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Agrarproduktion und Agrargüterverbrauch in derWelt | APuZ 23/1966 | bpb.de

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APuZ 23/1966 Agrarpolitik im Wandel der Zeiten Agrarproduktion und Agrargüterverbrauch in derWelt

Agrarproduktion und Agrargüterverbrauch in derWelt

Kurt Häfner

I. Einleitung

Schaubild

Die Produktion und der Verbrauch von Agrargütern in der Welt umfassen höchst komplexe und differenzierte Vorgänge. Ihre Darstellung ist nur bei Verwendung sehr vereinfachender Begriffe und unter Zusammenfassung vieler Einzeltatsachen in wenigen Aggregaten möglich. Nur so können die vielfältigen Kräfte und Tendenzen annäherungsweise faßbar gemacht werden. Dabei sollte aber die dahinter stehende viel verwinkeltere Wirklichkeit nicht übersehen werden.

Übersicht 3

Es ist üblich geworden, zunächst zwischen dem sino-sowjetischen Block mit zentral geplanten Wirtschaften einerseits und der übrigen polyzentrischen Welt andererseits zu unterscheiden. Beide Ländergruppen stellten bis vor kurzem auch auf dem Agrarsektor ziemlich in sich geschlossene, autarke Wirtschaftsräume dar.

Übersicht

Quelle: United Nations, „Monthly Bulletin of Statistics", Vol. 19 (1965) No. 11, S. XXIV.

Die polyzentrische Weit selbst wird für viele Zwecke in die Gruppe der sogenannten ent-wickelten Länder einerseits und die Entwicklungsländer andererseits unterteilt. Bei den entwickelten Ländern handelt es sich um Westeuropa, Nordamerika, Japan und Ozeanien. Zu den Entwicklungsländern zählen gewöhnlich die Länder Lateinamerikas, des Nahen und Fernen Ostens sowie Afrikas, also die vorwiegend tropischen und subtropischen Regionen der Welt. Es lassen sich andere Gliederungen denken, vor allem dürften bei bestimmten Fragestellungen die La Plata-Gebiete Lateinamerikas und die Südafrikanische Union anders eingegliedert werden. Das Bild verschiebt sich weiter, wenn der gesamte sinosowjetische Block in diese Gliederung mit einbezogen wird oder wenn, wie es die FAO bei einigen wichtigen Daten bereits kann, wenigstens Osteuropa und die UdSSR in die Zahlen-aggregate mit einbezogen werden, wobei letztere Regionen als vorwiegend entwickelt angesehen werden.

II. Das Ungleichgewicht in der Weltagrarwirtschaft

Übersicht

Quelle: FAO, Third World Food Survey (Freedom from Hunger Campaign Basic Study, No. 11), Rom 1963, S. 88 ff.

Die heutige Weltagrarwirtschaft ist gekennzeichnet durch ein fundamentales Ungleich-gewicht zwischen Entwicklungs-und Industrie-ländern sowie zwischen einzelnen Weltregionen im Hinblick auf die Verteilung der Bevölkerung, der Einkommen, der Nahrungsmittel-produktion und der Versorgung mit Nahrungsmitteln.

Übersicht 4

Quelle: United Nations, „Monthly Bulletin of Statistics" Vol. 19 (1965), No. 11, S. XXVII.

Von der Weltbevölkerung 1957/59 von etwa 3 Milliarden entfielen auf die Entwicklungsländer etwa 71 Prozent. Dem stand ein Verhältnis der Nahrungsmittelproduktion von 42 Prozent in den Entwicklungsländern und 58 Prozent in den Industrieländern gegenüber. Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sieht ähnlich aus — mit dem Unterschied, daß 0, 7 bis ein Prozent der Produktion über den Außenhandel von den Industrieländern an Entwicklungsländer geliefert wurden. Besonders kraß wird das Ungleichgewicht bei der Betrachtung der Versorgung mit tierischem Eiweiß, denn 29 Prozent der Weltbevölkerung in den Industrieländern verzehren 70 Prozent der tierischen Nahrungsmittel der Welt, während auf die restlichen 71 Prozent der Bevölkerung in den Entwicklungsländern nur rund 30 Prozent entfallen. Die Einkommensverteilung in der Welt darf man sicherlich wegen der Schwierigkeiten der Volkseinkommensberechnung in unterentwickelten Ländern und der geringen Vergleichbarkeit zwischen den Zahlen der polyzentrischen Welt und der der Ostblockländer nicht überbewerten. Immerhin ist die Aussage sicher richtig, daß das Übergewicht der Einkommen der Welt in den wenigen Industrie-ländern erwirtschaftet wird.

Das geschilderte Ungleichgewicht der Welt-agrarwirtschaft zu mildern, zumindest die Vergrößerung der Kluft zwischen Entwicklungsund Industrieländern zu vermeiden, ist die große Herausforderung unserer Tage.

III. Bevölkerung

Schaubild 2

Die „Bevölkerungsexplosion" in den Entwicklungsländern ist der wichtigste einzelne Faktor, der die Situation der Welternährungswirtschaft und der Weltlandwirtschaft der Nachkriegszeit bestimmt und in der Zukunft bestimmen wird.

Der Bevölkerungszuwachs im letzten Jahrzehnt ist der höchste der bekannten Geschichte. Diese Tatsache hat nicht nur die Dringlichkeit erhöht, die Agrarerzeugung zu steigern, sondern auch zu einem überdenken der Probleme geführt, die mit der Verlangsamung des Bevölkerungszuwachses Zusammenhängen. In den „reichen" Ländern steht die Bevölkerungsentwicklung im Gleichgewicht und wächst nur langsam, während in den „armen" Ländern die Bevölkerung beängstigend rasch zunimmt.

