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Deutschland und Frankreich im Zweiten Weltkrieg 1940 — 1944 | APuZ 33/1966 | bpb.de

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APuZ 33/1966 Deutschland und Frankreich im Zweiten Weltkrieg 1940 — 1944

Deutschland und Frankreich im Zweiten Weltkrieg 1940 — 1944

Hermann Böhme

III. Die zweite Regierung Laval bis zum Verlust Französisch-Nordafrikas

I. Vom Waffenstillstand bis zum Sturz Lavals — Juni bis Dezember 1940 II. Darlan als Verhandlungspartner — Februar 1941 bis April 1942 III. Die zweite Regierung Laval bis zum Verlust Französisch-Nordafrikas — April bis November 1942 IV. Dezember 1942 bis August 1944 Das Ende in Frankreich — INHALT der Ausgabe Nr. 31 vom 3. 8. 1966: 1. Der Waffenstillstand 2. Besatzungsregime und politische Pläne Hitlers 3. Vichy und der Waffenstillstand 4. Mers-el-Kebir — die ungenutzte Chance 5. Montoire — der erste

1. Auch Laval erhält keine Chance

Charakter und Tätigkeit der neuen Regierung Laval wurden eindeutig durch die Persönlichkeit des Regierungschefs bestimmt. Unter den Ministern trat ein nahezu vollständiger Wechsel ein, wobei die von Laval berufenen Männer ziemlich farblose Erscheinungen waren, mehr Handlanger ihres Chefs als politische Charaktere.

Im Vordergrund des Programms von Laval stand die Außenpolitik. Laval sah die kommende Vorherrschaft Deutschlands auf dem europäischen Kontinent als unvermeidlich an, ja er hielt hier einen deutschen Sieg sogar für wünschenswert, da ihm im gegenteiligen Falle die viel verhängnisvollere Ausbreitung des Bolschewismus über ganz Europa als unausweichliche Alternative zu drohen schien. Andererseits waren die Vereinigten Staaten von Amerika mit militärischen Mitteln nicht zu schlagen; ihnen konnte daher einmal die Rolle des Schiedsrichters in einem Kompromißfrieden größten Maßstabes zufallen. Für Frankreich ergab sich daraus die Notwendigkeit, sich zunächst einen würdigen Platz im künftigen Europa zu sichern — ein Ziel, das Laval nur an der Seite Deutschlands erreichbar schien. Die Rückendeckung der USA durfte jedoch schon wegen der überseeischen Interessen Frankreichs in seinem Kolonialreich nicht aufzugeben werden. Der Weg war also Zusammenarbeit mit Deutschland auf politischem, wirtschaftlichem und auch auf militärischem Gebiet, auf diesem allerdings nur insoweit, als dabei der offene, bewaffnete Konflikt mit den angelsächsischen Mächten vermieden wurde.

Die grundsätzlichen Fragen der französischen Innenpolitik hielt Laval nicht für vordringlich. Für die konservativen Reformpläne der P-tain-Anhänger hatte er allerdings kein Verständnis; von der im Sommer 1940 mit einem gewissen Schwung eingeleiteten „nationalen Revolution" war jetzt nicht mehr die Rede. Auf längere Sicht hielt Laval wohl eine gewisse Anpassung der französischen Staats-und Gesellschaftsformen an die der Achsenmächte für unvermeidlich. Ihm schwebte dabei eine Art von autoritärem Sozialismus, ein den Ideen von 1789 angepaßter „national-socialisme humanise" vor

Der Start der neuen Regierung war nicht aussichtsreich. Das Verhältnis zu den USA erfuhr sofort die Belastung, die nach der Ankündigung Roosevelts vom 30. März 1942 erwartet werden mußte. Der amerikanische Botschafter Leahy zeigte taube Ohren, als Laval nach seinem Regierungsantritt bei ihm um Verständnis für die Notwendigkeit, einen Sieg des Bolschewismus in Europa zu verhindern, warb. Kurz darauf berief ihn Roosevelt demonstrativ aus Vichy ab und kündigte gleichzeitig die Einstellung der amerikanischen Versorgungslieferungen für Nordafrika an. Wieder erwies es sich aber, daß die Regierung der Vereinigten Staaten die Verbindung nach Vichy und Französisch-Nordafrika, die ihr im weiteren Verlauf des Krieges doch noch einmal nützlich werden konnte, nicht völlig zu lösen gedachte. Sie sah von dem angedrohten Abbruch der diplomatischen Beziehungen ab und beließ einen Geschäftsträger in Vichy; aber auch in der Frage der Belieferung Französisch-Afrikas mit Versorgungsgütern zeigte sie sich im Laufe des Sommers wieder kompromißbereit. In beiden Fällen kam es ihr darauf an, ihre als Diplomaten und Konsuln getarnten Horchposten in Vichy und in den afrikanischen Häfen nicht zurückziehen zu müssen. Nun rührte sich aber England wieder, das sich seit dem Kampf um Syrien vor Jahresfrist gegenüber Frankreich zurückgehalten hatte. Anfang Mai setzten sich britische Streitkräfte nach Überwindung des Widerstands der französischen Besatzung in den Besitz des Hafens Diego-Suarez an der Nordspitze der Insel Madagaskar. Vichy wußte also, daß es mit irgendeiner Rücksichtnahme der angelsächsischen Mächte auf seine souveränen Rechte im Kolonialreich in Zukunft noch weniger als bisher zu rechnen hatte.

Laval und der ihm nahestehende Kreis mochten gehofft haben, daß die Übernahme der Regierungsverantwortung wenigstens nach der deutschen Seite hin gewisse Erleichterungen bringen und Möglichkeiten eröffnen würde. Aber auch hier wartete nur eine große Enttäuschung. Es war zunächst ein recht nebensächliches Ereignis, das sich in den ersten Tagen nach der Amtsübernahme Lavals als neuer Schatten auf die deutsch-französischen Beziehungen legte. Am 17. April 1942 war es dem französischen General Giraud gelungen, von der Festung Königstein in Sachsen, wo er mit zahlreichen anderen französischen Generälen in Kriegsgefangenschaft war, zu entfliehen und über die Schweiz das unbesetzte Gebiet in Frankreich zu erreichen. Die Wirkung dieses Vorfalls auf Hitler, der in Giraud zu Unrecht einen überragend befähigten Truppen-führer sah, der — wie er meinte — allein feindliche Divisionen wert sei 30), war alarmierender, als es der Anlaß rechtfertigte. Als die vom Botschafter Abetz unternommenen Versuche, Giraud zur freiwilligen Rückkehr nach Deutschland zu bewegen, gescheitert waren, kannte der Zorn Hitlers keine Grenzen mehr und äußerte sich in einer wesentlichen Verschärfung der bisher ziemlich liberalen Daseinsbedingungen für die Gesamtheit der französischen Kriegsgefangenen. Petain suchte sich seinerseits aus der Affäre zu ziehen, indem er Giraud die ehrenwörtliche Verpflichtung abnahm, nichts zu unternehmen, was die französisch-deutschen Beziehungen belasten könnte.

Es war aber nicht so, daß der Fall Giraud irgendeine neuartige oder entscheidende Wendung in der Frankreichpolitik Hitlers herbeigeführt hätte, er trug allenfalls dazu bei, Hitler in seinem tief eingewurzelten Mißtrauen gegen die Franzosen und in seiner inneren Ablehnung gegen jeden Versuch der Zusammenarbeit mit ihnen zu bestärken. So mußte denn Laval schon bald nach seinem Regierungsantritt erkennen, daß ihn Göring im März nicht ohne Grund vor erneuter aktiver Teilnahme an der Politik Vichys gewarnt hatte. Hitler war jedenfalls, ungeachtet seiner Reaktion auf die Drohung Roosevelts und seiner dabei gewährten Schützenhilfe für die Rückführung Lavals zur Macht, keineswegs bereit, mit einer von Laval geführten französischen Regierung glimpflicher umzugehen als mit Darlan oder irgendeinem anderen Regierungschef. Für ihn war der Gedanke an die „Coilaboration" tot, um so mehr, als er für den Sommer 1942 große operative Vorhaben in Rußland und später auch in Ägypten im Auge hatte, die ihm die Unterstützung durch Frankreich wieder einmal als höchst überflüssig erscheinen ließen. Irgendwelche Konzessionen an die Vichy-Regierung lehnte er daher strikt ab. Die Einstellung, die seiner Politik zugrunde lag, hat Göring im August 1942 zutreffend dahin formuliert, daß Frankreich als erobertes Gebiet zu behandeln sei und daß die Collaboration allein darin zu bestehen habe, daß die Franzosen an Deutschland „zu liefern hätten, bis sie selber nicht mehr könnten" Auch die italienische Regierung, die das Wiederauftauchen Lavals zunächst mit ernster Sorge um einen neuen deutsch-französischen Flirt beobachtet hatte, atmete angesichts dieser konstanten Verhärtung der deutschen Politik erleichtert auf und benutzte die Gelegenheit, durch eine neu belebte Propaganda Vichy klar zu machen, daß auch eine Regierung Laval Frankreich in keiner Weise vor den nationalen Forderungen Italiens auf Nizza, Korsika und Tunesien werde bewahren können.

So waren denn die wiederholten Versuche Lavals, einen politischen Kontakt mit der Reichsregierung herzustellen, zur Erfolglosigkeit verurteilt. Als sich sowohl Göring wie Ribbentrop den Bitten um ein persönliches Zusammentreffen hartnäckig versagten, richtete Laval im Mai 1942 ein Schreiben an Ribbentrop, in dem er in sehr warmen Worten Verständnis und Sympathie für die schwere Aufgabe zum Ausdruck brachte, die Deutsch-land durch den Kampf gegen den Bolschewismus im gesamteuropäischen Interesse auf sich genommen habe. Er bot die französische Hilfe hierbei in der Gestalt an, daß französische Arbeiter in der deutschen Wirtschaft die Fehl-stellen der im Osten kämpfenden Deutschen einnehmen sollten, und bat Ribbentrop wieder, die psychologischen Voraussetzungen hierfür durch eine konstruktive Frankreichpolitik zu schaffen Die Antwort Ribbentrops war kühl: Der deutschen Regierung sei mit französischen Zusicherungen und mit Hoffnungen auf künftige Entwicklungen nicht gedient, Frankreich solle durch Taten seinen guten Willen beweisen Um hierzu Gelegenheit zu geben, regneten nun in kurzer Folge alte und neue deutsche Forderungen auf die französische Regierung nieder, ohne daß dabei vpn nennenswerten deutschen Gegenleistungen die Rede war. Es handelte sich unter anderem um Verdoppelung der von Frankreich verlangten Lebensmittellieferungen, die Abtretung von Eisenbahnmaterial aller Art, die Einschaltung der Sprengstoffindustrie ganz Frankreichs in das deutsche Rüstungsprogramm und die Überlassung von französischen und neutralen Handelsschiffen, die in den Mittelmeerhäfen des unbesetzten Gebietes lagen, an Deutschland.

Einschneidender als diese rein materiellen Forderungen war aber das deutsche Vorgehen auf drei Gebieten, das ein rigoroses Eingreifen der Besatzungsmacht in die innere Souveränität der französischen Regierung bedeutete.

