Mehr als zwanzig Jahre nach Kriegsende sind die Barrieren des Hasses, der Bitterkeit und der Furcht, die zwischen dem deutschen und dem französischen Volk aufgerichtet worden sind, gefallen und haben dem Geist der Versöhnung Platz gemacht. Wir haben Grund zu der Annahme, daß diese Versöhnung endgültig ist, ungeachtet mancher — vermeidbarer oder unvermeidbarer — Reibungen und mancher Gegensätzlichkeiten der Interessen. Wenn wir an dieser Stelle die Untersuchung eines Beauftragten des Instituts für Zeitgeschichte über einen Zeitabschnitt, in dem die Beziehungen beider Völker auf einem Tiefstand waren, veröffentlichen, so tun wir das nicht, um die unselige Vergangenheit wieder heraufzubeschwören, sondern nur, um einen Beitrag zur Erforschung der historischen Wahrheit zu leisten.
I. Vom Waffenstillstand bis zum Sturz Lavals — Juni bis Dezember 1940
1. Der Waffenstillstand
Am 10. Mai 1940 hatte die deutsche Offensive an der Westfront begonnen; die deutsche Wehrmacht hatte die niederländische, belgische und luxemburgische Grenze überschritten. Das operative Ziel des deutschen Angriffs, mit dem linken Flügel der Angriffsfront durch die Ardennen und über die mittlere Maas tief nach Westen vorzustoßen, wurde in überraschender Weise erreicht. Bereits am 20. Mai gelangten deutsche Panzer an die Küste des Ärmelkanals bei Abbeville; die Front der Gegner war damit aufgespalten, die in Belgien und Nordfrankreich stehenden alliierten Kräfte waren von dem Hauptteil des französischen Heeres in Frankreich abgeschnitten. Der am 20. Mai neu zum Obersten Befehlshaber der französischen Streitkräfte berufene General Weygand hoffte, durch Angriffe von Norden und von Süden die Verbindung zwischen den getrennten Heeresteilen wiederherzustellen. Am 23. und 24. Mai scheiterte dieser Versuch. General Weygand gab sich jetzt klare Rechenschaft darüber, daß die ihm verbleibende Verteidigungsstellung an Aisne und Somme die letzte Möglichkeit bot, die Niederlage der Alliierten in Frankreich noch aufzuhalten. Wurde sie durchbrochen, so war bei dem Mangel an operativen Reserven der Zusammenbruch unvermeidlich. Am 10 Juni 1940, als die französische Regierung Paris verließ und auf den Schlössern der
Touraine Zwischenquartiere bezog, war es soweit. Weygand zog die Konsequenz und verlangte auf dem interalliierten Kriegsrat am 11. Juni in Briare in Gegenwart Chruchills die Einstellung des aussichtslos gewordenen Kampfes.
In den folgenden Tagen, in denen der deutsche Vormarsch unaufhaltsam über die untere Seine und die Marne nach Süden weiterrollte, spielte sich innerhalb der französischen Regierung ein hartes Ringen um die zu fassenden Entschlüsse ab. Zwei Auffassungen standen sich gegenüber. Beide stimmten darin überein, daß der hoffnungslose Kampf in Frankreich eingestellt werden mußte. Der Ministerpräsident Reynaud wollte dies durch eine Kapitulation des militärischen Oberbefehlshabers nach dem Vorbild der norwegischen, niederländischen und belgischen Armeen erreichen. Die politische Führung wollte er durch diese Waffenniederlage nicht gebunden wissen; die Regierung sollte das Mutterland verlassen und vom französischen Kolonialreich aus an der Seite Englands den Kampf fortsetzen. Weygand und der Marschall Petain, der ihm als stellvertretender Regierungschef mit dem ganzen Gewicht seiner Persönlichkeit zur Seite trat, versprachen sich von einer solchen Fortführung des Krieges keine Vorteile. Petain lehnte es ab, das Mutterland ohne Schutz durch eine französische Regierung der Willkür des Siegers zu überlassen. Eine erfolgreiche Verteidigung Französisch-Nordafrikas gegen die Streitkräfte der Achsenmächte hielten die militärischen Führer im Gegensatz zur politischen Führung für unmöglich; sie glaubten mit einem baldigen Angriff, sei es von Italien aus gegen Tunesien, sei es durch Spanien über die Straße von Gibraltar, rechnen zu müssen. Von der Hilfe Englands versprach man sich nichts, glaubte vielmehr, daß dieses bald genötigt sein würde, wie Frankreich die Waffen zu strecken. Wie sollte es auch auf die Dauer einem Gegner Widerstand leisten können, der die große französische Armee in einigen Wochen zerschlagen hatte?
Die Auseinandersetzung beider Parteien endete am 16. Juni mit dem Sieg der Anhänger des Waffenstillstandes, nachdem die Regierung am 14. Juni nach Bordeaux übergesiedelt war. Daran vermochten auch die von England gemachten Versuche, die französische Regierung und das Kolonialreich im Kampf zu halten, wie das verblüffende Angebot einer staatsrechtlichen Union zwischen Frankreich und England, nichts zu ändern. Am 16. Juni abends trat das Kabinett Reynaud zurück. Die neue Regierung wurde innerhalb weniger Stunden vom Marschall Petain gebildet.
Die erste Handlung der Regierung Petain war, noch in der gleichen Nacht durch Vermittlung Spaniens die deutsche Regierung um Mitteilung ihrer Waffenstillstands-und Friedensbedingungen zu bitten. Eine gleiche Anfrage wurde über den Vatikan an Italien gerichtet.
Im deutschen Führerhauptquartier, das sich seit dem 6. Juni in Bruly-le-Peche in Südbelgien befand, hatte man diese Entwicklung kommen sehen. Hitler stand vor der Frage, ob er den Kampf bis zur vollständigen Besetzung des französischen Mutterlandes fortsetzen oder ob er dem französischen Wunsche entgegenkommen und einen annehmbaren Waffenstillstand zugestehen sollte. Er entschied sich ohne Zögern für die zweite Lösung. Ein Krieg gegen die Westmächte hatte 1939 nicht zum Konzept Hitlers gehört, jetzt griff er nach der Möglichkeit, ihn zu Ende zu bringen. Voraussetzung hierfür war die Bereitschaft Englands zur Verständigung, die am ehesten zu erwarten war, wenn Frankreich isoliert wurde. Die Waffenstillstandsbedingungen mußten also so gestaltet werden, daß sie „nicht an der Ehre Frankreichs rührten" und der Regierung Petain goldene Brücken zur Annahme bauten. Insbesondere galt es zu verhindern, daß sich die noch kampffähigen Teile der französischen Wehrmacht, Flotte und Luftwaffe, und mit ihnen das französische Kolonialreich den Engländern anschlossen. Hitler verzichtete also darauf, das ganze französische Mutterland durch deutsche Truppen zu besetzen; die französische Regierung sollte eine freie und äußerlich unabhängige Domäne im Süden ihres Landes behalten. Der Umfang der deutschen Besetzung wurde auf die Notwendigkeiten der weiteren Krieg-führung gegen England abgestellt; sie sollte hierfür den Nordteil des Landes nördlich der ungefähren Linie Genf — Chalon-sur-Saöne — Bourges — Tours und einen Streifen längs der Atlantikküste über Bordeaux bis zur spanischen Grenze bei Hendaye umfassen. Auf das französische Kolonialreich wurden deutscherseits keinerlei Besetzungsansprüche erhoben. Ein heikles Problem war das Schicksal der französischen Flotte. Um ihr jede Versuchung zu nehmen, nach England oder Amerika zu entweichen, nahm Hitler in den Waffenstillstandsvertrag die feierliche Versicherung auf, weder während des Waffenstillstandes noch im künftigen Friedensvertrag irgendwelche Ansprüche auf die französische Flotte zu erheben. Die Kriegsschiffe sollten während des Waffenstillstandes in französischen Häfen unter Kontrolle abgerüstet und stillgelegt werden. Heer und Luftwaffe waren gleichfalls zu demobilisieren, wobei aber für den nicht zu besetzenden Teil des Mutterlandes begrenzte Heeresverbände zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung zugestanden wurden, deren Stärke mit deutlicher Anspielung auf den Vertrag von Versailles auf 100 000 Mann bemessen werden sollte. Zum Schutze des Kolonial-reiches sollten die nötigen Streitkräfte der drei Wehrmachtteile unter Waffen bleiben. Alle für die bewilligten Verbände nicht benötigten Waffen und Kriegsgeräte waren unter deutscher Kontrolle zu lagern. Als „Garantie für die Durchführung des Waffenstillstandsvertra-ges" behielt sich die deutsche Regierung die Forderung auf Auslieferung dieser „stockierten" Bestände vor.
Bei Festlegung dieser ziemlich großzügigen Bedingungen verhehlte Hitler sich nicht, daß sein Bundesgenosse Mussolini aller Voraussicht nach Forderungen an Frankreich bereithalten würde, die das Ziel, Petain zur Niederlegung der Waffen zu bringen, ernstlich gefährden konnten. Um hierin Übereinstimmung zu schaffen, lud er den Duce eilends zu einer Zusammenkunft ein, die am 18. Juni in München stattfand. Mussolini erschien dort mit einer Auffassung und mit Wünschen, die erheblich von denen Hitlers abwichen. Ihm lag nicht so sehr an einer schnellen Beendigung der Feindseligkeiten, die für Italien seit dem Tage seines Kriegseintritts, dem 10. Juni 1940, noch gar nicht begonnen hatten, als an der Durchsetzung seiner politischen Ziele im Mittelmeer, der Herstellung der eindeutigen Überlegenheit Italiens über Frankreich und England in diesem Raum. Hierzu schien es ihm geboten, den Kampf mit England auszutragen und wertvolle Faustpfänder von Frankreich zu fordern. Italienische Besetzung des südöstlichen Frankreichs bis zur Rhone, Korsikas, Tunesiens und der französischen Somaliküste sollte die territorialen Forderungen vorbereiten, die der Duce im Friedensvertrag an Frankreich zu stellen entschlossen war. Die noch intakte französische Flotte sollte an die Achsenmächte ausgeliefert werden.
Hitler stellte dem ziemlich verblüfften Mussolini seine Ansicht entgegen, daß ihm an der Zerschlagung des englischen Weltreiches, dieses „Ordnungsfaktors in der Welt", nichts gelegen sei, daß er vielmehr einen Kompromiß mit England anstrebe, der Deutschland — im Verein mit Italien — die führende Rolle auf dem europäischen Kontinent sichere, die englische Weltstellung in Übersee aber unangetastet lasse. Gegen die italienischen Pläne im Mittelmeer wendete Hitler allerdings nichts ein, wobei er von dem Standpunkt ausging, daß das Mittelmeer rein italienisches Interessengebiet sei, in dem Deutschland keinerlei Ansprüche habe. Der von Italien für den Frieden an Frankreich zu stellenden Forderung auf Abtretung des Gebietes von Nizza, von Korsika, von Tunesien mit Teilen Ostalgeriens und der französischen Somaliküste sagte er in diesem Sinne gleichfalls Unterstützung zu. Andererseits bestand er auf seinem Wunsch, mit Frankreich zu einem Waffenstillstand zu kommen, und redete Mussolini den Gedanken, die Auslieferung der französischen Flotte zu ver-langen, aus. Gegen die beabsichtigte Forderung auf italienische Besetzung erheblicher französischer Gebiete erhob er jedoch keinen Einspruch, obwohl zu diesem Zeitpunkt noch kein italienischer Soldat französischen Boden betreten hatte.
So schieden die beiden Diktatoren am 18. Juni mit höchst unklaren Absprachen voneinander. Dem sehr eindeutig geäußerten Willen Hitlers, alsbald mit Frankreich zum Waffenstillstand und sodann mit England zu einer Verständigung zu kommen, stand die stillschweigende Zustimmung zu italienischen Forderungen gegenüber, die mit beiden Zielen kaum verein-bar waren. Mit der Fortsetzung des Krieges, zumindest gegen England, mußte also gerechnet werden. Das gab aber keineswegs den Anlaß, Gedanken über die gemeinsame Weiterführung des Krieges auszutauschen. Irgendwie würde es schon gut gehen. Generaloberst Keitel versicherte den etwas ungläubig horchenden italienischen Offizieren, in vier Wochen werde auch mit England alles zu Ende sein.
Mussolini fuhr mit dem unguten Gefühl nach Rom zurück, in den kommenden Verhandlungen mit Frankreich neben dem deutschen Sieger eine etwas zweideutige Rolle spielen zu müssen. Um sich noch eine gewisse Legitimation für seine Forderungen zu verschaffen, befahl er gegen den Ratschlag seines General-stabschefs, des Marschalls Badoglio, den Angriff an der Alpenfront für den 21. Juni. Die hierfür nur mangelhaft vorbereiteten italienischen Truppen blieben in den viertägigen Kämpfen bis zum Inkrafttreten des Waffenstillstandes fast überall vor den französischen Grenzbefestigungen liegen.
