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Staatsschule und Beamtenlehrer in Deutschland Eine Betrachtung zur historischen Entwicklung im 19. Jahrhundert | APuZ 30/1966 | bpb.de

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APuZ 30/1966 Staatsschule und Beamtenlehrer in Deutschland Eine Betrachtung zur historischen Entwicklung im 19. Jahrhundert

Staatsschule und Beamtenlehrer in Deutschland Eine Betrachtung zur historischen Entwicklung im 19. Jahrhundert

Harm Prior

1. Von der Kirchenschule zur Staatsschule

Das Mittelalter ist über Ansätze zu einem Schulwesen nicht hinausgekommen: Kloster-und Stiftsschulen der Kirche, Rats-und Klipp-schulen der Städte. Humanismus und Reformation bringen weitere Anstöße, aber erst mit Pietismus und Aufklärung beginnt in Deutschland die Geschichte der allgemeinen Volksschule als der Basis eines öffentlichen Schulwesens.

Besitz von den Schulen ergreift nun der Staat, der Staat des aufgeklärten Absolutismus. „Es soll der höchst schädlichen und dem Christentum unanständigen Unwissenheit vorgebeugt und abgeholfen werden, um auf die folgende Zeit in den Schulen geschicktere und bessere Untertanen (zu) bilden und (zu) erziehen." So steht es im Generallandschulreglement Friedrichs des Großen von 1763, und in einer königlich preußischen Circular-Verordnung von 1799 heißt es: „Wahre Aufklärung soviel zu seinem und dem allgemeinen Besten erfordert wird, besitzt unstreitig derjenige, der in dem Kreise, worin ihn das Schicksal versetzt hat, seine Verhältnisse und seine Pflichten genau kennt, und die Fähigkeit hat, ihnen zu genügen. Auf diesen Zweck sollte daher der Unterricht in allen Volksschulen eingeschränkt werden."

Die Unwissenheit der Untertanen widerspricht der Vernunft; ihre größere Geschicklichkeit soll auch ihr irdisches Glück fördern, aber obenan stehen Macht und Wohlfahrt des Staates. Das Ideal der Aufklärungsphilosophie ist der vernünftige Mensch, aber über ihn und sein Glück erhebt sich — bedingt durch die Staatsräson — die höhere Vernunft des Staates. Er ist die „überragende und zwingende Lebensmacht", er kann Mittel anwenden, „die die für das einzelne Individuum geltende Ethik verurteilt"

Exemplarische Bedeutung für das 18. Jahrhundert hat das Lebenswerk Friedrichs des Großen. Er entwickelt sich vom Philosophen zum Herrscher der Staatsräson. „Der Imperativ der Staatsnotwendigkeit .. . siegte jedes-mal ... auch über die Ideale seiner Aufklärungsphilosophie." So hat er eine besondere Bedeutung für die Entstehung einer spezifischen deutschen Staatsauffassung.

Wohl soll dieser Staat ein Kultürstaat und Rechtsstaat sein, ja später — bei Hegel — darüber hinaus die Verkörperung der sittlichen Idee, womit ein möglicher Gegensatz zwischen dem wirklichen und dem vernünftigen Staat einfach geleugnet wird; aber immer ist dieser Staat zuerst Macht, und immer wird er hier als losgelöst von den Individuen und über ihnen, den Untertanen, sich erhebend verstanden. Auch steht neben der allgemeinen Schulpflicht die allgemeine Wehrpflicht; es sind somit „zwei Prinzipien, mit deren Hilfe sich das Fundament . ..des neuzeitlichen Nationalstaates .. . begründen ließ"

Dreizehn Jahre nach Erlaß des Generallandschulreglements wird in der Unabhängigkeitserklärung der Vereinigten Staaten von 1776 zum ersten Male in der Geschichte das Streben nach Glück, „pursuit of happiness", zu einem der unveräußerlichen Rechte der Men-sehen erklärt und die Regierung als zur Sicherung dieser Rechte eingesetzt bestimmt. Damit manifestiert sich eine radikal andere Auffassung von Gesellschaft und Staat.

Landesgesetzliche Regelungen (in Preußen 1794 mit dem Allgemeinen Landrecht) erklären die Schulen für Veranstaltungen des Staates und schaffen den gesetzgeberischen Rahmen für Schulpflicht, Verwaltung und Einrichtung der Schulen, für Lehrpläne und Ausbildung der Lehrer und für die Aufsicht über sie. Dabei überträgt der Staat einige seiner Rechte an die Kirchen oder überläßt ihre Ausübung der schon bestehenden Kirchenordnung. (Die endgültige organisatorische Trennung von Staat und Kirche erfolgt in Preußen erst 1872) Dieser Zustand ist um 1800 etwa in allen deutschen Staaten erreicht.

Doch die realen schulischen Verhältnisse bessern sich nur sehr langsam und bleiben abhängig von der politischen und wirtschaftlichen Lage der Staaten, vom Wohlwollen und Verständnis der Herrscher oder von der Tat-kraft einzelner Minister. Immer wieder füllen Klagen über erbarmungswürdige Zustände die Darstellungen der Zeit So kann keineswegs behauptet werden, daß mit der Einrichtung der Staatsschule umgehend entscheidende Fortschritte in den Schulverhältnissen einsetzten.

2. Vom Schulmeister-Katecheten zum Beamtenlehrer

In den Schulen des Mittelalters unterrichten Geistliche, Studierende, Vaganten und Winkelschulmeister, und erst im Humanismus entwickeln sich die Anfänge eines weltlichen Lehrerstandes. Mit der Einrichtung der Staats-schule aber beginnt die Geschichte des Beamtenlehrers, denn das Unterrichten in den Schulen wird zu einer hoheitsrechtlichen Aufgabe. („Die Lehrtätigkeit an öffentlichen Schulen und Hochschulen gilt als hoheitsrechtliche Aufgabe." So heißt die traditionelle Formel noch heute, die den Beamtenstatus für den Lehrer begründet.) Damit werden die Lehrer wie die Unteroffiziere und die niederen Geistlichen „Produkte des wachsenden Herrschaftsapparates des modernen Staates"

Das Berufsbeamtentum kontinentaler Prägung, dessen Formen im absolutistischen Staat des 18. Jahrhunderts ertwickelt werden, beruht „auf dem Prinzip der lebenslänglichen Anstellung, auf strenger Weisungsgebundenheit, starker Kontrolle von oben nach unter, fester Besoldungsordnung und ausschließlicher Ernennung durch den Monarchen oder seinen Beauftragten"

Gleichzeitig bilden sich für die juristische, dann kameralistische Ausbildung der Fach-beamten die entsprechenden Normen heraus, und mit den Ausbildungsnormen hängt nun sehr wesentlich die unterschiedliche Entwicklung der beiden großen Lehrergruppen — der Lehrer an höheren und niederen Schulen — während der nächsten 100 Jahre zusammen. Ein typisches Beispiel für die Begründung einer Beamtengruppe durch eine entsprechende Prüfungsordnung sind die Gymnasiallehrer. Nachdem schon das Allgemeine Land-recht die Lehrer an Universitäten und Gelehrtenschulen zu Staatsbeamten erklärte erreichen sie diesen Status endgültig mit der Prüfungsordnung von 1810 im Zuge der neu-humanistischen Gymnasialreform.

Auch hier bleibt noch vieles im argen. Sie sind „ein rührendes Geschlecht, an Entsagungen gewöhnt, häufig mit einem kränklichen Körper behaftet, Folge des harten entbehrungsvollen Lebens, durch welches sie sich heraufgearbeitet hatten."

Dagegen gerät der Lehrer der niederen Schule in eine Zwitterstellung, die für das Selbstverständnis dieser größten Lehrergruppe, für ihren dann in den dreißiger und vierziger Jahren des 19. Jahrhunderts einsetzenden standespolitischen Kampf und für das Ansehen in der Gesellschaft von großer Bedeutung wird.

Die typische Gestalt des gemeinen Lehrers noch in den ersten Jahrzehnten des Jahrhunderts ist der Schulmeister-Katechet eine Benennung, die eine Aussage über die Ausbildung und über das gelehrte Bildungsgut enthält. „Was die Knaben und Jünglinge (der Seminare) durch Vor-und Nachmachen lernten, war die Anwendung einiger handwerklicher Grund-und Faustregeln für den Unterricht." Und über das neben den vermittelten Fertigkeiten zu lehrende Bildungsgut steht Luthers Wort, hier für beide Konfessionen geltend, daß „die fürnehmste und gemeinste Lektion die Heilige Schrift sein solle."

Zieht man die oben erwähnten Kriterien für das Berufsbeamtentum noch einmal heran, so treffen von ihnen für den Schulmeister-Katecheten zu: die strenge Weisungsgebundenheit durch Staat und Kirche, die straffe Kontrolle von oben und die Ernennung durch staatliche Organe nach einer vom Staat bestimmten, wenngleich armseligen Ausbildung. Was dem gemeinen Lehrer vorenthalten wird, ist die wirtschaftliche Sicherstellung. Er arbeitet vielfach nebenberuflich, und über seine Einkünfte bestimmen, von einem staatlichen Zuschuß abgesehen, die Gemeinden

Für die grundsätzliche, noch später zu erörternde Frage nach der Zweckmäßigkeit des Beamtenstatus für den Lehrer muß hier gesagt werden, daß die wirtschaftliche Sicherung ein wesentliches Motiv für die Lehrerschaft war, nach diesem Status zu streben.

Unzureichende Ausbildung und ungesicherte Existenz geben auch die Anstöße für die ersten Vereinigungen der Lehrer. Die ersten bilden sich bereits vor 1800. Es sind Selbsthilfe-einrichtungen, die der Weiterbildung und der gegenseitigen Hilfe dienen. Gemeinsame Sorgen und Wünsche bringen die Angehörigen eines neuen Standes zu gemeinsamem Handeln. So begleiten die Vereine die Sozialgeschichte der Lehrerschaft von Beginn an.

3. Volksbildung und Obrigkeitsstaat

Volksbildung, heute ein Begriff der Erwachsenenbildung, soll hier im Sinne Wilhelm von Humboldts verstanden werden, „daß Bildung, Weisheit und Tugend so mächtig und allgemein als möglich . . . herrschen" Die Hoffnung der Pädagogen und Philosophen auf eine Besserung des Menschen durch Bildung und Erziehung wächst mit dem Glauben an die Vernunft heran und wird ein Teil des allgemeinen Optimismus, der die Geister der Aufklärung erfaßt.

Bezeichnend ist ein Zitat Basedows von 1771 „auf einer Reise zur Beförderung des Elementarwerkes und der Schulverbesserung": „Dieses Jahrhundert ist die Zeit der Gährung des Guten mit dem Bösen. Das letzte wird sinken. Alsdann wird das 19.des Segens gereinigter Einsichten und Sitten genießen."

Erziehung und Bildung werden dabei als Ergebnis des Strebens jedes einzelnen Individuums verstanden — fern von staatlicher Einflußnahme. Dem jungen Humboldt erscheint (1792) „vom Staat angeordnete und geleitete Erziehung" bedenklich und Kant urteilt: „Alle Kultur fängt von dem Privatmann an und breitet von daher sich aus."

Der Gegensatz von absolutistischem Macht-staat und weltbürgerlicher Kultur ist noch evident. „Hier ein scharf berechnender Nützlichkeitssinn, eine nüchterne Verständigkeit und eine trockene Tugend, dort eine ungezwungene, freudige Erhebung der Seele, ein freies Emporblühen aller inneren Kräfte."

Andererseits tangieren die Konsequenzen einer allgemeinen Volksbildung die absolutistische Machtstruktur unmittelbar. Durch den Appell an die Kraft der Vernunft im Menschen wird ein folgenschwerer Prozeß in Gang gesetzt, der — indem er die Selbstbefreiung des vernünftigen Menschen anstrebt — zum Zusammenstoß mit der herrschenden Staatsform führen muß.

Dieser Prozeß spielt sich ebenfalls in der Schule ab, in der Schule, die sich unter den Forderungen der Staatsräson und bedingt durch die Herrschaftsstruktur des Absolutismus zur Staatsschule entwickelt hat.

