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Totalitärer, marxistischer oder demokratischer Sozialismus? | APuZ 27/1966 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 27/1966 Totalitärer, marxistischer oder demokratischer Sozialismus?

Totalitärer, marxistischer oder demokratischer Sozialismus?

Günter Bartsch

Diese Ausgabe enthält die dritte Folge einer Arbeit, deren vorangegangene Teile in den Nummern B 31/65 und B 3/66 erschienen sind. Ein vierter und abschließender Teil folgt in der nächsten Ausgabe. d) Das anarchistische Vorspiel Die Kommunisten hatten sich kaum von den Sozialisten getrennt, da begannen sie sich auch innerhalb ihrer Parteien zu streiten — ein untrügliches Merkmal, daß ihre geistige Struktur der Homogenität entbehrte. Es mutete sonderbar an, wie schnell sie nun ihrerseits in feindliche Fraktionen oder gar in feindliche Parteien zerfielen, was jedoch nur die Kontinuität der untergründig im Kern des Kommunismus schwelenden Probleme unterstrich.

Wenn wir von England absehen, wo die Zersplitterung des Kommunismus schon vor dem Ersten Weltkrieg eingesetzt hatte, und wenn wir Rußland vorübergehend zurückstellen wollen, so vollzog sich dieser Prozeß aus vorerst noch ungeklärten Gründen am schnellsten in Deutschland.

In der am 31. Dezember 1918 gegründeten KPD kam es schon zehn Monate später zum Bruch, als die Anarcho-Kommunisten den zweiten Parteitag verließen, um eine eigene Organisation, die „Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands" (KAPD), zu bilden. Mehr als die Hälfte der bisherigen KPD-Mitglieder trat unverzüglich zu dieser Konkurrenzpartei über, die im Jahre 1920 mit 38 000 Mitgliedern begann

Es ist möglich, daß der starke Zustrom zur KAPD durch das zwiespältige Verhalten der KPD-Zentrale gegenüber der Bayrischen Räterepublik mitbegründet war, die nur vom 7. April bis 1. Mai 1919 bestand. Sie ist eigentlich eine anarcho-kommunistische Republik gewesen, die dem in Rußland geschaffenen System nur äußerlich glich, wenn sie sich auch in ihrer Existenzangst an Sowjetrußland anzulehnen suchte. Viele ihrer führenden Männer — wie Landauer, Mühsam und Toller — waren Anarchisten oder Halbanarchisten, andere — wie Eugen Levine — sind Kommunisten gewesen.

In Holland gelang es den Anarcho-Kommunisten, sich des Provisorischen Büros der Kommunistischen Internationale in Amsterdam zu bemächtigen, von dem aus sie Thesen wider den Parlamentarismus in viele Länder verschickten.

Der Anti-Parlamentarismus war ihr bezeichnendster Zug; sie lehnten nicht nur die Beteiligungen an Wahlen, sondern auch die Mitarbeit in Parlamenten ab. Ferner traten sie gegen Kompromisse und Reformen jeglicher Art auf; auf dem Wege zum Kommunismus und der Abschaffung des Staates dürfe man weder rechts noch links vom Wege weichen. Schließlich wollten sie eine Massen-statt eine Führerpartei, weil die Revolution nicht von oben dirigiert werden könne, sondern von unten emporschlagen müsse. Die Revolution selbst habe die Diktatur der Klasse — also der Arbeiterschaft — statt einer Partei zu begründen. In ihrer Ablehnung intelligenzlerischer Führer, die mit den Arbeitern lediglich ihre kommunistische Überzeugung teilten, wie auch in der Empfehlung des Faustrechts gaben sich die Anarcho-Kommunisten betont proletarisch. „Die spezifisch proletarischen Methoden des revolutionären Kampfes sind besonders hervorzuheben" hieß es in einer ihrer Broschüren. Sie neigten zu einem typischen Arbeiter-Kommunismus oder, um es anders auszudrücken, zur Prolet-Kultur.

Wir sprechen bewußt von Anarcho-Kommunisten statt von Syndikalisten. Selbst politische Fachleute können sich irren, wenn sie — etwa im Hinblick auf die KAPD — den Begriff des „Anarcho-Syndikalismus" verwenden Unbestreitbar hatte der Anarchismus nach seiner schismatischen Trennung von den marxisti-sehen Kommunisten teilweise eine syndikalistische Wendung genommen. Guillaume und Pelloutier entwarfen in der Nachfolge Bakunins eine neue Revolutionstheorie, die in den Gewerkschaften — statt in politischen Parteien — das wichtigste Instrument des Klassenkampfes und zugleich das Modell der künftigen Gesellschaft sah. Die Gewerkschaften sollten sich mit Hilfe des Generalstreiks aus Kampfverbänden der Arbeiterschaft in Organisationen der Produktion und Verteilung verwandeln, indem sie die Leitung der Wirtschaft übernahmen und zur Grundlage der sozialen Erneuerung würden. Ihre Organe seien dazu bestimmt, die Staatsorgane zu ersetzen. Die Anarcho-Syndikalisten stellten sich die künfge Gesellschaft als eine staatenlose Föderation von Produzentenkreisen vor.

Damit hatte die vorher recht vage anarchistische Föderationstheorie eine feste Form angenommen, und dem destruktiven Zug des radikalen Anarchismus gesellte sich in syndikalistischen Kreisen ein konstruktiver bei (der beim gemäßigten Proudhons von vornherein gegeben war). Außerdem näherte er sich über die syndikalistische Theorie dem Marxismus wieder an, soweit er nun wie dieser die Arbeiterschaft sowohl als seine Massenbasis als auch als Trägerin der Zukunftsgesellschaft interpretierte und die allgemeine Revolutionstheorie mit der klassenkämpferischen vertauschte 3a).

Nach Bakunin teilte sich der Anarchismus in eine politische und eine gewerkschaftliche Strömung, die ohne Unterschied durch die kommunistischen wie die sozialistischen Parteien liefen. In Rußland waren beide Strömungen stark, wobei einmal diese und einmal jene den Vordergrund beherrschte. In Frankreich und Spanien hat die gewerkschaftliche, in Mitteleuropa hingegen die politische Richtung dominiert Es gehörte sogar zu den Besonderheiten des mitteleuropäischen Anarchismus einschließlich der Anarcho-Kommunisten, daß er antigewerkschaftlich eingestellt war. In Deutschland wurde das ganz offenkundig, denn die KAPD machte keinen Hehl daraus, da sie die Arbeiter öffentlich aufrief, die Gewerkschaften zu verlassen:

„Das Sammelbecken aller revolutionären Elemente ist die auf der Grundlage der Betriebs-Organisationen aufgebaute Arbeiterunion. In ihr müssen sich alle Arbeiter sammeln, die der Losung folgen: Heraus aus den Gewerkschaftsverbänden! Hier werden die breitesten Kampfreihen des kämpfenden Proletariats formiert. Die Anerkennung des Klassenkampfes, des Rätesystems und der Diktatur genügt zum Eintritt."

Für einige Jahre wurde die gesamte Komintern von der antigewerkschaftlichen Stoßrichtung des mitteleuropäischen Anarcho-Kommunismus mitgerissen, der bis in ihre Spitzen vordrang und selbst Lenin überflutete. Die Kommunisten schufen sich eine eigene „Rote Gewerkschaftsinternationale", der nur Verbände beitreten konnten, die sich zum Rätesystem und zur Diktatur bekannten. Die Profintern, wie diese Internationale genannt worden ist, baute in einer Reihe von Ländern ne-ben den sozialistischen Gewerkschaften kommunistische auf, womit nach dem politischen Sektor der Arbeiterbewegung auch der ökonomische oder trade-unionistische gespalten wurde. Aber es ergab sich, daß die auf Beschluß des II. Weltkongresses der Komintern (1920) gebildeten Profintern-Sektionen Minderheitsverbände blieben, die das personelle Feld der kommunistischen Parteimitgliedschaft kaum zu überschreiten vermochten. Der V. Kominternkongreß (1924) forderte daher die Rückkehr aller Kommunisten und ihrer Anhänger in die sozialistischen Gewerkschaften. Jedoch erst elf Jahre später, im Jahre 1936, rang man sich zur offiziellen Auflösung der Profintern durch Wer in Rechnung stellt, daß sich Lenin schon 1920 in seiner Radikalismus-Broschüre gegen die antigewerkschaftliche Haltung wandte, wird sich nicht nur fragen, woher er den Mut nahm, die KAPD mit Spott und Zorn zu übergießen, sondern zugleich ermessen können, wie tief die anarcho-kommunistische Tendenz auch in der zweiten Form des modernen Kommunismus steckte.

Syndikalismus und Anarcho-Kommunismus sind also nur zum Teil identisch oder identisch gewesen, und gerade in Deutschland gingen sie sogar weit auseinander — soweit man überhaupt davon sprechen kann, daß es bei uns Anarcho-Syndikalisten gegeben habe.

Die antigewerkschaftliche Neigung der KAPD wurde übrigens von der KPD übernommen, die 1928 — nachdem die Komintern schon umge-schwenkt war, aber, wie es heißt, in Übereinstimmung mit Stalin und der KPdSU — eine „Rote Gewerkschaftsopposition" ins Leben rief. Zunächst forderte man die Arbeiter auf, „die Agenten des Sozialfaschismus aus allen Funktionärsposten in Betrieben und Gewerkschaften zu verjagen" und kurz darauf hieß es, daß „der Weg zur Herausbildung selbständiger Gewerkschaften als Massenorganisationen ... mit unbeugsamer Konsequenz beschritten werden" müsse. Anscheinend gab sich das Zentralkomitee der KPD der Illusion hin, daß über eigene kommunistische Gewerkschaften eine neue Rätebewegung ins Leben gerufen werden könne.

Vom antigewerkschaftlichen Spuk, der in die Maske neuer Gewerkschaften schlüpfte, blieb aber nur zweierlei übrig: einmal das anarchokommunistische Prinzip, das Schwergewicht der Partei von den Wohngebieten in die Betriebe zu verlegen — was die Komintern schon 1924 beschloß und für obligatorisch erklärte—, zum anderen die Einteilung der Arbeiter in fortschrittliche und reaktionäre Elemente, womit das Klassenprinzip zugunsten des Parteiprinzips unheilbar verletzt wurde. Losowski, Gewerkschaftssekretär der Komintern, schrieb am 17. Juni 1929 den für marxistisch geschulte Ohren fast unglaublichen Satz: „Jener Teil der Arbeiterklasse, der in den reformistischen Gewerkschaften organisiert ist und der reformistischen Führung folgt, das ist der bewußt (!) reaktionäre (!) Teil der Arbeiterklasse." Nach den sozialistischen Parteiund Gewerkschaftsführern waren damit auch alle Arbeiter, die ihnen folgten, in die Kategorie der Klassenfeinde und ihrer „Lakaien" eingestuft. Wenn auch die „antigewerkschaftliche Gewerkschaftspolitik" der Komintern im Zuge der Einheits-und Volksfrontpolitik zu den Akten gelegt worden ist, so hat diese seltsame Differenzierung die „roten Gewerkschaften" doch überlebt, zumal sie sich aus der tiefen Enttäuschung über deren Mißerfolg nährte. So trug der Anarcho-Kommunismus bei, den Graben zwischen den Kommunisten und Sozialisten noch zu vertiefen. Aber Lenin hatte in dieser Hinsicht ursprünglich selbst den Ton angeschlagen — „Die Herrschaften von der Bourgeoisie aber, die sich Sozialdemokraten nennen..." —, was ihm wiederum er-

INHALT der Ausgabe Nr. 31 vom 4. 8. 1965:

1. Rahmen und Begrenzung des Themas Die geschichtliche Entwicklung von Kommunismus und Sozialismus 2. Gehören Sozialismus und Kommunismus historisch zusammen?

a) Der vormarxistische Kommunismus b) Sozialistische Idee, Aktion und Organisation vor Marx c) Unterschiede und Gemeinsamkeiten von Frühkommunismus und Frühsozialismus

3. Die Gegensätze werden vereinigt Inhalt der Ausgabe Nr. 3 vom 19. 1. 1966:

Die beiden ersten Schismen 4. Das kommunistisch-anarchistische Schisma a) Der geistesgeschichtliche Ursprung b) Der theoretische und polit. Konilikt c) Die Bedeutung des Konflikts 5. Das sozialistisch-kommunistische Schisma a) Der Schnittpunkt des Staates b) Klassendiktatur oder Demokratie?

c) Die Kriegskredite u. ihr Hintergrund Die innerkommunistischen Schismen 6. Das stalinistisch-trotzkistische Schisma a) War es wirklich ein Schisma?

b) Der Bolschewismus u.seine Gefahren c) Das sozialistische Vorspiel Inhalt dieser Ausgabe:

d) das anarchistische Vorspiel e) Angriff auf den Staatskommunismus 7. Das nationalkommunistisch-sowjetische Schisma a) Zur Vorgeschichte b) Das jugoslawische Modell c) Staatskommunistischer Zentralismus oder Arbeiterselbstverwaltung?

d) Djilas oder der Widerspruch im Nationalkommunismus

8. Das sowjetisch-chinesische Schisma a) Die Verschiebung des weltrevolutionären Zentrums b) Worum es diesmal geht c) Staatskommunismus und Anarchokommiaismus in China d) Totalitärer und demokratischer Kommunismus

Inhalt der nächsten Ausgabe:

Die innersozialistischen Schismen 9. Spaltung in marxistische und liberale Sozialisten a) Die Wurzeln des Marxismus in den sozialistischen Parteien b) Die Lösung vom Marxismus 10. Die Trennung von Sozialisten und Sozialdemokraten

a) Die Parallelparteien b) Verzögerte Industrialisierung und gebremste Evolution c) Was liegt dem neuen Schisma zugrunde?

11. Schlußbetrachtung laubte, die sozialistische Kerenski-Regierung als Regierung der Bourgeoisie zu bezeichnen und dann zu behaupten, die Oktoberrevolution habe mit der bürgerlichen Klassenherrschaft auch den Kapitalismus gestürzt! Gerechterweise muß gleichzeitig festgestellt werden, daß er am energischsten gegen den Anarcho-Kommunismus zu Felde zog — gegen die politische ebenso wie gegen die syndikalistische Spielart —, was ihm in Rußland schließlich ganz besonders nötig dünkte.

Wir haben jedoch noch einen zweiten Grund, mehr von Anarcho-Kommunisten als von Syndikalisten zu sprechen. Das anarchistische Vorspiel des 3. Schismas ist nämlich zugleich ein Nachspiel des 1. gewesen. Wenn die „KAPD-Tendenz" — wie das Aufflammen des Anarcho-Kommunismus in den kommunistischen Parteien nach dem 2. Schisma genannt worden ist — internationale Verbreitung erlangte, so hing das ebenso mit dem kulturellen Niedergang des Kommunismus von Marx zu Lenin, der (nebenbei gesagt) in Widerspruch zu dem kulturellen Aufschwung der Epoche stand, wie mit der russischen Rätebewegung zusammen, die einige anarchistische Züge besaß.

Es wurde schon erwähnt, daß der Bolschewismus die frühkommunistische Tradition wiederbelebte. Seine terroristischen Methoden — Banküberfälle, Ermordung von Beamten, Militärs und „Verrätern“, Aufstellung von Guerilla-Gruppen in den Bergen, die vielfach ein banditenhaftes Leben führten — waren aber mehr dem anarchistischen als dem kommunistischen Element des Frühkommunismus entnommen. Im russischen Frühkommunismus hatte die anarchistische Tendenz überwogen. Das wirkte sich selbst noch auf die Nihilisten — die intellektuellen Anarchisten der russischen Oberschichten — aus; um wieviel mehr mußte es die Sozialrevolutionäre Gesellschaftsströmung und speziell den Bolschewismus unterschwellig beeinflussen. Isaac Deutscher hat in seiner Stalin-Biographie feststellen können, daß zwischen 1905 und 1908 allein im Kaukasus 1150 Terrorakte verübt worden sind von denen vermutlich der größere Teil auf das bolschewistische Konto entfiel. Lenin hatte schon im August 1906 — als er die Lehren aus der mißglückten Erhebung von 1905 zog — wie mit Rotstift dick unterstrichen, „daß während des Aufstands die rücksichtslose Vernichtung ziviler und militärischer Führer der Gegenseite unsere Pflicht ist" Auch nach der Niederschlagung des Moskauer Aufstands dürfe man die Hände nicht in den Schoß legen, sondern müsse terroristische Kampfgruppen schaffen. „Der Partisanenkrieg, der Massenterror, der jetzt nach dem Dezember überall in Rußland fast pausenlos ausgeübt wird, wird zweifellos helfen, die Massen zu lehren, im Augenblick des Aufstands die richtige Taktik anzuwenden. Die Sozialdemokratie muß diesen Massenterror billigen und zum Bestandteil ihrer Taktik machen..." Die Bolschewiki gaben sich also mit dem Scheitern des Moskauer Dezemberaufstands vom Jahre 1905 alles andere als geschlagen, sondern bereiteten unverzüglich einen neuen Aufstand vor, wobei der Massenterror als Übergangsstadium und als Blasebalg für die revolutionäre Glut gedacht war. Man beachte übrigens die „Dialektik", einerseits den individuellen Terror zu verneinen und andererseits den Massenterror zu proklamieren, obwohl dieser nur die Ausdehnung des individuellen Terrors auf eine unbeschränkte Anzahl von Personen war.