An erster Stelle standen dabei Maßnahmen auf dem Gebiet der Exekutive, die nach der erwähnten Übernahme der Polizeiaufgaben durch die SS vorgenommen wurden. Sie zielten darauf ab, die französische Polizei weitgehend für die Bekämpfung der gegen die deutsche Wehrmacht gerichteten Terror-und Sabotageakte verantwortlich zu machen und dazu in einer Weise umzubilden, die sie praktisch in Abhängigkeit von gewissen mit der Besatzungsmacht zusammenarbeitenden politischen Organisationen bringen sollte. Die französische Regierung, die sich ihre Polizeihoheit nicht aus der Hand nehmen lassen wollte, mußte sich hierzu auf die schiefe Ebene immer weitergehender Zugeständnisse begeben und dabei dem deutschen SD auch den Weg in das unbesetzte Gebiet öffnen.

An zweiter Stelle war es die deutsche Rassen-politik, deren Exponenten in Paris jetzt gegenüber Laval die Zurückhaltung fallen ließen, die sie sich gegenüber Darlan noch auferlegt hatten. Zunächst wurde die Berufung eines neuen und willfährigen französischen „Kommissars für Judenfragen" (Commissaire general aux questions juives) durchgesetzt und das bisher von Darlan verhinderte Tragen des gelben Judensterns im besetzten Gebiet angeordnet. Sodann begann die Internierung aller Juden im besetzten Gebiet und ihre Deportierung nach dem Osten in den angeblich dort zu errichtenden Judenstaat. Dabei wollte sich der Beauftragte Himmlers aber nicht auf das besetzte Gebiet beschränken, sondern forderte von der französischen Regierung die Auslieferung der im unbesetzten Gebiet lebenden ausländischen Juden. Laval ließ sich auch hier auf Verhandeln ein und fand sich schließlich bereit, rund 10 000 nichtfranzösische Juden, darunter zahlreiche deutsche Emigranten, aus dem unbesetzten Gebiet den Deutschen zu überantworten, um dafür Zugeständnisse und Erleichterungen für die Juden französischer Nationalität einzuhandeln.

Am tiefsten wirkte aber die dritte deutsche Forderung auf Stimmung und Leben des französischen Volkes ein: die Überführung französischer Arbeiter in die deutsche Wirtschaft. Wenn Laval in seinem Schreiben an Ribbentrop geglaubt hatte, diese Aktion werde sich in gütlichem Einvernehmen durchführen und damit für die deutsch-französische Verständigung nutzbar machen lassen, so hatte er sich gründlich getäuscht. Dafür sorgte der von Hitler im März 1942 eingesetzte „Generalbevollmächtigte für den Arbeitseinsatz", der Gauleiter Sauckel, der wie sein Meister von Collaboration gar nichts hielt, sondern im Mai 1942 unter Androhung von Zwangsmaßnahmen von der französischen Regierung ultimativ forderte, in kürzester Frist insgesamt eine halbe Million Arbeiter für Deutschland zu stellen. Laval suchte auch hier die Dinge in der Hand zu behalten und erzielte in harten Verhandlungen mit Sauckel schließlich einen Kompromiß, die Einführung der sogenannten „Releve", wonach für je drei freiwillig nach Deutschland verpflichtete Facharbeiter als „Ablösung" je ein Kriegsgefangener nach Frankreich entlassen werden sollte. Es stellte sich allerdings bald heraus, daß es der französischen Regierung auch mit diesem Mittel bei weitem nicht gelang, die geforderte Zahl von Freiwilligen aufzutreiben. Die Folge waren deutsche Mahnungen und Ende August 1942 ein neues Ultimatum. Laval sah nun keine andere Möglichkeit mehr, die Zwangsaushebung von Arbeitern im besetzen Gebiet durch die deutschen Besatzungsbehörden zu verhindern, als den Erlaß eines Arbeitsdienstpflichtgesetzes durch die französische Regierung, die damit die Durchführung wenigstens selbst in der Hand zu behalten hoffte. Am 4. September 1942 setzte Laval dieses Gesetz gegen eine starke Opposition im Ministerrat durch.

Laval war in seiner Stellung gegenüber der geschilderten deutschen Politik nicht zu beneiden. Seine Taktik bestand anfangs darin, den deutschen Wünschen soweit entgegenzukommen, als es die Lebensinteressen des französischen Volkes irgend zuzulassen schienen, und dadurch um Vertrauen für seine Regierungsführung zu werben, um schließlich doch noch zu einem fruchtbringenden politischen Kontakt im Geist seiner Collaborations-Idee zu gelangen. Er benutzte jede Gelegenheit, der deutschen Seite, auf der ihm allerdings fast ausschließlich der ohnehin überzeugte Botschafter Abetz als Gesprächspartner zur Verfügung stand, seine Gedanken einer künftigen europäischen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich darzulegen; er zögerte auch nicht, die Möglichkeit eines militärischen Zusammengehens bereits im Kriege für den Fall deutschen politischen Entgegenkommens in Aussicht zu stellen. Auch Darlan sekundierte ihm in dieser Hinsicht. Diese Aktivität der Vichy-Regierung mochte durch die Entwicklung der Kriegslage im Sommer 1942 beeinflußt sein, wo die deutsche Offensive gegen den Kaukasus und den Unterlauf der Wolga und der Vorstoß Rommels nach Ägypten die deutschen Siegesaussichten noch einmal in hellem Lichte erscheinen ließen. Den Höhepunkt der Angebote Lavals bildete eine Rundfunkansprache, die er am 22. Juni 1942, dem Jahrestag des deutschen Angriffs auf die Sowjetunion, an das französische Volk richtete, wobei er zum Schutze Europas vor dem Bolschewismus den deutschen Sieg als nötig und erwünscht auch für Frankreich erklärte Ein nach dem mißglückten englischen Landungsunternehmen bei Dieppe im August 1942 angeblich von Petain an Hitler gerichtetes Angebot, mit französischen Kräften an der gemeinsamen Verteidigung Frankreichs teilzunehmen, mit dem Abetz damals viel argumentierte, hat sich dagegen durch die Nachkriegs-forschung als eine bis heute nicht aufgeklärte Mystifikation herausgestellt; weder Petain noch Laval wollen von dieser an die deutsche Botschaft gelangten Note etwas gewußt haben

Aber auch alle tatsächlich unternommenen Versuche, das deutsche Vertrauen zu gewinnen, stießen auf die unverändert schroffe Ablehnung Hitlers. Weder dieser noch Ribbentrop würdigten Laval überhaupt einer Antwort, wenn man nicht die sich immer steigern-den Forderungen nach Leistungen Frankreichs als solche bezeichnen will. Es konnte nicht wundernehmen, daß Laval vom Juli 1942 an den Glauben an die Richtigkeit seiner politischen Konzeption allmählich verlor. Er stellte sich resigniert auf eine neue politische Linie ein. Ihm kam es jetzt darauf an, das Gewicht seiner Persönlichkeit dafür einzusetzen, das französische Volk und die französische Wirtschaft vor den Folgen einer uneingeschränkten Besatzungspolitik zu schützen, soweit dies ohne Bruch mit der deutschen Regierung und ihren Beauftragten möglich schien. Zu diesem Zweck verlegte er sich auf die Taktik des Kuh-handels und des Feilschens um Zeitgewinn und hatte damit auch gewisse Erfolge, da die deutschen Stellen letzten Endes den komplizierten Mechanismus Frankreich nicht ohne die Hilfe einer französischen Regierung lenken konnten und wollten. Aber dieser Kleinkampf Lavals fand innerhalb der Regierungskreise von Vichy nur wenig Verständnis; in der breiten Öffentlichkeit blieb er unbekannt. Ihr erschien Laval nur als der Erfüllungspolitiker, der den Ruf des alten Marschalls unerträglich belastete und die Propaganda der angelsächsischen Mächte und de Gaulles gegen Vichy voll zu rechtfertigen schien. Dazu kam, daß auch die so ängstlich gehütete Souveränität Vichys über das Kolonialreich ins Wanken geriet: Im September 1942 erneuerten die Engländer ihren Angriff auf Madagaskar und brachten bis zum 6. November 1942 die gesamte Insel gegen den Scheinwiderstand der dortigen französischen Truppen in ihren Besitz.

So sah die Lage zwischen Deutschland und Frankreich im Herbst 1942 aus, als das französische Problem höchst überraschend wieder in den Vordergrund der großen Kriegsereignisse gerückt wurde, noch dazu in verhängnisvollem zeitlichen Zusammentreffen mit dem sowjetischen Großangriff auf die Stalingradfront und dem Zusammenbruch der deutsch-italienischen Stellung in Ägypten.

2. Der Untergang der Souveränität Vichys im November 1942

In den frühen Morgenstunden des 8. November 1942 landeten amerikanische und englische Streitkräfte in Französisch-Nordafrika. Das sorgfältig vorbereitete Unternehmen stand unter amerikanischer Leitung; die Führung lag in den Händen des Oberbefehlshabers der amerikanischen Streitkräfte in Europa, General Eisenhower. Die englische Teilnahme hielt sich im Hintergrund und das französische Nationalkomitee de Gaulles blieb völlig ausgeschaltet — beides die Auswirkung amerikanischen Taktierens, das die in Frankreich bestehenden Ressentiments gegen die Engländer und de Gaulle nicht neu zu beleben wünschte und als beste Lösung eine gütliche Verständigung mit den Kräften der Vichy-Regierung anstrebte. In Nordafrika selbst hatte der dortige Vertreter der USA, der Gesandte Murphy, den Boden durch Fühlungnahme mit einigen französischen Widerstandsgruppen, denen eine Reihe von aktiven Offizieren angehörte, vorzubereiten versucht. Als präsumptiven Oberbefehlshaber, der die französischen Streitkräfte in Nordafrika in das Lager der Alliierten überführen sollte, war der durch seine Flucht populär gewordene General Giraud gewonnen worden, der sich unbeschadet seines Petain im Mai 1942 gegebenen Ehren-worts kurz vor der Landung von einem englischen U-Boot aus Südfrankreich nach Gibraltar abholen ließ.

Die alliierte Landung hatte als Ziele die marokkanische Küste beiderseits Casablancas und die algerischen Häfen Oran und Algier. Auf Tunesien hatte man die Operation zunächst nicht auszudehnen gewagt, da man das Eingreifen starker Luftstreitkräfte der Achsenmächte von Sizilien und Süditalien aus fürchtete. Tunesien sollte daher im unmittelbaren Anschluß an die geglückte Landung durch Vorstoß auf dem Landwege gewonnen werden. Die Versuche der erwähnten Verschwörer-gruppen, in der Nacht vor der Landung den regulären französischen Führungsapparat lahmzulegen, scheiterten im allgemeinen an der festen Haltung der verantwortlichen Befehlshaber, die sich loyal an ihren Eid gegenüber dem Marschall in Vichy gebunden fühlten. Sie zögerten nicht mit dem Befehl, jedem Landungsversuch mit der Waffe Widerstand zu leisten. Dies führte an der marokkanischen Küste und in Oran zu hartnäckigen und verlustreichen Kämpfen, in denen sich besonders die französische Marine mit Schiffen und Kü-B stenbatterien ohne Vorbehalt einsetzte. In Algier dagegen nahmen die Dinge nach geringfügigen Schießereien eine andere Wendung.