Die deutsche Regierung hatte inzwischen noch am 18. Juni die französische Regierung wissen lassen, daß sie bereit sei, französische Bevollmächtigte zur Entgegennahme der Waffenstillstandsbedingungen zu empfangen. Die von der Regierung Petain hierfür bestimmte Delegation unter Führung des Generals Huntziger fand sich am 20. Juni abends in der vorderen Linie der deutschen Truppen bei Tours ein und wurde über Paris nach der Lichtung von Rethondes im Walde von Compiegne geleitet. Diesen Schauplatz des Waffenstillstandes, den Carrefour d’Armistice, wo im November 1918 die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem Marschall Foch und dem deutschen Staatssekretär Erzberger geführt worden waren, hatte Hitler zum Ort auch der neuen Verhandlung bestimmt; der Schnellzugwagen, in dem sich die alliierte und die deutsche Delegation 1918 getroffen hatten, war hierzu aus seiner Museumshalle auf die Mitte der Lichtung gerollt worden. Es war Hitlers Wunsch, durch diese Platzwahl und durch eine besondere Zeremonie, die er den eigentlichen Verhandlungen vorausgehen ließ, dem Waffenstillstand von 1940 den Charakter der Vergeltung und Wiedergutmachung für 1918 zu geben. Inmitten seiner ersten Ratgeber, seines Stellvertreters in der Parteiführung Hess, des Reichs-außenministers, des Chefs des Oberkommandos der Wehrmacht und der Oberbefehlshaber der Wehrmachtteile, empfing er im Wagen die französische Delegation und ließ dieser durch den Generaloberst Keitel eine Erklärung, die sogenannte Präambel zum Waffenstillstandsvertrag, vorlesen. Diese bezeichnete nach einem Rückblick auf die Ereignisse von 1918 und der Würdigung des „heroischen Widerstandes der französischen Armee" im gegenwärtigen Kampf als Zweck und Sinn der deutschen Waffenstillstandsbedingungen drei Punkte:
1. Eine Wiederaufnahme des Kampfes durch Frankreich zu verhindern;
Nach dem Verlesen der Präambel verließ Hitler mit seiner Begleitung den Verhandlungsort. Die Führung der Verhandlungen übernahm der Chef des Oberkommandos der Wehrmacht, der dem französischen Delegationsführer zunächst die Waffenstillstandsbedingungen überreichte, deren wesentlicher Inhalt bereits erwähnt wurde. Da der General Huntziger sich als nicht bevollmächtigt erklärte, von sich aus über Annahme oder Ablehnung der Bedingungen zu entscheiden, wurde eine Fernsprechverbindung nach Bordeaux hergestellt, über die die französische Regierung in die Verhandlungen eingeschaltet werden konnte. Dabei erklärte Keitel allerdings eindeutig, daß die deutschen Bedingungen als Ganzes angenommen oder abgelehnt werden müßten, ein Handeln um die einzelnen Bestimmungen könne er nicht zulassen. Weygand hat in seinen Memoiren zu diesem Verfahren bemerkt: „Exacte replique de 1918" (Präzise Antwort auf 1918) 3).
Die französische Regierung hatte ihrer Delegation von vornherein zwei mögliche deutsche Forderungen als unannehmbar bezeichnet: die Auslieferung der französischen Flotte und die Besetzung von Teilen des Kolonialreiches. Sie war in dieser Hinsicht durch die deutschen Bedingungen sichtlich beruhigt. Ihr Urteil lau-* tete: „hart, aber in nichts die französische Ehre verletzend"
Ernste Sorge bereitete der französischen Regierung die Frage nach den Waffenstillstands-bedingungen Italiens, um so mehr, als das Inkrafttreten des deutsch-französischen Vertrages an den vorherigen Abschluß mit den Italienern gebunden war. Die Verhandlungen erreichten einen dramatischen Höhepunkt, als der General Huntziger in feierlicher Form erklärte, daß Frankreich nicht bereit sei, von einem Gegner, der praktisch überhaupt nicht gekämpft habe, entehrende Bedingungen anzunehmen. Er dachte dabei in erster Linie an die Besetzung französischen Gebiets im Mutterland und Nordafrika durch Italien.
Unter dem Vorbehalt des Abschlusses mit Italien wurde am 22. Juni abends der deutsch-französische Vertrag von Keitel und Huntziger unterzeichnet
Die italienisch-französischen Verhandlungen in Rom am 23. und 24. Juni verliefen in der neuen Lage ohne Schwierigkeiten. Der französischen Regierung fiel ein Stein vom Herzen, als sie die gemäßigten Bedingungen Italiens erfuhr. Dazu kam, daß der Marschall Badoglio in Rom bemüht war, die Verhandlungen in betont konzilianter Form zu führen, so daß die französische Delegation den Eindruck gewann, als ob man sich auf italienischer Seite gewissermaßen für die schiefe Situation habe entschuldigen wollen.
Am 24. Juni abends wurde der italienisch-französische Vertrag
2. Besatzungsregime und politische Pläne Hitlers
Mit dem Waffenstillstand in Frankreich war es zum ersten Male in diesem Kriege gelungen, die Regierung eines militärisch geschlagenen Landes zur Anerkennung ihrer Niederlage und zu einer vertragsmäßigen Beendigung der Feindseligkeiten zu veranlassen. In allen vorhergehenden Fällen, in Polen, in Norwegen, den Niederlanden und Belgien hatte der Sieg der Waffen wohl zur militärischen Kapitulation geführt, die Regierungen waren aber rechtzeitig außer Landes gegangen und hatten dort ihren Willen bekundet, den Krieg an der Seite der Verbündeten bis zur Wiederherstellung der Souveränität ihrer Staaten fortzusetzen.
Das Besatzungsregime, das deutscherseits in den eroberten Ländern Westeuropas errichtet wurde, war unter dem Einfluß dieser Verhältnisse und der in die Zukunft weisenden politischen Absichten Hitlers von sehr verschiedener Art.
In den Niederlanden übertrug Hitler nach der Kapitulation der holländischen Streitkräfte bereits am 18. Mai 1940 die Ausübung der Regierungsbefugnisse im zivilen Bereich dem Reichsminister Seyß-Inquart als Reichs-kommissar. Die militärische Befehlsgewalt wurde in die Hände eines Wehrmachtbefehlshabers, des Generals der Flieger Christiansen, gelegt.
In Belgien blieb die Militärverwaltung, die das Oberkommando des Heeres nach der Besetzung des Landes eingerichtet hatte, auch weiterhin bestehen. An ihrer Spitze stand der General der Infanterie v. Falkenhausen als Militärbefehlshaber in Belgien und Nordfrankreich, so genannt, da die beiden nordwestfranzösischen Departements Nord und Pas-de-Calais aus Gründen, über die noch zu sprechen sein wird, zum Bereich der Militärverwaltung Belgien geschlagen wurden.
In dem kleinen Großherzogtum Luxemburg wurde der Weg der offenen Angliederung an das Reich beschritten, den die Großherzogin und die Landesregierung durch ihre Flucht in das Ausland frei gemacht hatten.
Diese drei unterschiedlichen Lösungen zeigten die politischen Pläne Hitlers: In Luxemburg schien ihm keine Zurückhaltung nötig; es wurde de facto annektiert. In den Niederlanden ging er etwas vorsichtiger vor. Obwohl er dieses Land und seine Bevölkerung im Blick auf die Zukunft als Teil des Großdeutschen oder „germanischen“ Reiches ansah, schien es ihm mit Rücksicht auf die Wirkung in der angelsächsischen Welt und auf den holländischen Kolonialbesitz in Südostasien zweckmäßig, den künftigen Status der Niederlande noch offenzulassen, wenn auch der Reichs-kommissar die Aufgabe erhielt, die Gleichschaltung des niederländischen Volkes an das System des nationalsozialistischen Reiches vorzubereiten. In Belgien schließlich lagen die Verhältnisse durch die gemischtstämmige Bevölkerung komplizierter. Dem rassenpolitischen Denken entsprach es, den flämischen Volksteil in einer Verbindung zu den Niederlanden und auf diesem Wege zum Reich zu bringen, während der wallonische Volksteil im Rahmen der Pläne für eine territoriale Neugestaltung Nord-und Ostfrankreichs eine Rolle spielen konnte, über alle diese Fragen hatte aber Hitler noch keine klaren Vorstellungen, so daß sich ihm für Belgien die Beibehaltung der Militärverwaltung empfahl, die alle politischen Lösungsmöglichkeiten offenließ.
In Frankreich lagen durch den Waffenstillstandsvertrag und das Weiterbestehen einer souveränen Regierung andere Voraussetzungen als in den kleineren Ländern vor. Das im besetzten Gebiet einzurichtende Regime mußte der Existenz dieser Regierung Rechnung tragen, der im Waffenstillstandsvertrag die Regierungshoheit über ganz Frankreich, den unbesetzten und den besetzten Teil, zugestanden worden war. Unter diesen Umständen schien es nicht angängig, eine politisch bestimmte Zivilverwaltung einzusetzen und durch sie innenpolitisch in französische Verhältnisse hineinzuregieren. Hitler beließ es daher bei der Militärverwaltung im besetzten Gebiet, die nach außen den Charakter eines durch die Kriegsnotwendigkeiten bedingten militärischen Provisoriums trug. Was man darüber hinaus an politischen Zielen erreichen wollte, konnte auf anderen Wegen neben oder außerhalb der Militärverwaltung verfolgt werden.
Die Aufgabe des Militärbefehlshabers in Frankreich übernahm zunächst der Oberbefehlshaber des Heeres, Feldmarschall v. Brauchitsch, selbst. Sein Hauptquatier wählte er in Fontainebleau. Als Chef der Militärverwaltung unterstand ihm in Paris der General Streccius, dem zur Durchführung seiner Aufgaben ein militärischer Kommandostab und ein aus Fachleuten zusammengesetzter Verwaltungsstab unter dem Württembergischen Innenminister Jonathan Schmid zur Seite standen. Als das Oberkommando des Heeres Ende Oktober 1940 im Zuge der Verlagerung des Schwerpunktes der Kriegführung nach dem Osten aus Frankreich nach Zossen zurückkehrte, ernannte Brauchitsch einen eigenen Militärbefehlshaber in Frankreich in der Person des Generals der Infanterie Otto v. Stülpnagel, der die Leitung der Militärverwaltung mit erweiterten Befugnissen selbst übernahm. Die besondere Stelle des Chefs der Militärverwaltung fiel damit weg; sein Kommando-und Verwaltungsstab traten zu dem neuen Militärbefehlshaber.
Die erste Aufgabe der Militärverwaltung mußte es sein, das während der Kampfhandlungen völlig zum Erliegen gekommene öffentliche Leben im besetzten Gebiet wieder in Gang zu bringen, wozu vordringlich die rund sechs Millionen aus dem nördlichen Frankreich in wilder Panik nach dem Süden geflohenen Einwohner an ihre Wohnsitze zurückgeführt werden mußten. Diese Aufgaben waren ohne Zusammenarbeit mit der französischen Regierung, die sich in den ersten Julitagen im unbesetzten Gebiet in Vichy eingerichtet hatte, nicht zu lösen. Es kam denn auch bald zu Vereinbarungen über die Wiederherstellung des französischen Verwaltungsapparats im besetzten Gebiet. Die deutsche Kontrolle wurde durch ein Netz von Dienststellen der Militär-verwaltung (Feld-und Kreiskommandanturen) ausgeübt. In Paris sollte eine Generaldelegation der französischen Regierung die gegenseitige Zusammenarbeit solange sicherstellen, bis die Regierung die ihr im Waffenstillstands-vertrag freigestellte Rückkehr nach Paris würde verwirklichen können.
Die Wiederherstellung einigermaßen geordneter Lebensverhältnisse in Frankreich gelang auf diese Weise in verhältnismäßig kurzer Zeit, wozu das umsichtige und hilfsbereite Eingreifen der deutschen Stäbe und Truppen wesentlich beitrug. Von der Masse der französischen Bevölkerung wurde dies voll anerkannt, so daß in den ersten Wochen und Monaten nach der Besetzung ein Klima des Vertrauens und Wohlwollens zwischen Franzosen und deutschen Soldaten entstand, das für die künftige politische Gestaltung des Verhältnisses der alten Gegner Gutes zu verheißen schien. Schwierigkeiten entstanden allerdings bald aus der Teilung des französischen Staatsgebietes durch die das besetzte vom unbesetzten Gebiet scheidende Demarkationslinie, die sich als lästige Sperre für persönliche und wirtschaftliche Beziehungen aller Art auswirken mußte. Deutscherseits konnte eine wesentliche Lockerung des Personenverkehrs aus militärischen Sicherheitsgründen — vom nordfranzösischen Boden aus wurde ja der Krieg gegen England weitergeführt — nicht zugestanden werden; für den Güter-und Warenverkehr aber wurde die Demarkationslinie zu einem sehr wirkungsvollen Hebel der deutschen Politik, mit dem ein beträchtlicher Druck auf die französische Regierung ausgeübt werden konnte. über das Schicksal, das Hitler Frankreich beim Friedensschluß zudiktieren wollte, insbesondere über die Gestalt der deutsch-französischen Grenzen, hatte er noch keine klare Vorstellung. Wenn er im Waffenstillstandsvertrag keinerlei territoriale Fragen angeschnitten hatte, so war dies durch seinen Wunsch diktiert worden, der Regierung Petain die Annahme der Bedingungen nicht zu erschweren. Auch die elsaß-lothringische Frage war in Compiegne überhaupt nicht erwähnt worden, obwohl Hitler entschlossen war, die Rückgliederung der ehemaligen Reichslande in den Grenzen von 1914 in das Reich alsbald zu vollziehen, ohne auf die Friedensverhandlungen zu warten. So wurden, als das Elsaß und Lothringen Mitte Juni in deutsche Hand fielen, von vornherein dort keine Militärverwaltung, sondern zivile Verwaltungschefs eingesetzt: im Elsaß der Reichsstatthalter und Gauleiter in Baden Robert Wagner, in Lothringen der Reichsstatthalter und Gauleiter in der Saarpfalz Josef Bürckel. Am 24. Juli 1940 wurde die deutsche Zollgrenze an die alte Reichs-grenze von 1914 vorverlegt. Die Chefs der Zivilverwaltung erhielten den Auftrag, die praktische Eingliederung dieser Gebiete in das Reich zu vollziehen und die „Volkstumsfrage" hierzu in deutschem Sinne zu lösen. So wurden das Elsaß und Lothringen von 1940 an de facto als deutsches Staatsgebiet behandelt, obwohl eine völkerrechtliche Grundlage hierfür nicht bestand. Die französische Regierung erhob zwar gegen die deutschen Maßnahmen, die sie mit Recht als Verletzung des Waffenstillstandsvertrages ansah, wiederholt Einspruch, ohne indes dieser Frage ein entscheidendes Gewicht in den französisch-deutschen Beziehungen beizulegen. Sie hatte sich damals in der Annahme eines endgültigen deutschen Sieges wohl damit abgefunden, daß Elsaß-Lothringen als „Wanderpreis" in den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen beiden Mächten diesmal wieder an das siegreiche Deutschland lallen würde.