Bakunin hatte einst (gemeinsam mit Costa) in der Schweiz ein anarchistisches Grundsatzprogramm aufs Papier hingeworfen, das folgende Überlegungen enthielt: „Da wir volles Vertrauen in die Instinkte der Volksmassen ha-ben, besteht unsere revolutionäre Methode in der Entfesselung, was man brutale Leidenschaften nennt, und in der Zerstörung dessen, was in der Sprache der Bourgeoisie Öffentliche Ordnung heißt.

Was Lenin zum Sturz der zaristischen Selbstherrschaft betrieb, unterschied sich nur in einer Hinsicht von diesem Programm: daß er die Entfesselung der revolutionären und brutalen Leidenschaften unter die Kontrolle seiner Partei bringen wollte, um sie zusammenzufassen und auf die bolschewistischen Ziele zu lenken. Im zweiten Teil des Satzes, den wir soeben zitierten, bestand er daher darauf, daß man den Massenterror „organisieren und kontrollieren, den Interessen und Bedingungen der Arbeiterbewegung und des allgemeinen revolutionären Kampfes unterordnen und rücksichtslos die , lumpenproletarischen'Verzerrungen dieses Partisanenkrieges beseitigen und ausmerzen" müsse. Eben die terroristischen Kampfformen des Bolschewismus und seine Zerstörungswut mußten die Sympathien der radikalen Anarchisten auf ihn lenken, ohne Rücksicht darauf und meist auch ohne Kenntnis davon, daß Lenin mit den lumpenproletarischen Verzerrungen jene anarchistische Tendenz in die Schranken wies, die sich der Kontrolle durch die Partei entziehen wollte und auf eigene Faust Bürgerkrieg führte. Hiervon abzusehen fiel den radikalen Anarchisten um so leichter, als sie ganz gewiß zu schätzen wußten, daß sich Lenin von den anarchistischen Bürgerkriegsmethoden nur behutsam absetzte, weil es ihm zunächst darauf ankam, auch mit Hilfe der Anarchisten die Macht zu erobern. Später, so glaubte Lenin wohl, würde man schon mit ihnen fertig werden, ohne große Kräfte aufzuwenden.

Es scheint zu geheimen Abkommen der Bolschewiki mit den außerhalb ihrer Partei stehenden Anarchisten gekommen zu sein. Das läßt ein Artikel Lenins vom August 1921 ahnen, der die Anarcho-Kommunisten mit dem Hinweis bekämpfte, daß ein Teil von ihnen den Bolschewiki zweimal Handreichungen geleistet habe. Zuerst in der Periode von Februar bis Oktober 1917: „Die Anarchisten standen entweder verwirrt abseits oder sie halfen uns." Wie interessant, daß die Anarchisten eher den Kommunisten als den Sozialisten halfen; sie wußten instinktiv, wer ihnen näherstand. Später auch im Bürgerkrieg: „Ein Teil half uns, ein anderer Teil schädigte die Arbeit durch Geschrei gegen die militärische Disziplin oder durch Skepsis." Immerhin scheinen fast alle Anarchisten in der Roten Armee mitgekämpft zu haben.

Wie genau sich die Bolschewiki bewußt waren, daß sie die massenterroristische Methode von den Anarchisten entlehnt hatten, zeigte sich nach dem Sozialrevolutionären Revolverattentat auf Lenin. Damals erschien ein düsterer Zug von Männern in den Straßen Moskaus, von Kopf bis Fuß in schwarzes Leder — also typisch anarchistisch — gekleidet, um öffentlich den Massenterror zu proklamieren. Das war keine psychologische Fehlleistung im Sinne von Freud, sondern ein glänzendes Symbol für die Verknüpfung von Anarchismus und Bolschewismus. Treffender konnte sie wahrscheinlich nicht bekundet werden und niemals mehr sollte sie offener sein. Der Kommunismus legte damals mit einer unnachahmlichen Gebärde, wenn auch nur für einen Augenblick, sein tiefstes Geheimnis frei.

Die Oktoberrevolution ließ ganze Scharen von Anarchisten in vielen Ländern glauben, das Himmelreich der Anarchie sei gekommen. Im Banne dieser glühenden Hoffnung brachen sie wie Pilger nach Rußland auf. Lenin selbst sprach davon, wenngleich auch er den Fehler machte, die Anarcho-Kommunisten schlechthin Syndikalisten zu nennen: „Sogar die Syndikalisten der ganzen Welt, die revolutionären Syndikalisten kommen zu uns. Ich selbst habe amerikanische Syndikalisten getroffen, die bei uns waren und jetzt sagen: , In der Tat, ohne Partei kann man das Proletariat nicht lei-ten'." Anscheinend hatte Lenin den amerikanischen Anarchisten Berkman im Auge, der aber bald eine kritische Haltung einnehmen sollte, weil er die Ursachen der Kronstädter Revolte und die Reaktion der Sowjetregierung sah.

Ebenso wie viele Spezialisten machten sich auch zahlreiche Anarchisten Illusionen über Charakter und Folgen der Oktoberrevolution. Auch sie gingen von der schwankenden Grundlage falscher Voraussetzungen aus, so daß sie, mit der sowjetischen Wirklichkeit konfrontiert, entweder zur Opposition stießen oder sich zurückzuziehen versuchten. Für die russischen Anarcho-Kommunisten war allerdings der Rückzug so gut wie unmöglich — sie waren zum oppositionellen Kampf, der meist ihr persönliches Schicksal entschied, gleichsam verurteilt.

Aber zunächst flammte die eschatologische Hoffnung der Anarchisten, daß endlich ein Staat bis auf die Grundmauern zustört sei oder niedergerissen werde, wie eine Fackel auf. Der KAP-Tendenz lag daher ein Wiederaufleben des Anarcho-Kommunismus im allgemeinen und seine Orientierung auf den Bolschewismus im besonderen zugrunde, soweit er die anarchistischen Visionen zu erfüllen versprach. Wenn der Frühkommunismus ein Anarcho-Kommunismus gewesen war, dem in der marxistischen Phase die Trennung von Kommunisten und Anarchisten folgte, so bewegten sich nun die feindlichen Brüder wieder aufeinander zu. Die Kommunistische Arbeiterpartei Deutschlands löste sich zwar vom offiziellen Kommunismus in Deutschland, wie er von der KPD verkörpert wurde, beantragte aber gleichzeitig ihre Aufnahme in die Komintern. Die KPD war ihr nicht revolutionär, nicht proletarisch und in gewissem Sinne auch nicht bolschewistisch genug, weshalb ihr Lenin, der dies ausgezeichnet erkannte, versöhnlicher als die KPD-Führung gegenübertrat.

Die eschatologische Hoffnung der Anarcho-Kommunisten aller Länder mußte um so höher steigen, da Lenin als der Repräsentant des Bolschewismus sie höchstpersönlich entfachte. Faßte er doch vor wie nach der Oktoberrevolution die anarchistische Tendenz der Bolschewiki in klare Sätze, wie sie beispielsweise in „Staat und Revolution“ nachlesbar sind.

Erster Satz: „Der jetzt in der offiziellen Sozialdemokratie herrschende kautskyanische Opportunismus hält die Anschauung, die im Staat einen Parasitenkörper erblickt, für ein besonderes und ausschließliches Attribut des Anarchismus. Diese Entstellung des Marxismus paßt natürlich den Kleinbürgern ausgezeichnet .. ." In dieser Frage erklärte sich Lenin offen mit dem anarchistischen Ziel solidarisch, wobei er die Abschaffung oder vielmehr das „Absterben" des Staates gleichzeitig als Unterscheidungsmerkmal zwischen Sozialisten und Kommunisten benutzte. Der Kommunist mußte auf jeden Fall ein Staatsfeind sein.

Zweiter Satz: „Der Marxsche Gedanke besteht darin, daß die Arbeiterklasse , die fertige Staatsmaschine'zerschlagen, zerbrechen muß und sich nicht einfach auf ihre Besitzergreifung beschränken darf." So wurde die „opportunistische" Haltung der revolutionären, in Wahrheit aber der anarchistischen gegenübergestellt, wobei die Frage auftaucht, wie es sich mit dem „Absterben" des Staates verhält, wo er doch zertrümmert werden soll. Eine Leiche braucht bekanntlich nicht mehr sterben, es sei denn, daß der Totgeglaubte nur ein Scheintoter wäre.

Dritter Satz: „Alle Bürger verwandeln sich in entlohnte Angestellte des Staates, den die bewaffneten Arbeiter bilden." Denn Beamtentum, Polizei und stehendes Heer, die drei Säulen des Staates, würden unter einer kommunistischen Regierung selbstverständlich nicht mehr bestehen.

Kurz, vernichtet den Schmarotzer Staat, um ihn durch die Gesamtheit des bewaffneten Proletariats zu ersetzen. Niemand konnte anarchistischer als der Begründer des Bolschewismus sein.

Sonderbar war nur, daß die drei Kernsätze ausgerechnet in einer Broschüre standen, die eine Salve nach der anderen auf die Anarchisten schoß, weil sie den Marxismus so schlecht wie die Sozialchauvinisten verstünden. Eine schlimmere Konfusion des Antikonfusionisten Lenin, der seine sozialistischen Widerpartner der geistigen Verwirrung und manchmal auch der offenen Idiotie zu beschuldigen pflegte, war kaum noch auszudenken. Dieser Widerspruch fiel jedoch wenig ins Auge, weil Lenin auch nach der Oktoberrevolution fortfuhr, die anarchistische Streitaxt zu schwingen.

So wandte er sich im Dezember 1917 gegen das „niederträchtige Vorurteil", nur die Reichen und Intellektuellen seien imstande, „den Staat zu verwalten". Nein: „Der Arbeit eines Organisators ist aber auch der einfache Arbeiter und Bauer gewachsen, der lesen und schreiben kann . . . Die Rechnungsführung und Kontrolle, die für den Übergang zum Sozialismus notwendig sind, können nur das Werk der Massen sein." Im Mai 1918 verfiel er auf den ebenso originellen wie absurden Einfall, die Gerichte als geeignete Institutionen „zur Heranziehung gerade der gesamten arbeitenden Bevölkerung zur Staatsverwaltung" anzusehen. Vom gleichen Monat desselben Jahres datierte auch die nochmalige Prophezeihung, es würde dem „Apparat des alten Staates beschieden sein abzusterben, während es einem Apparat von der Art des Obersten Volkswirtschaftsrats beschieden ist, zu wachsen, sich zu entwickeln, zu erstarken und die gesamte wichtigste Tätigkeit der organisierten Gesellschaft zu umfassen" also die Herrschäft über Menschen durch die Verwaltung der Sachen zu ersetzen.

Wie man ersehen kann, war Lenin selbst eine Art von Anarcho-Kommunist, was die spezifischen Anarcho-Kommunisten in ihm einen Gleichgesinnten erblicken ließ und ihre anfängliche Begeisterung für den Bolschewismus erklärt. Dieser Enthusiasmus klammerte sich aber nicht nur an Lenins Person und Verheißung, sondern ebenso und vielleicht noch mehr an die Sowjets. Die Anarchisten hatten stets mehr auf das Volk statt auf Parteien gesetzt. Sie hatten auf eine originäre Volksbewegung vertraut, die eines Tages aus den Bruchstellen der Gesellschaft wie Lava hervorquellen und sich mit elementarer Wucht den Weg bahnen und alle Ketten sprengen werde. Die Entstehung der russischen Räte schien dieser Erwartung voll zu entsprechen. Erstens bildeten sie sich tatsächlich (schon im Jahre 1905) weitgehend spontan. Zweitens waren sie eine eigenständige Organisationsform der Massen, die mehr Menschen als jede andere dieser Formen umfaßte. Drittens wuchsen sie neben den Parteien empor, die sie beiseite zu schieben drohten, falls sie sich nicht entschlossen, in die Sowjets hineinzugehen und ihre Autorität zu respektieren. Vierten zeichnete sich in den Sowjets das Gerüst einer neuen Ordnung der Gesellschaft ab, die scheinbar keines Staates mehr bedurfte, weil die Sowjets imstande zu sein schienen, an die Stelle der Staatsbehörden zu treten und ihre Funktionen viel wirkungsvoller zu erfüllen.

Die Sowjets schienen eine Inkarnation des Anarchismus, eine fleischgewordene Utopie zu sein, die nicht nur die zerstörerischen, sondern schöpferischen Kräfte der Mas-sen die bewies. Und da es nur die Bolschewik! waren, die verlangten, den Sowjets alle Macht zu übergeben, trug auch die Sowjetbewegung zur Wiederannäherung der Anarchisten an die Kommunisten bei. Die Sowjets boten den Anblick einer organischen Verschmelzung von Anarchismus und Kommunismus, und zwar auf einer unvergleichlich breiteren Grundlage als der von Parteien, nämlich auf den gesellschaftlichen Fundamenten selbst. Soweit die Bolschewik! staatskommunistische Tendenzen besaßen, konnten sie vielleicht durch die Förderung der Sowjets absorbiert werden. Für die Anarchisten mußte es gelten, die Kommunisten zu sowjetisieren. Aber ebenso mußten sie für eine Kommunisierung der Sowjets sein, weil nur diese die Gewähr bot, daß den Sowjets wirklich alle Macht anvertraut und der Staat zerschlagen werden würde. In diesem „ebenso" bereitete sich das Dilemma der Anarchisten und ihr abermaliger Zusammenprall mit den Kommunisten vor. Aber hatte nicht Lenin persönlich gesagt, daß die neue Gesellschaftsordnung „vom Proletatriat selbst errichtet" oder „gar nicht errichtet" werden würde, weil sonst unvermeidlich „etwas anderes entstehen (müßte) — Staatskapitalismus." Er hatte sogar, nachdem er am 3. April 1917 nach Rußland zurückgekehrt war, entschieden das Argument zurückgewiesen, daß man die Bolschewik! mit den Anarcho-Kommunisten verwechseln könnte. „Warum fürchten wir denn nicht die Verwechslung mit den Sozialnationalen und den Sozialliberalen, mit den Radikalsozialisten . . .?" Die Anarchisten außerhalb der bolschewistischen Partei und die Anarcho-Kommunisten in ihr vergaßen aber, daß sich Lenin in der gleichen Schrift nicht nur von den Sozialisten, sondern auch von den Anarchisten distanziert hatte. Eine der ersten Aufgaben Lenins, als er nach langer Emigration nach Rußland zurückkam, hat wohlweislich darin bestanden, den bolschewistischen Kommunismus ebenso von den Sozialisten wie von den Anarchisten abzusetzen:

„Der Marxismus unterscheidet sich dadurch vom Anarchismus, daß er die Notwendigkeit des Staates und der Staatsgewalt in einer revolutionären Periode im allgemeinen und in der Epoche des Übergangs vom Kapitalismus zum Sozialismus im besonderen anerkennt.

Der Marxismus unterscheidet sich von dem kleinbürgerlichen, opportunistischen Sozialdemokratismus der Herren Plechanow, Kautsky und Co. dadurch, daß er für die erwähnten Perioden nicht einen Staat wie die gewöhnliche parlamentarische bürgerliche Republik für notwendig erachtet, sondern einen Staax wie die Pariser Kommune."

In seiner Radikalismus-Broschüre hat Lenin diese Linie nur über die ganze Erde verlängert. Obwohl dem Titel nach allein gegen die anarcho-kommunistischen Tendenzen — besonders in Deutschland, Holland und England — gerichter, schlug Lenin nebenbei auch immer wieder auf den „Menschewismus", das heißt auf den Sozialismus ein. Indessen vertuschte er nicht, daß er die „linke" Gefahr zu diesem Zeitpunkt — im Jahre 1920 — bereits für die größere hielt 27). Wie recht er auf seine Art hatte, sollte sich besonders am holländischen Exempel erweisen, da der holländische Kommunismus schließlich in vier verschiedene Parteien zerfiel, von denen zumindest eine, die „Kommunistische Arbeiterpartei" unter Führung Gorfers, anarcho-kommunistisch war; anscheinend ist es auch der „Bund kommunistischer Streitund Propagandaklubs" von Roland-Horst gewesen. Nicht nur die kommunistischen Parteien, in denen Anarcho-Kommunisten und Staatskommunisten vereinigt waren, brachen leicht und schnell auseinander, sondern die scheinbar unerklärbare Streitlust setzte sich in den staatskommunistischen Gruppen fort. Sobald sich Anarcho-Kommunisten und Staatskommunisten in einem Lande, in welchem auch immer, voneinander abgesondert hatten, neigten sie ihrerseits zur Spaltung, weil die politische Trennung vom feindlichen Bruder nicht von der geistigen begleitet war, so daß der anarchistisch-kommunistische Dualismus nur auf eine andere Ebene verschoben, aber nicht beseitigt wurde. Wenn es nicht gelang, dieser Neigung Einhalt zu gebieten, so mußte Lenin damit rechnen, daß der wieder autonom gewordene Kommunismus binnen kurzem an inneren Zwistigkeiten zugrunde ging und in zahlreiche Sekten zerbröckelte. Indes hatte das organisatorische Verdienst von Marx um den Kommunismus hauptsächlich darin bestanden, daß er ihn aus seinem Sektendasein erlöste. Das 2. Schisma hatte genau zu der Zeit die sozialistischen Parteien erschüttert, als es für die Kommunisten am günstigsten war, weil sie einen Teil der Sozialisten mitreißen und in die eigenen Parteien einbringen konnten. Nun drohte sowohl der eine als auch der andere Erfolg zunichte zu werden, weshalb die Gefahr entstand, daß der Kommunismus ganz von vorn beginnen müßte. Dieser Gefahr warf sich Lenin mit seiner Schrift über die „linke Kinderkrankheit" des Kommunismus entgegen.