In der Welt ohne China ist in den letzten zehn das Jahren, heißt zwischen 1954/55 und 1964/65, die Bevölkerung jährlich um rund 2 Prozent und insgesamt um 22 Prozent gestiegen, in einzelnen Entwicklungsländern sogar um über 30 Prozent. De Prozent und insgesamt um 22 Prozent gestiegen, in einzelnen Entwicklungsländern sogar um über 30 Prozent. Der jährliche Bevölkerungszuwachs etwa Lateinamerikas ist mit 2, 7 Prozent rund dreimal so groß wie der Westeuropas mit 0, 9 Prozent. Als Resultat von verbessertem und Fortschritten in der Anwendung medizinischer Kenntnisse wird die Sterblichkeitsrate vor allem in den Entwicklungsländern weiter sinken und, solange keine Anpassung der Geburtenrate erfolgt, weiterhin zu einer starken Vermehrung der Bevölkerung führen bei erhöhter Lebenserwartung. Die Weltbevölkerung wird gegenwärtig auf 3, 3 Milliarden geschätzt. UN-Vorschätzungen für das Jahr 2000 — also auf eine Sicht von nur 35 Jahren — liegen zwischen 5, 3 bis 6, 8 Milliarden. Die wahrscheinliche Ziffer wird mit 6, 0 Milliarden angenommen; das bedeutet also fast eine Verdoppelung in dieser kurzen Zeitspanne. 80 Prozent der Weltbevölkerung werden auf die schlecht ernährten Entwicklungsländer entfallen gegenüber einem heutigen Anteil von rund 70 Prozent.

Die Aufrechterhaltung des derzeitigen, ungenügenden Ernährungsstandards würde eine Verdoppelung der Agrarproduktion in diesem Zeitraum verlangen. Jede Verbesserung der Ernährung, vor allem an tierischem Eiweiß, würde sehr viel höhere Steigerungsraten erfordern, besonders in den Entwicklungsländern. Parallelen lassen sich ziehen zur industriellen Revolution in Europa. Damals fanden die Theorien von Malthus große Beachtung. Auch die heute entwickelten Länder haben überwiegend diese Phase des Ungleichgewichtes zwischen Sterberaten und Geburtsraten durchlaufen. In ihnen hat sich inzwischen ein wieder Gleichgewicht zwischen Geburts-und Sterbe-raten bei höherer Lebenserwartung ergeben. In den Entwicklungsländern wird sich dieses Gleichgewicht erst in mehreren Jahrzehnten einstellen, weil der Familienplanung große Hemmnisse institutioneller, politischer, religiöser und bildungsbedingter Art entgegenstehen. Die Aufrufe und Ermahnungen der FAO, die Unterernährung in den Entwicklungsländern abzuwenden, finden heute daher berechtigte Aufnahme. Man könnte diesen Abschnitt mit Feststellung schließen: Die Theorien von Malthus sind in den Schriften der Landwirtschafts-Organisation der Vereinten Nationen — FAO — neu erstanden und haben einen nie dagewesenen aktuellen Bezug erhalten 1).

IV. Verbrauch

Schaubild 3

Der Bedarf an Nahrungsmitteln ist in den Ländern am höchsten, in denen er wegen zu geringer Einkommen und unzureichenden Angeboten nicht befriedigt werden kann.

Nach Hanau 2) lassen sich in der Welt drei Gruppen von Ländern unterscheiden (siehe Übersicht 1 auf Seite 16).

Die höchste III. Stufe nehmen die Länder ein, die als entwickelte oder Industrieländer be-zeichnet werden. Sie ist geprägt durch Wohlstand, reichliche und vielseitige Ernährung sowie einem hohen Grad an zusätzlichen Dienst-leistungen, die von den Verbrauchern mit den Nahrungsmitteln zusammen eingekauft werden. Diese mit den Nahrungsmitteln eingekauften komplementären Sach-und Dienstleistungen bedingen, daß, obwohl der mengenmäßige Verbrauch von Nahrungsmitteln und damit der Absatz der Landwirtschaft nur sehr langsam mit zunehmenden Realeinkommen steigen, die Verbraucherausgaben für Nahrungsmittel gewissermaßen aufgebläht werden. Man spricht deshalb auch von der „NachEngelschen-Periode". Die tägliche Nahrung enthält zwischen 2800 und über 3000 Verzehrs-kalorien. Diese Länder haben eine gute Versorgung mit tierischem Eiweiß. Für die tägliche Ernährung eines dieser glücklichen Menschen müssen dabei 8000 bis 11 000 sogenannte Primärkalorien aus der pflanzlichen Erzeugung bereitgestellt werden. Die Differenz zwischen der Höhe der Primärkalorien und Verzehrskalorien ist vor allem bedingt durch die Veredelungsverluste der Tierhaltung bei der Transformation von pflanzlichen Futter-stoffen in Nahrungsmittel tierischer Herkunft. Diese sind also besonders aufwendig und teuer.

Die Einkommenselastizität der mengenmäßigen Nachfrage (und nur sie interessiert in diesem Zusammenhang) ist äußerst gering und liegt zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland bei etwa 0, Prozent. Diese Zahl besagt, daß bei einem Zuwachs des Realeinkommens von einem Prozent die mengenmäßige Nachfrage nach Nahrungsmitteln nur um 0, 3 Prozent steigt. Je weiter man sich der Sättigungsgrenze nähert, um so unelastischer wird die Nachfrage mit steigendem Realeinkommen. Der Verbrauch wendet sich nach Sättigung mit Kohlehydraten und Eiweißträgern in erhöhtem Maße den Vitaminträgern zu — man pflegt die gesunde Ernährung.

Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung, nämlich von Teilen Lateinamerikas (ohne La Plata-Staaten) und die Ost-und Südeuropas sowie von Teilen des Nahen Ostens und Afrikas, befindet sich auf der mittleren II. Stufe. Diese Stufe ist gekennzeichnet durch vorwiegend ausreichende Ernährung. Das bedeutet jedoch nicht, daß sie auch in den ärmeren Schichten der Bevölkerung immer genügend ist. Für diese Stufe des Ernährungsstandards gilt das sogenannte Engeische Gesetz in seinem ursprünglichen Wortlaut. In ihr läßt sich beobachten, und Engel tat das vor 100 Jahren in Europa, daß, je höher die Einkommen steigen, der Anteil der Ernährungsausgaben an den Gesamtausgaben des Familienhaushalts geringer wird 3). Die Einkommenselastizität der mengenmäßigen Nachfrage nach Nahrungsmitteln ist aber noch beträchtlich größer als auf der Stufe III.

Mit der niedrigsten I. Stufe des Ernährungsstandards müssen sich heute etwa zwei Drittel der Menschheit begnügen. Sie ist charakterisiert durch sehr geringe Einkommen, unzureichende, einseitige und damit schlechte Ernährung. Die tägliche Kost besteht überwiegend aus pflanzlichen Nahrungsmitteln, oft in Form von Brei-mahlzeiten aus Reis, Hirse und anderen Getreiden sowie stärkehaltigen Wurzelfrüchten. Die Versorgung mit tierischem Eiweiß ist unzureichend, das heißt, der Bedarf an essentiellen Aminosäuren ist nicht gesichert. Es herrscht außerdem Mangel an Kalorien, Vitaminen und Mineralstoffen.

Der Gesundheitszustand der ärmeren Schichten ist schlecht, die Arbeitsleistung gering. In diesen Ländern würde jede Zunahme des Real-einkommens zuerst für Nahrungsmittel ausgegeben werden, das heißt, die Einkommens-elastizität der mengenmäßigen Nachfrage nach Nahrungsmitteln liegt in der Größenordnung von 1 oder darüber. Diese Stufe wird auch als „Vor-Engelsche-Periode" bezeichnet. Wegen des hohen Anteils der pflanzlichen Nahrungsmittel unterscheiden sich die Verzehrskalorien nur geringfügig von der Höhe der Primär-kalorien, und ein großer Teil des tierischen Eiweiß wird aus Fischfängen und der Jagd gewonnen. Die tägliche Nahrung enthält etwa 2000 Verzehrskalorien.

Der große Anteil der pflanzlichen Nahrung in der Kost der Menschen der unterentwickelten Länder bedingt, daß sich der Ausfall der Ernten wegen des fehlenden Puffers einer großen Haltung von Nutzvieh unmittelbar auf den Nahrungsverbrauch auswirkt, so daß die Bevölkerung in einem Jahr reichlicher und in anderen unzureichend ernährt wird. Der starke abrupte Wechsel wirkt sich besonders nachteilig aus und birgt immer den Keim von politischen Unruhen in sich. Man muß auf den fatalen circulus vitiosus aufmerksam machen: Die unzureichende Ernährung bedingt niedrige Arbeitsleistungen, diese wiederum zu niedrige Einkommen, und zu geringe Einkommen bedingen wiederum unzureichende Ernährung. Aus alldem lassen sich die Zusammenhänge, die in der schematischen Darstellung des Schaubildes 2 wiedergegeben sind, erklären.

Mit steigendem Einkommen nimmt 1.der Anteil der Ausgaben für Nahrungsmittel an den Gesamtausgaben ab, 2. die Höhe der Energieversorgung aus der täglichen Kost zu, 3. die Höhe der täglichen Verzehrskalorien aus pflanzlicher Erzeugung ab und 4. die Höhe der Eiweißversorgung insgesamt und besonders des tierischen Eiweiß zu. Welche Möglichkeit gibt es, das unterschiedliche Verbrauchsniveau an Nahrungsmitteln auszugleichen?

1. Die Bevölkerungsvermehrung in den Entwicklungsländern muß auf niedrigere Raten reduziert werden. Dies ist ein sehr schwieriges und langwieriges Problem, das aber, je eher erreicht, um so segensreicher für die Entwicklungsländer sein könnte.

2. Die Einkommen müssen gesteigert werden a) um über höhere Preise der inländischen agraren Produktion Anreize zu geben, b) um den Außenhandel und die Vermarktung im Lande selbst in der Leistung zu verbessern und anzuregen.

3. Neue Wege der Ernährung müssen beschritten werden. Hier gibt es bereits fruchtbare Ansätze. Zum Beispiel könnte das kostbare Milcheiweiß, das bei uns vielfach verfüttert wird, unter Zusatz von pflanzlichen Fetten zu einer Art Kunstmilch synthetisiert werden. Damit würde auf billige Weise die Versorgung mit tierischem Eiweiß verbessert werden können. Dazu kommen noch sogenannte unkonventionelle Nahrungsmittel, die noch erprobt werden und vor allem die Versorgung mit Eiweiß verbessern (Eiweiß aus Ölkuchen, Holz-hefe, Algen, Fischeiweiß) 4. Die Agrarerzeugung muß kräftig gesteigert werden, wenn der Nahrungsverbrauch je Kopf quantitativ und qualitativ verbessert werden soll. Die Probleme, die hiermit verbunden sind, sollen im folgenden näher untersucht werden.

V. Produktion

Übersicht 2

Quelle: FAO, Production Yearbook 1964, Rom 1965.