Auch den Raum, der der Kirche verblieben ist, bedroht die Vernunft, ja gegen die kirchliche Bevormundung richtet sich die Autoritätsfeindschaft der Aufklärung zuerst. Nach langem gegeneinander um den Vorrang geführten Kampf stehen Staat und Kirche nebeneinander. Die Kirche betont die gemeinsame Ableitung beider Gewalten von der göttlichen Macht (Thomas von Aquin) und fordert den Gehorsam gegenüber der Obrigkeit (Luther), auch einer bösen Obrigkeit, während der absolutistische Staat Schirmherr der Staatskirche und Vollstrecker der Ordnung Gottes auf Erden ist und der Monarch seine Macht von der göttlichen Gnade ableitet und sich anmaßt über die Konfession seiner Untertanen zu bestimmen

So kämpfen Staat und Kirche in einem Zweck-bündnis zusammen, wenn sie mit der Volks-bildung die Gefahr der Revolution und der Gottlosigkeit heraufziehen sehen. Ihre Mittel sind Lehrstoff und Lehrplan, ihr Werkzeug ist der Beamtenlehrer. Die Folgen der Reglementierung und des Dirigismus sind eine Schule, in der in äußerlich erbärmlichen Zuständen der freie Geist verkümmert, eine Schule, die als ein Instrument des Staates einen wesentlichen Beitrag zur Heranzüchtung von Untertanen leisten muß, und ein Lehrerstand, der zum Kriechertum verurteilt ist

Dabei soll nicht übersehen werden, daß der Prozeß der menschlichen Selbstbefreiung die Gefahr der Anarchie und des Atheismus in sich birgt. Das zeigt bereits die Französische Revolution. Gott, als primum movens in der Aufklärung schon entthront, wird hier ersetzt durch einen Kult der Vernunft, und der erste Versuch einer plebiszitären Demokratie endet mit einer totalitären Schreckensherrschaft. Das muß verhindert werden; doch „die Flucht vor der Aufklärung" ist unmöglich, denn „diese wird nicht abgeschlossen sein, solange der menschliche Gedanke fortfährt...“ Das Ergebnis braucht nicht das Chaos zu sein, sondern kann eine Humanisierung durch „Intellektualisierung" sein ein Prozeß, der nicht aufhört und zu einer permanenten Aufgabe der Pädagogik wird.

Die Auswirkungen der Französischen Revolution und der napoleonischen Herrschaft bringen eine bedeutungsvolle Annäherung zwischen den geistigen und politischen Kräften in Deutschland zustande. Einerseits entsteht in der Revolution „das aufgeklärte schulpädagogische Grundmodell" (ausgehend von Con-dorcets Nationalerziehungsplan von 1792, der mehrere pädagogische Ideen weitschauend zusammenfaßt), und andererseits erlebt man die Bedeutung eines einheitlich gelenkten Schulwesens für die Ausformung und Sicherung des französischen Nationalstaates. Frankreich wird zum pädagogischen Vorbild der Reformer, die durch eine geistige Erneuerung der Nation die Fremdherrschaft abschütteln und einen eigenen Nationalstaat schaffen wollen, aber in diesem auch der Menschenwürde des geringsten Mannes (Kant) Achtung verschaffen wollen. „Eben diese Mischung universal menschlicher und nationaler Gedanken ist das Charakteristische der sich jetzt entwickelnden politischen Gesinnung“ und seltsam gemischt sind auch die Folgen dieser Annäherung des Geistes an den preußischen Staat.

Die realen Ergebnisse werden im Enthusiasmus dieser Jahre überschätzt (so wenn das Edikt zur Aufhebung der Erbuntertänigkeit der Bauern von 1807 zur Habeas Korpus-Akte Preußens erhoben wird), oder sie bleiben Torso wie Steins Allgemeiner Erziehungsund Schulplan

In der Polarität zwischen liberalstaatlichem und machtstaatlichem Denken setzte sich die Machtstaatsidee durch. So urteilt Spranger über Humboldt als Leiter der Sektion für Kultus und Unterricht im preußischen Innenministerium: „Es ist seltsam, daß gerade Humboldt nicht berufen war, die liberale Seite seines Programms durchzusetzen." Auch die verbleibende Hoffnung führender Beamter auf eine „Revolution von oben" war illusionär, weil die machtpolitischen Antriebe dafür fehlten und die alten Gewalten „im Sturze des Gewalthabers ein Gottesgericht zugunsten des Gottesgnadentums" erblickten.

In der Philosophie aber vollzieht sich gleichzeitig in diesen Jahrzehnten die Hinwendung zum Staatsidealismus, zur philosophischen Überhöhung des Staates. Jetzt wird der Staat „die Totalität der menschlichen Angelegenheiten" (Adam Müller) oder die „Verkörperung des immanenten absoluten Geistes" (Hegel). Damit werden auch für die Philosophie Schule und Erziehung zu staatlichen Aufgaben. „An die Stelle der Menschheit trat der Staat, an die Stelle des Weltbürgertums das Staats-bürgertum. Die Bildung des Staatsbürgers, nicht des Menschen wurde das Ziel der Erziehung."

Damit gab es auch keine geistige Schranke mehr gegenüber dem Zugriff der Reaktion auf das Schulwesen. Zunächst richtet sich diese gegen die Universitäten; der Höhepunkt der restaurativen Schulpolitik liegt nach 1848. Berühmt bleibt die Rede Friedrich Wilhelm IV. im Januar 1849 vor seinen Seminardirektoren: „Als das Elend, das im vergangenen Jahr über Preußen hereingebrochen ist, ist Ihre, einzig Ihre Schuld, die Schuld der Afterbildung, der irreligiösen Massenweisheit, die Sie als echte Weisheit verbreiten, mit der Sie den Glauben und die Treue in dem Gemüte meiner Untertanen ausgerottet und deren Herzen von mir abgewandt haben." Volksbildung und Mündigwerden im Geiste werden beschimpft als Afterbildung und irreligiöse Massenweisheit

Als Gegenmittel werden der Staatsschule die Regulative diktiert (1854 für Preußen; ähnliche Maßnahmen erfolgen in den anderen deutschen Staaten). Danach gilt in Preußen bis 1872 folgender Wochenplan in den Volks-schulen: 3 Stunden Gesang, 6 Stunden Religionslehre, 5 Stunden Rechnen, 12 Stunden Lese-, Schreib-und Sprachunterricht Es ist nicht verwunderlich, daß angesichts einer solchen Schulpolitik die Ideen eines Pestalozzi, eines Fröbel und anderer zu einem großen Teil Ideen bleiben. Ihr Ziel ist freie Menschen-bildung, allgemeine Volksbildung — das Ziel der staatlichen Regulativpädagogik ist: die Erziehung „zum Glauben an gegebene Wahrheiten, zur Liebe für gegebene Zustände" (so Julius Stahl in einer Rede vor der Kammer) Hier steht die Schulpolitik im Dienste einer bestimmten Staatsauffassung. Diese geht weit über das ursprüngliche Anliegen des Konservatismus hinaus — eine Verbindung von überliefertem mit notwendig werdenden Reformen zu suchen, um die Kontinuität zu bewahren (Edmund Burke) — und versucht in restaurativem Legitimismus und reaktionärer Romantik einen erreichten gesellschaftlichen und politischen Entwicklungsstand zu verewigen. Sie gerät dabei zwangsläufig in eine immer größer werdende Divergenz zu den liberalen und demokratischen Ideen, die dabei sind, die Welt zu erobern. Während die Staatsschule in Deutschland schon im Schatten dieser Divergenz lebt, entsteht eine weitere zwischen ihrem Bildungsideal und den Erfordernissen der Industrialisierung.

4. Das neuhunianistische Bildungsideal und die Industrialisierung

Dieses Bildungsideal, das in besonderer Weise für die Universität und die höhere Schule konzipiert wird und in seiner Ausformung eine „Monopolstellung im gesamten Bildungswesen" erhält entsteht in Deutschland „in dem Moment, da die gesellschaftliche Welt zu einer ihrer gewaltigsten Umgestaltungen ansetzt" Die Umgestaltung beruht auf Rationalismus, Utilitarismus und den Naturwissenschaften und führt zur Industrialisierung und Verstädterung und zu einem Demokratisierungsprozeß. Hier setzt bei vielen Zeitgenossen die Angst ein — die Angst von der „Zerrissenheit des neuen Menschen", vor „einem neuen rationalem Typus" vor der „Maschine" (bei Herder bezeichnenderweise Sinnbild der Verirrung), vor dem „Zivilisationsverderben" und der „kollektiven Existenz" (Pestalozzi), vor der „Welt der Sache" und vor einer „aufsteigenden Arbeits-und Gesellschaftsordnung, in der man das eigentliche Hindernis echter Menschenbildung" zu erkennen glaubt.

In einer bewußten Gegenbewegung stellt man ein anderes, ein normatives Bild des Menschen auf — den in seiner Individualität und seiner Totalität humanistisch gebildeten Menschen, und bettet diese Form in einen „universalen transzendenten Idealismus" Als ein Prüfstein erweist sich die Frage nach dem Verhältnis von Mensch und Welt. Zwar heißt es bei Humboldt als Ziel für die Bildung des Menschen:...... soviel Welt als möglich zu ergreifen und so eng, als er nur kann, mit sich zu verbinden" zur „Verknüpfung unseres Ichs mit der Welt" doch es zeigt sich, daß hier als Welt nur die des Geistes, der Literatur, der klassischen Kunst verstanden wird. Sie soll das Material für den Prozeß der Selbst-bildung abgeben. Dagegen wird die Sachwelt ausgeklammert und jedes „Abrichten des Menschen zu pragmatischen Zwecken als unnütz und gefährlich verworfen"

Für das Schulwesen bedeutet das die „Reduktion auf die kulturellen Aufgaben" (Schelsky), die Vernachlässigung der nützlichen Fertigkeiten (ein horror utilitatis entsteht in der Pädagogik) die Trennung und wertende Abstufung zwischen Innerem und Äußerem (Litt zeigt das an Goethe und Humboldt) und ein Hineindrängen der „beamteten Erzieher in eine ständige Abwehrstellung gegenüber . . .der modernen Arbeitsordnung" Dabei entwickelt die Pädagogik einen Arbeitsbegriff, der den Erfordernissen der industriellen Produktion grundsätzlich widerspricht, und sieht weithin in dem „Volk" (bei Pestalozzi gleichgesetzt mit den Armen) ein zwangsläufiges Produkt der Industrialisierung.

Die Schule versteht sich so ausschließlich als Pflanzstätte der Bildung und der Kultur und betrachtet sich als autonom von den gesellschaftlichen Kräften. Hier ist eine Parallele zu der staatstheoretischen Konstruktion, der Staat sei als Rechts-und Kulturstaat von der Gesellschaft mit ihrem Egoismus und Interessenkampf zu trennen.

So kann die Schule in Deutschland als Instrument des Obrigkeitsstaates und auf Grund ihrer Bildungsidee ihre soziale Aufgabe bis in die jüngste Zeit nicht sehen und nicht wahrnehmen. Nur einzelne erkennen die „Erziehung als ein soziales Phänomen" (erstmalig Lorenz von Stein, ähnlich auch Schleiermacher) und „als Funktion der Gesellschaft" (Dilthey) und sehen das Illusionäre der klassischen Bildung (Nietzsche)

Doch sie finden keine Resonanz. Erst das politische Bewußtsein der Industriearbeiterschaft (Karl Liebknecht: Wissen ist Macht, ist Werkzeug zur Veränderung der Gesellschaft) und der optimistische Glaube an die Erziehbarkeit des Menschen für die moderne industrielle Welt (Dewey: habit formation, Verhaltensformung durch Orientierung der Erziehung auf die Personen-und Sachwelt und der Zusammenhang von Democracy and Education) und der Beitrag der aufkommenden Sozialwissenschaften bringen der Pädagogik eine neue Sicht der Bildungsziele

So steht die Schule in Deutschland für lange Zeit im Spannungsbereich dieser beiden Divergenzen: zwischen der herrschenden Staats-idee und den gesellschaftspolitischen Veränderungen und zwischen der geltenden Bildungsidee und den wirtschaftspolitischen Umwälzungen. Dabei haben Staats-und Bildungsidee mehreres gemeinsam: Sie beruhen auf einem Irrationalismus, entwickeln einen unfruchtbaren „Konservierungswillen" (Alfred Weber) und bleiben hoffnungslos hinter dem eingetretenen Wandel zurück. Sie stützen sich gegenseitig. Die humanistisch Gebildeten bejahen die spezifische deutsche Staatsform als „die dem deutschen Volke angemessene, zukömmliche und von ihm im Grund gewollte Staatsform" identifizieren den Staat mit der deutschen Kultur, und die Träger der politischen Macht schmeicheln sich, im Bunde mit den Bildungsmächten zu stehen, und übertragen ihre Bildungsidee auf alle Zweige der Staatsschule. Litt betont ebenfalls den Zusammenhang von beiden Ideen und sagt von der Bildungsidee: „Es lohnt sich, darüber nachzudenken, in welchem Umfange die deutsche Katastrophe durch die Verbreitung dieser das äußere Leben aushöhlenden Denkweise mit-verschuldet worden ist." Und Alfred Weber argumentiert: „Dies Verhältnis der Trennung von Geist und Politik hatte zur wesentlichsten Folge eine Libertinage des Geistes sowohl wie der Politik, und das heißt der Macht."

Die beiden letzten Kapitel implizieren die Fragen nach der Brauchbarkeit der Staatsschule und der Zweckmäßigkeit des Beamtenstatus für den Lehrer. Beide Fragen können hier nicht ausführlich untersucht werden, schon weil die herrschende Staatsform die Antworten wesentlich beeinflußt, sondern sollen nur für die besondere deutsche Situation der Vergangenheit beantwortet werden.

