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Die amerikanische Chinapolitik 1949-1950 Zum Einfluß innenpolitischer Faktoren auf die US-Außenpolitik | APuZ 15/1967 | bpb.de

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APuZ 15/1967 Artikel 1 Die amerikanische Chinapolitik 1949-1950 Zum Einfluß innenpolitischer Faktoren auf die US-Außenpolitik Maos Strategie in Vietnam

Die amerikanische Chinapolitik 1949-1950 Zum Einfluß innenpolitischer Faktoren auf die US-Außenpolitik

Carl-Christoph Schweitzer

Eine Beschäftigung mit den wichtigsten innenpolitischen Einflüssen, die auf die amerikani-sche Chinapolitik in den ersten zwei Jahren, vornehmlich aber im ersten Halbjahr nach der Gründung der neuen kommunistischen Volksrepublik am 1. Oktober 1949 ausgingen, ist nicht nur von politikwissenschaftlichem Interesse, sondern auch von großer Aktualität. Diese Aktualität ergibt sich einmal aus der Tatsache, daß ohne eine genauere Kenntnis der amerikanischen Chinapolitik Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre und ohne einen Einblick gerade auch in die innenpolitischen Voraussetzungen dieser Politik die Haltung der USA im Vietnam-Konflikt unserer Tage in ihrer vielschichtigen Problematik nicht richtig erfaßt und beurteilt werden kann.

Wie in den Hearings des Auswärtigen Ausschusses des US-Senates unter seinem Vorsitzenden Fulbright im Frühjahr 1966 über die amerikanische Vietnam-und Chinapolitik deutlich wurde, steht die erste Weltmacht heute im Fernen Osten letztlich vor der Frage, ob sie den „indirekten" Krieg gegen Peking, um ihn in absehbarer Zeit zu einem erfolgreichen Abschluß bringen zu können, weiter eskalieren und damit eine unmittelbare Konfrontation mit dem kommunistischen China heraufbeschwören bzw. herbeiführen will, oder aber unter Beibehaltung der gegenwärtigen Militärstrategie versuchen sollte, auf allen nur denkbaren diplomatischen Wegen mit dieser dritten Weltmacht und nicht nur mit dem unmittelbaren Gegner Nordvietnam zu einem schließlichen Ausgleich zu kommen. Ein solcher Ausgleich könnte dann die weitere militärische Auseinandersetzung in Vietnam gegenstandslos machen.

Für eine Beurteilung der gegenwärtigen Politik Washingtons in Ost-und Südostasien ist nun eine Kenntnis der ersten Phase der amerikanisch-„rotchinesischen" Beziehungen zwischen dem Oktober 1949 und dem Ausbruch des Korea-Krieges im Juni 1950 insofern von Bedeutung, als damals die USA ein von ihnen möglicherweise sehr ernsthaft angestrebtes rapprochement nicht erzielen konnten und somit Weichen gestellt wurden, die nicht nur das Verhältnis dieser beiden Weltmächte, sondern den gesamten Verlauf der internationalen Politik bis in unsere Zeit schlechthin entscheidend bestimmt haben. Zum anderen ergibt sich die Aktualität unseres Themas aus der Tatsache, daß genauso wie heute schon Mitte und Ende der vierziger Jahre eine — nicht zuletzt für die Bundesrepublik und das deutsche Volk schicksalhafte — Interdependenz zwischen amerikanischer Asien-und amerikanischer Europapolitik sichtbar wurde.

Im Frühjahr und Herbst 1949 fällte die Führungsspitze der USA mit der Gründung der NATO endgültig eine außen-und militärpolitische Entscheidung zugunsten eines militärischen Schutzes west-, nord-und südeuropäischer Staaten. Eine solche Entscheidung war schon durch die auf den westalliierten Kriegs-konferenzen der vierziger Jahre gefaßten Beschlüsse vorbestimmt worden, das Gros der verfügbaren amerikanischen Landstreitkräfte zur Niederwerfung der Achsenmächte in Europa einzusetzen. Das Korrelat dieser Weichenstellung sowohl des chinesischen Bürgerkrieges von 1947 bis 1949 bestand für Washington in dem Verzicht auf einen massierten Einsatz von Landstreitkräften zugunsten des nationalchinesischen Verbündeten. Das heißt, es wurden weder amerikanische Landstreitkräfte im Kriege zur unmittelbaren Befreiung des chinesischen Festlandes von den Japanern eingesetzt — das vielmehr durch den grandiosen „Inselsprungfeldzug“ und schließlich durch die Atombombe niedergerungen wurde — noch Ende der vierziger Jahre zur möglichen oder schon nicht mehr möglichen Rettung Tschiangkaischeks vor dem revolutionären Elan und schließlichen Siegeszug der kommunistischen Machthaber.

Washington konnte daher einen militärisch-politischen Einbruch der Sowjetunion in den Jahren 1945— 1949 nicht in Westeuropa und Asien zugleich verhindern. Im Gegenteil: Auf Grund einer heute unverständlichen, auf jeden Fall aber tragisch anmutenden Fehleinschätzung der militärischen Gegebenheiten im Fernen Osten und insbesondere auch der psychologischen Wirkung eines atomaren Einsatzes (die US-Führung rechnete bekanntlich mit einer Fortdauer des Krieges gegen Japan nach der Kapitulation Deutschlands von ein bis zwei Jahren) wurde die militärische Präsenz der Sowjetunion auf dem chinesischen Festland im Sommer 1945 im Einklang den mit Vereinbarungen von Jalta auf ausdrückliches Drängen der USA herbeigeführt. Ja, diese Präsenz wurde von der demokratischen Präsidentschaftspartei sogar als ein Sieg der eigenen Diplomatie gefeiert, der Konzessionen gegenüber Stalin in anderen Kontroversbe-reichen der internationalen Politik rechtfertige. So wurden dann zu Beginn des hier interessierenden Zeitabschnittes, das heißt im Spätsommer und Herbst 1949, zwei Marksteine epochaler Bedeutung in der internationalen Politik unmittelbar nacheinander sichtbar: auf der einen Seite die im US-Kongreß von einer überwältigenden Mehrheit aus beiden Parteien vorgenommene Ratifizierung des Nato-Vertrages sowie die Verabschiedung seines ersten „Durchführungsgesetzes" über die amerikanische Militärhilfe an die neuen europäischen Verbündeten in Friedenszeiten und auf der anderen Seite der vor aller Welt mit der Proklamation der Volksrepublik China endgültig besiegelte „Verlust" dieses Reiches der Mitte an den Kommunismus.

Entscheidende Kräftegruppierungen innerhalb der USA und insbesondere einige der führenden republikanischen Kritiker der demokratischen Administration waren aber nun 1949/50 nicht bereit, sich mit diesem Verlust abzufinden und eine dadurch erforderliche Umorientierung der US-Chinapolitik ins Auge zu fassen. Im Rahmen des Kongresses versuchten sie vielmehr aus einer anderen Sicht des Interdepenz-Verhältnisses zwischen Asien-und Europapolitik eine weitere, ohnehin nur von einem Teil der republikanischen Partei aus voller Überzeugung gebilligte Unterstützung der amerikanischen Hilfsmaßnahmen für Europa davon abhängig zu machen, daß die Administration eine militärisch-wirtschaftliche Eindämmung des Kommunismus auch im Fernen Osten in die Wege leiten würde.

Der Notwendigkeit, sich aus einem Dilemma zwischen neuen außenpolitischen Intentionen, sich verändernden Konstellationen in der internationalen Politik und innenpolitischer Obstruktion zu extrahieren, wurde die amerikanische Regierung erst durch den Ausbruch des Koreakrieges und endgültig dann durch das massive Eingreifen Pekings in diesen Krieg enthoben. Bemerkenswert bleibt aber, daß diese, damals wie heute von den Demokraten gestellte Regierung auch angesichts der allein schon „national-psychologisch“ schwerwiegenden Rückschläge an der Front um die Jahreswende 1950/51 nicht bereit war, das Steuer der Chinapolitik völlig umzuwerfen und einen konventionellen oder atomaren Präventivkrieg gegen das kommunistische China ins Auge zu fassen. Die Begründung lieferte 1951 — wiederum im Sinne des angedeuteten Interdependenzverhältnisses — der amerikanische Generalstabschef nach der Entlassung des US-und UN-Oberbefehlshabers Fernost, General MacArthur, in einem berühmt gewordenen Fazit, daß die USA sich nicht in einen falschen Krieg mit dem falschen Gegner zur falschen Zeit am falschen Ort, das heißt eben in Asien anstatt in Europa, hineinziehen lassen durften.

Wie eine solche Zweifrontenstellung der USA zwischen Asien und Europa unter den veränderten Bedingungen der militärischen und ideologischen Gesamtkonstellation in dem Dreiecksverhältnis Washington-Peking-Moskau von der außen-und militärpolitischen Spitze der führenden westlichen Weltmacht beinahe zwei Dekaden später beurteilt wird und welche Konsequenzen möglicherweise aus einer Analyse der gegenwärtigen Weltlage von den USA gezogen werden — dies bleibt die erregend aktuelle Frage, die sich gerade dem deutschen Leser einer Studie über die amerikanische Chinapolitik 1949/50 aufdrän-gen muß.

I. Der Kurs der amerikanischen Politik gegenüber Peking 1949— 1950 in seinem allgemeinen innenpolitischen Bezugsrahmen

Hemen Ray: Maos Strategie in Vietnam................... S. 25

Als sich im Laufe des Frühjahrs 1949 in Washington endgültig die Erkenntnis durchsetzte, daß der Siegesmarsch Maos von den Nationalchinesen ohne eine — von keiner verantwortlichen politischen Seite damals in den USA befürwortete — massive amerikanische Intervention nicht mehr aufzuhalten war, tauchten vor allem in der Publizistik Gerüchte auf, die von einem beabsichtigten Kurswechsel der gesamten amerikanischen Chinapolitik in Richtung auf eine diplomatische Anerkennung der neuen Machthaber in Peking wissen wollten. Verständlichen Anlaß zu solchen Gerüchten mochte unter anderem die Tatsache gegeben haben, daß die USA offensichtlich bestrebt waren, ihr konsularisches und diplomatisches Personal auch im kommunistischen Machtbereich Chinas weiterarbeiten zu lassen und insbesondere ihren Botschafter nicht, wie sogar die Sowjetunion, der aus Nanking flüchtenden nationalchinesischen Regierung, sondern den einrückenden kommunistischen Behörden zu attachieren. Der US-Botschafter Stuart verließ China tatsächlich erst Anfang August, während andere US-Diplomaten noch bis zum Frühjahr 1950 im Lande verblieben.

Angesichts solcher Gerüchte versuchte nun — zunächst noch auf einer überparteilichen Basis — eine Gruppe von 21 Senatoren unter Führung des „Chinasprechers" der republikanischen Senatsfraktion, William Knowland aus Kalifornien, schon sehr bald, auf die Exekutive einen gewissermaßen inhibierenden Druck auszuüben, indem sie sich in einem Schreiben vom 24. Juni an den Präsidenten persönlich gegen alle Erwägungen einer Anerkennung Pekings aussprach. Dabei dürfte die von republikanischer Seite später fallengelassene Einschränkung zum „gegenwärtigen Zeitpunkt" der taktischen Erwägung entsprungen sein, der Regierung, die ja auf keinen Fall sofort zu einer Anerkennung schreiten wollte, diese Willenskundgebung aus der Legislative heraus schmackhafter zu machen. Sicherlich nicht zuletzt, weil in der amerikanischen Präsidialdemokratie schon ein so knappes Viertel der Senatoren eine von der Exekutive durchaus zu beachtende Minorität darstellte und sich diese Gruppe damals im Hinblick auf die bevorstehende, nach der Verfassung mit einer Zweidrittelmehrheit vorzunehmende Ratifizierung des Nato-Vertrages noch zu einer „Sperrminorität" entwickeln konnte, sah sich Acheson zu der sofort nach dieser Demarche öffentlich abgegebenen Versicherung veranlaßt, daß die Exekutive den Senatsausschuß für auswärtige Angelegenheiten vor einer etwaigen Anerkennung des kommunistischen Regimes konsultieren würde Diese später mehrfach wiederholte Versicherung wurde seinerzeit unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten als eine Sensation empfunden, da die Anerkennung einer neuen Regierung in Lehre und Praxis stets als ein Prärogativ der Exekutive auf dem weiten Gebiet der auswärtigen Gewalt gegolten hatte. Selbst solche Versicherungen hinderten jedoch einzelne republikanische Sprecher in den großen Nato-Debatten vom Juli im Senat nicht daran, die Regierung in zum Teil sehr scharfer Form der Inkonsequenz zu bezichtigen, weil es ihr an einer Eindämmungskonzeption gegenüber dem Kommunismus im Fernen Osten — im Gegensatz zu Europa — mangele. Schließlich setzte die „Opposition" in beiden Häusern des Kongresses Ende September durch, daß im Military Assistance Act, den wir als erstes „Durchführungsgesetz" des am 21. Juli verabschiedeten Nato-Vertrages ansehen können, entgegen dem ursprünglichen Regierungsentwurf auch ein Betrag von 75 Millionen Dollar zur „Verwendung im Raume China" bereitgestellt wurde

