Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Das Ende des Deutschen Bundes | APuZ 25/1966 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 25/1966 Die deutschen Mittel-und Kleinstaaten 1866 Das Ende des Deutschen Bundes Die Begründung des Norddeutschen Bundes

Das Ende des Deutschen Bundes

Ernst Deuerlein

In der ersten Sitzung der Bundesversammlung des Deutschen Bundes, später allgemein „Bundestag" genannt, am 5. November 1816, äußerte sich der österreichische Präsidial-gesandte, Johann Rudolf Reichsgraf von Buol-Schauenstein, eingehend zu der politischen und verfassungsrechtlichen Situation Deutschlands nach dem Wiener Kongreß. Er ging auf die Auswirkung der Auflösung des Reiches ein und gab anschließend eine Charakteristik der politischen Eigenschaften des deutschen Nationalcharakters: „Im Deutschen als Menschen, auch ohne alle willkürliche Staatsformen, liegt schon das Gepräge und der Grund-charakter desselben als Volk; aber auch umgekehrt, die Eigentümlichkeit der öffentlichen bürgerlichen Verhältnisse, worin sich der Deutsche befindet, ist sichtbar im Wesen und Privatleben der einzelnen ... Im Deutschen als Menschen liegt Liebe zu den Wissenschaften, zu den Abstrakten, zu den streng gelehrten, sowie zu denjenigen Erfahrungsund positiven Wissenschaften, deren praktische Anwendung unmittelbar sich im Verkehr der Menschen zeigt."

Buol-Schauenstein gab eine Aufstellung der kulturellen Leistungen und Neigungen der Deutschen und stellte anschließend die Frage: „Im Resultat sei es in Wahrheit ausgesprochen: Würden die Deutschen im Reiche der Wissenschaft, der Kunst, der Erfindungen, der Gewerbe, des Handels; würden sie im Besitze des ersten Nationalmuseums der Welt sein, wie sie es jetzt sind, wenn nur Eine Hauptstadt wäre, nur Ein Fürst über diese Bevölkerung von mehr als 30 Millionen Menschen regierte. Ist nicht jenes ebenso Folge von diesem? Die größere Regsamkeit und Mannigfaltigkeit im Privatleben, ist sie nicht ebenso Folge der verschiedenen freien politischen Formen, sowie hingegen auch diese ihre große Stütze in jenem freien Charakter der Deutschen finden? Führte nicht jene Liebe zur Wissenschaft und Kunst auch zu der Eigentümlichkeit desselben, daß er im Reich des Wissens Eine erschöpfende Darstellung sowohl der verfassungsrechtlichen Struktur als vor allem der politischen Wirksamkeit des Deutschen Bundes ist nach wie vor ein Desiderat. Für dessen verfassungsrechtliche Gestalt vgl. vor allem E. R. Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, 3 Bde., Stuttgart 1957 ff. (mit zahlreichen Literaturangaben). keine Nationalität erkennt? Der Deutsche achtet und ehrt, er strebt nach dem und eignet sich an, was er für gut und wissenswert hält, es kommt aus welcher Zone, von welchem Volke es wolle. Er ist gerecht gegen jedes Verdienst; und so wie auch diese Eigenschaft desselben in den verschiedenen bürgerlichen Formen ihre Stütze findet, so führt auch selbige zu jener Eigenheit, das in dieser Hinsicht die Bescheidenheit oft in ihrer größeren Ausartung, der Selbstverleugnung zeigt."

Im Anschluß daran erklärte der österreichische Präsidialgesandte, die Deutschen seien ein Urstamm in der Reihe der Nationen, hätten aber nur für kurze Zeit einen einigen wahren Staat gebildet; „die älteste Urabteilung in mehrere Volksstämme auf Germaniens Gesamtboden führte schon in erstem Keime zum späteren Bild." Buol-Schauenstein streifte die deutsche Entwicklung und bezeichnete als deren Ergebnis: „Deutschland schon seit der frühesten Zeit in mehrere Staaten zerlegt, aber vereint im großen Band der Nationalität, deren sichtbares Symbol die deutsche Kaiserkrone war, erreichte in dieser Art kaum den Anfang des 19. Jahrhunderts." Buol-Schauenstein würdigte die tiefgreifenden Veränderungen zwischen 1803 und 1814 und feierte die Unterzeichnung der Deutschen Bundesakte am 8. Juni 1915 als den Anfang einer neuen Zusammenfassung aller deutschen Staaten in einem Bund, dem Deutschen Bund. Im Anschluß daran bermerkte der Vertreter Österreichs: „So also erscheint Deutschland wieder als Ganzes, als eine politische Einheit; wieder als Macht in der Reihe der Völker." Anschließend erläuterte Buol-Schauenstein die politischen Eigenschaften und politischen Aufgaben der Deutschen: „Deutschland war im Laufe der Zeit weder berufen, die Form einer Einherrschaft oder auch nur eines wahren Bundes-staates zu gewähren, ebensowenig aber entsprach es den Bedürfnissen der allwaltenden Stimme der Zeit, ein bloßes politisches Schutz-und Trutzbündnis zu schließen; sondern in der Zeitgeschichte ist Deutschland dazu berufen, einen zugleich die Nationalität sichernden Staatenbund zu bilden. Dieses ist Deutschlands Bestimmung, dieses ist der Standpunkt der deutschen Nation in der Reihe der übrigen Völker Europas."

Hoffnungen und Erwartungen bei der Gründung des Deutschen Bundes

Fünfzig Jahre nach der mit dieser Rede eingeleiteten konstituierenden Sitzung seiner Bundesversammlung, im Herbst 1866, bestand der Deutsche Bund nicht mehr. Seine Geschichte zeigt zwei deutlich voneinander abgesetzte Abschnitte. Der erste Abschnitt beginnt mit der Konstituierung der Bundesversammlung am 5. November 1816 und endet mit der Auflösung des Deutschen Bundes nach der Wahl eines Reichsverwesers, Erzherzog Johann, durch die in Frankfurt am Main tagende Nationalversammlung am 28. Juni 1848.

Die bei der Gründung des Deutschen Bundes während des Wiener Kongresses und vor allem bei der Aufnahme der Tätigkeit seiner Bundesversammlung geäußerten Hoffnungen und Erwartungen hatten sich nicht erfüllt. Der Unterschied zwischen den Ergebnissen der Verhandlungen der deutschen Fürsten in Wien und den Hoffnungen des während der französischen Herrschaft und teilweisen Besetzung Deutschlands und in den Befreiungskriegen zum Durchbruch gelangten nationalen Selbstbewußtseins war groß. Bereits 1821 sah sich der Historiker A. L. Heeren veranlaßt, sich in einem Nachwort zu seiner 1817 geschriebenen Studie „Der Deutsche Bund in seinen Verhältnissen zu dem Europäischen Staatensystem; bei Eröffnung des Bundestages dargestellt" zu dessen Mißverständnis mit der Bemerkung zu äußern, die vom Deutschen Bund nicht erfüllten Erwartungen vieler hätten auf falschen Vorstellungen beruht: „Statt den Bund für das anzusehen, was er ist; wofür er sich selber gleich bei der Eröffnung des Bundestages erklärte, für einen Staatenverein, wollte man das in ihm sehen, was er nicht ist, und der Natur der bestehenden Verhältnisse nach nicht sein und werden kann, einen Staat; wozu die Vergleichung, die man zwischen ihm und Nordamerika, zwischen dem Kongreß, der nach eigener Vollmacht, und dem Bundestag, der nach den Instruktionen seiner Kommittenten handelt, stillschweigend anstellte (statt daß man sie etwa mit der Schweiz, und der Schweizer Tagsatzung hätte anstellen sollen), beitragen möchte."

Ein Vertreter der in den Deutschen Bund gesetzten Erwartungen, der Philosoph Jakob Friedrich Fries, vertrat in seiner 1816 in Heidelberg erschienen Betrachtung „Vom Deutschen Bund und Deutscher Staatsverfassung. Allgemeine staatsrechtliche Ansichten" die Auffassung, es sei unerheblich, was der Deutsche Bund sei, wichtig sei, was der Deutsche Bund werden solle. An diese Bemerkung knüpfte Fries die Forderung an: „Für diese kräftige Einigung Deutschlands wünschen wir also nicht nur einen schlaffen Staatenbund, sondern einen fest vereinigten Bundesstaat, jedoch so, daß unsere Verfassung mit getrennten Provinzialstaaten beibehalten werde.'Fries verlangte eine wahre, höchste Regierung des Bundes, vorzüglich eine Bundesgesetzgebung auch über die inneren Angelegenheiten der Einzelstaaten. In den Forderungen nach einer höchsten Regierung und nach einer Gesetzgebungskompetenz auch über die inneren Verhältnisse der Gliedstaaten, schienen ihm die wichtigsten Axiome eines Bundes-staates zu liegen.

Der Anfang des Deutschen Bundes ist begleitet von zahlreichen, im Verlauf der kurzen Entwicklung immer stärker und ungeduldiger hervortretenden Erwartungen und Forderungen auf dessen Entwicklung zu einem Bundesstaat. Die Diskussion darüber bestimmte die politische Situation in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Indem die im Deutschen Bund zusammengeschlossenen Regierungen der Einzelstaaten und der freien Städte jeden Schritt zur Fortentwicklung des Staatenbundes in Richtung eines Bundesstaates ablehnten, gerieten sie in einen stärker hervortretenden Gegensatz zu den Hoffnungen der Träger der öffentlichen Meinung, zu den Vorstellungen des größeren Teils des deutschen Volkes und zu den Notwendigkeiten der verspätet einsetzenden industriellen Erschließung.