Interessanterweise griff er die Anarcho-Kommunisten aber nur unter dem Aspekt an, daß sie eine falsche Taktik betrieben; man müsse auch in Parlamenten, Gewerkschaften und selbst in den reaktionärsten Organisationen tätig sein, solange sie in irgendeiner Hinsicht das Vertrauen der Massen besäßen und die Mehrheit des Proletariats noch nicht für den Kommunismus gewonnen sei; man müsse auch die legalen mit den illegalen Arbeitsmethoden verbinden, wobei unter Umständen auch gewisse Kompromisse und Reformen helfen könnten, den kommunistischen Einfluß auszubreiten. Gleichzeitig betonte Lenin die prinzipielle Gemeinschaft der Ziele.

Mi* den Sozialisten hingegen war er schon nicht mehr zu Diskussionen bereit. Sie wurden vom grundsätzlichen Aspekt als „Schrittmacher des bürgerlichen Einflusses auf das Proletariat"

angegriffen. Es war höchst auf-schlußreich, daß Lenin unter den Kompromissen, zu denen sich die Bolschewiki bereitgefunden hätten, auch ihren Kompromiß mit den russischen Sozialisten oder „Menschewiki“ nannte:

„Mit den Menschewiki waren wir in der Zeit von 1903 bis 1912 wiederholt mehrere Jahre hindurch in aller Form in einer einheitlichen sozialdemokratischen Partei, ohne jemals den ideologischen und politischen Kampf gegen sie ... einzustellen

Hier zeigte sich mit aller wünschenswerten Deutlichkeit, daß Lenin um die prinzipielle Verschiedenheit von Sozialisten und Kommunisten wußte; die Bolschewiki hatten sich schon innerhalb der einheitlichen Partei als eine eigene Partei begriffen, welche die Organisationen der SDAP(R) als ihre Tribünen benutzte, um ihre kommunistischen Ideen unter den Sozialisten zu verbreiten. Lenin machte den Anarcho-Kommunisten — um ihnen zu beweisen, daß Kompromisse nicht nur nötig, sondern auch nützlich sein können — auch den Charakter der bolschewistischen Zusammenarbeit mit den Menschewiki klar, indem er sie auf die gleiche Stufe wie das Bündnis mit der Bauernschaft stellte Die Kommunisten, so sagte er sinngemäß, haben sich in Rußland zeitweilig mit den Sozialisten wie mit den Bauern verbunden, weil sie beider bedurften, um sowohl in den Städten als auch in den Dörfern Fuß zu fassen. Er unterließ es, offen zu sagen, daß man der Bauernschaft länger als der Sozialisten bedürfe, aber er drückte es indirekt aus, indem er zu verstehen gab, daß die Zeit der Kompromisse mit den russischen Sozialisten vorbei sei, weil sie aus einem Verbündeten zu einem Gegner geworden wären. Aus dem Widerspruch, die Anarcho-Kommunisten einerseits bereits als die größere Gefahr zu betrachten, andererseits nur ihre falsche Taktik zu kritisieren und die prinzipielle Gemeinschaft mit ihnen zu unterstreichen, vermochte sich Lenin erst allmählich zu lösen, als nämlich die bolschewistische Herrschaft am Anarcho-Kommunismus zu scheitern drohte. Allerdings hielt es Lenin in der Radikalismus-Broschüre für nötig, an zwei Begebenheiten in der Geschichte des Bolschewismus zu erinnern, die ihn immer wieder zum Nachdenken brachten:

„In zwei Fällen nahm der Kampf des Bolschewismus gegen die Abweichungen nach . links'in der eigenen Partei einen besonders großen Umfang an: im Jahre 1908, als es um die Frage ging, ob man an dem äußerst reaktionären . Parlament'und an den durch reaktionäre Gesetze eingeschnürten legalen Arbeitervereinen teilnehmen solle, und im Jahre 1918 (Frieden von Brest-Litowsk), als es sich um die Frage der Zulässigkeit des einen oder anderen . Kompromisses'handelte."

Die „linken" Bolschewik! waren 1908 im Gegensatz zu Lenin für den Boykott der Duma eingetreten; sie forderten die Rückberufung der SDAP(R) -Fraktion aus diesem Parlament. Ähnlich sinnlos wollte ihnen die Tätigkeit in den Arbeitervereinen erscheinen, weshalb sie den Rückzug auf die illegale Arbeit empfahlen. Unter den „Otsowissen" oder Abberuflern, wie man sie nannte, machte sich teilweise auch Haltung den Ge eine kristische gegenüber -werkschaften breit

Schon im Juni 1907, auf einer Parteikonferenz, stimmte die Mehrheit der bolschewistischen Delegierten gegen Lenin für den Duma-Boykott. Aber Lenin war weit entfernt, sich dem Beschluß der Mehrheit zu beugen, obwohl sein Prinzip des Demokratischen Zentralismus eben dieses verlangte. Er verband sich mit den „linken" Menschewiki gegen seine eigenen Leute, was ihm den Vorwurf eintrug, „Verrat am Bolschewismus" verübt zu haben. Im Juli 1909 kam es zur Spaltung. Die „Otsowisten" bildeten eine selbständige Fraktion innerhalb der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Rußlands und gaben eine eigene Zeitung heraus. Ein Teil von ihnen kehrte später zu Lenin zurück. Immerhin hatte sich der Streit zwischen den Leninisten und den „Otsowisten", deren führender Kopf Bogdanow war, bis in den Bereidi der Philosophie ausgedehnt, woran sich kundtat, daß es um mehr als nur um unterschiedliche Taktiken ging. Der antiparlamentarische Trend, die Ablehnung politischer Kompromisse und das kritische Verhalten gegenüber der Gewerkschaftsarbeit — alle diese Züge, bei den „Otsowisten" erst keimhaft ausgebildet, sollten bei den Anarcho-Kommunisten nach dem 2. Schisma bereits die Rolle von Grundsatzfragen spielen. Selbst die Proletkult-Tendenz der KAP war schon bei Bogdanow vorgezeichnet, der eine „proletarische Kultur" vor Augen hatte. Die „Otsowisten" sind die Vorhut oder, wenn man will, die Avantgarde der Anarcho-Kommunisten innerhalb des bolschewistischen Kommunismus gewesen.

Daniels hat treffend von der „Wechselwirkung zweier entgegengesetzter Denkrichtungen" im Bolschewismus geschrieben, die einen beherrschenden Einfluß auf dessen Geschichte ausgeübt habe. Schade ist nur, daß er sich meist mit solchen Etiketten wie „links" und „rechts" begnügte, um diese Richtungen einzugruppieren, mit traditionellen Etiketten also, die wenig oder nichts besagen und bestenfalls einen Anhaltspunkt geben, aber auch verwirren und ein falsches Bild vermitteln können. Ich bezweifle, ob wir viel gewonnen haben, wenn der „linke Flügel" des Bolschewismus seinerseits in „Ultra-Linke" und „gemäßigte Linke" eingeteilt wird, während der „rechte Flügel" definitorisch in „Ultra-Rechte", „Leninisten" und „gemäßigte Rechte" zerfällt. Denn eine solche Einteilung übersieht oder negiert, daß der Leninismus die geistige Hauptgrundlage aller bolschewistischen Gruppen war, weshalb die Unterscheidung zwischen echten und unechten Leninisten fragwürdig ist. Das Argument, die Begriffe „links" und „rechts" seien unentbehrlich, weil „ihr Gebrauch ein kennzeichnender Zug der sowjetischen Politik in der Periode der Opposition war" hat wenig Überzeugungskraft. Wer sich mit dem Bolschewismus und seinen inneren Kämpfen befaßt, wird zwar sein Selbstverständnis — und das der oppositionellen Gruppen — nicht außer acht lassen dürfen, aber er muß auch vermeiden, sich mit diesem Selbstverständnis zu identifizieren, weil es notwendig partikular und von spezifischen Inter-essen wie Zielen bestimmt war. Mit der Übernahme bestimmter Termini wird auch leicht ihr Denkinhalt übernommen, was ein souveränes Urteil erschwert. Das gilt beispielsweise auch für den Terminus „widerspiegeln", der nur scheinbar ganz neutral ist. Dieser Begriff wird von auffallend vielen Autoren verwendet, die sich mit dem Kommunismus und speziell mit seiner bolschewistischen Spielart beschäftigen. Selbst wenn man weiß, daß er einer äußerst lückenhaften und überholten Erkenntnistheorie entstammt, wird man im gleichen Augenblick, da man ihn übernimmt, in die Widerspiegelungstheorie hineingezwängt. Denn die Begriffe sind nicht nur unsere Denkkanäle, sie zwingen uns auch — besonders bei ständigem Gebrauch bestimmter Termini — ganz bestimmte Denkformen auf. Im Extrem ge-sagt ist es theoretisch möglich, daß jemand allein durch chronischen Gebrauch kommunistischer Begriffe allmählich zu einem Kommunisten wird. Es handelt sich hier weniger um eine Anpassung — etwa des Autors, der sich mit dem Phänomen des Kommunismus befaßt, an sein Untersuchungsobjekt — als vielmehr darum, daß uns die Begriffe, die wir verwenden, umstellen, so daß sie sich vor die Wirklichkeit schieben und zu ihren Surrogaten werden. Die Begriffsapparatur des Kommunismus ist zugleich das Gehäuse seines Denkens, oder besser: seiner Weltanschauung. Schon wer einzelne dieser Begriffe ständig benutzt, nimmt auch Elemente dieser Weltanschauung in sich auf. So lächerlich eine Furcht vor kommunistischen Termini wäre, so nützlich ist es doch, sich vor Begriffsschablonen zu hüten, die unseren Blick zumindest verzerren können. Die Begriffe „links" und „rechts" sind zwar keine spezifisch kommunistischen Termini; sie haben aber gerade innerhalb der bolschewistischen Partei eine ganz bestimmte Färbung angenommen, die es erschwert, sie neutral zu verwerten. Bei Daniels ist ihr Gebrauch um so mehr zu bedauern, weil er selbst viel Material gesammelt hat, das eine tiefere Schürfung als unter dem rechts-links-Aspekt nahelegt. Der dualistische Charakter des Kommunismus besteht nicht im Gegensatz eines „rechten" und eines „linken" Flügels, die sich durch ihre Methoden und Temperamente unterscheiden, sondern in der antagonistischen Verschlingung von Anarchismus und Staatskommunismus, die ihre „linken" und „rechten" Rollen zu vertauschen vermögen. Wenn man aber schon die Begriffe „rechts" und „links" verwendet — obwohl sie im kommunistischen Falle den inneren Dualismus nur andeuten können —, dann ist es falsch, von den politischen Zielen abzusehen, welche die „rechten" oder „linken" Gruppen verfolgen, denn die Methoden politischer Gruppen werden ja meist von ihren Zielen bestimmt.

Daß es zumindest ungenau ist, den kommunistischen Dualismus mit „rechts“ und „links" zu umreißen, hat sich auch beim zweiten der von Lenin genannten Fälle gezeigt. Allein schon deshalb, weil einige der „linken Kommunisten", die der Unterzeichnung des Friedensvertrages von Brest-Litowsk den „revolutionären Krieg“ gegen Deutschland vorziehen wollten, vor der Oktoberrevolution zu den „rechten Kommunisten" gehörten. Wieder befand sich Lenin anfangs in der Minderheit, und abermals drohte eine Spaltung seiner Partei. In der Sitzung des Zentralkomitees vom 8. Januar 1918 waren nur 15 Mitglieder für Lenins Vorschlag, den Friedensvertrag zu unterzeichnen, aber 32 für den revolutionären Krieg. Hinter dieser Mehrheit stand die größte bolschewistische Organisation, das Moskauer Gebietskomitee, das Sowjetrußland eher opfern wollte, „als unseren Nacken vor Wilhelm zu beugen" Ähnlich formulierte Karl Radek: „Würde die russische Revolution von der bürgerlichen Konterrevolution gewaltsam niedergeworfen werden, so würde sie sich wie ein Phönix wieder-erheben; verlöre sie jedoch ihren sozialistischen Charakter und enttäuschte dadurch die arbeitenden Massen, dann hätte dieser Schlag für die Zukunft der russischen und der internationalen Revolution zehnmal schrecklichere Folgen." Eine Kapitulation vor den Forderungen der deutschen Regierung könnte dazu zwingen, das in Ruß-land begonnene Werk wieder einzureißen. Radek prägte auch den Begriff der „proletarischen Kommunisten", die den „Kampf für die Vorherrschaft des Proletariats in der Revolution" führen müßten. Als sich Lenin im Zentralkomitee aber letzten Endes doch durchsetzen konnte, sprach die Moskauer Organisation der Parteiführung ihr Mißtrauen aus und erklärte: „Das Moskauer Gebietsbüro hält die Spaltung der Partei in der nächsten Zeit für kaum abwendbar und macht es sich zur Aufgabe, alle konsequenten revolutionär-kommunistischen Elemente zusammenzufassen, die in gleicher Weise sowohl gegen die Anhänger des Abschlusses eines Separatfriedens als auch gegen alle gemäßigten opportunistischen Elemente der Partei kämpfen. Im Interesse der internationalen Revolution halten wir es für zweckmäßig, es auf die Möglichkeit ankommen zu lassen, der Sowjetmacht, die jetzt rein formal wird, verlustig zu gehen."

Ebenso wie die „Otsowisten" um Bogdanow begannen auch die „linken Kommunisten" um Bucharin eine Fraktion zu organisieren und ein eigenes Publikationsorgan — die Zeitschrift „Kommunist“ — herauszugeben. Doch die deutsche Novemberrevolution trug erheblich dazu bei, die Streitfrage des Brest-Litowsker Vertrages aus der Welt zu schaffen.

Aber wieder sind wir der Formel „keine Kompromisse", die Revolution um jeden Preis sowie der Betonung des Proletarischen begegnet. Nach der Entstehung des ersten kommunistischen Staates war indes ein neues Moment in den Anarcho-Kommunismus getreten. Die volle Bedeutung oder Größe dieses Moments wurde erst in der Auseinandersetzung Stalin-Trotzki und später im Konflikt Moskau-Peking bemerkt. Die Anarcho-Kommunisten warfen nun die Frage auf, ob der kommunistische Stäat als Selbstzweck betrachtet werden könne oder ob man bereit sein müsse, ihn im Interesse der Weltrevolution und der kommunistischen Ideale zu opfern. Welche Wandlungen dieser zusätzliche Aspekt innen-wie außenpolitisch auch erfuhr, wir werden ihm fortan immer wieder begegnen. Er leitete eine neue Etappe in der anarcho-kommunistischen Tendenz ein, und zugleich auch des staatskommunistischen Verhaltens zu ihr. Seit dem Auftauchen der „linken Kommunisten" im Jahre 1918 läßt sich vom Anarcho-Kommunismus nicht mehr sprechen, ohne in die Definition seine prinzipielle Bereitschaft einzubeziehen, den kommunistischen Staat wieder fahren zu lassen. Es genügt, vom Anarchismus zu wissen, daß er staatsfeindlich eingestellt ist, um zu begreifen, daß diese Bereitschaft seinem innersten Wesen entspricht. Anarcho-Kommunist ist man nur um den Preis, seine Staats-feindlichkeit mehr oder weniger auch auf den kommunistischen Staat zu übertragen. „Mehr oder weniger" heißt in diesem Bezug, daß der Anarcho-Kommunist ja nicht nur Anarchist, sondern auch Kommunist ist, was seine Staats-feindschaft einer gewissen Modifizierung unterwirft, zum Versiegen zu sie bringen können.