Durch solche Schritte der Opposition brauchte sich die Regierung in ihren Bemühungen um eine Neuorientierung ihrer Chinapolitik allerdings noch nicht entscheidend behindert zu fühlen. Tatsächlich hatte das State Department schon Ende Juli die Bildung einer besonderen Fern-Ost-Beratergruppe unter Leitung des in die Nachkriegsgeschichte vor allem durch seine Verdienste um die Aufhebung der Berliner Blockade eingegangenen Sonderbotschafters Philip Jessup bekanntgegeben. Die von diesem Diplomaten geführte Gruppe, der noch B B. Fosdick, ein früherer Präsident der Rockefeller-Stiftung, und E. Case, ein „Rektor"

einer amerikanischen Universität, angehörten, erhielt den Auftrag, mögliche neue Wege der amerikanischen Asienpolitik „frei von irgendwelchen früher konzipierten oder festgelegten Richtlinien" zu untersuchen und entsprechende Empfehlungen an die Entscheidungsspitze auszuarbeiten Um die gleiche Zeit, das heißt Anfang August, erfolgte dann die Veröffentlichung des von Jessup und dem damaligen Leiter der Unterabteilung Fern-Ost im State Department, W. Butterworth, redigierten berühmten Weißbuches über die amerikanisch-chinesischen Beziehungen der letzten 100 Jahre. Die im Begleitbrief des Außenministers an den Präsidenten enthaltenen deutlichen Hinweise auf den gewissermaßen endogen-gesellschaftspolitisch bedingten, nicht aber exogen, das heißt auf eine massive Intervention der Sowjetunion zurückzuführenden Charakter des kommunistischen Sieges in China dienten in erster Linie einer Exkulpie-rung der USA, vor allem natürlich der demokratischen Administrationen Roosevelts und Trumans, von jedem Vorwurf unterlassener oder nicht rechtzeitig und umfangreich genug durchgeführter Hilfeleistungen zugunsten des Generalissimus. Sie sollten darüber hinaus zweifellos die breitere Öffentlichkeit auf den von ihr nicht erwarteten totalen Zusammenbruch Tschiangkaischeks vorbereiten. Schließlich konnten sie aber auch von Befürwortern wie Kritikern der Regierung mit einer gewissen Berechtigung als Einleitung einer Politik des Disengagements gegenüber dem nationalchinesischen Regime und — als Korrelat dazu — einer Politik der Anerkennung des neuen kommunistischen interpretiert werden

Parallel zu solchen und anderen Versuchen der innenpolitischen Absicherung einer möglichen neuen Fern-Ost-und Chinapolitik bemühte sich die amerikanische Regierung im Frühherbst 1949 um eine Abstimmung mit ihren Verbündeten sowie mit anderen von der Entwicklung in China besonders betroffenen nicht-kommunistischen Staaten speziell in der Anerkennungsfrage. Es kann auf Grund der Quellenlage heute noch nicht geklärt werden, ob die USA unter anderem auf der Washingtoner Konferenz der drei westlichen Außenminister Mitte September dem zu einer Anerkennung neigenden britischen Verbündeten eher von einem solchen Schritt energisch abgeraten haben oder für die von besonderen wirtschaftlichen und militärischen Notwendigkeiten bestimmte Haltung Londons Verständnis aufbrachten, ja vielleicht sogar bereit waren, der britischen Argumentation in der Grundsatzfrage einer Anerkennung zu folgen Dafür, daß die letzte Hypothese nicht gänzlich von der Hand zu weisen ist, sprechen unter anderem die Ausführungen, die der amerikanische Außenminister am 19. September 1949 vor der Pan American Society in New York machte. Obwohl sich Acheson hier expressis verbis nur auf die lateinamerikanische Staatenwelt bezog, konnten seine Ausführungen auch als Versuchsballon in Richtung auf eine neue US-Chinapolitik gewertet werden. Daß er China ganz wesentlich im Auge hatte, glaubten besonders nationalchinesische Stellen in den USA, auf die noch zurückzukommen sein wird. Zwar stellte Acheson einleitend — im Gegensatz zu der bald darauf öffentlich von dem britischen Völkerrechtsexperten Lauter-pacht vertretenen Auffassung — fest, daß die USA nicht automatisch eine neue Regierung anerkennen müßten, sobald eine alte, „frei gewählte (was ja auf das Regime Tschiangkaischeks kaum zutraf) beseitigt worden sei“. Sehr deutlich rückte er aber sodann von den „klassischen" amerikanischen Anerkennungsvorstellungen und Theorien ab. Einmal erklärte er — nun ganz auf der offiziellen britischen Linie von 1949/50 —, daß eine Anerkennung („if and when we do recognize a government") auf keinen Fall eine Billigung des betreffenden Regierungssystems und ihrer politischen Linie, sondern lediglich ein Anerkenntnis der Tatsachen impliziere. Zum anderen lehnte er als conditio sine qua non einer Anerkennung die demokratische Legiti-mierung einer neuen Regierung ab. Als Umschreibung der damaligen Einstellung Washingtons zu den neuen Machthabern in Peking konnte vor allem sein abschließender Hinweis verstanden werden: „Wir mögen die ernstesten Vorbehalte haben hinsichtlich der Art und Weise, in der eine solche Regierung an die Macht gelangt ist; wir mögen deren Einstellung zu den Bürgerrechten auf das äußerste bedauern. Dennoch können unsere langfristigen außenpolitischen Ziele möglicherweise am besten . . . durch eine Anerkennung verwirklicht werden, die im übrigen ja auch dazu beitragen würde, einen direkten Kommunikationsweg mit dem in Frage kommenden Land aufrechtzuerhalten.'1

Knapp vier Wochen später wurden Wechselbeziehungen zwischen Innen-und Außenpolitik in der amerikanischen Chinapolitik erneut deutlich, als Senator Knowland kurz vor der „Weihnachtspause" des Kongresses im Senat einen scharfen Angriff auf die Anfang Oktober von der Handelskammer von San Francisco abgegebene Empfehlung zugunsten diplomatischer-und Handelsbeziehungen zwischen Peking und Washington unter Berufung auf die „große Besorgnis im Kongreß" und „in der Öffentlichkeit" mit einer Warnung an die Adresse der Regierung verband, sich nicht auf eine solche Politik einzulassen. Schon am nächsten Tag sah sich Acheson auf einer Pressekonferenz veranlaßt, wiederum die „alten" amerikanischen Anerkennungskriterien — effektive Kontrolle, Bereitschaft zur Erfüllung eingegangener internationaler Verpflichtungen und Ausübung der Regierungsgewalt „mit stillschweigender Zustimmung des Volkes" — zu unterstreichen. Der letztere Terminus („with the acquiescence of the people") stellte allerdings eine ebenso bedeutsame wie interessante Nuance dar, die auf der Mitte zwischen der früheren Maximalforderung demokratischer Legitimierung Jeffersonscher Prägung („mit dem klar zum Ausdruck, gebrachten Willen des Volkes") und der Minimalforderung der damaligen britischen Auslegung („bei Unterordnung der großen Mehrheit der Bevölkerung") lag

Vielleicht war diese erneute Fixierung der amerikanischen Position im „konservativen" Sinn zusätzlich darauf zurückzuführen, daß Informationen über eine streng vertrauliche — erst zwei Jahre später auf Druck des Kongresses „freigegebene" — Round-Table-Konferenz des State Department zum Thema Chinapolitik mit Chinaexperten, unter anderem aus den Bereichen der Wissenschaft, der Missionsgesellschaften und der Industrie, durchgesickert waren. Zweifellos haben solche für das amerikanische Regierungssystem sehr typischen Konferenzen mit führenden Vertretern intermediärer Gruppen („non-governmental organisations") häufig den public relations Zweck verfolgt, eine bereits feststehende Politik der Exekutive an die sogenannte „wirksame Öffentlichkeit" und somit auch an die „breite Öffentlichkeit“ zu „verkaufen“. Trotz aller späteren Dementis kann jedoch davon ausgegangen werden, daß diese Round-Table-Konferenz vom 6. bis 8. Oktober 1949 vornehmlich mit dem Ziel einberufen wurde, der Exekutive zu einer besseren Urteilsbildung über neue Möglichkeiten einer US-Chinapolitik und insbesondere über das Problem einer amerikanischen Anerkennung Pekings zu verhelfen Vor allem am letzten Konferenztag wurde dieses Problem der Anerkennung den eingeladenen Experten von dem später wegen einer angeblich zu tschiangkaischek-freundlichen Einstellung im Kongreß schärfstens angegriffenen Botschafter Jessup gewissermaßen als Gretchenfrage des State Department unterbreitet. Schon das erste Votum der Teilnehmer betraf ein hier unter dem Interdependenzaspekt Innen-Außenpolitik besonders interessierendes Problem. So erklärte McNaughton, ein Bankpräsident aus dem Weststaat Oregon: „Ich würde meinen, wir sind auf dieser Konferenz zu der generellen Auffassung gelangt, daß wir die kommunistische Regierung anerkennen können; aber . . . für eine Menge der Dinge, die wir hier diskutieren, werden wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder die öffentliche Meinung des Landes noch den Kongreß gewinnen können."

Man müsse daher behutsam vorgehen. Auf die präzise Zusatzfrage Jessups, ob er der Ansicht sei, daß eine Anerkennung Pekings in seiner Heimat im Westen „geschluckt" werden würde, antwortete der Bankfachmann unmißverständlich: „Ich glaube, daß es eine Explosion geben würde." Noch deutlicher charakterisierte N. Peffer, Dozent an der Columbia Universität, die inhibierende Wirkung, die von der „Innenseite" der amerikanischen Außenpolitik in dieser Frage ausging: „Ist es nicht", so votierte er laut Protokoll unter lautem Beifall, „eine sehr gefährliche Sache in der ge-* genwärtig so gespannten Weltlage, .. . daß wir uns anschicken ... vor denjenigen zu kapitulieren, die über die beste Lobby verfügen und die beste Propaganda betreiben.... obwohl die Fachleute nach reiflicher Überlegung ein ... anderes Urteil abgeben? ... Es gibt überhaupt kein echtes Argument gegen eine ... Anerkennung, außer, daß eine Reihe von Leuten . explodieren’ wird. Wenn aber unser Land es so weit gebracht hat, daß die Regierung gegen ihr besseres Wissen blockiert wird, weil gewisse Leute explodieren könnten, dann mag der Allmächtige unserer Republik helfen."

Eine positive Einstellung zu einer Politik der amerikanischen Anerkennung Pekings wurde lediglich von dem Leiter des bekannten World Affairs Council von Northern California für die Westküste der USA konstatiert Zur Untermauerung seiner Argumentation wies dieser Experte vor allem auf die bereits erwähnte Stellungnahme der Handelskammer von San Francisco hin. Wenngleich die eindeutige Sprache dieser regional bedingten Empfehlung als ausgesprochen atypisch angesehen werden muß, so läßt sich nicht nur aus weiteren auf dieser Konferenz abgegebenen Voten, sondern auch aus zusätzlichen Quellen nachweisen, daß 1949/50 auch andere Kreise der amerikanischen Wirtschaft ebenso wie zum Beispiel die Religionsgemeinschaften und Missionsgesellschaften zu einer Politik des modus vivendi mit Peking, wenn nicht sogar zu einer Anerkennung tendierten.

Vorherrschend aber war auf dieser Round-Table-Konferenz der — insgesamt richtige — Eindruck, daß eine Anerkennungspolitik zu diesem Zeitpunkt in den verschiedenen Be-reichen der öffentlichen Meinung auf erheblichen Widerstand stoßen würde. Dennoch sprach sich im Endeffekt die überwiegende Mehrheit der Konferenzteilnehmer, die sich auf die Frage Jessups hin äußerten, grundsätzlich für eine Anerkennung des kommunistischen Regimes in China aus, wobei Unterschiede in den einzelnen Voten sehr gering waren und sich vor allem auf den Zeitpunkt — auch hier ging es nur um Wochen —, auf ein Zusammengehen mit Indien, Großbritannien und anderen Mächten, auf eventuell zu fordernde bzw. zu erreichende Gegenleistungen von der „anderen Seite" sowie eben auf die Notwendigkeit bezogen, die öffentliche Meinung zunächst auf einen solchen Schritt systematisch vorzubereiten. Weitere Empfehlungen wichtiger Konferenzteilnehmer wurden dahin gehend abgegeben, daß die USA eine Politik des Disengagement von Tschiangkaischek einleiten, die nationalchinesische Blockade des chinesischen Festlandes notfalls mit Gewalt „brechen" und im übrigen an Handelsbeziehungen mit Peking ausschließlich des Bereiches strategisch wichtiger Güter festhalten sollten. In letzterer Richtung äußert sich besonders dezidiert der führende Vertreter der Wirtschaft auf dieser Konferenz, W. R. Herod, damals Präsident von International General Electric.