Stimmen der Historiker

Diese Ansicht schlägt in den Darstellungen durch, die sich mit der politischen Funktion und Position des Deutschen Bundes beschäftigen. Heinrich von Treitschke vertrat in seiner „Deutschen Geschichte im neunzehnten Jahr-hundert" die Auffassung: „Blank und neu stieg dies politische Gebilde aus der Grube, das Werk einer kurzlebigen, in sich selbst versunkenen Diplomatie, die aller Erinnerungen des eigenen Volkes vergessen hatte; kein Rost der Jahrhunderte verhüllte die dürftige Häßlichkeit der Formen. Von Kaiser und Reich sang und sagte das Volk; bei dem Namen des Deutschen Bundes hat niemals ein deutsches Herz höher geschlagen." Seine Kritik am Deutschen Bund beschloß Treitschke mit dem Hinweis auf die Entwicklung des Staates, der ihm zum Schicksal wurde: „Endlich war der Deutsche Bund so locker und ohnmächtig, daß er den Staat Friedrichs in seiner inneren und äußeren Entwicklung kaum stören konnte. Sobald Preußen sich erst wieder auf sich selbst besann, bot ihm die schattenhafte Bundesverfassung tausend Mittel und Wege, um die kleinen Staaten durch Sonderbünde an sich zu ketten und durch die Tat zu beweisen, daß Österreich für Deutschland nichts leisten, Preußen allein der Sehnsucht der Nation und dem recht verstandenen Interesse der kleinen Höfe selber gerecht werden konnte. Und dies bleibt für uns, die wir die abgeschlossene Laufbahn überschauen, der historische Ruhm des Deutschen Bundes: er besaß nicht die Kraft, das Erstarken des einzigen lebendigen deutschen Staates zu hindern — des Staates, der berufen war, dereinst ihn selber zu zerstören und diesem unglücklichen Volke eine neue, würdige Ordnung zu schenken."

Franz Schnabel nannte ihn „eine mitteleuropäische Gemeinschaft von zwei Großmächten und vielen zusammengeschlossenen Einzelstaaten in Deutschland und Italien — ein ganz nur der Defensive dienender Block, der Frankreich und Rußland trennte“. Zweifelnd bemerkte Schnabel abschließend: „So bot der Deutsche Bund manche Bürgschaft der Ruhe, er trug dazu bei, die Großmächte Europas wie die partikularen Kräfte Deutschlands im Gleichgewicht zu erhalten: er entsprach den vielfältigsten Interessen. Ob er auch den Interessen Preußens entsprach und ob er den berechtigten Ansprüchen der Nation genügen konnte, mußte die Zukunft lehren." überschwenglich feierte Heinrich Ritter von Srbik die Imponderabilien des Deutschen Bundes: „Völkerverbindende universale und deutsche Gedanken also sind im Deutschen Bund neben dem staatlichen Egoismus wirksam geworden. Das Gedankenerbe des Heiligen Römischen Reiches, die erneuerten Lebensenergien der historischen fünf Großmächte und der Selbständigkeitstrieb der jüngst vollendeten deutschen Staatssouveränitäten haben entscheidend sein Wesen mitbestimmt. Der Deutsche Bund hatte weniger selbstbedingtes Dasein als andere politische Körper; er hatte zu dienen dem europäischen Gleichgewicht und der Föderativordnung Europas, der Sicherung der zentralen Sphäre des Kontinents gegen vereinten Druck der Flankenmächte und gegen Vergrößerungstriebe der Großen, Mittleren und Kleinen, dem Schutze endlich der Staaten und ihrer Gesellschaft gegen die Mächte der Breite und Tiefe, gegen die Revolution der konstitutionellen und nationalstaatlichen Tendenz. Europäisch, wie die eine Seite seines Wesens gedacht war, war auch seine Verklammerung in Europa, dessen nichtdeutsche Groß-mächte fördernd und störend sein Werden begleitet hatten." Diese hochgestimmten Erwartungen halten einer geschichtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der erste Abschnitt in der Geschichte des Deutschen Bundes

Der Deutsche Bund war in der ersten Phase seiner Wirksamkeit, vom Herbst 1816 bis zum Frühjahr 1848, nicht in der Lage, die in ihn gesetzten Hoffnungen zur Verwirklichung der nationalen Einheit des deutschen Volkes, so wie sie die Zeit verstand und anstrebte, zu erfüllen. Dieser Umstand führte dazu, daß der Deutsche Bund nicht als eine Durchgangsform oder eine Zwischenstufe, sondern als ein Hindernis der nationalen Einheit des deutschen Volkes verstanden wurde. Die politische und verfassungsrechtliche Immobilität des Deutschen Bundes verhinderte dessen Entfaltung und Weiterentwicklung. Seine Tätigkeit blieb auf Maßnahmen, die die bestehende verfas-sungsrechtliche und politische Ordnung schützten und verteidigten, beschränkt. Bismarck bemerkte am 14 März 1858 dazu: „Bis 1848 wurde der Bund, seiner ursprünglichen Bestimmung gemäß, als Schutzverein gegen Kriege und Revolutionen behandelt; man mutete ihm die Rolle eines obersten Gesetzgebers für Deutschland nur mit Vorsicht zu, und nur dann, wenn alle, oder doch Österreich und Preußen, einverstanden waren."

Als der Versuch der in der Frankfurter Pauls-kirche tagenden Nationalversammlung, die deutsche Frage zu lösen, gescheitert war, ging Österreich im Sommer 1850 an die Reaktivierung des Deutschen Bundes. Es lud zur Wieder-eröffnung der Bundesversammlung am 1. September 1850 ein. Preußen versuchte die Neu-belebung des Deutschen Bundes durch den Zusammentritt der Bundesversammlung zu verhindern. Es war jedoch nicht in der Lage, die von ihm vorgelegten und vertretenen Unionspläne, die die Errichtung eines aus den außer-österreichischen Staaten gebildeten deutschen Nationalstaates zum Ziele hatten, durchzusetzen. Im Vertrag von Olmütz vom 29. November 1851 mußte Preußen diese Absicht aufgeben. Es sah sich gezwungen, in die Bundes-versammlung zurückzukehren. Diese nahm am 14. Mai 1851 ihre Tätigkeit auf.

Preußen erstrebt Bundesreform

Mit der Neukonstituierung der Bundesversammlung, „eines Bundestages", nahm die zweite Phase des Deutschen Bundes ihren Anfang. Sie reichte vom 14. Mai 1851 bis zum 24. August 1866. Sie wurde bestimmt von dem immer stärker in den Vordergrund tretenden Problem der Bundesreform, deren entschiedener Verfechter Preußen war. Alle während dieser Zeitspanne erhobenen Forderungen und durchgeführten Aktionen der deutschen Staaten, nicht nur von Österreich und Preußen, standen in unmittelbarer Beziehung zu der leidenschaftlich diskutierten Reform des Deutschen Bundes. Mit ihr befaßten sich auch die geschichtlichen und staatsrechtlichen Untersuchungen und Erörterungen über die Voraussetzungen und Möglichkeiten einer bundesstaatlichen Ordnung in Deutschland.

Georg Waitz veröffentlichte 1853 in der (Kieler) „Allgemeinen Monatsschrift für Wissenschaft und Literatur" unter dem Titel „Das Wesen des Bundesstaates" eine Auseinandersetzung mit den Reden und Betrachtungen von J. von Radowitz (Gesammelte Schriften, Band 2). Er prägte darin den Begriff des „monarchischen Bundesstaates" und erläuterte die Möglichkeiten der Eingliederung des preußischen Staates in einen deutschen Bundesstaat. Die Auseinandersetzung über die Waitzsehe Theorie des Bundesstaates begleitete die Schlußphase des Deutschen Bundes. Dessen Mitglieder nahmen gegenüber der Frage der Reform des Bundes eine unterschiedliche Stellung ein. Österreich betrachtete den Deutschen Bund als das Maximum seiner Zugeständnisse und das Optimum seiner Vorrechte, weshalb es ihn leidenschaftlich verteidigte und alle Bestrebungen, ihn zu reformieren, ablehnte. Preußen vertrat mit steigender Entschiedenheit die Forderung nach Umgestaltung des Bundes. überzeugt, daß die Staatsräson Preußens und das Interesse der Mehrheit des außerösterreichischen Deutschlands in dem Wunsche nach der Errichtung eines von Preußen geführten deutschen Nationalstaates übereinstimmten, sprach sich der Vertreter Preußens bei der Bundesversammlung, Otto von Bismarck, für eine Umgestaltung des Bundes aus. Die Verhandlungen der Bundesversammlungen zwischen 1816 und 1848 und seit 1851 vergleichend sagte er: „Ein ganz anderes Bild gewähren (aber) die Verhandlungen am Bundestag seit der Reaktivierung im Jahre 1851."