Hier befand sich außer dem Oberbefehlshaber der französischen Streitkräfte in Afrika, General Juin, auch der Admiral Darlan, der kurz vorher zu einem Besuch seines schwererkrankten Sohnes von Vichy nach Algier geeilt war.

Es dürfte heute erwiesen sein, daß tatsächlich dieses zufällige Zusammentreffen Darlan in dieser entscheidenden Stunde nach Algier geführt und kein abgekartetes Spiel mit den Amerikanern vorgelegen hat Diese sahen sich aber keineswegs ungern einem maßgeblichen Vertreter der Vichy-Regierung gegenüber, der ihnen helfen konnte, zu der gewünschten gütlichen Vereinbarung mit den legalen französischen Machthabern zu gelangen. Murphy forderte daher Darlan auf, der Landung keinen Widerstand entgegenzusetzen und mit den amerikanischen Dienststellen zusammenzuwirken, ohne allerdings die sofortige Zustimmung . Darlans zu finden, der sich auf seine Gehorsamspflicht gegenüber Petain berief und in Vichy nach dessen Befehlen anfragte.

Petain hatte zur selben Stunde, in der die Landung vor sich ging, ein Schreiben des Präsidenten Roosevelt erhalten, in dem dieser den alliierten Schritt mit dem drohenden Zugriff der Achsenmächte auf Französisch-Nordafrika begründete und eine feierliche Garantieerklärung für die Souveränitätsrechte Frankreichs auf seinen überseeischen Besitz abgab. Petain antwortete nach Rücksprache mit Laval sehr schnell. Er protestierte gegen den alliierten Angriff und brachte seinen Willen zum Ausdruck, den französischen Boden mit der Waffe zu verteidigen. Dabei wies er die Behauptung, die Achsenmächte trügen sich mit Angriffsabsichten gegen Nordafrika, mit Recht als unbegründet zurück; diese hatten im gegebenen Zeitpunkt ganz andere Sorgen als ihre ohnehin schon überspannten Fronten durch Eröffnung eines neuen Kriegsschauplatzes noch zu erweitern. Der Befehl Petains zum Widerstand wurde alsbald den Befehlshabern in Tunis, Marokko und Dakar übermittelt. Die an Darlan nach Algier übermittelte Weisung ließ dagegen diese Klarheit vermissen: Petain beschränkte sich darauf, Darlan seines Vertrauens zu versichern und ihm ausdrücklich Handlungsfreiheit zu gewähren.

Die Nachricht von der alliierten Landung hatte im Führerhauptquartier wie eine Bombe eingeschlagen. Die politische und militärische Führung sahen sich völlig überrascht. Wohl hatten sich unter der Fülle der Abwehrmeldungen über alliierte Absichten auch solche befunden, die auf die Möglichkeit eines Vorgehens gegen Französisch-Nordafrika hinwiesen, irgendwelche konkreten Nachrichten lagen aber nicht vor, die eine solche Unternehmung wahrscheinlicher als andere, von denen in gleicher Weise gesprochen wurde, hätten erscheinen lassen Gegenmaßnahmen waren daher vom Oberkommando der Wehrmacht auch gedanklich nicht vorbereitet. Von der praktischen Seite waren die Möglichkeiten dafür durch die Anspannung der Kräfte in Rußland und Ägypten und die Schwierigkeiten der Seeverbindung von Italien nach Nordafrika auch äußerst begrenzt. In dieser Lage entsann sich Hitler darum plötzlich des so lange mißachteten Gedankens der „Collaboration". Jetzt schien er sogar bereit, den politischen Preis dafür, den er immer so strikt verweigert hatte, zu zahlen. Am 8. November mittags ließ er an die französische Regierung die Anfrage richten, ob diese bereit wäre, an der Seite Deutschlands gegen die Engländer und Amerikaner zu kämpfen. Wenn dies der Fall sei, so sei er gewillt, mit Frankreich „durch Dick und Dünn zu gehen" Um in diesem Sinne persönlich auf Laval einwirken zu können, forderte Hitler diesen auf, sofort zu einer Aussprache nach München zu kommen; der italienische Außenminister Ciano wurde gleichfalls dorthin gerufen. Das OKW ließ in Vichy anfragen, welche Hilfe seitens der deutschen Wehrmacht für den Kampf um Nordafrika vordringlich erwünscht sei. In Vichy sah man sich angesichts dieses Angebots in einer unangenehmen Lage. Die politische Linie Petains war auch in der jetzigen Situation die gleiche wie bisher: er wollte zwischen den kriegführenden Parteien steuern, ohne es mit einer von beiden zu einem entscheidenden Brudi kommen zu lassen. Bereits die nicht ganz übereinstimmende Reaktion auf die Botschaft Roosevelts und die Anfrage Dar-lans am gleichen Morgen war ein Ausfluß dieser Politik gewesen. Aber auch Laval konnte in der neuen Lage keinen Geschmack mehr daran finden, Frankreichs Schicksal unwiderruflich an das deutsche zu binden. Er wich daher vor seiner Abreise nach München einer Antwort auf die deutschen Vorschläge aus. Auch zu der deutscherseits geforderten Kriegserklärung an England und die Vereinigten Staaten fand Vichy sich nicht bereit; es begnügte sich mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu den USA.

Inzwischen hatte in Nordafrika Darlan in gleicher Weise wie Petain in Vichy zwischen den Parteien zu lavieren gesucht. Was die eine Hand den Amerikanern gab, verweigerte die andere: Am 8. November nachmittags übergab er ihnen die Stadt Algier, einen allgemeinen Waffenstillstand für ganz Nordafrika lehnte er jedoch ab, so daß die Kämpfe um Casablanca und Oran ihren Fortgang nahmen.

Die Nachrichten über die Zurückhaltung Vichys und das Schwanken Darlans genügten, den Gedanken Hitlers an ein Zusammengehen mit Frankreich im Keime zu ersticken. Mit innerer Befriedigung registrierte er die Berechtigung seines Mißtrauens und seiner Verachtung für das „degenerierte Franzosentum". Die durch Ciano ausgesprochenen Befürchtungen, daß der nächste alliierte Schlag gegen die französische Mittelmeerküste und gegen Korsika gerichtet sein würde und daß die Regierung von Vichy dabei das gleiche zweifelhafte Spiel wie in Nordafrika treiben würde, bestärkten Hitler in seiner Auffassung. Er entschloß sich, nunmehr über Vichy und den Buchstaben des durch die Ereignisse überholten Waffenstillstandsvertrages hinwegzugehen, Südfrankreich und Korsika gemeinsam mit den Italienern am 11. November zu besetzen und einen Brückenkopf in Tunesien aufzubauen, dessen operative Bedeutung als einer der beiden Pfeiler der Straße von Sizilien und als Rückendeckung für das italienische Libyen ohne weiteres erkenntlich war. Bereits in der Nacht vom 8. /9. November verschaffte sich das OKW durch ein kurzfristiges Ultimatum die formelle Zustimmung Vichys zur Über-führung deutscher Truppen nach Tunesien.

Die am 10. November aus Nordafrika einlaufenden Nachrichten schienen die Beurteilung Hitlers zu bestätigen. Am Vormittag dieses Tages hatte Darlan, gedrängt von Juin und anderen Generalen, dem Druck der Amerikaner, die sich ein längeres Schaukelspiel nicht gefallen lassen wollten, nachgegeben und in den Waffenstillstand für ganz Nordafrika eingewilligt. Die Meldung hierüber war das erste, was Ribbentrop dem am 10. November in München eingetroffenen Laval vorwurfsvoll unterbreitete. Die Verhandlungen Hitlers mit Laval waren im Hinblick auf die im Gange befindlichen Vorbereitungen für den Einmarsch in das unbesetzte Gebiet, von denen Laval noch nichts wußte, ohne jede praktische Bedeutung. Von dem Bündnisangebot war keine Rede mehr. Hitler interessierte sich nur für die deutsche Besetzung Tunesiens, für deren Durchführung er Erleichterungen durch die französischen Behörden forderte. Der Versuch Lavals, dabei eine Garantie für Tunesien gegen die italienischen Ansprüche herauszuschlagen, wurde kurz abgewiesen. Laval resignierte schließlich gegenüber deutschen Maßnahmen, die er doch nicht verhindern konnte. Als besondere Überraschung wurde ihm am 11. November morgens vor seinem Rückflug nach Vichy eröffnet, daß seit den Morgenstunden deutsche und italienische Truppen in das bisher unbesetzte Frankreich einrückten.

Es konnte nicht wundernehmen, daß Laval bei seinem Eintreffen in Vichy am 11. November mittags dort eine höchst verworrene Lage vor-fand. Der von Darlan in Nordafrika abgeschlossene Waffenstillstand hatte Petain vor einen schweren Entschluß gestellt. Er mußte sich entscheiden, ob er ohne Rücksicht auf deutsche Repressalien jetzt die Karte der Alliierten spielen und sich vielleicht selbst nach Algier begeben oder ob er seine bisherige Politik, Frankreich aus aktiver Teilnahme am Kriegsgeschehen herauszuhalten, trotz allem fortsetzen sollte. Der von ihm nach Vichy gerufene Weygand und manche seiner Getreuen drängten ihn, den Absprung auf die Seite der nun erkennbaren künftigen Sieger zu wagen, überwanden aber seine zögernden Bedenken schließlich nicht. Er wollte seinen Weg nach dem Gesetz, nach dem er 1940 angetreten war, weitergehen; das Ausharren an der Seite des französischen Volkes im Mutterland erschien ihm auch jetzt noch unveräußerliche Pflicht. Aus dem Widerstreit der Gefühle entsprang nun das Doppelspiel einer Anhänger und Gegner verwirrenden Politik: Nach außen hielt Petain an dem Entschluß, dem Angriff der Alliierten Widerstand zu leisten, fest, desavouierte Darlan und Juin und ernannte den Generalresidenten in Marokko, General Nogues, zum alleinigen Befehlshaber in Nordafrika mit der ausdrücklichen Einschränkung, daß er keine Vollmacht zu Verhandlungen mit den Alliierten habe. Gleichzeitig mit diesen Verlautbarungen, die die Welt mithören konnte, gingen aber mit Hilfe eines vor den Deutschen entgegen den Waffenstillstandsbedingungen geheimgehaltenen Codes andere Funksprüche an Darlan, in denen Petain diesen wissen ließ, daß seine offiziellen Befehle unter deutschem Druck zustande gekommen seien und er den Schritten Darlans voll zustimme: „Je vous confie les intrts de l’Empire!" (Ich vertraue Ihnen das Schicksal des Kolonialreiches an). Darlan bestätigte auf demselben Wege: „J'ai compris et je suis heureux" (Ich habe verstanden und bin froh darüber) Es war die Tragik Petains, daß von diesem Doppelspiel nur ein engster Vertrautenkreis, dabei keineswegs Laval, etwas wußte, vor der öffentlichen Meinung Frankreichs und der Welt Petain also mit dem Vorwurf rückgratlosen Nachgebens vor deutschem Druck belastet blieb.

