intensiv zu verfolgen. In der Ost-West-Auseinandersetzung kommt der Wissenschaft aller Wahrscheinlichkeit nach eine viel größere Rolle zu, als man heute annimmt.
über die Wissenschaft im Kommunismus kann zusammenfassend festgestellt werden:
1. Die Wissenschaft im Kommunismus ist eine staatliche Angelegenheit, die wissenschaftlichen Forschungsstätten und Verwaltungsorgane sind Regierungsstellen.
2. Die Wissenschaft muß — als Element des ideologischen Überbaus — die Entwicklung der Basis, die Wirtschaft, fördern.
3. Alle wissenschaftlichen Forschungsstätten, Verwaltungsorgane und alle wissenschaftlichen Forschungen werden praktisch unbeschränkt von der Partei geleitet und kontrolliert.
4. Vernachlässigte Wissenschaften, wie die Geistes-und Sozialwissenschaften, drängen nach vorn und werden unter neuen Gesichtspunkten erforscht. Ein besonderes Problem ist für die Kommunistische Partei die Soziologie, die seit Stalins Tod mit immer steigender Intensität betrieben wird.
Im freien Westen wird der wissenschaftlichen Forschung die absolute Freiheit garantiert: der Wissenschaftler ist von niemandem abhängig. Er wird weder bei der Auswahl des von ihm zu erforschenden Gebietes noch bei den Forschungsmethoden eingeengt. So können die Wissenschaftler im freien Westen ihre Ergebnisse in den Dienst der Menschheit — ohne Rücksicht auf ideologische Einstellung, Rasse und Nationalität — stellen. Dagegen ist die Wissenschaft im Kommunismus unfrei und streng gebunden. Die Kommunistische Partei bestimmt Aufgaben, Richtlinien und oft sogar die Ergebnisse der Wissenschaft.