Bismarcks Politik ist ohne Kenntnis seiner Tätigkeit am Organ des Deutschen Bundes, an der Bundesversammlung in Frankfurt am Main, nicht verständlich. In dieser Zeitspanne und in dieser Tätigkeit lernte Bismarck nicht nur einflußreiche Vertreter der deutschen Staaten, sondern vor allem die innere Problematik des Deutschen Bundes und seines Organs, der Bundesversammlung, kennen. Diese Erfahrung machte Bismarck zu einem leidenschaftlichen Verfechter einer Reform des Deutschen Bundes, deren erste und wichtigste Forderung der Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bund war. Da eine Lösung der Verfassungsprobleme innerhalb des Deutschen Bundes an dem unaufhebbaren Gegensatz zwischen Österreich und Preußen scheiterte, war Bismarck in Übereinstimmung mit der Mehrheit der Frankfurter Nationalversammlung der Meinung, eine Scheidung zwischen Österreich und dem außerösterreichischen Deutschland sei die einzig mögliche Lösung, um die aus macht-und wirtschaftspolitischen Gründen und aus nationalen Erwartungen angestrebte Umwandlung des Staatenbundes in einen Bundesstaat vornehmen zu können. Die Existenzfrage des Deutschen Bundes wurde gestellt von der steigenden Flut der nationalstaatlichen Idee, von der preußischen Staatsräson und von den wirtschaftlichen Erfordernissen der industriellen Entwicklung Deutschlands. Nur die Erfül18 lung dieser Forderungen konnte den weiteren Bestand des Deutschen Bundes gewährleisten.

Da sich aber die Erwartungen des bestimmenden Teiles der öffentlichen Meinung Deutschlands auf einen nationalen Bundesstaat und die Forderung Preußens auf die Führung in Deutschland einerseits und das Festhalten Österreichs und eines Teiles der deutschen Mittel-und Kleinstaaten an der überkomme-nen Ordnung des Deutschen Bundes andererseits ausschlossen, umschloß das Verlangen nach Reform des Deutschen Bundes die Entscheidung über die Alternative Österreich oder Preußen. Diese trat im Zeitpunkt des Krieges Sardiniens und Frankreichs gegen Österreich im Sommer 1859 ein in eine Phase intensiver Beratungen und Verhandlungen, an deren Ende der deutsche Krieg von 1866 und die Auflösung des Deutschen Bundes standen.

Preußens Vorschlag einer Reform der Bundeskriegsverfassung

Kaiser Franz Joseph von Österreich beschuldigte nach dem Waffenstillstand von Villafranca (12. Juli 1859) Preußen des Treuebruchs. Im Armeebefehl vom 12. Juli und im Lachsen-fester Manifest vom 15. Juli 1859 stellt er fest, Preußen habe das mit ihm verbündete Österreich im Kampf um die Heiligkeit der europäischen Verträge im Stich gelassen. Auf die Erwiderung des preußischen Prinzregenten erklärte der österreichische Monarch, Preußen habe wie das übrige Europa eine große Rechtsverletzung ruhig geschehen lassen; durch die Verweigerung des legalen föderativen Bei-standes habe es auch die „Grundlage der Deutschen Bundes-Verhältnisse" in Frage gestellt.

Die dadurch ausgelöste Kontroverse setzte sich in den Auseinandersetzungen der Kabinette und in den Forderungen der sich formierenden politischen Gruppierungen fort.

Der 1859 in Frankfurt am Main gegründete Nationalverein vertrat die Auffassung, „die wirksamsten Schritte zur Errichtung einer festen, starken und bleibenden Zentralregierung Deutschlands könnten nur von Preußen ausgehen". Er bezeichnete es als Pflicht jedes deutschen Mannes, „die preußische Regierung, insoweit ihre Bestrebungen davon ausgehen, daß die Aufgaben des preußischen Staates mit den Bedürfnissen und Aufgaben Deutschlands im wesentlichen zusammenfallen und soweit sie ihre Tätigkeit auf die Einführung einer starken und freien Gesamtverfassung Deutschlands richtet, nach Kräften zu unterstützen". In seinem Beschluß vom 4. September 1860 betonte der Nationalverein, das deutsche Volk werde seinen Anspruch auf bundesstaatliche Einheit, welcher durch das Gesamtorgan des Bundes und alle einzelnen deutschen Regierungen anerkannt worden sei und in der Reichsverfassung von 1848 seinen rechtlichen Ausdruck gefunden habe, nimmermehr aufgeben. Als Gegenspieler des Nationalvereins konstituierte sich im Herbst 1862 der „Reformverein". Er vereinigte vier großdeutsche Gruppierungen — eine konservative, eine katholisch-kirchliche, eine liberale und eine demokratische Gruppe —, denen das Bekenntnis zur Erhaltung des Deutschen Bundes gemeinsam war.

Die sich auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen vollziehende Diskussion über Erhaltung oder Umgestaltung des Deutschen Bundes fand ihren Niederschlag in zahlreichen Aktionen und Gegenaktionen der Mitgliedstaaten.

Preußen legte am 4. Januar 1860 seinen Antrag auf eine Reform der Bundeskriegsverfassung vor. Diese sah eine Zweiteilung der Bundesstreitkräfte vor, derzufolge das VII. (Bayerische) und das VIII. (Württembergisch-Badi-sche und Hessische Bundeskorps) zur österreichischen Armee, die beiden norddeutschen Bundeskorps, das IX. und X. Bundeskorps zur preußischen Armee treten sollten. Im Norden hätte Preußen, im Süden Österreich den Oberbefehl innegehabt. Die Gegner dieses Antrags wiesen darauf hin, daß die Verwirklichung des preußischen Vorschlages nicht nur zu einer militärischen, sondern auch zu einer politischen Zweiteilung Deutschlands führen würde.

Preußen gelang es nicht, für seinen Antrag Unterstützung zu gewinnen. Es mußte sich, um einer Abstimmungsniederlage zu entgehen, mit einer verschleppenden Behandlung seines Antrages abfinden.

Der preußische Vorstoß löste eine Initiative der deutschen Mittel-und Kleinstaaten aus. Auf Veranlassung des sächsischen Außenmi-sters Beust traten Vertreter von Bayern, Württemberg, Sachsen, Hessen, Mecklenburg-Schwerin, Mecklenburg-Strelitz, Nassau, Sachsen-Anhalt, Sachsen-Meiningen und mehrere Kleinstaaten vom 24. bis 27. November 1859 in Würzburg zu einer Konferenz, der ersten Würzburger Konferenz, zusammen. Diese befaßte sich nicht nur mit dem zur Diskussion gestellten preußischen Antrag zur Änderung der Bundeskriegsverfassung, sondern auch mit der Möglichkeit, die Idee der deutschen Trias neu zu beleben. Indem Österreich, das an der Konferenz nicht teilgenommen hatte, deren Beschlüsse billigte und unterstützte, bildete sich eine, freilich sehr differenzierte, Front gegen Preußen, die jedoch schwer an eigenen Gegensätzen trug.

Am 16. /17. Juni 1860 versammelte der Regent des Königreichs Preußen, Prinz Wilhelm, die Oberhäupter der Würzburger Koalition und weitere deutsche Monarchen zu einem Fürsten-tag in Baden-Baden. Nicht verfassungsrechtliche, sondern außenpolitische Gründe veranlaßten die Zusammenkunft. Der Kaiser der Franzosen, Napoleon III., hatte die Bereitschaft zu erkennen gegeben, die preußische Vormachtstellung in Deutschland anzuerkennen, wenn Preußen Frankreich auf dem linken Rheinufer Gebietsabtretungen zugestehe. Der preußische Prinzregent wollte sich der Begegnung mit Napoleon III. nicht entziehen, wollte sich jedoch zur Abwehr seiner Forderungen der Unterstützung der deutschen Fürsten versichern. Die sich in Baden-Baden bildende Front der versammelten Monarchen gegen französische Gebietswünsche auf dem linken Rheinufer zwangen Napoleon III., seine Absicht aufzugeben. Die Notwendigkeit einer Behauptung gegenüber Frankreich führte die Preußen zugeneigten Fürsten und Souveräne der „Würzburger Koalition" zusammen.

Diese Gruppierung bestimmte Österreich zu Verhandlungen mit Preußen. Am 25. /26. Juli 1860 trafen Kaiser Franz Joseph und Prinzregent Wilhelm in Teplitz zusammen. In einer Geheimvereinbarung erklärte sich der preußische Prinzregent bereit, Österreich bei einem nicht provozierten italienischen oder französischen Angriff auf Venetien zu Hilfe zu kommen. Kaiser Franz Joseph sagte Preußen eine Vor-verständigung über alle der Bundesversammlung des Deutschen Bundes zu unterbreitenden Bundesangelegenheiten zu.

Die wenige Wochen später stattfindende zweite Konferenz in Würzburg vom 20. Juli bis zum 5. August 1860 beschäftigte sich ausschließlich mit Problemen der Bundeskriegsverfassung. In Ausführung der Vereinbarungen von Teplitz fanden vom Januar bis April 1861 in Berlin Besprechungen zwischen Vertretern des österreichischen Quartiermeisterstabes und dem Chef des preußischen Generalstabes statt. Preußen forderte bei dieser Gelegenheit erneut eine Zweiteilung des Bundesheeres, ein Verlangen, das zusammen mit anderen preußischen Forderungen Österreich schließlich bewog, den preußischen Vertragsentwurf über eine preußisch-österreichische Allianz als „mit dem Interesse und der Würde Österreichs unvereinbar" abzuweisen.

Auch die dritte Würzburger Konferenz, die am 22. Mai 1861 zusammentrat, konnte die Gegensätze in der Diskussion über die Reform der Bundeskriegsverfassung nicht überwinden. Sie mußte sich damit begnügen, den bereits auf der zweiten Würzburger Konferenz gefaßten Entschluß, die „Würzburger Konvention", dem Bundestag zu überreichen, der ihn an den Ausschuß für Militärangelegenheiten verwies. Der Versuch Preußens, durch einen Antrag auf Änderung der Bundeskriegsverfassung die Reform der Bundesverfassung einzuleiten, war damit praktisch gescheitert. Die erste Runde der Bemühungen um eine Reform des Deutschen Bundes war beendet.