Mit Elsaß-Lothringen war aber der Appetit der nationalsozialistischen Reichsführung auf französisches Territorium nicht erschöpft. Auf Weisung Hitlers entstand im Reichsministerium des Innern im Sommer 1940 eine Denkschrift, die mit geographischer, ethnographischer, historischer und nationalökonomischer Begründung die Wiederherstellung der Grenzen des mittelalterlichen „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation" gegenüber Frankreich forderte, das heißt also eine Grenzziehung, die von der Mündung der Somme’ in den Ärmelkanal entlang des Laufes von Somme und Aisne zu den Argonnen westlich Verdun verlief und dort nach Süden abbog, um über die Gegend von Dijon die Schweizer Grenze bei Genf zu erreichen
-) n .
Diese Regelung zog neben der Demarkationslinie zwischen besetztem und unbesetztem Gebiet eine zweite Sperrlinie durch Frankreich, die eine untragbare Belastung für die deutsche Militärverwaltung darstellte. Es erwies sich als völlig unmöglich, in den durch die Flucht der Einwohner fast menschenleeren Gebieten Nordfrankreichs ein normales Verkehrs-und Wirtschaftsleben wiederaufzunehmen. Das Einbringen der Ernte war in Frage gestellt, die Kohlengruben drohten unbrauchbar zu werden, Verkehrs-und Verbindungsmittel arbeiteten unzureichend. Diesen auch für die deutsche Kriegführung höchst unerwünschten Folgen mußte deutscherseits Rechnung getragen werden. Nach und nach wurden immer mehr Ausnahmegenehmigungen für die Rückkehr bestimmter unentbehrlicher Personenkreise in das gesperrte Gebiet erteilt. Hinzu kam die Unmöglichkeit, eine zweite Sperrlinie in Frankreich ausreichend zu überwachen, kurz, die sogenannte Sperrzone verlor bereits im Jahre 1941 ihre praktische Bedeutung, indem die eingesessene Bevölkerung mit oder ohne Genehmigung zurückkehrte und die französische Verwaltung sich wieder wie im übrigen besetzten Gebiet einrichtete. Wenn Hitler hier auch gegenüber den Forderungen der praktischen Vernunft kapitulierte, theoretisch hielt er an den Plänen von 1940 fest und hat das Institut der bedeutungslos gewordenen Sperrzone nie aufgehoben.
Innerhalb der Sperrzone wurde aber noch eine weitere Komplizierung der Besatzungsverwaltung dadurch geschaffen, daß — wie bereits erwähnt — die französischen Departements Nord und Pas-de-Calais dem deutschen Militärbefehlshaber in Brüssel unterstellt waren und blieben. Auch hierfür waren nicht militärische Notwendigkeiten, sondern politische Gedanken Hitlers maßgebend. Die zum Teil von Franzosen flämischen Volkstums besiedelten Departements konnten vielleicht mit dem belgischen Flandern in einer künftigen Konstruktion zusammengebracht werden, womit gleichzeitig der Wunsch nach einer deutschen Beherrschung der nordfranzösischen Kanalhäfen zu erfüllen war. Auch diese vorläufige Regelung brachte für den Besatzungsalltag, und zwar in gleicher Weise für die französische Regierung wie für die deutsche Militärverwaltung in Frankreich, zahlreiche Schwierigkeiten mit sich, die aber bei Hitler gegenüber politischen Zukunftsträumen nichts wogen.
Wie allerdings Hitler sich vorstellte, diese verschiedenen Pläne für die territoriale Neuordnung Westeuropas mit einem Kompromiß mit England zu vereinbaren, der ihm mindestens bei und unmittelbar nach Abschluß des Waffenstillstandes mit Frankreich noch vorschwebte, hat er nicht verraten. Konnte es doch kaum zweifelhaft sein, daß eine Kanal-küste von Holland bis zur Somme-Mündung in deutscher Hand von einem nicht völlig niedergeworfenen England nie hingenommen werden würde.
3. Vichy und der Waffenstillstand
Die französische Regierung war Ende Juni/Anfang Juli 1940 von Bordeaux in den Kurort Vichy im unbesetzten Gebiet übergesiedelt. Ihre ersten Bemühungen galten der Aufgabe, das völlig zusammengebrochene öffentliche Leben des Landes wieder in Gang zu bringen und dazu die Verwaltung im unbesetzten und besetzten Gebiet wieder zur Arbeit instand zu setzen. Es war natürlich, daß sich im Angesicht der Katastrophe die Frage nach der Schuld am Zusammenbruch und nach den für den Wiederaufbau gebotenen inneren Reformen erhob. Weite Kreise des Volkes, an ihrer Spitze die von der Action Franaise beeinflußte politische Rechte, das Offizierskorps und ein Großteil der Wirtschaftsführer, waren überzeugt, daß das System der Dritten Republik, die ad absurdum geführte parlamentarische Demokratie, der französischen Widerstandskraft das Rückgrat gebrochen habe und daß die Gesundung des Volkes und der politischen Verhältnisse nur durch eine grundlegende Reform des gesamten öffentlichen Lebens, ausgehend von der Staatsverfassung, zu erwarten sei. Die „Nationale Revolution", die ein Kreis von Politikern erstrebte und für deren Gedanken der patriarchalisch denkende Marschall Petain sich gewinnen ließ, wurde unter die Devise: „Travail — Familie — Patrie" gestellt. Sie wandte sich entschieden von der laizistischen Demokratie der Dritten Republik ab und rückte die Erhaltung der christlichen Zivilisation in den Mittelpunkt ihres Programms. Die Rolle der Familie sollte gestärkt und damit dem Absinken der Volks-kraft gewehrt werden, das Wirtschaftsleben von gesundem Arbeitsethos und sozialem Geist regiert und auf die Selbstverwaltung der Berufsorganisationen gegründet sein. Zur Verwirklichung dieser Ziele schwebte den Reformern ein autoritäres, hierachisches System vor, das die Schwächen der Diktatur vermied, ein „Regime der Freiheit, die aber nirgends zur Anarchie werden dürfe"
Die Auffassungen in der Regierung von Vichy über die von Frankreich zu führende Politik waren nicht einheitlich. Drei Konzeptionen standen sich gegenüber.
Weygand, seit dem 16. Juni 1940 Minister der nationalen Verteidigung in der Regierung Petain, hatte zwar aus dem Verantwortungsgefühl des militärischen Oberbefehlshabers entscheidend zu dem Entschluß, den Kampf zu beenden, beigetragen, war aber nichtsdestoweniger durch die erlittene Niederlage tief berührt und nicht bereit, sie als endgültige Entscheidung anzuerkennen. Er sah den Waffenstillstand als eine Atempause an, die es Frankreich ermöglichen sollte, seine Kräfte zu sammeln und zu gegebener Zeit den Kampf wiederaufzunehmen. Der Feind blieb für ihn Deutschland, demgegenüber der Waffenstillstandsvertrag bis zu besserer Stunde die allein gültige Grundlage des französischen Verhaltens zu sein hatte. „L’armistice et pas plus" (Waffenstillstand und keinen Schritt weiter), jede darüber hinausgehende deutsche Forderung war abzulehnen. Andererseits mußte zunächst äußerlich loyale Erfüllung der unterzeichneten Bedingungen der Deckmantel sein, unter dem die Wiederaufrichtung des französischen Kräftepotentials zu betreiben war. England blieb für Weygand trotz des Grolls über die unzureichende Unterstützung in der Schlacht um Frankreich der einzig mögliche Verbündete auch für die Zukunft; die Verbindungen dorthin durften nicht völlig abreißen
Laval zog aus der Katastrophe ganz andere Folgerungen. Für ihn war das alte Europa endgültig zusammengebrochen; der Sieg der Achsenmächte und ihrer Ideen schien nicht auf-haltbar. Auf dem verwandelten europäischen Kontinent würde England keine Rolle mehr zu spielen haben. Für Frankreich kam es jetzt darauf an, rechtzeitig einen würdigen Platz an der Seite der Achsenmächte zu suchen. Nur eine solche radikale Schwenkung würde es davor bewahren, schließlich die Kosten des Krieges bei einem immerhin möglichen deutsch-britischen Kompromiß zahlen zu müssen.
Petain selbst wollte sich angesichts der noch völlig offenen Kriegsentscheidung weder für den von Weygand noch für den von Laval gewiesenen Weg bereits jetzt entscheiden. Er wollte die Chance nützen, die der Waffenstillstand Frankreich bot: zwischen den Kriegführenden in neutraler Haltung abzuwarten, wohin sich die Waagschale des Sieges neigen würde. Erst wenn dies zu übersehen war, würde es Zeit sein, sich zu entscheiden. Eine zweite Niederlage durfte es für Frankreich nicht geben. Das bedeutete also gegenüber Deutschland die loyale Erfüllung der Waffenstillstandsbedingungen und die Herstellung eines korrekten modus vivendi, gegenüber England das Werben um Verständnis dafür, daß Frankreich in seiner Zwangslage jetzt nicht anders handeln könne, sich aber niemals gegen den alten Verbündeten wenden werde.
Im Jahre 1940 hat sich der Marschall mit dieser Linie des „attentisme" schließlich durchgesetzt. Er entfernte Anfang September 1940 Weygand, dessen Aktivität ihm gefährlich zu werden schien, aus der Regierung und ernannte ihn zum Statthalter der französischen Regierung in Afrika. Am 13. Dezember 1940 aber beseitigte er auch Laval, dessen zielbewußtes Steuern an die Seite Deutschlands ihm schon lange unheimlich geworden war. Die politischen Ideen beider Männer hatte er mit ihrer Kaltstellung jedoch nicht zum Verschwinden gebracht; sie rangen in Vichy in vielgestaltiger Form weiter um den Einfluß auf die französische Politik. Ein Moment, das die Haltung Vichys entscheidend beeinflussen mußte, war die Rücksicht auf das französische Kolonialreich. Schon im Juni 1940, als um die Frage des Waffenstillstandes gerungen wurde, hatte die Haltung zivilen und militärischen in der Machthaber den Kolonien ernste Sorgen bereitet. Selbst vom Zusammenbruch des Mutterlandes unberührt, sträubten sie sich gegen die Einstellung des Kampfes und hatten für die aus London und aus dem Munde des Generals de Gaulle ertönenden Aufrufe zur Fortführung des Krieges an der Seite Englands ein offenes Ohr. Nur der persönlichen Autorität des Marschalls Petain und des Generals Weygand war es schließlich gelungen, den Gehorsam der Gouverneure und Befehlshaber in den Kolonien zu gewährleisten. Der Schlag der Engländer gegen die französische Flotte am 3. Juli 1940, über den sogleich zu sprechen sein wird, war dabei eine wirksame Hilfe. Alle maßgebenden Kolonialmachthaber wurden durch diesen Schock gefühlsmäßig an die Regierung in Vichy gebunden; die Werbung de Gaulles für den Widerstand eines „Freien Frankreichs" aber war fürs erste zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.
Wenn das Kolonialreich auch zu diesem Zeitpunkt fest zu Petain stand, so konnten doch die auf längere Sicht drohenden Gefahren in Vichy nicht übersehen werden. In den afrikanischen Kolonien war man einerseits über eventuelle deutsche und italienische territoriale Ansprüche besorgt und andererseits bedrohte die Stillegung des französischen Handels-Schiffsverkehrs durch Waffenstillstandsbedingungen und englische Blockade die Versorgung der Kolonialgebiete mit lebenswichtigen Gütern, die nur mit Duldung oder Hilfe Englands und Amerikas zugeführt werden konnlen. Die Anfälligkeit der Kolonien gegen englische Einflüsse blieb also stark; ein Grund mehr für Vichy, sein Ansehen in Übersee nicht durdi Nachgiebigkeit gegenüber deutschen Forderungen zu kompromittieren und die Wirtschaftslage im Kolonialreich durch Konflikte mit England zu verschärfen. Daß dieses Lavieren fast unlösbare Aufgaben stellte, trat bereits wenige Tage nach Abschluß des Waffenstillstandes deutlich in Erscheinung.
4. Mers-el-Kebir — die ungenutzte Chance
Die Frage der französischen Flotte hatte in den Augen Englands durch den Waffenstillstand keine befriedigende Regelung gefunden; der von Hitler gegebenen feierlichen Versicherung, keinen Anspruch auf die Flotte zu erheben, brachte man kein Vertrauen entgegen. Die britische Regierung unter dem beherrschenden Einfluß Churchills zögerte nicht, der möglichen Gefahr im Keim zu begegnen und die ihr erreichbaren Teile der französischen Flotte entweder in ihren Besitz zu bringen oder kampfunfähig zu machen. Sie folgte mit diesem Präventivschlag gegen den bisherigen Verbündeten den Überlieferungen britischer Seekriegführung, die in entscheidenden Augenblicken stets rechtliche oder auch moralische Skrupel hinter den für lebenswichtig angesehenen Notwendigkeiten hat zurücktreten lassen. Dabei war der Entschluß Churchills fast noch mehr als von militärischen Sorgen von dem Willen diktiert, vor dem eigenen Volke und der Welt ein Fanal für die unerschütterliche Bereitschaft Englands, kompromißlos weiterzukämpfen, aufzurichten.
Das Drama rollte am 3. Juli 1940 ab. Sein Schwerpunkt lag in Mers-el-Kebir bei Oran an der algerischen Küste, wo das ehemalige französische Atlantikgeschwader, das in Erwartung des italienischen Kriegseintritts im Frühjahr 1940 in das Mittelmeer verlegt worden war, lag und die näheren Anordnungen für seine durch die Waffenstillstandsverträge geforderte Abrüstung erwartete. Am 3. Juli morgens erschien ein starker englischer Flottenverband von Gibraltar her vor Oran und stellte den französischen Admiral durch ein auf sechs Stunden befristetes Ultimatum vor die Wahl, sich den Engländern anzuschließen, unter englischer Überwachung in amerikanische Gewässer zu gehen oder seine Schiffe zu versenken. Im Falle der Weigerung werde das englische Geschwader Gewalt anwenden.