Der Einmarsch der Achsentruppen in das unbesetzte Frankreich vollzog sich vom 11. November morgens ab ohne nennenswerte Reibungen. Die unter Befehl des Oberbefehlshabers West, Feldmarschall von Rundstedt, stehenden deutschen Truppen besetzten Südfrankreich westlich der Rhone, die Italiener das Gebiet ostwärts dieses Flusses und die Insel Korsika. Petain war am Morgen des 11. November durch ein Schreiben Hitlers von dem bevorstehenden Einmarsch in Kenntnis gesetzt worden. Er beschloß, auf einen aussichtslosen Widerstand zu verzichten, und befahl der französischen Waffenstillstandsarmee, in ihren Kasernen den Einmarsch passiv an sich vorbei-rollen zu lassen. Dagegen zögerte er nicht, gegen das Vorgehen der Achsenmächte, das er als Bruch des Waffenstillstandes bezeichnete, gegenüber dem Feldmarschall v. Rundstedt, der am 11. November vormittags selbst in Vichy erschien und ihm den Einmarsch notifizierte, und durch wiederholte Rundfunk-

Verlautbarungen feierlich zu protestieren. Eine überaus einschneidende Begleiterscheinung der deutschen Besetzung war im übrigen, daß gleichzeitig mit den Wehrmachtstruppen Organe der deutschen Polizei und des SD im unbesetzten Gebiet erschienen und sich dort ohne Hemmung ans Werk machten. Eine ihrer ersten Taten war am 12. November die Verhaftung des Generals Weygand und seine Überführung nach Deutschland. Daß diese Maßnahme allerdings sachlich nicht unberechtigt war, räumt Weygand selbst in seinen Erinnerungen mit den Worten ein: „L’ennemi se vengeait, c'etait son droit" (Der Feind nahm Rache, das war sein Recht)

Bei der Einrichtung des neuen Besatzungsregimes gelang es indes den Bemühungen Petains und Lavals, zwei souveräne Reservate zu bewahren, auf deren militärische Besetzung deutscherseits verzichtet wurde. Dies war einmal der Regierungssitz Vichy, sodann aber und wichtiger Stadt und Kriegshafen Toulon, wo der größte Teil der noch bestehenden französischen Flotte, teils kampffähig, teils abgerüstet, vor Anker lag. Hitler erklärte sich einverstanden, die Flotte in Toulon unbehelligt zu lassen, nachdem die beiden kommandierenden Admirale die ehrenwörtliche Versicherung abgegeben hatten, mit ihren Schiffen Toulon nicht zu verlassen, nichts gegen die Achsenmächte zu unternehmen und den Stützpunkt gegen angelsächsische oder gaullistische Angriffe verteidigen zu wollen.

In Nordafrika waren die Kämpfe zwischen Franzosen und Alliierten zu Ende gegangen. Am 11. November stellte auch General Nogues in Marokko den Widerstand ein. Die dreitägigen Kämpfe hatten die Franzosen rund 2000 Tote und Verwundete und den größten Teil ihrer in Nordafrika liegenden Kriegsschiffe gekostet. Nogues überließ es Darlan, am 13. November die nötigen Vereinbarungen mit den Amerikanern zu treffen. Danach nahm Darlan „im Namen des Marschalls" die Regierungsgewalt über Nordafrika als „Hoher Kommissar Frankreichs“ in seine Hände. Giraud sollte unter ihm den Oberbefehl über alle französischen Streitkräfte führen. Engste Zusammenarbeit mit den Alliierten wurde vereinbart. Auf dem bekannten Geheimweg erhielt Darlan die Zustimmung Petains zu dieser Regelung. Bevor die Verbindung nach der deutschen Besetzung Südfrankreichs völlig ab-riß nahm er von Vichy Abschied mit einem letzten Telegramm: „Adieu! Bonne chance ä tous!" (Adieu! Viel Glück für alle!)

Währenddessen waren bei Tunis seit dem 9. November deutsche Flugzeuge gelandet. Drei Tage später folgten die ersten Truppen auf dem Seewege. Die in Tunesien stehende französische Division zog nach Westen ab, um sich mit den algerischen Truppen zu vereinigen. Der Generalresident in Tunis, Admiral Esteva, fügte sich der Weisung aus Vichy und fand sich zu zurückhaltender, aber korrekter Zusammenarbeit mit der deutschen Besetzung bereit. Der Marinestützpunkt Biserta wurde widerstandslos übergeben. So gelang es den deutschen Kräften, die Anfang Dezember 1942 zur 5. Panzerarmee unter dem Befehl des Generalobersten v. Arnim zusammengefaßt wurden, bis zum Ende des Jahres eine einigermaßen stabile Front ostwärts der tunesisch-algerischen Grenze aufzubauen und die Versuche der gegen sie aufmarschierenden alliierten und französischen Kräfte, den Rest Französisch-Nordafrikas im Handstreich in ihre Gewalt zu bringen, zu vereiteln.

In Vichy hatte man nun die Früchte der Politik zu ernten, mit der man sich zwangsläufig zwischen sämtliche Stühle gesetzt hatte. Zunächst sah man sich wiederholten und dringlichen deutschen Forderungen gegenüber, nunmehr endlich Farbe zu bekennen und den Krieg an England und Amerika zu erklären. Das wollte aber Laval keineswegs. Er sah seine Aufgabe jetzt darauf reduziert, aus der Existenz Vichys für das französische Volk noch soviel wie möglich herauszuholen. Ein militärisches Zusammengehen mit Deutschland ließ die Entwicklung der Kriegslage kaum mehr verlockend erscheinen. Laval machte daher Auflüchte und führte verfassungsmäßige Bedenken gegen die Kriegserklärung ins Feld. In dem Augenblick, als die Drohungen Ribbentrops an das Bestehen des Vichy-Regimes überhaupt rührten, kam indes Hitler zu Hilfe. Er hatte die mit Leidenschaft fortgesetzten Bemühungen des Botschafters Abetz, Frankreich doch noch an die Seite Deutschlands zu ziehen, mit Mißvergnügen beobachtet. Am 19. November 1942 machte er damit Schluß, verbot der Botschaft, weiterhin in dieser Richtung tätig zu sein, und rief Abetz aus Paris zurück Diese Kaltstellung sollte ein volles Jahr dauern; mit ihr suchte Hitler einen Sündenbock zu treffen für den in seinen Augen sinnlosen Plan der Collaboration, deren Scheitern allerdings weniger in der vielleicht wirklichkeitsfernen Zielsetzung von Abetz als in dem völligen Unverständnis Hitlers für die unabweisbaren politischen Voraussetzungen begründet war.

Hitler hatte also Vichy endgültig abgeschrieben und war entschlossen, mit den letzten Reservaten des Waffenstillstandsstatuts Schluß zu machen: Die ohnehin in Lethargie liegende französische Waffenstillstandsarmee und die Flotte in Toulon sollten verschwinden, die Kriegsschiffe — wenn möglich — in deutsche Hand gebracht werden. Am 27. November 1942 kam es zu dieser doppelten Aktion. Der erste Teil, die Entwaffnung und Auflösung der Armee wurde ohne Widerstand durchgeführt: die Truppen wurden in ihren Kasernen überrascht, Waffen und Ausrüstung als gute Beute weggenommen, Offiziere und Mannschaften ins Zivilleben entlassen.

Nicht so einfach lagen die Dinge bei der Flotte. Hier galt es zunächst, eine gegenseitige Verpflichtung zu umgehen: dem Ehrenwort der französischen Admirale stand die Garantie-erklärung Hitlers gegenüber. Dieser half sich damit, Petain gegenüber die unbeweisbare Behauptung zu erheben, daß die Admirale das Auslaufen der Schiffe zu den Alliierten geplant und damit ihr Ehrenwort gebrochen hätten Deutsche Truppen brachen am Morgen des 27. November in Toulon ein und nahmen die Landeinrichtungen des Kriegshafens in Besitz. Auf die Schiffe gelangten sie aber nicht: Admiral Comte de Laborde hatte rechtzeitig den Befehl zur Selbstversenkung gegeben. 3 Schlachtschiffe, 7 Kreuzer, 1 Flugzeugtransportschiff, 25 Zerstörer und 25 Unterseeboote mit einem Gesamtschiffsraum von 225 000 to lagen auf dem Grund des Hafens. Der tief verbitterte de Laborde, ein vollendeter Edelmann, weigerte sich, das Wrack seines Flaggschiffes zu verlassen, bis schließlich ein von deutscher Seite herbeigeführter Befehl Petains ihn herunterholte. Die französischen Admirale haben, und von ihrem Standpunkt nicht zu Unrecht, gegen die deutsche Wehrmacht den bitteren Vorwurf des hinterhältigen Wortbruchs erhoben. Tatsächlich konnte ihnen keine Verletzung ihrer ehrenwörtlichen Verpflichtung vorgeworfen werden. Wenn man allerdings das heute bekannte Doppelspiel zwischen Petain und Darlan in den Tagen ihres Scheinkampfes um Nordafrika in Rechnung stellt, so mag das Mißtrauen Hitlers, daß die Flotte aus Toulon trotz aller Versprechen eines Tages doch zu den Feinden übergehen könnte, nicht ganz unbegründet erscheinen.

Der 27. November 1942 begrub die letzten Reste der Souveränität von Vichy. Mochte auch von deutscher Seite im bisher unbesetzten Gebiet eine etwas gelockerte Handhabung des Besatzungsregimes im Vergleich zur alt-besetzten Zone zugestanden werden, um die formalrechtliche Weitergeltung des Waffenstillstandsvertrages zu dokumentieren, im Grunde war ganz Frankreich jetzt ein besetztes, auf Gnade und Ungnade dem Sieger ausgeliefertes Land. Das zeigte sich auch in seiner internationalen Wertung. Die mit den Achsenmächten im Kriege befindlichen und fast alle neutralen Staaten zogen ihre Missionen aus Vichy zurück, wo außer den Verbündeten der Achse nur der Vatikan und die Schweiz noch vertreten blieben.

Auch im Kolonialreich vollendete sich das Schicksal der französischen Regierung: Westafrika unterstellte sich am 23. November 1942 Darlan, Französisch-Somaliland ging Ende Dezember zu den Alliierten über. Als letzter Splitter des Empire wahrten die französischen Antillen bis zum Juli 1943 mit stillschweigender Duldung der Vereinigten Staaten noch den nominellen Zusammenhang mit Vichy, dann fanden auch sie den Weg in das angelsächsische Lager.