Phase der Stagnation

Der vom sächsischen Außenminister Beust im Oktober 1861 vorgelegte Reformplan, der eine wechselweise Tagung der Bundesversammlung, des Staatenhauses in Nord-und Süddeutschland und die Errichtung eines Abgeordnetenhauses, einer Volksvertretung, vorsah, leitete den zweiten Abschnitt der Bemü-hungen um eine Reform des Deutschen Bundes ein. Der Vorschlag fand nur geringe Unterstützung — nicht einmal alle Parteigänger Sachsens traten ihm bei. Diesen Umstand benutzte der preußische Außenminister Bernsdorff in einem Telegramm an den preußischen Gesandten in Dresden vom 20. Dezember 1861 dazu, zu erklären, Preußen sei nicht bereit, den Vorschlag Beusts zu unterstützen. Gleichzeitig entwickelte Beust die preußischen Vorstellungen über die Lösung der deutschen Frage, indem er den seit dem Wiener Kongreß in Diskussion befindlichen Plan des Doppelbundes aufgriff. Bernsdorff stellte fest, es sei nicht möglich, den ganzen Deutschen Bund, dessen völkerrechtliche Struktur unaufhebbar sei, in einen Bundesstaat zu verwandeln. Eine mit staatsrechtlichem Charakter ausgestattete enge Verbindung der nicht-österreichischen Staaten sei jedoch notwendig. Es biete sich eine Kombination von Bundesstaat und Staatenbund in der Form des alten Projekts des engeren und weiteren Bundes an. Durch freiwillige Vereinbarung sollten die deutschen Regierungen, Österreich ausgenommen, unter preußischer Führung einen engeren Bundesstaat errichten. Dieser sollte mit Österreich einen Staatenbund eingehen. Bernsdorff wollte mit der Propagierung des alten Planes des Doppelbundes die preußische Führung im außerösterreichischen Deutschland sicherstellen. Er wollte zugleich den großdeutschen Tendenzen und den Bedürfnissen Österreichs durch ein staatenbündleri-sches Verhältnis zwischen dem engeren Deutschen Bund ohne Österreich und dem weiteren Deutschen Bund mit Österreich Rechnung tragen. Der preußische Vorstoß veranlaßte Österreich und Bayern, in dem am 22. Januar 1862 vereinbarten geheimen Protokoll über das gemeinsame Vorgehen in der Frage der Bundesreform die Grundzüge der gegen Preußen einzuschlagenden Politik festzulegen. Der österreichisch-bayerischen Übereinkunft schlossen sich Württemberg, Hessen, Nassau, Hannover, Sachsen und Sachsen-Meiningen an.

Die dem Protokoll vom 22. Januar 1862 beigetretenen Staaten ließen am 2. Februar in Berlin gleichlautende Noten übergeben, in denen sie die preußischen Vorstellungen mit großer Entschiedenheit ablehnten. Sie wiederholten ihre im Protokoll vom 22. Januar bekundete Entschlossenheit, keiner Bundesreform zuzustimmen, die Österreichs Ausschluß aus dem Bund, die Unterstellung der Bundesmitglieder unter die Hegemonie eines Bundes-staates oder die Teilung der militärischen und politischen Gewalt des Bundes zwischen zwei Mitgliedstaaten bewirken würde.

Die identischen Noten vom 2. Februar 1862 betrachtete Preußen als eine schwerwiegende Verletzung seines Ehrgefühls. Die preußische Öffentlichkeit reagierte darauf mit Ausfällen gegen die sogenannten Protokollstaaten. Eine Verschärfung der innerdeutschen Animositäten war die erkennbare Folge. Preußen wies am 14. Februar 1862 die Ausführungen der identischen Noten zurück und lehnte die ergangene Einladung zu Konferenzen über die Bundesreformpläne ab. Es sah sich auch veranlaßt, seine Beziehungen zu Frankreich und Italien zu intensivieren.

Die Berufung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten am 23. September 1862 erfolgte in einer Phase der Stagnation der Diskussion über die Reform des Deutschen Bundes. Preußen hatte auf Grund seiner Erfahrung im Winter 1861/62 davon abgesehen, weitere Schritte in der Frage der Bundesreform zu unternehmen. Österreich betrachtete sich als verpflichtet, seinerseits Vorschläge über die Umgestaltung des Deutschen Bundes auszuarbeiten und vorzulegen, ließ sich damit jedoch Zeit. Im Augenblick der Ernennung Bismarcks zum preußischen Ministerpräsidenten herrschte in der Diskussion über die deutsche Frage eine Flaute. Die vorausgegangenen Erörterungen darüber hatten nicht im Schoße der Bundesversammlung, sondern außerhalb derer stattgefunden. Sie waren jedoch Grund dafür, daß die Tätigkeit der Bundesversammlung mehr und mehr zum Erliegen kam. Diese erschöpfte sich in der Erledigung immer weniger und immer unbedeutender werdender Routine-angelegenheiten.

Programm Österreichs und der Mittelstaaten

Eine in Wien zusammengetretene Gesandten-konferenz, der der Vertreter Preußens ferngeblieben war, verabschiedete am 10. August 1862 ein Minimalprogramm erster Reformmaßnahmen. Dieses sah vor, daß beim Bundestag Delegiertenversammlungen aus von den Land-tagen gewählten Abgeordneten zusammentreten sollten und ein Bundesgericht eingesetzt werden sollte. Der entsprechende Antrag, den der bayerische Gesandte beim Bundestag, Ludwig Freiherr von der Pfordten, einbrachte, fand nicht die Zustimmung Preußens. Dessen Ministerpräsident Bismarck drohte mit der Sprengung des Bundes für den Fall, daß eine Mehrheit der Bundesversammlung diesem Antrag ihre Zustimmung gebe. Sein Vorgehen rechtfertigte Bismarck mit der Erklärung, nicht durch solche Teilreformen, sondern nur durch eine Gesamtreform könne man die deutsche Frage lösen: „Erst der . . . wahrhaft reformierte Bund würde . . . die Befugnis besitzen, die Gesetzgebung des gemeinsamen Vaterlandes zu organisieren."

Österreich ließ sich dadurch nicht entmutigen. Es legte seine Ansichten in einem am 9. Juli 1863 in eine endgültige Fassung gebrachten Reformplan nieder, dessen Grundsätze zwischen der staatenbündlerischen Ordnung der Deutschen Bundesakte vom 8. Juli 1815 und dem bundesstaatlichen Charakter der von der Frankfurter Nationalversammlung am 23. März 1849 verabschiedeten Reichsverfassung stehen. Durch den Versuch eines Ausgleichs zwischen den beiden Extremen glaubte Österreich die deutschen Mittel-und Kleinstaaten gewinnen zu können. Es drehte dabei die seit langem im Gespräch befindliche Idee eines weiteren und engeren Bundes zu seinen Gunsten um, indem es einen engeren Bund zwischen sich und den deutschen Mittel-und Kleinstaaten, der seinerseits einen weiteren Bund mit Preußen eingehen sollte, vorsah.

Der Frankfurter Fürstentag und der österreichische Reformplan

Der österreichische Reformplan war bekannt, als Kaiser Franz Joseph am 17. August 1863 in Frankfurt, wo fünfzehn Jahre vorher die erste Nationalversammlung des deutschen Volkes eröffnet worden war, einen Fürsten-tag eröffnete. Der Frankfurter Fürstentag war nicht nur die glanzvollste Versammlung der deutschen Souveräne im 19. Jahrhundert, die selbst den Wiener Kongreß überbot, zumal er von dessen Problematik unbeschwert war, er war vor allem der Versuch, auf der Grundlage des 1806 untergegangen Reiches und des seit 1815 bestehenden Deutschen Bundes eine politische Ordnung zu schaffen, die die Forderungen der Zeit, die auf Volkssouveränität zielten, und die Gegebenheiten in Deutschland, die auf das monarchische Prinzip verwiesen, in harmonische Übereinstimmung brachte. Der König von Preußen, Wilhelm I., nahm, dazu bestimmt von seinem Ministerpräsidenten, an der Versammlung in Frankfurt nicht teil. Sein Fernbleiben demonstrierte die Entschlossenheit Preußens, bei der Lösung der deutschen Frage aus zwingenden machtpolitischen und wirtschaftlichen Gründen seinen eigenen Weg zu gehen. Die Verhandlungen in Frankfurt bekamen dadurch den Charakter des Unverbindlichen und des Theoretisierens. Sie offenbarten gleichzeitig die Spannungen unter den deutschen Mittel-und Kleinstaaten, die nicht bereit waren, die österreichischen Vorschläge bedingungslos anzunehmen. Österreich erreichte, daß die auf dem Fürstentag anwesenden Souveräne den in den Verhandlungen abgeänderten und modifizierten Reform-plan unterschrieben. Dieser wurde zur Reform-akte vom 1. September 1863. Sie bezeichnete als Aufgabe des Bundes: „Wahrung der Sicherheit und Machtstellung Deutschlands nach außen, Wahrung der öffentlichen Ordnung im Innern, Förderung der Wohlfahrt der deutschen Nation und Vertretung ihrer gemeinsamen Anliegen, Schutz der Unverletzbarkeit und verfassungsmäßige Unabhängigkeit der einzelnen deutschen Staaten, Schutz des öffentlichen Rechtszustandes in denselben, Gemeinsamkeit der Gesetzgebung im Bereiche der dem Bund zugewiesenen Angelegenheiten, Erleichterung der Einführung allgemein deutscher Gesetze und Einrichtungen im Bereich der gesetzgebenden Gewalt der Einzelstaaten." Als Organe des Bundes waren vorgesehen a) das Bundesdirektorium, dessen Befugnisse im einzelnen festgelegt wurden, b) der Bundesrat, die Vertretung der Staaten, c) die Versammlung der Bundesabgeordneten, die nicht die Nation als Ganzes, sondern die „Völker" der Staaten vertreten und von den Landtagen bestimmt werden sollten, d) die Fürstenversammlung und e) das Bundesgericht. Eine umständliche Gliederung des Bundes sollte die sich ausschließenden Gegensätze auffangen und einander zuordnen.

