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Plädoyer im Streit um die Parteienfinanzierung | APuZ 45/1966 | bpb.de

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APuZ 45/1966 Plädoyer im Streit um die Parteienfinanzierung Plädoyer im Streit um die staatliche Parteienfinanzierung

Plädoyer im Streit um die Parteienfinanzierung

Ernst Friesenhahn

A Zulässigkeitsfragen

Gerhard Jahn: Plädoyer im Streit um die staatliche Parteienfinanzierung S. 21

Vorbemerkung:

Vorbemerkung A. ZULÄSSIGKEITSFRAGEN I. Zulässigkeit der abstrakten Normen-kontrolle 1. Wiederholung eines Antrages durch denselben Antragsteller?

2. Haushaltsgesetz und Haushaltsplan als Gegenstand der Normenkontrolle a) Was ist Recht im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG?

b) Das Haushaltsgesetz ist keine aus sich verständliche Norm c) Die Einzelpläne sind nicht verkündet d) Das Haushaltsgesetz ist befristet II. Zulässigkeit der Organstreitverfahren — Beschränkte Aktivlegitimation der Parteien B. VERFASSUNGSWIDRIGKEIT DER PARTEIENFINANZIERUNG ?

I. Mögliche Gründe für Verfassungswidrigkeit Kompetenzfragen Kein ausdrückliches Verbot im Grundgesetz Notwendigkeit einer klaren Norm für die Annahme der Verfassungswidrigkeit II. III. IV. V. VI. VII. Inhalt

1. Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit

2. Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts in seiner bisherigen Rechtsprechung 3. Notwendigkeit einer Selbstbindung des Bundesverfassungsgerichts an seine bisherige Rechtsprechung Die öffentliche Aufgabe der Parteien ist nicht auf die Wahlvorbereitung beschränkt Parteienfinanzierung führt nicht dazu, daß die Parteien ihre verfassungsmäßigen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können Chancengleichheit der Parteien und Parteienfinanzierung

Die nachstehenden Ausführungen geben das Plädoyer wieder, das der Verfasser als Beistand des Deutschen Bundestages in den mündlichen Verhandlungen vor dem Bundesverfassungsgericht vom 19. — 21. April 1966 gehalten hat. Ihnen liegt das Protokoll zugrunde, das Bundestagsstenographen von der Verhandlung ausgenommen haben. Für den Abdruck wurden die verschiedenen Teile, die zu verschiedenen Zeitpunkten vorgetragen worden sind, mit unwesentlichen Kürzungen zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt. Zur besseren Übersicht sind Überschriften und Abschnitts-Numerierungen eingesetzt worden; auch wurden die Fundstellen der zitierten Entscheidungen und literarischen Äußerungen nachgewiesen.

Zum besseren Verständnis der Darlegungen, insbesondere zur Zulässigkeitsfrage, sei daran erinnert, daß über folgende Anträge verhandelt wurde:

1. Die Hessische Landesregierung hatte gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle beantragt, den Titel 602 im Kapitel 02 des Einzelplanes 06 im Haushaltsplan des Bundes für 1965, durch den 38 Millionen DM als „Sondermittel für die Aufgaben der Parteien nach Art. 21 des Grundgesetzes" bereitgestellt wurden, wegen Verstoßes gegen Art. 30, Art. 21 Abs. 1

Satz 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 1, Art. 21 Abs. 1 Satz 2, Art. 21 Abs. 2 Satz 3 und Art. 3 Abs. 1 GG für nichtig zu erklären.

2. Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands verneinte ebenfalls die verfassungsrechtliche Zulässigkeit der staatlichen Parteienfinanzierung schlechthin und beantragte im Organstreit gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG die Feststellung, daß Bundestag und Bundesrat durch die Einsetzung des betreffenden Titels in den Haushaltsplan gegen Art. 21 GG verstoßen hätten.

3. Die Gesamtdeutsche Partei und die Bayernpartei machten im Organstreit geltend, der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei ihnen gegenüber dadurch verletzt worden, daß die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt nur für die im Bundestag vertretenen Parteien bestimmt gewesen seien.

Zur Unterscheidung der verschiedenen Verfahrensarten vor dem Bundesverfassungsge-richt sei verwiesen auf die Ausführungen des Verfassers über „Aufgabe und Funktion des Bundesverfassungsgerichtes" in Aus Politik und Zeitgeschichte, B 6/65, vom 10. Februar 1965, insbesondere I 3 und 7.

I. Zulässigkeit der abstrakten Normenkontrolle

1. Wiederholung eines Antrages durch denselben Antragsteller?

Herr Präsident! Hoher Senat! Die Frage der Zulässigkeit des Antrages des Landes Hessen möchte ich unter zwei Aspekten betrachten, wobei der erste Aspekt bisher in dem Verfahrensrecht dieses Hohen Gerichtes noch nicht hinreichend geklärt ist, nämlich die Frage, ob ein Antragsteller, der befugt ist, diesem Hohen Gericht eine verfassungsrechtliche Frage vorzulegen, diese Frage auch wiederholen kann. Dahinter steht also der Satz, daß dieser Hohe Senat in dem Urteil über die Frage der Abzugsfähigkeit von Spenden bei der Einkommensteuer vom 24. Juni 1958 (BVerfGE 8, 51) auch grundsätzlich die Frage entschieden hat, ob es zulässig ist, die politischen Parteien durch Zuschüsse aus Staatsmitteln zu finanzieren. Bereits der Erste Senat hatte in dem ersten Spendenurteil (BVerfGE 6, 273) ganz deutlich erklärt, daß die streitigen Bestimmungen des Steuerrechtes zugleich einen essentiellen Beitrag zur Finanzierung der politischen Parteien darstellen, daher in das Parteien-recht übergreifen. Dieser Hohe Zweite Senat hat dann in dem zweiten Spendenurteil ganz klar herausgestellt, daß es sich primär um die Frage der Finanzierung der politischen Parteien handelte, wenn auch dieses Verfahren in die Kontrolle einer Norm des Steuerrechtes eingekleidet war. In der damaligen mündlichen Verhandlung hat Herr Rechtsanwalt Dr. Arndt ebenfalls die Hessische Landesregierung vertreten. Er hat damals in seinem Plädoyer ganz klar herausgestellt, daß das Land Hessen die grundsätzliche Frage geklärt haben wollte, ob es überhaupt zulässig sei, daß den politischen Parteien Zuschüsse aus Staatsmitteln zukommen. Idi habe in meiner gutachtlichen Äußerung diese Zitate aus dem Plädoyer von Herrn Dr. Arndt zusammengestellt. Ich möchte das Gericht und die Beteiligten nicht langweilen, indem ich die Zitate im einzelnen vorlese. Ich darf nur darauf hinweisen, daß Herr Dr. Arndt damals ausgeführt hat:

„Ein Gesetz, das essentiell irgendeinen Beitrag zur Finanzierung der politischen Parteien leistet, kann deshalb nicht nur nicht aus der Kompetenz in Art. 21 Abs. 3 GG gerechtfertigt werden, sondern verstößt bereits gegen die in Art. 21 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungsrechtlich verbürgte Freiheit der Parteigründung."

Daß das Land Hessen damals diesen grundsätzlichen und generellen Aspekt in den Vordergrund gerückt hat, ergibt sich auch eindeutig aus der Antwort, die das Gericht in der Begründung des Urteils gegeben hat. Das Gericht hat in dem klaren logischen Aufbau der Gründe an die Spitze der Begründung den Satz gestellt:

„Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt, ist es zulässig, nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch für die die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zu* Verfügung zu stellen." (BVerfGE 3, 63. Der Satz wurde als Leitsatz 1 vom Gericht der Entscheidung vorangestellt, a. a O., S. 51.)

Dieser Satz gehörte an die Spitze der Begründung jener damaligen Entscheid jng, weil, wenn das Gericht entschieden hätte — wie es das Land Hessen damals vertrat —, daß jede staatliche Pateienfinanzierung verfassungswidrig sei, die schwierige Frage der Chancen-gleichheit nicht mehr untersucht zu werden brauchte. Das Gericht hat sich in Band 12 S. 280 selbst so interpretiert:

„Das Bundesverfassungsgericht hat beieits entschieden, daß es mit Rücksicht auf die entscheidende Rolle, die den Parteien bei der politischen Willensbildung des Volkes, insbesondere bei der Wahlvorbereitung, zukommt, verfassungsrechtlich zulässig ist, den die Wahlen tragenden politischen Parteien finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen."

Nun könnte man dem Satz, daß das Land Hessen heute dieselbe Frage zur Entscheidung stellen will, entgegenhalten, daß der konkrete Gegenstand des Verfahrens damals eine Norm des Steuerrechtes war und heute ein Titel im Bundeshaushaltsplan ist. Aber ich darf darauf verweisen, daß das Hohe Gericht stets betont hat, daß die bindende Wirkung nach § 31 Abs. 1 BVerfGG sich nicht nur auf die Entscheidungsformel erstrecke, sondern auch die tragenden Gründe des Urteils mit umfasse. Idi zitiere aus einer der letzten Entscheidungen des Ersten Senats vom Jahre 1966, daß auch in anderen Fällen, wo also nicht Gesetzeskraft nach Absatz 2 eintritt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß § 31 Abs. 1 BVerfGG eine über den Einzelfall hinausgehende Bindungswirkung entfaltet, insofern die sich aus dem Tenor und den tragenden Gründen der Entscheidung ergebenden Grundsätze für die Auslegung der Verfassung von den Gerichten und Behörden in allen künftigen Fällen beachtet werden müssen (BVerfGE 19, 391 f.).

Nun fragt es sich — wenn diese Voraussetzung stimmt, daß damals bereits die Grundfrage zur Entscheidung gestanden hat, wie das Gericht selbst im 12. Bande bestätigt hat —, ob Hessen, das damals mit seiner These nicht durchgedrungen ist, heute dasselbe Anliegen in einem anderen Gewand dem Gericht unterbreiten kann. Das Bundesverfassungsgerichts-gesetz enthält keine generelle Regel darüber, unter welchen Voraussetzungen ein Antrag wiederholt werden darf. Aber mir scheint, daß Grundsätze, die der Bayerische Verfassungsgerichtshof in mehreren Entscheidungen entwickelt hat, grundsätzliche Bedeutung für jedes verfassungsgerichtliche Verfahren haben. Danach kann dieselbe Frage nur dann erneut einem Verfassungsgericht unterbreitet werden, wenn in der Zwischenzeit ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse oder der allgemeinen Rechtsauffassung eingetreten ist. Ich möchte bestreiten, daß in der Zwischenzeit ein grundlegender Wandel der Lebensverhältnisse eingetreten ist. Ich möchte auch bestreiten, daß das Land Hessen heute andere rechtliche Erwägungen vorträgt als damals. Es mögen in dem heutigen Vortrag des Landes Hessen gegewisse Variationen, Vertiefungen vorkommen, im Kern handelt es sich um ganz genau dieselbe Argumentation, die das Land Hessen damals diesem Hohen Senat vorgetragen hat. Es wäre also zu prüfen, — und das ist der erste Einwand, den ich gegen die Zulässigkeit habe —, ob ein Land beliebig oft dieselbe Frage zur Entscheidung stellen kann. Ich darf darauf hinweisen, daß dieses Problem auch ein sehr interessantes Gegenbild hat. Der Hohe Senat hat in der Entscheidung Band 1 S. 37 den Grundsatz aufgestellt, daß es dem Gesetzgeber untersagt sei, ein Bundesgesetz desselben Inhalts noch einmal zu erlassen, wenn ein Gesetz vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärt worden ist. Wenn ein Antragsteller im Verfahren der abstrakten Normenkontrolle, der mit seiner These nicht durchgedrungen ist, nach einiger Zeit erneut gegen dasselbe Gesetz oder ein anderes Gesetz, das auf der vom Bundesverfassungsgericht früher gebilligten Grundlage beruht, angehen kann, dann ist nicht einzusehen, warum nicht auch der Gesetzgeber ein vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärtes Gesetz oder ein ähnliches Gesetz soll erneut erlassen können. Es eröffnen sich hier geradezu gefährliche Perspektiven. 2. Haushaltsgesetz und Haushaltsplan als Gegenstand der Normenkontrolle?

a) Was ist Recht im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG?