5. Die Brauchbarkeit der Staatsschule und das Verhältnis der Gesellschaft zu ihr

Es ist üblich und einfach, das deutsche Bildungswesen der Vergangenheit dafür zu loben, daß es relativ frühzeitig die Schulpflicht allgemein durchsetzt und allmählich ein differenziertes Schulsystem schafft. Industrialisierung und Ausbau von Handel und Verkehr in einer rasch wachsenden und sich ihrer Kräfte bewußt werdenden Nation sind ohne ein leistungsfähiges Schulsystem eben nicht möglich Bei dem Lob dieser geradezu durch die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen determinierten Entwicklung darf man nicht Stehenbleiben, wie das noch jüngst Hilker tat Und es ist m. E. auch nicht möglich, die Abschaffung des Analphabetentums lediglich als „das große Verdienst einer hochgebildeten Bürokratie des monarchischen Herrschafts-und Verwaltungsstaates im 19. Jahrhundert" zu bezeichnen

Kosellek weist für Preußen nach, daß einerseits die führende Beamtenschaft ihre Schulpläne gegenüber der Ausnutzungstendenz vieler Unternehmer nicht durchsetzte („der Anspruch des Staates machte tatsächlich vor den Toren der Fabriken und den Hütten der Heimarbeiter halt") und andererseits nach 1840 die Kluft zwischen der ursprünglich liberalen Verwaltung und den Administrierten immer größer wurde, weil die restaurativen Kräfte dominierten

Statt dessen muß mitberücksichtigt werden, was hier im einzelnen zum Teil nur gestreift werden kann:

Die Motive der staatlichen Schulpolitik; sie gründen sich auf das Staatsinteresse, das nicht immer mit den Interessen der Gesellschaft zusammenfällt. Als Beispiel sei der preußische Kulturkampf erwähnt.

Die Folgen der restaurativen Schulpolitik; die Regulativpädagogik ist hier ein Beispiel. Die Ansätze und Beiträge außerstaatlicher Kräfte.

Vergleiche mit Ländern ohne Staatsschule können den Blick für die Mängel des deutschen Schulwesens schärfen und zeigen, daß ein gutes Schulsystem nicht nur mit staatlichem Zwang zu erreichen ist.

Die Vorteile der Staatsschule liegen in der Einheitlichkeit der inneren und äußeren Schulverhältnisse und in der klaren Abgrenzung der Zuständigkeit und Verantwortung. Hier soll aber nicht vergessen werden, daß die Nivellierung der Ansprüche und Anforderungen in einer Industriegesellschaft eine weitgehende Einheitlichkeit im Schulwesen erzwingt. Das ist etwa an der Entwicklung des englischen und amerikanischen Schulwesens, * besoners in den letzten Jahrzehnten, gut abzulesen

Die Gefahren, die der Schule als Staatsschule beim Fehlen eines demokratischen Regierungssystems drohen, sind: daß sie nicht den Erfordernissen der Gesellschaft entspricht, daß sie sich deren Impulsen verschließt und der Entwicklung nach-hinkt, daß sie nur verwaltet wird und keine pädagogische Autonomie besitzt, und daß sie „in erster Linie eine Hilfseinrichtung der Staatsmacht ist und als solche dazu beitragen muß, diese Staatsmacht gegenüber der Gesellschaft zu behaupten.

Es ist nicht zu übersehen, daß diese Gefahren in der Vergangenheit eingetreten sind und das deutsche Schulwesen bis in die Gegenwart hinein mitbestimmt haben

Gab es außerstaatliche Kräfte, die an der Schule interessiert und gewillt waren, das Schulwesen mitzugestalten und zu tragen? Sucht man nach solchen Ansätzen und Beiträgen für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, so sind folgende Gruppen zu betrachten. (Die grundsätzliche Haltung der Kirchen wurde schon angedeutet.) a) Bürgertum und Wirtschaftskreise Sie entwickeln weitgehend selbständig das mittlere Schulwesen und das höhere Mädchen-schulwesen und fördern sehr den Aufbau der Berufsschulen. Durch ihre Initiative werden auch die Folgen der Regulative für das städtische Schulwesen wesentlich abgeschwächt

Eine hervorragende Erscheinung im fortschrittlich denkenden Bürgertum ist Friedrich Harkort (1793— 1880). Er ist Industrieller und 21 Jahre lang Abgeordneter im Preußischen Abgeordnetenhaus. 1843 gründet er einen „Verein für die deutsche Volksschule und für die Verbreitung gemeinnütziger Kenntnisse", der es rasch auf 2500 Mitglieder bringt. Theodor Heuss nennt ihn „die vollkommene Prägung dessen . . ., was man unter deutschem Bürgersinn und Bürgertum des 19. Jahrhunderts verstehen mag." Einen Antrag zur Ernennung einer parlamentarischen Kommission für den Volksunterricht (1848) begründet er so: „Die sozialen Fragen bewegen jetzt die Welt. An ihrer Spitze stehen die Bedürfnisse der unteren Schichten.. . Dahin führt nur eine tüchtige Erziehung. Ihr mächtiger Hebel ist die Volksschule, welche sich in einer kümmerlichen, ungenügenden Stellung befindet."

Natürlicherweise gab es Gegenstimmen; eine für Auseinandersetzungen offene Gesellschaft bezieht keine einheitliche Stellung gegenüber so einschneidenden Veränderungen, wie sie die Schulpflicht mit sich brachte. So bestand in der Kinderarbeit ein großes Hindernis, solange man diese aus Profitstreben oder Not nicht glaubte entbehren zu können. Manche bezweifelten auch einfach den Bildungswillen der Masse Konservative Kreise, besonders auf dem Lande, fürchteten andererseits um ihren Einfluß b) Die Industriearbeiterschaft Sie sieht Schule als Mittel zu ihrer sozialen und politischen Emanzipation an. Ihr Interesse gilt besonders der Volksschule, der einzigen Bildungsanstalt für die Arbeiterkinder und der Arbeiterbildung. In dieser entwickeln sich erste Formen der heutigen Erwachsenenbildung. Zwischen Arbeiterschaft und Volksschullehrern gibt es zahlreiche Kontakte durch gemeinsame soziologische Grundlage. Das gilt besonders für die Städte und Industriegebiete. Hier trifft die Forderung der Zeit zu, „jeder Volksschullehrer müsse ein Sozialrevolutionär sein" Diese Lehrer glauben mit Lorenz von Stein, daß „ohne eine wohlorganisierte Elementarbildung gar kein sozialer Fortschritt möglich ist" Ein solcher Fortschritt schließt jedoch die Emanzipation der Arbeiterschaft mit ein, und dagegen wehrt sich der Staat mit schärfsten Mitteln, zu denen auch Staats-schule und Beamtenlehrer gehören c) Die politischen Parteien Von den entstehenden Parteien fordern Fortschrittspartei (1861) und Nationalliberale (1867) in ihren Programmen eine Verbesserung des Unterrichtswesens, die Aufhebung der Regulative und die Trennung der Schule von der Kirche. Die Sozialdemokratische Partei verlangt (1875) darüber hinaus den „unentgeltlichen Unterricht in allen Bildungsanstalten."

Dabei ist es für unseren Zusammenhang wichtig, festzustellen, daß Liberale und Sozialisten keine Alternative zur Staatsschule sehen. Die Liberalen verlangen gegen den kirchlichen Einfluß ein Staatsgesetz, die Sozialisten gegen die soziale Ungerechtigkeit der Klassengesellschaft die „allgemeine und gleiche Volkserziehung durch den Staat." Beide rufen nicht nach weniger, sondern nach mehr Staat — ein Symptom für die besondere Problematik der politischen Parteien in Deutschland

Der Staat in Deutschland baut seine Macht als einen der Gesellschaft übergeordneten Herrschafts-und Verwaltungsapparat im 18. und 19. Jahrhundert aus. Diese Macht wird — 1813 und 1848 nur vorübergehend erschüttert — ungebrochen in die konstitutionelle Monarchie überführt. Neben der faktischen Macht haben so Tradition und Kontinuität, der geschichtliche Erfolg (manifestiert in der Reichsgründung) und eine besondere, sich hier entwikkelnde Staatstheorie den Staatsapparat gewaltig verstärkt und im Bewußtsein aller Deutschen verankert, als die politischen Parteien sich etablieren. So entstehen Parteien, die „an Prinzipien ausgerichtet" sind und vor „der Empirie der Politik" (Ernst Fraenkel) versagen, weil sie sich in ihr nicht bewähren durften oder sie aus Doktrinarismus nicht erkannten. Für das Schulwesen bedeutete dies, daß die Parteien auf die als staatliches Instrument funktionierende Schule keinen Einfluß ausübten, bis 1918 der Machtapparat zerfiel.

Nur eine Partei, das Zentrum, tritt in ihren Programmen (1870 und 1871) für eine Beschränkung der staatlichen Machtbefugnisse im Schulwesen ein, indem sie fordert: „Staatsaufsicht und Einrichtung der Staatsschule nicht nach der Willkür der Staatsbehörden, sondern nach den realen, religiösen, geistigen und sittlichen Verhältnissen des Volkes." Hier zeigt sich erstmalig ein aktiver Gruppenwille, der dem Staat die volle Souveränität über die Schule bestreitet und pluralistische Interessen berücksichtigt sehen will Dabei spielt in diesem Zusammenhang keine Rolle, daß die Vorstellungen katholischer Kreise über Lehrstoff und Unterrichtsziele sehr konservativ bleiben. d) Die Lehrervereine Welche Stellung nimmt nun die Lehrerschaft selber, soweit sie sich in ihren Vereinen äußert, gegenüber der Staatsschule ein? Die „Schulbewegung von 1848" äußert sich in zahlreichen Versammlungen mit emphatischen Reden und umfangreichen Programmen, ja sie .verpufft in tönend n Entschließungen und schönen Gesetzentwürfen" über den Be-griff Staatsschule herrscht dabei zwar keine Klarheit, aber eindeutig zeigen die Erklärungen, daß sich die organisierte Lehrerschaft die Lösung ihrer Probleme nur durch den Staat, nicht ohne ihn erhofft. In dem sehr weit gehenden Leipziger Programm heißt es: „Die gesamte Volkserziehung ist Staatssache. Leitung des Volkserziehungswesen durch einen Erziehungsrat aus Sachverständigen, an dessen Spitze ein besonderer Minister steht... Unabhängigkeit der Schule von der Kirche . .. Erhaltung aus Staatsmitteln. .. Anstellung sämtlicher Lehrer durch den Erziehungsrat. .. Verbesserung der Lehrergehälter.

Mehrere in sich verschlungene Motive lassen sich hier unterscheiden, sicherlich symptomatisch für 1848. Volkserziehung und Volkserziehungswesen sind Ausdrücke des nationalen Gefühls dieser Monate. Man wünscht die Einheitlichkeit des Erziehungswesens, um über diese die Einheit der Nation zu stärken. „Das deutsche Volk erwacht . . ., vernehmen wir den Ruf nach einem einigen Deutschland," ruft Wander in seinem Aufruf zur Gründung des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins.

Die verschwommene Forderung nach einem Erziehungsrat aus Sachverständigen deutet das liberale Element an. Doch das für die Zeit entscheidende Verlangen heißt Unabhängigkeit der Schule und des Lehrers von der Kirche. Der verbliebene kirchliche Einfluß (er ist besonders auf dem Lande noch vorhanden) soll ersetzt werden durch einen vermehrten Einfluß des Staates. Hier zeigt sich, daß „die Auseinandersetzung mit der Kirche . .. eine Teilaufgabe der Emanzipation des Lehrerstandes darstellt" Die Kirche antwortet mit der Gleichsetzung von Emanzipation und Gottlosigkeit und geht das Zweckbündnis mit dem Legitimismus ein.

Dabei erweist sich diese Forderung neben den politischen Gegensätzen als das Sprengmittel für die gerade proklamierte Einheit der Lehrerschaft. Schon auf der ersten Versammlung des Allgemeinen Deutschen Lehrervereins wird die Gegenforderung (in diesem Kreise aber überstimmt) erhoben, die Schule solle Kirchenanstalt sein und unabhängig vom Staate bleiben

Inwieweit diese Staatsschule eine Mitbeteiligung der Gemeinden noch einschließen soll, bleibt ungeklärt. Rissmann meint, die Mehrheit habe die reine Staatsschule unter Ausschluß aller anderen Kräfte gewollt über ihr Verhältnis zu den übrigen gesellschaftlichen Kräften urteilt A. Flitner: „Nirgends hat man vorgesehen, auch nur einzelne Vertreter der Eltern, der Arbeiterschaft, der Zünfte, der Wirtschaft oder der Kirche herbeizuziehen und mitsprechen zu lassen."