Im gleichen Augenblick, da irgendwo die Macht erobert war, mußte die eschatologische Vision vom Ende des Staates ekstatische Kräfte gewinnen. Aber gleichzeitig wurde die Etablierung und Sicherung einer neuen Staatsmacht für den Kommunismus eine Frage von Leben und Tod. Dem Auflodern der anarchistischen Tendenz stand das Vorschnellen der staatskommunistischen Tendenz gegenüber. Wenn diese die Selbstbehauptung der kommunistischen Macht in den Vordergrund rückte, so jene die Verteidigung der kommunistischen Ideale. Das große Drama begann. Was man bis dahin nur in der Theorie ausgefochten hatte, wurde nun zur schneidenden Frage der Praxis. Diese Schneide war so scharf, daß sie sogar die politischen und die syndikalistischen Anarcho-Kommunisten trennte und gegeneinander in Bewegung setzte, also ihre innere Gemeinsamkeit verdeckte. Der Streit um den Friedensvertrag von Brest-Litowsk war nur ein Vorgefecht gewesen. e) Angriff auf den Staatskommunismus Die erste Oppositionsgruppe, die gegen den Staatskommunismus antrat, legte sich den nur scheinbar irreführenden Namen der „Demokratischen Zentralisten" (Dezisten) bei, denn demokratischer Zentralismus war hier als Gegensatz zum bürokratischen Zentralismus gemeint, wie er sich unter Lenin herausgeschält habe. Den Dezisten, die Mitte 1918 zu rebellieren begannen, gehörten ausnehmend viele „linke Kommunisten" an; ihr Hauptsprecher, Ossinski, war gemeinsam mit Bucharin und Radek Herausgeber der oppositionellen Zeitschrift „Kommunist" gewesen, in der er sich scharf gegen den Aufbau des Kommunismus von oben gewandt hatte Die Dezisten prangerten Bürokratie, Kommissarherrschaft, Einschnürung der örtlichen Sowjets, das Ersticken der Arbeiterinitiative in den Betrieben wie auch die Ablehnung der Selbstverwaltung der Kommunen an Sie waren die ersten, die vor einer Selbstzerstörung des kommunistischen Systems warnten. Statt vom Staats-kommunismus sprachen sie zwar vom Staats-kapitalismus, aber das bedeutete in ihrem Munde ein und dasselbe.

Im Jahre 1920 trat dann die „Arbeiteropposition" unter Führung Schljapnikows auf — ein noch größerer Oppositionskreis als die Dezisten, aber in den meisten Fragen mit diesen verbunden. Dem Zentralismus stellte sie die proletarische gegenüber. Demokratie Statt des Parteimonopols wollte der sie die Autonomie Sowjets und Gewerkschaften im Verhältnis zur Partei. Die Wirtschaft dürfe nicht bürokratisch verwaltet werden, sondern sei den Arbeitern und ihren Vertretungen zu übergeben. Jeder Industriezweig solle von der betreffenden Industriegewerkschaft geleitet werden.

In einer von der Opposition herausgegebenen Broschüre hat die spätere Sowjetbotschafterin Kollontai damals „ein(en) Bruch, ein(en) Riß zwischen den leitenden Zentren und den . unteren'Elementen des Sowjetstaates" festgestellt. In einem am 25. Januar 1921 veröffentlichten Manifest legte die „Arbeiteropposition" ihre praktischen Leitsätze vor, denen scharfumrissene Anklagen vorangestellt waren: „Die Praxis der Parteitage und Staatsorgane während der letzten zwei Jahre hat ...den Einfluß der Arbeitergewerkschaften im Sowjet-staat stärkstens reduziert. Die Rolle der Ge-werkschaften ... ist in Wirklichkeit zu der eines Auskunfts-und Empfehlungskontors degradiert. . . . Zwischen Staatsorganen und Gewerkschaft gibt es keinen Einklang, und die entstehenden Konflikte wachsen in den Parteiorganisationen ins Riesige. . . . Die Minderung der Bedeutung der tatsächlichen Rolle der gewerkschaftlichen Organisationen in Sowjet-Rußland ist das Resultat einer bourgeoisen, einer Klassenfeindschaft gegenüber dem Proletariat und muß unverzüglich behoben werden." Sodann wurde der „Übergang . . . von den militarisierten Arbeitsmethoden zu demokratischen Methoden verlangt." „... Die Gewerkschaften . . . müssen zu der praktischen Konzentration der gesamten Leitung über die ganze Volkswirtschaft als einer wirtschaftlichen Einheit in ihren Händen gelangen." Auf Grund dieser Anklagen und Forderungen kam es zu heftigen Debatten und politischen Kämpfen auf den Partei-und Gewerkschaftskonferenzen. Mit der „Arbeiteropposition" begann sich der russische Kommunismus in zwei Parteien aufzuspalten: in die Regierungspartei, die einen staatskommunistischen Kurs verfolgte (obwohl es auch hier, wie sich bald zeigen sollte, zwei Gruppen gab), und in die Oppositionspartei, in der sich syndikalistische und anarchokommunistische Tendenzen vereinten. Die Regierungspartei konnte sich auf den Staat, die Oppositionspartei auf die Vorherrschaft in den Gewerkschaften stützen (die sie zu einem eigenen Machtzentrum neben Partei und Staat auszubauen suchte), aber auch auf erhebliche Teile der Parteiorganisation, besonders in der Ukraine Die Angehörigen beider „Parteien" waren schon im Januar 1921 mehr oder weniger nur noch durch das gemeinsame Mitgliedsbuch verbunden, wie sich aus der gegenseitigen Beschuldigung ergab, Konterrevolutionäre zu sein.

Zwei Monate später, im März 1921, brach im Marinestützpunkt Kronstadt der schon erwähnte Aufstand aus — nicht gegen das Sowjetsystem, sondern gegen die Parteidiktatur unter Einschluß der bestehenden Sowjetregierung. In den Arbeitervierteln Petrograds waren plötzlich Plakate angeschlagen: „Nieder mit den verhaßten Kommunisten! Nieder mit der Sowjetregierung! . . Eine vollständige Änderung der Regierungspolitik ist notwendig. Zuallererst brauchen die Arbeiter und Bauern Freiheit. Sie wollen nicht nach den Dekreten der Kommunisten leben. Wir verlangen Freilassung aller verhafteten Sozialisten und Arbeiter, Abschaffung des Kriegsrechts, die Wiedereinführung der Rede-, Presse-, Versammlungsfreiheit, freie Wahl von Arbeitervertretern." Noch schärfer hieß es im Kronstädter Revolutionsprogramm: „Unter dem Joch der kommunistischen Diktatur wurde das Leben schlimmer als der Tod." Der Kommunistischen Partei seien „die Interessen der Arbeiterklasse fremd. Nachdem sie die Macht ergriffen hat, kennt sie nur eine Sorge: sie nicht wieder zu verlieren...". Aber „die kommunistische Parteidiktatur mit ihrer Tscheka und ihrem Staatskapitalismus, der die Schlinge um den Hals der Arbeiter warf und sie zu erwürgen drohte" werde fallen.

In diesem kurzen Programm der Aufständischen, aus dem noch heute ein Gluthauch von Haß und revolutionärer Leidenschaft dringt, waren buchstäblich schon alle Argumente ge-gen den Staatskommunismus aufgereiht, die in den folgenden Jahrzehnten spezifiziert worden sind. Obwohl die Rebellen, wie es scheint, fast bis auf den letzten Mann niedergemacht wurden, hat sich ihr Aufschrei sogar in denen fortgepflanzt, die an ihrer Unterdrückung mitbeteiligt waren. Das gilt vor allem für Trotzki, Es gilt aber auch für jene Mitglieder der Dezisten und Arbeiteropposition, die verkannten, daß ihnen aus Kronstadt ihr eigenes Echo entgegenschlug. Wiederum stoßen wir auf das tragische Problem der verkehrten Fronten. Letzten Endes sollten sich aber alle oppositionellen Kräfte innerhalb des russischen und teilweise auch des internationalen Kommunismus gegen den bürokratisch-zentralistischen Staatskommunismus vereinen, wenngleich es oft bei der theoretischen Übereinstimmung blieb.

Aber anfangs war Trotzki am entschiedensten gegen Dezisten und Arbeiteropposition aufgetreten, und er hatte den Kronstädter Rebellen persönlich mit der gewaltsamen Unterdrükkung gedroht, falls sie nicht kapitulierten. Es gab keinen extremeren Staatskommunisten als Trotzki, so daß er sogar nit Lenin zusammengeriet, der den Gewerkschaften eine Teilfreiheit belassen und es mit ihnen nicht verderben wollte. Trotzki trat für die Militarisierung der Arbeit und die Verstaatlichung der Gewerkschaften, aber gegen die Pressefreiheit und das Streikrecht auf. Er führte das System der politischen Kommissare ein und konnte „eiserne Disziplin" nicht laut genug fordern. Schließlich hat er gegenüber den Dezisten und der Arbeiteropposition sogar die Bürokratie verteidigt, um offen auf einer „eisernen Diktatur" zu bestehen, die auf die sozialen Interessen der Arbeiter für längere Zeit keine Rücksicht nehmen könne, sondern vielmehr höchste Opfer von ihnen verlangen müsse.

Als Trotzki zwischen 1922 und 1924 dann die genau gegenteilige Position einnahm, war es in gewisser Hinsicht schon zu spät für ihn. Man hatte ihn in Versammlungen längst einer arbeiter-und gewerkschaftsfeindlichen Haltung bezichtigt, und sogar das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei sah sich zur Distanzierung von seinem „degenerierten Zentralismus" genötigt. Außerdem konnte Stalin den Meinungsspalt nutzen, der zwischen Lenin und Trotzki in der Gewerkschaftsfrage aufgebrochen war. So hatte Trotzki, jahrelang als Organisator der Oktoberrevolution und legendärer Führer der Roten Armee stürmisch gefeiert, nach Beendigung des Bürgerkrieges und teilweise schon mitten in ihm seinen Aktionsradius selbst verengt statt erweitert, während Stalin, im Frühjahr 1922 ohne Widerspruch seines Gegenspielers zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei gewählt, gleichzeitig alle Fäden der Partei und des Staates in seinem Büro konzentrierte.

Unter solchen Umständen konnte der Ausgang des offenen Kampfes, der nach Lenins Tod (im Januar 1924) zwischen Stalin und Trotzki entbrannte, eigentlich kaum zweifelhaft sein, zumal das russische Volk der Revolutionen, Putsche und theoretischen Diskussionen müde war. Aber das Schicksal von Personen ist dem ihrer ideellen und tendenziellen Triebfedern nicht unbedingt gleich — in diesem Falle fielen sie sogar ungewöhnlich weit auseinander. Die Vertreibung Trotzkis aus der Sowjetunion Anfang 1929 hat sogar erst den Grundstein gelegt, um den Trotzkismus in eine autonome Kraft zu verwandeln. Schon insofern Stalin hat am neuen Schisma kräftig mitgewirkt. Trotzkis Ermordung im August 1940 konnte diesen Prozeß nicht mehr machen. rückgängig Gerade Stalins Versuch, den Trotzkismus sogar „als Gedankenrichtung zu begraben" hat diesen zu einem eigenen Gedankengebäude hoch-wachsenlassen, wenngleich jene, die darin einziehen sollten, verhältnismäßig spärlich blieben.

Trotzki selbst hat allerdings noch im Frühjahr 1922 ein ganz anderes Schisma befürchtet: das zwischen der Oppositionsfraktion auf der einen und der Regierungsfraktion, zu der auch er damals gehörte, auf der anderen Seite

Später vereinten sich die Reste der Dezisten und der Arbeiteropposition mit seinen Anhängern. Auch Bucharin, Sinowjew und viele andere stießen zu Trotzki. Er übernahm das Kronstädter Erbe und wurde zum Haupt der Opposition. Doch die Frage „Sozalismus in einem Lande oder permanente Weltrevolution?" verschleierte die Grundprobleme, um die es zwischen ihm und Stalin ging. Sie war zumindest nicht klar genug formuliert.

Trotzkismus und Leninismus sind ebenso unabhängig wie Sozialismus und Kommunismus entstanden — als zwei politische Strömungen, die sich zwischen 1904 und 1916 erbittert bekämpften —, und sie unterlagen auch derselben Wechselwirkung. Ein Dutzend Jahre hat Trotzki zwischen Menschewiki und Bolchschewiki, das heißt zwischen Sozialisten und Kommunisten geschwankt. Wie Marx war er Sozialist und Kommunist zugleich, wobei sich beides lange Zeit die Waage hielt. Schon im März 1904 begehrte Trotzki dagegen auf, daß der lebendige Marxismus in „ein totes Klischee Und Hemmnis verwandelt (wird), in ein Prokrustesbett für Probleme, die man ... nicht mehr analysiert, sondern barbarisch zurechtstutzt" M). Im August 1904 schrieb er über Lenins Konzeption, daß sie die lebendige Partei durch einen mechanisch arbeitenden Apparat und schließlich durch einen Diktator ersetzen könne. Er hielt Menschewiki und Bolschewiki gleichermaßen für schlechte Marxisten, Lenins Forderung doch nach strengster Disziplin, die er wie einen Knebel in den Mund der Partei stoßen sah, brachte ihn in besondere Rage. Damit waren die Grundlinien vorgezeichnet: für intellektuelle Freiheit und gegen bürokratisches Reglement. Mitglied der bolschewistischen Partei wurde Trotzki erst Ende Juli 1917. Er brachte seine Anhänger mit. Auf dem Parteitag, der sie aufnahm, zeigte sich mit aller Klarheit, daß die Leninisten immer tiefer in die Arbeiterschaft eindringen konnten, während das Hauptgewicht des trotz- kistischen Einflusses bei den Intellektuellen lag. Als sich daher die leninistische und trotzkistische Strömung in der revolutionären Hochflut Rußlands verbanden und im Oktober 1917 gemeinsam die Machtergreifung des Bolschewismus bewirkten, kam in gewisser Hinsicht ein Bündnis zwischen Arbeiterschaft und revolutionärer Intelligenz zustande.

Nach dem Oktober wurde Trotzki zunächst zum Bolschewisten par excellence, als wollte er seinen langjährigen Kampf gegen Lenin verwischen, wenngleich die Annäherung von beiden Seiten her erfolgt war, denn schließlich hatte in Trotzki der Kommunist überwogen. Außerdem glaubte er in Erwartung der europäischen Revolution, daß in Rußland nur vorübergehende Einschränkungen der politischen Freiheiten für eine kurze Periode nötig sein würden, während der die Sowjetmacht aber um jeden Preis gegen alle Angriffe von außen und innen verteidigt werden müsse. Trotzkis Extremismus lagen also sein Schuld-gefühl gegenüber Lenin und sein grenzenloses Vertrauen auf die weltrevolutionäre Entwicklung zugrunde. Beide Faktoren verloren ihren Boden, nachdem die revolutionäre Welle in Europa 1923 verebbte und Lenin kurz darauf starb.

Mit seinem Übergang zum Kommunismus, der unter russischen Verhältnissen näher als in Westeuropa lag, hatte sich Trotzki auch in die Spannung zwischen staatskommunistischer und anarcho-kommunistischer Tendenz eingegliedert, die jedoch bei ihm nur eine neue Form seines kommunistisch-sozialistischen Dualismus war. Wenn zuerst die staatskommunistische Tendenz seiner Haltung mit aller Wucht hervortrat, so mußte sie doch früher oder später schon mit dem intellektuellen Charakter des Trotzkismus kollidieren. Für einige Jahrh — zwischen 1918 und 1922 — hörte Trotzki auf, ein Trotzkist zu sein (wenn man es so formulieren darf); während dieses Zeitraums ist er sich selbst untreu geworden, obwohl auch er schon 1919 das Anwachsen der kommunistischen Bürokratie zu bemängeln begann, weil die Folge eine Entartung der Sowjetmacht sein könne. Aber nach Lenins Tod kehrte er, wie von einem schweren Gewicht befreit, zu sich und seinen Ausgangspositionen von 1904 zurück, wenngleich nun in der kommunistischen Hülle statt in einer Zwischen-position. Der Trotzkismus war vor allem das Aufbegehren kommunistischer Intellektueller gegen das Wuchern der kommunistischen Parteibürokratie, die sich ein Privileg nach dem anderen verschaffte und hierdurch den Charakter einer bevorrechteten, exklusiven und vom Volk isolierten, aber sich gleichzeitig proletarisch gegebenen Kaste annahm. Die von Trotzki 1904 prophetisch beschworene Gefahr realisierte sich, und wiederum wurde dem Umriß der absoluten Tyrannei die Idee der absoluten Freiheit entgegengestellt. In Trotzki erfuhr Bakunin seine zweite Wiedergeburt. Er erhob sich mit seinen Anhängern gegen den „Apparat" im Namen der Partei, im Namen Lenins und im Namen der Arbeiterschaft, aber insgeheim vor allem im Namen der revolutionären Intelligenz, die zum Kommunismus gestoßen war. Er erhob sich, weil dieser „Apparat", wie es schon im Programm der Kronstädter Kommune geheißen hatte, sogar „Hand an den Gedanken" legte und jeden zwang, „ausschließlich nach seiner Vorschrift zu denken" Unter Lenin hatten die Intellektuellen trotz vieler Einschränkungen noch die Möglichkeit gehabt, auch kontroverse Standpunkte geltend zu machen, während Stalin jeden nichtoffiziellen Gedanken wie ein feindliches Bajonett ansah, das auf den Leib der Partei oder seinen eigenen gerichtet war. So verband sich im Trotzkismus das Bedürfnis nach geistiger Bewegungsfreiheit mit dem Kampf gegen den zu einer Maschine Stalins werdenden Parteiapparat. Der Zusammenstoß zwischen Trotzki und Stalin war unvermeidlich; aber zum Schisma wurde er erst, weil hinter den Personen die beiden Grundtendenzen des Kommunismus aufeinanderprallten.