Der zweite Grund, den ich gegen die Zulässigkeit des Normenkontrollantrages vorbringen möchte, ist der, daß Haushaltsgesetz und Haushaltsplan nicht Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein können. Dabei ist vor allen Dingen zunächst Gewicht darauf zu legen, genau zu präzisieren, worauf sich der Antrag des Landes Hessen erstreckt. Die Formulierung des Antrages ist eine Parallele zu den in der Rechtsprechung dieses Gerichtes üblich gewordenen Formulierungen, wenn es darum geht, eine Bestimmung eines vom Bundestag gebilligten völkerrechtlichen Vertrages anzugreifen, indem beantragt wird, den § 1 des Bundeshaushaltsgesetzes für nichtig zu erklären, soweit durch diese Bestimmung im Einzelplan ein Betrag bereitgestellt wird. Es geht also nicht um das Haushaltsgesetz, es geht auch nicht um den im Bundesgesetzblatt publizierten Haushaltsplan. Es geht um den Titel eines Einzelplanes, der — wie ich die These aufstellen möchte —-nicht in Gesetzesform gekleidet ist. Das Hohe Gericht hat als Gegenstand der Normenkontrolle vielfach umschrieben, daß es darum gehe, festzustellen und zu klären, ob objektives Recht besteht oder nicht besteht. In genauer Entsprechung zu der grundlegenden Norm des Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG legt § 78 BVerfGG als Tenor der Entscheidung fest, daß die „Nichtigkeit" von „Bundesrecht“ festgestellt wird, wenn das Gericht zu der Überzeugung kommt, daß es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist. Daraus möchte ich ableiten, daß nur eine Vorschrift, eine aus sich heraus verständliche Vorschrift, die daraufhin geprüft werden kann, die inhaltlich mit einer Norm höheren Ranges verglichen werden kann, Gegenstand einer Normenkontrolle sein kann. Denn nur dann kann man nach meiner Meinung von Gültigkeit oder Nichtigkeit sprechen.

Eine ganz andere Frage ist es, ob man die Zulässigkeit einer Maßnahme dem Hohen Gericnt zur Entscheidung unterbreitet, eine typische Frage eines Verfassungsrechtsstreits, sei es eines Bund-Länder-Streites, sei es eines Organstreites. Nun hält das Bundesverfassungsgericht, wie ich doch feststellen möchte, an dem von Herrn Dr. Arndt so sehr perhorresB zierten traditionellen Rechtssatzbegriff durchaus fest, und ich möchte nicht versäumen, darauf hinzuweisen, daß auch Herr Professor Bullinger in seinem Gutachten ganz lapidar feststellt: „Vor allem aber ist das grundgesetzliche System rechtsstaatlicher Sicherungen und Beschränkungen wesentlich auf den traditionellen Gesetzesbegriff und Rechtssatzbegriff gegründet." Also auch Bullinger erkennt an, daß gerade unser System rechtsstaatlicher Sicherungen auf diesem traditionellen Rechtssatzbegriff aufbaut, und mir scheint, daß auch Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG im Grunde genommen von dieser traditionellen Vorstellung ausgeht, daß Gegenstand der Normenkontrolle Rechts-sätze im traditionellen Sinne sind, die in die Gestalt des Gesetzes eingegangen sind.

Nun hat das Hohe Gericht mehrfach entschieden, es komme nicht auf den Inhalt dessen an, was als Gesetz oder als Rechtsverordnung formell verkündet sei, sondern es genüge, daß diese Form gewählt worden sei, um einen möglichen Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens darzustellen. Diese Ausdehnung des Begriffs Bundesrecht in Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG erscheint mir deshalb möglich, weil von Haus aus ja diese Formen, die Formen des Gesetzes, der Rechtsverordnung und der Satzung, dazu bestimmt sind, materielle Rechts-sätze im traditionellen Sinne in sich aufzunehmen, und dann mag es durchaus zulässig sein, auch solche Gesetze dieser Normenkontrolle zu unterwerfen — wenn es begrifflich möglich ist —, deren Inhalt nicht traditionelle Rechts-sätze sind, sondern anders geartete Beschlüsse von Verfassungsorganen, die wegen ihrer Wichtigkeit in die Form des Gesetzes gebracht worden sind. Das Hohe Verfassungsgericht hat etwa in der Entscheidung über die niedersächsische Verordnung über die Änderung von Landgerichtsbezirken (BVerfGE 2, 307, 312 f.) gesagt, diese Verordnung stelle „Recht" im Sinne der Normenkontrolle dar, weil diese Verordnung in die Rechtsgestalt einer Rechtsverordnung eingegangen sei. Daraus folgt nach meiner Meinung logisch, daß ansonsten Normenkontrolle unzulässig gewesen wäre. Also wenn diese organisatorische Anordnung über die Gerichtsbezirke, die sicherlich in einem Sinne auch ein Rechtssatz ist, nicht in die Gestalt der Rechtsverordnung eingegangen wäre, hätte das Gericht sie offenbar nicht als „Recht" nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG anerkannt. Es scheint mir also, daß Vorschriften, die nur dem „organschaftlichen Rechtskreis" angehören — um diesen Ausdruck von Böckenförde zu übernehmen — und die nicht in die Form des Gesetzes gekleidet sind, nicht Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle sein können.

Daß das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich von dem traditionellen Rechtssatzbegriff ausgeht, hat sich auch sonst gezeigt (vgl. z. B. BVerfGE 8, 74 f.). Ich nehme Bezug auf die Entscheidung in Band 8 Seite 154 f., wo die Frage auftauchte, was Bundesrecht im Sinne von Art. 126 GG ist, also eine Entscheidung, die klären mußte, was nach Art. 123 bis 126 „Recht" ist. Es ging damals um die Beschuß-Ordnung, und es war die Frage, ob diese Beschußordnung reine Verwaltungsvorschriften enthielte oder ob sie eine Rechtsverordnung war, also traditionelle Rechtssätze enthielt. Das Gericht hat damals ausgeführt, daß diese Beschußordnung nicht nur allgemeine Verwaltungsvorschriften enthalte, sondern traditionelle Rechtssätze umfasse, und hat deshalb diese Beschußordnung in das Verfahren nach Art. 126 GG einbezogen.

Nun hat das Land Hessen seinen Antrag, wie ich eben bereits betont habe, nach dem Vorbild der Normenkontrolle bei sogenannten Vertragsgesetzen formuliert. Die Rechtsprechung des Hohen Gerichtes ist in dieser Beziehung nicht ganz einheitlich. Ich darf darauf verweisen, daß gerade der Hohe Zweite Senat in einer Entscheidung im 9. Bande (BVerfGE 9, 334) ganz klar erkannt hat, daß Gegenstand der Normenkontrolle bei solchen sogenannten Vertragsgesetzen nicht eigentlich das Vertragsgesetz ist, sondern der Vertrag, die Vertragsnorm, die durch dieses Vertragsgesetz in die innerstaatliche Rechtsordnung eingeführt worden ist. Denn in jener Entscheidung steht die Entscheidungsformel: „Artikel 8 Absatz 6 Satz 1 des Finanzvertrages ... ist mit Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes vereinbar.“ Es ist nicht die Formel gewählt worden: „§ 1 des Gesetzes ist... vereinbar" (a. a. O., S. 335). Hier ist also klar erkannt worden, es geht in Wahrheit nur um diese Vertragsnorm. Im Fernsehstreit (BVerfGE 12, 205, 207) ist zwar wieder die alte Formel angewandt worden, aber de facto ist nur der in hamburgisches Landesrecht transformierte § 3 des Staatsvertrages über den Norddeutschen Rundfunk auf seine inhaltliche Vereinbarkeit mit der Verfassung geprüft worden. Ich bin also der Meinung, daß es bei Vertragsgesetzen allemal auf den „verfassungsrechtlichen Gehalt" der Vertragsnormen ankommt. Sie werden in ihrer innerstaatlichen Bedeutung erfaßt und inhaltlich an den Normen des Grundgesetzes gemessen. Das Gericht hat sich in mehreren Entscheidungen auf den Standpunkt der Transfor6 mationslehre gestellt und hat ausdrücklich gesagt, formell sei zwar das Vertragsgesetz Gegenstand der Prüfung, aber es empfange materiell-rechtlich seinen Inhalt aus dem zu prüfenden Vertrag.

b) Das Haushaltsgesetz ist keine aus sich verständliche Norm Beim Haushaltsgesetz ist nun nach meiner Meinung die Rechtslage ganz anders als beim Vertragsgesetz. Beim Vertragsgesetz stimmt der Bundestag in der Form des Gesetzes einem völkerrechtlichen Vertrag zu, und damit werden die in dem Vertrag enthaltenen Normen in die innerstaatliche Rechtsordnung eingefügt. Dabei lasse ich dahingestellt, ob nach der Transformationslehre der Bundestag mit dem Zustimmungsgesetz gleichzeitig einen Rechtsetzungsakt innerstaatlichen Rechtes setzt, indem er die entsprechenden Normen des innerstaatlichen Rechtes schafft, oder ob im Sinne der Vollzugslehre der Bundestag nur in der Gesetzesform den Inkorporationsbefehl ausspricht, jene Normen des Völkerrechts innerstaatlich anwendbar macht. In allen Fällen aber handelt es sich darum, daß durch dieses Vertragsgesetz eine Norm innerstaatlich anwendbar gemacht wird. Gegenstand der Normenkontrolle ist allemal diese Norm, eine aus sich selbst heraus verständliche Vorschrift. Das Haushaltsgesetz im engeren Sinne, d. h. die „Feststellung" im Sinne des Art. 110 Abs. 2 Satz 1 GG, hingegen enthält nicht eine Zustimmung zu einem Instrument, das materielle Rechtssätze oder sonst irgendwie die Allgemeinheit bindende generelle Anordnungen enthält. Es stellt nur den Haushaltsplan fest. Diese Feststellung enthält, auch im Zusammenhang mit dem als Anlage verkündeten Haushaltsplan, keine aus sich heraus verständliche Anordnung oder Vorschrift. Der Haushaltsplan ist ein bloßes Zahlenwerk, eine Gegenüberstellung der voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben des Staates im Laufe des Rechnungsjahres mit dem Ziele des Ausgleiches. Durch die Feststellung in Gesetzesform als solche wird diesem Zahlenwerk nicht irgendeine normative Wirkung beigelegt. Erst aus dem Gesamtzusammenhang der Verfassung, vor allen Dingen auch aus dem Zusammenhang mit der Reichshaushaltsordnung ergibt sich die rechtliche Bedeutung der Feststellung des Haushaltsplanes. Ich akzeptiere die Formel, auf die sich auch Herr Dr. Arndt berufen hat und die Böckenförde gewählt hat: Das Haushaltsgesetz sei insofern „ein finanzielles Ermächtigungsgesetz zugunsten der Organe der Exekutive i. w. S. [im weiteren Sinne] nach Maßgabe der im Haushaltsplan bewilligten Mittel und gebunden an deren Zweckbestimmung über staatliche Gelder zu verfügen" (E. W. Böckenförde, Die Organisationsgewalt im Bereich der Regierung, 1964, S. 114). Irgendeine formulierte Norm, die mit einer übergeordneten Norm der Verfassung inhaltlich in Vergleich gesetzt werden könnte, ist im Haushaltsgesetz nicht enthalten. Es bedarf hier in gar keiner Weise eines Eingehens auf den Theorienstreit über das Haushaltsgesetz. Man'kann durchaus annehmen, daß diese eben von mir skizzierte Ermächtigung eine Rechtsnorm im weiteren Sinne und das Haushaltsgesetz nicht ein Verwaltungsakt in Gesetzesform, sondern ein echtes Gesetz sei. Darüber kann jedenfalls kein Zweifel bestehen, daß wir hier ein „Recht" besonderer Art und ein Gesetz „sui generis" vor uns haben.

Ich darf dazu noch eine Einschaltung machen, die in meinem Gutachten nicht enthalten ist. In Art. 115 GG lesen wir: „Im Wege des Kredites dürfen Geldmittel nur bei außerordentlichem Bedarf und in der Regel nur für Ausgaben zu werbenden Zwecken und nur auf Grund eines Bundesgesetzes beschafft werden." Diese Mittel, die im Wege des Kredites beschafft werden, werden auch im Haushaltsplan ausgewiesen. Hier ist klar zu erkennen, daß die Feststellung im Haushaltsplan nicht einmal ein Bundesgesetz nach Art. 115 GG ist, sondern daß es dazu noch eines besonderen Bundesgesetzes bedarf, was durchaus das Haushaltsgesetz im weiteren Sinne sein mag, jene Paragraphen 2 bis 10, die auch im Gesetz über den Haushaltsplan enthalten sind. Ich spreche hier ja nur von dem § 1 des Haushaltsgesetzes, jener Bestimmung, durch die der Haushaltsplan in Einnahme und Ausgabe in bestimmter Höhe festgestellt wird.