Da der französische Admiral die englischen Zumutungen ablehnte, eröffneten die Engländer in den Abendstunden das Feuer auf die nahezu wehrlosen französischen Schiffe, deren Schicksal in wenigen Minuten besiegelt war. Das Schlachtschiff „Bretagne" explodierte und kenterte, ein Schlachtkreuzer und ein weiteres Schlachtschiff wurden kampfunfähig auf Grund gesetzt. Nur der Schlachtkreuzer „Strasbourg" mit einigen Zerstörern entkam und erreichte am folgenden Tage Toulon. 1300 französische Seeleute fanden den Tod.
Am gleichen Tage bemächtigten sich die Engländer mit Gewalt aller französischen Kriegsschiffe, die vom Waffenstillstand in Häfen des englischen Mutterlandes überrascht und seitdem dort festgehalten worden waren. Dem französischen Geschwader, das zuletzt Seite an Seite mit den Engländern im östlichen Mittelmeer operiert hatte und von diesen Tagen her noch in Alexandria lag, wurden vom dortigen englischen Befehlshaber ähnliche Forderungen wie dem Geschwader in Oran gestellt. Durch das diplomatische Geschick der beiden befreundeten Admirale wurde hier eine blutige Katastrophe vermieden. Beide schlossen entgegen ihren von London und Vichy erhaltenen Befehlen einen Kompromiß, nach dem die französischen Schiffe unter ehrenhaften Bedingungen im Hafen von Alexandria neutralisiert wurden. Am 8. Juli 1940 folgte schließlich noch ein englischer Angriff auf den westafrikanischen Flottenstützpunkt Dakar, wo das noch nicht fertiggestellte 35 OOO-t-Schlachtschiff „Richelieu" durch einen Torpedotreffer beschädigt wurde.
Die Wirkung des englischen Schlages auf die Regierung in Vichy war niederschmetternd. Sie bestimmte tief und auf lange Zeit die Haltung des Oberbefehlshabers der französischen Kriegsmarine, Darlan, der in der ersten Zornesaufwallung daran dachte, mit den franzöB sischen See-und Luftstreitkräften den offenen Kampf gegen England aufzunehmen, wobei er sogar zu gemeinsamem Operieren mit Italien im Mittelmeer bereit war. Laval kamen solche Pläne für die Verwirklichung seiner Politik zwar gelegen, trotzdem hielt er sich aber bei der Unterstützung Darlans zurück; ihm schien es wohl klüger, vor dem endgültigen Bruch mit England die Einstellung Deutschlands zu sondieren. Petain, Weygand und der Außenminister Baudouin dagegen wollten unwiderrufliche Entscheidungen vermeiden. Um den Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu England, die seit dem Waffenstillstand praktisch schon nicht mehr bestanden, kamen auch sie nicht herum; darüber hinaus aber wünschten sie, sich auf die Abwehr weiterer englischer Angriffe zu beschränken und jede französische Initiative zu einer nicht wiedergutzumachenden Verschärfung des Verhältnisses zu England zu vermeiden. Ihre Auffassung setzte sich im Ministerrat durch, um so mehr als von selten der Achsenmächte nichts geschah, um die Franzosen zu entscheidenden Entschlüssen zu ermuntern.
Die französische Regierung hatte noch am 3. Juli die durch General Carl-Heinrich von Stülpnagel geleitete Deutsche Waffenstillstandskommission in Wiesbaden von den Ereignissen in Mers-el-Kebir in Kenntnis gesetzt und nachgesucht, die im Waffenstillstandsvertrag geforderte Abrüstung ihrer See-und Luft-streitkräfte zur Verteidigung gegen englische Angriffe auszusetzen. Unter dem ersten Eindruck der unerwarteten Wendung kam Hitler großzügig entgegen. Er ließ erklären, daß er mit den Abwehrmaßnahmen der französischen Flotte einverstanden sei, und betonte dabei, daß „die im Waffenstillstandsvertrag gegebenen Zusicherungen einer Flotte gegenüber an Bedeutung gewännen, die bereit sei, sich unberechtigten und entehrenden Zugriffen anderer Mächte zu widersetzen". Die Abrüstung der französischen Flotte und eines Teils der Luft-streitkräfte wurde bis auf weiteres ausgesetzt
Es wäre zu erwarten gewesen, daß die neu entstandene Lage Hitler Anlaß gegeben hätte, die gegenüber Frankreich einzunehmende Haltung grundlegend zu überprüfen. Das geschah aber nicht. Gerade in diesen Tagen war Hitler mit der Vorbereitung seiner für den 19. Juli in Aussicht genommenen Reichstagsrede beschäftigt, mit der er noch einmal ein Angebot zur Verständigung an England zu richten gedachte. Es erschien ihm wohl nicht zweckmäßig, sich vor einer englischen Stellungnahme gegenüber Frankreich festzulegen. Die Haltung Italiens mag hierzu beigetragen haben, das mit kaum verhehlter Besorgnis auf eine Entwicklung blickte, die Frankreich Gelegenheit zur politischen Rehabilitierung hätte geben können und damit die Durchsetzung der italienischen Ansprüche auf französische Gebiete erschweren mußte. Das einzige, was in den Tagen nach Mers-el-Kebir gegenüber Frankreich geschah, war die am 15. Juli gestellte Forderung Hitlers, „als Gegenleistung für die von Deutschland zugestandene Erhaltung der Kampfbereitschaft der französischen Flotte und von Teilen der Luftstreitkräfte“ der deutschen Wehrmacht eine Anzahl von Luft-stützpunkten in Französisch-Marokko mit allen für ihre Versorgung nötigen Verbindungen zur Verfügung zu stellen. Das war ein völlig neuer Anspruch, der das im Waffenstillstandsvertrag gesicherte Tabu des französischen Kolonialreiches aufhob, Nordafrika als deutsche Basis in die Kriegshandlungen einbezog, englische Gegenmaßnahmen herausforderte und damit die französische Regierung vor weitgehende politische Folgerungen stellen mußte. Petain antwortete mit diplomatischer Zurückhaltung, indem er nicht offen ablehnte, aber darauf verwies, daß die deutschen Wünsche weit über das Waffenstillstandsstatut hinausgingen und daher in neuen Verhandlungen auf politischer Ebene geprüft werden müßten. Hitler nahm diese versteckte Ablehnung hin und verfolgte den Gedanken der nordafrikanischen Stützpunkte zunächst nicht weiter, einmal, weil er noch nicht willens war, mit Frankreich politische Gespräche zu führen, in der Hauptsache aber wohl, weil ihm das Her-aushalten der französischen Kolonien aus dem Kriege unter der Souveränität Vichys vorteilhafter erschien, als die Engländer gewissermaßen aufzufordern, sich ihrerseits der ihnen erreichbaren französischen Gebiete zu bemächtigen.
So gewann der Riß zwischen Frankreich und England, den Mers-el-Kebir verursacht hatte, bis zum September 1940 keine weitergehende Bedeutung für die deutsche Frankreichpolitik. Diese wurde beherrscht durch drei Tendenzen: die Abrüstung der französischen Wehrmacht nach dem Wortlaut der Waffenstillstandsbedingungen, die Ausnutzung der französischen Wirtschaft für Zwecke der deutschen Kriegs-wirtschaft und den Versuch der Einflußnahme auf die innerfranzösischen Verhältnisse über den Weg der Besatzungspolitik.
Die Abrüstung der französischen 'Wehrmacht wurde — abgesehen von den nach Mers-el-Kebir zugestandenen Erleichterungen für Flotte und Luftwaffe — buchstabengetreu durchgeführt. Im unbesetzten Teil des Mutterlandes wurde die den Franzosen bei den Verhandlungen von Rethondes zugesagte „Waffenstillstandsarmee" in Stärke von 100 000 Mann, die über keine schweren Waffen und über keine motorisierten Verbände verfügen durfte, aufgestellt. Alle über den Bedarf dieser Truppen hinaus vorhandenen Soldaten wurden entlassen, die Waffen unter deutscher und italienischer Kontrolle in sogenannten Stockierungslagern gesammelt. Die schweren Waffen, die für Zwecke der deutschen Kriegführung von Wert zu sein schienen, hatten die Franzosen an die deutsche Wehrmacht auszuliefern. Nicht ganz so einfach wie im Mutterland vollzog sich die Abrüstung in Französisch-Nordafrika, wo die Kontrolle über die Durchführung des Waffenstillstandes von den Italienern ausgeübt wurde. Hier machte die Regierung Petain mit Recht geltend, daß sie die Verantwortung für die Aufrechterhaltung ihrer Souveränität über die afrikanischen Besitzungen nur tragen könne, wenn ihr die nötigen Machtmittel zur Sicherstellung der inneren Ordnung und zur Verteidigung gegen Angriffe von außen belassen würden. Die italienische Führung aber sah in den französischen Streitkräften von Nordafrika mit größtem Mißtrauen nur ein Potential, das sich eines Tages gegen Italien wenden und das Durchsetzen italienischer Kriegsziele würde verhindern können. Die italienischen Forderungen auf radikale Abrüstung liefen daher den deutschen Wünschen, die Franzosen an der Verteidigung ihres Kolonialreiches zu interessieren, entgegen. Erst nach langwierigen Verhandlungen gelang es, die Italiener dazu zu bewegen, den Franzosen für Nordafrika Streitkräfte in Stärke von rund 120 000 Mann zuzugestehen.
Auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Ausnutzung Frankreichs überschnitten sich zwei Tendenzen der deutschen Politik: Einmal bemühten sich deutsche Stellen, an Lebensmitteln, Rohstoffen und auch Maschinen aus Frankreich so viel wie irgend möglich herauszuholen, andererseits sollte die französische Industrie in den Rahmen der kontinental-europäischen Kriegswirtschaft eingebaut werden, was aber nur möglich war, wenn ihr die nötigen Produktionsmittel und Rohstoffe belassen wurden und wenn die soziale Lage der französischen Arbeiterschaft einigermaßen gesichert blieb. Es hat die deutsche Wirtschaftspolitik und damit die Ausnutzung der französischen Wirtschaftskapazitäten für Deutschland stets belastet und beeinträchtigt, daß es auf deutscher Seite nicht gelungen ist, diese auseinanderlaufenden Bestrebungen auf ein einheitliches Ziel auszurichten. Die ultimativ durchgesetzte Zahlung überaus hoher „Besatzungskosten" durch die französische Regierung — täglich 20 Millionen Reichsmark —, die Trennung des französischen Wirtschaftskörpers in zwei Teile durch ein rigoros gehandhabtes Sperr-Regime an der Demarkationslinie, die erwähnte Wegnahme von Maschinen und Rohstoffen legten der Wiederaufnahme der Produktion Fesseln an. Unter ihnen litten wieder die Bestrebungen, die französische Industrie für deutsche Aufträge arbeiten zu lassen, wofür gute technische Voraussetzungen ebenso wie die Bereitschaft der Industriellen und auch der französischen Regierung vorlagen. So konnten sich so verheißungsvolle Vorhaben wie die großen deutschen Aufträge an die französische Kraftfahr-und Flugzeugindustrie nicht in dem Umfange auswirken, der bei einer klaren deutschen Wirtschaftspolitik zu erreichen gewesen wäre.
Das Fehlen dieser festen Linie war aber nicht nur eine Eigenheit der Wirtschaftspolitik, sondern zeigte sich im ganzen Umfange der deutschen Besatzungspolitik. Der deutschen Miltärverwaltung lag es daran, ruhige und geordnete Verhältnisse im besetzten Frankreich herzustellen, die für Unterbringung und Unterhalt der Besatzungstruppen und für die operativen und taktischen Maßnahmen der Krieg-führung — es waren damals der Luftkrieg gegen England und die Vorbereitungen für die Landung, das Unternehmen „Seelöwe", im Gange — möglichst reibungslose Voraussetzungen schufen. Dazu konnte es nur erwünscht sein, daß die legale Regierung in Vichy die Zügel der Verwaltung auch im besetzten Gebiet, selbstverständlich unter deutscher Kontrolle, führte. An einer Einmischung in innere französische Angelegenheiten lag der Militär-verwaltung nichts. Wenn der Regierung Petain eine gewisse Souveränität belassen wurde, so diente das auch der Stärkung ihrer Autorität im Kolonialreich, die ja zur Abwehr der von England und dem General de Gaulle ausgehenden Aufforderung zum Abfall von Vichy erwünscht sein mußte. Mit diesen Auffassungen gerieten aber sehr bald andere, von politischen Absichten geleitete Maßnahmen deutscher Stellen in Widerspruch, die neben der Militärverwaltung eine sehr wirksame Tätigkeit in Frankreich entfalteten. Eine besondere Rolle spielte der vom Reichsaußenminister bereits im Juni 1940 nach Paris entsandte Gesandte und spätere Botschafter Abetz, der zwar völkerrechtlich bei der französischen Regierung, die sich de jure noch im Kriegszustand mit Reich befand, dem nicht akkreditiert war, aber in der Praxis die entscheidende Rolle in den politischen Verhandlungen mit Vichy übernahm. Abetz, der aus der nach dem Ersten Weltkrieg um Verständigung mit der französischen jungen Generation bemühten deutschen Jugendbewegung hervorgegangen war, brachte für seine Aufgabe eine sehr ehrliche und sehr zielbewußte Planung mit; er wollte die historische Gegnerschaft zwischen den beiden Nachbarvölkern in wirkliches Verstehen und vertrauensvolles Zusammenleben in der Zukunft verwandeln und den Grund hierzu bereits durch neue Waffenbrüderschaft im Feuer des gegenwärtigen Krieges legen. Um dieses kühne Ziel zu erreichen, hielt er aber den attentistischen Kreis um den alten Marschall in Vichy nicht für geeignet; er setzte vielmehr allein auf Laval, mit dem er bald in ein nahes Vertrauensverhältnis trat, und auf gewisse Persönlichkeiten aus Presse und Politik, die für die Stimmung des französischen Volkes allzu offen und überstürzt den Anschluß an das siegreiche Deutschland und seine totalitäre Ideologie betrieben. Die Folge war, daß der deutsche Botschafter auf der einen Seite namens der Reichsregierung mit der Regierung des Marschalls verhandelte und sie nach außen hin auch zu stützen suchte, während er auf der anderen Seite durch seine Freunde in der Pariser Presse die gleiche Regierung angreifen und verdächtigen ließ — in dem inneren Wunsch, sie bald beseitigt und durch Männer ersetzt zu sehen, die bereit sein würden, Frankreich ohne Vorbehalte an die Seite Deutschlands zu führen
5. Montoire — der erste Versuch einer Collaboration
Während sich die deutsche Frankreichpolitik im Sommer 1940 in solch zwiespältigen Bahnen bewegte, traten im französischen Kolonial-reich Ereignisse ein, die die militärische Bedeutung des geschlagenen Frankreichs erneut in den Blick rückten. Ende August löste sich der größte Teil von Äquatorialafrika mit der Hauptstadt Brazzaville und dem strategisch wichtigen Gebiet um den Tschad-See von Vichy und schloß sich dem „Freien Frankreich" de Gaulles an. Nur die Kolonie Gabun blieb dem Marschall Petain noch treu. Dieser Erfolg weckte die Unternehmungslust de Gaulles; er wollte sich nunmehr in Besitz von Westafrika mit seiner wichtigen Hauptstadt Dakar setzen und gewann Churchill dafür, dieses Unternehmen durch den Einsatz der englischen Flotte zu ermöglichen. Ihr Erscheinen vor Dakar und die Landung freifranzösischer Soldaten würde, so hoffte de Gaulle, genügen, ihm Westafrika in die Arme zu führen. Es kam aber anders. Vom 23. bis 25. September versuchten freifranzösische Kräfte, nachdem der Generalgouverneur von Französisch-Westafrika jedes Verhandeln abgelehnt hatte, unter dem Feuerschutz englischer Kriegsschiffe und Flugzeuge bei Dakar zu landen und die Stadt in Besitz zu nehmen. Die Garnison der Vichy-Regierung in Dakar und die dort liegenden französischen Kriegsschiffe, an ihrer Spitze das Schlachtschiff „Richelieu", leisteten entschlossenen Widerstand und fügten dem englischen Geschwader ernsthafte Verluste zu. Am 25. September resignierte Chruchill und befahl, das Unternehmen aufzugeben. Der Prestigegewinn für die Regierung Petains war ebenso groß wie der Verlust an Geltung für de Gaulle, der sich verbittert in das zu ihm übergegangene Äquatorialafrika begab und dort im November 1940 wenigstens die noch Vichy-treue Kolonie Gabun unter seine Herrschaft brachte.