Mit Stalin gelangte die staatskommunistische Tendenz in ihr äußerstes Extrem, während sich mit Trotzki die Kronstädter Intention erneuerte, sowohl dem Anarchismus (in beiden Spielarten) als auch dem Sozialismus wieder Respekt zu verschaffen. In Trotzki zogen sich die anarcho-kommunistische Tendenz des Kommunismus — am deutlichsten in seiner Theorie der permanenten Revolution ausgeprägt — und die dem Kommunismus von Marx eingepflanzten sozialistischen Impulse, die insbesondere in der Forderung nach Arbeiter-demokratie zum Ausdruck gelangten, zusammen. So verkörperte er beide Gefahren, die Lenin in seiner Radikalismus-Broschüre aufgedeckt hatte. Wahrscheinlich wäre es daher früher oder später auch zum (erneuten) Bruch zwischen Trotzki und Lenin gekommen. Lenin hatte selbst zwischen staatskommunistischen und anarcho-kommunistischen Tendenzen geschwankt. Aber in der Auseinandersetzung mit den Dezisten und der Arbeiteropposition gewann das staatskommunistische Element die Oberhand in ihm. Obwohl er nicht so weit wie damals Trotzki ging, widerrief er im Januar 1921 seinen berühmten Satz, daß im Grunde jede Köchin zum Regieren fähig sei, um nunmehr zu sagen: „Weiß etwa jeder Arbeiter, wie der Staat zu regieren ist? Leute der Praxis wissen, daß das Märchen sind ..." Doch Lenin hielt dank seiner ungewöhnlichen Autorität und Elastizität den bereits splitternden bolschewistischen Kommunismus, solange er lebte, wie ein Stahlreif zusammen, was ihm nicht zuletzt dadurch gelang, daß er der anarcho-kommunistischen Tendenz in der Gewerkschaftsfrage gewisse Zugeständnisse machte. In der Auseinandersetzung Stalin-Trotzki schieden sich jedoch die beiden Grundtendenzen des Kommunismus, wobei sich die anarcho-kommunistische mit sozialistischen Bestrebungen verband, weshalb Bucharin 1925 nicht ganz zu Unrecht schrieb, daß mit dem Trotzkismus „unter dieses Fundament, auf dem unsere Partei ruht, Dynamit gelegt wird"

Indem sich Trotzki und seine Anhänger zur offenen Revolte erhoben, wurde der Riß im bolschewistischen Kommunismus, der sich bereits an der Basis aufgetan hatte, bis in die Spitze erweitert. Isaac Deutscher hat vom Konflikt zwischen „zwei Aspekten des Sowjetsystems" — dem der proletarischen Diktatur und dem der Arbeiterdemokratie — geschrieben. Aber diesen beiden Aspekten des Bolschewismus lagen wiederum die des Kommunismus zugrunde; sie waren nur eine neue Manifestation des permanenten Kampfes zwischen staatskommunistischen und anarchokommunistischen Tendenzen, der nun, da es längst nicht mehr allein um theoretische Streitfragen ging, immer unversöhnlicher wurde. Der Stalinismus mit seinem monolithischen Prinzip war ein Versuch, die innere Dialektik des Kommunismus brachial zu überwinden, also die geistige und politische Homogenität des Kommunismus mit Gewalt zu erzwingen. Statt dessen kam es zum Schisma, vor dem Lenin in seinem Vermächtnis gewarnt hatte.

Die Trotzkisten organisierten sich zunächst als Fraktionen innerhalb der kommunistischen Parteien oder, da sie meistens ausgeschlossen wurden, als oppositionelle Gruppen außerhalb derselben. Hier sind beispielsweise die „Bolschewiki-Leninisten" in Deutschland zu erwähnen, die trotz ihrer zahlenmäßigen Schwäche einen erheblichen Einfluß auf alle oppositionellen Kommunisten ausgeübt haben. Ähnliche Gruppen entstanden in Polen, Frankreich, den Vereinigten Staaten und vielen anderen Ländern, wobei wiederum der intellektuelle Charakter des Trotzkismus zum Vorschein kam, da es ihm zum Beispiel nach Trotzkis Eingeständnis in Deutschland noch 1932 nicht gelungen war, auch nur „zehn wirkliche Fabrikarbeiter" zu gewinnen. Den größten Anhängerkreis fand Trotzki bezeichnenderweise im industriell fortgeschrittensten Land, den Vereinigten Staaten, wo bereits im Oktober 1928 200 Trotzkisten aus der KPdUSA ausgeschlossen worden waren, die zehn Jahre später — im Januar 1938 — eine eigene Partei, die „Sozialistische Arbeiterpartei", gründeten. Das europäische Zentrum des Trotzkismus lag in Paris, das außereuropäische in New York. Am 3. September 1938 wurde in dem französischen Dorf Perigny die IV. Internationale von 21 Vertretern aus elf trotzkistischen Parteien und Organisationen gegründet Wie die Komintern verstand sich auch die trotzkistische Internationale als eine Weltpartei mit Sektionen in den einzelnen Ländern, die Direktiven der Zentrale empfingen. Es ist ihr jedoch nicht gelungen, eine auch nur annähernd gleich große Bedeutung wie die Kommunistische oder die Sozialistische Internationale zu erlangen; einmal, weil sie zu intellektuell und zu sehr auf die Person Trotzkis (statt auf ein bestimmtes politisches Programm zugeschnitten war, zum andern, weil sie auf den Kommunismus und die Sowjetunion festgelegt blieb, was wiederum zu ihrer eigenen Spaltung und der fast aller trotzkistischen Parteien führte, wenngleich es Mitte 1963 zu einem Wiedervereinigungskongreß in Italien kam. Heute liegt das Schwergewicht der trotzkistischen Bewegung in Lateinamerika, wo es in fast allen Ländern trotzkistische Gruppen oder Parteien gibt, die teilweise mit den fidelistischen und prochinesischen Strömungen verschmelzen, weil sie zu den eifrigsten Befürwortern des bewaffneten Aufstands, insbesondere des Partisanenkampfes, gehören. Die Trotzkisten haben Peking schon mehrfach ihre Sympathie bezeugt, da der Sowjetkommunismus in ihren Augen opportunistisch ist. Aber in der Erklärung des Sekretariats der IV. Internationale vom Juli 1963 wurde auch eine Abgrenzung vom Maoismus zwar insofern vorgenommen, als er „den Prozeß der Entstalinisierung selbst bekämpfen" wolle, statt ihn „weiter zu treiben" Die historische Bedeutung des neuen Schismas hat Vor allem darin bestanden, daß der Trotzkismus zum Vorläufer und Wegbereiter der antistalinistischen Reformbewegung innerhalb des Kommunismus wurde. So unprofiliert seine politische Konzeption im allgemeinen war, so detailliert hat Trotzki das Programm der Entstalinisierung entwickelt. Es reichte von der Wiederherstellung der innerparteilichen Demokratie über die Reform der Wirtschaftspolitik bis zur Ersetzung der Zwangskolchosen durch freiwillige Genossenschaften

7. Das nationalkommunistisch-sowjetische Schisma

INHALT der Ausgabe

Das trotzkistisch-stalinistische Schisma bereitete ejn weiteres vor. Obwohl Trotzki den Nationalkommunismus als „chauvinistische Tendenz" bekämpfte, sollte er gerade in einem Nationalkommunisten seinen Nachfolger fin-den. Die dritte Wiedergeburt Bakunins vollzog sich in Milovan Djilas.

Wenn das trotzkistisch-stalinistische Schisma durch die Bedingungen der kommunistischen Herrschaft in einem einzigen und überdies äußerst rückständigen Land ausgelöst worden war, so bahnte sich das neue Schisma an, nachdem die Sowjetunion ihre Isolierung durchbrochen und das kommunistische System auch auf eine Reihe anderer Länder, vor allem Osteuropas, ausgebreitet hatte. Nur die Kommunisten Jugoslawiens und Albaniens — denen die von China, Nordvietnam und Kuba folgen sollten — stiegen weitgehend aus eigener Kraft zur herrschenden Partei auf, was sich auch im Selbstbewußtsein ihrer Führer (im Verhältnis zu anderen, die ihre Macht aus den Händen der Roten Armee empfingen) auswirken mußte.

a) Zur Vorgeschichte Auch der Nationalkommunismus hat seine Vorgeschichte, die, wenn man von dem Experiment des Nationalbolschewismus in Deutschland im Rahmen der Schlageterrede Radeks ° absehen will, spätestens 1927 in Indonesien begann, als Tan Malaka, der zeitweise einer der prominentesten Kommunisten Asiens war, nach einem Konflikt mit Stalin die erste nationalkommunistische Partei der Welt namens Pari (Indonesische Republikanerpartei) schuf und damit einen Keil in den indonesischen Kommunismus trieb

Ein zweiter Fall des Widerstandes dieser Art gegen die Kominternpolitik ergab sich in Schweden, als Kilbom, einst Führer der offiziellen KP, nach seinem Ausschluß eine nationalkommunistische Partei begründete, die 1929 entstand und der vorübergehend sogar die Mehrheit der schwedischen Kommunisten angehörten, aber offenbar noch nicht lebensfähig war.

Von viel größerer Bedeutung als diese praktischen Vorläufer ist jene Rede gewesen, die Mao Tse-tung im Oktober 1938 auf einer chinesischen Parteikonferenz hielt und in der er verlangte, daß „mit den Schablonen jenseits der Meere" — das heißt aus der Sowjetunion — Schluß gemacht werde: „Die Kommunisten sind Anhänger einer internationalen Lehre, des Marxismus, aber wir können den Marxismus nur in die Tat umsetzen, wenn wir den konkreten Besonderheiten unseres Landes Rechnung tragen und die bestimmte nationale Form dabei wahren ..." B Mit dieser Rede hat Mao Tse-tung den theoretischen Grundstein des Nationalkommunismus gelegt, der eben darin besteht, dem Kommunismus eine nationale Form zu geben. Das setzt aber voraus, in jedem Lande einen Weg zur Verwirklichung des Kommunismus zu suchen, der seinen nationalen Eigenarten und den Traditionen des betreffenden Volkes entspricht.b) Das jugoslawische Modell Zu einem Schnittpunkt konnte die nationalkommunistische Tendenz im allgemeinen erst werden, nachdem die kommunistischen Parteien in mehreren Staaten zur Macht gelangt waren — sobald sich also einerseits das Problem der zwischenstaatlichen Beziehungen kommunistischer Länder und andererseits die Frage nach den Formen des Kommunismus außerhalb der Sowjetunion erhob. Wenn das Verhältnis der kommunistischen Staaten untereinander auf die Basis der Gleichberechtigung gestellt worden wäre — was aber der Natur des Stalinismus widersprach —, dann hätte das 'nationalkommunistische Schisma vermieden werden können. Da die Sowjetunion indes alle kommunistischen Staaten zu ihren Satelliten machen wollte, wobei sie vergaß, daß vor allem die jugoslawischen Kommunisten auf der Woge des Unabhängigkeitskampfes emporgekommen waren, und da sie die russische Form des Kommunismus als obligatorisch erklärte, obwohl sie alles andere als anziehend war und die Entwicklung in Jugoslawien schon während des Zweiten Weltkrieges andere Wege eingeschlagen hatte, wurde der Bruch unvermeidlich. Er hat seinen Ausdruck im Konflikt Moskau-Belgrad gefunden. Aber allgemeine Gründe schaffen stets nur den Rahmen, in dem sich das jeweilige Schisma entfaltet. Es mußte sich daher wiederum auch eine Reihe spezieller Gründe summieren, bevor es zum Zusammenstoß kam: Tito erschien als der gefährlichste Rivale Stalins im damaligen Ostblock; es bahnte sich eine Föderation verschiedener Balkanländer unter Führung Jugoslawiens an; die Sowjets hatten in diesem Lande hinter dem Rücken der Partei ein eigenes Informationsnetz geknüpft, weshalb das Politbüro der KPJ den unteren Staatsbehörden die Verweigerung von Auskünften befahl; der teilweise noch von den Traditionen der Blut-rache zehrende jugoslawische Nationalstolz war durch das vulgäre Auftreten von Angehörigen der Roten Armee gegenüber jugoslawischen Frauen besonders tief verletzt und anderes mehr. Jedenfalls wollten die Jugoslawen die deutsche Fremdherrschaft nicht mit der sowjetischen vertauschen. Die Kommunistische Partei wurde in dieser Hinsicht zum Sprecher aller jugoslawischen Völker, was ihr einen festen Rückhalt verlieh, den sie gegenüber dem sowjetischen Druck auch bitter nötig hatte.

Ungeachtet dessen ist der Bruch nicht von jugoslawischer, sondern von sowjetischer Seite herbeigeführt worden. Der durch Stalin selbst inspirierte Ausschluß der KPJ aus dem Kominform sollte offenbar abschreckend wirken. Er führte aber trotz blutiger Schauprozesse gegen „Titoisten" in verschiedenen Ländern umgekehrt zur Ausbreitung des nationalkommunistischen Virus.

Nirgendwo trat das deutlicher als 1956 in Polen und Ungarn hervor. In beiden Ländern wurden bekanntlich nach jugoslawischem Vorbild Arbeiterräte gebildet. Zeitweilig zeichnete sich auch ein nationalkommunistischer Sonder-bund zwischen Jugoslawien, Ungarn und Polen ab. Als Alternative zum sowjetischen und staatskommunistischen Modell des Kommunismus bot sich nun das jugoslawische mit seiner 1950 konstituierten Arbeiterselbstverwaltung an. Das war von ungeheurer Bedeutung, wenn man bedenkt, daß selbst Trotzki nur mit einer Hand gegen Stalin gekämpft hatte, weil er die andere schützend über die Sowjetunion hielt, in der er den einzigen Arbeiterstaat der Welt sah. Auch die meisten anderen kommunistischen Oppositionellen waren bis dahin in einer zwiespältigen Lage, weil ihre Ablehnung Stalins mit der Furcht vor einer Schwächung der Sowjetunion verbunden war. (Besonders eindringlich ist dieses Dilemma in dem „Roman eines Romans. Moskauer Tagebuch" von Ervin Sinkö geschildert worden.)

Das geschichtliche Verdienst des jugoslawischen Experiments ist darin zu sehen, daß es die antistalinistische Opposition von der Fixierung auf den sowjetischen Kommunismus erlöst und den Prozeß der praktischen Entstalinisierung in Gang gebracht hat. Dadurch rollte ein in seinem Endresultat noch unabsehbarer weltgeschichtlicher Vorgang an, der zunächst eine antisowjetische Färbung besaß und teilweise eben dadurch die Volksmassen mitriß, aber, wie die neuerliche Annäherung zwischen Moskau und Belgrad beweist, auch andere Farben und Formen annehmen kann, ohne seinen Grundcharakter einzubüßen. Dieser Charakter besteht in der Nationalisierung des Kommunismus, aber nicht unbedingt in einem kommunistischen Nationalismus, der eine enge Zusammenarbeit zwischen kommunistischen Staaten ausschließen würde. Der Nationalismus ist kein Attribut, sondern kann sogar die Beibehaltung stalinistischer oder halbstalinistischer Herrschaftsformen verschleiern, wie das bis zu einem gewissen Grade in Rumänien der Fall zu sein scheint. Dagegen muß der Kommunismus, wie Djilas mehrfach betonte und wie sich auch in der Praxis gezeigt hat, „national werden, er muß sich der jeweiligen nationalen Wirklichkeit anpassen, um sich am Leben zu erhalten" Die nationalkommunistische Praxis ist also nicht nur in der Abwehr sowjetischer Hegemonie, sondern gleichzeitig auch unter dem Zwang kommunistischer Selbstbehauptung gegenüber dem eigenen Volk entstanden. Jedoch traten auch wieder die kommunistischen Grundwidersprüche hervor, nun erstmals in zwischenstaatlicher und daher noch militanterer Form als in der Vergangenheit, so daß sie 1949 bis an den Rand des Krieges zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien trieben. c) Staatskommunistischer Zentralismus oder Arbeiterselbstverwaltung?