Der Antrag des Landes Hessen, der nach dem Modell der Vertragsgesetze gefaßt ist, verlangt die Feststellung, daß § 1 des Haushalts-gesetzes nichtig sei, soweit er sich auf diesen einzelnen Ansatz im Titel 612 bezieht. Aber dieser einzelne Ansatz im Titel kann ja gar nicht „gültig" oder „nichtig" sein. Er hat für sich genommen überhaupt keinen normativen Gehalt, der die Anwendung dieser Kategorien ermöglichen würde. Der Titel im Haushaltsplan trägt also rechtliche Bedeutung nicht in sich selbst, sie wird ihm auch nicht durch § 1 des Haushaltsgesetzes beigelegt, sondern ergibt sich aus § 30 der Reichshaushaltsordnung, wo bestimmt ist: „Die bewilligten Beträge dürfen nur zu dem im Haushaltsplan bezeichneten Zwecke, soweit und solange dieser fortdauert, und nur innerhalb des Rechnungsjahres verwendet werden." Sicher erfolgt die Entscheidung über die Zweckbestimmung und den An-B satz im Titel durch einen Beschluß der gesetzgebenden Körperschaften, aber sie setzen damit keine Norm, auch nicht im organschaftlichen Rechtskreis, sondern sie schaffen damit nur den tatsächlichen Zustand, den § 30 der Reichshaushaltsordnung, der selber eine Rechtsnorm des organschaftlichen Rechtskreises ist, voraussetzt.

Ich habe in meinem Gutachten auf eine Entscheidung eines Dreier-Ausschusses dieses Hohen Senats Bezug genommen, bei der es sich um die Frage nach der Rechtsnatur der Aufstellung von Parkverbotszeichen handelt (NJW 1965, S. 308). Ich nehme es durchaus auf mich, ironisiert zu werden, daß ich den Haushaltsplan mit einem Parkverbotszeichen vergleiche. Darum geht es hier nicht. Es geht hier einfach um das grundsätzliche Rechts-problem. Und wenn der Hohe Senat ausgeführt hat, daß Parkverbotszeichen nicht Rechts-vorschriften sind, weil sie lediglich anzeigen, auf welche Stelle sich der in der Straßenverkehrsordnung erteilte, keiner Auslegung mehr bedürfende Gesetzesbefehl bezieht, so möchte ich die Parallele ziehen, daß die zahlenmäßigen Ansätze im Haushaltsplan, diese Feststellungen der gesetzgebenden Körperschaften, nur anzeigen, auf welche Beträge und welche Zwecke sich der in § 30 der Reichshaushaltsordnung generell und im voraus erteilte und keiner Auslegung mehr bedürfende Gesetzesbefehl bezieht. Die Festlegung von Zweckbestimmung und von Geldbeträgen im Titel scheint mir also keinen normativen Charakter zu haben, sondern ein tatsächlicher Vorgang zu sein. Dieser tatsächliche Vorgang hat verfassungsrechtliche Bedeutung, und zwar sehr große Bedeutung, über die Zulässigkeit eines solchen Ansatzes ist selbstverständlich ein Verfassungsstreit möglich. Hier ist die Frage allein die, ob wir hier ein Substrat für eine Normenkontrolle nach Abs. 1 Nr. 2 GG haben.

Es handelt sich darum, ob der Rechtsetzungsakt in Frage steht oder die Norm, die herausgekommen ist. Ich betone mit aller Deutlichkeit: Es ist ein legitimes Anliegen eines Organstreites, eines Bund-Länder-Streites, ob es zulässig, ob es nicht verfassungswidrig war, diesen Titel in den Haushaltsplan einzusetzen. Eine ganz andere Frage ist, ob dieser Einzel-titel eine in sich nachprüfbare, eine an einer höheren Norm meßbare Vorschrift ist. c) Die Einzelpläne sind nicht verkündet Wenn wir aber einmal das Haushaltsgesetz und im Zusammenhang damit den Haushaltsplan als „Recht" im Böckenfördischen Sinne, als „Recht des organschaftlichen Rechtskreises" ansehen, dann kann nach der Rechtsprechung des Hohen Gerichtes der Haushaltsplan nur insoweit Gegenstand der Normenkontrolle sein, als er in die Form des Gesetzes gekleidet ist.

Es kommt also darauf an, wie weit die Form des Gesetzes sich erstreckt. Nach Art. 82 GG müssen Gesetze verkündet werden. Dieser Hohe Senat hat in zwei Entscheidungen (BVerfGE 7, 330, 337 f.; 16, 6, 17) besonders hervorgehoben, daß dieses Verkündungserfordernis „ein integrierender Bestandteil des Rechtsetzungsaktes selbst", „ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzgebungsverfahrens" ist. Eine Vorschrift, die nicht als Gesetz verkündet worden ist, kann also kein Gesetz sein. Es hat schon seinen tiefen Sinn, daß völkerrechtliche Verträge, auch wenn sie noch so ausführlich sind, im vollen Wortlaut im Bundesgesetzblatt bekanntgemacht werden, weil eben hier Rechtsnormen in die innerstaatliche Rechtsordnung inkorporiert werden. Ein Instrument hingegen, dessen Inhalt nicht im Gesetzblatt verkündet worden ist, ist nicht ein formelles Gesetz. § 1 des Bundeshaushaltsgesetzes von 1965 sagt mit absoluter Klarheit: „Der diesem Gesetz als Anlage beigefügte Bundeshaushaltsplan für das Rechnungsjahr 1965 wird in Einnahme und Ausgabe auf 63 948 900 000 Deutsche Mark festgestellt . ..". „Der diesem Gesetz als Anlage beigefügte Bundeshaushaltsplan" ! Die beigefügte Anlage ist aber nur der Gesamtplan. Die Einzelpläne mit den Ansätzen für die einzelnen Zweckbestimmungen werden also nicht von der Gesetzesform erfaßt. Ich verweise auf Vialon, einen Experten des Haushaltsrechts, der an einer Stelle sagt, daß „bekanntlich nicht einmal die Titel selbst, sondern nur die Kapitelsummen im Rahmen des Haushaltsgesetzes verkündet und damit gesetzlich festgestellt werden" (Haushaltsrecht, 2. Ausl., 1959, S. 352). Daß die Bindung der Verwaltung an die Einzelpläne durch die Reichshaushaltsordnung hergestellt wird, steht auf einem anderen Blatt. Es kommt hier darauf an, festzuhalten, daß die Einzelpläne jedenfalls nicht in Gesetzesform gebracht sind; selbst wenn man sie als „Recht" des organschaftlichen Rechtskreises auffaßt, können sie also nicht Gegenstand einer Normenkontrolle sein.

Die Behauptung, wenn meine These stimmen würde, daß nicht alle Einzelpläne in Gesetzesform festgestellt werden, dann würde das den ganzen Haushaltsplan nichtig machen, trifft nicht zu, weil Art. 110 GG kein Wort davon sagt, was Haushaltsplan im Sinne dieser Vorschrift ist. Haushaltsplan nach Art. 110 kann durchaus der Gesamtplan sein. Der Gesamtplan ist hinreichend im Art. 110 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 2 umrissen.

Nur kurz möchte ich darauf Bezug nehmen, daß ja der Titel 612 nichts darüber sagt, für welche politischen Parteien die Sondermittel bestimmt sind und nach welchem Schlüssel sie verteilt werden. Darüber geben nur die „Erläuterungen" Auskunft. Selbst diejenigen Autoren, die die formelle Gesetzeskraft unter Beiseiteschiebung des Verkündungserfordernisses auch auf die Einzelpläne ausdehnen wollen, müssen zugeben, daß auf keinen Fall die Erläuterungen in Gesetzesform gekleidet sind. Sie können allerdings nicht erklären, wieso aus dem im Gesetzblatt nicht veröffentlichten einheitlichen Buch „Haushaltsplan", in dem die „Erläuterungen" fortlaufend zu den Titeln gedruckt sind, ausgerechnet die „Erläuterungen" nicht von der Gesetzesform erfaßt sein sollen, obwohl nach herrschender Lehre und parlamentarischer Praxis feststeht, daß auch sie der Beschlußfassung des Parlamentes unterliegen und von ihm geändert werden können. Es kann zweifelhaft sein, ob die Exekutive an die „Erläuterungen" gebunden ist, weil die einzige Bestimmung der Reichshaushaltsordnung, die von den „Erläuterungen" handelt, § 8, sie als bloße von der Regierung gegebene Begründung zu den Haushaltsansätzen ausweist. Auf keinen Fall scheint es mir möglich zu sein, diese „Erläuterungen" auch zum Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens zu machen. d) Das Haushaltsgesetz ist belristet Zum Schluß noch ein kurzer Hinweis darauf, daß mir das Haushaltsgesetz und der Haushaltsplan auch deswegen nicht als Gegenstand einer Normenkontrolle nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG möglich erscheinen, weil Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG unter Bundesrecht nach meiner Meinung nicht ein Gesetz dieser Art meinen kann, das zeitlich befristet ist. Das Haushaltsgesetz gilt nur für das Haushaltsjahr. Es ist bereits von Herrn Dr. Arndt auf das Bepackungsverbot hingewiesen worden, und es ist allgemein bekannt, daß das Haushaltsgesetz, auch im weiteren Sinne, ja nicht irgendwie die Rechtsordnung beeinflussen und auf die Dauer ändern kann, sondern streng zeitlich befristet ist. Mit dem 31. Dezember 1965 hat also das Bundeshaushaltsgesetz 1965 aufgehört, rechtliche Wirkungen zu entfalten. Wenn dieses Hohe Gericht seinerzeit gesagt hat, Gegenstand der Normenkontrolle sei nicht ein Akt der Rechtsetzung, sondern der Rechts-satz selbst, und darum sei eine vorbeugende Normenkontrolle nicht zulässig (BVerfGE 1, 396, 406), erscheint es mir konsequent auch zu sagen, daß dann, wenn ein Gesetz seine Wirkung verloren hat und es heute nicht mehr von Bedeutung sein kann, darüber zu judizieren, ob es zulässig war, auch eine solche — sit venia verbo — „nachträgliche Normenkontrolle" nicht zulässig ist. Man wird wahrscheinlich entgegenhdlten: Ja, aber diese Ausgaben sind übertragbar! Darum geht es hier nicht. Es geht nicht darum, daß die Reichshaushaltsordnung vorsieht, daß gewisse Ausgaben, die in diese Einzelpläne eingestellt sind, als übertragbar bezeichnet werden können, in dem folgenden Haushaltsjahr noch gemacht werden dürfen. Es geht hier um das Haushaltsgesetz und den von ihm umfaßten Haushaltsplan als solchen, der eben grundsätzlich diese Geltung nur für ein Jahr hat. Es ist etwas anderes als sonstige befristete Gesetze. Es ist ganz klar, daß dann, wenn ein befristetes Gesetz eine materielle Rechtsnorm zum Inhalt hat, sich unter seiner Herrschaft gewisse Verhältnisse entwickeln können, die noch nachträglich nach dieser Rechtsnorm zu beurteilen sind, auch wenn sie außer Kraft getreten ist. Der Fall scheint mir beim Haushaltsgesetz aber anders zu liegen, weil das Haushaltsgesetz seinem Wesen nach — ich darf darauf hinweisen, daß ja etwa in einem Teil der Theorie die Meinung vertreten wird, ein Haushaltsgesetz trete gar nicht in Kraft und außer Kraft, es werde vollziehbar und sei nachher nicht mehr vollziehbar, also eine ganz andere Vorstellung von der Wirkung eines solchen Gesetzes — nicht ein Gesetz ist, das als Bundesrecht nach Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG aufgefaßt werden kann. Es ist ja außerordentlich interessant zu beobachten, daß die Diskussion über die hier dem Hohen Senat vorgetragene Streitfrage, die formell in einen Angriff gegen einen Ansatz eines Haushaltstitels gekleidet ist, in Wahrheit so geführt wird, als ob wir es mit einem materiellen Gesetz zu tun hätten, das sagt: Die Parteien bekommen auf Dauer die und die Unterstützung. Aus den bezeichneten und aus einigen anderen Gründen, die ich nicht noch einzeln vortragen möchte, ergibt sich für mich die These, daß dieser Titel im Einzelplan vines Haushaltsplans nicht Gegenstand einer Normenkontrolle sein kann.