In Konsequenz seiner gegenüber den österreichischen Vorschlägen und gegenüber dem Fürstentag von Frankfurt am Main eingenommenen Haltung machte Preußen seine Zustimmung zur Reformakte von drei Bedingungen abhängig: Preußen wünschte ein Vetorecht der beiden Großmächte — zumindest bei Kriegserklärungen des Bundes. Es bezeichnete die Parität im Bundesvorsitz zwischen den beiden Großmächten als unverzichtbar. Es wiederholte seine Forderung, die repräsentative Körperschaft des Bundes müsse eine durch direkte Wahlen nach dem Maßstab der Bevölkerungszahl berufene Nationalvertretung sein. „Veto, Parität und direkte Volkswahlen" wurden die drei „Präjudizialpunkte", die Kernstücke, der sich anschließenden Diskussion.

In den am 23. /24. Oktober 1863 in Nürnberg veranstalteten Ministerkonferenzen versuchten Österreich, die Mittel-und mehrere deutsche Kleinstaaten ein gemeinsames Vorgehen gegenüber den preußischen Forderungen festzulegen. Ihre Beratungen hatten nur teilweise Erfolg.

Der Konflikt um Schleswig-Holstein erfaßte auch die Auseinandersetzungen um die Reform des Deutschen Bundes. Er zwang Österreich, im Interesse einer Verständigung mit Preußen auf die Weiterverfolgung der in der Reformakte enthaltenen Vorstellungen und Vorschläge zu verzichten. Die durch den deutsch-dänischen Krieg von 1864 bedingte politische Aktivität drängte — zumindest vorübergehend — die Diskussion über die Reform des Deutschen Bundes in den Hintergrund. Sie brachte diese jedoch weder zur Erledigung noch zum Abschluß. Das Zusammenwirken Österreichs und Preußens war nur von kurzer Dauer. Die Konvention von Bad Gastein vom 14. August 1865 regelte nur die strittigen Probleme des österreichisch-preußischen Kondominiums in Schleswig-Holstein. Die Frage der Bundesreform blieb offen.

Der Zerfall des Deutschen Bundes

Bismarck erörterte in einer Zirkulardepesche an die preußischen Vertretungen in Deutschland am 24. März 1866 die preußischen Vorstellungen und Forderungen zur Erneuerung des Deutschen Bundes, wobei er sich vor allem für allgemein gleiches und direktes Wahlrecht für eine Nationalrepräsentation aussprach, offensichtlich überzeugt, Österreich werde dieser Forderung niemals seine Zustimmung geben. Am 8. April unterzeichneten Bismarck und der italienische General Gavone in Berlin den preußisch-italienischen Allianzvertrag. Am 9. April 1866, im Zeitpunkt zunehmender Spannungen zwischen den Großmächten und allmählicher Gruppierung der deutschen Mittel-und Kleinstaaten, brachte der preußische Gesandte beim Bundestag, von Savigny, auf Weisung Bismarcks einen preußischen Antrag auf Berufung eines gesamtdeutschen Bundesparlaments durch demokratische Wahlen ein. Bismarcks Hoffnungen, damit die deutsche Öffentlichkeit zu überrumpeln, erfüllten sich nicht. Ein nicht kleiner Teil von ihr sah in der Forderung Bismarcks eine Perfidie. Er erinnerte an Bismarcks Haltung gegenüber der preußischen Volksvertretung und gegenüber der Volksvertretung in den Elb-Herzogtümern.

Die darauf erfolgte Mobilmachung der deutschen Staaten verschärfte die Situation auch innerhalb der Bundesversammlung. Der Versuch Österreichs, den Bundestag mit dem österreichisch-preußischen Konflikt über Schleswig-Holstein zu befassen, rief den lebhaften Protest Preußens hervor. Der am 19. Mai von Bayern, Württemberg, Baden, Hessen-Darmstadt, Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Mei-ningen, Sachsen-Coburg-Gotha und Nassau eingebrachte Antrag auf allgemeine Abrüstung führte zu dem am 24. Mai angenommenen Beschluß, an alle Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes, die gerüstet hatten, das Ersuchen zu richten, in der nächsten Sitzung der Bundes-versammlung zu erklären, unter welchen Voraussetzungen sie zur Demobilisierung bereit seien. Am 1. Juni äußerte sich dazu Österreich und Preußen. Die österreichische Erklärung griff Preußen scharf an. Die von dem preußischen Vertreter abgegebene Erklärung wies die österreichischen Anschuldigungen mit großer Entschiedenheit zurück. Preußen wehrte sich heftig gegen alle Unterstellungen, es habe die Annexion der Elb-Herzogtümer mit Gewalt durchführen wollen. Diese Kontroverse in der Bundesversammlung zeigte die zwischen den beiden Großmächten eingetretene Entfernung und die außerordentliche Verschärfung der Lage, von deren weiteren Entwicklung die Existenz des Deutschen Bundes abhing. Deren Zuspitzung ließ nicht auf sich warten. Der preußische Vertreter legte am 10. Juni einen preußischen Reformvorschlag vor, der eine Auflösung des Deutschen Bundes zugunsten eines föderativen Bundesstaates, von dem die österreichischen und niederländischen Gebiete ausgenommen sein sollten, vorsah.

Zu diesem Zeitpunkt hatte Preußen bereits mit der Besetzung Holsteins begonnen. Am 8. Juni hatte Österreich dagegen Verwahrung eingelegt und tags darauf, am 9. Juni, das preußische Vorgehen als bundeswidrigen Akt der Selbsthilfe bezeichnet. Die Ereignisse überstürzten sich. Am 11. Juni beantragte der VerB treter Österreichs beim Bundestag, Kübeck, die Mobilmachung von sieben Bundesarmeekorps, das heißt von allen Truppen der Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes außer Preußen. Der preußische Vertreter erklärte am 14. Juni, er werde gegen die geschäftliche Behandlung des österreichischen Antrags als nach Form und Inhalt bundeswidrig stimmen. Die Mehrheit der Bundesversammlung nahm jedoch den österreichischen Antrag an. Für dessen modifizierte Version wurden neun, dagegen fünf Stimmen abgeben. Eine Stimme ist als Enthaltung zu betrachten. Für den Antrag Österreichs stimmten Bayern, Sachsen, Württemberg, Hannover, Kurhessen, Hessen-Darmstadt, die 13. und 16. Kurie. In der 13. Kurie war Nassau stimmführend, Braunschweig sprach sich gegen den österreichischen Antrag aus. In der 16. Kurie waren Liechtenstein und Reuß ältere Linie für den Antrag, Lippe und Waldeck gegen den Antrag, Reuß jüngere Linie plädierte für die Verweisung an einen Ausschuß. Der Vertreter von Schaumburg-Lippe war ohne Instruktion. Der stimmführende Gesandte errechnete eine Stimmgleichheit der Kurie und schloß sich unter Bezugnahme auf den Kuriatvertrag vom 2. April 1816 der Mehrheit an. Nach Bekanntgabe des Ergebnisses erklärte der preußische Vertreter von Savigny, der Bund habe im ganzen zu bestehen aufgehört.

Der Austritt Preußens aus dem Deutschen Bund leitete dessen Auflösung ein. Diese verlief in Stufen. Am 16. Juni bestritt Luxemburg-Limburg der „nicht mehr vollständigen Bundesversammlung" das Recht, „die Mobilisierung der diesseitigen Kontingente zu verlangen". Am 21. Juni bezeichneten die beiden Mecklenburg den Mobilmachungsbeschluß als ungültig. Oldenburg schloß sich am gleichen Tag Preußen an. Am 25. Juni erhielt der Gesandte von Sachsen-Altenburg sein Abberufungsschreiben. Schwarzburg-Sondershausen und Waldeck folgten dem Beispiel Oldenburgs. Am 29. Juni verließ Schwarzburg-Rudolstadt den Deutschen Bund. Die Vertreter von Schaumburg-Lippe, Hamburg, Bremen und Lübeck wurden angewiesen, ihre Tätigkeit einzustellen bzw. einzuschränken. Bis Ende Juni hatten sich alle 17 Verbündeten Preußens vom Deutschen Bund losgesagt.

Wegen der Bedrohung Frankfurts am Main durch preußische Truppen beschloß die Bundesversammlung am 11. Juli, ihren Sitz am 14. Juli nach Augsburg zu verlegen. Hier nahm sie am 18. Juli ihre Sitzungen wieder auf.

Übersiedlung des Rumpf-Bundestages nach Augsburg

Die in Augsburg erscheinende „Allgemeine Zeitung" meldete am 16. Juli 1866: „Vom hiesigen Gasthof zu den Drei Mohren weht, neben der bayerischen, eine schwarzrotgoldene Flagge; denn seit gestern wohnen da-selbst mit zahlreichem Personal die Mitglieder des Deutschen Bundestages, die ihre Hierher-reise über Heidelberg machten. Freiherr von Kübeck wird, wie wir hören, noch erwartet. Auf Befehl Sr. Majestät des Königs von Bayern wird denselben die sogenannte alte Residenz am Fronhof zur Einrichtung ihrer Büros und zu den Sitzungen eingeräumt, deren eine schon am nächsten Dienstag stattfinden soll. Die bei dem Bund akkreditierten Gesandten der fremden Großmächte werden ebenfalls demnächst hier eintreffen."