Die Vorgänge in Äquatorialafrika und vor Dakar hatten die militärischen Verhandlungen der deutschen und italienischen Waffenstillstandskommission wieder belebt. Bereits nach dem Abfall Äquatorialafrikas hatte die Regierung Petain eine Verstärkung ihrer See-und Luftstreitkräfte in Afrika beantragt; nach der erfolgreichen Abwehr von Dakar ergänzte sie ihre Wünsche, wobei auch die Frage der für Nordafrika zu bewilligenden Truppenstärken erneut zur Sprache kam. Vichy konnte dabei geltend machen, daß das Mißtrauen der Achsenmächte, insbesondere Italiens, gegen den Gebrauch der gewährten Verstärkungen durch den Kampf um Dakar widerlegt sei; die französische Regierung könne sich auf die Kolonien verlassen, wenn ihr die nötigen Machtmittel zu ihrer Sicherung gegeben würden. Diese Argumente fanden auf deutscher Seite Anerkennung; man war bereit, Verstärkungen für Französisch-Afrika zuzugestehen, stieß dabei aber auf die unverändert starre Zurückhaltung Italiens, dem jede Stärkung Frankreichs im Hinblick auf das Kräfteverhältnis im Mittelmeer und auf die italienischen Kriegsziele weiter höchst unerwünscht blieb. Es bedurfte mühseliger Verhandlungen, um den Italienern die Zustimmung zu wenigstens teilweiser Erfüllung der französischen Wünsche zu entreißen.
In der oberen deutschen Führung sich begann aber jetzt die Auffassung durchzusetzen, daß dem französischen Problem mit Palliativmitteln wie der Aufrüstung einiger Kriegsschiffe und Fliegergruppen nicht beizukommen war, sondern daß es eine großzügigere Lösung verlangte. Die Entwicklung der Kriegslage im Herbst 1940 wies auf diesen Weg, nachdem die Hoffnungen, den Krieg mit England zu einem schnellen Ende zu bringen, sich nicht erfüllt hatten und mit längerer Kriegsdauer unausweichlich gerechnet werden mußte. Nach dem Ausbleiben entscheidender Wirkung der Luftangriffe auf die englische Insel und dem Verzicht auf die Landung lag der Gedanke nahe, den Schwerpunkt des Kampfes gegen England in das Mittelmeer zu verlegen, das durch die Wegnahme von Gibraltar und des Suezkanals für die Engländer gesperrt werden konnte. Abgesehen von dem für den Angriff auf Gibraltar erforderlichen Kriegseintritt Spaniens rückte für alle Mittelmeeroperationen die Bedeutung des französischen Kolonialreiches, und zwar sowohl Nord-und Westafrikas wie des syrischen Mandatsgebietes, in den Vordergrund. Ganz besonders das nordafrikanische Gebiet von Marokko, Algerien und Tunesien hatte entscheidende Bedeutung für die Lage im westlichen Mittelmeer. Auf jeden Fall mußte verhindert werden, daß das französische Nord-und Westafrika in die Hände der Engländer oder de Gaulles fielen. Dieses Ziel aber war nur mit dem guten Willen und der Mitwirkung der französischen Regierung in Vichy zu erreichen. Wenn man aber mit dieser Regierung rechnen und ihr die nötigen Machtmittel belassen mußte, lag der Gedanke nahe, das französische Potential und Herrschaftsgebiet auch aktiv in die Kriegführung gegen England einzuschalten, wofür das englische gewaltsame Vorgehen — Mers-el-Kebir, Dakar und die Blockade des französischen Überseehandels — günstige psychologische Voraussetzungen geschaffen zu haben schien. Das nordwestliche Afrika bot für die See-und Luftkriegführung im mittleren und südlichen Atlantik Stützpunkte, von denen aus der englische Schifffahrtsweg rund um Afrika, der mit zunehmender Ausschaltung Englands im Mittelmeer an Bedeutung gewann, schwer getroffen werden konnte. Wenn aber Frankreich deutsche U-Boote und Flugzeuge von seinem Gebiet aus operieren ließ, konnte es nicht ausbleiben, daß es selbst mehr oder minder schnell in einen Krieg mit England hineinglitt — eine Entwicklung, die die französische Flotte, die auch nach Mers-el-Kebir noch ein beachtlicher Faktor war, an die Seite Deutschlands führen würde. Auch das französische Syrien würde in dieser Lage strategische Bedeutung gewinnen; darüber hinaus konnte es auf die Haltung der Türkei und der arabischen Gebiete mit ihren Ölvorkommen Einfluß üben.
Man mußte sich natürlich im klaren sein, daß der Versuch, Frankreich zum Mitkämpfer Deutschlands zu machen, einen politischen Preis kosten würde. Den Franzosen mußte die Chance geboten werden, einen günstigeren Frieden zu erhalten, insbesondere vor größeren territorialen Einbußen im Mutterland und Kolonialreich bewahrt zu bleiben. Daß die Franzosen nur „pour le roi de Prusse" ihre Haut zu Markte tragen würden, konnte man bei allem Selbstbewußtsein nicht annehmen. Allerdings würden solche Zugeständnisse wieder den alten Circulus vitiosus der italienischen Vorbehalte heraufbeschwören, denn wie sollte Mussolini von einem Frankreich, das auf Seiten der Achsenmächte kämpfte, jemals seine „nationalen Ansprüche" befriedigt erhalten? Alle diese Gedanken hatten ihren Ursprung zunächst in den militärischen Erwägungen über die Weiterführung des Krieges gegen England, die im September und Oktober 1940 die deutsche Führung bewegten. Der Ober-befehlshaber der Kriegsmarine, dessen Blicke über den Rahmen des europäischen Kontinents hinausgingen, trat jetzt als einer der ersten für eine neue Frankreichpolitik ein. Der Ober-befehlshaber des Heeres verschloß sich ihren Vorteilen nicht. Beide fanden im Wehrmacht-B führungsstab volles Verständnis und Bereitschaft zur Initiative
Hitler hatte seinen italienischen Partner über die Absicht seines Treffens mit Petain wenige Tage vorher in Kenntnis gesetzt, ohne dabei Näheres über seine Pläne mitzuteilen; jetzt begab er sich von Montoire nach Florenz, um Mussolini dort für den Gedanken einer neuen Einstellung gegenüber Frankreich zu gewinnen. Während der Fahrt erhielt er am 28. Oktober morgens die überraschende Nachricht, daß Italien am gleichen Tage aus Albanien den Angriff gegen Griechenland eröffnet hatte. Mit diesem eigenwilligen Vorgehen erhielt er die Antwort des verärgerten Duce auf die wiederholt geübte mißtrauische Zurückhaltung in der Mitteilung der deutschen Kriegspläne an den Bundesgenossen. Der unsinnige Gedanke einer unabhängigen „Parallelkriegführung" war ad absurdum geführt. Die durch den italienischen Schritt heraufbeschworene Komplizierung der gesamten Kriegslage auf dem Balkan und im östlichen Mittelmeer überschattete in Florenz die Erörterung des Frankreich-problems. Es wurde in seinen letzten Folgerungen nicht zur Debatte gestellt; immerhin erklärte Mussolini sich aber damit einverstanden, daß die Aussichten der von Hitler in Montoire eingeleiteten Politik mit aller Vorsicht durch die Reichsregierung weiter sondiert werden sollten, auch war er bereit, den Druck der italienischen Waffenstillstandskom-mission auf die französische Abrüstung in Afrika zu mildern. An seinen territorialen Kriegszielen gegenüber Frankreich hielt er je-doch unverändert fest, und Hitler zögerte nicht, ihn seiner Unterstützung hierfür erneut zu versichern.
Damit war die Frage der künftigen Haltung der Achsenmächte gegenüber Frankreich im Grundsätzlichen unentschieden geblieben, was sich auf die Weiterverfolgung der Politik von Montoire hemmend auswirken mußte. Es half nichts, daß Laval, von Abetz unterstützt, auf die Aufnahme konkreter politischer Verhandlungen mit dem Reichsaußenminister v. Ribbentrop drang. Dieser entzog sich unter verschiedenen Ausflüchten einer Begegnung; er stand'persönlich dieser Politik, die unvermeidlich auch zu deutschen Verpflichtungen gegenüber Frankreich führen mußte, ablehnend gegenüber. Bestärkt wurde er dabei durch den Eindruck, daß auch Hitler nicht von der Richtigkeit dieses Weges überzeugt schien. Das zeigte sich schon daran, daß in der Besatzungspolitik gegenüber Frankreich der „Geist von Montoire" keinerlei Früchte trug. Französische Wünsche nach Senkung der Besatzungskosten, Erleichterungen des Verkehrs über die Demarkationslinie und Unterstellung der zur Militärverwaltung Belgien geschlagenen Nord-departements unter den Militärbefehlshaber in Frankreich fanden taube Ohren; auch die Verlegung der französischen Regierung von Vichy nach Versailles oder Paris, die im Waffenstillstandsvertrag zugesagt war, wurde deutscherseits hinausgezögert und schließlich verhindert. Der schwerste Schlag wurde dem Geist von Montoire aber versetzt, als wenige Tage nach der Begegnung der in Lothringen regierende Reichsstatthalter Bürckel die unverzügliche Ausweisung von rund 100 000 französisch sprechenden Lothringern aus ihrer Heimat in das unbesetzte Frankreich ankündigte. Die französische Regierung protestierte gegen diesen Willkürakt. Botschafter Abetz und die militärischen Stellen in Frankreich suchten diese Maßnahme, die die Atmosphäre der Zusammenarbeit zu vergiften drohte, abzuwenden oder wenigstens zu mildern. Es half alles nichts, Hitler billigte das Vorgehen Bürckels, und die Austreibung der Lothringer fand unter harten Zwangsmaßnahmen in aller Eile statt.
Nur im militärischen Sektor der deutschen Führung zeigte sich nach Montoire das Bemühen, auf dem beschrittenen Wege zu positiven Ergebnissen zu gelangen. Diese Stellen, an ihrer Spitze der Wehrmachtführungsstab, sahen die entscheidende Aufgabe darin, den Krieg gegen England zu gewinnen und dazu alle gebotenen Möglichkeiten, auch die Einschaltung Frankreichs, auszunutzen. Politische und ideologische Fernziele hatten demgegenüber fürs erste zurückzutreten. Auf Drängen des Wehrmachtführungsstabes kam es in der Deutschen Botschaft in Paris am 29. November und 10. Dezember 1940 zu militärischen Besprechungen zwischen dem General Warlimont als Beauftragten des Oberkommandos der Wehrmacht und maßgeblichen Vertretern der Vichy-Regierung: dem stellvertretenden Regierungschef Laval, dem Kriegsminister Huntziger und dem Marineminister Darlan. Als politischer Beauftragter nahm auf deutscher Seite nur der Botschafter Abetz teil, ohne aber von Ribbentrop irgendeine konkrete Verhandlungsvollmacht zu haben. Die militärischen Erörterungen drehten sich in der Hauptsache um die Sicherung des französischen Kolonialreiches, wobei die Vertreter Vichys nicht nur den Willen zur Verteidigung von Nord-und Westafrika, sondern auch zur Rückgewinnung des zu de Gaulle übergegangenen Äquatorialafrikas bekundeten. Dabei gaben sie sich klare Rechenschaft, daß derartige Maßnahmen mit aller Wahrscheinlichkeit in einen bewaffneten Konflikt mit England führen mußten; für diesen Fall zogen sie sogar angriffsweises Vorgehen gegen die englischen Besitzungen in Westafrika und am Golf von Guinea in Erwägung. Zwischen den deutschen und französischen Sachverständigen wurden die praktischen Voraussetzungen und Aussichten dieser Pläne in sehr aufgeschlossener Weise geprüft und festgestellt, welche zusätzlichen personellen und materiellen Mittel den Franzosen zu ihrer Durchführung gewährt werden müßten. Deutsches Entgegenkommen hierbei wurde im Rahmen des Möglichen in Aussicht gestellt. Wie zu erwarten gewesen war, benutzte Laval die Gelegenheit der militärischen Verhandlungen zu dem dringenden Hinweis, daß der gefährliche Weg, den Frankreich zu gehen bereit sei, politische Voraussetzungen verlange, die ihn dem französischen Volke psychologisch verständlich und annehmbar zu machen geeignet seien. Er kam dabei auf die erwähnten alten Anliegen der französischen Regierung zurück und schlug erneut ein Zusammentreffen mit Ribbentrop vor. Abetz konnte nur sein persönliches Verständnis zeigen und versprechen, die französischen Wünsche nach Berlin weiterzuleiten.