Ich darf noch eins bemerken. Wenn ich auf diese verfahrensrechtlichen Probleme ein solches Gewicht lege, so deshalb, weil ja dieses Hohe Gericht bereits einmal festgestellt hat, daß es nur dann judizieren darf, wenn die klaren Voraussetzungen seiner Gerichtsbarkeit gegeben sind. Darum sind die Fragen der Zulässigkeit von entscheidender Bedeutung.

II. Zulässigkeit der Organstreitverfahren — Beschränkte Aktivlegitimation der Parteien

Nachdem der Antrag der NPD dahin geändert worden ist, daß nicht die Nichtigerklärung des Gesetzes gefordert wird, sondern nur die Feststellung des Verstoßes, stellt sich das schwierige Problem, ob eine politische Partei im Wege des Organstreites geltend machen kann, daß die Gewährung von staatlichen Zuschüssen an gewisse Parteien schlechthin verfassungswidrig ist. Hier möchte ich ein gewisses Bedenken anmelden. Ich möchte mich kurz fassen und nur darauf verweisen: Es steht sowohl nach dem Gesetz wie nach der Rechtsprechung des Hohen Gerichtes fest, daß der Antragsteller in seinen ihm vom Grundgesetz verliehenen Rechten und Pflichten spezifisch verletzt sein muß.

Nun tauchen hier zwei Fragen auf: einmal hinsichtlich der Aktivlegitimation und zum anderen im Hinblick auf die Frage des Verletztseins. Die Aktivlegitimation wird daraus grundsätzlich abgeleitet, daß die politischen Parteien hier Verletzungen ihres verfassungsrechtlichen Status geltend machen können. Soweit nun aber hier geltend gemacht wird, daß die Parteien Gebilde der freien Gesellschaft seien und durch solche Staatszuschüsse nicht in eine allzu große Staatsnähe gebracht werden dürften, liegen nach meiner Meinung gerade nicht die Voraussetzungen vor, unter denen eine politische Partei im Organstreit eine verfassungsrechtliche Frage zur Entscheidung stellen kann. Im Organstreit soll — wie der Hohe Senat gerade im Zusammenhang mit der Parteienfinanzierung einmal ausgeführt hat — die gleichberechtigte Teilhabe am Verfassungsleben geltend gemacht werden. Es kommt also auf die Frage an, ob eine Beschwer einer Partei vorliegt, wenn sie sagt, keine Partei dürfe etwas bekommen. Darin sehe ich hier das entscheidende Problem.

Die Feststellung der Rechtsverletzung, die hier von der NPD für sich verlangt würde, muß im Grunde genommen für alle Parteien gelten. Die NPD müßte theoretisch hier für alle Parteien stehen und behaupten: auch die Rechte der im Bundestag vertretenen Parteien werden dadurch verletzt, daß ihnen der Staat etwas gewährt. Dieser logische Sprung ist irgendwie unvollziehbar.

Ich war bisher der Meinung, für den Organ-streit der politischen Parteien sei es typisch, daß die Partei jene Seite des Gleichheitssatzes geltend macht, die den subjektiven Aspekt hat, nämlich, daß eine Partei nicht anders behandelt werden dürfe als die übrigen Parteien, und daß die Partei geltend macht, es sei zu Unrecht differenziert worden. Aber was hier begehrt wird, was ich dahin gekennzeichnet habe, daß hier eine Art abstrakter Normen-kontrolle erstrebt wird, ist doch nun, daß eine Partei in einem Verfahren, das ihr nur gewährt ist, um eine Verletzung ihrer subjektiven Rechte abzuwehren, versucht, einen objektiven Verfassungsverstoß geltend zu machen, nämlich einen Verstoß gegen den angeblichen Verfassungsgrundsatz, daß keiner Partei etwas zugeteilt werden dürfe. Das geht für mein Empfinden nicht im Organstreit. Das wäre eine Frage, die berechtigterweise unter Umständen in einem Normenkontrollverfahren geltend gemacht werden könnte, wenn wir ein Gesetz hätten, das eben diese Frage generell regelt. Da könnte ein Antragsberechtigter im abstrakten Normenkontrollverfahren sagen: das ist objektiv mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Hier liegt für mein Empfinden ein Problem, das der Hohe Senat wird entscheiden müssen.

Ich darf nur noch darauf hinweisen, daß es selbstverständlich möglich ist und auch immer wieder geschieht, die Frage des subjektiven Gleichheitsverstoßes zu entscheiden, ohne die Grundfrage zu berühren, ob das Gesetz, dessen gleichheitswidrige Gestaltung oder gleichheitswidrige Anwendung beanstandet wird, vielleicht unter anderen Aspekten irgendwie objektiv mit der Verfassung nicht ganz in Einklang steht. Ich habe Ihnen Beispiele aus der Rechtsprechung gebracht, etwa die Organ-klagen, die völkerrechtliche Verträge betrafen, die ohne Zustimmung des Bundestages geschlossen worden waren. Hier hat natürlich der Senat nur die Frage geprüft: Ist das Recht des Bundestages, gehört zu werden, verletzt? Er hat nicht etwa den ganzen Vertrag genommen und geprüft: stimmt er mit allen Verfassungsbestimmungen überein? (vgl. BVerfGE 1, 351; 1, 372; 6, 247).

Die Frage des subjektiven Gleichheitsverstoßes kann durchaus gelöst werden, und sie sollte eigentlich auch gelöst werden, ohne Rücksicht auf die Frage, wie es mit dem Gesetz im übrigen steht. So hat es auch der Erste Senat im ersten Spendenurteil ganz klar gemacht (BVerfGE 6, 273, 281 f.). Im ersten Spendenurteil war die Frage gestellt worden, ob durch den Ausschluß der nicht im Bundestag vertretenen Parteien von der Begünstigung durch die Abzugsfähigkeit der Spenden bei der Einkommensteuer der verfassungsB rechtliche Status der nicht im Bundestag vertretenen Parteien verletzt sei. Damals hat der Erste Senat gesagt: Wir wissen durchaus, daß gegen diese Abzugsfähigkeit der Spenden bei der Steuer grundsätzliche Bedenken geltend gemacht werden können; aber wir begrenzen uns hier auf die Prüfung der Beschwer, die hier geltend gemacht worden ist.

Darum ist in diesem Verfahren gesagt worden: unterstellen wir die grundsätzliche Zulässigkeit der Steuerbefreiung, dann ist die GVP in ihrem Gleichheitsrecht verletzt worden. Erst im zweiten Spendenurteil ist auf Grund eines abstrakten Normenkontrollantrags des Landes Hessen gesagt worden: die ganze Regelung ist hinfällig.

B Verfassungswidrigkeit der Parteienfinanzierung?

I. Mögliche Gründe für Verfassungswidrigkeit

Ein Ausspruch über die Verfassungswidrigkeit des Ansatzes der Mittel für die Parteien-finanzierung im Bundeshaushaltsplan könnte, wie mir scheint, auf drei Arten von tragenden Gründen beruhen.

1. Es fehlt ein vorangegangenes Gesetz, das den Parteien einen genau umrissenen Anspruch auf Zuschüsse unter gewissen Bedingungen und bestimmten Kontrollen einräumte. Hier gibt es zwei Unterfälle, nämlich a), ob überhaupt für Subventionen aus dem Haushaltsplan ein vorangegangenes Gesetz notwendig ist. Ich will darüber nicht weiter plädieren, beziehe mich da auf die wohl noch ziemlich allgemein herrschende Lehre, daß dafür kein vorangehendes Gesetz nötig ist. Denn sonst wären ja unendlich viele Ansätze im Haushaltsplan per se verfassungswidrig. Das zweite wäre b), daß zwar im allgemeinen nicht ein vorangegangenes Gesetz nötig sei, aber gerade hier bei den Zuschüssen an die politischen Parteien. Damit führt diese Erwägung in die grundsätzliche Überlegung hinein, ob dadurch, daß den Parteien die Zuschüsse nur kraft dieses Haushaltstitels zugewiesen werden, in irgendeiner Weise die in der Verfassung vorausgesetzte Funktion der Parteien gestört wird. Ich kann mich also insofern auf meine späteren Ausführungen beziehen und darf vorab sagen, daß es nach meiner Meinung keines solchen vorangehenden Gesetzes bedarf. Ich darf auch noch darauf hinweisen, daß das Gesetz ja eigentlich auch nicht allzuviel nutzt. Hier liegt ein gewisser Widerspruch in der Argumentation der Gegner der staatlichen Parteienfinanzierung vor. Denn wenn gesagt wird, es bestehe die Gefahr, daß die Mehrheitsparteien eines Tages den Kran zudrehen, dann möchte ich antworten: erstens steht dem die Möglichkeit gegenüber — wenn es sich um einen echten Mißbrauch handelt —, dagegen Verfassungsklage zu erheben; zum zweiten aber möchte ich sagen, daß es ja gerade vielleicht ein besonderer Vorteil für eine staatliche Parteien-finanzierungwäre, wenn jedes Jahr von Neuem diese politische Entscheidung getroffen werden muß, die Parteien sich also nicht auf Dauer darauf einrichten können: Wir bekommen das Geld, sondern sich jedes Jahr von neuem fragen müssen: Bekommen wir weiter das Geld?. Es bleibt damit die Unruhe erhalten, die ja von vielen Seiten für die Parteien gefordert wird. Schließlich wäre dagegen einzuwenden: Was hülfe schon ein einfaches Gesetz, das den Parteien einen Anspruch auf solche Zuschüsse einräumen würde, es könnte ja genauso von der Mehrheit wieder aufgehoben werden, wie die Mehrheit einen Haushaltstitel verweigern könnte!

2. Der zweite Grund dafür, die Zulässigkeit von Zuschüssen an die Parteien als verfassungswidrig zu betrachten, wäre der, daß man sagt: Ein Gesetz ist zwar nicht nötig, aber aus materiellen Gründen ist die konkrete Form der Einsetzung von Geldern für die Parteien im Haushaltplan 1965 verfassungswidrig. Dabei unterscheide ich wiederum drei Unter-fälle — vielleicht gibt es noch mehr —, nämlich a) wegen des Ausmaßes der Finanzierung, b) wegen fehlender Zweckbestimmung und c) wegen gleichheitswidriger quotaler Verteilung.

Was das Ausmaß angeht, so wird noch darauf zurückzukommen sein, daß nach meiner Meinung jedenfalls eine Teilfinanzierung der politischen Parteien keinesfalls verfassungswidrig sein kann. In der gestrigen Beweisaufnahme sind von seifen des Gerichtes, das hier von Amts wegen den Sachverhalt erforscht, die von den Schatzmeistern vorgetragenen Zahlen nicht bestritten, nicht angegriffen worden, ist nicht weiter um Erläuterung gebeten worden. Dabei möchte ich gar nicht die absoluten Zahlen zugrunde legen, sondern nur das Gesamtergebnis, daß jedenfalls die bisherigen staatlichen Zuschüsse sicherlich nur eine Teilfinanzierung in dem Sinne sind, daß überwiegend immer noch Eigenmittel der Parteien vorhanden sind. Darüber, daß die öffentliche Aufgabe der Parteien eine umfassende ist, die nicht in einzelne Zwecke aufgeteilt werden kann, werde ich später noch sprechen.