Der Vertreter Österreichs beim Bundestag, Kübeck, berichtete am 17. Juli über die Gründe der Übersiedlung von Frankfurt nach Augsburg und über seine politischen Gespräche in den Residenzstädten Karlsruhe und Stuttgart nach Wien: „Nachdem mir Prinz Alexander von Hessen am 13. Juli auf das bestimmteste erklärt hatte, für die Sicherheit und den ungehemmten Abgang der Bundesversammlung nicht länger einstehen zu können, hat letztere an 14. Juli Frankfurt verlassen, nachdem der Militärausschuß auf Grund des Bundes-beschlusses vom 11. Juli die Notwendigkeit dieses Schrittes konstatiert hatte, dessen Ausführung dem Präsidium überlassen wurde. Ich richtete noch am 13. abends die offiziellen Einladungen an die Bundestagsgesandten und an das diplomatische Korps wie an die Militär-kommission, welche folgenden Tages Frankfurt verließen. Auf dem Wege hierher habe ich mich in Karlsruhe und Stuttgart aufgehalten, um mit unseren Vertretern und den betreffenden Ministern Rücksprache zu pflegen. Aus einer längeren Besprechung mit Freiherr v. Edelsheim habe ich entnommen, daß er zwar in der korrekten Richtung und analogen Anstrengungen auszuhalten gedenkt, aber keine Aussicht auf Erfolg erblickt, wenn nicht Oster-reich auf die öffentliche Meinung im eigenen Lande und im südwestlichen Deutschland durch Klarstellung seiner Ziele und liberale Konzession einwirkt, die ein unabweisliches Erfordernis der Lage seien, um die Selbst-tätigkeit der verschiedenen Bevölkerungsschichten zu wecken. Er machte mich insbesondere darauf aufmerksam, daß nicht nur in Baden, sondern auch in Württemberg ein Umschlag der uns bisher so günstigen Stimmung sich bemerklich mache, welchem nur durch eine baldige Manifestation des Kaisers und der übrigen bundestreuen Regierungen entgegengewirkt werden könne. Sehr verderbliche Folgen hätten in dieser Beziehung die wiederholt auftauchenden Nachrichten, Österreich sei schon des Kampfes müde und finde sich zum Austritt aus dem Bunde bereit, wie zu einem Separatabkommen mit Preußen und Bayern. Man frage sich daher, wozu solle eine Fortsetzung des Krieges von Seiten des südwestlichen Deutschlands noch nützen."

Uber seine Einstellung zu den ihm in Karlsruhe und Stuttgart vorgetragenen Ansichten über die zukünftige Entwicklung Deutschlands berichtete der österreichische Diplomat nach Wien: „Ich bekämpfte mit Entschiedenheit diese Zweifel und sprach die Überzeugung aus, daß Österreich den Kampf fortführen und auch hierbei die ihm günstigen Volkselemente nicht unbeachtet lassen werde. In Bayerns Haltung äußerte Freiherr v. Edelsheim Mißtrauen, wie auch in die Fähigkeiten der prinz-liehen Führer des VII. und VIII. Armeekorps. Da der badische Minister am selben Tage, wo ich ihn sah, eine Besprechung mit Freiherr v. Varnbüler an einem dritten Orte verabredet hatte, so verfehlte ich leider letzteren in Stuttgart, wo ich nur kurz verweilen durfte, um mein Eintreffen in Augsburg nicht allzusehr zu verzögern. Die Auskünfte, welche ich in Stuttgart durch Freiherr v. Handel und mehrere altbefreundete württembergische Staatsmänner erhielt, stimmten in vielen Punkten mit jener des Freiherrn v. Edelsheim überein, insbesondere schien man darüber verstimmt, daß angeblich Freiherr von der Pfordten zu Friedens-und Waffenstillstandsverhandlungen nach Wien berufen worden sei, während man von einer ähnlichen Einladung an den einen oder anderen Minister der zum VII. Bundesarmeekorps gehörenden Staaten abgesehen hatte. Sir Alexander Malet, welcher mit mir die Reise von Stuttgart hierher machte, erfährt durch Lord Cowley, daß Graf Goltz diesem in den letzten Tagen gesagt hat, Preußen werde sich bei einem etwaigen Friedensschluß vor-erst mit der Erwerbung von Königreich Sachsen, Kurhessen, Braunschweig und Nassau begnügen. Den blinden König von Hannover werde man aus Rücksicht für England in seine Staaten unter der Voraussetzung zurückkehren lassen, daß er die Truppen und die diplomatische Vertretung an Preußen abtrete. Soviel ich den König kenne, und nach dessen ganzer Haltung in der letzten verhängnisvollen Zeit, würden S. M. einer solchen unwürdigen Mediatisierung den Rücktritt in das Privatleben unbedingt vorziehen."

In Augsburg setzte die durch weitere Austritte sich verringernde Bundesversammlung ihre Routinearbeit fort. Der Vertreter Badens, Robert von Mohl, berichtet im zweiten Band seiner „Lebenserinnerungen" eindrucksvoll darüber: „In Augsburg war für die Unterkunft gut genug gesorgt. Die meisten von uns wohnten zusammen in dem altberühmten Gasthof zu den Drei Mohren, und es wurde hier auch ein gemeinschaftlicher Mittagstisch für die Gesandten und ihre militärischen oder diplomatischen Begleiter eingerichtet. Für Sitzungen und Kanzlei räumte die bayerische Regierung die alte Residenz ein, wo große Räume mit etwas verblichener Pracht zur Verfügung standen. Der Aufenthalt in der stillen und kaum etwas zur Unterhaltung darbietenden Stadt war freilich nicht sehr erfreulich; am peinlichsten aber wurde die gänzliche Abschneidung jedes Verkehrs mit Frankfurt, in welchem die alsbald nach unserem Abzüge eingerückten Preußen Post, Telegraphen und Eisenbahnen vollkommen still stellten. Nur zufällige und unsichere Gerüchte drangen zu uns, welche überdies des Beunruhigenden nur zu viel enthielten. Erst nach zehn bis zwölf Tagen verschaffte der russische Gesandte durch einen als Kurier eigens abgeschickten Sekretär sich und uns sichere, zur allgemeinen Freude tröstliche Nachrichten und Briefe. In den Geschäften fand durch die Verlegung keine Veränderung und kaum eine Unterbrechung statt. Allerdings hatten sich die norddeutschen Regierungen allmählich, teils schon in Frankfurt, teils in Augsburg, von der Versammlung losgesagt; allein immer war noch die Mehrheit der Bundestagsgesandten vorhanden, freilich zum Teile, ohne daß ihre Regierungen tatsächlich noch bestanden oder wenigstens irgend eine Macht hatten: so die Gesandten von Hannover, Kurhessen, Sachsen, Nassau. Wunderbarerweise erhielt ich noch in Augsburg eine Substitution für die Stadt Frankfurt. Allerdings war dieselbe wenige Tage nach ihrer Ausstellung und nach dem Einrücken der Preußen in Frankfurt zurückgezogen worden; allein die Benachrichtigung hiervon erreichte mich nicht, da in Frankfurt der Briefverkehr unterbrochen war. Von großer rechtlicher Bedeutung für die Bundesversammlung war es, daß die sämtlichen bei dem Bunde beglaubigten fremden Gesandten auf ausdrücklichen Befehl ihrer Regierungen ihr dahin gefolgt waren. Sie war also immer noch von Europa als das gesetzliche Organ Deutschlands anerkannt. Der französische, russische, englische, belgische und spanische Gesandte waren mit uns unter einem Dache und blieben auch bis zum Präliminarfrieden von Nikolsburg, in welchem Österreich sein Ausscheiden aus dem Bunde und die Trennung des übrigen Deutschlands in einen nördlichen und einen südlichen Bund zugestanden hatte. Die Tätigkeit des Bundes schmolz freilich sachlich bald sehr zusammen. Abgesehen davon, daß er von dem größeren Teil von Deutschland ausdrücklich oder stillschweigend nicht mehr anerkannt war, drehte sich natürlich alles um den Krieg, auf welchen die Versammlung keinen Einfluß hatte; in der Hauptsache waren es nur Sitzungen des Militärausschusses, in welchen eine wirkliche Tätigkeit geübt wurde. Die Anfragen, Verlangen, Klagen der Gouverneure in den Bundesfestungen gingen fort, und solange in der mitgebrachten Bundeskasse noch Geld vorhanden war, wurde auch nach Möglichkeit abgeholfen. Freilich wurde auch hier wieder, wie zuletzt in Frankfurt, die Zeit vor allem hingebracht mit Anhören der den Tag über eingelaufenen Hiobsposten vom Kriegs-schauplätze, welcher allmählich tief nach Franken hinein verlegt worden war."

Verhandlungen in Nikolsburg

Begierig waren die am Lech versammelten Bundestagsgesandten, wie diesem Bericht zu entnehmen ist, auf Nachrichten über die Verhandlungen in Nikolsburg, über die Festlegungen politischer und militärischer Vereinbarungen für einen Friedensschluß. Am 24. Juli schrieb Mohl an seinen in Paris lebenden Bruder, den berühmten Orientalisten Julius Mohl: „Österreich scheint völlig nachzugeben; keine Teilung Deutschlands in Nord und Süd. Austritt Österreichs aus dem Bunde. Kurz, finis Germania. Dies alles in 14 Tagen; es ist unglaublich."