Ein weiteres Motiv in dem Leipziger Programm ist der Wunsch nach wirtschaftlicher Besserstellung, dessen Erfüllung man sich durch den Staat erhofft, das heißt durch Erlangung des vollen Beamtenstatus.

Nationalerziehung, Unabhängigkeit von der Kirche und wirtschaftliche Sicherung sind die Gründe dafür, daß die Mehrheit der organisierten Lehrerschaft 1848 die reine Staats-schule fordert. Die Gefahren, die der Schule als Staatsschule drohen, sieht sie nicht. Sie richtet keinen Anruf an die gesellschaftlichen Erziehungskräfte um Mitarbeit und um Hilfe — gar gegen den Staat.

Eine auffallende Ausnahme ist Friedrich Wilhelm Dörpfeld. In Schriften zur Schulverfassung und Schulpolitik betrachtet er die Familie als die Normalerziehungsanstalt für die Jugend, entwirft den Plan einer „gerechten, gesunden, freien und friedlichen Schulverfassung" und sieht deren Kern in einem „Verband von Familien zur gemeinsamen Erziehung der Jugend auf Grund des Elternrechts“. Seine Schule hat nur lose Beziehungen zum Staat, rechnet aber mit dessen Hilfe Es ist interessant zu sehen, daß in Deutschland diese Richtung keine Resonanz findet.

So bleibt für diesen Abschnitt festzustellen, daß einerseits Bürgertum und Arbeiterschaft, obwohl sie Ansätze dafür zeigen, Verantwortuhg im Schulwesen zu übernehmen, keine Aussicht haben, gegenüber der Tradition und der Institution der Staatsschule Einfluß zu erlangen, und daß andererseits, wenngleich nicht ohne Ausnahmen, die politischen Parteien und die organisierte Lehrerschaft die Staatsschule unterstützen, ja ihren Ausbau fordern.

Daß es zur gleichen Zeil eine echte Alternative zur Staatsschule gibt, zeigt ein flüchtiger Blick auf die Schweiz und die USA. Allerdings sind hier die politischen Voraussetzungen grundsälzlich andere — aber diese Arbeit will ja gerade auf die Abhängigkeit des Schulwesens und des Lehrerstandes von den politischen Grundlagen hinweisen. e) Die Bürgerschule — als Alternative zur Staatsschule — in der Schweiz und in den USA

In der Schweiz, Heimat von Rousseau und Pestalozzi, entwickelt sich in den Gemeinden und Kantonen früh ein zwar uneinheitliches, aber reiches Schulwesen. Seine Grundlage ist die Volksschule, die von Schulgemeinden oder Schulgenossenschaften getragen und erst in der Bundesverfassung von 1874 für den gesamten Bundesstaat allgemein bestätigt wird.

Ein anschauliches Beispiel für das Funktionieren eines durch demokratische Gemeinwesen mit einem liberalen Bürgertum getragenen Schulsystems ist uns durch den Bericht von Karl Mathy überliefert

Aus dem Bericht ergibt sich: 1. Um 1837 besitzt jede Gemeinde des Kantons Solothurn Schule und Lehrer, erhält jedes Kind Unterricht.

2. Mathy selber unterrichtet als Protestant in einer katholischen Gemeinde.

3. Dadurch daß „nützliche Kenntnisse" vermittelt werden, gewinnt man das Interesse der Bürger für ihre Schule. 4. Durch die Bürger werden weiterführende Schulen eingerichtet. 5. Die Volksschule wird ein Mittelpunkt der Gemeinde: Erwachsenenbildung, Berufsberatung, kulturelle Betätigung setzen ein. 6. Eine Schülerselbstverwaltung beginnt.

Erst dann bittet man die Regierung um Prüfungsrichtlinien mit der bemerkenswerten Begründung: „Es werde der Schule nützen, wenn der Staat sie beachtet!" — Bekannter ist die Unterstützung, die Pestalozzi für seine Schulund Erziehungsversuche von einer wohlwollenden Regierung erhielt.

Eine solche „Mobilisierung des Bürgertums" (Wittram) zeigen die USA im großen Maßstab. Und während Mathy in Solothurn erkennt, daß die Schule auf das Leben bezogen sein muß, erlebt Tocqueville in der Nellen Welt, „daß die fortschreitende Gleichheit der gesellschaftlichen Bedingungen den Menschen-geist auf die Suche nach dem Nützlichen führt" Damit nennt er den Ausgangspunkt für den Pragmatismus, der mehr ist als ein Nützlichkeitsdenken des einzelnen und die allgemeine Wohlfahrt fördern will Schon Tocqueville sieht, „daß die Amerikaner ihr eigenes Wohlergehen mit dem ihrer Mitbürger fast immer zu vereinigen wußten.“

Von den Aufgaben der Bildung aber schreibt er: „Ich sehe die Zeit kommen, da selbst die Freiheit, der Friede des Staates und die soziale Ordnung die Bildung nicht mehr werden entbehren können." Erziehung und Bildung werden hier als Voraussetzung für Freiheit und soziale Ordnung erkannt und gleichzeitig zum Schutze dieser Errungenschaften vor der Anarchie gefordert. Darum „bilde man sie um jeden Preis!" So geschrieben um 1835!

Und auf der Grundlage „der soziologischen Offenheit der amerikanischen Gesellschaft" des Fortschrittsglaubens, der Konkurrenz zwischen den Gemeinden, Städten und Einzelstaaten, der privaten Initiative, Wohltätigkeit und Fürsorge entsteht in erstaunlich kurzer Zeit, besonders nach Beendigung des Bürgerkrieges 1865 ein zwar mannigfaltiges, aber leistungsfähiges modernes Schulwesen. Der Staat (in der Form der Einzelstaaten) übernimmt allmählich die Regie, schafft den gesetzlichen Rahmen, doch bleibt das Schul-und Bildungswesen offen für den Einfluß der gesellschaftlichen Kräfte, die sich verantwortlich fühlen und auch weitgehend verantwortlich sind Daß diese Verantwortlichkeit der Bürger für das Schulwesen ihres Landes eine wesentliche Funktion ist, hat Dewey klar gesagt, wenn er die Verantwortung begründet sieht in dem Gedanken „der politischen Demokratie mit dem Glauben an das Recht und das Verlangen jedes einzelnen, an der ständigen Umgestaltung auch des grundsätzlichen Aufbaues der Gesellschaft mitzuwirken ..." Dewey stellt diese Auffassung bewußt der deutschen entgegen, wonach der Staat für das Erziehungswesen verantwortlich sei

Da das amerikanische Schulwesen für die gesellschaftlichen Einflüsse offen stand, hat es allerdings eine einheitliche Bildungsidee nie gegeben, wohl aber ein besonderes Engagement der Nation. Education wird „eine magische Bedeutung beigemessen“ Es gab auch kein Bildungsmonopol bestimmter Gesellschaftsschichten wie in Deutschland, weil ein solches mit dem Glauben an eine „privilegienlose, das heißt demokratische Gesellschaft" nicht vereinbar ist.

Ein gründlicherer Vergleich des Schulwesens verschiedener Länder im 19. Jahrhundert könnte bereits statistisches Material heranziehen und damit auch auf diese Weise der Frage nach der Brauchbarkeit der Staatsschule nachgehen.

So gibt es zum Beispiel Angaben über den Prozentsatz der Analphabeten unter den Rekruten (Preußen 0, 8; Schweiz 0, 6; Dänemark 0, 4; Frankreich 7, 4), über die Schülerzablen im Verhältnis zu den Einwohnerzahlen und über die finanziellen Aufwendungen pro Schüler (Preußen 37, Schweiz 40, England 42)

6. Das Streben der Lehrerschaft nach dem Beamtenstatus und ihre Auffassung von Staat und Gesellschaft

a) Bindung an den Staat um jeden Preis Indem die organisierte Lehrerschaft mit ihrem „Mündigwerden" (so heißt es in einem Aufruf von 1848) für die Staatsschule eintritt, muß sie auch den Beamtenstatus bejahen. Sie tut es mit Entschiedenheit, ja kämpft darum bis zur endgültigen Verwirklichung nicht nur aus dem verständlichen Wunsch nach wirtschaftlicher Sicherung, sondern weil sie das „Leitbild Staatsbeamter ... als die optimale Lösung" für den Lehrer auch in beruflicher und rechtlicher Hinsicht ansieht Gefahren für die Schule und den Lehrerstand durch die Allmacht des Staates, wie sie sich in der deutschen Verfassungswirklichkeit ergeben, sieht man nicht; auch nicht in den vielen bitteren Jahren der Regulativpädagogik, in denen der Fortschritt unterdrückt und der Lehrer schikaniert und verdächtigt wird. Wie ist das zu erklären?

Auch während der Revolution von 1848 — es ist darauf hingewiesen worden — erhofft sich die Lehrerschaft alle Verbesserungen allein durch den Staat — Folge einer hundertjährigen Abhängigkeit und Konsequenz einer liberalen und idealistischen Auffassung vom Staat. Die Revolution scheitert, die alten Gewalten setzen sich durch — gegenüber den Staatsdienern auch mit Drohungen, Verboten und Strafen. Eine Minderheit verliert ihr Amt (in Sachsen 50 von 3200 Lehrern, darunter sind 6 Landtagsabgeordnete einige fliehen, andere resignieren, die Mehrheit unterwirft sich untertänigst. Ihre eigenen Führer, und es ist jetzt klar, wie allein sie stehen, wie sehr die Begeisterung wirkliches politisches Wollen vorgetäuscht hat, fällen die schärfsten Urteile über den Knechtssinn und das Kriechertum der Lehrer.

So urteilt Diesterweg: „Die Mehrzahl der Lehrer ist es nicht besser wert; sieh nur, wie die Kerle . . . überall verstummen und unter-kriechen." Und bezeichnend ist das „Verteidigungsmanifest deutscher Lehrer an das deutsche Volk" im September 1849. Darin heißt es: ...... es ist schmerzlich wahr, daß sich in einzelnen deutschen Ländern eine Anzahl von Lehrern in widergesetzlicher Weise an den politischen Bewegungen der letztvergangenen Zeit beteiligt hat." Dann tut man Abbitte für das, was die Besten des Standes getan haben

Allerdings gibt nach 1848 auch „das Bürgertum ...den Machtkampf sehr bald auf" und flüchtet sich in die wirtschaftliche Expansion oder in die „reine" Beschäftigung mit den geistigen Werten. Es hält sich fern von Politik und Staat. Aber der Lehrerstand, in seiner Masse halbgebildetes Proletariat, wirtschaftlich ungesichert, weitgehend verachtet von der Gesellschaft und geknechtet von den herrschenden Gewalten, bindet sich nur um so fester an diesen Staat, sieht keine andere Hilfe für sich als die, endgültig in den Staatsapparat ausgenommen zu werden, um von seinem Ansehen, seiner Macht zu partizipieren.

Damit ist eine verhängnisvolle Entwicklung verbunden. „Je wechselvoller das politische Schicksal der Nation nun wurde, desto wechselvoller auch der Gesinnungsdruck auf die Lehrerschaft, desto labiler deren politische Gesinnung." Und am Ende entsteht die „Si81 tuation, daß die Lehrerschaft in unserem Volk als einer der politisch willfährigsten Stände gilt" b) Die liberale Staatsauffassung in der Lehrerschaft Die Gymnasiallehrer, die Seminarlehrer und die Führer der Volksschullehrerschaft sind erklärte Liberale. Gerade deshalb bejahen sie Staatsschule und Beamtenstatus. (Fraenkel hat auf den Beitrag der Liberalen — neben dem primären des Absolutismus — bei der Entstehung des deutschen Berufsbeamtentums hingewiesen

Eine für diese Liberalen typische Erscheinung ist Diesterweg, der zuerst Gymnasiallehrer und dann Seminardirektor war. Er wird aus politischen Gründen vom preußischen Staat entlassen. Als ein maßgeblicher Führer der Volksschullehrerschaft geht er nach der Enttäuschung von 1848 bewußt in die Politik, wird Mitglied im Preußischen Abgeordnetenhaus (für sieben Jahre) und damit Prototyp eines modernen Verbandsführers, der durch verantwortungsbewußte parlamentarische Arbeit und nicht mit Vereinsaufrufen seine politischen Vorstellungen zu realisieren trachtet. Er erreicht nichts in diesem Scheinparlament, erlebt nicht einmal die Aufhebung der Regulative, doch Staatsschule und Beamtenstatus bleiben für ihn unverrückbare Ziele.

Diesterweg ist Abgeordneter der Liberalen Partei, dann der Fortschrittspartei, und sein Denken, soweit es aus seinem Kampf für Schule und Lehrerschaft ersichtlich ist, scheint symptomatisch zu sein für die besondere Formung und Weiterentwicklung der liberalen Ideen in Deutschland. Gegenüber den ursprünglichen Ideen von der Zurückdrängung des Staates auf die bloßen Schutzfunktionen

und dem Ausbau der individuellen Rechte ihm gegenüber, wird das konstitutionelle Element immer stärker, und damit wächst die Bereitschaft zum Zusammengehen mit den allen Gewalten. Uber diese Bereitschaft kommt es dann zur Spaltung und politischen Ohnmacht der Liberalen, übrig bleibt die bloße Idee des Rechtsstaates und die vage Hoffnung, daß sie sich allmählich ausbreiten wird, obwohl die Diskrepanz zwischen der Verfassungswirklichkeit und der liberalen Verfassungsvorstellung immer größer wird.