6. Das Scheitern der Collaboration durch den Sturz Lavals
Auf die so erfolgversprechend eingeleiteten militärischen Verhandlungen fiel dadurch ein Schatten, daß Agentenmeldungen aus Nordafrika auf die Möglichkeit hinwiesen, der französische Oberbefehlshaber in Afrika, General Weygand, spiele ein doppeltes Spiel und könne eines Tages mit allen dort vorhandenen und mit Zustimmung der Achsenmächte verstärkten Kräften in das englische Lager übergehen. Das warf die Frage auf, ob die Regierung in Vichy bei allem guten Willen zur Zusammenarbeit in der Lage sein werde, eine in den Kampf mit England führende Politik gegenüber ihren Bevollmächtigten in den Kolonien überhaupt durchzusetzen. Daß diese Sorge nicht unberechtigt war, haben die Ereignisse der folgenden Jahre gezeigt. Die Italiener, die die deutsch-französischen Verhandlungen, von denen sie ausgeschlossen waren, ohnehin mit Mißtrauen beobachteten, zögerten nicht, die Zweifel an der Haltung Weygands in Berlin zu stärken. Hitler ließ sich jedenfalls von alledem so stark beeindrucken, daß er Anfang Dezember Gegenmaßnahmen für den Fall eines Abfalls von Französisch-Afrika von der Vichy-Regierung vorbereiten ließ. In diesem Fall sollte der Waffenstillstand als gebrochen angesehen und das unbesetzte Südfrankreich schlagartig von deutschen Truppen in Besitz genommen werden, wobei das Entkommen der französischen Flotte aus Toulon soweit irgend möglich zu verhindern war. Die Weisung Nr. 19 für die Vorbereitung dieser mit dem Kennwort „Attila" bezeichneten Operation erging am 10. Dezember 1940 an die Wehrmachtteile
Das Schicksal wollte es, daß Hitler wenige Tage später durch unerwartete Ereignisse in Vichy in seinem Mißtrauen gegenüber Frankreich und gegen den Wert engerer Zusammenarbeit mit ihm bestätigt wurde. Laval, der zielbewußte Verfechter der Politik der Collaboration, der nach Montoire auch die Leitung des Außenministeriums übernommen hatte, wurde seit Bestehen der Vichy-Regierung von dem um Petain zum Abwarten geneigten Kreis seiner Ministerkollegen in zunehmendem Maße abgelehnt. Diese Ablehnung traf sowohl die grundsätzliche Konzeption seiner Politik als auch die Methoden, mit denen er sie verfolgte. Laval, der die Opposition gegen seine Pläne innerhalb der Regierung sehr gut kannte, hatte, um allen Querschüssen aus dem Wege zu gehen, seine häufigen Zusammentreffen mit Abetz in Paris höchst persönlich gehandhabt und die Mehrzahl der Minister nur in dem ihm geeignet erscheinenden Umfange in Kenntnis gehalten. Die Folge waren wachsendes Mißtrauen bei diesen und schließlich eine regelrechte Verschwörung mehrerer Minister mit dem Ziel der Beseitigung Lavals. Es gelang, Petain von der Notwendigkeit dieser Maßnahme zu überzeugen, und am 13. Dezember wurde der gerade von der letzten militärischen Besprechung aus Paris zurückgekehrte Laval durch eine kurze Erklärung des Marschalls seiner Ämter enthoben und gleichzeitig auf seinen Besitz Chateidon unweit Vichy unter eine Art Hausarrest gesetzt. Zum neuen Außenminister ernannte Petain den früheren Deputierten der Rechten und Ministerpräsidenten Flandin. In dem richtigen Gefühl, daß dieser Wechsel entscheidend auf das deutsch-französische Verhältnis einwirken würde, richtete Petain noch am 13. Dezember ein persönliches Schreiben an Hitler, in dem er für die Beseitigung Lavals ausschließlich persönliche und innenpolitische Gründe geltend machte und ausdrücklich versicherte, daß sich dadurch an der in Montoire eingeleiteten Zusammenarbeit nichts ändern solle
Die Nachricht über den Coup in Vichy schlug im Führerhauptquartier wie eine Bombe ein. Hitler empfand die Ausschaltung des Mannes, auf den er für die Gestaltung des deutsch-französischen Verhältnisses gesetzt hatte, als beleidigenden Angriff auf sein Prestige. Verstärkt wurde diese Wirkung dadurch, daß der Streich von Vichy von Hitler gewissermaßen als Antwort auf eine Geste empfunden wurde, mit der er selbst soeben der Großherzigkeit des Siegers gegenüber dem geschlagenen Frankreich symbolhaft hatte Ausdruck geben wollen. Am 11. Dezember hatte er der französischen Regierung mitteilen lassen, daß am 15. Dezember, dem Jahrestag der Heimkehr der Gebeine Napoleons I. nach Paris, der Sarg mit der Asche des Kaisersohnes, des Herzogs von Reichstadt, aus Wien überführt und in Paris dem französischen Volke zur Auf-Stellung im Invalidendom übergeben werden sollte. Abetz hatte den alten Marschall etwas formlos und kurzfristig eingeladen, an dieser Zeremonie teilzunehmen, worauf dieser abgelehnt und den Admiral Darlan mit seiner Vertretung beauftragt hatte. Die als eindrucksvolle Schaustellung eines neuen Geistes in den deutsch-französischen Beziehungen gedachte Feier büßte unter dem Eindruck der Ereignisse in Vichy ihre Wirkung ein und fand auch in der französischen Öffentlichkeit nur ein sehr begrenztes Echo.
Hitler glaubte jedenfalls, alle seine inneren Vorbehalte gegenüber Frankreich in erschrekkendem Umfange bestätigt zu sehen. Ribbentrop und diesmal auch Abetz, der sich persönlich brüskiert fühlte, bestärkten ihn in seiner zornigen Reaktion. Zunächst wurde beschleunigte Bereitschaft für die Durchführung des Unternehmens „Attila" befohlen. Dann wurde am
Abetz traf am 16. Dezember unter dem Geleit bewaffneter Panzerspähwagen in Vichy ein und unterbreitete dem Marschall am folgenden Tage die deutschen Forderungen. In der langen und peinlichen Auseinandersetzung hat Petain es verstanden, Abetz zu beruhigen, ohne dem deutschen Druck in wesentlichen Punkten nachzugeben. Die Rückberufung Lavals und die Umbesetzung von Ministerposten machte er vom Ausgang eingeleiteter Untersuchungen abhängig, die Bildung des Direktoriums versprach er in Erwägung zu ziehen. Nur in zwei Punkten hatte Abetz einen sofortigen Erfolg: Zum Generalbevollmächtigten der französischen Regierung in Paris wurde der eng mit Laval verbundene Botschafter de Brinon ernannt, Laval selbst aber, der auf freien Fuß gesetzt wurde, durfte Abetz mit nach Paris nehmen. Die Abfahrt des gestürzten stellvertretenden Regierungschefs aus Vichy im Wagen des deutschen Botschafters war kaum geeignet, sein Prestige in den Augen seiner Landsleute zu erhöhen.
Petain versuchte in den folgenden Tagen mehrfach, zuletzt durch Darlan, den Hitler am 25. Dezember in Ferriere-sur-Epte nordwestlich Paris empfing, seinen unveränderten Willen zur Zusammenarbeit zu bekräftigen, in der Frage der Rückberufung Lavals gab er aber nicht nach. Hitler fertigte Darlan höchst ungnädig ab und beharrte in seiner abweisenden Haltung. Er glaubte nicht an die innenpolitischen Gründe der Kaltstellung Lavals, sondern sah dahinter das Wirken Weygands und des diesen lenkenden Englands. Dies traf zur damaligen Zeit nicht zu, in der Weygand nach Übernahme des Oberbefehls in Französisch-Afrika seine Aufgabe darin erblickte, die Autorität der Vichy-Regierung im französischen Kolonialreich gegen alle äußeren Einflüsse, mochten sie von den Achsenmächten oder von der Seite Englands und de Gaulles ausgehen, aufrechtzuerhalten. Nur dadurch, daß er Französisch-Afrika fürs erste aus unmittelbaren Konflikten heraushielt, glaubte er es dereinst zur Keimzelle der französischen Wiedererhebung, wie er sie erhoffte, machen zu können.
Richtig war aber an der Auffassung Hitlers, daß die Auseinandersetzungen in Vichy keineswegs nur die mißliebige Person Lavals betrafen, sondern sehr tief von Meinungsverschiedenheiten über die grundsätzliche Richtung der französischen Politik beeinflußt waren. Die Fäden nach England wurden nicht, wie man deutscherseits glaubte, von Weygand, sondern von gewissen Persönlichkeiten der Regierung in Vichy mit Wissen und Teilnahme Petains gesponnen, dessen politischer Konzeption des vorsichtigen Steuerns zwischen den kriegführenden Parteien dies durchaus entsprach. So hatte im Oktober 1940, fast genau zur Stunde von Montoire, der französische Professor Rougier mehr oder minder im Auftrage Petains mit der englischen Regierung in London über die Sanierung des französisch-englischen Verhältnisses, insbesondere über die Milderung der Blockade und einen Verzicht Englands auf weitere Aktionen gegen das französische Kolonialreich, verhandelt 16). Einige Wochen später, in den ersten Dezembertagen, wurden ähnliche Besprechungen im Auftrage der englischen Regierung durch den kanadischen Geschäftsträger in Vichy geführt. In beiden Fällen kam es sogar zur Formulierung gewisser Vereinbarungen, deren endgültige Anerkennung durch die britische Regierung allerdings umstritten geblieben ist. Auf jeden Fall zeigen diese Vorgänge, wie innerhalb der Regierung von Vichy verschiedene politische Tendenzen nebeneinander herliefen, wobei die rechte Hand oft nicht wußte, was die linke tat.
So war es wohl nicht ganz unbegründet, daß das ohnehin nicht große Vertrauen Hitlers in die Aussichten einer neuen Frankreichpolitik durch den Sturz Lavals tief erschüttert wurde und blieb. Zwar wurde eine Verschärfung der Lage bis zur Besetzung von Südfrankreich und damit zur Außerkraftsetzung des Waffenstillstandes vermieden, die militärischen Verhandlungen über die geplanten Operationen in Afrika schliefen aber ein. Bei den politischen Verhandlungen war das nicht einmal nötig, da sie noch gar nicht begonnen hatten. Das deutsch-französische Verhältnis gründete sich in den folgenden Monaten auf die Klauseln des Waffenstillstandsvertrages, wobei man deutscherseits nur bemüht war, das Interesse der französischen Regierung an der Behauptung des Kolonialreiches wachzuhalten, die dafür zu bewilligenden Machtmittel aber möglichst zu beschränken. Unmittelbare Nachteile ergaben sich aus dieser Zurückhaltung fürs erste nicht, da die Engländer und de Gaulle zu Beginn des Jahres 1941 keine neuen Zugriffe auf den Vichy-treuen Kolonialbesitz versuchten. Erst die Ereignisse im Nahen Osten sollten im Frühjahr 1941 die deutsch-französischen Beziehungen wieder in Bewegung bringen.
II. Darlan als Verhandlungspartner Februar 1941 bis April 1942
1. Auftakt der Regierung Darlan
Die nach dem Sturz Lavals am 13. Dezember 1940 gebildete französische Regierung, in der Flandin als Außenminister eine unabhängige und abwartende Außenpolitik durchzusetzen sich bemühte, trug von Anfang an den Charakter eines Provisoriums. Von deutscher Seite entfaltete der Botschafter Abetz seine ganze Betriebsamkeit, um Laval trotz der Ablehnung Petains wieder in die Regierung zurückzuführen. Aber auch in der eigenen Regierung fand Flandin keine Resonanz. Die seit dem 13. Dezember 1940 bestehende Spannung in den Beziehungen zur deutschen Regierung, die sich durch mancherlei Verhärtungen der Besatzungspolitik unangenehm fühlbar machte, bestärkte Darlan und eine Anzahl anderer Minister in der Überzeugung, daß der in Montoire eingeschlagene Weg der Collaboration weitergegangen werden müsse, wenn Frankreich nicht alle Chancen verlieren wollte, bei dem noch für wahrscheinlich gehaltenen Sieg Deutschlands einigermaßen glimpflich davon-zukommen.
Da: Tauziehen zwischen Abetz und Vichy um die Neubildung der französischen Regierung nahm Anfang Februar 1941 einen überraschenden Ausgang, der Petain der unerwünschten Notwendigkeit, Laval zurückzurufen, enthob. Hitler, der den Geschmack an der Zusammenarbeit mit Frankreich verloren hatte, ließ Abetz anweisen, nicht weiter auf der Rückkehr Lavals zu bestehen, demgegenüber die deutsche Politik gewisse Bindungen eingegangen war, aus denen Hitler sie jetzt wieder zu lösen wünschte
Die deutsche Reaktion auf alle diese französischen Annäherungsversuche war kühl und abweisend. Die für die deutsche Kriegführung nutzbar zu machenden Zugeständnisse wurden angenommen, ohne daß man zu nennenswerten Gegengaben aus dem Katalog der französischen Wünsche auf Verstärkung der Streitkräfte oder Milderung der Besatzungspolitik bereit gewesen wäre. „Der Waffenstillstands-vertrag und die strenge Kontrolle seiner Durchführung bleibt die alleinige Grundlage unserer Beziehungen zu Frankreich" — so ließ Hitler die deutschen Organe, die mit französischen Stellen zu verhandeln hatten, anweisen
2. Die Nahostepisode und die Pariser Protokolle — der zweite Versuch einer Collaboration
Ende April 1941 brach im Irak ein Aufstand gegen die unter englischem Einfluß stehende Regierung des Landes aus, der in der Folge zu Kampfhandlungen gegen die englischen Besatzungstruppen führte. Deutscherseits hatte eine gewisse Fühlungnahme mit den irakischen Nationalisten, die die Träger des Auf-standes waren, bestanden, ohne daß man dabei bereits in konkrete Erwägungen über die deutschen Möglichkeiten für eine Unterstützung des Aufstandes eingetreten war. Als in den ersten Maitagen Hilferufe aus dem Irak ertönten, mußte improvisiert werden. Mit Rücksicht auf die Neutralität der Türkei kam nur der Luftweg für die Zuführung von Kriegsgerät nach Bagdad in Frage. Um die geringe Leistungsfähigkeit des Lufttransportes und die technischen Schwierigkeiten der großen Entfernung auszugleichen, bot sich die Ausnutzung der dem Irak vorgelagerten französischen Mandatsgebiete von Syrien und Libanon an, in denen die Italiener bisher eine sehr lockere Waffenstillstandskontrolle ausgeübt hatten. Jetzt war Hitler bereit, mit Vichy zu verhandeln.