Im Verlaufe des Oktober und November 1949 schien die Regierung an Versuchen, zu einem Ausgleich mit der kommunistischen Seite zu kommen, trotz der immer stärkeren anti-amerikanischen Maßnahmen und Propagandafeldzüge Pekings festzuhalten. So protestierte sie z. B. noch Mitte November — obwohl sich damals der amerikanische Generalkonsul in Mukden mit einigen Mitarbeitern bereits mehrere Wochen in Haft befand und Washington dieserhalb scharfe Demarchen unternahm — bei dem alten nationalchinesischen Verbündeten wiederholt gegen die Blockade des chinesischen Festlandes. Zwar dürften solche Proteste auch auf Forderungen betroffener amerikanischer Wirtschaftskreise zurückzuführen gewesen sein. Dennoch entbehrte die drei Jahre später in einem Senats-Untersuchungsausschuß aufgestellte Behauptung nicht einer gewissen Berechtigung, daß die Regierung mit dieser Politik sich nicht zuletzt von den Round-Table-Konferenz-Empfehlungen vom Oktober beeinflussen ließ

Im Spätherbst 1949 konzentrierte sich dann die diplomatische Aktivität der USA in der Chinafrage immer stärker auf die UN, wo der Kurs Washingtons, wie an anderer Stelle dargelegt wird, ebenfalls nicht eindeutig in einer pro-nationalchinesischen Richtung verlief, und auf die Ebene des unmittelbaren britisch-amerikanischen Gedankenaustausches. Mitte Dezember unterrichtete Bevin seinen amerikanischen Kollegen von dem Beschluß des britischen Kabinetts, Peking anzuerkennen. Am 23. Dezember „bedauerte" Acheson dies zwar — seinen späteren Aussagen vor dem Kongreß zufolge — gegenüber London lebhaft Gleichzeitig wurden nun aber in den Beratungen über den künftigen Kurs der US-Politik gegenüber Tschiangkaischek innerhalb der exekutiven außenpolitischen Entscheidungsspitze in Washington wichtige Weichen wiederum auf der Linie der Oktober-Konferenz gestellt. Dabei ging es vor allem darum, ob Formosa — seit Anfang Dezember letzter Zufluchtsort des Generalissimus — militärisch durch die USA abgeschirmt werden sollte oder nicht.

Als einer der wichtigsten „Indizienbeweise" für eine beabsichtigte bzw. eingeleitete Politik „mittlerer Schritte" Washingtons auf dem Wege zu einem endgültigen Disengagement von Tschiangkaischek kann aus diesem Zeitraum ein durch Presseindiskretionen in groben Zügen bekanntgewordener, erst anderthalb Jahre später in vollem Wortlaut von der Regierung freigegebener Runderlaß des State Department vom 28. Dezember 1949 angesehen werden. Aus diesem sogenannten „Informationsmemorandum über die US-Formosa-Politik", das in erster Linie zur Unterrichtung der mit der „Stimme Amerikas" befaßten Mitarbeiter im Ausland vorgesehen war, ging klar hervor, daß zumindest die außenpolitische Entscheidungsspitze des State Department damals fest mit dem baldigen Fall Formosas rechnete („its loss . . . is widely anticipated"): Sie wollte daher der ihrer Ansicht nach „irrigen Auffassung" in der Öffentlichkeit entgegenwirken, daß die Insel für die USA von lebenswichtiger strategischer Bedeutung war — eine Auffassung, zu der sich die führenden amerikanischen Militärs im Gegensatz zum State Department inzwischen durchgerungen hatten. Das Memorandum hob hervor, daß die Entsendung von Truppen und Waffen — und hier ist man heute versucht, Vergleiche zur Entwicklung der Vietnamkrise anzustellen — weder China noch dem Regime Tschiang-

kaischek nützen, die USA in ein langfristiges Abenteuer, möglicherweise in einen Land-krieg auf dem asiatischen Festland verwickeln, einer unerquicklichen Propaganda sogar von Seiten befreundeter Völker aussetzen und damit vor allem den Zielen des sowjetischen Kommunismus dienen würde

Inwieweit Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der militärischen und politischen Zweckmäßigkeit eines amerikanischen Schutzes für Formosa zwischen dem Pentagon und dem State Department im Laufe des Dezember beigelegt werden konnten, ist heute noch umstritten. Auf jeden Fall fiel die Entscheidung in einer später oft zitierten Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates vom 29. Dezember zugunsten der Empfehlungen der politischen Ratgeber des Präsidenten, das heißt des Außenministeriums. Diese Sitzung fand schließlich einen Niederschlag in der seinerzeit als sensationell empfundenen Erklärung, die Truman am 5. Januar 1950 zur zukünftigen Formosapolitik der USA verbreiten ließ und durch die er wiederum der Generallinie der Round-Table-Konferenz vom Oktober 1949 und des State Department-Erlasses vom 23. Dezember 1949 weithin sichtbar gefolgt zu sein schien, obwohl Moskau inzwischen einen ersten Vorstoß " ugunsten Pekings im Sicherheitsrat der UN unternommen hatte. Im entscheidenden Punkt dieser Erklärung hieß es:

„Die USA haben nicht die Absicht, ihre militärischen Streitkräfte zur Einwirkung auf die gegenwärtige Situation einzusetzen. Die Regiegierung der USA wird keinen Kurs einschlagen, der zu einer Verwicklung in den chinesischen Bürgerkrieg führen könnte . . . und den chinesischen Streitkräften auf Formosa keine militärische Hilfe oder militärische Beratung zukommen lassen."

Der Präsident sicherte allerdings die Abwicklung der schon disponierten Wirtschaftshilfe zu und machte im übrigen deutlich, daß die USA „zum gegenwärtigen Zeitpunkt“ auf Formosa keine Stützpunkte zu errichten oder andere Rechte zu erwerben beabsichtigen. Die zeitliche Einschränkung legte Acheson noch am selben Tage auf einer Pressekonferenz dahin gehend aus, daß sich die Situation dann ändern könnte, wenn die USA im Fernen Osten angegriffen werden sollten — eine Eventualität, die ja dann mutatis mutandis im Zusammenhang mit dem Koreakrieg eintrat

An dieser Stelle ließe sich im einzelnen besonders gut die Interdependenz von amerikanischer Innen-und Außenpolitik in der Frage der Haltung Washingtons gegenüber dem neuen Regime in Peking herausarbeiten. Wir müssen uns im Rahmen dieses Aufsatzes auf einige Andeutungen beschränken: Kritiker und Gegner der Regierung Truman, vor allem aus den Reihen der republikanischen Partei, vertraten unmittelbar nach der Erklärung des Präsidenten — fraglos ebenso überzeugt von dem verhängnisvollen Charakter der sich hier anbahnenden neuen US-Chinapolitik wie beeinflußt von parteitaktischen Erwägungen — die Auffassung, daß der Präsident einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Wege zu einer Anerkennung der Volksrepublik China habe tun wollen. Gleichzeitig wurde im Kongreß — und noch stärker in einer Reihe von amerikanischen und britischen Zeitungen — der These Vorschub geleistet, daß diese Erklärung vom 5. Januar 1950 im Zusammenhang mit der britischen Anerkennung Pekings vom 6. Januar 1950, das heißt als Anzeichen einer internen Abstimmung zwischen beiden Westmächten, darüber gesehen werden müsse, das gleiche Endziel eines rapprochements mit Peking — zumindest aber eine Zwei-China-Lösung — auf verschiedenen Wegen bzw. Umwegen anzusteuern. In dieser ihrer Auffassung konnten sich die republikanischen Kritiker noch dadurch bestärkt fühlen, daß in der am selben Nachmittag des 5. Januar einsetzenden Senatsdebatte der demokratische Vorsit-zende des Außenpolitischen Ausschusses, Conally, solche Intentionen der eigenen Regierung keineswegs völlig in Abrede stellte, ja ihre Verwirklichung „zu gegebener Zeit" sogar indirekt befürwortete und auch für London keine Worte des Tadels fand.

Nachdem in früheren Monaten einzelne Republikaner wiederholt die eigene wie auch die britische Regierung vor jedem Schritt in Richtung auf eine Anerkennung gewarnt und dabei Washington mit dem Entzug einer innenpolitischen Unterstützung für andere außen-politische Maßnahmen und London mit dem Entzug amerikanischer Wirtschaftshilfe gedroht hatten, nahmen die republikanischen Senatoren nun in der ersten Januarhälfte trotz aller gerade für ihre Fraktion und Partei so charakteristischen sonstigen innerparteilichen Meinungsverschiedenheiten in innen-und außenpolitischen Fragen geschlossen gegen die Chinapolitik der Regierung Stellung. Insbesondere warfen sie den „Demokraten" vor, die bislang hinsichtlich der Europa-und UN-Politik so gut funktionierende „gemeinsame Außenpolitik“ („bipartisanship") dadurch absichtlich über Bord geworfen zu haben, daß sie jegliche Vorinformation und Vorkonsultation der „Opposition" vor dieser schwerwiegenden Festlegung einer neuen Politik am 5. Januar unterlassen hätten. Wenn wir einmal davon absehen, ob der außen-politische Experte der republikanischen Senatsfraktion und besondere „Vertraute" Trumans wie Achesons, der damals schon schwer-kranke Arthur Vandenberg, von der Exekutive zumindest Hinweise auf den bevorstehenden Kurswechsel in Richtung auf ein Disengagement von Formosa erhalten hatte, so scheint festzustehen, daß zwei so führende republikanische Senatoren wie H. Alexander Smith und W. Knowland — Mitglieder des Auswärtigen bzw. Verteidigungsausschusses — auch noch anläßlich ihrer Vorsprache bei dem Außenminister am 5. Januar 1950 vormittags nicht richtig informiert wurden

Es muß an anderer Stelle untersucht werden, mit welcher verfassungsrechtlichen und verfassungspolitischen Berechtigung die „Opposition“ im Dreiecksverhältnis Exekutive-Präsidentenpartei-Oppositionspartei damals eine Beteiligung am außenpolitischen Willensbil-dungs-und Entscheidungsprozeß in dessen verschiedenen Stadien der „Planung", „Empfehlung", „Festlegung" usw. forderte Auch die Frage, inwieweit die „Opposition" von sich aus Empfehlungen abgegeben, das heißt brauchbare Alternativen entwickelt hatte, muß hier unerörtert bleiben.

Als Beispiel für viele das Prinzip der bipartisanship nunmehr aufkündigende Voten von republikanischer Seite soll hier nur die scharfe Rede des einflußreichen Senators Homer Ferguson vom 17. Januar erwähnt werden, der sich zwar für seine Person nach wie vor grundsätzlich zu einem größtmöglichen Ausmaß an „Debatte, Konsultation und Überein-stimmung" zwischen den Parteien in der Außenpolitik bekannte, dann aber erklärte: „Ich bin wirklich der Ansicht, daß der Präsident . . . die Senatsmitglieder auf dieser Seite des Hauses von der Verpflichtung entbunden hat . . noch an der Idee der bipartisanship festzuhalten."

Spätestens vom 14. Januar ab dürften dann alle möglicherweise in der Exekutive gehegten Pläne in Richtung auf eine Anerkennung Pekings erneut durch scharfe anti-amerikanische Maßnahmen der Regierung Mao — durch die Beschlagnahme des amerikanischen Konsulareigentums in Peking — zunichte gemacht worden sein. Für diese, den internationalen Usancen zuwiderlaufende Behandlung ausländischer Diplomaten und ausländischen Eigentums in China, an die man durch die Vorgänge in jüngster Zeit erinnert wird, werden ganz verschiedene Erklärungen angeboten, die wahrscheinlich erst alle zusammengenommen ein richtiges Bild vermitteln: so die national-psychologische, wonach Mao dem seit hundert Jahren unter der demütigenden Politik westlicher Imperialmächte leidenden Volk ein neues Vertrauen in die eigene, und damit kommunistische Sache einflößen wollte, jetzt dem Westen die „Tür vor der Nase" zuschlug und überhaupt nicht die Absicht hatte, sich von den UN oder von Washington anerkennen zu lassen; die „Schreckgespenst" -Therorie, derzufolge die neue Regierung im Stile totalitärer Praktiken der dreißiger Jahre einen außenpolitischen Feind brauchte, um der innenpolitischen Situation noch besser Herr werden zu können; die Theorie, daß die Sowjetunion — trotz allem Anschein des Gegenteils, der durch ihre Forderungen an die UN Anfang 1950 erweckt wurde — Peking gar nicht in der Weltorganisation sehen wollte; die dem Verfasser gegenüber von dem amerikanischen Mongolei-Experten Lattimore aufgestellte These, daß das neue Regime durch seine antiamerikanische Politik vor allem potentielle Kollaborateure des Westens unter den traditionell eher mit den USA sympathisierenden chinesischen Beamten treffen wollte, weil es sie auf längere Zeit noch nicht in dem riesigen Verwaltungsnetz des Landes durch geschulte Kommunisten ersetzen konnte; und last not least natürlich auch die Tatsache, daß die USA sich zwar von Tschiangkaischek disengagieren mochten, diesen aber nicht im Sinne einer kommunistischen Ein-China-Theorie preisgeben konnten und sich somit in den Augen Pekings unfreundlich verhielten.