Auch in England, dem Ursprungsland des Liberalismus, sind die liberalen Ideen weiterentwickelt worden. „John Stewart Mill is the most complete example of how English democratic traditions . . . adjusted themselves to the challenge of a new industrial age." Für Mill existiert weiterhin die Sorge um das Individuum, das nicht zu einer „Schablone" werden soll, „wie sie der herrschenden Macht im Staate . . . gefällt." Das schreibt er 1859 (in dem Jahr hält Diesterweg seine erste Rede gegen die Regulativpädagogik im Abgeordnetenhaus, Höhepunkt seiner parlamentarischen Arbeit) und äußert sich dabei auch eindeutig gegen die Staatsschule: „Idi lehne es so entschieden wie irgendein anderer ab, daß die gesamte Erziehung oder ein großer Teil von ihr in die Hände des Staates übergeht." Vergleicht man das politische Wollen dieser beiden Liberalen, so ist der Gegensatz groß. Diesterweg ist ein Vertreter des frühen deutschen Parlamentarismus (in dem der Liberalismus die führende Kraft ist), der sich mit „abstrakt formulierten Prinzipien begnügt" weil er von der Empirie der Politik ausgeschlossen ist. Mill dagegen „ist sich klar darüber, daß man nicht mit dem einen Schlagwort von der Freiheit allein Politik verstehen und Politik bestimmen kann, wenn die Verfechter der Freiheit selbst die Verantwortung tragen." c) Fichtes Ideen von Staat und Nation und ihr Einfluß auf die Lehrerschaft Fördert bei manchen Lehrern die liberale Staatsauffassung das Streben nach Staats-schule und Beamtenstatus, so bewirken dies bei vielen Lehrern die Ideen Fichtes von Nation und Staat Schon seine Nähe zu Pestalozzi gewinnt ihm für Generationen die Lehrer. Dessen Grundsätze von der Erziehung des armen Volkes sollen bei Fichte als Nationalerziehung das Volk zur Einheit erziehen. Das zusammenhaltende Band für die deutsche Nation ist bei Fichte die Sprache, eine Ursprache, die „ununterbrochen aus dem wirklichen gemeinsamen Leben dieses Volkes sich entwickelt hat" (4. Rede). Erhält schon durch die Forderung einer umfassenden Volkserziehung die Aufgabe des Lehrers eine für ihn schmeichelhafte Aufwertung, so wird die des Volksschullehrers durch die Betonung der Muttersprache noch verstärkt. Er wird in der Folgezeit zu „einer Grundsäule . . .des Nationalstaates." So urteilt Theodor Geiger und schreibt weiter: „Der Schullehrer-Nationalismus empfängt seine besondere Färbung dadurch, daß die allgemeine Volkserziehung das Hauptgewicht auf die volkstümlichen Kultur-bestände legen muß." Und gegen Ende des Jahrhunderts ist „der Lehrerstand unbestrittener Träger eines mit romantischer Volkskunde und Heimatlyrik durchsetzten, idyllischen Nationalismus, der in Schulbüchern und im Unterricht seine Blüten treibt."

Ist es verwunderlich, daß die Lehrerschaft Fichte als einen der ihren betrachtet? (Auf seinem Grabstein steht das Wort des Propheten Daniels: „Die Lehrer aber werden leuchten wie des Himmels Glanz. Seine Reden werden zu einem pädagogischen Standardwerk, und mit seinem Werk verbreiten sich auch seine staatstheoretischen Vorstellungen. Bestimmt schon in seinem „geschlossenen Han-delsstaat" der Vernunftstaat über Arbeit und Bedarf aller, so wird in den Reden ein höherer Zweck des Staates konstruiert, höher als „den der gewöhnlichen Erhaltung des inneren Friedens, des Eigentums, der persönlichen Freiheit, des Lebens und Wohlseins aller.“ „Für diesen Zweck muß freilich die natürliche Freiheit des einzelnen auf mancherlei Weise beschränkt werden" (8. Rede).

Hier liegt eine Wurzel für die dann in Deutschland zur Tradition gerade des Berufsbeamtentums gewordene Staatsauffassung, die um des höheren Staatszweckes willen — sei es in der Form des utopischen bonum commune bei Rousseau* oder in der abstrakten Form der sittlichen Idee bei Hegel — die „Unterwerfung des einzelnen unter die Zwangsherrschaft des Staates" fordert, die die Gesellschaft mit ihrem Interessenstreit im Gegensatz zum Staat begreift, diesem den höheren Willen zuerkennt und zu dessen Durchsetzung eine hierarchisch gefügte Herrschaftsstruktur als notwendig anerkennt. Schelsky weist darauf hin, daß selbst Fichtes Plan einer Nationalerziehung seine macht-staatlichen Vorstellungen bereits impliziert: „So schlägt hier der Gedanke des Kultur-staates in den des Erziehungsstaates um, der aus der Identifikation mit der Gesinnung und den Zielen der Freiheitsphilosophie wiederum auf der Ebene der staatlichen Mittel zum Zwangsstaat wird." Dieser Zusammenhang wird in der pädagogischen Literatur bis heute nur allzu leicht übersehen

Fichtes Werk gibt dem Beruf des Lehrers eine höhere Weihe, eine ideologische Überhöhung. Es macht ihn buchstäblich hoheitsvoll, rückt den Lehrer an den Staat heran und läßt ihn teilhaben an dessen Autorität und Macht.

Es soll hier nicht versucht werden, Fichte historisch verantwortlich zu machen, erhalten doch seine Ideen nach ihm ein Eigenleben. Sie werden weiter gedacht und führen erst viel später zu diesen Konsequenzen — zu Konsequenzen, die vielleicht gerade „dieser unbeugsame Charakter zornig verworfen hätte" Allerdings sollte darauf hingewiesen werden, daß diese Ideen gerade über den Philosophen und Pädagogen Fichte an die Lehrerschaft herangetragen wurden

Wir fragten in diesem Abschnitt, warum die Lehrerschaft trotz Regulativpädagogik und staatlicher Schikane den Beamtenstatus erstrebte. Wir fanden als Antwort: Ihre Auffassung von Staat und Gesellschaft ließ sie trotz allem diesen Staat bejahen. Dabei wird es kaum reine Auffassungen gegeben haben, wie sie hier konstruiert werden mußten, eher mannigfaltige Verbindungen von kulturstaatlicher Auffassung als Konsequenz des humanistischen Bildungsdenkens, von liberal-und nationalstaatlicher Auffassung. Das Ergebnis dieses Denkens aber ist gleich: Der Lehrer begreift sich als Staatsbeamter, das heißt als eine Säule des autoritär-konstitutionellen Staates.

7. Die Zweckmäßigkeit des Beamtenstatus für den Lehrer

a) Gefahren im autoritär-konstitutionellen Staat In einem letzten Abschnitt soll versucht werden, die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Beamtenstatus für den Lehrer zu beantworten. Dabei ist auf die oben (S. 10) gemachte Ein-Schränkung verstärkt hinzuweisen. Die Frage erfordert die Erörterung des Zweckes. Dazu soll hier nur gesagt werden, daß der Zweck der Schule und damit die Aufgabe des Unter-richtenden sich im 19. Jahrhundert wesentlich erweitern und vertiefen. Neben die Vermittlung des Elementarwissens tritt die Absicht der Bildung und Erziehung, Schulunterricht wird zu einer „sozialen Aufgabe" (Ellwein), zu einem Teil der Daseinsvorsorge. Damit wachsen Bedeutung und Verantwortung des Lehrers.

Für wen hat er Bedeutung, wem ist er verantwortlich? In einer demokatischen Gesellschaft ist er ausschließlich ein Helfer des Kindes, ein „Partner der Eltern" (Wenke) und ihnen verantwortlich und darüber hinaus der Gesellschaft — selbst dann, wenn er direkt der staatlichen Verwaltung untersteht; denn «Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht" (Grundgesetz, Art. 6). Die staatliche Schulaufsicht koordiniert diesen Teil der Daseinsvorsorge, „verteilt" ihn nach dem Grundsatz der Egalität und verwaltet ihn. Werden Staat und Gesellschaft dagegen getrennt begriffen, ja als im Gegensatz zueinander stehend, so gerät der Lehrer als Staatsbeamter zwangsläufig in ein Dilemma, wenn deren Forderungen auseinandergehen. Nur für diese Situation soll hier von Zweckmäßigkeit gesprochen werden.

In ihr bestehen zwei Gefahren, daß sich der Lehrer der Gesellschaft entfremdet und vom Staat als Instrument seiner Politik benutzt wird. Auf die erstere wurde bereits verschiedentlich hingewiesen. Fehlende Verantwortlichkeit gegenüber der Gesellschaft, mangelnde Kommunikation mit ihr führen zur Verständnislosigkeit gegenüber dem gesellschaftlichen Wandel und zur Abkapselung des Lehrers.

Zahlreiche Beispiele gibt es hierfür. So hat J. Heinel einmal den Niederschlag der sozialen Frage in den Schul-und Studienbüchern für Seminaristen untersucht und geurteilt: „Eine ausführliche Darstellung der in der Großstadt lebenden Arbeiter, des Wohnungselends, der . . . Frauen-und Kinderarbeit findet sich nirgends."

Wichtiger erschienen den Behörden andere Dinge. So antwortete die Regierung in Schwerin 1906 auf eine Eingabe, „daß alle Seminaristen den von der Ritterschaft gewünschten Unterricht in Acker-und Gartenbau erhielten, . . . und daß die Erziehung der Lehrer zu Gottesfurcht und Tugend, besonders auch zur Höflichkeit und Bescheidenheit ein Hauptziel sei."

Auch das Entstehen von besonderen Lehrer-typen dürfte mit der gesellschaftlichen Abkapselung Zusammenhängen: z. B.der katechisierende Dorfschulmeister, der weltblinde Gymnasialpauker (Professor Unrat), der monarchistische Oberlehrer (Oberlehrer Kantorek in „Im Westen nichts Neues"). Gerade ihretwegen identifizierten große Teile der Jugend die Lehrerschaft mit dem Obrigkeitsstaat. Diese Jugend sieht „die Schule als Anstalt der Knechtung, deren Ziel es ist, die eigenwüchsigen jungen Menschen zu einer Massenware für Staatszwecke zu modeln."

Gegen die Autoritätsschule richtet sich auch der Zorn der Jugendbewegung. Andererseits loben die staatstreuen Elemente der Nation die Lehrerschaft für eine solche Erziehungsarbeit und nennen Königgrätz und Sedan Siege des preußisch-deutschen Schulmeisters.

Die Abkapselung wird noch durch die Unabsetzbarkeit des Beamtenlehrers und durch die allein vom Staat festgesetzten Prüfungs-und Beförderungsrichtlinien unterstützt, die das allgemeine Leistungsprinzip der Gesellschaft ersetzen.

Tritt aber eine weitgehende Entfremdung des Lehrers von der Gesellschaft ein, so kann er seinen „modernen Zweck" der Daseinsvorsorge für den jungen Menschen nicht erfüllen, denn diese zielt darauf hin, dem Schüler das notwendige Maß an „Verhaltenssicherheit in der Erwachsenengesellschaft" zu geben. Eine Erziehung zur Lebenstüchtigkeit muß sich deshalb geradezu als eine „Funktion der Gesellschaft" (Kroh) verstehen und ist ohne ständige Kommunikation mit ihr unmöglich. Der Lehrer als Funktionär im Sinne von Beauftragter der Gesellschaft kann demnach nicht Staatsbeamter sein, wenn Gesellschaft und Staat auseinanderfallen. Ist er es aber, so kann er seine Aufgabe in dem beschriebenen* Umfang nicht erfüllen, weil er zu diesem Staat in einem besonderen und unmittelbaren Treue-und Gehorsamsverhältnis steht, in dem „Loyalität und Dienstwilligkeit gegenüber der Obrigkeit (als) höchste Prinzipien" gelten.