Der dritte Punkt wäre die quotale Verteilung. Das wäre das Problem der Chancengleichheit, das ich später noch eingehender erörtern muß. Aber schon jetzt möchte ich sagen, daß jedenfalls eine die Chancengleichheit wahrende quotale Verteilung möglich sein muß. Dieser Hohe Senat hat sich in der Lage gesehen, in einem Bereich, in dem die sogenannte absolute Wahlrechtsgleichheit am striktesten durchzuführen wäre, nämlich bei der Auswertung der Stimmen bei der Wahl, eine sichere Grenze zu finden (BVerfGE 1, 208). Da ging es um das Problem der Sperrklausel. Hier war völlig eindeutig, was gleich und was ungleich ist. Absolut gleich ist es nur, wenn alle Parteien nach ihrer Stimmenzahl ihre Mandate bekommen. Hier war der, ich möchte sagen, brutale Eingriff der Sperrklausel. Der Hohe Senat hat diese Fünf-Prozent-Klausel als eine im Sinne der Verfassung liegende Begrenzung der Chancengleichheit der Parteien anerkannt. Er hat die Grenze gefunden bei dem Quorum für die Unterschriften bei den Wahlvorschlägen (BVerfGE 3, 19). Er hat sogar die Grenze gefunden bei der hier sehr nahe liegenden Frage der Verteilung der Sendezeiten im Rundfunk (BVerfGE 14, 121). Darauf komme ich noch später zurück. Denn diese Verteilung der Sendezeiten beim Rundfunk ist ganz eindeutig eine positive Unterstützung der Parteien aus allgemeinen Mitteln, wie Herr Dr. Arndt in dem Streit der FDP gegen den Westdeutschen Rundfunk selbst seinerzeit dem Gericht vorgetragen hat. Ich sage also, hier muß ein Schlüssel gefunden werden können, und es ist unmöglich, zu sagen, daß die Parteien-finanzierung deshalb verfassungswidrig sei, weil es keinen gerechten Schlüssel gebe.

3. Der letzte tragende Grund wäre — ich sage hypothetisch: wäre — der, daß der Senat sagen würde: Dieser Titel im Haushaltsplan 1965 ist verfassungswidrig, weil schlechthin jede Parteienfinanzierung verfassungswidrig ist. Gegen einen solchen tragenden Grund hätte ich erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken anzumelden. Es muß hier, wie Herr Dr. Arndt selbst festgestellt hat, über den konkreten Gegenstand entschieden werden, und es kann nur gesagt werden, daß und warum dieser Ansatz verfassungswidrig ist. Wenn aber das Gericht sagen würde, es ist schlechthin jede Parteienfinanzierung von Seiten des Staates verfassungswidrig, dann würde das Gericht damit eine präventive Normenkontrolle vorwegnehmen über Normen, die es noch gar nicht kennt. Bei aller Hochachtung vor der Weisheit des Senates möchte ich doch bezweifeln, ob der Senat sich im voraus alle denkbaren Möglichkeiten ausmalen kann, die vielleicht den politischen Parteien, den politischen Organen des Staates noch einfallen sollten. Es kann nach meiner Meinung nicht jedwede Regelung vorweg abgeschnitten werden, wenn noch eine Vielzahl von möglichen konkreten Einzelgestaltungen möglich ist. Diese können allesamt erst dann geprüft werden, wenn sie etwa bei diesem Hohen Gericht angefochten werden. Ich darf gerade hier wiederum auf die Entscheidung über die Vergabe von Rundfunksendezeiten verweisen. Da hat das Gericht sich darauf beschränkt, die Kriterien zu erörtern, nach denen die Bedeutung einer Partei als Anhaltspunkt für eine Abstufung der Sendezeiten bestimmt werden kann. Es hat daraus nur — ich betone: nur — die Unzulässigkeit des Ausschlusses kleiner Parteien, die zur Teilnahme an der Wahl im Sendebereich zugelassen sind, gefolgert. Es hat sich dann aber streng darauf beschränkt, den ihm zur Entscheidung vorgelegten konkreten Fall zu prüfen. Es heißt dort wörtlich: „Wo im übrigen die dem — engen — Ermessen des Gesetzgebers und der Exekutive durch den Grundsatz der gleichen Wettbewerbschancen gezogenen Grenzen liegen, deren Überschreitung eine Differenzierung bei der Zuteilung der Sendezeiten als verfassungswidrig qualifizieren würde, läßt sich abstrakt nicht eindeutig bestimmen. Diese Grenzen können vielmehr nur unter Würdigung der jeweiligen konkreten Gesamtsituation ermittelt werden" (BVerfGE 14, 121, 138).

II. Kompetenzfragen

Zum zweiten Punkt möchte ich kurz auf das Kompetenzproblem zu sprechen kommen. Ich kann das sehr kurz tun. Denn Herr Dr. Arndt ist gestern jedenfalls expressis verbis auf das Kompetenzproblem nicht mehr zurückgekommen. Aber ich weiß nicht, ob es un-streitig geworden ist. Es könnte sein, daß seine These von dem absolut gesetzten Freiheitsraum doch wiederum die These zum Inhalt hat, daß eben die Kompetenz des Staates, in irgendeiner Weise über die Frage der staatlichen Parteienfinanzierung zu legeferie12 ren, überhaupt fehle. Allerdings steht dazu im Gegensatz, daß uns Herr Dr. Arndt gestern mehrfach gesagt hat, daß nach Art. 21 Abs. 3 GG ein Parteiengesetz auch die Finanzierung einbeziehen könnte, übrigens hat auch der Hohe Senat in seinem Fernsehurteil gesagt, daß nach Art. 21 Abs. 3 GG die Frage der Rundfunksendezeiten geregelt werden könne (BVerfGE 12, 205, 240), und damit Art. 21 Abs. 3 GG als Grundlage für die Ordnung eines weiten Bereiches angesehen, den ich etwa als Parteienrecht bezeichnen möchte.

Zur Frage der Kompetenz darum nur ganz kurz die Stichworte:

1. Ich vermag nicht den Satz zu akzeptieren und kann ihn in der bisherigen Rechtsprechung des Senats nicht finden, daß ein Staat — wie Herr Dr. Arndt es formuliert hat — keinen Schritt tun darf, der von seiner Verfassung nicht erlaubt ist. Ich möchte sagen, daß es doch wohl umgekehrt so ist, daß in der Verfassung, wie auch Art. 30 GG ganz deutlich zeigt, die staatlichen Aufgaben und die staatlichen Befugnisse vorausgesetzt sind, daß sie dem Staate nicht ausdrücklich zugeteilt zu werden brauchen, sondern daß etwa die rechtsstaatlichen Grundsätze und die Grundrechte diese Befugnisse nur beschränken. Es geht nur um die Frage, ob das, was ein Staat im einzelnen Fall anordnen will, auf diese verfassungsmäßigen Grenzen stößt.

2. Mit der zweiten Frage, der Frage der bundesstaatlichen Kompetenz, die nach Art. 30 GG zu lösen wäre, will ich jetzt den Hohen Senat nicht länger aufhalten. Ich bin der Meinung, daß jedenfalls nach Art. 30 GG eine Kompetenz des Bundes nicht bestritten werden kann, die Finanzierung der Parteien auf Bundesebene zu regeln, weil es sich hier um eine aus der Natur der Sache folgende Kompetenz des Bundes handelt.

III. Kein ausdrückliches Verbot im Grundgesetz

Ein dritter Punkt wäre auch ganz kurz abzutun, daß das Grundgesetz über die unmittelbare Parteienfinanzierung ausdrücklich nichts besagt, insbesondere kein ausdrückliches Verbot enthält. Soweit ich sehe, hat nur Ridder in einer etwas schwer zu verstehenden Form ein solches Verbot der Parteienfinanzierung aus Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG abgeleitet (Festschrift Franz Böhm, 1965, S. 21 f.). Auch hier habe ich in meinem Gutachten im einzelnen versucht, Herrn Ridder zu widerlegen. Ich darf hier nur in ganz kurzen Sätzen darauf hinweisen, daß der Parlamentarische Rat wahrscheinlich nicht an solche öffentlichen Zuschüsse gedacht hat, daß aber keineswegs etwa der Grundsatz, die Parteien müssen über die Herkunft ihrer Mittel öffentliche Rechenschaft geben, ausschließt, daß auch vom Staate Zuschüsse gegeben werden. Im Gegenteil, Hoher Senat, diese Rechenschaft der Parteien ist der Öffentlichkeit zu geben, nicht dem Staate gegenüber. Diese Rechenschaft ist, wie wir gestern gehört haben — wir haben ja gestern einen solchen Rechenschaftsbericht hier vorgetragen bekommen —, nur vollständig, wenn eben auch die staatlichen Zuschüsse in diesen Rechenschaftsbericht der Parteien hineingenommen werden. Das hat auch seinen sehr guten Sinn. Denn diese Zuschüsse sind keineswegs, wie behauptet wird, ohnehin der Öffentlichkeit bekannt. Wer kann denn schon überhaupt den Haushaltsplan, dieses dicke Buch, einsehen, wo allein überhaupt der Titel enthalten ist? Selbst dort steht noch kein Wort darüber, wie hoch die einzelnen Parteien rein summenmäßig daran beteiligt werden. Das findet man nur in der später herauskommenden Bundeshaushaltsrechnung, die ja kein Mensch in die Finger bekommt. Es ist also keineswegs so, als ob diese öffentlichen Zuschüsse des Staates etwa im voraus klar wären, daß es deswegen, weil das Grundgesetz vorschreibt, daß die Parteien über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben müssen, verfassungsrechtlich verboten sei, den Parteien Zuschüsse zu gewähren. Ein Verbot scheint mir also im Grundgesetz nicht enthalten zu sein.

IV. Notwendigkeit einer klaren Norm für die Annahme der Verfassungswidrigkeit

1-Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit Damit komme ich viertens zu der These, daß die staatlichen Zuschüsse an die Parteien grundsätzlich zulässig sind, wenn nicht aus anderen Vorschriften der Verfassung mittelbar ihre Verfassungswidrigkeit abgeleitet werden könnte. Ich betone das Wort: mittelbar. Denn mir geht es hier ganz ernst und sehr entscheidend um Sinn und Grenzen der Verfassungsgerichtsbarkeit. Wenn ein politisch so eingreifender Ausspruch des Deutschen Bundestages erfolgt wie der, daß Zuschüsse des Staates an die Parteien gewährt werden — denen mit einer gewissen Nuance, die ich jetzt nicht erläutern möchte, auch die SPD zugestimmt hat —, wenn also der Deutsche Bundestag als die gewählte Repräsentation des deutschen Volkes diese Zuschüsse an die Parteien für zulässig gehalten hat, dann müßten schon sehr gewichtige Gründe da sein, die den Spruch rechtfertigen könnten, damit habe das Parlament offenkundig gegen die Verfassung verstoßen. Es kann sich ja hier nur um Ausstrahlungen allgemeiner Verfassungsprinzipien handeln. Es gibt keine klare Norm, aus der dieses angebliche Verbot der Zuschüsse an die Parteien abgeleitet werden kann.

Nun hat das Grundgesetz Verfassungsgerichtsbarkeit in einem Ausmaß eingeführt, das in der Welt einmalig ist. Die damit dem Bundesverfassungsgericht eingeräumte Machtfülle fordert aber nach meiner Meinung in besonderer Weise, daß das Gericht sich jene Zurückhaltung auferlegt, die allein den Richter im politischen Bereich erträglich macht. Es würde die gesamte Verfassungsordnung stören und die ausgewogenen Verantwortlichkeiten verkehren, wenn das Gericht in den Bereich eindringen würde, der der politischen Entscheidung der dazu berufenen politischen Staatsorgane vorbehalten ist. Dem Bundesverfassungsgericht kann nach meiner Meinung nicht die Steuerung der politischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland zukommen. Es ist nur dazu berufen, darüber zu wachen, daß die politischen Staatsorgane die ihnen durch das Verfassungsrecht eindeutig gezogenen Grenzen nicht überschreiten. Die politische Gestaltung ist vor allem Aufgabe des Gesetzgebers, dessen Gestaltungsfreiheit das Verfassungsgericht grundsätzlich achten muß und bisher geachtet hat, wie ich ausdrücklich betone. Der Art. 28 des Gesetzes über den italienischen Verfassungsgerichtshof drückt einen für jede Verfassungsgerichtsbarkeit allgemein gültigen Grundsatz aus: „Bei der Prüfung der Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes oder gesetzeskräftigen Aktes durch den Verfassungsgerichtshof ist jede Wertung politischer Natur und jede Nachprüfung der Ermessensausübung durch das Parlament ausgeschlossen." Hoher Senat, der „demokratische Bundesstaat" und der „Parteienstaat", wie ihn das Grundgesetz meint, ist nicht statisch, sondern dynamisch aufzufassen. Die Verfassung läßt Entwicklungen offen, die nicht nur in eine Richtung gehen dürfen. Hier darf nicht ein Modell einer bestimmten Partei zugrunde gelegt werden. Sicher wird der Spielraum einer verfassungsmäßig bleibenden Entwicklung durch den Gesamtzusammenhang der Verfassung begrenzt; bei Leitgrundsätzen wie dem der Demokratie dürfte aber der Raum für eine im Rahmen der Verfassung bleibende Entwicklung verhältnismäßig breit sein und dem politischen Gestaltungswillen der politischen Staatsorgane Freiheit lassen.