IV. Das Ende in Frankreich — Dezember 1942 bis August 1944

1. Totales Besatzungsregime

Mit der totalen Besetzung Frankreichs im November 1942 war die Grundlage des Waffenstillstandes von 1940 aufgehoben. Wenn deutscherseits trotzdem die Fiktion eines Weiter-bestehens des Waffenstillstandes und einer „souveränen" französischen Regierung aufrechterhalten wurde, so waren dafür im wesentlichen zwei Gründe maßgebend: Für die Wirkung nach außen auf die feindliche und neutrale Welt schien es erwünscht, daß im französischen Mutterland auch nach dem Verlust des Kolonialreichs eine eigenständige Regierung die bisherigen Beziehungen zu Deutschland aufrechterhielt. Im Innern aber bot eine solche, mehr oder weniger willfährige Regierung für die Verwaltung und die wirtschaftliche Ausnutzung des Landes erhebliche Vorteile gegenüber der anderen Lösung, das Land durch unmittelbare deutsche Zwangsmaßnahmen zu verwalten. Man hielt daher in der Theorie an dem Prinzip der sogenannten „freien Zone" fest, die als „Heeresgebiet Südfrankreich" bezeichnet wurde und in der keine Militärverwaltung eingerichtet, sondern deutsche „Verbindungsstäbe" den französischen Verwaltungsbehörden zugeteilt wurden. In der Praxis ergab sich allerdings kein großer Unterschied in der Behandlung beider Zonen, um so weniger, als die vom Militärbefehlshaber unabhängige deutsche Polizei und der SD ihre Tätigkeit uneingeschränkt auf die bisher freie Zone ausdehnten. Nur im italienisch besetzten Gebiet ostwärts der Rhone blieben zunächst gewisse Reste französischer Regierungshoheit noch erhalten, da die italienischen Besatzungsbehörden kein Interesse an der Durchführung verschiedener deutscher Maßnahmen, wie z. B.der Judenverfolgung, in ihrem Bereich zeigten. Mit dem Ausscheiden des Königreichs Italien aus dem Kriege im September 1943 war es aber auch damit zu Ende. In der Folge verwischten sich die Unterschiede in der Behandlung der Nord-und Südzone auch auf dem militärischen Sektor immer mehr, da das Anwachsen der französischen Widerstandsbewegung im ganzen Lande, hauptsächlich aber gerade in der Südzone, eine mehr oder minder ausgeprägte Kampfsituation schuf.

Die französische Widerstandsbewegung erfuhr nach dem Verlust Französisch-Afrikas an die Alliierten einen beträchtlichen Aufschwung. Dies fand seinen Ausdruck in dem im Frühjahr 1943 erzielten Zusammenschluß der bisher nebeneinander arbeitenden Organisationen unter dem „Comite National de la Resistance", das nach der Verhaftung seines ersten Leiters durch Georges Bidault gelenkt wurde. Mit dieser Dachorganisation wurde ein Zweckbündnis geschlossen zwischen den kommunistisch ausgerichteten „Franc-tireurs, Travailleurs et Partisans", einer Anzahl nichtkommunistischer Organisationen, die gemeinsam die soge-nannte „Armee secrete" bildeten, und schließlich der „Organisation de Resistance de l'Armee", in der sich nach dem November 1942 entlassene Berufssoldaten der aufgelösten Waffenstillstandsarmee zusammenfanden. Diese heterogene Gemeinschaft, in der die Kommunisten die politisch aktivste Rolle spielten, trug von Anfang an den Keim der Auseinandersetzungen in sich, die das befreite Frankreich nach 1944 erschüttern sollten. Unter der deutschen Besetzung trug der Zusammenschluß aber seine Früchte. Die Kampftruppen der Widerstandsbewegung, die Maquis, vermehrten sich, insbesondere durch flüchtige Jugendliche, die sich der Arbeitsdienstpflicht in Deutschland entziehen wollten. Waffen und Ausrüstung ergänzte auf dem Luftwege der englische Secret Service, der für diesen Zweck eine besonders rührige French Section geschaffen hatte. Im Laufe des Jahres 1943 und im Jahre 1944 bis zur alliierten Invasion bemühte sich dann die Führung der freien französischen Streitkräfte in London mit wechselndem Erfolg, eine einheitliche Steuerung der militärischen Aktionen der Resistance in Frankreich zu erreichen. Aber auch außerhalb der eigentlichen Kampfgruppen gelang es der Widerstandsbewegung, in zunehmendem Umfang ihre Netze in Verwaltung, Wirtschaft und auch in den Ministerien von Vichy zu spannen.

Die Aktivierung der Widerstandsbewegung stellte die deutsche Besatzung vor neue und unangenehme Aufgaben. Attentate und Sabotageakte waren seit dem Sommer 1941 bereits vorgekommen, nach ihrer Zahl waren sie aber doch nur als gelegentliche Nadelstiche empfunden worden. Mit dem Beginn des Jahres 1943 begann sich das zu ändern: Die Anschläge auf die Sicherheit der deutschen Besatzung und auf ihre Verkehrs-und Verbindungsmittel wurden zur ernstlichen Störung und verlangten energische Schutz-und Abwehrmaßnahmen. Die Schwäche der deutschen Polizei-und Sicherheitskräfte wirkte sich hierbei nachteilig aus. Himmler bemühte sich daher, den 1942 beschrittenen Weg weiterzugehen und in vermehrtem Umfange französische Polizeikräfte an der Bekämpfung der Resistance zu beteiligen. Einen entscheidenden Schritt hierzu bildete im Januar 1943 die Aufstellung der französischen „Miliz" aus den Ordnungsgruppen der Frontkämpferlegion unter Führung Joseph Darnands. Die französische Regierung fand sich bereit, diese Kampfgruppen durch Gesetz zu legalisieren und von Amts wegen zur Bekämpfung der Widerstandsbewegung einzusetzen. Die Folgen waren vom Standpunkt der deutschen Besatzung zweischneidig: der erwünschten Verstärkung der Abwehrkräfte stand die Tatsache gegenüber, daß neben dem natürlichen Gegensatz zwischen französischem Volk und Besatzung sich jetzt eine innerfranzösische Bürgerkriegssituation herausbildete, die sich im Rücken der an den Küsten vorbereiteten deutschen Verteidigung höchst unangenehm bemerkbar machte.

Es hätte unter diesen Umständen in deutschem Interesse liegen müssen, die Autorität der Vichy-Regierung im französischen Volk nach Möglichkeit zu stärken, um sich bei Durchführung der deutscherseits in Frankreich erforderlichen Maßnahmen auf militärischem und wirtschaftlichem Gebiet auf diese Regierung und ihre Verwaltung stützen zu können. In Laval stand an der Spitze der Vichy-Regierung ein Mann, der bereit war, diese Rolle zu spielen. Daß Laval damals wirklich noch an einen deutschen Sieg glaubte, wie er das noch am 5. Juni 1943 über den Rundfunk verkündete, mag kaum glaubhaft erscheinen. Ohne Zweifel sah er aber in einem Siege Sowjetrußlands das Ende des alten Europa Diese Überzeugung wies ihn an die Seite Deutschlands, wobei er noch bis zum Beginn des Jahres 1944 davon träumte, eine Vermittlung zwischen den westlichen Alliierten und Deutschland zustande bringen zu können. Frankreich sollte als gleichberechtigter Part-ner in die ersehnte Koalition der westlichen Welt gegen den bolschewistischen Osten eintreten. Bewegt von solchen Plänen fuhr Laval zu den beiden Empfängen, die ihm Hitler im Dezember 1942 und im April 1943 gewährte. Aber hier zeigte sich erneut der alte Gegensatz. Laval ging auf politische Lösungen aus, um für Frankreich und für Europa irgendeinen Ausweg aus der verhärteten Kriegssituation zu finden; Hitler hatte dafür kein Ohr, phantasierte vielmehr vom Endsieg und der Vernichtung der Feinde und forderte, daß Frankreich durch Gestellung von Arbeitskräften und materielle Lieferungen seinen Beitrag dazu leistete. Auf den Ausruf Hitlers, daß er 10 000 Flugzeuge und 20 000 Panzer brauche, bemerkte Laval trocken, daß eine politische Erklärung von 20 Zeilen ebensoviel wert sein würde

Laval hat nach diesen Enttäuschungen wohl den inneren Glauben an den Erfolg seiner Politik verloren, der ja auch durch die zunehmende Verschlechterung der Kriegslage für Deutschland die Grundlage immer weiter entzogen wurde. Er beschränkte sich von nun an darauf, die Härten der Besatzungspolitik für Frankreich zu mildern und die deutschen Ansprüche und Forderungen in einem für das französische Volk noch tragbaren Umfang zu halten. Dafür glaubte er durch geschicktes Lavieren den Bruch mit der Besatzungsmacht und damit das Einsetzen eines deutschen „Gauleiters" verhindern zu müssen. In dieser Zielsetzung traf er sich mit Petain, der sein Ausharren im Amt vor sich selbst damit rechtfertigte, daß er der „Schutzschild", der „ecran protecteur", des französischen Volkes bleiben müsse

Die Aufgabe dieses hinhaltenden Kampfes, den Laval zu führen hatte, war nicht leicht. Die Zugeständnisse und Milderungen, die er den Deutschen abrang, traten nach außen wenig in Erscheinung; aber jedes Nachgeben gegenüber deutschen Forderungen wurde ihm als Fortsetzung der berüchtigten „Collaboration" angekreidet. Der heikelste Punkt war dabei die schon erwähnte Mitwirkung der französischen Polizei und Miliz bei der Bekämpfung der Widerstandsgruppen und bei den von deutscher Seite geforderten Verhaftungsaktionen gegen verdächtige Persönlichkeiten, wobei die Umgebung Petains und die Regierungskreise in Vichy nicht verschont blieben.

Die breite Masse des Volkes wurde besonders berührt und bewegt durch die Verschickung französischer Arbeiter nach Deutschland. Als der Generalbevollmächtigte Sauckel im Februar 1943 erneut 250 000 Arbeiter forderte, konnte sich Laval nicht anders helfen, als auf Grund des Gesetzes vom 4. September 1942 drei junge Jahrgänge zur Arbeitsdienstpflicht aufzurufen. Damit erreichte die Zahl der nach Deutschland gesandten Arbeiter bis zum Frühjahr 1943 insgesamt rund eine halbe Million. Immerhin gelang es Laval aber, hierfür gewisse Vorteile einzuhandeln: Im Zuge der so-genannten Relve wurden etwa 100 000 Kriegs-gefangene nach Frankreich entlassen und weitere 250 000 erhielten in Deutschland den Status freier Arbeiter wie ihre aus Frankreich neu verpflichteten Landsleute. Auch auf politischem Gebiet wurde das Entgegenkommen Lavals deutscherseits in bescheidenem Umfange honoriert, indem im Februar 1943 der Verkehr über die Demarkationslinie weitgehend freigegeben und die Verwaltungshoheit der französischen Regierung über die beiden Nord-departements unbeschadet ihrer formalen Unterstellung unter den Militärbefehlshaber in Belgien voll wiederhergestellt wurde. Der deutschen Seite kosteten diese Geschenke nach der totalen Besetzung Frankreichs nicht viel. Das Problem der Arbeiterverschickungen erwies sich allerdings als Schraube ohne Ende. Im Laufe des Sommers verlangte Sauckel von Laval erneut die Gestellung von rund 700 000 Mann. Diesmal spielte Laval nicht mehr mit. Im August 1943 verweigerte er energisch die Erfüllung weiterer Forderungen. Die Verhandlungen schleppten sich ohne Ergebnis hin, so daß vom Oktober 1943 ab die organisierte Gestellung von Arbeitern nach Deutschland praktisch ein Ende nahm. Daß deutscherseits keine Zwangsmittel zur Überwindung des französischen Widerstandes eingesetzt wurden, war neben den Warnungen des Militär-befehlshabers und des Botschafters Abetz, nicht weitere Arbeitspflichtige in den Maquis zu treiben, in erster Linie dem Reichsminister Speer zu danken, der sich größeren Nutzen davon versprach, die französischen Arbeiter in ihrer heimischen Industrie für deutsche Aufträge arbeiten zu lassen.