Am 6. Mai trafen sich General Vogl, seit Februar 1941 Vorsitzender der Deutschen Waffenstillstandskommission, und Darlan in Paris. Vogl trug die deutschen Wünsche vor, und Darlan sah die erwünschte Stunde gekommen, Frankreich wieder in das politische Spiel ein-18 zuschalten, so daß man sich schnell einig wurde: Die französische Regierung stellte nicht nur einen syrischen Flugplatz zur Zwischenlandung für die nach Bagdad fliegenden deutschen Flugzeuge zur Verfügung, sondern erklärte sich auch bereit, aus den auf Grund der Waffenstillstandsverträge in Syrien „stockierten“ Beständen Waffen und Munition an die irakischen Aufständischen zu liefern. Auf deutscher Seite war man jetzt auch zu einigen Zugeständnissen bereit, unter denen eine gewisse Lockerung des Verkehrs über die Demarkationslinie, die Senkung der Besatzungskosten von 20 auf 15 Millionen Reichsmark je Tag und die Zusage der Entlassung der Kriegs-gefangenen, die bereits am Ersten Weltkrieg teilgenommen hatten — mit Ausnahme der Offiziere —, auf die Franzosen besonderen Eindruck machten.
Tatsächlich schien die Politik der Collaboration zu neuem Leben erwacht. Am 11. und 12. Mai empfing Hitler auf dem Berghof Dar-lan zu persönlicher Aussprache. Hitlers konziliante Form von Montoire war dabei allerdings einer kühlen und überlegenen Sieger-haltung gewichen. Er setzte Darlan auseinander, daß von den drei möglichen Wegen, die Vichy gehen könne, mit England, zwischen den Parteien oder mit Deutschland, allein der letztere Weg Frankreich vor der endgültigen Vernichtung schützen werde. Einem feindlichen Frankreich drohte er mit territorialer Zerstückelung, einem Frankreich, das Deutschland zu helfen bereit sei, stellte er dagegen einen glimpflichen Frieden in Aussicht. Von der Möglichkeit eines echten Bündnisses war allerdings nicht mehr die Rede. Das deutsch-französische Verhältnis sollte nach Hitler auf ein kühles Geschäft aufgebaut werden: für wertvolle französische Zugeständnisse sei er von Fall zu Fall zu entsprechenden deutschen Gegengaben bereit. Das Prinzip „do ut des" sollte diesem Handel zugrunde liegen. Darlan war nichtsdestoweniger von der gebotenen Aussicht befriedigt. Es mag sein, daß ihm das von Hitler angebotene Verfahren sogar einen gewissen taktischen Spielraum zu verheißen schien. bekannte Jedenfalls er sich nach Rückkehr nach Vichy gegenüber seinem Kabinett eindeutig zu der neuen Form der Collaboration und zeigte sich bereit, alsbald über ihre praktische Durchführung mit dem Beauftragten des deutschen Oberkommandos der Wehrmacht, General Warlimont, zu verhandeln.
Diese Besprechungen fanden vom 21. bis 28. Mai in der deutschen Botschaft in Paris statt und führten zu einer dreiteiligen Vereinbarung, die in der Folge als „Pariser Protokolle" bezeichnet wurde. Der erste Abschnitt legte lediglich die Maßnahmen zur Unterstützung des Aufstandes im Irak, die seit dem 6. Mai bereits praktisch im Gange waren nochmals schriftlich fest, im zweiten und dritten Teil erklärte sich die französische Regierung aber zu neuer und wirkungsvoller Unterstützung der deutschen Kriegführung in Afrika bereit. Sie sagte im zweiten Teil zu, den Nachschub für das deutsche Afrika-Korps in Libyen auf französischen Schiffen von Toulon nach Biserta und von dort auf dem Landwege durch Tunesien nach Tripolitanien zu ermöglichen, und versprach im dritten Teil schließlich, den westafrikanischen Hafen Dakar als Versorgungsstützpunkt für deutsche Unterseeboote und Handelsschiffe, später auch für Überwasserstreitkräfte und Flugzeuge zur Verfügung zu stellen. An beiden Maßnahmen war die deutsche Kriegführung auf das lebhafteste interessiert, nachdem es einerseits der italienischen Flotte und der Luftwaffe der Achsenmächte nicht gelungen war, den See-transport von Süditalien nach Tripolis in ausreichendem Umfange zu sichern, und andererseits die Kampflage im Mittelmeer die Engländer veranlaßt hatte, ihre für den Nahen Osten bestimmten Transporte zunehmend über den Südatlantik und dann entweder auf einer Flugpiste quer durch Zentralafrika oder zur See um das Kap der Guten Hoffnung herum zu leiten. Den französischen Zusagen waren in den drei Teilen des Protokolls jeweils gewisse deutsche Zugeständnisse für Verstärkung der französischen Streitkräfte im afrikanischen Kolonialreich gegenübergestellt, wobei auch der Plan von Ende 1940, die Souveränität Vichys in dem abgefallenen Äquatorial-Afrika wiederherzustellen, Berücksichtigung fand. Bei diesen Verhandlungen war sich Darlan durchaus klar darüber, daß die geplante Unterstützung der deutschen Kriegführung, so sorgfältig sie auch getarnt werden sollte, Frankreich über kurz oder lang in einen bewaffneten Konflikt mit England führen mußte. Die deutscherseits bewilligte Verstärkung der französischen Verteidigungsmittel schien ihm keine ausreichende Sicherung gegen eine solche Entwicklung zu bieten; diese warf vielmehr grundsätzliche Fragen auf, die ihm eine Klarstellung des deutsch-französischen Verhältnisses auch auf politischem Gebiet zu erfordern schienen. Er unterzeichnete daher die militärischen Vereinbarungen erst, nachdem sich Botschafter Abetz bereit gefunden hatte, ihnen ein politisches Zusatzprotokoll anzuhängen, nach dem die militärischen Maßnahmen in West-und Äquatorial-Afrika erst eingeleitet werden sollten, wenn die Reichs-regierung die französische Regierung durch geeignete politische und wirtschaftliche Zugeständnisse in die Lage versetzt haben würde, einen möglichen bewaffneten Konflikt mit England vor der öffentlichen Meinung ihres Landes zu rechtfertigen
Trotz dieser Sicherung fand Darlan bei seiner Rückkehr nach Vichy nicht die ungeteilte Zustimmung Petains und der Minister zu dem Verhandlungsergebnis von Paris. Die Opposition verschärfte sich, als am 2. Juni der von Petain herbeigerufene Weygand in Vichy erschien und die Durchführung der Abmachungen über den Nachschub durch Tunesien und die Einrichtung eines deutschen Stützpunktes in Dakar rundweg verweigerte, solange er die Verantwortung für die Sicherheit Französisch-Afrikas trage. Darlan begann zu schwanken und verfiel schließlich auf den Ausweg, das erwähnte politische Zusatzprotokoll zunächst einmal zum Kampf um Zeitgewinn gegenüber der deutschen Regierung auszunutzen. Am 7. Juni ließ er dem Botschafter Abetz eine Note übergeben, in der ein Katalog politischer Forderungen angemeldet wurde, die praktisch bereits die Vorwegnahme des künftigen Friedensvertrages bedeuteten. Weygand war beruhigt nach Afrika zurückgekehrt; er und seine Gesinnungsfreunde in Vichy waren überzeugt, daß das Todesurteil über die Pariser Protokolle gesprochen sei, da sie mit Recht die französischen Forderungen als indiskutabel für die deutsche Regierung ansahen.
Die Collaborations-Politik Darlans hatte damit in ihren ersten Anfängen jeden Schwung verloren, ohne daß das auf deutscher Seite zunächst voll erkannt wurde. Der Gang der Ereignisse in Syrien trug nicht dazu bei, sie zu beleben. Die über Syrien gewährte Unterstützung hatte den baldigen Zusammenbruch des Aufstandes im Irak nicht verhindern können. Die Engländer aber, denen die französische Hilfeleistung selbstverständlich nicht verborgen geblieben war, schritten nun zum willkommenen Strafgericht am syrischen Mandatsgebiet; am 8. Juni überschritten britische Truppen, unterstützt durch freifranzösische Verbände, von Palästina aus die syrische Grenze. Die Vichy-Regierung entschloß sich, teils aus Gründen ihres Prestiges, teils unter dem Druck der Waffenstillstandsbedingungen, zum bewaffneten Widerstand, den ihre schlecht ausgerüsteten Levantetruppen unter Führung des Generals Dentz gehorsam, aber ohne starke innere Überzeugung aufnahmen und durchführten.
Die folgenden Wochen brachten gemeinsame deutsch-französische Bemühungen, die Widerstandskraft in Syrien zu erhöhen. Französische Verstärkungen wurden teils auf dem Luftwege über das deutschbesetzte Griechenland, teils zu Lande mit der Bahn bis Saloniki und von dort auf französischen Kriegsschiffen nach Syrien in Marsch gesetzt. Zeitweise dachte Darlan daran, das Gros der französischen Flotte aus Toulon demonstrativ ins östliche Mittelmeer zu entsenden. Pläne zum unmittelbaren Einsatz deutscher Fliegerverbände in Syrien scheiterten an der Zurückhaltung Vichys, wo man sich nicht durch offenes Zusammengehen mit Deutschland auf einen Weg, der keine Umkehr zuließ, drängen lassen wollte. So blieb es schließlich überall bei halben Maßnahmen. Das Schicksal des französischen Mandatsgebietes war mit solchen Mitteln nicht zu retten. Am 14. Juli mußte General Dentz, innerlich aufatmend, einen einigermaßen ehrenhaften Waffenstillstand schließen. Syrien und der Libanon gingen in die Hände der Engländer und freien Franzosen über, während den Vichy-Truppen nach Abgabe aller schweren Waffen freier Abzug auf dem Seewege nach Frankreich gewährt wurde.
Während dieses Drama abrollte, hatte sich das deutsche Oberkommando bemüht, durch in Paris geführte technische Verhandlungen die Durchführung des zweiten Teils der Pariser Protokolle, den Nachschub über Tunesien, in Gang zu bringen. Auf dem Papier kam es dabei zu gewissen Vereinbarungen, die praktische Ausführung stieß aber erneut auf den bekannten französischen Vorbehalt: ohne Klärung der politischen Grundlage sei die Vichy-Regierung — jetzt besonders im Angesicht der Katastrophe in Syrien — nicht in der Lage, neue unabsehbare Risiken einzugehen. Diesen Standpunkt bekräftigte Darlan schließlich am 14. Juli durch Übergabe einer neuen Note, in der er über die Einzelforderungen vom 6. Juni hinausging und offen den Wunsch aussprach, das Waffenstillstandsstatut so bald wie möglich durch Präliminarfriedensverträge mit Deutschland und Italien zu ersetzen
Den Wünschen Darlans setzte Hitler daher unverhohlene Ablehnung entgegen; er brauchte Frankreich nicht mehr. Abetz mußte Darlan eine ausweichende Antwort geben. Alle anderen mit Frankreich verhandelnden Stellen erhielten die Weisung, kalte Zurückhaltung zu zeigen und sich erneut auf die strikte Durchführung der Waffenstillstandsbedingungen zurückzuziehen 22). Die Regierung von Vichy stand erneut, ähnlich der Lage nach dem Sturz Lavals, dem unversöhnlichen Sieger gegenüber.
3. Deutsch-französische Spannung —zweites Halbjahr 1941
Wenn auch die Erkaltung der Beziehungen zu Deutschland von den entschiedenen Gegnern der Zusammenarbeit, an ihrer Spitze Weygand, lebhaft begrüßt wurde, so fühlte sich Darlan in dieser Lage keineswegs wohl. Zunächst führte die bestehende Spannung zwangsläufig zu einer Verhärtung der Besatzungspolitik mit überaus lästigen Folgen für das innere Leben und die Wirtschaft Frankreichs. Abgesehen von diesen augenblicklichen Schwierigkeiten war Darlan sich aber keineswegs sicher, ob nicht doch ein schneller deutscher Sieg im Osten in Aussicht und damit vor Frankreich die Notwendigkeit stände, seine Politik aus dem Schwanken heraus in eine klare Richtung zu lenken.