Der Verfassungsrichter kann sein Urteil nur an Hand einer klaren Norm fällen, die in ihrer das Handeln der politischen Organe bindenden Wirkung inhaltlich hinreichend bestimmt ist. Er muß der Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers jeden nur denkbaren Raum lassen und kann ihm nur dann Einhalt gebieten, wenn der Verstoß gegen das Verfassungsrecht evident ist. Ein Verfassungsgericht ist nicht dazu berufen, von Amts wegen ein verfassungspolitisches Ideal durchzusetzen. Das viel berufene Wort vom „Hüter der Verfassung" trifft insofern nicht zu, als das Bundesverfassungsgericht niemals von Amts wegen eingreifen darf und als es nur die in zulässiger Weise, also von einem dazu aktiv legitimierten Antragsteller in einem zulässigen Verfahren vor sein Forum gebrachten verfassungsrechtlichen Fragen in den Grenzen der zulässigen Anträge entscheiden darf. Ich zitiere aus einer Entscheidung dieses Hohen Senates (Band 2 S. 181): „Außerhalb seiner durch das Grundgesetz streng umrissenen Zuständigkeit kann der Senat eine sachliche Entscheidung nicht fällen, auch wenn die Antragsteller noch so eindringlich behaupten, daß ein Bedürfnis dafür bestehe. Ob und welche politische Konsequenzen sich daraus ergeben, daß die Anträge der Antragsteller als unzulässig verworfen werden, darf für das Bundesverfassungsgericht keine Rolle spielen. Es hat allein nach dem Recht zu entscheiden“. 2. Zurückhaltung des Bundesverfassungsgerichts in seiner bisherigen Rechtsprechung Ich habe in meinem Gutachten in längeren Ausführungen dargetan, daß das Hohe Gericht und vor allem auch dieser Senat sich bisher ständig an diese Grenzen einer verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung gehalten hat. Ich habe die Entscheidungen aufgeführt, in denen gesagt ist, daß der Gesetzgeber nur dann an eine Norm der Verfassung gebunden ist, wenn ihre — ich zitiere wörtlich — „Fassung bestimmt genug ist, eine Norm niederen Ranges daran zu messen" (BVerfGE 6, 55, 76). Hoher Senat, wenn gemessen wird an allgemeinen Verfassungsprinzipien wie Bundesstaat, Rechtsstaat, Selbstverwaltung, Gewaltenteilung, Demokratie usw., dann handelt es sich immer nur um Prinzipien, über deren Inhalt ein hinreichendes Maß von Übereinstimmung besteht, um sie als aktuell bindende Verlassungsnorm zum Maßstab einer verfassungsgerichtlichen Prüfung zu nehmen. Wenn aber der Hohe Senat einmal gesagt hat: „Die bundesstaatliche Verfassungsordnung kann sehr verschieden ausgestaltet sein" (BVerfGE 10, 285, 296), dann gilt das erst recht für die demokratische Verfassungsordnung. Ein Verstoß gegen den Demokratie-Grundsatz des Art. 20 Abs. 1 GG kann nur dann angenommen werden," wenn ein unumstrittener Kernbereich betroffen wäre. Daß es sich bei den Einwänden gegen die staatliche Parteienfinanzierung aber nicht eigentlich um die Geltendmachung eindeutiger verfassungsrechtlicher Grenzen, sondern — ich zitiere — um „vorwiegend verfassungspolitische Einwände" handelt, hat der Erste Senat bereits im 1. Parteispendenurteil (BVerfGE 6, 273, 282) klar erkannt.

Wenn ich die Rechtsprechung des Hohen Senates und des Ersten Senates über die Frage des Gleichheitssatzes überschaue, dann sehe ich gerade hier, daß dem Gestaltungsraum des Gesetzgebers eine relativ große Freiheit gelassen worden ist, und zwar auch im Bereiche der Chancengleichheit der Parteien, obwohl hier verbal an der sogenannten „absoluten" oder „formalen" Gleichheit festgehalten wird. Hoher Senat, in einer Entscheidung ist einmal klar ausgeführt worden, daß auch die Wahlrechtsgleichheit nur ein Anwendungsfall des allgemeinen Gleichheitssatzes ist und daß die Frage der Differenzierungen ganz generell danach zu beurteilen ist, ob der Differenzierungsmaßstab sachgerecht ist (BVerfGE 6, 84). Im Grunde genommen laufen die Entscheidungen über Sperrklausel, über Quorum, über Sendezeit usw. alle darauf hinaus, daß die Sachgerechtigkeit für die betreffende Differenzierung überprüft wurde. Der Hohe Senat hat sich darauf beschränkt, den von den politischen Organen gefundenen Ansatz zu prüfen und auf die Einhaltung der äußersten Grenzen der Verfassung zu kontrollieren. Es muß daher auch in diesem Bereich der immer wiederholte Satz des Gerichtes gelten: Das Gericht hat nicht zu prüfen, ob die vom Gesetzgeber gefundene Lösung die „gerechteste", die „vernünftigste", die „zweckmäßigste", die „richtigste" ist. Vielmehr bleibt auch hier ein Raum freier Gestaltung durch die politischen Staatsorgane, und es ist bemerkenswert, wie weitgehend der Hohe Senat sich gerade bei Entscheidungen, die die Chancengleichheit der Parteien betreffen, an eine allgemeine Rechtsüberzeugung gehalten hat, die im Handeln der politischen Staatsorgane sichtbar wurde.

Ich darf darauf verzichten, in extenso die in meinem Gutachten nachzulesenden Auszüge aus den Urteilen über Sperrklausel, über Unterschriftenquorum, über Sendezeiten im einzelnen vorzutragen (BVerfGE 1, 208, 249, 256; 4, 375, 384; 14, 121, 135 ff.). Ich weise nur gerade wiederum auf das Sendezeiturteil hin. Denn bei der Zuteilung unentgeltlicher Sendezeiten im Rundfunk handelt es sich um eine indirekte Form der staatlichen Parteienfinanzierung. Hier ist vom Senat ein Schlüssel anerkannt worden, den die Parteien mit dem Rundfunk ausgehandelt hatten. Der Schlüssel ist anerkannt worden, obwohl er sehr erhebliche Differenzierungen enthält. Auch bei dieser Frage der Zuteilung von Sendezeiten an die Parteien ist klar die Frage gestellt worden, ob der Schlüssel als angemessen angesehen werden konnte.

Bei der Entscheidung über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit unmittelbarer zweck-ungebundener staatlicher Parteienfinanzierung wird das Bundesverfassungsgericht nicht außer acht lassen dürfen, daß diese Form der Förderung der den Parteien in Art. 21 GG gestellten Aufgabe vom Bundesgesetzgeber, von vielen Ländern sowie von den im Bundestag vertretenen Parteien für zulässig, von der SPD mindestens grundsätzlich für zulässig erachtet wird. Es müßten schon besonders schwerwiegende, absolut einsichtige Gründe sein, die angesichts dieses Konsenses die evidente Verfassungswidrigkeit ergeben könnten. Auf die Evidenz der Verfassungswidrigkeit aber kommt es nach der bisherigen Rechtsprechung des Hohen Senates entscheidend an. Es wird gerade auch in Entscheidungen über Wahlrechtsfragen immer wieder — ich habe die Entscheidungen zusammengestellt — hervorgehoben: „Sie entbehren offensichtlich der inneren Rechtfertigung", „es kann mit Sicherheit gesagt werden" (BVerfGE 4, 375, 384, 386), „es läßt sich nicht mit der notwendigen Evidenz feststellen, daß ... ", „da sie gegen das Gebot der Chancengleichheit evident verstößt" (BVerfGE 6, 273, 281), „offenbare Ungleichheit" (BVerfGE 8, 51, 64). In der Entscheidung über die Wahlkreiseinteilung heißt es: „wenn offenkundig ist, daß ... ", „es war noch nicht evident" usw. (BVerfGE 16, 130, 131, 143). Ich verweise auf meine einzelnen Zitate, über die Sie, glaube ich, nicht einfach hinweggehen können, verweise auch auf andere Entscheidungen, wo etwa gesagt ist, „daß ein Verstoß nicht mit der für eine richterliche Entscheidung erforderlichen Eindeutigkeit festgestellt werden kann" (BVerfGE 8, 1, 23) oder — um das Urteil im Beförderungssteuerstreit vorzunehmen, das mir unter anderen Aspekten sehr bedeutsam erscheint — daß „die Auswirkungen der Maßnahmen noch nicht in je-B der Hinsicht mit der Klarheit übersehen werden können, die den Richter befähigen würde, die Verfassungswidrigkeit einer gesetzlichen Norm auszusprechen" (BVerfGE 16, 147, 187 f.). Hoher Senat, es wird hier außerordentlich viel mit Unterstellungen gearbeitet. Es werden Behauptungen aufgestellt über das, was die Parteienfinanzierung alles für fürchterliche Folgen haben würde. Es ist der Satz ausgesprochen worden, durch diese Ansätze im Haushaltsplan würden die Parteien von Staats wegen geplant. Es wird geradezu gesagt, damit würden die Parteien — das Wort ist gefallen — zu Staatsparteien. Hoher Senat, werden unsere Jugendverbände, denen reichlich Mittel aus dem Bundesjugendplan zufließen, dadurch etwa zu einer Staatsjugend? Ich sage ausdrücklich, wenn der Hohe Senat zum Ergebnis kommen sollte, daß diese Parteienfinanzierung offensichtlich verfassungswidrig ist, dann muß der Sachverhalt subsumierbar sein, ganz klar präzisiert werden. Ein Senat, der 1958 schlechthin gesagt hat, daß jede unmittelbare oder mittelbare finanzielle Förderung der politischen Parteien von Staats wegen mit dem Grundgesetz vereinbar sei, kann heute nicht sagen, das würde „evident" gegen das Grundgesetz verstoßen.

Ich möchte jetzt noch einmal, um jedem Einwand vorzugreifen, vorlesen, wie es in dem Spendenurteil bezüglich der Abzugsfähigkeit der Spenden lautet:

„Die angegriffene Regelung würde daher mit dem Grundgesetz nicht vereinbar sein, wenn das Grundgesetz, wie der Antragsteller behauptet, jede unmittelbare oder mit-.

telbare finanzielle Förderung der politischen Parteien von Staats wegen verböte. Dies aber ist nicht der Fall" (BVerfGE 8, 51, 63). 3. Notwendigkeit einer Selbstbindung des Bundesverfassungsgerichts an seine bisherige Rechtsprechung Hoher Senat, wenn das Bundesverfassungsgericht einmal über eine verfassungsrechtliche Streitfrage entschieden hat, so sollte damit die Frage eigentlich endgültig geklärt sein, und die politischen Staatsorgane, die eine solche Entscheidung zum Maßstab ihres Handelns genommen haben — Urteil 1958, erster Ansatz im Haushaltsplan 1959, wenn auch begrenzt —, sollten nicht eines Tages vor die Tatsache gestellt werden, daß das Gericht seine eigenen Grundsätze wieder aufgibt. Ich habe vorher von der anderen Seite her, von der Frage der Befugnis zur Antragstellung her diese Frage erörtert. Ich spreche jetzt hier von der Selbstbindung des Gerichtes. Ich erkenne absolut die Binsenwahrheit an, daß das Gericht rechtlich nicht an seine eigenen Entscheidungen gebunden ist, wie es in Band 2 S. 92 und Band 4 S. 38 festgestellt hat. Soweit ich aber bisher sehe, liegt noch kein Fall vor, daß ein Senat eine bisher von ihm vertretene Rechts-auffassung in ihr Gegenteil verkehrt hätte.