Zu den deutschen Maßnahmen, die Laval mehr oder weniger hinnehmen mußte, gehörte auch die nunmehr auf die Südzone ausgedehnte Judenverfolgung. Internierung und Deportation trafen jetzt neben den ausländischen auch die Juden französischer Nationalität.

Daß die Stellung Lavals bei dieser Entwicklung der Lage in der öffentlichen Meinung Frankreichs immer umstrittener wurde, war nicht zu verwundern. Zwangsläufig geriet er in das Kreuzfeuer der konservativen Kreise um Petain und der Gruppen unentwegter Collaborateure, an deren Spitze Doriot, Deat und Luchaire standen. Während die ersten ihm Rückgratlosigkeit gegenüber den deutschen Forderungen vorwarfen, forderten die letzteren, unterstützt und angetrieben von deutschen Parteikreisen, die Beseitigung des Vichy-Regimes und seinen Ersatz durch eine Regierung ihrer Färbung, die bereit wäre, durch Dick und Dünn mit Deutschland zu gehen. Das war angesichts der Entwicklung der Kriegslage im Jahre 1943 ein nicht sehr verlockendes Programm.

Es war die Umgebung Petains, die in dieser Lage noch einmal Aktivität zu entfalten versuchte und den alten Marschall dazu bewog, die Maßnahmen vom 13. Dezember 1940 zu wiederholen, Laval auszuschalten und selbst die Zügel der Regierung wieder in die Hand zu nehmen. Petain ging dabei auf die Mission zurück, die ihm am 10. Juli 1940 von der Nationalversammlung übertragen worden war. Er stellte die Bekanntgabe eines Verfassungsentwurfs in Aussicht, mit dem er glaubte, die Lieblingsgedanken der „nationalen Revolution" in ein kommendes Regime hinüberretten zu können. Die Legitimität der Staatsgewalt sollte gewahrt bleiben. Diese sollte beim Ausfall des Staatschefs nicht auf eine umstrittene Persönlichkeit wie Laval übergehen, sondern an das Parlament, von dem sie ausgegangen war, zurückfallen.

Alles das war für den 12. November 1943 ebenso sorgfältig vorbereitet wie die erste Ausschaltung Lavals im Dezember 1940. Die Lage war aber diesmal sehr viel anders, denn die Deutschen saßen in Vichy Wand an Wand mit der französischen Regierung und verhinderten bereits die erste Rundfunkansprache, mit der Petain seine Aktion einleiten wollte. Der „Staatsstreich" war damit gescheitert. Petain blieb nichts übrig als zu protestieren. Er tat dies in wirkungsvollerer Form als in früheren Fällen, indem er sich für außerstande zur Wahrnehmung seiner Aufgaben als Staatschef erklärte und gewissermaßen in passive Resistenz trat. Die Ereignisse blieben nicht verborgen, ihre Folgen waren wirre Gerüchte und Panikstimmung in Paris — ein willkommener Ansatzpunkt für die Propaganda der Westalliierten und de Gaulles.

Der deutschen Führung erschien es erforderlich, die Ordnung in Vichy wiederherzustellen, worunter sie Aufrechterhaltung des bisherigen Zustandes, also der nominellen Präsidentschaft Petains und der tatsächlichen Regierungsgewalt Lavals, verstand. Für die Lösung dieser Aufgabe entsann Hitler sich des seit Jahresfrist kaltgestellten Botschafters Abetz, der wieder in Amt und Würden eingesetzt wurde und am 4. Dezember 1943 in Vichy ein Schreiben Ribbentrops an Petain zu überreichen hatte. Darin wurde deutscherseits jede Wiedereinsetzung des Parlaments abgelehnt. Die deutsche Wehrmacht allein sei berufen, Frankreich vor Revolution und Bolschewismus zu schützen. Das Reich müsse sich den hierfür nötigen Einfluß sichern, wozu die Vorzensur der gesamten französischen Gesetzgebung, die in gewissem Umfange im Hinblick auf das besetzte Gebiet bereits seit dem Jahre 1940 ausgeübt wurde, erneut in verschärfter Form gefordert wurde. Petain verfiel demgegenüber wieder in die alte Resignation. Nach einigem Hin und Her erklärte er sich bereit, seine Rolle als Staatschef weiterzuspielen und die Gesetzgebung deutscher Kontrolle zu unterwerfen. Am 11. Dezember versicherte er Hitler in einem persönlichen Schreiben, an der Politik der Collaboration unverändert festhalten und Laval, den er noch einige Tage zuvor verächtlich aus seinem Zimmer gewiesen hatte, als Regierungschef voll decken zu wollen Auf Weisung Ribbentrops hatte Abetz neue Forderungen für eine Regierungsumbildung zu stellen, wobei profilierte Vertreter der Collaboration wie Deat, Henriot und Darnand Ministersitze erhielten. Dem deutschen Druck hierbei half der SD durch Verhaftung zahlreicher Persönlichkeiten aus der unmittelbaren Umgebung Petains und aus der französischen Verwaltung wirksam nach

Nach diesem letzten mißglückten Versuch Petains, in der dem endgültigen Umschwung zu-treibenden Lage noch eine eigenständige politische Rolle zu spielen, verfiel das Regime von Vichy im Jahre 1944 in den Zustand zunehmender Agonie, wobei über allem der drohende Schatten der nunmehr unausweichlich herannahenden angelsächsischen Landung lag. Der alte Marschall verlor immer mehr die Fühlung mit den Tagesereignissen, ließ an seinem illusorischen Verfassungsentwurf weiterarbeiten und grübelte über dem Problem, bei der Befreiung Frankreichs durch die Alliierten die Kontinuität der legalen Regierungsgewalt durch irgendeine Verständigung mit den Kreisen des Widerstandes zu sichern. Aber auch Laval fand jetzt zu einer neuen politischen Linie. Noch im Jahre 1943 war er dem Gedanken nicht abgeneigt gewesen, im Falle einer Landung an der Seite der deutschen Wehrmacht den Alliierten Widerstand zu leisten. Deutsch-französische Besprechungen über die Aufstellung gewisser französischer Truppeneinheiten für diesen Zweck waren geführt worden, ohne daß man bei dem deutschen Mißtrauen und der Unlust französischer Militärkreise zu positiven Ergebnissen gekommen wäre. Zu Anfang des Jahres 1944 gab Laval den deutschen Waffen keine Chance mehr. Es kam ihm jetzt darauf an, die Vichy-Regierung und ihre Verwaltung aus den kommenden Kämpfen abwartend herauszuhalten. Im März 1944 versah er Regierungs-und Verwaltungsstellen mit entsprechenden Weisungen. Auch Abetz konnte sich der guten Begründung dieses Entschlusses nicht verschließen und versuchte ihn gegen Ribbentrop zu decken, der im Auftrage Hitlers auch jetzt noch glaubte fordern zu können, daß die Franzosen ihre Haut für den Sieger von 1940 zu Markte tragen sollten, der offensichtlich 1944 kein Sieger mehr war, sondern um seine Existenz kämpfte.

Die Lage, in die das Reich geraten war, kam in der deutschen Haltung gegenüber Frankreich deutlich zum Ausdruck. Jetzt ließen sich durch politische Angebote vielleicht noch blinde Parteigänger wie Doriot und Deat, aber nicht mehr ernsthafte Franzosen verlocken. Das deutsche Interesse verlagerte sich allein auf die Abwehr der bevorstehenden Landung, wobei es den Rücken der Verteidigung im Innern Frankreichs zu sichern galt. Diese Aufgabe bereitete angesichts der immer größeren Ausdehnung der Resistance-Bewegung sehr ernste Sorgen. Jetzt kam es so weit, daß die Kontrolle über das Hinterland und seine Verkehrswege der deutschen Besatzung teilweise entglitt, ja daß sich in landschaftlich schwer zu überwachenden Gebieten wie in den Savoyer Alpen und im sogenannten Zentralmassiv um Clermont-Ferrand fest gegründete Widerstandszentren unter der Herrschaft des Maquis bildeten. Regelrechte militärische Unternehmen unter beträchtlichem Truppeneinsatz wa-ren nötig, um die deutsche Kontrolle wiederherzustellen. Auf beiden Seiten wurde der Kampf dabei mit schonungsloser Erbitterung geführt. Auf die Partisanenüberfälle aus dem Hinterhalt wurde deutscherseits mit ebenso völkerrechtswidrigen Terrormaßnahmen geantwortet, die wiederum ungeeignet waren, die Lage zu beruhigen, sondern diese im Gegenteil nur verschärften.

Im Frühjahr 1944 stand ganz Frankreich in Erwartung kommender entscheidender Ereignisse. Die Nervosität der deutschen Führung und ihr Mißtrauen gegen Vichy führten schließlich dazu, daß Petain mit kräftigem Druck aus Vichy entfernt und von Laval getrennt wurde. Vom 7. Mai 1944 an war der Marschall mit deutscher Eskorte unterwegs, zunächst auf einem einsamen Schloß südwestlich Paris, dann auf einer Rundfahrt durch ost-französische, durch alliierte Luftangriffe betroffene Industriestädte. Auf dieser Fahrt traf ihn am 6. Juni in Lyon die Nachricht der alliierten Landung. Die weiteren Geschehnisse mußte er auf einem Schloß unweit von Vichy abwarten.

Regierungsschef Laval hielt in der vorausgesehenen Lage an seinem Entschluß fest, zwischen den auf französischem Boden kämpfenden Parteien Neutralität zu wahren, das heißt, sich gegenüber den Alliierten keinesfalls mehr zu kompromittieren. Dabei gaben sich Petain und er, jeder in seiner Weise, der wirklichkeitsfernen Illusion hin, in letzter Stunde irgendwie das alte parlamentarische Regime wieder restituieren zu können, um auf diesem Wege sowohl eine Diktatur des ihnen unheimlichen Generals de Gaulle wie die Herrschaft der Kommunisten zu verhindern. Diese Versuche waren im Keim zum Scheitern verurteilt. Für die aus dem Befreiungskomitee entstandene neue „Provisorische Regierung der Französischen Republik" in Algier, in der zu dieser Zeit die so verschiedenen Brüder — Nationalisten und Kommunisten — noch fest zusammen-standen, gab es nicht den Gedanken eines Kopromisses mit den „Verrätern von Vichy“, für die man allein die legale oder illegale Abrechnung bereithielt. So wurden Petain und die Vichy-Regierung, die angesichts der Befreiung des französischen Bodens auch den letzten Konnex mit ihrem Volke verloren, hilflos zwischen den Fronten hin und her getrieben, bis ein Machtspruch Hitlers sie unter dem Druck des alliierten Vormarsches zunächst nach Bei-fort und weiter weg von französischem Boden nach Sigmaringen zurückführte. Dort hatten sie den deutschen Zusammenbruch und ihr eigenes Schicksal zu erwarten.