Obwohl das State Department in einer amtlichen Verlautbarung vom 14. Januar 1950 die anti-amerikanischen Maßnahmen scharf verurteilte und die Zurückziehung aller seiner Beamten aus China bekanntgab, setzten die Republikaner — vor allem durch Senator Knowland — im Kongreß sofort wieder mit einer heftigen Kritik an der Chinapolitik der Exekutive ein. Da die unzweideutige Reaktion Washingtons auf die neue Herausforderung Pekings ja an sich auf der Linie vieler Republikaner lag, dürfte die erneut vorgetragene Kritik sehr stark parteitaktisch motiviert gewesen sein. Dies wurde besonders deutlich, als Knowland die Exekutive einmal mehr wegen einer unterlassenen rechtzeitigen Informierung der „zuständigen" Gremien der Legislative — sprich: auch der „Opposition“ — über die neueste Entwicklung tadeln zu müssen glaubte. In der „Zwickmühle" zwischen Opposition im Innern und dem chinesischen Druck von außen versteifte sich dann in den darauffolgenden Wochen und Monaten die Haltung Washingtons Peking gegenüber zusehends. Auffallend war zum Beispiel, daß der Außenminister sich in seiner nächsten größeren öffentlichen Rede am 16. Februar zur amerikanischen Chinapolitik überhaupt nicht mehr direkt äußerte, hingegen sehr viel über seine neue Konzeption der „totalen Diplomatie", mit der dem Sowjetblock einschließlich des chinesischen Satelliten begegnet werden sollte. Auch diese Haltung vermochte jedoch die Opposition trotz eines gelegentlich erteilten Lobes in Einzelfragen der Chinapolitik im Februar und März nicht davon abzuhalten, der Exekutive in verschiedenen Beratungen innerhalb und außerhalb der Legislative mehr oder weniger offen mit dem Entzug ihrer Unterstützung der Regierungspolitik in anderen auswärtigen Bereichen zu drohen, falls sie sich doch noch zu Konzessionen gegenüber Peking bereit finden sollte.

Die Auseinandersetzung der Parteien um die US-Chinapolitik — sicherlich auch schon geführt im Hinblick auf die Zwischenwahlen zum Kongreß im Herbst 1950 — erreichte in dieser Beziehung einen Höhepunkt Ende März, als der dienstälteste Republikaner im Bewilligungsausschuß des Senates, Styles Bridges, der Regierung den Fehdehandschuh hinwarf mit den Worten: „Ich bin zu einem Endkampf auf offener Bühne in Sachen gemeinsame Außenpolitik bereit." Truman nahm ihn mit der Feststellung auf, daß Bridges und andere seiner Kollegen — die kurz zuvor den Rücktritt Achesons gefordert hatten — des „Kremls größte Pluspunkte in den USA" darstellten Die auch durch die damals gerade einsetzenden Angriffe McCarthys auf die angebliche Illoyalität vieler State Department-Beamter verschärfte parteipolitische Krise wurde zwar schon wenige Wochen später durch die Bemühungen Vandenbergs und Connallys sowie durch ein persönliches Gespräch zwischen Truman und Bridges, der kraft seiner Stellung für die Regierung nicht unwichtig war, wieder ein wenig beigelegt, schwelte dennoch mit Unterbrechungen bis zum Ausbruch des Koreakrieges weiter. Im zweiten Quartal des Jahres 1950 befürchtete dann die „Opposition" eine Anerkennungspolitik der Regierung vor allen auf dem Umwege über die Vereinten Nationen, wo Washington zunächst darauf verzichtet hatte, gegen die Zulassung Pekings ein Veto einzulegen. Sie ging daher jetzt auch dazu über, die eigene Regierung indirekt durch Attacken auf den UN-Generalsekretär in Verlegenheit zu bringen, der sich damals um eine Regelung des umstrittenen Pekinger Vertretungsrechtes bemühte und schließlich resigniert feststellen mußte, daß unter anderem „eine China-Lobby" die Handlungsfreiheit der amerikanischen Regierung einengte

II. Zur China-Lobby

Nicht zuletzt die Tatsache, daß kritische Stimmen und inhibierende Empfehlungen zur amtlichen US-Chinapolitik 1949/50 keineswegs allein aus dem Bereich der Legislative kamen, hat in der Folgezeit zu der großen, bis heute nicht verstummten inneramerikanischen Kontroverse über eine sogenannte „China-Lobby" Anlaß gegeben über den Begriff der politischen Lobby liegt — genauso wie über den der pressure-group — besonders von amerikanischen Politikwissenschaftlern und Soziologen eine heute beinahe schon unüberschaubare Fachliteratur vor. Man kann den Standpunkt vertreten, daß mit beiden Termini nur spezielle Formen des Vorgehens von Interessengruppen am Sitz von Bundesexekutive und Bundeslegislative in Washington — oder am Regierungssitz in anderen pluralistisch-demokratischen Staatsordnungen — charakterisiert werden sollen, das heißt die Art und Weise versuchter Einflußnahmen einzelner solcher Gruppen auf jeweils „interessierende" Gesetze während des Gesetzgebungsvorganges oder auf die Festlegung bestimmter, die eigenen Interessen berührenden politischen Richtlinien. Im Gegensatz zu dieser Auffassung möchte der Verfasser generell den Gebrauch des Terminus Lobby auf solche Bestrebungen einschränken, die auf die Erreichung bzw.

Durchsetzung allgemeinpolitischer, nicht aber spezifisch interessengebundener Zielvorstellungen gerichtet sind und die eine besondere Trägerschaft aufweisen. Was letztere betrifft, so würde es sich hier nicht um Bestrebungen handeln, die jeweils einzeln von bestimmten Interessengruppen im intermediären Bereich — das heißt also etwa von einem Industrie-oder Gewerkschaftsverband — ausgehen, sondern um koordinierte Bemühungen von Führungskräften aus verschiedenen Gruppen in diesem Bereich — einschließlich der Publizistik — ebenso wie aus den politischen Parteien, der Legislative, ja möglicherweise sogar der Exekutive.

Im Hinblick auf die Zielsetzung und Trägerschaft solcher Bestrebungen hat der amerikanische Gesetzgeber in den letzten dreißig Jahren einige — in dieser Form nur in den USA konzipierte — Gesetze verabschiedet, die einerseits die Legitimität von Versuchen unterstreichen sollten, in einer pluralistischen Demokratie aus dem intermediären Bereich heraus auf die politische Willensbildung Einfluß zu nehmen, die aber andererseits einer terminologischen Konfusion eher förderlich waren. Vor allem handelte es ich hier um den bekannten Regulation of Lobbying Act 1946. Er zielte ausschließlich auf die Arbeit von Lobby-Büros in Washington ab, die den Gang der Gesetzgebung zu beeinflussen suchen. Solche Lobbies müssen Namen und Adressen ihrer Auftraggeber registrieren und in regelmäßigen, sehr detaillierten Berichten, die im Congressional Record veröffentlich werden, unter anderem Auskunft geben über die von ihnen „beobachteten" Gesetzentwürfe, die Vertragsverhältnisse der Angestellten einschließ13 lieh ihrer Bezüge, Sachund Repräsentationsausgaben. Dabei sind besonders ausführliche Angaben über Zeitungen und Zeitschriften zu machen, in denen Artikel oder auch Anzeigen placiert werden konnten.

Während dieser Act das Lobbying für Inlandsinteressen erfassen will, war schon 1938 — interessanterweise sehr wesentlich unter dem Eindruck der nationalsozialistischen Auslands-propaganda — die in den USA zugunsten ausländischer Interessen betriebene public rela-tions-Arbeit durch den „Foreign Agents Registration Act" einem sehr engmaschigen Uberwachungsmechanismus unterworfen worden. Nach der Neufassung von 1964— 1966 geht es hier um alle Personen, „die als Beauftragte, Vertreter und Angestellte ... auf Weisung ... oder unter der ... Kontrolle eines ausländischen Auftraggebers ... auftreten ... und direkt oder durch Dritte ... innerhalb der Vereinigten Staaten sich politisch für oder im Interesse eines solchen ausländischen Auftraggebers betätigen .... als public relationsBerater ... in einer Informationstätigkeit oder als politische Berater“.

Auch solche foreign agents unterliegen einer Registrierpflicht und müssen unter anderem eine vollständige Namensliste aller Beschäftigten sowie Einzelheiten über deren Vertragsverhältnisse vorlegen, in halbjährlichen Abständen dem Justizministerium über ihre Arbeit und ihr Finanzgebaren berichten und dabei auch Belegexemplare aller politischen Propagandaschriften und Unterlagen über deren Verbreitung einreichen. Ausgenommen von solchen gesetzlichen Regelungen sind unter anderem Personen, die diplomatische Immunität genießen, also etwa offizielle nationalchinesische Stellen in den USA.

Registriert waren im Sinne des Foreign Agents Registrations Act unter dem Gesichtspunkt unseres Themas Anfang der fünfziger Jahre in den USA unter anderem das Hauptquartier der Kuomintang, die im Frühjahr 1951 in ihrem Bericht an das US-Justizministerium einen Mitgliederstand von 3825 und 45 regionale Büros in den USA angab und hier zwei Zeitungen und einen Nachrichtenspiegel herausgab. Für letzteren sollen nach Auskünften des Senators Morse vor einem Untersuchungsausschusses des Kongresses in den Jahren zwischen 1946— 1949 allein rund 654 Millionen Dollar ausgegeben worden sein. Wie hoch sonst die von nationalchinesischer Seite in den vierziger Jahren zur Beeinflussung der öffentlichen Meinung der USA eingesetzten Beträge waren, läßt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Daß eine solche public relations-Arbeit in großem Umfange betrieben wurde, räumte Außenminister Acheson im Frühsommer 1951 ein, als die Regierung auf besondere Weisung Trumans eine interministerielle Sonderkommission mit der Untersuchung des gesamten Komplexes „China-Lobby" beauftragte. Es bleibt nach wie vor ein erstaunliches Faktum, daß weder die Recherchen dieser Kommission der Öffentlichkeit bekannt wurden noch Untersuchungen des Kongresses die Zusammenhänge erhellen vermochten

Als direkt bezahlter Angestellter der nationalchinesischen Seite im Sinne sowohl des Foreign Agents Registrations Act wie des Regulation auf Lobbying Act war in dem uns hier interessierenden Zeitraum nur der public relations-Berater W. J. Goodwin ausgewiesen worden. In den Vierteljahresberichten über die Lobby-Tätigkeit vom Juli 1950 gab Goodwin an, daß er bis zum 10. April 1950 beratend für den nationalchinesischen Nachrichten-spiegel tätig gewesen sei, und erklärte in diesem Zusammenhang wörtlich: „Meine Arbeit war darauf gerichtet, dem Kongreß die Ansichten Nationalchinas näherzubringen und dabei auch die kommunistische Propaganda zurückzuweisen, die durch eine ständige — beabsichtigte oder unbeabsichtigte — Wiederholung in gewissen Radio-und Zeitungsberichten sowie von Seiten einiger Regierungsvertreter an Glaubwürdigkeit gewann."

Senator Morse charakterisierte 1951 diese Tätigkeit mit den Worten, Goodwin habe der „geistigen Führungselite in den USA einschließlich der Mitglieder des Kongresses" die Gefahren vor Augen zu führen versucht, die der Sicherheit der USA durch die kommunistischen Weltrevolutionsbestrebungen erwüchsen, und umgekehrt das Vertrauen in die nationalchinesische Regierung wecken und stärken wollen. Dieser „Lobbyist" hat angeblich wiederholt selber behauptet, daß er während seiner Tätigkeit „mindestens 100 Mitglieder" des Kongresses bewirtet und „mindestens 50 von ihnen" zu einer formosa-freundlichen Haltung bewogen habe. Er soll zeitweilig zwi-sehen 30 000 und 40 000 Dollar jährlich für diese Arbeit erhalten haben.

Nicht nur auf mögliche finanzielle Zusammenhänge zwischen nationalchinesischen Stellen und einzelnen amerikanischen Persönlichkeiten und Gruppen, sondern gerade auch auf sehr beachtliche Versuche der Einflußnahme ersterer auf die US-Außenpolitik wurde eine breitere Öffentlichkeit durch eine als sensationell empfundene Artikelserie vom April 1952 in der Zeitschrift „Reporter" hingewiesen. Hier wurde — wie schon vorher andeutungsweise durch einen Senator im Kongreß — aus Telegrammen zitiert, die vom Juni 1949 bis zum September 1950 zwischen amtlichen chinesischen Stellen in Washington und höchsten Regierungsbehörden auf Formosa (möglicherweise handelte es sich dabei um Tschiang-kaischek) gewechselt worden sein sollen Diese Stellen müssen über umfangreiche Informationen hinsichtlich des außenpolitischen Entscheidungsprozesses verfügt und Zugang zu den wichtigsten außenpolitischen Entscheidungsinstanzen der USA gehabt haben. So waren sie offensichtlich recht genau über die Round Table Konferenz von Oktober 1949 und die noch geheimeren Sitzungen des Nationalen Sicherheitsrates vom Dezember unterrichtet. Das zeigte zum Beispiel die „Meldung" unmittelbar vor der Formosaentscheidung Trumans Anfang Januar 1950: „In der letzten Woche, als im Nationalen Sicherheitsrat unser Memorandum zur Diskussion stand .. Schon ein Bericht vom 15. August 1949 hatte einen direkten Zugang zu höchsten außenpolitischen Entscheidungsinstanzen als gegeben bezeichnet: „Wir können", so hieß es hier, „den Präsidenten, Mitglieder des Kongresses und auch des Kabinetts erreichen, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen, was für uns die wirksamste Methode des Vorgehens ist."