Denken wir für einen Moment an die Dezisten und die Arbeiteropposition im kommunistischen Rußland zwischen 1918 und 1921 zurück. Der Dezistenführer Ossinski hatte auf dem Moskauer Kongreß der regionalen Wirtschaftsräte Mitte 1918 anstelle des zentralistischen Kriegskommunismus eine „Arbeiterverwaltung" als Basis der Räteregierung gefordert und den Antrag gestellt, die Betriebe an Kollegien mit einer Zweidrittelmehrheit von Arbeitern zu übergeben Statt dieser Vergesellschaftung der Industrie auf dem Fundament einer Arbeiterselbstverwaltung wurde sie wenige Monate später verstaatlicht. Zwar kam es zunächst zur Bildung von Verwaltungsräten, doch nur mit einem Drittel von Mitgliedern aus der Arbeiterschaft bis sie schließlich durch die mit diktatorischen Vollmachten ausgestatteten und staatlich eingesetzten Betriebsdirektoren abgelöst wurden. Auch die von der Arbeiteropposition in ihren Thesen vom Januar 1921 verlangte „Leitung der gesamten Volkswirtschaft . . . durch einen gesamtrussischen Kongreß der Produzenten" weil sich ein System, „das sich auf eine gigantische bürokratische Maschine stützt, die jegliche schöpferische Initiative und Selbsttätigkeit der in den Gewerkschaften vereinigten Produzenten ausschließt" auf die Dauer weder halten noch wahrhaft kommunistisch nennen könne, kam niemals zustande. Binnen weniger Jahre nach der Oktoberrevolution zerstob in Rußland die Vision einer Arbeiterdemokratie an den harten Konturen des Staatskommunismus, der die spontan entstandenen Ansätze einer betrieblichen Arbeiterverwaltung zerstampfte. Nur in den Köpfen der Opposition war sie lebendig geblieben, um nach Jahrzehnten ihre Wurzeln überraschend in den fruchtbaren jugoslawischen Boden zu senken. In diesem Lande entstanden außer der betrieblichen Arbeiterselbstverwaltung (mit Gewinnbeteiligung der Arbeiterschaft) auch überbetriebliche Produzentenräte, die 1953 zur zweiten Kammer der Republikparlamente und des Bundesparlaments ausgestaltet worden sind. Gleichzeitig wurde die herkömmliche Regierung durch eine Art Parlamentsausschuß mit dem Namen „Bundesexekutivrat" ersetzt. Gemäß der neuen Verfassung von 1963 erfuhr schließlich das System der „gesellschaftlichen Selbstverwaltung", wie es in Jugoslawien genannt wird, eine nochmalige Erweiterung, weil dem Bundesrat einerseits und dem zum Wirtschaftsrat umgebildeten Produzentenrat andererseits drei Selbstverwaltungsräte — für Bildung und Kultur, Soziales und Gesundheit sowie für Verwaltung — angegliedert wurden. Das offizielle Ziel aller dieser Maßnahmen bestand in der allgemeinen Dezentralisierung unter Zurückdrängung der staatlichen Bürokratie und des Staates schlechthin, um ihn auf dem Wege des schrittweisen Absterbens überflüssig zu machen und durch vielfältige Organe der gesellschaftlichen Autonomie zu ersetzen, damit eine direkte Demokratie Platz greifen könne. Die Jugoslawen sind sich der anarcho-kommunistisdien Herkunft ihrer Konzeption auch durchaus bewußt. Beispielsweise hieß es in einem 1963 geschriebenen Artikel von Andrija Gams: „Die Selbstverwaltung als Prinzip haben in der Mitte des vorigen Jahrhunderts die Anarchisten in den westeuropäischen Ländern besonders hervorgehoben." Die jugoslawische Selbstverwaltung müsse allerdings „die moderne Produktion" statt die handwerkliche zum Ausgangspunkt nehmen.

Die jugoslawische Konzeption wurde in bewußtem Gegensatz zu Stalins Thesen entwikkelt, daß der Staat das Hauptinstrument des kommunistischen Aufbaus sei und daher ständig gefestigt statt abgebaut werden müsse. Edvard Kardelj, einer der führenden Ideologen des jugoslawischen Kommunismus, hat hierzu 1954 erklärt: „Wohlbekannt ist eine der grundlegenden Stalinschen Thesen, wonach eben die ständige Festigung des Staates und seiner Rolle im Gesellschaftsleben die wichtigste Triebfeder der sozialen Entwicklung sei. . .

Falls jedoch diese These zum allgemeinen Prinzip wird. . ., muß sie zwangsläufig zur absoluten Allmacht des Staatsapparats führen. . .

Im Gegensatz zu dieser Theorie stehen wir auf dem Standpunkt, daß die Revolution nicht bloß eine Staatsmaschine durch eine andere ersetzen, sondern zugleich den Prozeß des Absterbens der Funktionen des Staates als eines Machtmittels überhaupt zum Anlauf bringen soll."

Konträr hieß es in einem Artikel der sowjetischen Zeitschrift „Kommunist" von 1958, daß die jugoslawische Arbeiterselbstverwaltung auf „reaktionär-utopischen Plänen" fuße — offensichtlich war die anarchistische Utopie vom Verschwinden des Staates gemeint, die aber im Oktober 1961 auch wieder im neuen sowjetischen Parteiprogramm aufgetaucht ist. Mehr noch: „Den Weg zur Abschaffung des Staatseigentums unter dem Sozialismus zu beschreiten, würde also einen Rückschritt bedeuten."

Demgegenüber haben die jugoslawischen Ideologen immer wieder erklärt, daß die „zentralistische bürokratische Staatsform abgelehnt" werden müsse, weil der Fortschritt innerhalb der kommunistischen Länder am Absterben der staatlichen Funktionen zugunsten der gesellschaftlichen Selbstverwaltung zu messen sei.

Es ist also deutlich, daß im Konflikt Moskau-Belgrad abermals die staatskommunistische und die anarcho-kommunistische Tendenz aufeinanderstießen; die eine in der sowjetischstalinistischen, die andere in der nationalkommunistischen Hülle, wobei Jugoslawien auch sozialistische Ideen (wie die Gewinnbeteiligung der Arbeiter) aufgriff. Im gleichen Tempo aber, wie die Sowjetunion unter Chruschtschows Leitung jugoslawische Anregungen übernahm (beispielsweise bei der wirtschaftlichen Dezentralisierung und im Übergang von der Total-zur Rahmenplanung), verminderten sich auch die Gegensätze zwischen beiden Ländern, ohne daß der Nationalkommunismus wieder aus der Welt geschafft werden konnte.

Jedoch wurde diese Wiederannäherung auch dadurch beschleunigt, daß sich in den Nationalkommunismus selbst eine Differenzierung grub, die ihn in zwei Parteien aufzuspalten drohte und zumindest in Ungarn auch aufgespalten hat, wo der Nationalkommunist Kadar den Nationalkommunisten Nagy hinrichten ließ. In der Urteilsbegründung war zu lesen: „Die Gruppe Imre Nagy, die früher unter dem Piratenbanner . Nationalkommunismus' auftrat, flüchtete vor der Verantwortung in die jugoslawische Botschaft in Budapest", und unter ihren „Verbrechen" wurde auch jenes angeführt, daß sie „durch sogenannte Arbeiterräte die Täuschung der Arbeiterklasse"

beabsichtigt hätte.

Die Differenzierung in Jugoslawien stand unter dem Namen von Djilas oder, wie Tito am 11. Februar 1965 anläßlich der Affäre Mihailov sagte, unter dem Zeichen des „Djilasismus" Zuvor sei indessen noch vermerkt, daß auch Belgrad eine neue, die 5. Internationale zu gründen versuchte, die allerdings schon in den Anfängen starb. Jedoch haben zumindest zwei internationale Konferenzen von Tito-Anhängern in Jugoslawien stattgefunden. Neben vielen nationalkommunististischen Gruppen innerhalb der kommunistischen Parteien entstanden auch einige nationalkommunistische Parteien, von denen wir nur die UAP, das heißt die „Unabhängige Arbeiterpartei Deutschlands" nennen wollen. Auch die „Sozialistische Volkspartei" Dänemarks- unter dem früheren KP-Vorsitzenden Larsen, der „ 20 bis 25°/o" aller dänischen Kommunisten in die neue Partei einbringen konnte und offizielle Delegationen zu den jugoslawischen Kongressen entsandte, war zumindest anfangs ausgesprochen titoistisch. Sie tritt übrigens noch immer für die „Danisierung" des Marxismus ein und will einen „dänischen Weg" zum Sozialismus beschreiten Inzwischen hat sogar die italienische KP als größte und einflußreichste kommunistische Partei Westeuropas — die gute Beziehungen zu Belgrad (und Warschau) unterhält — einen „italienischen Weg zum Sozialismus" proklamiert, womit sie offenkundig in die jugoslawischen tritt. Anscheinend Fußstapfen ist eine titoistische Internationale gar nicht nötig gewesen, um den Nationalkommunismus auszubreiten. Das zeugt für seine tiefen Wurzeln. d) Djilas oder der Widerspruch im Nationalkommunismus Milovan Djilas, der Partisanengeneral war und dem Politbüro der KPJ angehörte, zählte einst zu den vier wichtigsten Männern des jugoslawischen Kommunismus. Er ist es gewesen, der amoralische Verhalten der sowjetischen Truppen in Jugoslawien kritisierte und sich hierdurch allmählich selbst in der eigenen Partei isolierte. Neben Kardelj war er der wichtigste Theoretiker des jugoslawischen Nationalkommunismus. Djilas wollte aber die und politische Dezentralisierung durch die der Partei ergänzen, also das Absterben der staatlichen Funktionen mit dem Absterben der Kommunistischen Partei verknüpfen, die sich auf eine erziehende, diskutierende und klärende Rolle zu beschränken hätte. Es lag auf der Hand, daß er sich mit solchen Vorschlägen auch innerhalb Jugoslawiens viele Feinde machen mußte, denn sie bedrohten Existenz zahlreicher -Berufs die funktionäre. Gleichwohl hat er auf dem VI. Kongreß der KPJ im 1952 noch Programmreferat das gehalten und wer es mit dem sechs Jahre später beschlossenen Laibacher Parteiprogramm vergleicht, wird alle wichtigen Gedanken von Djilas wiederfinden

Als er aber daran ging, in einer Artikelreihe, die zwischen Oktober 1953 und Januar 1954 veröffentlicht wurde, auch die eigene Partei-und Staatsbürokratie als dem jugoslawischen Träger stalinistischer Tendenzen einer erbarmungslosen Kritik zu unterwerfen, als er auf die nach wie vor stalinistische Struktur von Partei und Staat hinwies und außerdem sogar erklärte, daß selbst die Verhältnisse im nationalkommunistischen Jugoslawien „noch in hohem Maße unmenschlich" seien, weil die Elemente der Freiheit durch Zwang und Druck in Schach gehalten würden, statt die Revolution in eine echte Demokratie einmünden zu lassen, da weder die Industrie noch die Arbeiterselbstverwaltung ohne Freiheit gedeihen könnten — da erhob sich die Mehrheit der jugoslawischen Kommunisten gegen ihn, um ihn zum Schweigen zu bringen, obwohl er tiefe Zweifel in ihre Reihen zu säen vermochte Djilas, der im Januar 1954 die erste Nummer einer eigenen Zeitschrift herausgegeben hatte, die dafür sorgen sollte, daß der National-kommunismus nicht im Antistalinismus verharrte, sondern zu einem demokratischen Kommunismus weiterschritt, und der schließlich sogar die Zulassung einer zweiten Partei — als Oppositon zur KPJ — verlangte, wurde aus dem Zentralkomitee ausgeschlossen und gab wenig später selbst sein Mitgliedsbuch ab. Sodann schrieb er sein weltberühmt gewordenes Buch „Die neue Klasse", in dem er die Entwicklung der kommunistischen Bürokratie zu einer neuen Ausbeuterschicht charakterisierte und in dessen Vorwort der Schlüssel-satz stand: „Als ich mich der Wirklichkeit des heutigen Kommunismus mehr und mehr entfremdete, näherte ich mich dem Gedanken des demokratischen Sozialismus" In Djilas brach der humanistische Aspekt des Marxismus wieder durch, aber gleichzeitig war er von einem fast blinden Glauben an die Fähigkeit des Volkes zur Selbstregierung ohne Staat und auch ohne Parteien erfüllt, der ohne Zweifel eine anarchistische Wurzel besaß. Djilas war der fanatischste Verfechter der direkten Demokratie — die KPJ müsse „in der Masse der gewöhnlichen Staatsbürger aufgehen..., so daß die politischen Probleme vom meisten Volk selbst entschieden würden..." So öffnete sich 1954 im jugoslawischen National-kommunismus (wie 1956 im ungarischen und polnischen) der in ihm verborgene Zwiespalt zwischen staatskommunistischer und anarchokommunistischer Tendenz. Der antisowjetische Effekt des Titoismus schwächte sich im gleichen Maße ab, wie die Bedrohung Jugoslawiens durch die Sowjetunion nach dem Tode Stalins schwand, und die innerparteiliche Folge war, daß es zum Konflikt zwischen kommunistischer Staatsräson und kommunistischem Freiheitsstreben kam. Djilas, der mehrfach zu Gefängnis-und Zuchthausstrafen verurteilt wurde, ist nicht nur ein Opfer des nationalkommunistischen Staatskommunismus, sondern auch der Wiederannäherung zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion geworden. Aber die bleibende Bedeutung seiner Revolte (die inzwischen auch in Jugoslawien mehrfach wiederaufgeflammt ist) hat darin bestanden, daß sich erstmals innerhalb einer zur Macht gekommenen kommunistischen Partei eine Gruppe demokratischer Kommunisten formierte, die zum demokratischen Sozialismus überzugehen begann und das Prinzip der Diktatur (in welchem Namen auch immer) verneinte. Das neueste Schisma ist bereits so bekannt und in zahlreichen Büchern derart ausführlich geschildert, daß es müßig wäre, schon vielfach Gesagtes zu wiederholen. Statt dessen werden wir fast unmittelbar zu jener unterschwelligen Kontinuität vorstoßen können, die das neue Schisma mit den vorangegangenen verbindet, um seinen Platz in der Gesamtgeschichte des Kommunismus auszumachen. Nur unter dem Gesichtspunkt dieser Kontinuität — die auf der Oberfläche von Diskontinuitäten verhüllt ist — wird unseres Erachtens auch sein tieferer Sinn feststellbar sein. Wenn es uns gelingt, ihn wenigstens andeutungsweise aufleuchten zu lassen, wird unsere Mission erschöpft sein, ohne daß wir gewungen wären, das Schisma selbst erschöpfend darzulegen. a) Die Verschiebung des weltrevolutionären Zentrums Das neue Schisma ist durch keinen Vorhang verhängt, und doch sind bisher nur die Kulissen allgemein sichtbar geworden. Jedes Schisma hat einen allgemeinen und einen speziellen Bezug: einen Aspekt, der in die Vergangenheit, und einen anderen, der in die Zukunft weist. Die Schismen sind Schnittpunkte zwischen Vergangenheit und Zukunft des Kommunismus, die bis zu einem gewissen Grade beide enthüllen. Sie entstehen da, wo sich die beiden roten Fäden des Kommunismus — die staatskommunistische und die anarcho-kommunistische Tendenz — zu einem Knoten schürzen; wo sie sich verknoten, um sich gegenseitig zu verschlingen, was natürlich keinem möglich ist. Der Kommunismus wird mit seinem inneren Widerspruch höchstwahrscheinlich wie das Dromedar mit seinem Hökker begraben.

Schismen ereignen sich an Wendepunkten der menschlichen Geschichte im allgemeinen und der Geschichte des Kommunismus im besonderen. Kurz, kommunistische Schismen können auch Kreuzwege der Menschheit markieren. Dies, die kommunistischen Schismen im Zusammenhang mit der neueren Weltgeschichte zu betrachten, ist allerdings ein Thema, das uns sehr weit fortführen würde, weshalb wir es an dieser Stelle nur an einem Zipfel packen können. An jenem nämlich, daß sich das Zentrum des weltrevolutionären Kommunismus von Europa nach Asien verschoben hat. Das hängt nicht nur mit dem Absinken Europas zu einer Weltprovinz zusammen, sondern mehr noch mit einer gewissen Entrevolutionierung des Sowjetkommunismus im Zuge seiner Modernisierung und mit der antikolonialen Revolution in den Entwicklungskontinenten, die rund eine Milliarde Menschen in Bewegung gesetzt hat und nach der nationalen die soziale Frage aufwirft, weshalb die chinesischen Kommunisten einerseits von der Degeneration der Sowjets und andererseits von einer außerordentlich günstigen Situation für das Weiter-treiben und die Vollendung der Weltrevolution sprechen, die durch eine Fixierung auf die Koexistenz nur gebremst werden könne.

Wohlgemerkt, in Peking ist nicht nur ein weiteres Zentrum des Kommunismus entstanden, sondern Mao Tse-tung hat die den müde gewordenen Händen des Sowjetkommunismus entglittene Fahne der kommunistischen Weltrevolution in der rotchinesischen Hauptstadt von neuem aufgepflanzt. Das Hauptzentrum des Kommunismus, soweit er seinen Ursprüngen treu bleibt, hat sich von den weißen zu den „farbigen" Völkern verlagert, was seinen Gestaltwandel herbeiführen kann; es gibt nichts Vergleichbares in der Geschichte des Kommunismus. Die Maoisten versuchen, die kommunistische Weltrevolution mit der farbigen Weltrevolution zu verschmelzen und gleichzeitig den Klassenkampf mit dem Aufstand der „proletarischen" gegen die „bourgeoisen" Völker zu verknüpfen. Beide Faktoren sind Quellen ungeheurer Dynamik oder können es jedenfalls werden. Gleichzeitig führt die maoistische Politik die unmittelbare Gefahr eines dritten Weltkrieges herauf, während die weitgehend saturierte Sowjetunion kein Existenzrisiko mehr eingehen will. Eben dies ist der aktuelle Bezug des chinesisch-sowjetischen Schismas.

b) Worum es diesmal geht Wiederum wird das kommunistische Hauptzentrum aus einem verhältnismäßig modernen und entwickelten Land, wie es sie Sowjetunion nunmehr ist, in ein rückständiges verpflanzt, was abermals, wie bei der Verlagerung von Westeuropa nach Rußland im Übergang von Marx zu Lenin, eine gewisse Rebarbarisierung des Kommunismus bedeutet. Noch einmal, wie unter dem Zwang eines ihm auferlegten Gesetzes geht der Kommunismus in kultureller Hinsicht eher rückwärts statt vorwärts. Das reflektiert sich in der grundsätzlichen Unbedenklichkeit der maoistischen Politik, die so-gar die Unterscheidung zwischen „gerechten" und „ungerechten" Kriegen beiseite geschoben und durch die Einteilung in „Zermürbungskriege" und „Vernichtungskriege" die aber jeweils kombiniert werden sollen, ersetzt hat. Der Fels, auf den der Maoismus als einer neuen Form des Kommunismus baut, ist der Satz, daß das Gewehr die Macht gebiert.