2. Collaboration — eine Illusion

Wenn man auf die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen während des Waffenstillstandes im Zweiten Weltkriege zurückblickt, so kann von einem echten politischen Verhältnis zwischen beiden Staaten nur für die Zeit vom Juni 1940 bis zum November 1942 gesprochen werden. Bis zum Verlust Französisch-Nordafrikas und bis zur deutschen Besetzung Südfrankreichs nahm Frankreich unter den von Deutschland besiegten und besetzten Ländern Europas eine Sonderstellung ein. Es war nicht nur Objekt einer Besatzungspolitik, sondern infolge des Bestehens einer völkerrechtlich souveränen Regierung mit einem unbesetzten Territorium im Mutterland und dem vom Kriege noch kaum berührten Kolonialreich ein politischer Faktor, der auch von deutscher Seite eine Einordnung in die gesamte Kriegspolitik verlangte. Mit dem November 1942 war es damit zu Ende, was folgte, war reine Besatzungspolitik wie in vielen anderen Ländern.

Der selbst Hitler überraschende totale Sieg über die französische Armee im Mai und Juni 1940 und die Kapitulation Frankreichs im Waffenstillstand hätte den Gedanken nahegelegt, den militärischen Erfolg auch auf dem politischen Felde auszunutzen. Als dann mit den englischen Schüssen auf die französischen Kriegsschiffe in Mers-el-Kebir das Bündnis zwischen Frankreich und England endgültig zerbrach, schien die Stunde für eine wirkliche Neuordnung des deutsch-französischen Verhältnisses gekommen. Daß Hitler damals diese vom Schicksal gebotene Chance nicht einmal auszunutzen versucht hat, wirft ein bezeichnendes Licht auf den Charakter der deutschen Waffenstillstandspolitik, die in den nächsten Jahren folgte. Diese Politik ist oft als Politik der Zusammenarbeit, der „Collaboration", hingestellt worden, ihr Scheitern ist oft beklagt, die Gründe dafür sind je nach dem Standpunkt des Beurteilers in den verschiedensten Richtungen gesucht worden.

Hierzu muß aber zunächst festgestellt werden, daß es auf der deutschen eine Seite Politik der Collaboration wohl in den Köpfen des Botschafters Abetz und einiger Wehrmacht-stellen, aber keineswegs in den Planungen des schließlich allein maßgeblichen Diktators wirklich gegeben hat. Dieser hat nur zweimal und sehr vorübergehend an Weg gedacht: diesen in den Tagen von Montoire im Herbst 1940 und während des Konflikts im Nahen Osten im Frühjahr 1941. Das einer Schockwirkung -ent sprungene Bündnisangebot vom 8. November 1942 ist wohl kaum als Ausfluß einer zielklaren Politik zu werten. In allen Fällen ist die Collaboration aber nicht über die ersten vorsichtigen Schritte hinausgekommen; Hitler hat sie jedesmal abgedrosselt. Er hat es in rückschauenden Betrachtungen gegenüber seinem Vertrauten Bormann im Februar 1945 bitter beklagt, daß er sich zeitweise auf diesen Irrweg habe verlocken lassen, Frankreich sei ein hoffnungsloser Fall, und er hätte besser getan, es nach der Niederlage von 1940 innerlich zu revolutionieren und sein Kolonialreich aufzulösen. Sein Mißtrauenskomplex gegenüber den Franzosen saß zu tief, um eine Abkehr von vorgefaßten Meinungen zuzulassen, und Ribbentrops Beifall hat ihn darin nur bestärkt. Die Illusionen, die er in der Beurteilung Frankreichs aus seinem festen Vorurteil zurückwies, hat er gegenüber England in seltsamer Haßliebe ganz unrealistisch gepflegt; sein Traum war bis weit in den Krieg hinein der Kompromiß mit den Briten, der auf Kosten Frankreichs und seines Kolonialreiches geschlossen werden sollte. Dazu kam, daß das Bündnis mit Italien jede ehrliche Verständigung mit Frankreich versperren mußte, solange Mussolini an seinen machtpolitischen und territorialen Forderungen gegenüber Frankreich festhielt. Hitler glaubte, ihn hierin unterstützen zu müssen, war doch der „Sieg" über Frankreich der einzige Erfolg, den Mussolini in diesem Kriege hatte buchen können.

Wenn man demgegenüber die Haltung der französischen Regierung in Vichy betrachtet, so mag das Mißtrauen Hitlers zum Teil gerechtfertigt erscheinen. Es hat im Frankreich des Waffenstillstandes wohl politische Kreise gegeben, die das Heil in einem entschlossenen Umschwenken in das deutsche Lager sahen zumal solange ein deutscher Sieg wahrscheinlich schien. Der Grundzug französischer Politik war aber doch der „attentisme", der den einzigen Gewinn der Niederlage von 1940, schnell und mit geringen Blutopfern aus dem Kampfe herausgekommen zu sein, nicht leichtfertig wollte, opfern solange der Kriegsausgang noch irgendwie zweifelhaft war. Die Politik der französischen Regierung in den Jahren 1940 bis 1942 spiegelt diese Linie opportunistischen Abwartens treulich wider: Immer dann, wenn Aussichten des sich die Sieges Deutschland zu-zuneigen schienen, war man in Vichy aufgeschlossener für den Gedanken der Collaboration, um sich sofort wieder zurückzuziehen, sobald Rückschläge die deutsche Kriegführung beschatteten. Neben solchen realpolitischen Folgerungen standen aber immer noch psychologische Unwägbarkeiten: Einem Volk und einer Armee, die in Jahrhunderten mit der Frontstellung gegen den deutschen Erbfeind gelebt hatten, ließ sich — noch dazu nach der den empfindlichen Nationalstolz verletzenden Niederlage — schwer von heute auf morgen ein politisches „Kehrt“ kommandieren.

Ob es trotz alledem möglich gewesen wäre, bei einer ehrlichen deutschen Politik noch im Kriege zu einer Collaboration und vielleicht zu einem Bündnis zu gelangen, ist eine Frage, die heute nicht mehr beantwortet werden kann. Die Beweismittel fehlen, da ein ernsthafter deutscher Versuch gar nicht unternommen worden ist. Wenn aber eine solche deutsche Politik überhaupt einige Erfolgsaussichten hätte haben sollen, hätte ihr als Voraussetzung eine klare und zielbewußte Konzeption für die Neuordnung Europas zugrunde liegen müssen. Daß diese auf der Basis einer unbedingten deutschen Vorherrschaft nicht möglich war, sondern einen gerechten Ausgleich der nationalen Interessen finden mußte, ist selbstverständlich. Dabei hätte auch der italienisch-französische Streit seine vernünftige Bereinigung finden müssen. Es ist nicht erstaunlich, daß dieser Weg von deutscher Seite nicht gegangen worden ist, da die notwendige Europa-Konzeption, entgegen allem nebelhaften Gerede darüber, bei Hitler auch nicht in Umrissen vorlag. Ihm ging es nur um einseitig deutsche Machtpolitik, und die Folge war unausbleiblich, daß in allen europäischen Ländern, mochten sie Gegner oder Verbündete sein, Mißtrauen und Unzufriedenheit als willkommener Nährboden für die poli-tische Propaganda der Feindkoalition wuchsen. So mußte es auch in Frankreich kommen.

Es ist hier, wie es überall in diesem Kriege war: Die Erörterung darüber, ob die von dieser oder jener Stelle als richtig erkannte und vorgeschlagene Politik — in diesem Falle die Collaboration mit Frankreich — aussichtsreich war oder nicht, muß ergebnislos bleiben, da auch vernünftigere Entschlüsse und Maßnahmen in Einzelheiten nichts gefruchtet hätten, wenn die diktatorische Gesamtführung der obersten Spitze verblendet und ohne Maß ins Verderben steuerte. Da der zusammenfassende Charakter und der begrenzte Umfang der vorliegenden Arbeit ins einzelne gehende Quellenhinweise im Verlauf der Darstellung verbieten, soll nachstehend eine kurze Übersicht über die wichtigsten Quellen und Buchveröffentlichungen gegeben werden. Die Übersicht ist weit vom Anspruch auf Vollständigkeit entfernt; sie will nur dem für das Thema interessierten Leser einen Anhalt dafür geben, wo er mit einem eingehenderen Studium ansetzen kann.

I. Quellen a) Deutsche Quellen 1. Akten zur Deutschen Auswärtigen Politik 1918— 1945. Aus dem Archiv des Deutschen Auswärtigen Amtes. Serie D: 1937 bis 1945. Frankfurt/Main 1961 ff.

Band IX (18. 3. -22. 6. 1940).

Band X (23. 6. — 31. 8. 1940).

Band XI/1 u. 2 (1. 9. 1940— 31. 1. 1941).

Für die Zeit vom 1. 2. bis 11. 12. 1941 ist vorerst noch die englisch-amerikanische Ausgabe heranzuziehen:

Documents on German Foreign Policy 1918— 1945. London-Washington 1962 ff.

Band XII (1. 2. -22. 6. 1941).

Band XIII (23. 6. — 11. 12. 1941).

Die im Politischen Archiv des Auswärtigen Amtes in Bonn liegenden Akten aus den Jahren 1942— 1945 sind noch nicht veröffentlicht. 2. Kriegstagebuch des Oberkommandos der Wehrmacht (Wehrmachtführungsstab)

1940— 1945. Im Auftrag des Arbeitskreises für Wehrforschung hrsg. von Percy Ernst Schramm. Frankfurt/Main 1961 bis 1965.

Band I (1940/41).

Band II (1942).

Band III (1943).

Band IV (1944/45).

3. Halder, Franz: Kriegstagebuch. Bearbeitet von Hans-Adolf Jacobsen und Alfred Philippi. Stuttgart 1962/64.

Quellen-und Literaturhinweise Band I (14. 8. 1939— 30. 6. 1940). Band II (1. 7. 1940— 21. 6. 1941). Band III (22. 6. 1941— 24. 9. 1942). 4. Oberkommando der Kriegsmarine (Seekriegsleitung). Aktenstück: Besprechungen beim Führer 1939— 1945. Im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, München, Mikrofilm MA-10/I—IV. 5. Oberkommando der Kriegsmarine (Kriegs-wissenschaftliche Abteilung). Forschungsbericht „Die Bemühungen der Seekriegs-leitung um ein deutsch-französisches Zusammengehen gegen England und um die Behauptung des französischen Kolonial-reiches in Afrika vom 3. 7. 1940— 27. 11.

1942". Verfasser: Vizeadmiral Assmann.

Vermutlich 1944 entstanden. Im Bundes-archiv in Koblenz, Militärarchiv, Sign, K 10 — 2/no. 80— 82. 6. Akten der Deutschen Waffenstillstands-kommission: ChefSachen 1940— 1943. Im Archiv des Instituts für Zeitgeschichte, Mikrofilme MA-34 und MA-168. 7. Deutsche Verbindungsdelegation bei der Italienischen Waffenstillstandskonunis-

sion: Tätigkeitsbericht des Leiters der Delegation, General v. Senger und Etterlin, vom 22. 6. 1942 „Der Waffenstillstand (Rückschau vom Gesichtspunkt der Verbindung von DWStK zur IWStK in Turin).“ Im Archiv des Instituts für Zeit-geschichte. 8. Abetz, Otto: Petain et les Allemands. Memorandum sur les Rapports franco-allemands du 1er juillet 1943. Paris 1948 (Französische Übersetzung). 9. Abetz, Otto: D'une prison. Precede du proces Abetz vu par Jean Bernard-

Derosne. Paris 1949. 10. Schließlich sei hingewiesen auf das Doku-

mentenmaterial der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse, in erster Linie des Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher 1945— 1946 und des sogenannten „Wilhelmstraßen-Prozesses" 1947— 1949. b) Französische Quellen 1 Les Evenements survenus en France de 1933 ä 1945. Rapport de la Commission d'Enquete parlementaire. Paris 1947— 1951.