Als wichtigstes Ziel aller unmittelbar nationalchinesisch inspirierten oder mittelbar zugunsten Formosas in den USA unternommenen Versuche der Einflußnahme auf den Entscheidungsprozeß trat auch in diesem Telegramm-wechsel immer wieder klar hervor, die zu einer Anerkennung neigenden Kräfte in der Exekutive und Legislative in den Hintergrund zu drängen und vorhandene Gegenkräfte zu stärken. Im einzelnen lassen sich heute die Zusammenhänge zwischen solchen Bemühungen und tatsächlichen Aktionen im Bereich der damaligen US-Außenpolitik in der Chinafrage durchaus aufzeigen. Bereits am 22. Juni 1949, das heißt zwei Tage vor der erwähnten ersten großen Anti-Anerkennungs-Demarche von Mitgliedern des Senats, hieß es, daß man „gerne mit der begonnenen Arbeit fortfahren" wolle. „Schlüsselfiguren sowohl in der republikanischen wie in der demokratischen Partei“ beabsichtigten, eine „Politik der Nichtanerkennung ... zu unterstützen und möchten weitere Projekte der Hilfe (der möglichen Unterstützung Nationalchinas durch die USA, der Vers.) kennenlernen". Am 15. September 1949 folgte die deutliche Warnung nach Formosa: „Wenn sich der Kongreß vertagt (Mitte Oktober), dann werden wir die Möglichkeiten der Fürsprache verlieren und erst wieder ... im Januar des nächsten Jahres erhalten." Um dieselbe Zeit griffen tatsächlich im Senat solche Fürsprecher besonders scharf den Leiter der Unterabteilung Fem-Ost im State Department, W. Butterworth, als Symbol einer ihrer Ansicht nach bislang völlig verfehlten amerikanischen Chinapolitik an.

Die Aussichten, daß die amerikanische Exekutive sich einer Anerkennung nähere, wurde auch in diesen Telegrammen ganz im Sinne unserer zentralen Hypothese zeitweilig als sehr groß angesehen. Schon am 6. Oktober 1949 wurde konstatiert, daß „die britische und amerikanische Anerkennung der chinesischen Kommunisten unvermeidlich werden wird, wenn ... das Festland verlorengehen sollte". 14 Tage später wurde auf der Linie der bereits erwähnten Ausführungen des Senators Know-land im Senat vom Oktober — auf einen „starken Druck von englischer Seite" — zugunsten einer amerikanischen Anerkennungspolitik hingewiesen.

Einen Tag vor der Formosaentscheidung Trumans hieß es dann kategorisch: „Wie man hier erfährt, wird die amerikanische Regierung die Anerkennung der chinesischen kommunistischen Regierung zu einem günstigen Zeitpunkt aussprechen ..." Acheson versuche sowohl in Europa wie in Asien einen Titoismus zu be15 günstigen; diese „neue Politik" impliziere daher den Versuch, überall kommunistische Regierungen zu ermutigen, sich mehr von Sowjetrußland zu lösen. „Um dieses Ziel zu erreichen", so fuhr der Bericht fort, „gelten die diplomatische Anerkennung und die Entsendung diplomatischen Personals als sehr nützliche Mittel." Washington verbreitete jetzt die Auffassung, daß Sowjetrußland eine Anerkennung Pekings durch die USA befürchte und ein solcher Schritt daher die einzige Möglichkeit darstelle, die sowjetischen Intentionen zu durchkreuzen. Zweifellos unter Bezugnahme auf die großen Senatsdebatten über das Problem einer amerikanischen Anerkennung Pekings im ersten Drittel des Monats Januar 1950 und mehr oder weniger auf der von republikanischer Seite dort vertretenen Linie resümierten die Verfasser der Telegramme dann am 12. Januar: „. . . es ist ganz offensichtlich, daß das State Department die Pläne für eine solche Anerkennung iertig in der Schublade hat (!). Wenn der richtige Zeitpunkt gekommen ist, dann werden (!) sie die chinesischen Kommunisten unter dem Vorwand anerkennen, daß es unbedingt notwendig sei, mit der rasanten Entwicklung Schritt zu halten."

Vom Gesichtspunkt der „Koordinierung" und insbesondere auch im Hinblick auf die scharfen Angriffe der Republikaner im Kongreß auf den vermuteten Anerkennungskurs der Regierung um dieselbe Zeit war auch die kurz vorher — am 5. Januar 1950 — getroffene Feststellung sehr aufschlußreich: „Die Sache Formosas sieht sich hier vielen Schwierigkeiten gegenüber. In den letzten Tagen habe ich sehr erfolgreiche Gespräche mit dem Kongreß geführt." Ganz klar wurde das allgemeine Ziel aller nationalchinesischen Bemühungen in den USA am 12. und 17. Januar in den Worten zusammengefaßt: „Der einzige Weg, den die nationalchinesische Seite gehen kann, ist der, die öffentliche Meinung so in Bewegung zu bringen, daß die Regierung zu einer Änderung ihrer Haltung gezwungen wird." Gegenüber der von State Department und der demokratischen Partei „einstimmig befürworten", auf einer Fraktionssitzung der Demokraten im Senat Mitte Januar festgelegten Linie einer Beeinflussung der öffentlichen Meinung in Richtung auf eine Anerkennung müßten die Nationalchinesen in den USA „ungewöhnliche Maßnahmen ergreifen".

Besonders auffallend war der Zusammenhang zwischen dem republikanischen Vorgehen im Kongreß und Andeutungen versuchter Einflußnahmen von nationalchinesischer Seite auf die legislative Beteiligung am außenpolitischen Meinungsund Willensbildungsprozeß auch in der Zeit von Mitte Mai bis Mitte Juni. Einmal ging es hier um eine erneute Anti-Peking-Demarche von einer klaren „Sperrminorität" von 34 Senatoren, die in einem Schreiben an den Präsidenten sowohl eine amerikanische Anerkennung Pekings wie eine „Zulassung" des kommunistischen Regimes bei den UN ablehnten. Unmittelbar vorhergehende Telegramme hatten von verstärkten nationalchinesischen Bemühungen um Kontakte zu Mitgliedern des Kongresses berichtet. Wenige Tage, nachdem die Telegrammabsender die Auffassung vertreten hatten, daß „alles noch gut gehen kann, wenn es uns gelingt, den Kongreß zu einer . . . entschlossenen Ablehnung jeder Anerkennung . . . und zu der Forderung nach Anwendung des Vetos ... in den UN . . . durch die USA" zu bewegen, bezichtigten die beiden führenden Republikaner Know-land und Bridges im Senat in einer ebenso ungewöhnlichen wie scharfen Erklärung den UN-Generalsekretär persönlich der Hörigkeit gegenüber der Sowjetunion und forderten die eigene Regierung auf, Trygve Lie unter Androhung einer Abberufung zu einer Änderung seiner Haltung in der Frage des chinesischen Vertretungsrechtes zu veranlassen

Abgesehen von den offenkundigen Bemühungen nationalchinesischer Stellen, auf die US-Chinapolitik in jenem „kritischen" halben Jahr Einfluß zu nehmen, waren in den vierziger Jahren eine ganze Reihe von rein amerikanisch betriebenen Organisationen ins Leben gerufen worden, deren Tätigkeit in den USA zugunsten der Sache des Generalissimus teilweise unter die Bestimmungen des erwähnten Regulation of Lobbying Act fielen, weil ganz speziell auch eine Beeinflussung der Auslandshilfegesetzgebung beabsichtigt war. Als Gründer derartiger Organisationen traten vor allem zwei Persönlichkeiten aus dem Bereich der Wirtschaft hervor, der Export-und Import-kaufmann A. Kohlberg, der ein erhebliches wirtschaftliches Interesse am Chinahandel hatte, und der offensichtlich von rein idealistischen Motiven inspirierte Pittsburgher Industrielle Frederick McKee, der bereits im Zweiten Weltkrieg verschiedene Hilfskomitees zugunsten Nationalchinas ins Leben gerufen hatte und soiche Komitees auch zum größten Teil aus eigenen Mitteln finanziert zu haben sdheint. Beide Industrielle bestritten seinerzeit immer wieder finanzielle Abhängigkeiten. Ohne durch stichhaltige Quellen widerlegt worden zu sein, erklärten sie, daß sie für ihre Arbeit niemals „finanzielle Zuwendungen direkt oder indirekt von der nationalchinesischen Regierung . . ., von chinesischen Bürgern oder amerikanischen Bürgern chinesischer Abstammung" erhalten hätten

Am stärksten nach außen in Erscheinung getreten sind Kohlbergs 1947/48 gegründete „American China Poiicy Association" (der als Verbindungsmann zu nationalchinesischen Stellen auch der genannte Public Relations Manager Goodwin angehörte) und das von McKee Ende 1949 gestartete „Committee to defend America by aiding Anti-Communist China." Das allgemeine Ziel der Arbeit solcher Gremien wurde in der Wahrnehmung einer Informations-und Empfehlungsfunktion gesehen und etwa von McKee in bezug auf sein „Committee to defend ..." dahingehend definiert, daß „umfangreiches Material" darüber gesammelt werde, wer für die zum „Verlust" Chinas führenden Fehlleistungen in der amerikanischen Exekutive verantwortlich gewesen sei. Darüber hinaus würde — so McKee noch im Frühjahr 1951 — ständig nach Möglichkeiten gesucht, das chinesische Festland eines Tages wieder zu befreien und den Druck auf die amerikanischen Truppen in Korea dadurch zu mindern, daß die anti-kommunisti-sehen Kräfte auf der Insel Formosa und dem chinesischen Festland weitgehendst gestärkt würden — eine in Anbetracht des Zeitpunktes ebenso unrealistische wie aufschlußreiche Feststellung

Wichtigste Voraussetzungen für eine Verwirklichung solcher Arbeitsintentionen waren auch in diesen Organisationen ein Höchstmaß an eigener Informiertheit, ein Zugang der Führungskräfte zu den außenpolitischen Entscheidungsspitzen sowohl in den USA wie auf Formosa und schließlich eine erfolgreiche Koordinierung der verschiedenen Bemühungen. Daß solche Voraussetzungen durchaus gegeben waren, kann unter anderem schon aus den Mitgliederlisten geschlossen werden, die nicht nur Senatoren und Abgeordnete, sondern auch eine große Zahl von Persönlichkeiten aus dem Bereich der „effektiven Öffentlichkeit“ in Industrie, Gewerkschaften, Publizistik und Kirchen aufwiesen. Im Gegensatz zu Mc-Kee, der über gute persönliche Kontakte in Washington — unter anderem zu dem für Fragen der Wirtschaftsund Sozialpolitik „zuständigen" wichtigen Mitarbeiter Trumans im Weißen Haus, Dr. Steelman — verfügt zu haben scheint, hat jedoch Kohlberg offenbar solche Kontakte mehr angestrebt als verwirklicht, das heißt öfters an das Weiße Haus geschrieben, als von dort schriftliche Bestätigungen seiner versuchten Interventionen erhalten. Erfolgreiche Koordinierungen waren vor allem schon durch die häufigen Personalunionen in den verschiedenen Organisationen gewährleistet

Alle hier genannten tschiangkaischek-freund-lichen Gruppen und Persönlichkeiten im intermediären Bereich versuchten damals auf die außenpolitische Entscheidungsspitze in der Chinafrage entweder direkt durch persönliche Gespräche mit führenden Beamten und durch Briefe an die Exekutive einschließlich des Präsidenten oder auf dem Umwege über einflußreiche Mitglieder der Legislative oder aber schließlich auf dem noch weiteren Umwege über eine Mobilisierung der breiten Öffentlichkeit einzuwirken. Letzteres geschah durch das in den USA besonders häufig angewandte Mittel der Pressekonferenz, durch Rundschreiben an alle amerikanischen Zeitungen, durch eigene Pressedienste oder durch Abhaltung von Massenveranstaltungen aller Art. Ende November 1949 organisierte z. B. McKee mit seinem Komitee eine „Rettet-China Kundgebung" in der New Yorker Carnegie Hall, auf der die Teilnehmer aufgefordert wurden, einzeln an Truman zu schreiben und sich gegen jede Form einer Anerkennung Pekings durch Washington auszusprechen. McKee griff hier Acheson scharf an, forderte die Einstellung amerikanischer Wirtschaftshilfe für alle Länder, die das kommunistische Regime in China anzuerkennen beabsichtigten oder schon anerkannt hätten, und zitierte da-29 bei aus einer Erklärung des Asien-Unterausschusses der „Catholic Association for International Peace" in den USA, in der jede Anerkennung Pekings als „ein Schlag ins Gesicht der internationalen Moral . . als eine Verurteilung des chinesischen Volkes zu einer demütigenden Unterjochung und eine Gefährdung der amerikanischen Sicherheit und Bedrohung des Friedens in der Welt" bezeichnet worden war

Dieser Tenor der Kundgebung entsprach der damals innerhalb wie außerhalb des legislativen Bereiches zu beobachtenden Tendenz aller tschiangkaischek-freundlichen Gruppen und Einzelpersönlichkeiten in den USA, vermutete oder auch aus taktischen Erwägungen als feststehend unterstellte Anerkennungsintentionen durch lautstarke Alarmrufe im Keime zu ersticken. Zuweilen wurden dabei auch sehr weitreichende Behauptungen aufgestellt, wie etwa durch eine Pressemitteilung der „American China Policy Association" vom 24. Oktober 1949, daß der letzte amerikanische Generalkonsul in Peking, O. E. Clubb, den kommunistischen Machthabern die Fortführung der Handelsbeziehungen unter bestimmten Bedingungen angeboten hätte, die sich vor allem auf die Gewährleistung der Sicherheit amerikanischer Staatsbürger und amerikanischen Eigentums auf dem chinesischen Festland bezögen. Tschou En-lai habe umgekehrt — so wurde hier „gemeldet" — dem amerikanischen Diplomaten erklärt, erst müsse eine Anerkennung durch die USA erfolgen, bevor über Handelsbeziehungen gesprochen werden könnte.