Der österreichische Präsidialgesandte, Kübeck, befaßte sich am 25. Juli, am Tage vor der Unterzeichnung des Nikolsburger Vorfriedens, mit dessen bereits erkennbaren Auswirkungen: „Wenn ich den Zeitungsnachrichten glauben soll, so wird der wichtigste Punkt der Friedenspräliminarien darin bestehen, daß der Bund aulgelöst, ein norddeutscher Bundesstaat gebildet, den süddeutschen Staaten aber freigestellt werde, sich untereinander oder mit Österreich oder auch mit Preußen zu verbinden. Der Gedanke, ein zweigeteiltes Deutschland zu schaffen und dem norddeutschen Bund einen süddeutschen mit Deutsch-Österreich gegenüberzustellen, liegt nahe und dürfte von einzelnen unserer Verbündeten vielleicht warm vertreten werden.

Gegen einen solchen Plan die Stimme zu erheben, wollen E. E. einem Manne gestatten, dem seine Stellung und seine Erfahrung in deutschen Angelegenheiten vielleicht einiges Anrecht hierzu geben und welcher die innige Verbindung Österreichs mit Deutschland in Wort und Tat stets eifrig vertreten hat. Soll ich die Auflösung des Bundes als bereits zugestanden annehmen, so kann ich und wohl überhaupt kein Österreicher an die Schaffung eines neuen, allgemeinen deutschen Bundes denken, in welchem der Kaiserstaat den zweiten Platz einnehmen müßte. Die Parität, welche in einem norddeutschen Bunde mit preußischer Hegemonie und in einem süddeutschen mit österreichischem Vorsitz ihren Ausdruck suchen möchte, wäre eine scheinbare, würde-lose und für uns verderbliche. Preußen wird über die volle Kraft der norddeutschen Länder unbedingt verfügen, die gänzliche Einverleibung wird nur eine Frage der Zeit, und zwar einer sehr kurzen sein. Es hätte außerdem eine mächtige Partei in Süddeutschland für sich; selbst gut deutschgesinnte Männer würden sich ihr anschließen in dem Streben, aus den zwei halben Deutschland wieder ein ganzes zu bilden.

In dem süddeutschen Bunde wird Bayern die Rolle übernehmen, welche im Bunde bis jetzt Preußen uns gegenüber gespielt hat. Der Kaiserstaat würde die Demütigung erleben, mit geschwächtem Ansehen auf kleinerem Schauplatz mit einer kleineren Macht jenes Ringen nach Einfluß zu wiederholen, in welchem uns das wandelbare Kriegsglück Preußen gegenüber unterliegen ließ. Die Großmannssucht und das Mißtrauen gegen Österreich liegen tief im Charakter der bayerischen Politik. Die Furcht, daß Österreich für die Vergrößerung Preußens Entschädigung in Süddeutschland anstreben könnte, muß dieses Mißtrauen steigern und wird dem preußischen Einflüsse neue Wege öffnen im Kreise der Regierungen wie der Bevölkerung. Auch an Kraft wird Österreich durch einen solchen süddeutschen Bund nichts gewinnen. Diese Länder gehen nach dem kläglichen Erfolge ihrer jüngsten Anstrengungen einer Periode innerer Zerrüttung entgegen; wer die Stimmung in Bayern beobachtet, kann darüber keinen Zweifel hegen. Wir würden dieselben also nicht bloß nach außen gegen Preußens Übergriffe, gegen Frankreichs Intrige zu verteidigen haben, wir würden auch die Regierungen gegen ihre Kammern und Untertanen stützen müssen und dennoch nur Verdächtigung und neue Verwicklungen ernten. Einen Überfluß an Kraft und Ansehen, den wir an diese Aufgabe wenden könnten, bringen wir aus den Kämpfen der letzten Wochen nicht zurück. Nur neue Opfer würden an uns herantreten, nur ein neues Element der Schwäche für uns gegeben sein." Enttäuscht, ja angeekelt von der Haltung der süddeutschen Staaten empfahl Kübeck seiner Regierung, was zu tun diese eben dabei war: „Soll es vorderhand keinen Deutschen Bund und also kein Deutschland mehr geben, so werden wir uns, der Zukunft Österreichs wie Deutschlands, einen besseren Dienst leisten, wenn wir zeitweilig ganz aus der völkerrechtlichen Verbindung mit den Trümmern Deutschlands ausscheiden. Stehen wir außerhalb des Prozesses, der sich nun in Deutschland vollziehen muß, so werden sowohl Regierungen wie Parteien, welche das preußische Gewalt-und Herrschersystem widerwillig ertragen, sich um unser Bündnis bemühen; wir können unbeirrt durch beengende Verpflichtungen an unserer Wiedererstarkung arbeiten und den Augenblick vorbereiten, wo wir unserer Stimme wieder Gehör verschaffen können. Alle Männer, die ein wirkliches Deutschland wollen, werden unsere Verbündeten sein an dem Werke der Wiedervergeltung, und die Rollen in Mitteleuropa werden wechseln. Eine Verbindung Österreichs mit Deutschland ist nur durch und mit dem großdeutschen Gedanken möglich, und wenn ich heute unter dem Drucke überwältigender Verhältnisse der traurigen Eventualität eines vollständigen Ausscheidens Österreichs aus Deutschland ins Auge sehe, so ist es nur, weil ich jenen Gedanken nicht gefälscht sehen möchte und weil uns klare und einfache Verhältnisse sowohl Deutschland wie Italien gegenüber not tun."

Die Auflösung des Bundes

Der Abschluß des Nikolsburger Vorfriedens am 26. Juli hatte zunächst keine Auswirkung auf die Tätigkeit der Bundesversammlung. Am 27. Juli 1866 berichtet der österreichische Präsidialgesandte Kübeck: „Für die Herzoglich-Nassauische Regierung trat der Herzoglich-Nassauische Staatsminister Fürst von Wittgenstein in die Bundesversammlung ein, während der Gesandte der sächsischen Häuser, welcher bis jetzt noch für die Herzoglich-Meiningische Regierung funktioniert hatte, nun auch namens dieser Regierung seinen Austritt anzeigte. Nachdem einige finanzielle Angelegenheiten erledigt waren, wurden verschiedene auf die gegenwärtigen militärischen und politischen Verhältnisse bezügliche Beschlüsse gefaßt und Anzeigen entgegengenommen." Als die Bestimmungen der Übereinkunft von Nikolsburg bekannt waren, stellte sich die Frage der Auflösung der Bundesversammlung, die die Auflösung des Deutschen Bundes anzeigte. Baron Kübeck erbat dafür in Wien Instruktion. Am 9. August wurde ihm eröffnet: „Der Akt der Auflösung der Bundesversammlung kann streng genommen erst dann in regelrechter Weise vorgenommen werden, wenn durch den Abschluß der Friedensverträge zwischen Österreich und Preußen und den übrigen Bundesstaaten die Auflösung des Deutschen Bundesvertrages zur allseitigen formellen Anerkennung gelangt sein wird. Erklärt die Bundesversammlung ihre Tätigkeit früher als beendigt, so entsteht ein Intervall, währenddessen niemand mehr einen Rechts-titel haben würde, sich der seither gemeinsamen Angelegenheiten anzunehmen. Die Bundesfestungen zum Beispiel würden als herrenloses Gut und förmlich dem Zerfall preisgegeben erscheinen . . . Irgendein besonderes Interesse, den formellen Schlußakt in Augsburg so zu beschleunigen, daß der hoffentlich in kürzester Frist bevorstehende Friedensabschluß nicht erwartet werden dürfte, scheint nicht vorhanden zu sein, wenigstens ist der kaiser-liehen Regierung bis jetzt kein solches bekannt. Andererseits besteht für uns kein spezielles Motiv, das Dasein der Bundesversammlung länger zu fristen, als dies die übrigen noch in ihr vertretenen Regierungen wünschen, und wenn daher Ihre Kollegen aus irgendwelchen Gründen auf der sofortigen Lösung bestehen, so werden Euer Exzellenz hiermit ermächtigt, die Schlußsitzung der Deutschen Bundesversammlung anzusagen und abzuhalten. "

Die Frage der Liquidierung der Bundesversammlung beschäftigte auch die Öffentlichkeit. Die „Allgemeine Zeitung" veröffentlichte eine vom 22. August datierte Meldung aus Frankfurt, in der es hieß: „Daß die Auflösung des Bundestages in Augsburg erst nach Ratifikation des Friedens erfolgen soll, wird uns von mehrfacher Seite bestätigt, über das Geschick der Bundesbeamten erfahren wir aus guter Quelle, daß dieselben eine Eingabe wegen Sicherstellung ihrer Zukunft an die Bundes-versammlung gerichtet haben. Diese habe insofern einen günstigen Boden gefunden, als sie an den Vertreter Österreichs bei den Friedensverhandlungen mit dem Ersuchen abgegeben wurde, daß wegen der Bundesbeamten in dem Friedenstraktat selbst eine Übereinkunft getroffen werden möge. Man hofft allgemein, daß dieses gerechte Verlangen von Seiten Preußens auf keinen Widerspruch stoßen wird. Wegen des Bundesvermögens und dessen Teilung soll, wie wir glaubhaft vernehmen, nach geschlossenem Frieden in unserer Stadt eine Zentralkommission zusammentreten."