Die Steigerung der Agrarproduktion, insbesondere der Nahrungsmittelproduktion, ist je Kopf der Bevölkerung zur Zeit in den Ländern am geringsten, die ihrer am meisten bedürfen. Der Produktionsrückgang in verschiedenen Regionen der Welt während des Zweiten Weltkrieges wurde etwa 1952/53 durch den schnellen Wiederaufbau ausgeglichen, so daß die Erzeugung je Kopf der Weltbevölkerung zu dieser Zeit dem Niveau der Vorkriegszeit entsprach. In den letzten zehn Jahren stieg die Welt-agrarproduktion (ohne Volksrepublik China) um rund 31 Prozent (das sind jährlich + 2, 7 Prozent), die Bevölkerung um rund 22 Prozent (jährlich 2 Prozent) oder die Erzeugung je Kopf um 7 Prozent (jährlich 0, 7 Prozent), In den Entwicklungsländern stieg die Agrarproduktion sogar schneller als in den Industrie-ländern, aber die stärkere Bevölkerungsentwicklung in diesen Regionen hat diesen Vorteil völlig zunichte gemacht (Schaubild 3). Während sich die agrarische Erzeugung je Kopf der Bevölkerung in den entwickelten Ländern im gleichen Zeitraum um jährlich 1, 3 Prozent (insgesamt + 14 Prozent) erhöhte, betrug die Zuwachsrate in den Entwicklungsländern noch nicht 0, 5 Prozent (insgesamt + 3, 0 Prozent). Bei Nahrungsprodukten allein, das heißt, ohne Berücksichtigung von Genußmitteln, Faserprodukten und anderen nicht der Ernährung dienenden agraren Rohstoffen, war im Durchschnitt der letzten zehn Jahre der jährliche Zuwachs der Produktion je Kopf in den Entwicklungsländern mit 0, 4 Prozent etwas geringer und in den Industrieländern mit 1, 4 Prozent etwas höher als die entsprechende Rate ..der Agrarproduktion insgesamt. Dabei darf nicht vergessen werden, daß die höheren Zunahmen der Agrarproduktion je Kopf in den Industrieländern zustande kommen, obwohl gleichzeitig in den USA und in Westeuropa, insbesondere in Schweden, eine betonte Politik der Drosselung der Agrarpoduktion betrieben wurde, um Überschüsse abzubauen. Aus diesem Grund hält die Agrarproduktion in Nordamerika nur mit der Bevölkerungsentwicklung Schritt.

Dabei erfolgten in den Entwicklungsländern die Zunahmen der Produktion je Kopf in den fünfziger Jahren auf Grund besonders günstiger Ernten. In den letzten fünf bis sechs Jahren hielt die Produktionsentwicklung kaum mit dem Wachstum der Bevölkerung Schritt. Dabei liegen die Werte je Kopf im Fernen Osten und Lateinamerika sogar noch um 5 bzw.

10 Prozent unter dem Vorkriegsniveau.

Westeuropa und Ozeanien sind die beiden einzigen Regionen, in denen der Produktionsanstieg je Kopf der Bevölkerung durch die ganze Periode anhielt.

Die Struktur der Agrarproduktion nach wichtigen Produktgruppen zeigt erhebliche regionale Unterschiede. Während in Westeuropa die Agrarproduktion fast ausschließlich Nahrungsmittel beinhaltet, spielen in den übrigen Regionen nicht eßbare Agrarprodukte — wie Kaffee, Tee, Tabak, nicht eßbare Ole und Fette, pflanzliche und tierische Fasern — eine größere Rolle. In den entwickelten Regionen liegt das Schwergewicht bei der Produktion tierischer Erzeugnisse — in Westeuropa und Nordamerika mit 74 Prozent und 63 Prozent der Gesamtagrarproduktion —, während in den Entwicklungsländern tierische Erzeugnisse im Durchschnitt nur ein reichliches Viertel ausmachen. Die Übersicht 2 über Bevölkerung, Ackerflächen und Mineraldüngerverbrauch nach Regionen erläutert einige wichtige Grundtatsachen der Ausstattung mit Produktionsfaktoren. In den Gebieten mit vorwiegend ungenügender Ernährung ist die Ackerfläche je Einwohner am geringsten. Wegen der Dichte der Bevölkerung und des hohen Anteils der Landwirtschaft am gesamten Arbeitskräftepotential sind die Einkommen und Löhne in der Landwirtschaft niedrig und bestehen überwiegend aus Naturalentnahmen der Landbevölkerung (Subsistenz-Landwirtschaft). Kapital und Betriebsmittel sind teuer und der Mineraldüngerverbrauch aus diesem Grund niedrig; die institutionellen Einrichtungen, wie die Landbesitzverhältnisse, das Pachtwesen, das Agrarkreditwesen, der Agrarhandel und das Genossenschaftswesen sind vielfach ausgesprochen produktionshemmend oder nicht vorhanden.

Weniger homogen sind die Produktionsbedingungen in den Regionen mit ausreichender und reichlicher Ernährung. Osteuropa einschließlich UdSSR, Nordamerika, die La Plata-Länder und Ozeanien verfügen über die größten Ackerflächen je Kopf der Bevölkerung; der Boden ist im Vergleich zu den anderen Produktionsfaktoren reichlicher. Diese Länder verfügen weitgehend über entwickelte institu-tionelle Einrichtungen, die Arbeitskraft ist relativ teuer, die Arbeitsproduktivität hoch und der Einsatz ertragsteigernder Produktionsmittel im Durchschnitt erst auf einem mittleren Niveau angelangt. Dagegen werden arbeitssparende Betriebsmittel in großem Umfang verwendet.

Anders sind die Verhältnisse in Westeuropa und Japan. Auf geringen Flächen werden hohe Erträge erzielt; der Einsatz ertragsteigender Produktionsmittel ist deshalb hier am höchsten. Daneben besteht auch in diesen Gebieten der Zwang, die Arbeitsproduktivität zur Erhöhung der Einkommen zu steigern. Institutionell sind diese Gebiete relativ am besten ausgestattet.