Die Rückwirkungen des deutschen Vorgehens gegen die Sowjetunion auf das deutsch-französische Verhältnis waren daher widerspruchsvoll. An sich hatten die konservativen Kreise um Petain und die Initiatoren der sogenannten „nationalen Revolution" durchaus Verständnis für die ideologische Note des „Kreuzzugs gegen den Bolschewismus". Die französische Regierung zögerte daher nicht, die diplomatischen Beziehungen zur Sowjetunion abzubrechen und der innerfranzösischen Propaganda gegen den Kommunismus freie Bahn zu geben. Diese Atmosphäre brachte auch der „nationalen Revolution" auf dem Gebiete der Innenpolitik einen neuen Aufschwung. Am 12. August 1941 kündigte Petain in einer feierlichen Proklamation eine Reihe von politischen Reformen an, die eindeutig auf die weitere Festigung einer streng autoritären Regierungsform abzielten
Abetz und seine französischen Freunde — an deren Spitze Jacques Doriot und Marcel Deat — unternahmen nach dem Beginn des Krieges gegen die Sowjetunion den Versuch, die aktive Beteiligung eines französischen Kontingents an diesem „europäischen Kreuzzug" zu erreichen. Das Ergebnis war allerdings überaus mager; nicht zuletzt infolge der Weige-rung Hitlers, Frankreich irgendeine Möglichkeit militärischer Rehabilitierung zu geben, blieb es bei der Aufstellung der halb privaten Legion des volontaires franais contre le bolchevisme" in Stärke eines Infanterie-Regiments. Letzten Endes war die Regierung in Vichy wohl gar nicht unglücklich darüber, daß ihr die Übernahme der offiziellen Verantwortung in dieser Angelegenheit erspart blieb.
Höchst unangenehme Weiterungen für das deutsch-französische Verhältnis ergaben sich aber daraus, daß die französische kommunistische Partei nach dem deutschen Angriff auf die Sowjetunion aus Zurückhaltung bisherigen gegenüber der Besatzungsmacht heraustrat und zum illegalen Kampf gegen diese überging. Die bisher allein von nationalistischen Kreisen getragene und ernstlich kaum fühlbare Resistance erhielt dadurch einen merklichen Aufschwung, der sich durch eine Folge von Attentaten gegen deutsche Wehrmachtangehörige und von Sabotageakten gegen Verkehrseinrichtungen ankündigte. Die deutschen Besatzungsbehörden reagierten auf persönlichen Befehl Hitlers auf die Provokation in einer Weise, wie es sich die Gegner Deutschlands nicht besser wünschen konnten: Auf jedes Attentat folgte die Erschießung einer größeren Anzahl von „Geiseln", in der Mehrzahl von seit längerer Zeit in Haft befindlichen französischen Kommunisten, die unmittelbar nichts mit den Attentaten zu tun gehabt hatten. Die französische Regierung protestierte wiederholt. Petain dachte im Oktober 1941 sogar daran, sich selbst als Geisel anzubieten, um den Erschießungen ein Ende zu setzen
Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser Schwierigkeiten, die das deutsch-französische Verhältnis belasteten, gab aber Darlan seine Versuche, einen neuen Modus vivendi herzustellen, nicht auf. Wenn er auch im Grundsätzlichen an dem Standpunkt festhielt, daß die Durchführung der Pariser Protokolle in Afrika ohne deutsche politische Vorleistungen nicht verantwortet werden könne, so bemühte er sich doch, den guten Willen Frankreichs durch die Erfüllung einer Anzahl deutscher Einzelwünsche darzutun. Diese Zugeständnisse bezogen sich im wesentlichen auf französische Hilfe bei der immer problematischer werdenden Versorgung des deutschen Afrika-Korps. So überließen die Franzosen durch Verkauf aus nordafrikanischen Beständen Geschütze und Munition, Kraftfahrzeuge, Lagergerät, Lebensmittel und aus bezogene Amerika Treibstoffe, die alle über die tunesisch-libysche Grenze den Truppen Rommels zugeführt wurden. Das war zwar nicht der großzügige Nachschub über Biserta, den sich das Oberkommando der Wehrmacht bei den Maiverhandlungen erhofft hatte, brachte aber immerhin eine kleine Entspannung für die kritische Versorgungslage in der Cyrenaika.
Es konnte nicht ausbleiben, daß diese Zugeständnisse den Widerstand Weygands gegen Darlan wieder auf den Plan riefen. Wo Weygand mit offenem Einspruch nicht durchdrang, suchte er die Durchführung der von Vichy befohlenen Maßnahmen durch passive Resistenz und Sabotage zu verhindern oder zu verzögern. Als Hauptgrund für seine Opposition machte er geltend, daß die Versorgung Nordafrikas mit Lebensmitteln und lebensnotwendigen Gütern durch die USA, die er mit Mühe ausgehandelt habe, durch eine französische Unterstützung der Achsenmächte in Libyen ernstlich gefährdet werden müsse — ein Argument, das sich nach dem Verlauf der Ereignisse als nicht stichhaltig erwies, da die Amerikaner schon damals die nordafrikanische Position für die künftige Entwicklung des Krieges als viel zu wichtig ansahen, als daß sie aus Empfindlichkeit gegenüber den deutsch-französischen Geschäften freiwillig ihren dortigen Einfluß aufgegeben hätten. Die Ereignisse des November 1942 warfen schon jetzt ihre Schatten voraus. Schließlich wurde Darlan es müde, seine Politik ständig durch den ihm lästigen Aufpasser aus Algier kontrollieren zu lassen. Wiederholte Hinweise von deutscher Seite, daß man dort schärfstes Mißtrauen gegen Weygand hege und daß dessen Persönlichkeit ein entscheidendes Hindernis für die Besserung der deutsch-französichen Beziehungen sei, trugen zu dem Entschluß Darlans bei, zum Angriff überzugehen. Anfang September forderte er erstmalig von Petain die Erweiterung seiner Machtbefugnisse durch Übertragung des Oberbefehls über alle drei Wehrmachtteile und die Zusammenfassung der Nachrichtendienste der verschiedenen Ressorts und Dienststellen beim Amt des stellvertretenden Regierungschefs. Das Ziel war deutlich: eine eigene Politik Weygands zu verhindern. Diesem gelang es zwar zunächst mit Hilfe Petains noch, sich zu behaupten. Darlan ließ aber nicht locker und gelangte Mitte November 1941 ans Ziel. Den äußeren Anlaß für die Entscheidung Petains gab eine Aussprache mit Abetz, den er am 12. November nach der Beisetzung des bei einem Fluzeugunglück ums Leben gekommenen Generals Huntziger empfing, und der auf seine Beschwerden über die Härte der deutschen Besatzungspolitik mit aller Deutlichkeit deren Milderung davon abhängig machte, daß Weygand verschwände. Die Ereignisse in Vichy nahmen dann einen schnellen Verlauf. Am 18. November wurde Weygand von seinem Posten abberufen und als militärischer Oberbefehlshaber in Afrika durch den im Juli 1941 aus deutscher Kriegsgefangenschaft entlassenen General Juin ersetzt. Die ihm angebotene Verwendung in einer politischen Sinekure innerhalb der Regierung lehnte Weygand ab; er zog sich auf seinen Ruhesitz in der Provence zurück.
Auf deutscher und auf französischer Seite knüpfte man an die Entlassung Weygands ganz verschiedene Hoffnungen. Dem deutschen Oberkommando ging es darum, nunmehr endlich den Nachschub durch Tunesien, wie im Pariser Protokoll vereinbart, in Gang zu bringen. Die Frage schien um so dringlicher, als das deutsche Afrika-Korps sich in Libyen seit dem 18. November starkem englischen Druck ausgesetzt Der französischen Regierung sah.
dagegen ging es allein um die Milderung der harten deutschen Besatzungspolitik und um die Verbesserung der Lebensverhältnisse für das französische Volk. An eine ernsthafte militärische Zusammenarbeit mit Deutschland dachte sie dabei längst nicht mehr; die kritische Verschärfung der Kriegslage für Deutschland in Rußland und Libyen mochte solche Pläne damals auch nicht gerade verlockend erscheinen lassen. Unter dieser Divergenz der Ziele stand denn auch die Begegnung zwischen Göring auf der einen und Petain und Darlan auf der anderen Seite am 1. Dezember 1941 in St. Florentin-en-Bourgogne, zu der man sich deutscherseits nunmehr endlich bereit gefunden hatte, wobei es bezeichnend war, daß sich Ribbentrop in seiner Abneigung gegen jedes politische Gespräch mit den Franzosen völlig aus den Verhandlungen heraushielt. Die Aussprache verlief ergebnislos und für beide Seiten enttäuschend: Göring war mit seinem Drängen auf den Nachschub über Tunesien auf die alten Einwände gestoßen, und Petain hatte mit seinen Sorgen kein größeres Glück gehabt, Göring nahm ihm ein umfangreiches Memorandum über die französischen Beschwerden und Wünsche nicht einmal ab. Trotz dieser Mißerfolge wurden die Verhandlungen fortgesetzt. Das Interesse hieran ergab sich auf deutscher Seite aus der kritischen Lage in Libyen, wo das deutsche Afrika-Korps sich seit dem 10. Dezember 1941 in vollem Rückzug aus der Cyrenaika nach Westen befand, so daß die Notwendigkeit eines Ausweidiens aus Libyen über die tunesische Grenze bereits ernsthaft erwogen wurde. In diesem Falle wäre ein paradoxes völkerrechtliches Problem entstanden, indem die Truppen einer Sieger-macht durch einen Dritten auf das Gebiet des geschlagenen Gegners abgedrängt wurden, mit dem sie sich im Waffenstillstand befanden und dessen militärische Handlungen sie kontrollierten. Als neutrale Macht hätte Frankreich in diesem Falle die deutschen Truppen entwaffnen und internieren müssen, dem stand aber das Waffenstillstandsverhältnis zwischen Deutschland und Frankreich eindeutig entgegen. Um die durch diese Problematik erweiterte Tunis-Frage zu lösen, wurde der General Juin als Vertreter der französischen Regierung Mitte Dezember nach Berlin eingeladen, wo ihm Göring die Frage stellte, ob die französische Regierung nunmehr bereit sei, den Nachschub über Tunesien in getarnter Form zuzugestehen im eines und Falle erzwungenen Übertritts Rommels nach Tunesien gemeinsam mit den deutschen Kräften das Nachdrängen der Engländer zu verhindern. Die Ende Dezember gegebene französische Antwort war wiederum ausweichend, indem mit einer prinzipiellen Bejahung der gestellten Fragen Gegen-bedingungen für eine Revision des Waffenstillstandsstatuts verbunden wurden, die weder Hitler noch viel weniger aber Mussolini zu gewähren bereit waren. Es verlief also alles im Sande: Die Frage des Übertritts des Afrika-Korps erledigte sich durch Konsolidierung der Lage in Libyen, und der Tunis-Nachschub in der von den Achsenmächten gewünschten Form blieb weiter auf Eis gelegt. Auch getrennte italienische Versuche, eine Regelung dafür zu finden, die Mussolini nach einem Treffen Darlans mit Ciano am 9. Dezember 1941 >n Turin unternehmen ließ, hatten kein besseres Ergebnis.
So war denn der nach der Entlassung Weygands noch einmal unternommene Versuch, mit der militärischen Zusammenarbeit entsprechend den Pariser Protokollen wenigstens auf Teilgebieten Ernst zu machen, wieder gescheitert. Daran änderte auch eine Zusammenkunft des Großadmirals Raeder mit Darlan am 28. Januar 1942 nichts. Trotz äußerlicher Konzilianz drang man dabei zu echten militärischen Fragen gar nicht vor. Botschafter Abetz entfaltete zwar zur gleichen Zeit, angeregt durch eine Unterhaltung mit Hitler am 5. Januar 1942, der er wohl eine seinem Wunschdenken entsprechende, real nicht begründete Auslegung gab
4. Laval betritt wieder die Bühne
Nach dem ergebnislosen Verlauf der um die janreswende 1941/1942 geführten Verhandlungen blieben die deutsch-französischen Beziehungen auch in den ersten Monaten des Jahres 1942 verkrampft und kühl. Der letzte Grund hierfür war die Krise, die die deutsche Kriegführung zu dieser Zeit in Rußland durchzustehen hatte. Hitler lehnte es jedenfalls strikt ab, über irgendwelche Zugeständnisse an Frankreich zu sprechen, solange die militärische Situation Deutschlands nicht voll gefestigt und er dadurch in der Lage sein würde, die eindeutige Sprache des Siegers zu führen. Seine Verärgerung über Vichy erhielt zusätzliche Nahrung durch den Verlauf des Prozesses von Riom gegen die „Kriegsschuldigen" der Dritten Republik, der sich nicht, wie deutscherseits erwartet, mit der Schuld der französischen Staatsmänner am Kriegseintritt, sondern mit den Versäumnissen befaßte, die zur Niederlage Frankreichs geführt hatten. Als der erboste Hitler der französischen Regierung sein Mißfallen hierüber zum Ausdruck bringen ließ, hielt es diese für geraten, den ganzen Prozeß im April 1942 sang-und klanglos einschlafen zu lassen.
Der überzeugte Anhänger der Collaboration, der Botschafter Abetz, wollte sich aber noch nicht geschlagen geben. Nachdem eine Verständigung mit dem damaligen Leiter der französischen Politik, Darlan, sich als unmöglich erwiesen hatte, richtete er seine Pläne darauf, den noch immer beschäftigungslos wartenden Laval wieder ins Spiel zu bringen. Vielleicht würde sich Hitler diesem überzeugten Anhänger der Collaborations-Politik gegenüber geneigter zu einem Entgegenkommen zeigen. Die Bemühungen von Abetz stießen in Vichy auf einen nicht ganz unvorbereiteten Boden. Wenn auch die Zahl der Anhänger Lavals, die dessen Rückkehr zur Macht wünschten, sehr gering war, so war doch andererseits die Stellung Darlans innerhalb der Regierungskreise stark erschüttert. Man warf ihm vor, daß er mit seiner unklaren Deutschland-politik erneut gescheitert sei und nun machtlos neuen umfangreichen Forderungen des Reiches auf wirtschaftlichem Gebiet gegenüberstehe. Man diskutierte in Vichy daher die Frage einer Regierungsumbildung, ohne dabei allerdings zunächst an Laval zu denken.
Nun wiederholten sich in logischer Parallelität die Vorgänge vom Beginn des Jahres 1941, wo es Abetz schon einmal verboten worden war, die Wiedereinsetzung Lavals zu betreiben. Hitler erschien auch jetzt eine von Laval geführte Regierung in Vichy keineswegs wünschenswert, da er nicht daran interessiert war, das Gespräch über die Collaboration, auf das dieser zweifellos zusteuern würde, wieder zu eröffnen. Er ließ daher durch Göring, der Ende März 1942 in Paris mit Laval zusammentraf, diesem ausdrücklich abraten, ein Regierungs-amt zu übernehmen