Auch die jüngste Entscheidung des Ersten Senates zum Berlin-Problem, das ja ganz besonders liegt, legt Gewicht darauf, die Besonderheit gerade des anstehenden Falles hervorzuheben (BVerfGE 19, 377). Trotz der rechtlichen Freiheit des Gerichts gibt es meines Erachtens aber eine politische Bindung, die um so intensiver wird, je stärker der politische Akzent ist, je zentraler die Frage für die Verfassungsstruktur und das Verfassungsleben der Bundesrepublik Deutschland ist. Das Bundesverfassungsgericht beansprucht eine hohe Autorität. Diese Autorität fordert Einhaltung der Grenzen, die richterlicher Rechtsfindung gezogen sind, Einsichtigkeit der Gründe und vor allem Konstanz der Rechtsprechung.

Wenn es „der besonderen Funktion der Verfassungsgerichtsbarkeit" entspricht, „ohne Rücksicht auf die mehr oder weniger große Aktualität des Falles das Verfassungsrecht durch Entscheidungen zu entwickeln und den Rechtsfrieden für die Zukunft zu sichern"

(BVerfGE 1, 351, 359), wenn es der Zweck der Normenkontrolle ist, „durch Klärung der verfassungsrechtlichen Lage dem Rechtsfrieden zu dienen" (BVerfGE 1, 396, 413), so wird das Hohe Gericht es sich doppelt und dreifach überlegen müssen, ob es eine grundlegende verfassungspolitische Entscheidung des Bundesgesetzgebers für verfassungswidrig erklären kann, die einem vom Bundesverfassungsgericht selbst als Leitsatz proklamierten Verfassungsgrundsatz entspricht. Es ist gestern — diese Beispiele sind ja immer zunächst sehr bestechend — auf die New-Deal-Rechtspre-

chung des Supreme Court der Vereinigten Staaten hingewiesen worden. Den Hohen Herren Richtern ist selbstverständlich bekannt, daß der Supreme Court gerade nicht ein Verfassungsgericht wie dieser Hohe Senat ist.

Er entscheidet nicht abstrakte Rechtsfragen.

Er ist ein Gericht, das jeweils einen Prozeß entscheidet und nur aus Anlaß der Prozeßentscheidung in den Gründen zur Frage der Gültigkeit des Gesetzes Stellung nimmt. Also hat das Urteil nur die allgemeine präjudizielle Wirkung wie alle Urteile im angelsächsischen Rechtskreis. Dieser Hohe Senat, dieses Gericht fällt aber abstrakt-generelle Entscheidungen und beansprucht in vielen Entscheidungen die Autorität, damit die Weichen endgültig gestellt zu haben.

V. Die öffentliche Aufgabe der Parteien ist nicht auf die Wahlvorbereitung beschränkt

Ich komme zum fünften Punkt meiner Darlegungen. Ich muß mich hier sehr kurz fassen. Die vom Hohen Senat vorgenommene verfassungsrechtliche Beurteilung der staatlichen Parteienfinanzierung dürfte die logische Konsequenz aus der Deutung der verfassungsrechtlichen Stellung der Parteien darstellen, die mit der Entscheidung Band 1 S. 208 einsetzt und bis heute ständig durchgehalten ist. Danach sind die politischen Parteien nicht bloße Gebilde der freien Gesellschaft wie irgendwelche Verbände. Sie sind auch nicht formierte Staatsorgane im eigentlichen Sinne. Aber sie haben eine rechtlich relevante Stellung im Verfassungsrechtskreis. Sie sind verfassungsrechtliche Institutionen. Nur deshalb kann der Staat sich um ihre innere Organisation kümmern (Art. 21. Abs. 1 Satz 3 GG). Nur darum kann von ihnen öffentliche Rechenschaft über die Herkunft ihrer Mittel gefordert werden (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG). Nur darum haben die Parteien das Privileg nach Art. 21 Abs. 2 GG, nur durch diesen Hohen Senat verboten zu werden. Es kommt hier nicht darauf an, diese Rechtsprechung im einzelnen zu analysieren. In der Wahl der Ausdrücke schwankt der Hohe Senat. Aber der Grundsatz ist absolut eindeutig, und er führt folgerichtig zu der These, daß die politischen Parteien im ganzen Umfange ihres Wirkens eine öffentliche Aufgabe erfüllen, daß es dem Staat darum erlaubt ist, eine finanzielle Bei-steuer zu leisten, wenn die eigenen Finanz-quellen nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken, damit sie die ihnen verfassungsrechtlich gestellte Aufgabe sachgemäß erfüllen können.

Es ist von Herrn Dr. Arndt, wenn ich ihn recht verstanden habe, etwa der Satz ausgesprochen worden: Was nutzt die Freiheit der Parteien, wenn die Mittel fehlen, diese Freiheit geltend zu machen? Darum geht es hier. Diese staatlichen Zuschüsse der Parteien werden gewährt, damit die Parteien die ihnen verfassungsrechtlich gestellten Aufgaben erfüllen können. Sie werden nicht gewährt, um dem organisierten Staat, jenen Ämtern oder wie man es bezeichnen will, irgendeinen intervenierenden Einfluß zu eröffnen. Sie werden den Parteien gerade deshalb ohne Zweckbindung und ohne eine intensive Kontrolle gewährt, damit die Parteien ihre Aufgabe erfüllen können. Daß die Aufgaben der Parteien über die reine Wahlvorbereitung hinausgehen, ist so eindeutig, daß ich mich darüber jetzt nicht verbreiten möchte. Ich darf dem Hohen Senat sehr anempfehlen, den Schriftsatz von Herrn Dr. Arndt in dem Rechtsstreit der FDP gegen den Westdeutschen Rundfunk noch einmal durchzulesen, in dem so klar herausgestellt wird, daß die Parteien ihre Aufgabe nicht nur bei der Wahl erfüllen, sondern daß sie die ständige Aufgabe haben, Mittler zwischen dem nicht organisierten Volke und den Ämtern des Staates zu sein. In dem Schriftsatz ist auch ausgeführt worden, daß eben darum den Parteien die Sendezeit aus allgemeinen Mitteln zur Verfügung gestellt wird und daß dafür nach einem angemessenen Schlüssel, wie es dort heißt, der zuteilenden Gerechtigkeit gesucht werden muß.

Auch das Bundesverfassungsgericht hat anerkannt, daß die öffentliche Aufgabe der Parteien sich nicht auf die Wahlvorbereitung beschränkt. Wenn es in dem ersten Leitsatz des Spendenurteils (BVerfGE 8, 51) heißt: „Da die Abhaltung von Wahlen eine öffentliche Aufgabe ist und den Parteien bei der Durchführung dieser öffentlichen Aufgabe von Verfassungs wegen eine entscheidende Rolle zukommt ... ", so wird hier die Wahl nur als Ausgangspunkt genommen, weil hier bei der Wahl als diesem verfassungsrechtlichen Kernpunkt besonders klar wird, daß die Parteien eine öffentliche Aufgabe haben. Da die Parteien dabei notwendig sind, ist es zulässig, den die Wahlen tragenden politischen Parteien nicht nur für die Wahlen selbst, sondern auch sonst finanzielle Mittel von Staats wegen zur Verfügung zu stellen. In dem Urteil liegt keine Eingrenzung vor. Aus anderen Entscheidungen des Hohen Senates läßt sich nachweisen, daß die öffentliche Aufgabe der Parteien nicht nur die Wahlvorbereitung umfaßt, sondern z. B. die Führerauslese (BVerfGE 1, 208, 224; 13, 54, 81 f.). Erwähnt sind ferner etwa die „Vorformung der politischen Willensbildung des Volkes" und ähnliche Dinge (BVerfGE 5, 85, 134; 8, 104, 113).

Herr Dr. Arndt hat selbst gesagt, es könne nicht unterschieden werden zwischen Wahlvorbereitungen im engeren Sinne und der sonstigen Tätigkeit der Parteien. Wenn ich mich recht erinnere, hat er geradezu gesagt, daß die Partei eigentlich beinahe immer in der Wahlvorbereitung stehe. Wenn Herr Dr. Arndt der Meinung ist, daß die Parteien sozusagen ständig in der Wahlvorbereitung sind, daß es hier gar keinen Abschnitt gibt, wo man unterscheiden kann, dann sehe ich nicht mehr, wo nun die klare Abgrenzung sein soll, von der er immer wieder gesprochen hat; denn dann ist sozusagen die ganze Tätigkeit der Partei nach Ar-tikel 21 GG das, was Herr Dr. Arndt in anderem Zusammenhang als Wahlvorbereitung gefaßt hat. Andernfalls müßte uns hier ganz präzise dargelegt werden, worum es sich handelt.

VI. Parteienfinanzierung führt nicht dazu, daß die Parteien ihre verfassungsmäßigen Aufgaben nicht mehr wahrnehmen können

Ich verzichte jetzt darauf, etwa noch die Aufgaben der Parteien im einzelnen darzulegen. Ich will nur noch kurz auf die Einwände eingehen, die gegen die Zulässigkeit der Parteien-finanzierung vorgebracht werden. Diese Gründe, die gegen die unmittelbare nicht zweckgebundene staatliche Parteienfinanzierung vorgebracht werden, beruhen weitgehend auf verfassungspolitischen und soziologischen Erwägungen. Es entspricht der dabei oft auftretenden Vermischung verschiedener Ebenen der Diskussion und kennzeichnet die Argumentation vieler Gegner der staatlichen Parteienfinanzierung, daß sie von den Auswirkungen der staatlichen Finanzierung auf die Stellung der Parteien, auf ihre Befähigung, ihre Aufgaben zu erfüllen, auf ihre innere Ordnung zu sprechen kommen, als ob es sich um einen Mechanismus handelte, der mit der staatlichen Finanzierung in Gang gesetzt wird und unausweichlich zu den von ihnen vorausgesagten Gefahren oder sogar Veränderungen führen muß. Bei solcher vereinfachenden Betrachtung wird nicht präzisiert, wie sich im einzelnen aus der staatlichen Parteienfinanzierung die angegebenen Folgen ergeben sollen. Darauf muß entscheidender Wert gelegt werden. Es muß klargestellt werden, weshalb die Bereitstellung solcher Mittel die Partei daran hindern soll, ihren verfassungsrechtlichen Auftrag zu erfüllen. Das Grundgesetz hat das Mehrparteiensystem eingeführt mit der Gründungsfreiheit, mit der Betätigungsfreiheit der Parteien. Darüber besteht zwischen Herrn Dr. Arndt und mir gar kein Streit. Es besteht kein Streit darüber, daß es dem in den Ämtern organisierten Staat verboten ist, in das Leben der Parteien zu intervenieren und eine Kontrolle auszuüben. Aber es fehlt mir hier in den Darlegungen von Herrn Dr. Arndt die klare Präzision: Was heißt hier Intervention, was heißt hier Kontrolle? Diese Zuschüsse bedeuten ja keineswegs einen Eingriff in die Parteienfreiheit. Ich lege großen Wert darauf, zwischen der Frage der Chancengleichheit im Bereich der Sperrklausel und des Unterschriftenquorums auf der einen Seite und der Frage der Chancengleichheit im Bereich der Sendezeiten und der Zuschüsse auf der anderen Seite zu unterscheiden. Bei der Frage der Sperrklausel und bei der Frage des Quorums wissen wir genau, was „gleich" ist. „Gleich" ist bei der Stimmenverteilung, daß jede Partei die Mandate bekommt, die auf ihre Stimmen entfallen. Und doch wird in diesen Gleichheitswert durch die Sperrklausel eingegriffen. Bei den Wahlvorschlägen ist ganz klar: „gleich" ist, daß jede Partei nach der gleichen Art und Weise ihren Vorschlag soll einreichen dürfen. Audi hier wird eingegriffen und bestimmten Parteien ein größeres Quorum vorgeschrieben. Bei den Sendezeiten und Zuschüssen hingegen handelt es sich darum, daß den Parteien etwas gegeben wird, also von vornherein erst klargestellt werden muß:'was verlangt hier überhaupt die Gleichbehandlung, was ist hier eigentlich „gleich"? Ich darf wieder den Schriftsatz von Herrn Dr. Arndt im Rundfunksendezeit-Streit zitieren, wo er von der zuteilenden Gerechtigkeit spricht und es als eine evidente Willkür bezeichnet, wenn man etwa einer Regierungspartei nur quotal dieselbe Rundfunk-sendezeit zubilligen würde wie anderen Parteien. Hier kommt ganz klar der Grundsatz zum Ausdruck, daß es bei dieser Frage der Zuteilung darauf ankommt, erst einmal herauszubekommen, was das Angemessene ist, was gewährt werden kann, ohne das vorhan-dene Spiel der Kräfte unzulässig zu beeinflussen. Ich sage also, die bloße Bereitstellung der Mittel ist auf keinen Fall eine Intervention, sie ist kein Eingriff in die Unabhängigkeit, in die Staatsfreiheit der Parteien; hier liegt keine staatliche Planung der Parteien vor, hier wird keine Abhängigkeit begründet. Gerade die zweckungebundenen Zuschüsse machen das besonders klar; sie werden den Parteien gegeben, damit sie ihre Aufgabe erfüllen können, so wie sie sie als wesentliche Träger unseres Verfassungslebens auffassen.