Knapp zwei Jahre später kam A. Kohlberg öffentlich auf diese Behauptungen zurück und erweiterte sie um die Variante, daß „Acheson nachweislich im Frühjahr 1949" durch den amerikanischen Generalkonsul ebenso wie in einer direkten Mitteilung an die Militärbehörden in Peking die Anerkennung des kommunistischen Regimes und seine finanzielle Unterstützung durch die USA unter der Bedingung angeboten habe, daß Mao Tse-tung die zwischen den USA und China bestehenden Handelsverträge als rechtskräftig anerkenne und sich nicht zu stark an die Sowjetunion an-* lehne Daß solche, vom amerikanischen Gesamtinteresse damals durchaus erwägenswerten Angebote tatsächlich gemacht worden sind, wurde dem Verfasser gegenüber sowohl schriftlich wie mündlich von zwei der seinerzeit hauptbeteiligten amerikanischen Diplomaten dementiert. Ob sich von den Quellen des State Department her einmal diese „Vorwürfe" oder aber die Dementis substantiieren lassen oder nicht, auf jeden Fall dürften solche und andere Behauptungen dem zweifellos beabsichtigten, inhibierenden Ziel immer dann sehr nahe gekommen sein, wenn sie „synchronisiert" wurden mit Interventionen einflußreicher Kreise des Kongresses im Weißen Haus oder State Department. Bei Vorliegen einer solchen Konstellation mußte die Exekutive ernsthaftere Auswirkungen auf die generelle Beteiligung der Legislative am außen-politischen Entscheidungsprozeß der USA befürchten. Enge Kontakte dieser Gruppen waren zu Vertretern der verschiedenen Religionsgemeinschaften gegeben, deren generelle Bedeutung für den politischen Meinungsbildungsprozeß der USA auch heute noch groß ist und die von allen gesellschaftlichen Großgruppen am stärksten zur Ausprägung eines ganz besonderen China-Image in den USA beigetragen haben. So wurde zum Beispiel über die Reden, die in jenen Monaten der Jesuitenpater Kearney in vielen Teilen des Landes zugunsten Tschiangkaischeks bzw. gegen jede Politik eines modus vivendi mit Peking hielt, in den Veröffentlichungen der hier genannten Lobby-Gruppen wiederholt berichtet. Auf evangelischer Seite stand die Methodisten-Kirche im Vordergrund. Das lag unter anderem angesichts des großen Ausmaßes gerade ihrer Missionstätigkeit in China sowie der Zugehörigkeit des Ehepaares Tschiangkaischek oder auch McKees zu ihr nahe. Erwähnt sei hier nur die Jahreskonferenz der Methodisten 1948. Auf ihr wurde eine Gruß-und Dankadresse der versammelten „Brüder und Schwestern" an den Generalissimus verabschiedet und eine Antwort verlesen, in der Tschiangkaischek der Hoffnung Ausdruck gab, daß Gott es mit der „gerechten Sache Chinas doch noch gut meinen" werde

Bemerkenswert ist allerdings in Anbetracht solcher und anderer amerikanisch-national-chinesischer Bindungen im kirchlichen Bereich, daß eine detaillierte Analyse der offiziellen, das heißt der veröffentlichten, ebenso wie der intern abgegebenen Stellungnahmen protestantischer Religionsgemeinschaften und Missionsgesellschaften der USA 1949/50 insgesamt gesehen eher auf eine in diesen Kreisen zustande gekommene Mehrheit zugunsten einer amerikanischen Politik des modus vivendi mit Peking schließen läßt Ausschlaggebend waren dafür offenbar gleichermaßen kirchliche, missionarische und politische Erwägungen.

Solche Tendenzen erklären nun aber, warum die tschiangkaischek-freundlichen Gruppen besondere Anstrengungen unternahmen, um auf diese kirchlichen Kreise in der Frage der US-Chinapolitik massiv in ihrem Sinne einzuwirken. Zuweilen wurde dabei zu mehr als fragwürdigen Mitteln, nicht zuletzt denen des Rufmordes, gegriffen. Ein Beispiel — wenngleich auch ein recht extremes — für solche Mittel war etwa das Ende 1949 veröffentlichte Pamphlet „Wie Rot ist das Federal Council of Churches", für das ein Pfarrer Johnson verantwortlich zeichnete. Johnson gehörte als Methodist bezeichnenderweise ebenso zu den Gruppen um Kohlberg wie zu dem kleinen theologisch und politisch „rechts" stehenden „American Council of Christian Churches" und war selber mehrere Jahre in China als Missionar tätig gewesen. In diesem Pamphlet wurden die offiziellen Glied-kirchen des Federal Council in Verbindung mit den „hohen Schulen" des Landes als „die besten Verbreiter sozialistisch-kommunistischer Propaganda" in den USA abgetan und eine Reihe führender Theologen im Sinne des McCarthyismus an den Pranger gestellt („sie haben die Gott hassenden, unamerikanischen Organisationen unterstützt"). Unter ihnen befanden sich zum Beispiel Reinhold Niebuhr und W. Kirk, der langjährige Leiter des International Department im FCCC, der sich 1949/50 sehr um eine objektive Haltung der amerikanischen Kirchen und Missionsgesellschaften gegenüber Peking bemühte.

Eines der besten Beispiele für eine erfolgreiche Koordinierung versuchter Einflußnahmen im nationalchinesischen Sinne stellte der seinerzeit stark publizierte Brief dar, den eine Gruppe von mehr als 200 Pfarrern, Missionaren, Industriellen und anderen in Form eines Memorandums Anfang 1950 an Präsident Truman und Außenminister Acheson im Namen des Komitees „to defend America ..

als Antwort auf die kurz zuvor von 68 evangelischen Persönlichkeiten zugunsten einer Politik des Modus vivendi mit Peking abgegebene Erklärung sandte. Hier wurde die Auffassung vertreten, daß eine Anerkennung des kommunistischen Regimes durch die USA einen „moralischen Kompromiß ... und politischen Fehler" darstellen würde. Die Unterzeichner verurteilten jeden Versuch, die Vertreter der nationalchinesischen Regierung aus den Organen der UN auszuschließen, da diese Regierung „im Einklang mit der chinesischen Verfassung gewählt worden sei ..." und als „einzig legitime" angesehen werden müsse. Die kommunistische hingegen repräsentiere genau so wenig das chinesische Volk wie dies die seinerzeit von Japan in der Mandschurei oder die von Hitler in den besetzten Gebieten während des Zweiten Weltkrieges installierten Regime es getan hätten. Die Verfasser des Memorandums wiesen darauf hin, sowohl Mao Tse-tung wie Tschou En-lai hätten wiederholt erklärt, daß ein Christ nicht gleichzeitig Mitglied der chinesischen KP sein könne. Aus diesem Grunde verurteilten sie jede Form der diplomatischen Billigung oder gar Anerkennung dieser Regierung, die im übrigen zunehmend die Missionare aller christlichen Konfessionen verfolge, Kirchen schließen lasse und andere anti-kirchliche Maßnahmen ergreife

Offene Briefe pro-nationalchinesischer Gruppen und Persönlichkeiten wurden auch an führende, gelegentlich sogar an alle Mitglieder des Kongresses versandt. Kohlbergs „American China Policy Association" ging im Januar 1950 so weit, den Kongreß in einer Eingabe zur Verabschiedung einer Entschließung beider Häuser aufzufordern, durch die General MacArthur größere Vollmacht erhalten und den nationalchinesischen Be-hörden ebenso wie „konterrevolutionären Elementen" auf dem chinesischen Festland Finanz-und Waffenhilfe gewährt werden sollte.

Diesen Weg der direkten Aufforderung zur „legislativen" Aktion beschritt dann wiederholt das 1953 gegründete „Committee of the One Million“. Vermögen schon die bisher in diesem Aufsatz andeutungsweise wiedergegebenen Äußerungen und Aktionen verschiedener tschiangkaischek-freundlicher Einzelpersönlichkeiten und Gruppen wichtige Anhaltspunkte für die These zu geben, daß 1949/50 koordinierte Versuche der Einflußnahme auf den außenpolitischen Meinungsund Willensbildungsprozeß in der amerikanischen China-politik zugunsten der nationalchinesischen Seite gemacht wurden, und lassen Vergleiche mit dem insgesamt doch starke Schwankungen aufweisenden Ablauf des exekutiven Entscheidungsprozesses den Schluß zu, daß sich die Entscheidungsspitze tatsächlich von dem so erzeugten Druck beeinflussen ließ, so liefert das „Committee of the One Million" den besten Beweis für das Vorhandensein und das erfolgreiche Wirken einer China-Lobby im Sinne mehrerer, auf gleiche Ziele hinarbeitender pressure-groups. Dieses Wirken ist natürlich auch von der Tatsache her zu beurteilen, daß die von dem Komitee konsequent empfohlene „Eindämmungspolitik" gegenüber Peking noch stärker der Konzeption der seit 1953 amtierenden Regierung Eisenhower als der vorherigen Regierung Truman entsprach.

Das Komitee war mit dem erklärten Ziel ins Leben gerufen worden, die „Zulassung des kommunistischen China zu den Vereinten Nationen" zu verhindern. In seinem Arbeitsausschuß sind auf republikanischer Seite jahrelang die Politiker Senator H. A. Smith — zeitweise auch als Ehrenvorsitzender — und Dr. Judd tätig gewesen. Letzterer arbeitet auch heute noch aktiv mit.