Aus dieser skizzenhaften Beschreibung ergibt sich, daß sich die Problemgebiete der Erde im Hinblick auf unzureichende Nahrungsversorgung im Fernen Osten, in Afrika und Vorderasien sowie in Zentralamerika und im Norden von Südamerika befinden. Zusätzliche Boden-reserven können meistens nicht mehr oder nur mit steigenden Kosten mobilisiert werden. Während in den entwickelten Ländern die Erhöhung der Erzeugung voll durch Erhöhung der Flächenerträge bei sogar sinkenden Nutzflächen erzielt wurde, entfielen in den Entwicklungsländern bisher etwa nur ein Drittel der Produktionssteigerung auf die Erhöhung der Flächenerträge, zwei Drittel auf Flächen-ausdehnung. Da die Bevölkerung gerade in den Entwicklungsländern überaus rasch zunimmt, muß hier in Zukunft mehr als bisher die Flächenproduktivität erhöht werden. Dem stehen leider schwere Hemmnisse im Wege. Es sind im wesentlichen:

1. zu geringe Produktionsanreize, 2. schwierige klimatische Voraussetzungen, 3. unentwickelte oder nicht vorhandene Produktionsmittelindustrien, 4. schlechte Infrastruktur, niedriger Bildungsstand, 6. religiöse Vorstellungen, 7. falsch gesetzte Prioritäten der Entwicklungsplanung. Wie der amerikanische Agrarökonom Schultz 5) nachzuweisen versucht hat, verhalten sich die Menschen in den genannten Pro-blemgebieten unter ihren Verhältnissen durchaus ökonomisch. Nur ein Beispiel: Das weit-verbreitete System der Halbpacht, das die Hälfte des Ertrages dem Bodeneigentümer zukommen läßt, begrenzt stark die Initiative der Pächter. Denn mit den begrenzten technischen Mitteln wird jeder zusätzliche Ertrag nur mit steigendem Arbeitsaufwand erzeugt. Die Schwelle, an der marginaler Aufwand und marginaler Ertrag einander gleich sind, an der die Produktion nach unserer Auffassung optimal ist, wird unter Teilpachtbedingungen auf viel zu niedrigem Niveau erreicht. Da der Agrarkredit schlecht entwickelt ist, sind die Bodeneigentümer häufig zugleich die Landwarenhändler und Kreditgeber für ihre Pächter unter wucherischen Zinsbedingungen. Den Produzenten bleibt häufig keine andere Wahl, als den Überschuß ihrer Ernte sofort nach Einbringung zu verkaufen, um die Schulden-und Zinslast zu verringern. Sie müssen dies bei jahreszeitlich konzentriertem Angebot nach der Ernte zu niedrigsten Preisen tun, die der Abnehmer diktiert. So entsteht das Paradoxon, daß, obwohl die Nahrungsmittel knapp, die Erzeugerpreise relativ niedrig sind. Niedrige Preise sind der Produktionssteigerung nicht förderlich. Hier liegt unter anderem der Kern vieler politischer Unruhen und Revolutionen. Bodenreformen, Reformierung des Agrarhandels und des Agrarkredits und Entwicklung von vielseitigen Genossenschaften, die diese Funktionen übernehmen, sind die ersten Voraussetzungen, um Anreize für eine erhöhte Flächen-produktivität in diesen Gebieten zu schaffen. Die innenpolitischen Widerstände gegen diese institutionellen Verbesserungen sind in den Problemgebieten besonders groß und sind bisher immer unterschätzt worden. Dies zeigt der Widerstand in Brasilien, im Iran, um nur einige bekanntgewordene Beispiele zu nennen. Hier liegen die Ansätze zu ersten Selbsthilfemaßnahmen der Entwicklungsländer. Schwierigen klimatischen Voraussetzungen ist am schwersten zu begegnen. Sie erfordern in der Regel große Investitionen, um die Be-und Entwässerung zu regulieren. Sie erfordern weiterhin großen Aufwand an Forschungs-und Züchtungsleistungen, um die den jeweiligen Bedingungen entsprechenden Sorten und Rassen hervorzubringen. Vor einem Fehlschluß muß in diesem Zusammenhang gewarnt werden. Es ist nicht möglich, die in den gemäßigten Zonen erreichten technischen Fortschritte der Landwirtschaft einfach auf die Entwicklungsländer zu übertragen. Das mag in der Industrie gangbar sein, in der Landwirtschaft aber nur in wenigen glücklichen Ausnahmefällen. In den Problemgebieten ist die Entwicklung der Industrie für landwirtschaftliche Produktionsmittel unbedingt notwendig, damit die er-forderlichen ertragsteigernden Produktionsmittel, insbesondere die künstlichen Düngemittel und die Pflanzenschutzmittel zur Verfügung stehen, sobald höhere Einkommen der Erzeuger deren zusätzliche Anwendung ermöglichen. Zwischen geringen Einkommen und der Produktivität der Landwirtschaft läßt sich ein enger Zusammenhang nachweisen. Auch hier besteht ein verhängnisvoller circulus vitiosus: zu geringe Erträge, zu geringe Einkommen, zu geringe Kaufkraft für Betriebsmittel und infolgedessen zu geringe Erträge.

Die mangelnde Infrastruktur der Entwicklungsländer wirkt sich in vielerlei Weise hindernd auf die Produktion aus. Ich nenne nur folgende Zusammenhänge: Viele Gebiete sind nur extensiv oder überhaupt nicht nutzbar, da eventuelle Überschüsse an keinen Markt transportiert werden können. Die Produktionsmittel-verbreitung wird bei mangelnder Infrastruktur arg behindert. Beratung, Ausbildung und Schulung durch Beispielbetriebe werden fast unmöglich sein. Verwaltungstätigkeit, Strukturpolitik usw. werden erheblich erschwert.