Nun ist gesagt worden, die Abhängigkeit ergebe sich schon einfach daraus, daß ja der Finanzminister sagen könnte: Was der Bundestag da in den Haushaltsplan einstellt, interessiert mich gar nicht, ich zahle nicht aus! Hoher Senat, das ist eine Frage, die Sie auch in diesem Zusammenhang werden entscheiden müssen. Nach meiner Meinung besteht eine solche Freiheit der Exekutive, auch wenn sie sie in Anspruch nimmt, nicht. Das sage ich nicht ad hoc in diesem Prozeß. Das habe ich bereits vor Jahren in einem Referat über Parlament und Regierung als These aufgestellt (VVDStL Heft 16, 1958, S. 70): Es gibt politisch akzentuierte Haushaltsansätze, die die Exekutive ausführen muß, wo sie nicht die Wahl hat, die Ausführung zu verweigern, wo sie dem Parlament gegenüber gebunden ist, diese Beträge auszuzahlen; eine Auffassung, die bereits Johannes Heckel 1932 im Handbuch des deutschen Staatsrechtes vertreten hat (HDStR Bd. 2, S. 406 f.). Wenn der Bundesgesetzgeber in den Haushaltsplan, in diesen — wie ihn Heckel bezeichnet — politischen Gesamtakt von Regierung und Parlament, den Ansatz hineingebracht hat, dann müssen diese Beträge auch ausgezahlt werden. Da gibt es keine Abhängigkeit von der Exekutive, übrigens hat sich der Bremische Staatsgerichtshof im Urteil vom 26. 6. 1954 diese Ansicht zu eigen gemacht.

Idi leugne also, daß diese Bereitstellung von Mitteln und die Art und Weise ihrer Auszahlung irgendeine Auswirkung auf die Unabhängigkeit der Partei vom Staate hat. Ich sage nur ein Wort darüber, daß bisher noch kein Mensch nachgewiesen hat, daß durch die Parteienfinanzierung die innere Parteiendemokratie gefährdet wird. Hoher Senat, es ist ja einfach nicht wahr, daß diese Beträge erst 1965 im Haushaltsplan erscheinen. 1962 haben wir den ersten Ansatz. Wir haben noch den Organstreit BHE gegen den Haushaltsplan 1962 zu verhandeln. Schon dort sind unter Tit. 612 b 15 Millionen DM zweckungebundene Mittel für die Parteien enthalten. Wir haben es 1962, 1963, 1964 und 1965 in verschiedenem Ausmaß. Wenn die These aufgestellt wird, daß eine staatliche Parteien-Teilfinanzierung schlechthin die innere demokratische Ordnung der Parteien zerstöre, dann müßte schon nachgewiesen werden, daß diese Erscheinungen gegenwärtig in unserem Parteienraum sichtbar sind. Nur dann, wenn das klipp und klar nachgewiesen wird, kann daraus eine Verfassungswidrigkeit belegt werden. Aber sie läßt sich nicht belegen.

Ein Wort noch zur Kontrolle! Es ist sehr schön gesagt worden: ohne Kontrolle keine öffentlichen Mittel, mit Kontrolle keine Freiheit! Aber, Hoher Senat, um welche Art von Kontrolle handelt es sich? Genau dieselbe Frage wie bei der Intervention, bei dem Eingriff. Was ist denn die Haushaltskontrolle? Die Haushaltskontrolle ist nichts anderes, als daß der Bundesrechnungshof prüft, ob die Exekutive die im Haushaltsplan vorgesehenen Mittel zu den dort vorgesehenen Zwecken ausgegeben hat. Die Parteien brauchen also nur, wie es gestern hier geschehen ist, offenzulegen, wie sie ihre Mittel angewandt haben. Es ist eine rechnerische Nachprüfung, kein Hineinregieren in die Parteienarbeit. Hier liegt keine Kontrolle vor, die während des Jahres geübt wird. Es handelt sich um eine nachläufige, rein rechnerische Kontrolle, die allenfalls zu Beanstandungen führen kann. Die Kontrolle gibt dem Bundestag nachher Anlaß, sich im Entlastungsbeschluß darüber zu verbreiten oder daraus für zukünftige Haushaltspläne Folgerungen zu ziehen. Diese Art von Kontrolle ist genausowenig ein Eingriff in die Parteienfreiheit, in die Gründungsfreiheit, wie die bloße Bereitstellung und Auszahlung der Mittel. Sie beschränkt sich übrigens gemäß § 64 a Reichshaushaltsordnung und der entsprechenden Anordnung des Bundesministers des Innern auf den einfachen Nachweis, daß Ausgaben in Höhe der Zuwendungen gemacht worden sind.

VII. Chancengleichheit der Parteien und Parteienfinanzierung

Nun zum Schluß noch ein ganz kurzes Wort zur Frage der Chancengleichheit. Ich möchte jetzt nur noch darauf eingehen, daß selbstverständlich die These aufgestellt werden kann, daß dieser Ansatz im Haushaltsplan 1965 gegen den Gleichheitssatz verstoße, weil dabei nur bestimmte Parteien bedacht würden. Aber, Hoher Senat, ich erinnere an Ihre eigene ständige Rechtsprechung: Wenn in einer begünstigenden Vorschrift — ich muß den Ausdruck „Vorschrift" gegen meine These gebrauchen — ein bestimmter Kreis nicht bedacht worden ist, dann kann das Gericht nicht die Norm für ungültig erklären, weil es damit in die Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers eingreifen würde. Es kann nur feststellen: Hier ist gegen den Gleichheitssatz verstoßen worden, und gar nichts anderes, mit der Folge, daß nunmehr der Gesetzgeber entscheidet: Ich stelle die Gleichheit her, indem ich entweder die Gruppe hineinnehme oder indem ich alles streiche. Aber es ist nicht möglich, deshalb, weil eine bestimmte Gruppe gleichheitswidrigerweise ausgeschieden worden ist, die ganze Regelung als ungültig zu erachten, für nichtig zu erklären (BVerfGE 8, 28). Nun hat der Gleichheitssatz einen doppelten Aspekt. Das war ja auch bei der Frage der Zulässigkeit der Organstreitigkeiten zu erörtern. Der Geichheitssatz kann erstens einmal in seiner subjektiven Richtung in Betracht kommen: daß derjenige, der sich benachteiligt glaubt, geltend macht, daß er in seinem Recht auf Gleichheit verletzt sei. Aber der Gleichheitssatz hat gerade in der Rechtsprechung des Hohen Senates auch die Bedeutung eines objektiven Verfassungsrechtssatzes gewonnen. Dieser scheint mir in diesem Zusammenhang eine ganz entscheidende Bedeutung zu gewinnen. Es geht um die These, die ja wohl auch von Herrn Dr. Arndt vertreten wird, daß man von der tatsächlich bestehenden Wettbewerbslage der Parteien ohne staatliche Zuschüsse ausgehen muß. Es wird die These aufgestellt: Es kommt nicht darauf an, ob der eine gegenüber dem anderen bevorteilt oder benachteiligt wird, sondern es besteht überhaupt nicht die Möglichkeit, diese Zuschüsse so gleichmäßig, so gerecht zu verteilen, daß das faktisch bestehende Kräfteverhältnis nicht berührt wird. Ich muß zugeben, daß hier die Möglichkeit einer mittelbaren Auswirkung der staatlichen Zuschüsse an die Parteien, einer Beeinflussung des Wettbewerbsspiegels sozusagen zwischen den Parteien besteht. Hier kommt es aber nach der bisherigen Rechtsprechung des Senates entscheidend darauf an, ob solche in einem gewissen Umfange bestehenden mittelbaren Auswirkungen durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt werden können. Diesen sachlichen Grund sehe ich eben darin, daß die Zuschüsse des Staates an die Parteien notwendig sind, damit die Parteien ihre Aufgabe, die die Verfassung ihnen stellt, erfüllen können. Dieser sachliche Grund rechtfertigt genauso eine differenzierende Zuteilung der Zuschüsse, wie es möglich war, eine differenzierende Zuteilung von Sendezeiten im Rundfunk zu billigen. Es ist genau das gleiche Problem. Es muß also hier nach dem angemessenen Verteilungsschlüssel gesucht werden. Es muß der Verteilungsschlüssel gesucht werden, nach dem die mittelbaren Auswirkungen der staatlichen Teilfinanzierung auf die tatsächlichen Wettbewerbsaussichten der Parteien in einem begrenzten Ausmaß gehalten werden, in einem so begrenzten Ausmaß, daß man nicht sagen kann, daß hier evident gegen den Grundsatz der Chancengleichheit verstoßen wird.

Herr Dr. Arndt sagt, daß die Finanzierung sich in irgendeiner Weise an dem zu ermittelnden Stärkeverhältnis der Parteien ausrichten würde; dabei ist die Frage, wovon man ausgeht: den Mandaten, der Stimmenzahl bei den Landtags-oder Kommunalwahlen, dem Quorum oder der Mitgliederzahl. Er sagt weiter, durch eine solche Verteilung würde man an etwas anschließen, was bereits da ist; damit würde der Status quo begünstigt. — Das muß aber keineswegs so sein. Eine Finanzierung, wie ich sie mir vorstelle, wäre status-quo-neu-trat. Sie würde in der möglichsten Annäherung an den bestehenden Zustand liegen. Ich sage immer wieder: Ich lege Wert darauf, daß jene Argumente, die Herr Dr. Arndt bei der Sendezeitzuteilung gebraucht hat, auch in diesem Verfahren berücksichtigt werden. Es gibt auch bei der Lösung der Frage, wie staatliche Zuschüsse an die Parteien gerecht nach ihrer Bedeutung im Prozeß der Willensbildung des deutschen Volkes verteilt werden können, alle möglichen Momente, an die man anknüpfen kann. Eine solche Zuteilung wäre status-quoneutral, sie wäre nicht status-quo-begünstigend. Sie würde nicht versteinernd wirken, sie wäre keine Begünstigung. Sie beeinflußt den Status quo überhaupt nicht und ist daher kein unzulässiger Eingriff.

Zum Schluß noch ein Wort, das wieder an den Anfang anknüpft. Es wäre m. E. nicht Sache dieses Gerichtes, Kriterien zu entwickeln und einen Schlüssel aufzustellen, nach dem möglicherweise Zuteilungen erfolgen könnten. Diese Zumutung kann gar nicht an das Gericht gestellt werden. Das Gericht kann und darf sogar nicht einmal entscheiden, daß und ob es eine Gleichbehandlung gar nicht gibt. Das Gericht hat immer nur das zu prüfen, was ihm konkret vorgelegt ist, und es müßte allemal abwarten. Wenn der Hohe Senat sagen sollte: Dieser Schlüssel, nach dem ihr gegenwärtig verteilt, ist gleichheitswidrig, dann ist es den Verhandlungen der Parteien und den Entscheidungen der politischen Organe überlassen, nach dem gerechten Schlüssel zu suchen, der eventuell wiederum einer erneuten Kontrolle auf Einhaltung der äußersten verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegen würde.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Ernst Friesenhahn, Dr. jur., Dr. jur. h. c., Professor für Staats-und Verwaltungsrecht an der Universität Bonn, Bundesverfassungsrichter a. D., geb. 26. Dezember 1901 in Oberhausen. Veröffentlichungen u. a.: Die Staatsgerichtsbarkeit, in: Anschütz/Thoma, Handbuch des deutschen Staatsrechts, Bd. II, Tübingen 1932; Parlament und Regierung im modernen Staat, in: Veröffentlichungen der Vereinigung deutscher Staatsrechtslehrer, Heft 16, Berlin 1958; Artikel Menschenrechte, Menschenrechtsdeklaration und Menschenrechtskonvention, in: Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. II, Berlin 1961; Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Bundesrepublik Deutschland, Köln 1963.