Zu den prominentesten Gründungsmitgliedern gehörten unter anderem der frühere US-Botschafter in Japan, J. Grew, der langjährige Chef der amerikanischen UN-Delegation, W. Austin, Senator Knowland, Mrs. Kohlberg (nach dem Tode ihres Mannes), Henry B. Luce, Herausgeber von „Time" und „Life", die heute als sogenannte „Falken" einzustufenden Professoren D. Rowe (Yale) und Karl Wittfogel. Auch führende kirchliche Persönlichkeiten haben sich wiederholt mit diesem Komitee identifiziert. Mit dem ersten Appell, der an den neuen Präsidenten Eisenhower gerichtet wurde, assoziierten sich neben dem früheren republikanischen Präsidenten Herbert Hoover, der seinen Parteifreunden im Kongreß auch 1949/50 Schützenhilfe bei Angriffen auf die offizielle Chinapolitik geleistet hatte, u. a. George Marshall, G. Meany (damals Präsident des AFL-Gewerkschaftsdachverbandes) und W. McCormack (langjähriger demokratischer Fraktionsvorsitzender des Repräsentanten-hauses). Das Komitee, das seinen Namen 1954 umänderte (in „von" statt „für" eine Million), nachdem angeblich über 1, 2 Millionen Unterschriften gesammelt worden waren, verstand und versteht sich als eine „Volksbewegung", die durch „kleine Bürger" im ganzen Lande finanziert wird und sowohl in ihrer Führungsspitze wie in der gesamten Mitgliederschaft auf überparteilicher Grundlage arbeitet. Diese Grundlage wird mit Recht als ein entscheidender Faktor herausgestellt, der schon 1956 deutlich zutage getreten sei, als beide großen Parteien in ihren Wahlmanifesten jede nachgiebige Politik gegenüber dem kommunistischen China abgelehnt hätten

Das Komitee nimmt die erfolgreiche Wahrnehmung einer „Terminierungsfunktion", das heißt das Verdienst für sich in Anspruch, die Bemühungen einer „kleinen Minderheit... um eine Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik zugunsten des kommunistischen China vereitelt" zu haben. Tatsächlich erreichte es diese Lobby zum Beispiel, daß 1956 in beiden Häusern des Kongresses mit einer breiten überparteilichen Mehrheit eine Resolution gegen die „Zulassung" Pekings zu den Vereinten Nationen und gegen seine Anerkennung durch die USA verabschiedet wurde. Als weiteres Beispiel für einen eindrucksvollen Erfolg seiner Arbeit wies das Komitee in seinem Rechenschaftsbericht 1965/66 auf die Absetzung von Hearings im Außenhandelsausschuß des Senates im Jahre 1957 über eine mögliche Abschwächung des Handelsembargos gegen China hin. Diese Absetzung wurde auf eine von dem Komitee kurz zuvor veranstaltete Unterschriftensammlung unter führenden Industriellen des Landes zurückgeführt. Das Komitee hat im Laufe der Jahre die Methoden seiner Öffentlichkeitsarbeit immer mehr verfeinert. Die ursprüngliche Form der direkten Mobilisierung der öffentlichen Meinung durch das Sammeln von Unterschriften in größtem Stil wurde in weiteren Briefaktionen fortgesetzt, so zum Beispiel im November 1958 im Zusammenhang mit der Krise um die Inseln Quemoy und Matsu in der Formosastraße. Damals wurden Rundschreiben an die amerikanischen Zeitungen verschickt und die „Mitglieder" aufgefordert, Eisenhower und Dulles eine Politik der Festigkeit gegenüber dem kommunistischen China schriftlich zu empfehlen. Gleichzeitig erhielten alle Kandidaten für die bevorstehenden Zwischenwahlen auf Bundesebene das „Schwarzbuch über Rotchina" von E. Hunter kostenlos zugesandt, dessen einzelne Kapitelüberschriften schon eine eindeutige Sprache sprechen: „Sklavenarbeit", „Rotes Verbrecherkombinat" usw. Neben solchen Briefaktionen und regelmäßig abgehaltenen Massenkundgebungen (etwa 1961 in der New Yorker Carnegie Hall) werden seit 1953 immer wieder Anzeigen in amerikanischen und ausländischen Zeitungen sowie Broschüren und Bücher in großen Auflagen veröffentlicht und verteilt — 1950 das Buch von Hunter an alle Delegationen der 13. UN-Generalversammlung. Auch Hörfunk, Fernsehen und Filmindustrie werden laufend eingeschaltet. So wurde 1961 zum Beispiel ein Schmalfilm „Red China-Outlaw" hergestellt und in mehr als 300 Kopien verbreitet.

III. Zusammenfassung

Zusammenfassend kann festgestellt werden — was im einzelnen noch näher zu untermauern sein würde —, daß es durchaus gerechtfertigt erscheint, den Terminus „Lobby" im Sinne der obigen Definition als Sammelbegriff für die verschiedenen Gruppen im intermediären Bereich, die zugunsten der nationalchinesischen Seite in den USA tätig waren, anzuwenden und ihren Bestrebungen in dem entscheidenden Zeitraum zwischen Oktober 1949 und Juni 1950 zusammen mit dem Bemühen einer Reihe von Persönlichkeiten aus der Legislative eine inhibierende Wirkung auf die Gestaltung der amerikanisch-chinesischen Beziehungen nach der kommunistischen Machtergreifung zuzuschreiben. Zu dieser Auffassung gelangte Hans Morgenthau schon 1951/52, als er konstatierte, daß „eine lautstarke, leidenschaftliche, gut finanzierte und gut organisierte Minderheit in der Lage war, seinen Willen dem Kongreß aufzuzwingen und die Administration dahin gehend zu terrorisierens!), daß sie gegen ihr besseres Wissen eine Politik verfolgte, die scheiterte" Dieses nach unserer Ansicht in der Tendenz richtige Votum bedürfte allerdings in bezug auf die Wechselbeziehungen zwischen öffentlichen „Meinungen" und außenpolitischem Entscheidungsprozeß den Gebrauch der entscheidenden Verben und die zeitliche Fixierung des umschriebenen Phänomens einer größeren Differenzierung. Eine genaue Analyse der Stellungnahmen der von der Chinapolitik besonders tangierten intermediären Gruppen in den USA ergibt nämlich, daß erhebliche Meinungsverschiedenheiten innerhalb vieler dieser Gruppen bestanden. Die Regierung Truman hätte sich daher „theoretisch" dem Druck einer China-Lobby immer wieder so entziehen können, wie sie dies vor allem bei der Formosa-Entscheidung vom 5. Januar 1950 getan zu haben scheint. Daß sie dies dann später nicht tat, lag sicher auch an der Politik des kommunistischen Lagers. Zwischen der Scylla eines innenpolitischen und der Charybdis eines außenpolitischen Druckes war eben schon der Entscheidungsspielraum dieser Regierung stark eingeengt.

Es darf schließlich bei der Bewertung einer sogenannten China-Lobby auch nicht übersehen werden, daß manche der öffentlichen Äußerungen und Aktionen aus diesen Kreisen seinerzeit auch motiviert waren von einem Unbehagen gegenüber vermuteten Einflußnahmen auf die offizielle China-Politik der USA in der entgegengesetzten „Richtung". Die verschiedenen Erklärungen des „Committee of the One Million" genauso wie diejenigen der Republikaner im Kongreß und anderer tschi-angkaischek-freundlichen Gruppen in den USA in den fünfziger Jahren spielten immer wieder indirekt auf einen angeblich ebenfalls koordinierten und planmäßig ausgeübten Drude von Kräften an, die als Teil einer kommunistischen, einer „Anti-China-Lobby“ ab-21 gestempelt wurden. In den großen innenpolitischen Auseinandersetzungen um die amerikanische China-Politik nach 1945 wurde einer ganzen Reihe von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens eine systematisch betriebene Beeinflussung des außenpolitischen Entscheidungsprozesses der USA zugunsten der kommunistischen Machthaber in China und das Fallenlassen der nationalchinesischen Regierung unterstellt. Republikanische Kreise beriefen sich bei ihren Vorwürfen in dieser Richtung in den Jahren 1949— 1951 in erster Linie auf die Zeit vor der „Machtergreifung“ Maos, das heißt schon auf die Jahre 1943— 1944, vor allem aber auf die Konferenz von Jalta und den dort angeblich von der „demokratischen“ Regierung vorgenommenen Ausverkauf des alten Verbündeten Tschiang-kaischek. Danach hätten dann einige an der Formulierung und Ausführung der US-China-Politik wesentlich beteiligten Diplomaten und Militärs — teils aus eigenem Antrieb, teils ferngesteuert von „liberalen“ Intellektuellen aus dem Bereich der Universitäten oder sogar von kommunistischen Zentralen — alle Bemühungen um eine wirklich durchschlagende Hilfe für den Generalissimus vereitelt und auf diese Weise der von ihnen möglicherweise bejahten, auf jeden Fall aber in ihrem Wesenskern verkannten chinesischen Spielart des einen Weltkommunismus zum Siege verholten

Zwar läßt sich eine Reihe von hier nicht im einzelnen zu untersuchenden und bis auf weiteres sehr erschöpfend und schlüssig von Tang Tsou analysierten Belegen für Fehleinschätzungen und daher auch Fehlleistungen amerikanischer Fern-Ost-Diplomaten erbringen, ganz abgesehen von den beiden berühmtesten Verratsfällen jener Jahre, das heißt dem Amerasia-Fall und dem bisher allerdings noch keineswegs restlos aufgeklärten Fall des State Department-Beamten Alger Hiss, der unter anderem der amerikanischen Delegation in Jalta angehörte, dort aber mit Sicherheit nicht an Entscheidungen über fernöstliche Probleme beteiligt war.

Solche Belege reichen jedoch zu einer überzeugenden Beweisführung nicht aus. Vor allem aber kann auf Grund der Quellenlage heute noch nicht endgültig beurteilt werden, ob manche der beteiligten Diplomaten und der mit ihnen übereinstimmenden sonstigen amerikanischen China-Experten in anderen Bereichen ideologisch fixiert, von einem Wunschdenken erfüllt oder aber in ihrer Beurteilung der voraussichtlichen chinesischen Entwicklung und ihren policy-Empfehlungen sogar realistischer waren und dem amerikanischen Nationalinteresse besser gerecht wurden als die Beurteilungen und Empfehlungen der Gegenseite, das heißt der hier erwähnten tschiangkaischek-freundlichen Gruppen. Ob zum Beispiel agrarreformerische Trends bei einer Gewährung von amerikanischer Wirtschaftshilfe ab Ende der vierziger Jahre schließlich zur Herausbildung einer weniger „orthodoxen“ Spielart des Kommunismus in China geführt hätten, ob damals wirklich echte Chancen für die US-Diplomatie bestanden, Peking von Moskau zu trennen — überdies noch, wie manche hofften, im titoisti-schen Sinne — und zu einem modus vivendi mit den neuen Machthabern zu gelangen, ob Mao durch Moskau zu einem anti-amerikanischen Kurs gedrängt oder durch Washington zunächst noch stärker in die Arme der Sowjetunion getrieben wurde — alles dies sind für eine abschließende Wertung entscheidende Probleme, die nach wie vor mit einem Fragezeichen versehen bleiben müssen. Sie sollen an anderer Stelle, besonders im Hinblick auf die seinerzeit von Senator McCarthy in den Mittelpunkt der erbitterten inneramerikanischen Kontroversen gerückten „Schlüsselfigur", den Mongoleiexperten Owen Lattimore, und eine angeblich vor allem im Rahmen des „Institute of Pacific Relations“ in den USA zugunsten Pekings tätige Anti-China-Lobby behandelt werden.

Heute löst sich die seit Anfang der fünfziger Jahre zu beobachtende innenpolitische Erstarrung in der amerikanischen Chinapolitik. Ihrer Tabuierung wurde spätestens durch die Senatshearings vom Frühjahr 1966 im Bewußtsein einer breiteren Öffentlichkeit ein Ende gesetzt. Sollte die amerikanische Exekutive daher zu dem Schluß kommen, daß sich außenpolitisch in näherer Zukunft eine Umorientierung ihrer Asien-und Chinapolitik realisieren ließe, dann würde sie vermutlich nunmehr mit einer sehr viel eindeutigeren Unterstützung aus allen Bereichen der Regierung (im Sinne von „government") und Gesellschaft rechnen können, als dies noch vor wenigen Jahren möglich erschien. Es war nur logisch, daß sich diese Hearings des Auswärtigen Ausschusses unter Senator Fulbright nacheinander mit der US-Vietnam-und Chinapolitik befaßten, da beide vom Gesichtspunkt sowohl einer Analyse der Vergangenheit wie einer Prognose im Hinblick auf die Zukunft nicht voneinander zu trennen sind. Man kann — um auf den Ausgangspunkt dieser Untersuchung zurückzukommen — heute die These vertreten, daß die außenpolitische Führung der USA in Vietnam unter anderem auch Aspekte einer Entwicklung in Asien zu korrigieren hoffte, deren Nichtbeachtung vor 16 Jahren von manchen Kritikern als ein vermeidbarer, schwerer Fehler angesehen wurde, daß mit anderen Worten schon die wichtigen Vietnam-Entscheidungen unter Eisenhower und Kennedy, ganz zu schweigen von denen Johnsons, als Vollzug einer 1951, aber eben nicht schon 1949 eingeleiteten Eindämmungspolitik auch im Fernen Osten zu betrachten sind. Umgekehrt können aber auch die damaligen Befürworter eines flexibleren Kurses gegenüber dem Kommunismus in Asien die Entwicklung der Vietnamkrise seit Anfang der sechziger Jahre zur Untermauerung ihrer alten Argumentation heranziehen, daß die USA sich niemals zur Rettung einer zum „Untergang" verurteilten Gesellschaftsordnung engagieren durften. Vielleicht finden beide Richtungen in der Befürwortung einer Politik gegenüber Peking als der Schlüsselfigur in Asien zusammen, wie dies in den Senatshearings von gewichtiger Seite gefordert wurde. Eine solche Politik würde darauf hinauslaufen, daß die USA zwar weiterhin eine Expansion der „anderen Seite" zu verhindern, dabei aber gleichzeitig den toten Punkt der völligen Isolierung dieser Seite zu überwinden trachten.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Brief zitiert nach Congressional Records (im folgenden: CR), 81. Congr. 1.sess., 1949, S. 8406 s. Die Erklärung Achesons zit. nach Subcommittee of the Senate Committee on Foreign Relations: „Haerings on the nomination of Philip C. Jessup to be US Representative to the 6th General Assembly of the UN", 82. Congr., 1.sess., S. 615 f.

  2. Vergl. u. a. zu diesem Interdependenzaspekt: John Foster Dulles als republikanischer Senator, in: CR., 81. Congr., 1.sess., 1949, S. 1308 s.