Es war daher nur logisch, daß im Maoismus alle Elemente des Frühkommunismus wieder aufgetaucht sind, vor allem der politische Terrorismus, dessen Hauptform der Guerillakrieg ist, der Drang zur gewaltsamen Gleichmacherei, der an erster Stelle in den Volkskommunen zum Ausdruck kam und sich dort teilweise auch am spontanen Widerstand der chinesischen Bauernmassen brach. Die Regeneration des Frühkommunismus macht sich also sowohl in außenpolitischer als auch in innenpolitischer Hinsicht bemerkbar; sie ist ein Grundelement der maoistischen Aggressivität, wie auch die Verflechtung des antibürgerlichen und des antikolonialen Ressentiments, die sich in der bewußten Verschränkung des Ost-West-Konflikts und des Nord-Süd-Konflikts niederschlägt, ein solches Element darstellt.

Es gibt jedoch noch zwei weitere Quellen der rotchinesischen Aggressivität, die im Unterschied zu den anderen der inneren Gespaltenheit des Kommunismus entspringen. Es wäre lächerlich, den Konflikt Moskau-Peking auf eine Auseinandersetzung zwischen Revisionisten und Dogmatikern zurückzuführen, denn auf beiden Seiten sind revisionistische und dogmatische Aspekte verquickt. (Gleichwohl spielt der ideologische Faktor eine gewaltige Rolle, aber entschieden mehr im Sinne der kommunistischen Primärideen als der sekundären Theorie.) Ebenso einseitig ist es, wenn man nur gegensätzliche nationale und imperialistische Interessen konkurrieren sieht, denn das machtmäßige Hauptproblem zwischen Moskau und Peking läuft nicht in nationalstaatlichen oder imperialistischen Bahnen — obwohl nationale und imperialistische Interessen zusätzliche Antriebe sind —, sondern hat sich eindeutig auf den Kampf um die Führung des internationalen Kommunismus zugespitzt (der sicherlich in seiner Gesamtheit eine viel größere Kraft ist, als es China und die Sowjetunion für sich sind). Das ideologische (und mit dem Machtproblem verbundene) Hauptproblem aber lautet, welche politische Konzeption der weiteren Ausbreitung des Kommunismus und der weiteren Kommunisierung der Welt zugrunde liegen soll. „Es spielt sich ein Entscheidungskampf der Prinzipien im Weltmaßstab ab" schrieb die prochinesische Zeitschrift „Revolution".

Das Bemerkenswerte und Neue am Maoismus ist, daß er als erste Form des Kommunismus dessen inneren Antagonismus bejaht, obwohl er in ideologischer Verzerrung gedeutet wird. Immerhin hieß es 1964 in einem Exkurs über die Geschichte des Kommunismus: „Sie zeigt erstens, daß die internationale Bewegung der Arbeiterklasse wie alles andere dazu neigt, sich in zwei Teile zu spalten . . Einheit — Kampf, sogar bis zur Spaltung — neue Einheit auf einer neuen Basis, das ist die Dialektik der Entwicklung ..." Also sieht Peking das eingetretene Schisma — das zwar noch nicht alle kommunistischen Parteien erfaßt, dafür aber den ehemaligen Ostblock schon zerschnitten hat, so daß sich erstmals nicht nur rivalisierende Fraktionen oder Parteien, sondern nunmehr auch zwei kommunistische Staatengruppen gegenüberstehen — bereits als unwiderruflich an. Das Ziel geht dahin, den Maoismus — wie es einst beim Marxismus und später beim Leninismus der Fall war — zur Grundlage des zeitgenössischen und künftigen Kommunismus zu machen (wobei sich Mao als legitimer Erbe von Marx wie von Lenin betrachtet), also auch zum ideologischen Modell der künftigen Welt, wenn sie sich aus den „Trümmern des Imperialismus“ und des kommunistischen Revisionismus erhöbe, das heißt nach vollzogener Weltrevolution, die auch den kommunistischen Revisionismus vernichten soll. Im November 1964 hat Peking unter Hinweis auf Chruschtschow und seine Nachfolger ganz offen erklärt: „Wer das Rad der Geschichte aufzuhalten versucht, der wird von ihm zermalmt werden". Ein halbes Jahr später wurde aufklärend hinzugefügt: „Die Führer der KPdSU und die USA-Imperialisten liegen sich in den Armen, tauschen Informationen aus und treten gemeinsam gegen den Kommunismus auf.“ Die Sowjets sind in den Augen Pekings nicht mehr kommunistisch. Die inneren Widersprüche des Kommunismus treten sich jetzt im internationalen Maßstab als Todfeinde gegenüber. Wir sind Zeugen eines gewaltigen Dramas, das den Schatten zweier kommunistischer Welten an die Wand wirft, die unversöhnlich miteinander kämpfen, obwohl die Nachfolger Chruschtschows ihre Gefühle verbergen, um nicht als „Spalter" zu erscheinen.

Angesichts der fortlaufenden Steigerung von Fraktionskämpfen zu Parteikämpfen und von da zu Konflikten zwischen kommunistischen Staaten bis zu solchen zwischen kommunistischen Staatengruppen — die insgesamt den Anblick einer schismatischen Spirale bietet — ist es unmöglich, die Ursachen für das neue Schisma lediglich in zeitgegebenen Umständen zu suchen, ohne sich im Dickicht von Oberflächlichkeiten oder Halbwahrheiten zu verirren. Dies ist um so weniger statthaft, als es sich nicht um das erste, sondern um das vorerst letzte Schisma handelt, so daß endlich nach dem Zusammenhang der verschiedenen Schismen gefragt werden muß.

Offenbar sind die Probleme, in die der Kommunismus von Anbeginn verstrickt war, im gleichen Umfang gewachsen, wie er expandieren und seine Macht über den Erdball ausbreiten konnte. Augenscheinlich sind die schismatischen Niederlagen des Kommunismus die Parallelerscheinung zu seinen äußeren Erfolgen, die diese zugleich untergräbt oder aushöhlt, denn man kann sich nicht unbegrenzt spalten, ohne sich selbst zu vernichten. Im Kommunismus hat schon mit der „Liquidierung" der Trotzkisten (soweit sie für die GPU erreichbar waren) eine selbstmörderische Tendenz eingesetzt, die mit der Ermordung vieler Nationalkommunisten ihre erste Steigerung erfuhr. Zwar sollte niemand auf die Selbstvernichtung des Kommunismus spekulieren, da er sich auch von den Mängeln und ungelösten Problemen der demokratischen Länder nährt, aber zweifellos ist die selbstmörderische Tendenz vorhanden, ja im Wachsen begriffen — als extremster Ausdruck der inneren Gegensätzlichkeit des Kommunismus, die sich ständig steigert, statt schwächer zu werden, und ihrem Höhepunkt zustrebt, der das Schicksal des Gesamtkommunismus entscheiden dürfte. c) Staatskommunismus und Anarchokommunismus in China Äußerlich scheint es, als ob die Eigenart des Maoismus darin bestünde, daß Staatskommunismus und Anarchokommunismus in ihm gleicherweise eine Blüte erleben. Dieser Anschein hat dazu geführt, daß sich sowohl die Anarchisten als auch die Trotzkisten aller Länder von Peking angezogen fühlen — ähnlich wie das anfangs bezüglich Rußland der Fall war. Doch bei den Trotzkisten ist schon mehrfach eine Unsicherheit spürbar geworden. Einerseits sind sie erfreut, daß Mao Trotzkis Theorie der permanenten Revolution wieder ausgenommen hat, andererseits verweisen sie auf Jugoslawien als das kommunistische Land mit den „größten Fortschritten" in Richtung auf eine Arbeiterdemokratie, während sich in China „mächtige bürokratische Deformationen" zeigten. Zum großen Teil fällt diese schwankende Haltung der Trotz-kisten mit ihrer inneren Aufspaltung in eine totalitäre und eine halbdemokratische Gruppe zusammen.

In der Tat können die chinesischen Volks-kommunen schwerlich als eine Form gesellschaftlicher Selbstverwaltung gelten, zumal ihre Funktionäre in der Regel von oben eingesetzt werden. Gerade in ihnen hat sich vielmehr immer wieder gezeigt, daß der chinesische Staatskommunismus noch unduldsamer und bizarrer als einst der sowjetische ist, ja geradezu exotische Blüten treibt, die zeitweilig bis zur Trennung der Geschlechter innerhalb der Volkskommunen — getrennte Unterbringung von Männern und Frauen, selbst der Eheleute, in Baracken — ging und vorübergehend zur Aufhebung jeglicher Geldentlohnung in vielen Bereichen führte. Noch nach der „Berichtigungs" -Kampagne, als man beispielsweise die getrennte Unterbringung von Männer und Frauen in Schlafsälen wieder aufhob und zur teilweisen Geldentlohnung zurückkehrte (weil die Bauern, die fast alles Geflügel abgeschlachtet hatten, damit ihnen nicht auch das Kleinvieh weggenommen werden konnte, für den Kommunismus noch nicht reif seien), hieß es in einer Rede des stellvertretenden Vorsitzenden des Allchinesischen Gewerkschaftsbundes, daß „der kommunistische Geist der Arbeit ohne Rücksicht auf Entlohnung und andere Bedingungen" gefördert werden müsse, weil „die Arbeit etwas Herrliches" sei. Diese Haltung, die Arbeiter und Bauern wie Zitronen für Partei und Staat auszupressen, hat sich bisher nicht geändert, obwohl man angesichts des anhaltenden und spontanen Widerstands zu Kompromissen — wie Einführung des Leistungslohnes — gezwungen war, die aber nur zur Überbrückung der Schwierigkeiten dienen, also nicht von Dauer sein sollen. Die Maoisten haben den angeblich sozialistischen, in Wahrheit aber frühkapitalistischen Leitspruch, wer nicht arbeite, solle auch nicht essen, dahin zugespitzt, daß sie öffentlich verkünden: „Jede Sekunde ist eine Unze Gold wert!" während die Arbeit in der Sowjetunion, wenn man einen Vergleich wagen will, heute nach Minuten und die im Westen hauptsächlich nach Stunden gemessen wird. Für das kommunistische China ist eine Militarisierung der Arbeit kennzeichnend, wie sie selbst in der stalinistischen Sowjetunion nur teilweise durchgesetzt werden konnte. Das zivile Leben wurde gewissermaßen der Militärgerichtsbarkeit unterworfen. So hieß es beispielsweise in einem offiziellen Beschluß des chinesischen Zentralkomitees, daß „die Arbeitsorganisation der Volkskommune ... eine Organisation nach militärischen Regeln" sein müsse: „Die Disziplin des Arbeiters, der an der Maschine steht, ist ebenso streng wie in der Armee." Das ist auch das Grundschema für die kommunistischen Massenorganisationen und die Mitglieder der Kommunistischen Partei. Im Statut des Kommunistischen Jugendverbandes steht der bezeichnende Satz: „Wir müssen in unserer Arbeit der Parteiführung rückhaltslos gehorchen." Gleichzeitig wird in der Partei-presse immer wieder, ja unermüdlich unterstrichen, „daß die Parteimitglieder in nicht-parteilichen Organisationen der Führung der Partei bedingungslos gehorchen müssen" und für die Parteimitglieder selbst: „Der Partei muß man unbedingt gehorchen; persönliche Ambitionen sind unzulässig... Die Quelle allen Übels ist der Individualismus." Wie weit der Begriff des Individualismus ausgedehnt werden kann, offenbarte sich 1961 in der Kampagne gegen die Frühehen der jungen Chinesen: „Junge Leute, die spät heiraten, können sich in der Zwischenzeit mehr für die Angelegenheiten des Staates und des Kollektivlebens einsetzen." Die Liebe verzehre zu viel Energie. „Somit ist die Spätehe eine objektiv günstige Bedingung für den politischen Fortschritt". Wer also dennoch früh heiratet, stellt sich aus individualistischen Gründen dem politischen Fortschritt entgegen, Angesichts dessen hat die Theorie der permanenten Revolution, ohnehin zu einer Phasen-theorie modifiziert — die bei Trotzki gleichsam gleitende Revolution wurde von Mao durch eine Revolution des einen-Schritt-nachdem-anderen ersetzt —, nur wenig Bedeutung. Sie ist sogar zum Instrument des chinesischen Staatskommunismus geworden, um innenpolitische Zwangsmaßnahmen zu begründen, und dient nur noch als Konzept der Unruheschürung in anderen Ländern ihrer ursprünglichen Funktion.

An eine Arbeiter-oder Bauerndemokratie in China ist bei den gegebenen Verhältnissen nicht einmal zu denken. Selbst unter jenen beschränkten Gesichtspunkten, wie sie von der russischen Arbeiteropposition oder später von Trotzki vertreten wurden, setzt sie wohl zunächst die Industrialisierung Chinas voraus, also das Nachholen jenes Prozesses, den die Sowjetunion nun hinter sich hat. Wirtschaftliehe Rückständigkeiten bedingen in hohem Grade — wenngleich nicht allein — auch solche politischer und kultureller Art.

Jedoch ist von Mao Tse-tung in einem Gespräch mit dem amerikanischen Schriftsteller Edgar Snow offen zugegeben worden, daß auch anarchistische Bücher „einen ungeheuren Einfluß auf die Herausbildung seiner politischen Vorstellungen gehabt hätten" Steht das nicht im Widerspruch zu dem soeben Gesagten? In theoretischer Hinsicht ist das deshalb nicht der Fall, weil wir bereits wiederholt, wie am Beispiel Lenins, feststellen konnten, daß staatskommunistische und anarchokommunistische Tendenzen in jedem Kommunisten dicht beieinander liegen, weshalb sein Verhalten im allgemeinen durch eine Wechselwirkung der jeweils vorherrschenden Tendenz mit den jeweiligen Umständen seines politischen Wirkens bestimmt wird.

In praktischer Hinsicht wäre es aber unhistorisch, wenn wir es bei Hinweisen auf den strengen Staatskommunismus im heutigen China, das heißt im China seit der kommunistisdien Machtübernahme, belassen würden. Zu den geschichtlichen Eigenarten des Maoismus gehört es nämlich, daß seine anarcho-kommunistische Phase in die Jahrzehnte vor der Machtergreilung in ganz China fiel, was unter anderem damit zusammenhing, daß er schon lange erhebliche Teile des riesigen Landes beherrschte, bevor Maos Truppen in Peking einziehen konnten. Grundstock der chinesischen Roten Armee ist ein aus aufrührerischen Bauern und ehemaligen Banditen zusammengesetzter Haufen gewesen, mit dem Mao Tse-tung im Oktober 1927 wie ein Kieselstein von einem Berge rollte, der aber im Laufe der Jahre zu einer Lawine anschwoll und die Kuomintang unter sich begrub. Es laufen viele Geschichten und Legenden über die Gepflogenheiten dieses Hautens um, zum Beispiel über gewaltsam entführte Personen, die nur für Lösegelder freigelassen wurden. Aber wie dem auch gewesen sein mag, zweifellos hat in den ersten „befreiten Gebieten" mehr eine anarcho-kommunistische als eine staatskommunistische Ordnung geherrscht, denn Mao war mehrfach gezwungen, seine Partisanen und Guerillas vor moralischen Appellen zu diszipliniertem Verhalten, die auch vom eigenen Zentralkomitee kamen, in Schutz zu nehmen. In seinem Buch „Die chinesische Revolution und die Kommunistische Partei Chinas" vom Dezember 1939 hat er schließlich über die „deklassierten Elemente" (das heißt über „die Banditen, Landstreicher, Bettler, Prostituierten und die verschiedenen berufsmäßigen Nutznießer des Aberglaubens") erklärt: „Ein Teil dieser Menschen wird leicht durch die Reaktion korrumpiert, aber ein anderer kann sich an der Revolution beteiligen. Ihnen fehlt die Neigung, aufzubauen, sie vermögen eher zu zerstören als aufzubauen, und wenn sie sich an der Revolution beteiligen, werden sie zur Quelle von Stimmungen des Freibeutertums und des Anarchismus in den Reihen der Revolutionäre. Folglich muß man sie geschickt umerziehen und ihren Drang zur Zerstörung zu bändigen bestrebt sein." Diese Zeilen wurden offenbar aus unmittelbarer Erfahrung geschrieben; aber in Verschleierung dessen, daß der anarchistische Drang zur Zerstörung nicht nur dem Lumpenproletariat, sondern schon dem Früh-kommunismus eingeboren war, und daß die kommunistische Gewaltstheorie im Grunde nur seine theoretische Verallgemeinerung ist.