Die religiösen Vorstellungen als Hemmnis der Entwicklung fehlen in keinem Vortrag oder Gespräch zu diesem Thema. Das indische Beispiel der heilig gehaltenen Kühe und das Verbot des Verbrauchs von Schweinefleisch im Vorderen Orient seien erwähnt. Gerade diese Hemmnisse werden am schwierigsten zu beseitigen sein.

Das größte Hindernis für die Steigerung der Agrarproduktion ist der niedrige Bildungsstand in den Problemgebieten. Seit der Vorkriegszeit sind die Ertragssteigerungen in den Ländern am stärksten gewesen, die bereits einen hohen Stand der Ausbildung ihrer Bevölkerung erreicht haben. Zur Anwendung besserer Methoden, zur Verwendung neuer Hilfsmittel bedarf es bestimmter Einsichten, zu denen Analphabeten nur unter erheblich größeren Kosten bewegt werden können als Schreibkundige. Den hohen Prozentsatz von Analphabeten herabzudrücken, ist ein Generationsproblem und erfordert hohe und langfristige Investitionen, deren Ertrag erst in weiterer Zukunft einkommt. In Schaubild 4 (Seite 24) ist die Verdrängung vom normalen Mais durch Hybridmais in den USA wiedergegeben. Es bedurfte selbst bei dem hohen Stand der Ausbildung der amerikanischen Farmer und dem ausgezeichneten Beratungsdienst zweier Jahrzehnte'; bis sich dieser einleuchtende technologische Fortschritt vollständig durchsetzte. Die Adoption in den Entwicklungsländern wird deshalb wahrscheinlich sehr viel länger dauern. Aber 20 Jahre sind schon beinahe zu lang. Für die Adoptionsforschung gibt es auf diesem Gebiet noch große Aufgaben, um die Verbreitung und Verwendung technischer Fortschritte unter ungünstigen Bedingungen zu beschleunigen. Zum Schluß dieses Abschnitts muß noch auf die vielfach falsch gesetzten Prioritäten der Planung der Wirtschaftsentwicklung aufmerksam gemacht werden. Ehrgeizige und spektakuläre Projekte der Schwerindustrie und industriellen Verarbeitung haben in vielen Entwicklungsländern den Vorrang vor der Landwirtschaft. Sie setzen nur zu oft wenig Menschen in Arbeit und Brot und hinken, da das notwendige „Knowhow“ und dessen Weiterentwicklung fehlt, hinter der Konkurrenz in den Industrieländern her. Besser wäre es, primär die Landwirtschaft zu entwickeln, in der heute noch der größte Teil der Arbeitskräfte mehr oder weniger beschäftigt ist, um zunächst mehr der notwendigen Nahrungsmittel und Agrarrohstoffe zu produzieren, zum anderen, um dadurch Kapital für die industrielle Entwicklung zu akkumulieren, das sodann vorrangig arbeitsintensive Industrien hervorbringen muß, um den weiteren Bevölkerungszuwachs auf dem Lande in den Städten in Arbeit zu setzen. In diesem Zusammenhang ist es wenig sinnvoll, im Rahmen der Entwicklungshilfe für die Landwirtschaft komplizierte arbeitssparende Maschinen zur Verfügung zu stellen. Meines Erachtens müssen die Entwicklungsländer die Phasen des industriellen Aufstiegs in Europa und Nordamerika ebenfalls nachholen, wenn auch in beschleunigtem Tempo ohne Wiederholung der gemachten Fehler. Wieviel Rückstand die Länder häufig aufzuholen haben, zeigen die historischen Einordnungen der beutigen Getreideerträge im Vergleich zum Trend in einigen Ländern mit höchsten Erträgen (Schaubild 4). Was die Prioritäten der Entwicklungsplanung anbelangt, kann auf das Beispiel der sowjetrussischen Entwicklungsplanung verwiesen werden. Das dortige Dilemma der Landwirtschaft von heute wurde durch die jahrzehntelange Vernachlässigung der Zuweisung von Kapital an die Landwirtschaft hervorgerufen. Einer Steigerung der Agrarproduktion in den Entwicklungsländern stehen viele Hemmnisse entgegen. Sie gilt es durch erheblichen Forschungsaufwand, durch Aufklärung, Beratung, durch institutionelle Verbesserungen und Reformen sowie große Investitionen zu beseitigen. Viele der jüngst selbständig gewordenen Entwicklungsländer haben aus der Zeit der Kolonialherrschaft eine sehr einseitig ausgerichtete Landwirtschaft übernommen. Die Länder leiden daher unter den Mängeln zu umfangreicher Monokulturen. Deren Wirtschaftlichkeit ist geprägt von erheblichen Anfälligkeiten für Pflanzenkrankheiten und Schädlingsbefall, Klimaschwankungen, aber auch für Preis-und Absatzschwankungen auf den Weltmärkten, die vielfach, wie zum Beispiel bei Kaffee, zyklischer Natur sind. Daraus ergibt sich der Zwang, eine vielseitigere, risikoausgleichende Agrarproduktion anzustreben.

Weit schlimmer ist, daß bei der geringen Agrarproduktion je Kopf der Bevölkerung und dem deshalb hohen Anteil der pflanzlichen Nahrungsmittel an der Kost der Menschen in den Entwicklungsländern immer die Gefahr von sporadisch auftretenden Hungersnöten besteht. Ernteschwankungen wirken sich unmittelbar auf die menschliche Ernährung aus. Die tierische Veredelungswirtschaft, durch deren Einschränkung Primärkalorien eingespart werden könnten, fehlt weitgehend. Eine sinnvolle, das heißt ausgleichende Vorratswirtschaft läßt sich nur schwer verwirklichen wegen der unzureichenden Verwaltung, wegen des schon unter normalen Umständen mangelhaften Ernährungsstandards und des hohen Anteiles der Subsistenzlandwirtschaft. Deshalb besteht der Zwang, stabilere Erträge der pflanzlichen Erzeugung zu erreichen. Durch vielseitigen Anbau und Beherrschung der Wasserverhältnisse sowie durch Resistenz-züchtung, intensivere Düngung und Pflanzen-schutz ließen sich die Ernteschwankungen sicherlich mildern.