  3. Schreiben Achesons vom 22. 8. 1949, zit. nach Department of State Bulletin.

  4. Siehe „United States Relations with China“, hrsg. vom US Department of State, Washington DC 1949.

  5. Vergl. hierzu Kapitel „Anglo-amerikanische Interdependenz in der Chinapolitik 1949— 50" in der in Kürze erscheinenden Studie des Vers.: „Außenpolitische Entscheidungen im Kräftespiel einer demokratischen Gesellschaft — Weichenstellungen der amerikanisch-britischen Chinapolitik 1949— 51".

  6. Die damalige offizielle britische Haltung kam sehr gut in der Zuschrift des britischen Völkerrechtlers H. Lauterpacht an die Londoner „Times“ vom 6. Januar 1950 zum Ausdruck. Hier wurde vor allem das Kriterium der „Effektivität“ herausgestellt, bei Vorliegen desselben eine Pflicht zur Anerkennung einer neuen Regierung durch andere Regierungen bzw. Staaten konstatiert und der Gedanke zurückgewiesen, als ob es sich bei einem solchen völkerrechtlichen Akt um eine „moralische Billigung“ des in Frage stehenden Regimes handeln würde.

  7. Rede Achesons zit. nach: Department of State Bulletin, 26. September 1949.

  8. So unter anderem der Resolutionsentwurf der britischen UN-Delegation vom Frühjahr 1950: UN-Generalversammlung 5. Session, Resolution Nr. 396; vergl. auch Report Security Council Gen. OCC, S. 1466 vom 8. März 1950 zu dem damals so kontroversen China-Memorandum des General-sekretärs T. Lie und Rosalyn Higgins: The Development of International Law through the Political Organs of the United Nations", London 1963, S. 148.

  9. „effective public“ oder auch „policy and opinion elites". G. Almond unterscheidet (in: „The American People and Foreign Policy", New York 1950)

  10. Im folgenden zitiert nach Schreibmaschinenmanuskript (Protokoll) in der Library of Congress, Washington DC: „Round Table Discussion on American Policy toward China“, Department of State, 6. — 8. Oktober 1949 (nicht durchnumeriert). Vorausgegangen war dieser Konferenz der Versand eines Fragebogens an Experten aus dem gesamten Bereich der intermediären Gruppen, aber auch an frühere US-Diplomaten und Politiker. 31 Persönlichkeiten hatten den Fragebogen beantwortet. Diese schriftlichen Vorkonsultationen erhielten später ein großes politisches Gewicht, weil die Vertreter einer Pro-Tschiangkaischek-Richtung in-und außerhalb des Kongresses dem State Department vorwarfen, es habe nur solche Experten schriftlich befragt und auf jeden Fall dann nur solche eingeladen, deren Ansichten dem neuen chinesischen Regime gegenüber als relativ positiv

  11. Meinungsumfragen des Gallup-Institutes wiesen um diese Zeit zur Anerkennungsfrage folgendes Bild für die Vereinigten Staaten insgesamt auf: Anfang Juli 1949 41 ®/o gegen, 19 0/0 für eine Anerkennung der neuen Machthaber in Peking, 15°/die sich nicht festlegen wollten und 25 °/o, die sich als nicht genügend informiert ausgaben. Ende November 1949 waren gegen eine Anerkennung 42 °/o, für eine solche 20 °/o. Der Prozentsatz der Nichtinformierten liegt auf außenpolitischem Gebiet in demokratischen Regierungssystemen verschiedener Spielarten im Durchschnitt bei 25 bis 3O°/o, wie eine größere Zahl empirischer Untersuchungen ergeben hat. Einen der sensationellsten Befunde in dieser Richtung ermittelte im Zusammenhang mit unserem Thema das Survey Research Center der Universität von Ann Arbor, Michigan, im Frühsommer 1964. Danach wußten rund 28% der amerikanischen Bevölkerung nichts von einer kommunistischen Herrschaft auf dem chinesischen Festlandl

  12. Vergl. vor allem den Bericht des Untersuchungsausschusses: Senate Committee on the Judiciary, . Hearings on the Institute of Pacific Relations", 82. Congress, 1. und 2.sess., S. 213 ff.

  13. Vor dem Untersuchungsausschuß des Senates: „Inquiry into the military Situation in the Far East and the facts surrounding the relief of General of the Army Douglas MacArthur from his assignment in that area“, Washington DC 1951, 4 Teile und Anhang.

  14. Ebenda, Teil III, S. 1667— 68.

  15. Zit. nach Department of State Bulletin 16. 1. 50

  16. Die seinerzeit auch innerhalb des State Department — nach privaten Informationen damaliger Beamter — als sensationell empfundene Wendung der US-Formosa-Politik um 180 Grad von einem Disengagement im Januar zu einer Garantieerklärung Ende Juni dürfte von der außenpolitischen Entscheidungsspitze Präsident—Außenminister— Assistant Secretary Far East (seit dem Frühjahr Dean Rusk) gefällt und nicht von außerexekutiven Kräften, das heißt auch nicht von der republikanischen „Opposition* beeinflußt worden sein. Die von Rusk im Mai 1951 unter anderem mit dem Hinweis darauf begründete harte Linie der USA gegenüber Peking, daß die kommunistische Regierung noch nicht einmal den ersten Test bestehe, das heißt „nicht chinesisch" sei, wurde endgültig erst nach der Verurteilung Pekings durch die UN im Frühjahr 1951 befolgt Selbst nach dem Eingreifen Pekings in den Koreakrieg hatte sich die Regierung in Washington noch wiederholt kompromißbereit gezeigt.

  17. Vergl. Debatten im Senat: CR, 81. Congr., 2.sess., S. 100 ff. Als wichtigste Merkmale einer solchen für die USA in Theorie und Praxis besonders seit dem Zweiten Weltkrieg ebenso bedeutsamen wie charakteristischen gemeinsamen Außenpolitik können gelten: Information und Konsultation im Dreiecksverhältnis Exekutive—Präsidentenpartei—„Oppositionspartei"; Beteiligung auch der . Opposition“ an der Festlegung außenpolitischer Richtlinien und an dem Ablauf des tatsächlichen Entscheidungsprozesses (wie etwa auf einigen der großen internationalen Konferenzen der vierziger Jahre); Beauftragung oppositioneller Politiker mit außenpolitischen Exekutivaufgaben (z. B. Beauftragung des Republikaners John Foster Dulles mit der Ausarbeitung des Japanischen Friedensvertrages durch eine demokratische Administration 1950 51); Honorierung eines solchen exekutiven Stiles durch die Unterstützung exekutiver Maßnahmen in der Legislative auch von Seiten wichtiger Oppositionsgruppen und schließlich eine Ausklammerung außenpolitisch kontroverser Themen aus Wahlkämpfen.

  18. Vergl. im nicht veröffentlichten Teil des Nachlasses des führenden außenpolitischen Experten der Republikaner in den vierziger Jahren, Arthur Vandenberg („Mr. Bipartisanship"), unter anderem den Brief Vandenbergs an Acheson vom 3. Januar 1950: „als Postskriptum zu unserer angenehmen Unterhaltung in der vorigen Woche, als Sie mich zu Hause aufsuchten . . .", in der Nachlaß-Abteilung der Universitätsbibliothek in Ann Arbor.

  19. In Anwendung des Funktionsschemas, das Harold Lasswell für Analysen des politischen Entscheidungsprozesses entwickelt hat, in: „The Deci-sion-Process — Seven Categories of Functional Analysis“, Bureau of Governmental Research, University of Maryland, 1956.

  20. Zit. nach New York Times, 1. April 1950; siehe auch: Public Papers of the Presidents, H. S. Truman 1950, Washington DC 1965, S. 236.

  21. S. oben Anmerkung Nr. 5 und 8; vergl. auch Memoiren T. Lie, In the Cause of Peace, New York 1954.

  22. Zur Entstehungsgeschichte des Begriffes „ChinaLobby" siehe vor allem H. P. Cain, US-Senat 6. Juni 1952: US Congress 82., 2.sess. (im folgenden: Sonderdruck); erste große Serienveröffentlichung zum Thema in der Zeitschrift „Reporter", April 1952, und „Military Situation in the Far East", a. a. O., Teil III.

  23. Truman drängte auf eine beschleunigte Arbeit dieser Kommission; siehe zum Beispiel Vermerk vom 11. Juni 1951, OF 150, 1950— 1953, Truman Papers, Truman Library, Independence, Miss.

  24. CR. 81. Congr.. 2.sess., S. 1256 s

  25. Die Echtheit der Telegramme — zit. im „Sonderdruck", a. a. O. — läßt sich heute noch nicht mit letzter Sicherheit beweisen, wird aber durch R. Y. Koen: „The China Lobby in US Politics“, 1960, verbürgt, der zu dem Komplex die zweifellos fundierteste Studie vorgelegt hat. Wie heikel das ganze Thema war, geht schon daraus hervor, daß Koen sein bereits erschienenes und in Vorausexemplaren schon ausgeliefertes Buch zurückziehen mußte, obwohl er zu einigen „Kompromißformulierungen" bereit war (mündliche Auskunft Koens dem Vers, gegenüber, der das Buch einsehen konnte).

  26. CR, 81. Congr., 2.sess., S. 8979 f.

  27. Siehe New York Times, 14. Juni 1951

  28. Ebenda. Immerhin hatte noch der Bericht des House of Representative, Nr. 1802, 81. Congr., 2 sess., zum „Foreign Economic Assistance Act" >m Frühjahr 1950 auf einer Karte zwei große Gebiete auf dem chinesischen Festland, die als •pockets of resistance" gekennzeichnet waren.

  29. Dem McKee-Komitee „to defend ..." gehörten unter anderem an: die führenden American Federation of Labour-Gewerkschaftler Dubinsky und M. Woll — letzterer war jahrelang Vizepräsident des Dachverbandes —, Claire B. Luce, Ehefrau des einflußreichen Herausgebers von „Time“ und „Life“, der Senior-Methodistenbischof J. Welch und Dr. Walter Judd, „Chinasprecher“ der Republikaner im Repräsentantenhaus.

  30. CIAP kann als führende katholische Laien-organisation in den USA für die politische Bildungsarbeit der katholischen Gläubigen in internationalen Fragen bezeichnet werden. Zur Haltung anderer offizieller und privater katholischer Kreise, vor allem auch der katholischen Wochen-zeitschriften, siehe Hinweis in Anmerkung Nr. 5.

  31. Alles zit. nach dem Nachlaß von Oberst Moody in der Hoover Library, Stanford University.

  32. Protokolle der Jahreskonferenz 1948 der Methodistenkirche der USA, S. 189, 211 und 902

  33. Selbst in der dem Ehepaar Tschiangkaischek persönlich nahestehenden Methodistenkirche plädierte eine beachtenswerte Gruppe — einschließlich des damaligen Generalsekretärs der „Kommission für den Weltfrieden" dieser Religionsgemeinschaft, Dr. Boss — damals für eine US-Politik zumindest eines modus vivendi mit Peking.

  34. Zit. nach Moody Collection, Hoover Library, a. a. O. Die „National Association of Evangelicals" der USA nahm damals wie heute eine Position zwischen dieser extremen Gruppe und dem großen Dachverband „National Council of Churches" (damals Federal Council) ein. Die Führungsgremien des Federal Council gaben 1949/50 ebenso wie die Gremien des Dachverbandes aller großen evangelischen Missionsgesellschaften, der Foreign Missions Conference of North America, zwar keine offiziellen Stellungnahmen in der Frage einer Anerkennung ab, stellten es aber ihren Mitgliedern frei, sich persönlich entsprechenden Erklärungen anzuschließen.

  35. Zit. nach Moody, a. a. O. Beide Erklärungen wurden seinerzeit in den USA stark publiziert.

  36. Zitiert nach Material, das dem Verfasser vom Komitee 1966 übersandt wurde.

  37. Hans Morgenthau, American Foreign Policy, London 1952, S. 234.

  38. Vergl. z. B. Dr. Judd im Repräsentantenhaus 19. Juni 1948.

  39. Siehe Tang Tsou, America s Failure in China, Chicago 1963.

Weitere Inhalte

Carl-Christoph Schweitzer, Dr. phil., B. A. (Oxon.), o. Professor (der Wissenschaft von der Politik und für politische Bildung) an der Pädagogischen Hochschule Berlin, Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin (Außenpolitik und vergleichende Lehre der Herrschaftsformen), geb. 3. Oktober 1924 in Potsdam, 1952— 1961 Referent in der Bundeszentrale für politische Bildung, 1961— 1963 Referent im Bundespräsidialamt. Veröffentlichungen u. a.: Die Kritik der Westlich-Liberalen an der Bismarckschen Außenpolitik (Diss.), Freiburg i. Br. 1949 (1958 in: Außenpolitik); Traditionen und Vorbilder, Hannover 1958; Gestaltungsfaktoren der amerikanischen Außenpolitik, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 32/63 vom 7. August 1963.