Das alles hat die Lehrerschaft im Wilhelminischen Deutschland erfahren — ohne aber ihre Hinwendung zu diesem Staat aufzugeben Weithin galt sie als gehorsame Dienerschaft, ihre Schule, besonders die höhere Schule, als Standesschule. „Was die Ahnenprobe als Voraussetzung der Ebenbürtigkeit . . . war, wird heute das Bildungspatent." Dessen Inhalt aber wurde geprägt „durch die Struktur der Herrschaft und die sozialen Bedingungen der Zugehörigkeit zur Herrenschicht" Weitere Konsequenzen aus dem Beamtenstatus waren die Einschränkung der staatsbürgerlichen Rechte des Lehrers und das Mißtrauen der Staatsmacht gegenüber jeder sich zeigenden standespolitischen Regung Das war vom Obrigkeitsstaat her gesehen selbstverständlich. Vereine, die sich einerseits auf das Recht der freien Vereinigung gründen und andererseits mit dem Staat identifizieren, sind ein Widerspruch in sich und verlieren ihre Existenzberechtigung

Handelte es sich dabei noch mehr oder weniger um Restriktionen eines obrigkeitlichen Staates, so war dessen voller Machteinsatz dort zu spüren, wo er sich durch gesellschaftspolitische Veränderungen bedroht sah _ so im Kulturkampf und im Kampf mit der Sozialdemokratie. In diesen Machtkämpfen setzte der Staat auch Schule und Lehrer als Machtmittel ein, und spätestens hier wurde deutlich in welchem Circulus vitiosus der Lehrer als Staatsbeamter im autoritären Staat steht. b) Die Situation der Lehrerschaft im Kultur-kampf und im Kampf gegen die Sozialdemokratie

Im Kulturkampf werden die Institutionen der Staatsschule und des Beamtenlehrers zumindest für den katholischen Bevölkerungsteil erschüttert. Dieser „war gezwungen, seine Kinder den Einrichtungen des Staates anzuvertrauen, den (er) als seinen ärgsten Feind betrachtete, und in die Hände von Lehrern, die wohl oder übel als Werkzeuge und gehorsame Diener dieses Staates gelten mußten." Und der katholische Lehrer? Er steht zwischen seiner Kirche und seinem Dienstherrn. In dieser Situation entsteht der katholische Lehrerverein als ein Schutzverband gegen staatliche Willkür. Bungardt meint, es sei tragisch, „daß der Einzelne ... Sicherheit und Schutz vor den Eingriffen des Staates suchen mußte, der sein Dienstherr war." Nein, Tragik setzt Abwehr voraus; hier war die Staatsgläubigkeit konsequent ad absurdum geführt worden.

Der Staat erwartet von seinen Staatsdienern aktive Unterstützung seiner Politik und nutzt die Ressentiments vieler Lehrer gegenüber der Kirche geschickt aus. Bismarck dankt (1872) den Mitgliedern des Standes, „welcher an unseren gemeinsamen Erfolgen so hervorragenden Anteil und an den Dank des Vater-landes so berechtigte Ansprüche hat" und nennt die Lehrer (1874) seine „treuen Kampfgenossen"

Schulpolitisch verstärkt Bismarck in Preußen durch den Kulturkampf die Macht des Staates (durch das Schulaufsichtsgesetz und den Ausschluß katholischer Ordensangehöriger vom Lehrberuf an öffentlichen Schulen), während er innenpolitisch sein Ziel, die Ausschaltung des Katholizismus als geeinte politische Kraft, nicht erreicht. Auf den Kulturkampf folgt der Kampf gegen die Sozialdemokratie Jetzt sind es besonders die Lehrer in den Städten und Industriegebieten, auf die der Staat zurückgreift. Schon vor der Annahme des Sozialistengesetzes (Oktober 1878) weisen die Behörden die Schulen an, „der Ausbreitung dieser bedenklichen Tendenzen" entgegenzuwirken (Verfügung der Regierung zu Düsseldorf im Juni 1878) und bestimmen als ihre Aufgabe: „Die inneren Hebel bereits in der Schule anzusetzen, wo die Herzen für heilsame Gegenwirkung noch besonders empfänglich sind" . .. (Verfügung der Regierung zu Kassel im August 1878). Ganz deutlich spricht ein Ministerialerlaß (1890) von der „Mitwirkung der Schule zur Verhinderung der Ausbreitung sozialistischer und kommunistischer Ideen"

Darüber hinaus werden die Lehrervereine zur Mitarbeit aufgefordert, und in den Seminaren wird der Nachwuchs entsprechend „geschult". Gegen die persönliche Mitarbeit von Lehrern in der Sozialdemokratischen Partei, ja schon gegen ihre Anteilnahme wendet sich der Obrigkeitsstaat mit allen Mitteln. Dabei wird sozialistisches Denken mit atheistischem gleichgesetzt. Nachdem sich der Staat im Kulturkampf der antikirchlichen Affekte bedient hat, bemüht er sich jetzt wieder um die Einheit von Thron und Altar zur Abwehr der sozialen Revolution. Die Aschermittwochrede des preußischen Ministers von Puttkamer (11. 2. 1888) ist dafür ein Beispiel. Der Minister verweist auf „eine nicht unerhebliche Zahl von solchen (Straffällen), die auf eine tiefe moralische Versunkenheit einzelner Individuen (gemeint sind Lehrer) den Schluß zu ziehen uns nötigen", und er verlangt vom Beamtenlehrer „die Sorgen für die großen Gesichtspunkte . . .seinen Vorgesetzten zu überlassen und sich auf die Sphäre zu beschränken, die sein Beruf ihm zuweist"

So steht der Lehrer in diesen Jahren vor einem unlösbaren Widerspruch zwischen den Anforderungen seines Berufes (seiner Berufung!) und seines Diensteides — ein Widerspruch, der gleichzeitig die Antwort ist auf die Frage nach der Zweckmäßigkeit des Beamtenstatus für den Lehrer im Obrigkeitsstaat. Bungardt sieht ebenfalls dieses Dilemma, und er folgert daraus: „Eine Lösung konnte nicht gefunden werden, solange der Staat die Schule als ein Instrument . . .seines Macht-und Herrschaftssystems betrachtete."

Uns scheint eine andere Folgerung richtiger zu sein. Solange Staat und Gesellschaft nicht zusammenfielen, nicht „ein Ganzes" bildeten, war der Beamtenstatus für den Lehrer nicht zweckmäßig. Das kann nach den gemachten Ausführungen nicht so verstanden werden, als hätte die Lehrerschaft die freie Statuswahl immer gehabt. Sie hatte sie bestimmt nicht mehr in der Wilhelminischen Ära. Doch diese Folgerung ermöglicht, wie uns scheint, die Entwicklung als solche kritisch zu sehen und die Konsequenzen zu erkennen, die sie für die Stellung der Lehrerschaft in der Gesellschaft gehabt haben. Auch verstellt sie nicht den Blick für die Mitverantwortung der Lehrerschaft, und das bedeutet wesentlich die Verantwortung der Vereine und für ihr historisches Gepäck bis heute.

Um es konkret zu sagen in Hinsicht auf die Weiterentwicklung in der ersten Hälfte unseres Jahrhunderts: Die Tatsache, daß eine im Sinne der preußisch-deutschen Beamtentradition verbeamtete Lehrerschaft vorhanden war, als die Umwandlung Deutschlands in eine parlamentarische Demokratie begann, war von erheblicher Tragweite und war eine der „historischen Vorbelastungen" (Fraenkel), die zum Scheitern eben dieser Demokratisierung beitrugen In der Katharsis von 1945 bekannte sich Adolf Grimme in einer Rede „zur deutschen Lehrerschaft" zur Mitverantwortung der Lehrer: „Wir sind an der Erziehung zur Subalternität zerbrochen . . . Wir hatten den korrekten, sauberen Beamten und den bis in den Tod gehorchenden Soldaten. . . . Sie taten, was befohlen war."

8. Ausblick auf die heutige Situation

In unserer heutigen demokratischen Gesellschaft ist die Situation des Beamtenlehrers naturgemäß eine andere und ebenso die der Staatsschule. Das deutsche Volk hat sich „kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt" das Grundgesetz gegeben (Präambel). Damit „zerfällt . .. notwendig das Selbstverständnis des Beamtentums als Stand und Träger der Staats-idee" und ein Abbau des Sonderethos und eine „Umformung des hergebrachten Beamtenbewußtseins" sind erforderlich.

Eine solche Umformung darf nicht allein von „administrativ-technischer oder juristisch-theoretischer Art" sein, sondern muß zutiefst in der Struktur erfolgen. Gegen sie wirken die Tradition und die kaum unterbrochene Kontinuität, so daß wiederholt von der Gefahr gesprochen wurde, daß die Beamtenschaft „das Erbe der Krone angetreten hat und seither hinter den Schaltern das Gemeinwohl gegen das Volk von Interessenten vertritt."

Das gilt vielleicht mehr für den Verwaltungsbeamten, aber nicht nur für ihn. Selbst Pädagogen fragen sich, „ob dieBeamtung nicht mehr Unheil anrichtet als sie Segen einbringt" und ob eine „sukzessive Entstaatlichung der Staatsschule“ nicht erforderlich sei. Dabei wird sicherlich weniger an radikale Veränderungen gedacht, als vielmehr an die Gewinnung eines neuen, eines verbesserten Verhältnisses zwischen Schule und Lehrerschaft auf der einen Seite und der Gesellschaft auf der anderen. Schule und Lehrer haben den ihnen zukommenden Platz im Funktionszusammenhang der Gesellschaft, in ihrem „Regelkreis" (von Hentig) einzunehmen.

Auch die innere Ordnung der Schule und das Schulleben verlangen Umgestaltungen und neue Ansätze, wenn sie propädeutisch für demokratisches Verhalten wirken sollen. Der Vorwurf des Deutschen Ausschusses: „Die deutsche Schule hat sich noch nicht aus den alten obrigkeitsstaatlichen Formen gelöst" sollte sehr ernst genommen werden. Vergleichende Untersuchungen mit anderen Demokratien bestätigen dieses Urteil

Hier aber scheint mir die besondere Problematik der heutigen Schule zu beginnen, daß sie nämlich, während sie noch auf der Suche nach neuen Formen in ihrem Innen-und Außenverhältnis ist und dabei behindert wird durch die Last ihrer Traditionen, aus gesellschaftspolitischen Gründen zu einer Ausweitung ihres Aufgaben-und Einflußbereiches und zu einer Verselbständigung als Folge einer „Institutionalisierung von Erziehungsund Bildungsaufgaben" (Schelsky) veranlaßt wird. Gegendarstellung In der Beilage zur Wochenzeitung „Das Parlament" erschienen am 18. 5. 1966 unter der Überschrift „Die kommunistische Tätigkeit in der Bundesrepublik im Jahre 1965" auf Seite 28, 2. Spalte, 4. Absatz, Ausführungen, die sich mit mir befassen.

Es heißt hier: „Kounalakis unterhielt auch Verbindungen zur KPD."

Das ist nicht wahr. Richtig ist vielmehr, daß ich keine Verbindungen zur KPD unterhalten habe.

Petros Kounalakis Anmerkung der Redaktion Der fragliche Absatz lautet:

„Gegen eine Anzahl von Gastarbeitern sind Strafverfahren wegen Geheimbündelei u. a. eingeleitet worden. So beispielsweise gegen den Griechen Petros Kounalakis, der die politische Arbeit der EDA [= „Eniea Dimokratiki Aristera", eine Ersatzorganisation der verbotenen KP Griechenlands] in der Bundesrepublik leitet. Kounalakis unterhielt auch Verbindungen zur KPD.“

Wir weisen darauf hin, daß gemäß § 11 des Pressegesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen die Verpflichtung besteht, eine Gegendarstellung abzudrucken, unabhängig davon, ob die in ihr enthaltenen Behauptungen der Wahrheit entsprechen oder nicht.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Friedrich Meinecke, Die Idee der Staatsräson, München 19638, S. 364 f.

  2. Ebenda S. 334.

  3. Vgl. Georg Picht, Die Verantwortung des Geistes, Olten und Freiburg 1965. Vgl auch Carl Jantke, in: Handbuch der Soziologie, Düsseldorf-Köln 19645*, S. 106 f. „Im Anfang war die Armee" (Werner Sombart), standen Heerwesen und zentralisierte Bürokratie. Von der Entwicklung in Österreich sagt Otto Brunner: „Man wird in ihr (der Schulpflicht) ebenso wie in der allmählich breitere Schichten erfassenden Wehrpflicht ein wesentliches Moment moderner Staatlichkeit zu erkennen haben“, in: Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, Stuttgart 1962, S. 71.

  4. Beispiele finden sich u. a. bei Robert Rissmann u. C. L. H. Pretzel, Geschichte des Deutschen Lehrer-vereins, Leipzig 1921; Karl Bungardt, Odyssee der Lehrerschaft, Frankfurt am Main 1959; aber auch in der allgemeinen Geschichtsschreibung. So schreibt Gustav Freytag: „Man täuscht sich, wenn man meint, daß um das Ende des Jahrhunderts die Aufklärung bereits vieles in den Hütten der Armen, zumal auf dem Lande, gebessert hatte. In den Dörfern waren allerdings Schulen, aber häufig war der Lehrer ein früherer Bedienter des Gutsherrn, ein armer Schneider oder Leinweber." Bilder aus deutscher Vergangenheit, Leipzig o. J., Bd. V, S. 329.