Diese Mitteilung erschien am 24. August 1866, dem Tage der Auflösung des Deutschen Bundes in Augsburg. Diese erfolgte in bürokratischer Nüchternheit, wie der Bericht ausweist, den Kübeck noch am gleichen Tage nach Wien richtete:

„In der heutigen Schlußsitzung der Bundes-versammlung waren außer mir die Gesandten von Bayern, Königreich Sachsen, Württemberg, Hannover, Kurhessen, Großherzogtum Hessen, Nassau und Liechtenstein anwesend. Ich brachte ein Schreiben des niederländischen Gesandten v. Scherff vom 10. August in Vorlage, nach welchem derselbe angewiesen ist, jede geschäftliche Beziehung zur Bundesversammlung zu beendigen. Für die Fürstlich-Reußsche Regierung ä. L. wurde die Erklärung des Austritts Ihrer Durchlaucht der Fürstin aus dem Deutschen Bunde abgegeben. Von dem für Frankfurt substituierten Königlich-Sächsischen Gesandten wurde infolge einer Mitteilung des früheren badischen Gesandten die Rücknahme der Substitution des Bundestags-abgesandten der Freien Stadt Frankfurt, Senator Müller, angezeigt und zugleich bemerkt, daß die Rücknahme ursprünglich unterm 16. August erfolgt, wegen der gestörten Verbindungen erst unterm 19. August zu seiner Kenntnis gelangt ist. Sodann teilte ich der Bundesversammlung mit, daß Ihre Majestät die Königin von Spanien ihren beim Deutschen Bunde beglaubigten Gesandten Don Juan Valera abberufen und den Maquis v. Remisa zu dessen Nachfolger ernannt hat. Präsidium wurde hierauf ersucht, das bezügliche Schreiben in herkömmlicher Weise zu beantworten. Der Königlich-Sächsische Gesandte erstattete namens des Militärausschusses den beifolgenden Vortrag in betreff der zum Unterhalte der kurhessischen Division in Mainz aus Bundes-mitteln gewährten Vorschüsse und es wurde der Antrag, diese Vorschüsse nachträglich zu genehmigen, einstimmig angenommen.

Zunächst beantragte ich als Präsidierender, daß, nachdem infolge der Kriegsereignisse und der Friedensverhandlungen der Deutsche Bund als aufgelöst betrachtet werden muß, die Bundesversammlung beschließen wolle, ihre Tätigkeit mit der heutigen Sitzung zu beendigen, hiervon die beim Deutschen Bunde beglaubigten Vertreter fremder Mächte und die Militär-kommission, die Gouverneure der Bundes-festungen und den bisherigen Bundeskommissär für Kurhessen zu benachrichtigen. Der hannoversche Gesandte stimmte dem Anträge zu, indem er seinem allerhöchsten Souverän alle und jede aus dem Bundesvertrage und den Bundesgrundgesetzen herfließenden Rechte und Ansprüche vorbehielt. Der kurhessische Gesandte erklärte, daß er sich infolge der fortdauernden Gefangenhaltung Seiner Königlichen Hoheit des Kurfürsten ohne spezielle Instruktion befinde, indessen dem Anträge, es möge die Bundesversammlung aus Anlaß der stattgehabten Ereignisse ihre Tätigkeit einstellen, nicht widersprechen könne und seinem allerhöchsten Mandanten alle aus dem Bundes-verhältnisse herzuleitenden Rechte und Zuständigkeiten jeder Art feierlichst vorbehalten müsse.

Der Gesandte für Liechtenstein gab, indem er dem Präsidialantrage nicht entgegentrat, die aus der Anlage ersichtliche Erklärung zu Protokoll. Alle übrigen Gesandten stimmten dem Präsidialantrage ohne weiteres zu und derselbe ward hierauf zum Beschlusse erhoben .

Ich äußerte hierauf vertraulich, daß wir am Schlüsse der letzten Sitzung der Bundesversammlung uns eines Rückblickes auf die 50 Jahre, während welcher der Bund bestand, enthalten und die Beurteilung seiner Wirksamkeit der Geschichte überlassen können. Zugleich sprach ich meinen Kollegen meinen herzlichen Dank für das Wohlwollen und die Unterstützung aus, deren ich mich ihrerseits jederzeit, insbesondere auch in den schwierigsten Verhältnissen, zu erfreuen hatte. Der bayerische Gesandte erwiderte diese Äußerung im Namen aller übrigen Gesandten, indem er mir den Dank für die wohlwollende Geschäftsleitung ausdrückte."

Die „Allgemeine Zeitung" machte von diesem Beschluß bereits tags darauf Mitteilung; sie berichtete: „In der heutigen Sitzung des Buntags traf die Bundesversammlung noch einige Verfügungen in Verwaltungsangelegenheiten, und beschloß sodann, nachdem infolge der Kriegsereignisse und der Friedensverhandlungen der Deutsche Bund als aufgelöst betrachtet werden muß, ihre Tätigkeit zu beendigen, auch hiervon die bei ihr beglaubigten Vertreter auswärtiger Regierungen zu benachrichtigen."

Nachruf der Augsburger „Allgemeinen Zeitung"

Eine bewegte Epoche deutscher Geschichte war zu Ende. Der Deutsche Bund war aufgelöst. Zu den wenigen Organen, die diese Form der deutschen Einheit eines Nachrufes wert hielten, gehörte die Augsburger „Allgemeine Zei-gung"; sie schrieb am 26. August 1866 in einer Betrachtung: „Die deutsche Nation strebt nach politischer Einheit, der Partikularismus will die besonders fortdauernde Herrschaft der Einzelstaaten. Beides sind Gegensätze. Der Deutsche Bund gewährte für solche partikulare Selbständigkeit einen schützenden Rückhalt, und versuchte vergeblich eine Ausgleichung. Der letzte Krieg hat durch die Auflösung des Bundes, durch die Ausscheidung Österreichs und durch den Sieg der großpreußischen Politik dem kleinstaatlichen Leben ein baldiges Ende bereitet. Mit diesem Ende kann sich der Freund des Vaterlands dann für befriedigt erklären, wenn der Sieg als der Anfang einer neuen Ära nationaler Entwicklung erscheint, wenn der gewaltsamen Eroberung die moralische folgt." Der historisch hervorragend fundierte Leitartikel befaßte sich mit der Bedeutung der Auflösung des Deutschen Bundes und mit der zukünftigen politischen Entwicklung des deutschen Volkes, wobei er den Ausschluß Österreichs bedauernd feststellte und das Aufgehen Preußens in Deutschland behutsam forderte: „Das Ende dieses Bundes und der Ausschluß Österreichs von der doppelten neuen Bundeseinrichtung bezeichnet eine der wichtigsten historischen Entwicklungsperioden des Vaterlandes; denn fortan, und nach den Siegen über den mittel-und kleinstaatlichen Partikularismus, steht Preußen fast an dem Ziele seiner Hegemoniebestrebungen. Der letzte Schritt für reale Einheit Deutschlands hat noch über den Dualismus der neuesten Föderation hinwegzuschreiten, welcher dadurch, daß er ganz im französischen Sinn die Nation trennt und schwächt, den Tod so gewiß in sich trägt, als der Dualismus Österreichs und Preußens im Bund diesem den Untergang bereitete. Die nächste der europäischen Krisen, welche mit Sicherheit in nicht ferner Zukunft zu erwarten ist, wird dieses Ergebnis herbeiführen. Nach dem allem und durch die neuesten militärischen und politischen Erfolge hat der groß-preußische Partikularismus zwar die deutsche Suprematie erlangt, allein der weltgeschichtliche Beruf Preußens ruht, wie die bisher gelieferte Skizze zeigt, nicht in diesem Großpreußentum, sondern darin, daß der gegenwärtige Zustand nur als Übergang dazu dient, mit Verzichtleistung auf ein spezifisch preußisches Staatswesen, die deutsch-nationale Zentralgewalt mit Nationalparlament in sich zu vereinigen, und in solcher Art diejenige Stellung einzunehmen, zu welcher Österreichs Kaiser mit gleicher geistiger Spannkraft und Energie seine Aufgabe für Deutschland erfüllt hätte."

Dieses Urteil einer Zeitung, die die öffentliche Meinung ihrer Zeit entscheidend beeinflußte, brachte sowohl das Bedauern über die durch Auflösung des Deutschen Bundes verursachte Aufteilung der gesamtdeutschen Entwicklung als auch die Erwartung auf eine Fortsetzung und Vollendung der durch den Sieg Preußens eingeleiteten Umgestaltung der deutschen Verhältnisse zum Ausdruck. Es verschwieg jedoch nicht die Gründe, die die Niederlage Österreichs und darüber die Auflösung des Deutschen Bundes veranlaßt hatten. Es verwies auf den Mangel an geistiger Spannkraft und Energie Österreichs bei der Erfüllung seiner Aufgabe für Deutschland. Dieses Urteil wiegt deshalb schwer, weil die Augsburger „Allgemeine Zeitung" stets für das Verbleiben Österreichs in Deutschland und für die Erhaltung des Deutschen Bundes sich ausgesprochen hat.

Der Deutsche Bund scheiterte letzthin nicht an der Aktivität Preußens, sondern an seinen angeborenen Unzulänglichkeiten. Er erfüllte nicht die Forderung nach einem Nationalstaat des sich als Staatsnation verstehenden deutschen Volkes und auch nicht das Verlangen der Zeit nach demokratischer Umgestaltung. Österreich bot weder einen Nationalstaat noch Ansätze einer demokratischen Entwicklung. Preußen offerierte einen Nationalstaat und im Reichstag einen Ersatz für eine demokratische Verfassungsstruktur. Diese Alternative entschied 1866 über die Existenz des Deutschen Bundes.

Fussnoten

Weitere Inhalte