Minderernten größeren Ausmaßes können in den entwickelten Ländern durch Auflösung von Vorräten, sparsamere Fütterung und Einschränkung der tierischen Erzeugung sowie durch größere Einfuhren oder kleinere Exporte elastisch aufgefangen werden. Dagegen lösen sie in den Entwicklungsländern schweren Mangel bis hin zur Hungersnot aus.

VI. Außenhandel

Schaubild 4

Quelle: In Anlehnung an Lester R. Brown, increasing World Output (Foreign Agric, Econ. Rep. No. 25)

Der agrare Außenhandel vollzieht sich überwiegend zwischen den Industrieländern. Zwischen Industrie-und Entwicklungsländern ist er volumenmäßig begrenzt und nur in der Lage, die Ungleichgewichte in der Weltagrarwirtschaft zu mildern, nicht aber grundlegend zu beseitigen.

Die Exportmatrix der Regionen (Übersicht 3) zeigt, daß die Entwicklungsländer am Gesamtexport der Welt ohne Ostblockländer nur mit etwa 23 Prozent, am Exporthandel mit Nahrungs-und Genußmitteln nur mit 37 Prozent, am Handel mit Rohstoffen zur Hälfte und bei den Industriewaren nur mit 6 Prozent beteiligt sind. Das bedeutet, daß der größte Teil des Welthandels sich zwischen den entwickelten Industrieländern abspielt. Das gilt auch für den Agrarhandel; rund 80 Prozent der Agrarexporte der Welt ohne den Ostblock gehen in die Industrieländer, davon stammen 62 Prozent aus den Industrieländern selbst und nur 38 Prozent aus Entwicklungsländern. Die Entwicklungsländer importieren vorwiegend Industrie-erzeugnisse, während dagegen die Industrieländer von ihnen Agrarprodukte und vor allem Rohstoffe beziehen. Dabei handelt es sich vorwiegend um Kaffee, Kakao, Tee, Ölsaaten, pflanzliche öle und Fette, Zucker und Faserprodukte; außerdem beziehen die Industrieländer von ihnen in großem Umfang mineralische öle und Brennstoffe sowie Erze. Leider wird der größte Teil der mineralischen Rohstoffe, vor allem Erdöl, nur von wenigen Ländern geliefert. Diese Länder sind auch in der Lage, sich über den Außenhandel auf kommerzieller Basis die fehlenden Agrarerzeugnisse zu beschaffen. Die übrigen Entwicklungsländer weisen dagegen häufig negative Handelsbilanzen aus und sind stark auf den nicht kommerziellen Handel mit Agrarprodukten, vor allem mit den USA, im Rahmen der Entwickungshilfe angewiesen.

Welche Chancen bieten sich den landwirtschaftlichen Exportartikeln der Entwicklungsländer? Nach den Konkurrenzverhältnissen mit den Erzeugnissen der entwickelten Länder lassen sich folgende Gruppen abgrenzen:

1. Die Gruppe der Agrarerzeugnisse, die die Industrieländer selbst erzeugen. Das Schwer-gewicht des Handels mit diesen Erzeugnissen liegt innerhalb der entwickelten Länder selbst. Die Entwicklungsländer konkurrieren hier mit Erzeugnissen wie Zucker von Zuckerrohr, Ol-saaten und pflanzliche Ole und Fette für Nahrungszwecke, Baumwolle, Tabak, Zitrusfrüchten. 2. Die Gruppe der mit industriellen Ersatz-stoffen konkurrierenden Agrarerzeugnisse, wie zum Beispiel Kautschuk, grobe Faserpflanzen, Ole für technische Zwecke, Farbpflanzen sowie Heilpflanzen.

3. Die Gruppe der komplementären Agrarerzeugnisse, wie zum Beispiel Kaffee, Tee, Kakao, Gewürze, Bananen.

Die Erzeugnisse der ersten Gruppe geraten in folgenden Interessenkonflikt: Die Entwicklungsländer wünschen einen größeren Absatz in den Industrieländern. Die industrialisierten Importländer möchten ihrer eigenen Landwirtschaft höhere Preise und Einkommen durch die Begrenzung der Importe aus den entwikkelten Exportländern und den Entwicklungsländern sichern. In diesem Interessenkonflikt befindet sich die nationale Agrarpolitik dieser Länder. Er ist Gegenstand der Verhandlungen der UNCTAD und der Kennedy-Runde im Rahmen des GATT

Die Erzeugnisse der zweiten Gruppe werden in zunehmendem Maße durch industriell hergestellte Ersatzstoffe, wie die synthetischen Fasern, die Derivate aus Kohle und Erdöl, chemische Farbstoffe und Waschmittel, Buna usw. ersetzt. Damit sinkt der Bedarf für sie in den Industrieländern. Die Aussichten für Exportsteigerungen sind deshalb gering.

Der Gruppe der komplementären Agrarerzeugnisse bieten sich noch die besten Marktaussichten. Sie stoßen praktisch auf keine Konkurrenz. Bei dem geringen Bevölkerungszuwachs der entwickelten Länder liegen die Reserven mehr in der Erhöhung des Verbrauchs je Kopf. Als verbrauchshemmend werden von den Entwicklungsländern die in vielen Industrieländern bei diesen Produkten erhobenen Finanzzölle und Verbrauchssteuern angesehen und ihre Beseitigung ständig gefordert. Selbst bei Fortfall dieser finanziellen Belastungen sind keine großen Verbrauchssteigerungen je Kopf zu erwarten.