  5. Zit. aus dem Landesbeamtengesetz für Schlesw. -Holst., § 5.

  6. Otto Brunner, a. a. O., S. 78.

  7. Thomas Ellwein, Regierungssystem der Bundesrepublik, Köln und Opladen 1963, S. 200.

  8. Mit dem Allg. Landrecht begründet noch Adolf Diesterweg um 1860 seine Forderung nach dem vollen Beamtenstatus für die Volksschullehrer.

  9. Gustav Freytag, a. a. O., S. 127.

  10. Vgl. Karl Bungardt, a. a. O., S. 64 ff.

  11. 1698 wird das erste in Gotha gegründet. Weitere folgen in allen dt. Staaten. 1825 gibt es in Preußen 28. Als Beispiel für die Vorbildung der Seminaristen nennt Bungardt Zahlen von 1806 aus einem ostpreußischen Seminar: Unter 242 Zöglingen sind 109 Schneider, 21 Schuster, 5 Tischler und 69 Nichtprofessionalisten.

  12. „Der Lehrerstand ist nächst dem der Tagelöhner der am meisten bedrückte in unserem Lande . . . Ein großer Teil der Schullehrer ist kärglich abgefunden, so kärglich, daß es unseres Volkes unwürdig ist." Lorenz von Stein, 20. 9. 1850 vor der Landesversammlung in Kiel.

  13. 1793 in: Theorie der Bildung, zit. nach: Wilhelm von Humboldt. Eine Auswahl, Frankfurt/M. 1957, S. 57.

  14. Zitiert bei Reinhard Wittram, Das Interesse an der Geschichte, Göttingen 1958, S. 85.

  15. Wilhelm von Humboldt, in: Grenzen der Wirksamkeit des Staates, ebd. S. 35. Obwohl gerade er als leitender Beamter die staatliche Zentralisierung des Bildungswesens entscheidend vorangetrieben hat, scheint er — theoretisch — bei seiner früheren Auffassung geblieben zu sein. So schreibt er 1809 an seinen Minister: „Der Grundsatz, daß der Staat sich um das Schulwesen gar nicht einzeln bekümmern muß, ist an sich . . . gewiß der einzig wahre und richtige." Zit. nach Howald, Wilhelm von Humboldt, Zürich 1944, S. 155.

  16. Von dem Herrscher heißt es dagegen: „Höchstens verlangt man noch Geschicklichkeit, aber bloß um die Untertanen desto besser als Werkzeug zu seinen Absichten gebrauchen zu können." Immanuel Kant in der kleinen Schrift „über Pädagogik" (1803), zit. nach Kamps Pädagogische Taschenbücher, Heft 5 Bochum o. J., S. 35.

  17. Friedrich Meinecke, Das Zeitalter der deutschen Erhebung, Leipzig o. J., S. 13.

  18. Schon Niccolo Machiavelli nennt Kirche und Religion „Funktionen des Staates und des Politischen", zit. nach Gerhard Möbus in: Fischer Lexikon Staat und Politik, Frankfurt/M. 1957, S. 148.

  19. Karl Bungardt erwähnt ein Reskript von 1824, wonach „bei der Anstellung von Lehrern nicht nur die Unschädlichkeit ihrer Gesinnung, sondern vielmehr ihre politische Vertrauenswürdigkeit zu prüfen sei"; a. a. O., S. 32. Gerade die Führer der Lehrerschaft haben dieses Kriechertum mit harten Worten gegeißelt. Vgl. etwa R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 41.

  20. Theodor Geiger, Demokratie ohne Dogma, München 1963, S. 205 ff.

  21. Leonhard Froese, Bildungsstrukturen in Ost und West, in: Europäische Gemeinschaft, Heft 2/1966.

  22. Friedrich Meinecke a. a. O., S. 59.

  23. Vgl. hierzu Gerhard Ritters Urteil: „Auch die großen Schulreformpläne der preuß. Reformer hatten zuletzt eine Machtverstärkung der Monarchie zum Ziel: die Predigt von Gott, König und Vaterland sollte im Mittelpunkt der gesamten Volks-erziehung stehen." Gerhard Ritter, in: Karl Reichs-freiherr vom und zum Stein. Eine politische Biographie, Berlin-Stuttgart 1931, Bd. 1, S. 460.

  24. Eduard Spranger, Philosophie und Pädagogik der preußischen Reformzeit, in: Historische Zeitschrift 104, 1910, S. 314.

  25. „Die Revolution, welche Ihr von unten nach oben gemacht habt, wird sich in Preußen langsam von oben nach unten vollziehen ... in wenigen Jahren wird es in Preußen keine privilegierte Klassen mehr geben", so ein preuß. Minister 1799 zu einem Franzosen. Zit. bei Friedrich Meinecke, a. a. O„ S. 71. — Daß man an dieser Hoffnung auch nach 1815 noch festhielt, weist Reinhart Kosellek nach. Staat und Gesellschaft in Preußen, in: Staat und Gesellschaft im deutschen Vormärz, Stuttgart 1962, S. HO ff.

  26. R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 4.

  27. John Dewey, Demokratie und Erziehung, Braunschweig 19643, S. 129.

  28. Zitiert nach Friedrich Giese, in: Deutsche Schulgesetzgebung, Langensalza 1932, S. 38. Der Wortlaut ist umstritten, vgl. Bungardt, a. a. O., S. 56.

  29. Während der Weimarer Republik erhebt sich eine neue Welle des Anti-Intellektualismus. Die Ratio soll „durch andere Erkenntnismittel, die den Gesetzen des Lebens entsprechen", ersetzt werden. Vgl. Kurt Sontheimer, Antidemokratisches Denken, München 19642, S. 72 ff. Hitler fordert später: „Keine intellektuelle Erziehung, denn mit Wissen verderbe man die Jugend nur." Zit. nach Hermann Rauschning, Gespräche mit Hitler, Zürich 19402 S. 237.

  30. „Einen dunklen Fleck in der Geschichte der Preußischen Volksschule" nennt Eduard Spranger die Regulative, in: Geschichte der deutschen Volksschule, Heidelberg 1949, S. 44. Es ist nicht der einzige Fleck.

  31. R. Rissmann/C. L H. Pretzel, a. a. O., S. 9.

  32. Kröners Wörterbuch der Pädagogik, Stuttgart 19575, S 326.

  33. Theodor Litt, Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt, Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst, Heft 15, Bonn 1955, S. 13. Vgl. Litt auch zum folgenden.

  34. Wilhelm Flitner über Pestalozzi, zit. bei Karl Bungardt, a a. O., S. 14.

  35. Theodor Litt, Erziehung wozu?, Stuttgart 1956, S. 13.

  36. Alfred Weber, Kulturgeschichte als Kultursoziologie, München 1950", S. 406.

  37. Wilhelm von Humboldt, Theorie der Bildung, a a. O., S. 57.

  38. Helmut Sehelsky, Einsamkeit und Freiheit, Hamburg 1963, S. 81 ff.; vgl. auch Theodor Litt, Bildungsideal, a a. O., S. 55 ff

  39. Eduard Spranger äußert dazu: „Die deutsche Pädagogik des 19. Jahrhunderts hat sich lange gegen die Zumutung gewehrt, in den sogenannten allgemeinbildenden Schulen das praktisch Nützliche zu berücksichtigen", in: Der Eigengeist der Volksschule, Heidelberg 19644, S. 103.

  40. Theodor Litt, a. a. O., S. 62 und S. 43 ff. und S. 55 ff.

  41. Vgl. hierzu auch Alfred Weber, Abschied von der Geschichte, S. 129. Sehr kritisch äußerte sich auch Theodor Fontane, so in seinem Roman „Frau Jenny Treibel" und in seinen Briefen. Ein Beispiel dafür bringt das Taschenbuch: Das Wilhelminische Deutschland, Frankfurt/M. 1965, S. 130.

  42. Wie groß andererseits das Beharrungsvermögen der Pädagogen sein kann, soll nur erwähnt werden. Theodor Litt zeigt das an Georg Kerschensteiner (a. a. O., S. 67 f.). -— Audi heute ist die Diskussion um die Bildungsidee nicht verstummt. Während Karl Löwith das humanistische Bildungsideal „für verfallen und tot" erklärt (Schelsky, a. a. O., S. 129), Spranger für die Volksschule die Möglichkeit eines Bildungsideals bezweifelt (a. a. O., S. 29 ff.), fordert Helmut Schelsky die Erweiterung der humanistischen Bildung durch Einbau der modernen Wissenschaften. Ähnliches verlangt Ralf Dahrendorf in: Die angewandte Aufklärung, München 1963, S. 29 ff. — Gerade „das Menschenbild der modernen Wissenschaftshaltung" verneint aber Richard Schwarz als das des „mobilen, nur zweckrationalen Menschen", in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 39/64, vom 23. 9. 1964.

  43. Thomas Mann, Betrachtungen eines Unpolitischen, Berlin 1919, S. 266 — gerade Thomas Mann beweist dann später den großen Wandel in seinem Denken.

  44. Theodor Litt, a. a. O., S. 115, ähnlich S. 59.

  45. Alfred Weber, Abschied von der Geschichte, Hamburg 1946, S. 209 und S. 127.

  46. Daß eine Alphabetisierung um ihrer selbst willen zu keinem dauerhaften Erfolg führt, sondern daß eine solche funktional gebunden sein muß (etwa an eine Berufsausbildung und an eine allgemeine soziale Besserung), zeigen die Bemühungen der UN in der Nachkriegszeit. Vgl. etwa den Bericht in der Allgemeinen Deutschen Lehrerzeitung, Nr. 2/1966.

  47. Franz Hilker, in: Das Parlament, Nr. 39, vom 23. 9. 64, S. 1.

  48. Hans Wenke, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B XIV/56, vom 4. 4. 1958, S. 231.

  49. Reinhart Kosellek a. a. O., S. 107 ff. Ein Selbstlob der Staatsverwaltung muß deshalb kritisch gesehen werden wie dieses: „Es ist ein Akt der Gerechtigkeit, zu konstatieren, daß die unermeßliche Entwicklung der Kultur des deutschen Volkes in ökonomischer und politischer Hinsicht seit den letzten 50 Jahren zum großen Teile auf der Arbeit des Staatsdienstes beruht.“ Zit. nach Karl Friedrich von Gerber, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, 1880, S. 112.

  50. Ein Beispiel dafür: Die Selbständigkeit der amerikanischen High Schools ließ das Aufstellen von verbindlichen Prüfungsrichtlinien nicht zu. Colleges und Universities müssen jedoch einen Fundus an Wissen für ihre Arbeit voraussetzen können. Also erteilen sie nach Absprache für ein bestimmtes Leistungsniveau den High Schools sogenannte accredits (Anerkennungen) für ihre Absolventen. Diese Maßnahme erzwingt eine freiwillige Vereinheitlichung der Arbeitspläne an den High Schools.

  51. Theodor Geiger, a. a. O., S. 310.

  52. 1959 urteilt der Deutsche Ausschuß für das Erziehungs-und Bildungswesen, „daß das dt. Schulwesen den Umwälzungen nicht nachgekommen ist, die in den letzten 50 Jahren Gesellschaft und Staat verändert haben" (Einleitung zum Rahmenplan). Und Helmut Becker spricht noch für die Gegenwart von der „autoritären Verfassung der Staats-schule", deren Lehrer damit „Repräsentant" einer Schule (ist), die im wesentlichen Ausdruck des 19. Jahrhunderts ist. In: Bildung zwischen Plan und Freiheit, Stuttgart 1957, S. 57.

  53. Vgl. R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 8.

  54. Theodor Heuss, in: Die großen Deutschen, Berlin o. J., Bd. 3, S. 420. Vgl. auch Wolfgang Köllmann, Friedrich Harkort, 1. Bd., 1965. Dieser Band beschreibt Harkorts Leben bis 1840. Kurz davor scheitert er in seinen wirtschaftlichen Unternehmungen, eben weil er kein Homo oeconomicus ist. Seine eigentliche politische Arbeit setzt danach ein, so daß man auf den 2. Band von Karl Köllmann gespannt sein darf.

  55. Zit. nach Karl Bungardt, a. a. O., S. 57.

  56. Dazu gehörte Gustav Rümelin, Prof, in Tübingen und jahrelang Leiter des Kultusministeriums in Württemberg. Eine mehr als vierjährige Schulpflicht hielt er für falsch, weil er kein Bildungsmotiv bei den meisten Menschen sah. — Den Hinweis verdanke ich Prof. Wenke.

  57. Hierzu paßt ein hübscher Ausspruch eines englischen Lords, als im Oberhaus erstmalig über staatliche Zuschüsse für öffentliche Schulen debattiert wurde: „lf a horse knew as much as a man, I would not be his rider." Leider ohne Jahresangabe zit. im Handbuch der Pol. Ökonomie, 4. Ausl 1898 2. Halbbd., S. 490.