Im übrigen galt Mao lange Zeit in der eigenen Partei als suspekt, nicht zuletzt wegen seiner Guerillamethodik und seiner angeblichen Disziplinlosigkeit. Generalsekretär der KPCh wurde er ja erst im Januar 1935, nachdem es ihm gelungen war, die moskauhörige Führung und ihre Anhänger im Zentralkomitee zu verdrängen. Das stürzte ihn in den Verdacht, ein Anhänger Trotzkis zu sein. Von der chinesischen Delegation, die er 1935 zum VII. Weltkongreß der Komintern entsandte, kehrte kein einziges Mitglied zurück — sie wurde als des Trotzkismus verdächtige Gruppe „bis auf den letzten Mann liquidiert" Erst daraufhin, so scheint es, hat Mao Tse-tung alle Beziehungen zur Komintern abgebrochen, um hinter Stalins Rücken mit allen Kräften und allen Mitteln die Machtergreifung in China zu betreiben. Die anarcho-kommunistische Phase des chinesischen Kommunismus fiel weitgehend mit der antistalinistischen zusammen, und beide waren im großen und ganzen am Ausgang des Zweiten Weltkriegs erschöpft. Darüber täuschen sich auch viele Anhänger Maos. So hat sich die 1963 gegründete prochinesische KP der Schweiz, die aus einer Spaltung der prosowjetischen hervorgegangen ist, 1964 bereits wieder ihrerseits gespalten. Genauer: einige Funktionäre wurden wegen „anarchistischer Ideen" ausgeschlossen und bildeten daraufhin eine separate Organisation. Daher gibt es nun zwei prochinesische kommunistische Parteien in der Schweiz, von denen die eine mehr anarcho-kommunistisch zu sein scheint. Was aber das Verhältnis Sowjetunion-China angeht, so muß festgestellt werden, daß sich nicht nur das weltrevolutionäre Zentrum, sondern auch das staatskommunistische von Moskau nach Peking verlagert hat. d) Totalitärer und demokratischer Kommunismus Soweit Pekings Politik gegen die sowjetische Hegemonie gerichtet ist, auf einer „Chinesierung" des Marxismus-Leninismus besteht und einen „eigenen Weg" zum Kommunismus verfolgt, bleibt sie nationalkommunistisch. Soweit sie aber nicht nur nach der Führung des internationalen Kommunismus greift, sondern auch die Konzeption der Volkskommunen als Universalmodell des Kommunismus preist, ist sie ebenso hegemonistisch wie die der Sowjetunion, ja in letzter Zeit sogar mehr.

Peking hat zunächst die nationalkommunistischen Bestrebungen in verschiedenen Ländern Osteuropas insgeheim unterstützt, ging aber im gleichen Moment, da sich innerhalb des Nationalkommunismus eine demokratische Tendenz regte, ein Bündnis mit den stalinistischen Kräften ein. Wenn sich also wenigstens eine kleine Minderheit des europäischen Nationalkommunismus in demokratischer Richtung zu entwickeln begann, so hat Peking genau den umgekehrten Kurs eingeschlagen, was Maos Konsequenz aus den revolutionären Ereignissen im ehemaligen Ostblock (angefangen mit dem Aufstand vom 17. Juni 1953 in Mitteldeutschland) und aus dem Mißerfolg der Hundert-Blumen-Kampagne in China war. Der Maoismus ist jetzt die totalitärste Kraft des Kommunismus, während der Sowjetkommunismus im Vergleich zu ihm nun fast liberal wirkt (obwohl keineswegs liberal im westlichen Sinne).

Insofern war es nicht nur ein Vorwand, daß Peking vor dem offenen Ausbruch des Konflikts mit Moskau zunächst auf Belgrad einschlug. Denn es kommt Mao vor allem auf die Zurückdrängung und Vernichtung der demokratischen Tendenz im Kommunismus an, die sich als Gegentendenz zum Stalinismus entwickelt hat und die er durch die Arbeiter-selbstverwaltung Jugoslawiens forciert sieht. Der innere Hauptfeind des Maoisten ist der demokratische Kommunist vom Typ der Djilas, Nagys, Kolakowskis und Havemanns. Erstmals treten nicht nur verschiedene Strömungen des Kommunismus auseinander, die trotz vieler Meinungsunterschiede durch eine totalitäre Grundanschauung verbunden bleiben, sondern der Kommunismus spaltet sich jetzt in verschiedene Bewegungen auf, in denen sich der Gegensatz zwischen Demokratie und Totalitarismus zu spiegeln beginnt. Auch innerhalb des kommunistischen Staatensystems und der kommunistischen Parteien hat die Entfaltung dieses Gegensatzes eingesetzt. In grober und vereinfachender Form kann man heute zwischen totalitärem und demokratischem Kommunismus unterscheiden, zwischen denen viele kommunistische Parteien und vor allem die sowjetische ungeachtet dessen schwanken, daß sie sich nach wie vor auf eine totalitäre Partei-und Staatsstruktur stützen, überall da, wo eine echte Entstalinisierung begann, sind auch demokratische Potenzen freigesetzt worden.

Aber das derzeitige Kräfteverhältnis zwischen totalitärem und demokratischem Kommunismus läßt sich am besten daran erkennen, daß Nagy gehängt, Djilas zu Zuchthaus verurteilt und Havemann aus der SED ausgeschlossen wurde, während Mao Tse-tung — dessen Sturz im Gegensatz zu dem von Chruschtschow vergeblich versucht worden ist •— nicht nur mehrere kommunistische Staaten, sondern auch schon mindestens ein Dutzend kommunistischer Parteien hinter sich hat, zu denen alle jene wie die große Mehrheit der SED gerechnet werden müssen, die eine in der Potenz „chinesische" Politik betreiben, obwohl sie formell mit der Sowjetunion liiert sind. Gleichwohl kann der demokratische Kommunismus unter bestimmten Bedingungen noch zu einem ernsten Konkurrenten des totalitären werden. Das ist allerdings der günstigste Fall, der sich annehmen läßt und der noch recht unwahrscheinlich dünkt, zumal er eine adäquate Politik der demokratischen Länder voraussetzen würde.

Peking ist von Furcht erfüllt, daß sich die Sowjetunion in demokratischer Richtung entwickeln könne. Schon jetzt sind die sowjetischen Kommunisten für Mao „zu Sozialdemokraten hergesunken" Dieses Urteil enthält eine maßlose Übertreibung, obwohl man zur gleichen Zeit die Vermutung äußern kann, daß nach dem Sozialismus nun auch der europäische Kommunismus für einen (kommunistischen) Bernstein reif geworden ist. Die fieberhaften Wirtschaftsreformen, die meist unter Anleitung von Okonomieprofessoren ins Kraut geschossen sind, könnten unter Umständen nur die Ausgangsstufe sein, obwohl eine wirkliche Demokratisierung die Selbstaufgabe des politischen Monopols der kommunistischen Parteien bedingt.

Wahrscheinlich glauben die chinesischen Kommunisten selbst nicht an ihre Behauptung, daß in der Sowjetunion der Kapitalismus restauriert wird. Was sie über das Verhältnis Moskau-Belgrad sagen, ist ernster zu nehmen: „Wir müssen jedoch feststellen, daß sie (die Sowjets — d. Vers.) Jugoslawien auf allen Gebieten nachäffen und einen äußerst gefährlichen Weg eingeschlagen haben.“ Unbegründet ist der Vorwurf der Nachahmung nicht. Zitieren wir Tito aus einer am 19. 4. 1959 gehaltenen Rede: „Mit großer Befriedigung stellen wir fest, daß in der Sowjetunion gerade jene unserer Methoden beim Aufbau des Sozialismus rehabilitiert wurden, wegen der man uns anfangs so scharf kritisierte und uns als Revisionisten bezeichnete." Wir wollen ferner daran erinnern, daß die KPdSU auf ihrem XXII. Parteitag im Oktober 1961 auch die jugoslawische Konzeption der gesellschaftlichen Selbstverwaltung übernommen hat _ freilich mit Ausnahme ihres Kernstücks, der Arbeiterselbstverwaltung, was sofort hinzugefügt werden muß Daran ist auch auf dem letzten Parteitag nicht gerüttelt worden. Nicht nur die Entstalinisierung, sondern schon die Industrialisierung eines Landes läßt demokratische Keime sprießen, obwohl natürlich oft ein Zusammenhang zwischen dem einen und dem anderen besteht.

Das neue Schisma hat sich aus der Konfrontierung von Sowjetkommunismus und Nationalkommunismus ergeben. Es ist aus der widersprüchigen Entwicklung des Nationalkommunismus hervorgewachsen, der auch antistalinistische und teilweise sogar demokratische Formen annahm, während in China die antisowjetische Phase nach der antistalinistischen kam.

Im Schisma Moskau-Peking spitzen sich die unterschiedlichen Interessen zwischen den Industrieländern und Entwicklungsländern des Kommunismus zu. Das kommunistische Staatensystem hat nicht nur seinen eigenen Ost-West-Konflikt, sondern zugleich einen eigenen Nord-Süd-Konflikt.

Dieses neue Schisma stellt schließlich die agrargesellschaftliche und die industriegesellschaftliche Vision des Kommunismus gegenüber. Früh-und Spätkommunismus kreuzen die Klingen, wobei jede Seite auch Elemente der anderen in sich trägt.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Vgl. Hermann Weber, Von Rosa Luxemburg zu Walter Ulbricht, Hannover 1961, S. 23.

  2. W. I. Lenin, Der . linke Radikalismus', die Kinderkrankheit des Sozialismus, Berlin (Ost) 1953, S. 29.

  3. Siehe z. B. Weber, Von Rosa Luxembura . . ., S. 36. 3a) Die Umformung der Idee des Generalstreiks zu einem sozialen Mythos, wie sie Georges Sorel vornahm, kann hier übergangen werden, wobei wir auf den glänzenden Essay von Hans Barth, Masse und Mythos (Rowohlt-Taschenbuch), verweisen.

  4. W. I. Lenin, Radikalismus, S. 29.

  5. Peter Rindl, Der Internationale Kommunismus, München 1961, S. 32 und S. 64/65.

  6. H. Weber, Von Rosa Luxemburg. . ., S. 61.

  7. Ebenda, S. 61.

  8. Ebenda, S. 66.

  9. Zitiert nach H. Weber, ebenda, S. 62.

  10. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Berlin 1961, Band II, S. 10.

  11. Isaac Deutscher, Stalin. Eine politische Biographie, S. 105.

  12. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Band I, S 503.

  13. Ebenda, S. 505.

  14. Zitiert nach Julius Braunthal, Geschichte der Internationale, Hannover 1961, Band I, S. 226.

  15. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Band I, S. 505.

  16. Ebenda, Band II, S. 878.

  17. Ebenda, S. 879.

  18. Der Sowjetkommunismus. Dokumente, hrsg. von Hans-Joachim Lieber und Karl-Heinz Ruff-mann, Köln 1963, S. 174.

  19. W. I. Lenin, Staat und Revolution, Moskau 1947, S. 34.

  20. Ebenda, S. 43.

  21. Ebenda, S. 118.

  22. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Band II, S. 292/93.

  23. Ebenda, Band II. S 382.

  24. Zitiert nach Robert Vincent Daniels, Das Gewissen der Revolution, Köln 1962, S. 109.

  25. Ebenda, S. 111.

  26. W. I. Lenin, Ausgewählte Werke, Band II, S. 45.

  27. Ebenda, S. 27. Deshalb wurde seine Broschüre auf dem II. Weltkongreß der Komintern an alle Delegierten verteilt.

  28. W. I. Lenin, Radikalismus. . ., S. 69.

  29. Ebenda, S. 68/69.

  30. Ebenda, S. 68.

  31. Ebenda, S. 21/22.

  32. R. V. Daniels, Gewissen der Revolution, S. 37.

  33. Ebenda, S. 39.

  34. Ebenda, S. 33.

  35. Ebenda, S. 21.

  36. Ebenda, S. 21/22.

  37. Ebenda, S. 19.

  38. Ebenda, S. 97.

  39. Ebenda, S. 106.

  40. Ebenda, S. 106.

  41. Ebenda, S. 100.

  42. Ebenda, S. 110.

  43. Ebenda, S. 112.

  44. Ebenda, S. 158.

  45. Sowjetkommunismus, S. 163/64.

  46. Ebenda, S. 163.

  47. R. V. Daniels, Gewissen der Revolution, S. 158.

  48. Stefan Brant, Der Aufstand, Stuttgart 1954, S. 142.

  49. Sowjetkommunismus, S. 160— 163.

  50. Isaac Deutscher, Trotzki, Band 2: Der unbewaffnete Prophet, 1921— 1929, Stuttgart 1962, S. 41.

  51. Isaac Deutscher, Trotzki, Band 1: Der bewaffnete Prophet, 1879— 1921, Stuttgart 1962, S. 471.

  52. Sowjetkommunismus, S. 210

  53. Siehe I. Deutscher, Trotzki, Band 2, S. 43.

  54. I. Deutscher, Trotzki, Band 1, S. 39.

  55. Sowjetkommunismus, S. 160.

  56. Ebenda, S. 173.

  57. Ebenda, S. 224.

  58. I. Deutscher, Trotzki, Band 1, S. 475.

  59. Zitiert nach Isaac Deutscher, Trotzki, Band 3: Der verstoßene Prophet, Stuttgart 1963, S. 200.

  60. Ebenda, Band 3, S. 389/90.

  61. Hermann Weber, Konflikte im Weitkommunismus, München 1964, S. 364.

  62. Siehe Günter Bartsch, Trotzkis Bedeutung für die Gegenwart, in: Osteuropa, Nr. 7/8— 1964, S. 494.

  63. Trotzki, Gegen den Nationalkommunismus, Berlin 1931, S. 7.

  64. Z. B.: Sowjetkommunismus, S. 233— 37.

  65. Der deutsche Kommunismus (Dokumenten-band), S. 142— 47.

  66. Ostprobleme, 19. 8. 1960, S. 523.

  67. Mao Tse-tung, Ausgewählte Schriften, Band 2, Berlin (Ost) 1956, S. 266.

  68. Tito contra Stalin, Der Streit der Diktatoren in ihrem Briefwechsel, Hamburg 1949, S. 71— 80.

  69. Milovan Djilas, Die neue Klasse, München 1960, S. 235.

  70. R. V. Daniels, Gewissen der Revolution, S. 112.

  71. Ebenda.

  72. Sowjetkommunismus, S. 168.

  73. Ebenda, S. 164.

  74. Ostprobleme vom 6. 9. 1963, S. 565.

  75. Edvard Kardelj, Die sozialistische Demokratie in der jugoslawischen Praxis, Belgrad 1960, S. 14.

  76. Ostprobleme vom 15. 8. 1959, S. 590.

  77. Siehe z. B. Ostprobleme vom 6. 3. 1959.

  78. Ostprobleme vom 15. 8. 1958, S. 488— 89.

  79. Neue Zürcher Zeitung vom 10. 3. 1965.

  80. Ostprobleme vom 7. 9. 1962, S. 550.

  81. Ebenda.

  82. Ostprobleme vom 10. 9. 1965, S. 556/67.

  83. Der VI. Kongreß der KPJ, Bonn 1952, S. 126— 31.

  84. Das Programm des Bundes der Kommunisten Jugoslawiens, Belgrad 1958 (deutsch).

  85. Milovan Djilas, Anatomie einer Moral, Hamburg 1959, S. 30

  86. Ebenda, S. 10.

  87. M. Djilas, Die neue Klasse, S. 13.

  88. M. Djilas, Anatomie, S. 114.

  89. Ostprobleme vom 24. 9. 65, S. 591.

  90. Ostprobleme vom 10. 1. 64, S. 27.

  91. Ostprobleme vom 15. 10. 64, S. 267.

  92. Ostprobleme vom 15. 1. 65. S. 30.

  93. Frankfurter Zeitung, 5. 5. 65 („Kampfansage für 10 000 Jahre").

  94. H. Weber, Konflikte, S. 326.

  95. Ostprobleme vom 13. 5. 60, S. 296.

  96. Ostprobleme vom 13. 11. 59, S. 743.

  97. Ostprobleme vom 6. 2. 59, S. 78.

  98. Ostprobleme vom 1. 6. 62, S. 339.

  99. Ostprobleme vom 13. 11. 59, S. 738.

  100. Ebenda, S. 743/44.

  101. Chung-kuo Ching-nien, Peking, 1. 6. 61.

  102. Ostprobleme vom 13. 11. 59, S. 730.

  103. Ostprobleme vom 2. 10. 64.

  104. Mao Tse-tung, Ausgewählte Schriften, Berlin (Ost) 1956, Band 3, S. 115.

  105. Margarete Buber-Neumann, Von Potsdam nach Moskau, Stuttgart 1957.

  106. Ostprobleme vom 4. 6. 65, S. 324.

  107. Ostprobleme vom 23. 8. 63, S. 489.

  108. H. Weber, Konflikte, S. 140.

  109. Ostprobleme vom 15. 5. 59, S. 315.

  110. Programm und Statut der KPdSU, Berlin 1962, S. 95— 104, besonders S. 103.

Weitere Inhalte

Günter Bartsch, freier Journalist, geb. 13. Februar 1927 in Neumarkt/Schlesien, von 1948 bis 1953 in leitenden Positionen der kommunistischen Jugendbewegung, Bruch mit dem Kommunismus nach dem 17. Juni 1953.