2 Bände Bericht und 9 Bände Zeugenaussagen und Dokumente. 2. Dommages subis par la France et l'Union Fran ; aise du lait de la guerre et de l'oc-

cupation ennemie (1939— 1945). Par li Commission consultative des dommages et des reparations ä la Presidence du Conseil.

Part imputable ä l’Allemagne. Paris 1950.

9 Bände. 3. La Delegation Frangaise aupres de la Commission Allemande d'armistice. Recueil de documents publie par le Gouvernement Franais. Paris 1947—-1959.

Band I (29. 6. -29. 9. 1940).

Band II (30. 9. -23. 11. 1940).

Band III (24. 11. 1940— 19. 1. 1941).

Band IV (19. 1. — 21. 7. 1941).

Band V (21. 7. — 21. 12. 1941). 4. Le Proces du Marechal Petain. Compte rendu stenographique. Paris 1945. 2 Bände. 5. Nogueres, Louis: Le veritable Proces du Marechal Petain. Paris 1955. 6. Aujol, Jean-Louis: Le Proces Benoist-

Mechin 1947. Compte rendu stenographique. Paris 1948. 7. Les Proces de Collaboration: Fernand de Brinon, Joseph Darnand, Jean Luchaire.

Compte rendu stenographique. Paris 1948.

II. Historische Darstellungen a) Deutsche Veröffentlichungen 1. Böhme, Hermann: Der deutsch-französische Waffenstillstand im Zweiten Weltkrieg.

Erster Teil: Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940. Band 12 der Quellen und Darstellungen zur Zeitgeschichte. Stuttgart 1966. 2. Geschke, Günter: Die deutsche Frankreich-politik 1940 von Compiegne bis Montoire.

Frankfurt/Main 1960. 3. Ende 1966 wird in der Schriftenreihe des Instituts für Zeitgeschichte erscheinen:

Jäckel, Eberhard: Frankreich in Hitlers Europa. 1944— 1945. b) Französische Veröffentlichungen 1. Aron, Robert: Histoire de Vichy 1940— 1944. Paris 1954. 2. Benoist-Mechin, Jacques: Soixante jours qui ebranlerent l'Occident. Paris 1956.

3 Bände. (Behandelt die Zeit vom 10. 5. bis 10. 7. 1940.)

Eine gekürzte deutsche Übersetzung ist unter dem Titel „Der Himmel stürzt ein, Frankreichs Tragödie 1940“ 1958 in Düsseldorf erschienen. 3. Kammerer, Albert: La verite sur Tarmi-

stice. Paris 1945 2. 5. Auphan, Amiral, et Mordal, Jacques: La Marine franqaise pendant la seconde guerre mondiale. Paris 1958.

Eine deutsche Übersetzung ist erschienen unter dem Titel: Unter der Trikolore.

Kampf der französischen Marine im Zweiten Weltkrieg. Oldenburg 1964. 6. Kammerer, Albert: Du debarquement afri-

cain au meurtre de Darlan. Paris 1949. 7. Mallet, Alfred: Pierre Laval. Paris 1955.

2 Bände. c) Amerikanische Veröffentlichungen 1. Hytier, Adrienne Doris: Two years of French Foreign Policy, Vichy 1940— 1942.

Genf und Paris 1958. 2. Farmer, Paul: Vichy — Political Dilemma.

New York 1955. 3. Langer, William L.: Our Vichy gamble.

New York 1947. d) Italienische Veröffentlichungen 1. Faldella, Emilio: LTtalia eia seconda guerra mondiale. Bologna 19602. 2. Puppo, Franca Avantaggiato: Gli armistizi francesi del 1940. Mailand 1963.

III. Memoiren a) Deutsche Memoiren Abetz, Otto: Das offene Problem. Ein Rückblick auf zwei Jahrzehnte deutscher Frankreichpolitik. Köln 1951. b) Französische Memoiren 1. Baudouin, Paul: Neuf mois au Gouvernement (avril—decembre 1940). Paris 1948. 2. Bouthillier, Yves: Le drame de Vichy. Paris 1950/1951. 2 Bände. 3. De Brinon, Fernand: Memoires. Paris 1949. 4. Charles-Roux, Francois: Cinq mois tragi-

ques aux Astaires Etrangeres (21. 5. — 1. 11.

1940). Paris 1949. 5, Darlan, Alain: L'amiral Darlan parle. Paris 1953. 6. De Gaulle, Charles: Memoires de Guerre.

Paris 1954— 1959.

Band I (1940— 1942). Band II (1942— 1944). Band III (1944— 1946).

Deutsche Übersetzung ohne Dokumenten-anhang: Band I: Der Ruf (Frankfurt/Main 1955).

Band II: Die Einheit.

Band III: Das Heil (beide Düsseldorf 1961). 7. Laval parle: Notes et Memoires rediges d Fresnes d'aoüt ä octobre 1945. Hrsg, von Josee Laval de Chambrun. Paris 1948. 8. Weygand, Maxime: Memoires.

Band III Rappele au Service. Paris 1950. c) Englische Memoiren Churchill, Winston S.: Der Zweite Weltkrieg. Hamburg und Stuttgart 1950— 1954.

Band II: Englands größte Stunde (1940).

Band III: Die große Allianz (1941).

Band IV: Schicksalswende (1942).

Band V: Der Ring schließt sich (1943).

Band VI: Triumph und Tragödie (1944/1945).

Fussnoten

Fußnoten

  1. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 509 f.

  2. Abetz, Das offene Problem, S. 239. Zur Beurteilung Girauds durch Hitler ferner: Henry Picker, Hitlers Tischgespräche im Führerhauptquartier 1941— 1942, hrsg. von Percy Ernst Schramm, Stuttgart 1963, S. 295 f.; Goebbels Tagebücher aus den Jahren 1942— 1943, hrsg. von Louis P. Lochner, Zürich 1948, S. 175 f.

  3. Abetz, Das offene Problem, S. 244.

  4. Schreiben Lavals vom 12. Mai 1942 an den Reichsaußenminister, in: Petain et les Allemands, Memorandum d'Abetz, S. 158 f.

  5. Antwortschreiben Ribbentrops vom 26. Mai 1942, in: Petain et les Allemands, Memorandum d'Abetz, S. 162 ff. (französische Übersetzung).

  6. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 523 ff.

  7. Wortlaut der angeblichen Botschaft Petains vom 21. August 1942 an Hitler, in: Petain et les Allemands, Memorandum d'Abetz, S. 182. Zur Frage der Echtheit der Botschaft siehe: Louis Nogueres, Le veritable Proces du Marechal Petain, Paris 1955, S. 555 ff.

  8. Zu diesem Urteil kommen neben anderen Abetz, Das offene Problem. S. 251 f.; Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 545 f.; Albert Kammerer, Du dbarquement americain au meurtre de Darlan, Paris 1949, S. 215 ff. Ihre Ansicht bestätigt Alain Darlan, L'amiral Darlan parle, Paris 1953, S. 158.

  9. Rückschauend ist mehrfach die Meinung vertreten worden, daß der deutsche Nachrichtendienst (Abwehr) die Landung in Nordafrika seit längerer Zeit vorhergesagt habe, daß aber die oberste Wehrmachtführung diese Abwehrmeldungen nicht ernst genommen und unbeachtet gelassen habe. Das trifft nach den Erfahrungen des Verfassers nicht zu, dem in seiner damaligen Stellung alle Abwehrmeldungen, die alliierte Absichten auf französische Gebiete betrafen, zur Kenntnis kamen. Diese Meldungen sprachen von Landungsabsichten in Norwegen, an der Küste des französischen Mutterlandes, in Nordafrika und Dakar, ohne daß daraus räumlich und zeitlich konkrete Pläne ersichtlich wurden. Vermutlich entstammte die Vielfalt der Meldungen gezielten Täuschungsmaßnahmen der alliierten Führung (siehe auch: Karl Heinz Abshagen, Canaris, Patriot und Weltbürger, Stuttgart 1950, S. 325 f.).

  10. Wortlaut der Botschaft Hitlers vom 8. November 1942 bei: Abetz, Das offene Problem, S. 246.

  11. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 560; Nogures, Le veritable Proces du Marechal Petain, S. 448 ff. (Aufzeichnungen des Leibarztes Petains, Dr. Mntrel).

  12. Weygand, Rappele au Service, S. 552.

  13. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 571.

  14. Abetz, Das offene Problem, S. 258 f.

  15. Schreiben Hitlers vom 26. November 1942 an Petain, in: Albert Kammerer, La Passion de la Flotte francaise, Paris 1951, S. 552 ff. (französische Übersetzung).

  16. Rundfunkrede Lavals vom 5. Juni 1943, siehe: Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 629 f.

  17. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 628.

  18. Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 609.

  19. Zum Brief Petains vom 11. November 1943 an Hitler siehe: Robert Aron, Histoire de Vichy, S. 648 f.

  20. Darstellung von Abelz über seine Einflußnahme in Vichy, in: Das offene Problem, S. 267 tf.

Weitere Inhalte

Hermann Böhme, Generalleutnant a. D., geboren 1896 in Freiberg (Sachsen). Humanistisches Gymnasium in Dresden. 1914 eingetreten im Dresdener Infanterie-Regiment 177; im Ersten Weltkrieg Leutnant. 1919 in die Reichs-wehr übernommen. In den zwanziger Jahren Truppendienst und Führergehilfen-(GeneraIstabs-) Ausbildung. 1931— 1934 als General-stabsoffizier in der Wehrmachtabteilung, dann Abteilung Landesverteidigung des Reichswehrministeriums (Referent für Verfassungsfragen und Verbindung mit zivilen Ministerien). 1936 bis zum Beginn des Krieges 1939 im Truppen-generalstab. 1939 nach dem Polenfeldzug Versetzung in die Abteilung Landesverteidigung des OKW, dort Leiter der Gruppe L IV (militärpolitische und Verwaltungsangelegenheiten). Nach Abschluß des Waffenstillstandes mit Frankreich Juni 1940 bis März 1943 Chef des Stabes der Deutschen Waffenstillstands-kommission in Wiesbaden, dann Regiments-und Divisionskommandeur an der Ostfront. Nach Rückkehr aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft Ende 1955 Beschäftigung mit geschichtlichen Fragen. Vom Institut für Zeit-geschichte, München, beauftragt mit Bearbeitung der Geschichte des deutsch-französischen Waffenstillstandes im Zweiten Weltkrieg. Im Mai 1966 ist der erste Teil dieser Arbeit unter dem Titel „Entstehung und Grundlagen des Waffenstillstandes von 1940" als Band 12 der Reihe „Quellen und Darstellungen zur Zeit-geschichte" in Stuttgart erschienen.