  58. Eduard Spranger, Eigengeist der Volksschule, a. a. O., S. 61.

  59. Lorenz von Stein, Verwaltungslehre, 1865— 84, 5. Teil, S. 73.

  60. Vgl . hierzu weiter unten S 20 f.

  61. Vgl. hierzu Ernst Frankel, Historische Vor-belastungen des deutschen Parlamentarismus, in: Stationen der deutschen Geschichte, Stuttgart 1962, und ders., Deutschland und die westlichen Demokratien, Stuttgart 1964.

  62. Der Kulturkampf zeigt wenig später die Grenzen einer reinen staatlichen Machtpolitik gegenüber den Interessen einer religiösen Gruppe. Zu ihr gehören auch Lehrer, und so entsteht in diesen Jahren der erste katholische Lehrerverein. Die Gründung zeigt, daß das Band der Konfession stärker sein kann als die Zugehörigkeit zu einem Beruf, denn gerade vorher (1871) erfolgte die Gründung des Deutschen Lehrerveieins.

  63. R. Rissmann/C. L. H Pretzel, a. a. O., S. 39.

  64. Zit. nach Max Hertel, Der Anfang des Deutschen Lehrervereins, Leipzig 1929, S. 53. In Leipzig tagte im April 1848 die erste Allgemeine Versammlung sächsischer Lehrer, der Vorläufer der Dresdener Versammlung, auf der der Allgemeine Deutsche Lehrerverein gegründet wird.

  65. Helmuth Kittel, Der Erzieher als Christ, Göttingen 19532, S. 176.

  66. Vgl. Max Hertel, a. a. O., S. 78.

  67. Vgl. R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 40.

  68. Andreas Flitner, Die politische Erziehung in Deutschland, Tübingen 1957, S. 158.

  69. Zit. nach Kröners Wörterbuch der Pädagogik, Stuttgart 19575, S. lOOf.

  70. Karl Mathy flieht 1830 in die Schweiz, wird Lehrer, kehrt später nach Deutschland zurück, ist Mitglied der Frankfurter Nationalversammlung und dann badischer Minister. Sein Bericht ist abgedruckt bei Gustav Freytag, Bilder aus deutscher Vergangenheit, Bd. V, S. 503 ff.

  71. Alexis de Tocqueville, Uber die Demokratie in Amerika, zit. nach der Stuttgarter Ausgabe von 1959, II. Band, S. 138 ff.

  72. Vgl.den Angriff von Leo Strauss gegen dieses Mißverständnis bei Max Weber, in: Naturrecht und Geschichte, Stuttgart 1956, S. 62.

  73. Daß Demokratie schon in der Schule gelebt werden kann, beobachtete Tocqueville, dieser erstaunlich scharfsichtige Beobachter, ebenfalls, a. a. 0., Bd. I, S. 216.

  74. Reinhard Wittram, a. a. O., S. 84.

  75. Einige Einzelheiten finden sich u. a. bei Arthur M. Schlesinger, Der Aufstieg der USA, Salzburg o. J„ S. 158 ff.

  76. Man denke z. B. an die School Boards, die sich aus Laien zusammensetzen und zuständig sind für die Anstellung der Lehret und die Auswahl der Schulbücher, oder an die Schulbaufinanzierung mit Hilfe von Anleihen der Bürger.

  77. John Dewey, a. a. O., S. 389 f.

  78. Ernst Fraenkel, Das amerikanische Regierungssystem, Köln und Opladen 19622, S. 94 f. — Man vergleiche das mit der Ablehnung einer allgemeinen Volksbildung aus antiegalitärem und antidemokratischem Affekt, so etwa bei Gustave Le Bon, in: Psychologie der Massen, Kröner-Ausgaoe, Stuttgart 1964, S. 62 ff.

  79. Entnommen dem Handbuch der Pol. Ökonomie, 4. Ausl., Tübingen 1898, 2. Halbbd., S. 489 ff. Eine weitere Quelle hierfür ist das Buch-Zur Geschichte und Statistik des Volksschulwesens, Wien 1878.

  80. Vgl. Karl Bungardt, a. a. O., S. 65.

  81. Zit. nach R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 54.

  82. Zit. nach Karl Bungardt, a. a. O., S. 62.

  83. Zit. nach R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 57.

  84. Vgl. Ludwig Bergstraesser, Geschichte der politischen Parteien, München 196010, S. 39.

  85. Helmuth Kittel, a. a. O., S. 152.

  86. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, a. a. O., S. 186 ff. Ein Beispiel dafür:

  87. So schreibt der junge Wilhelm von Humboldt 1792: „Jedes Bemühen des Staates (ist) verwerflich . . . sich in Privatangelegenheiten einzumischen“, und „Sicherheit (ist) der unter allen möglichen Zwecken des Staates." Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirklichkeit des Staates zu bestimmen, a. a. O., S. 25.

  88. David Thomson, England in the Nineteenth Century, Pelican Book, 1963, S. 51.

  89. John Stuart Mill, Die Freiheit, in: Politische Theorien, Köln und Opladen 19632, III. Bd„ S. 189; vgl. auch dort Otto Heinrich von der Gablentz, S. 34.

  90. Ernst Fraenkel, Historische Vorbelastungen des deutschen Parlamentarismus, in: Deutschland und die westlichen Demokratien, a. a. O.

  91. Otto Heinrich von der Gablentz, a. a. O., S. 33.

  92. So schreibt Max Hertel 1929: „Ihnen (den Lehrern 1848) allen stand, ob sie sich bewußt darauf beriefen oder nicht — einerlei, der Staat Fichtes vor Augen." Marx Hertel a. a. O., S. 89. Uber Fichtes Wirkung in Deutschland vgl. auch Golo Mann, in: Deutsche Geschichte, Frankfurt/M. 1960, S. 85.

  93. Deutlich ist das besonders in der 9. und 10. Rede an die Deutsche Nation.

  94. Theodor Geiger, Demokratie ohne Dogma, a. a. O., S. 168. Hans Wenke hat einmal auf ein weiteres Motiv der deutschen Staatsauffassung hingewiesen. Die romantische Sehnsucht, die sich „gegen den naturrechtlich rationalen Staat des 18. Jahrhunderts richtet, damit aber zugleich gegen den jahrhundertelangen Stil politischen Denkens, gegen das politische Kalkül schlechthin . . . Die Verwerfung der Ratio, deren sich die Romantik rühmt, . . . ist für die deutsche Entwicklung zum Verhängnis geworden." Der Deutsche und sein Staat, in: Erziehung und Wissenschaft, Heidelberg 1952, S. 177.

  95. Vgl. bei Friedrich Meinecke, Die Idee der Staatsräson, die Einordnung Fichtes zwischen Hegel und Treitschke.

  96. Vgl. bei Ernst Fraenkel, Strukturdefekte der Demokratie, a. a. O., die Darstellung der klassischen Demokratietheorie.

  97. Vgl. Friedrich Meinecke, a. a. O., S. 426 ff.

  98. Ott Heinrich von der Gablentz, a. a. O., S. 22 — ähnlich auch Kurt Sontheimer, Staatsidee und staatliche Wirklichkeit heute, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, B 16 64, vom 15. 4. 1964.

  99. Helmut Schelsky, Einsamkeit und Freiheit, a. a. O„ S. 138.

  100. So u. a. bei Fritz Blättner, Geschichte der Pädagogik, Heidelberg 1955, S. 128 ff.

  101. Golo Mann, a. a. O., S. 85.

  102. Als ein Beispiel dafür, mit welcher Selbstverständlichkeit die Pädagogen den Vorrang des Staates über die Schule anerkannten, sei ein Zitat von Johann Friedrich Herbart aus dem Jahre 1818 erwähnt: „Wie sollte es möglich sein, daß der Staat, nachdem er einmal vorhanden ist, etwas über sich duldete? Er muß vielmehr, seiner Natur gemäß, alles andere sich unterordnen." Zit. nach Herbarts Vorlesungen über die Pädagogik, Heidelberg 1964, S. 29.

  103. Jürgen Heinel in: Internationales Jahrbuch für Geschichtsunterricht, Unt. Bd. VI., S. 8 ff; zit. bei Karl Bungardt, a. a. O., S. 90.

  104. Erwähnt bei Pistorius, in: Geschichte des ritter-und landschaftlichen Schulwesens, o. J.

  105. Albert Reble, Geschichte der Pädagogik, erwähnt bei Karl Bungardt, a. a. O., S. 104.

  106. Fischer Lexikon Pädagogik, Frankfurt/M. 1964, S. 319.

  107. Gerhard Schulz, in: Die nationalsozialistische Machtergreifung, Köln und Opladen 1962*, S. 476.

  108. Daß eine Mitverantwortung der Lehrerschaft an dieser Entwicklung — wie sie nach den obigen Ausführungen evident sein dürfte — auch heute in den Lehrerverbänden nicht gesehen wird, zeigt z. B. Karl Bungardt in seiner Erwiderung auf Andreas Flitner; vgl. Karl Bungardt, a. a. O., S. 74 ff. Im übrigen ist Karl Bungardt dafür zu danken, daß er in seinem Buch manches verstreute Material zusammengetragen hat.

  109. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Studienausgabe, Köln und Berlin 1964, S. 735 f.

  110. So forderte die Deutsche Lehrerversammlung 1912 u. a. das passive Gemeindewahlrecht und die unbeschränkte Ausübung des Vereins-, Versammlungs-und Petitionsrechts. Vgl. R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 261

  111. Man versuchte die Arbeit der Vereine auf bloße Berufsfragen zu beschränken, erschwerte den Besuch der Tagungen, ja in Preußen bot man Ersatz-vereinigungen an und erreichte mit Drohungen einen Rückgang der Mitgliederzahlen.

  112. Man denke an die „Gleichschaltung" der Vereine in totalitären Systemen. Eine staatliche Einheitsgewerkschaft zum Beispiel ist eben kein Verein mehr, sondern ein Werkzeug des Staates. Die elementare Bedeutung freier Vereinigungen für eine Demokratie erkannte schon Tocqueville. Vgl. Alexis de Tocqueville, a. a. O., Bd. I, S. 216 ff.

  113. Zit. nach Karl Bungardt, a. a. O., S. 84.

  114. Ebenda S. 85 ff.

  115. Beide Auseinandersetzungen stehen nicht nur in einem zeitlichen, sondern auch in einem inneren Zusammenhang. Ihre Auswirkungen „stellen bleibend die schwerste Hypothek des Bismarckschen Erbes für die Zukunft des Reiches dar." Hans Herzfeld, Die moderne Welt, Braunschweig 1960, S. 243 ff.

  116. Zit. nach Karl Bungardt, a. a. O., S. 86 ff.

  117. Zit. nach R. Rissmann/C. L. H. Pretzel, a. a. O., S. 105.

  118. Karl Bungardt, a. a. O., S. 76.

  119. Theodor Eschenburg, Staat und Gesellschaft, Stuttgart 1962, S. 21.

  120. „Ganze Lehrervereine sind (1933) dieser Satellitenorganisation (dem NS-Lehrerbund) der siegreichen Partei kollektiv beigetreten.“ Gerhard Schulz, in: Die nationalsozialistische Machtergreifung, a. a. O., S. 316.

  121. Rede zur Eröffnung der Päd. Woche in Hamburg im Aug. 1945, in: Die Sammlung, 1. Jahrg., S. 75.

  122. Zit. nach dem Fischer Lexikon Staat und Politik, Frankfurt 1957, S. 39.

  123. Wolfgang Abendroth, Die soziale Struktur der Bundesrepublik, in: Politische Vierteljahresschrift, 1963, S. 157 f.

  124. Ernst Fraenkel, Deutschland und die westlichen Demokratien, a. a. O., S. 156.

  125. Rupert Breitling, Verbandsforschung, in: Politische Vierteljahresschrift, 1960, S. 60.

  126. Hartmut von Hentig, in: Neue Sammlung 6/1965, S. 503.

  127. Franz Pöggeler, in: Schule und Staat, 1959, S. 138.

  128. Gutachten zur Politischen Bildung und Erziehung, 1955.

  129. Ein Beispiel: Max Horkheimer äußerte sich nach einer Studienreise: „Man wisse in Amerika schon in den Schulen Demokratie in Aktion zu zeigen. Die Lebendigkeit der Elternbeiräte in Amerika setze ein Schulsystem voraus, das weitgehend von der Gemeinde getragen werde. Wo dagegen zentral verwaltet werde, bleibe für die Elternbeiräte wenig mitzubestimmen. In ähnlicher Weise könne auch die Schülermitverwaltung bei uns nicht lebendig werden, weil sie nichts zu bestimmen habe.... Im Unterricht gehe es dort weniger autokratisch und dennoch bedeutend höflicher zu.... Es bedürfe bei uns einer Erziehung der Erzieher.“ Zit. nach der Frankfurter Allgemeinen Zeitung v. 13. 10. 64.

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Harm Prior, geboren 27. Juni 1927, Lehrer, zur Zeit Assistent am Pädagogischen Institut der Universität Hamburg.