Das Dilemma ist nur, daß bereits jetzt von vielen dieser Produkte zu große Mengen erzeugt werden. Dies zeigt sich auch im Verhältnis der Exportpreise zu den Importpreisen, den sogenannten „Terms of Trade". In der Über-sicht 4 (Seite 29) sind diese dargestellt auf der Basis von fob-Preisen, ohne Berücksichtigung der Veränderung der Frachtkosten. Sie haben sich bis 1964 für die Entwicklungsländer seit 1950 um 13 Prozent und seit 1958 um 4 Prozent verschlechtert. Auch die Preisrelationen im Handel zwischen Entwicklungsländern und Industrieländern haben sich zuungunsten der Entwicklungsländer entwickelt, und zwar seit 1950 um 15 Prozent und seit 1958 um 5 Prozent. Bereinigt man dieses Verhältnis um die Warengruppe der Mineralöle, so sieht die Entwicklung nicht gar so ungünstig aus — 17 Prozent seit 1950 und unverändert seit 1958. Der Anteil der Entwicklungsländer am Welt-handelsvolumen mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen zeigt insgesamt eine sinkende Tendenz. Das gleiche trifft zu für Eisen, Stahl und NE-Metalle, während sich der Anteil bei Textilien beträchtlich erhöht hat.

Auffällig ist das geringe Volumen des agraren Außenhandels zwischen den Entwicklungsländern selbst. Nur etwa 20 Prozent ihrer Exporte an Nahrungsmitteln, Getränken und Tabak gehen in andere Entwicklungsländer. Es scheint, daß der Entwicklung des Außenhandels zwischen den Entwicklungsländern auch in der internationalen Diskussion zu wenig Aufmerksamkeit zugewendet wird. Immer wird nur von der Förderung der Exporte nach den Industrie-ländern gesprochen und entsprechende Forderungen gestellt, die vom Abbau bestehender Handelshemmnisse bis zur offenen Präferenz für Erzeugnisse der Entwicklungsländer reichen. Berücksichtigt man das geringere Bevölkerungswachstum in den Industrieländern und die geschilderten Konkurrenzsituationen bei den behandelten Warengrupperi, so sind die Steigerungsmöglichkeiten der Exporte in die entwickelten Länder begrenzt. Auf lange Sicht wird der Handel zwischen den Entwicklungsländern eine größere Bedeutung gewinnen müssen. Diese umfassen eine Vielzahl von Produktionszonen mit unterschiedlichen komparativen Kosten. Da sie fast alle Weichwährungsländer mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten sind, sind dabei sicher keine harten Währungen zu verdienen. Bilaterale Handelsverträge mit Zahlungsabkommen könnten hier Erleichterung schaffen. Methoden also, die sich im Außenhandel der Industrieländer in Zah-lungsbilanzkrisen bewährt haben, den internationalen Handel aufrechterhielten und sogar entwickelten. Warum sollte diese Erfahrung nicht auch zur Förderung des Handels zwischen den Entwicklungsländern anwendbar sein und von ihr stärker als bisher Gebrauch gemacht werden?

Wie das Schaubild 1 über die Entwicklung der Nahrungsproduktion, des Netto-Außenhandels und der Gesamtversorgung je Kopf der Bevölkerung in einer sehr globalen Zusammenfassung zeigt, liegt das Schwergewicht der Versorgung in der Eigenproduktion. Nettoexporte oder ‘ Nettoimporte stellen nur einen marginalen Ausgleich dar — abgesehen von Westeuropa, wo der Nettoimport nach wie vor seihe größere Bedeutung beibehalten hat, und Ozeanien, wo etwa die Hälfte der Produktion dem Nettoexport dient. Dabei haben sich seit der Vorkriegszeit wichtige Strukturwandlungen vollzogen. Für die Nahrungsmittel im engeren Sinne sind der Ferne und Nahe Osten zu Nettoimporteuren geworden; in Lateinamerika hat sich der Nettoexport vermindert zugunsten des Eigenverbrauchs bei insgesamt niedrigerer Produktion je Kopf. Ähnliches trifft für Afrika zu. Nordamerika hat sich zum wichtigsten Exporteur für Nahrungsmittel entwickelt, der dabei bis 1961 noch ÜberschußVorräte ansammelte.

Ein wesentlicher Teil der agraren Exporte der Industrieländer in die Entwicklungsländer vollzieht sich heute in der Form des Handels unter Sonderbedingungen (non-commercial trade) als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen der gesamten Entwicklungs-oder Wirtschaftshilfe. Diese Art des Handels hat sich seit etwa zehn Jahren aus der Überschußsituation der USA bei Getreide — vor allem Weizen-, Milch-produkten, Oien und Fetten sowie Baumwolle — entwickelt, als sogenannte surplus disposal (Verteilung von Überschüssen).

Das Public Law 480 und die Mutual Security Act sehen Exporte zu Sonderbedingungen gegen günstige, langfristige Kredite und Bezahlung in weicher Währung vor, wobei die anfallenden Gegenwerte im Empfangsland als Kapitalhilfe verwendet werden. Geschenke sind bei Lieferungen aus humanitären Gründen bei Katastrophen und Hungersnöten vorgesehen. Während diese Art des surplus disposals von den konkurrierenden Exportländern zunächst als unfaire Konkurrenz und Schädigung des normalen Handels angesehen wurde, hat die sorgfältige Exportpolitik der USA sowie die Entwicklung der Welternährungswirtschaft und des weltpolitischen Gewichts der Entwicklungshilfe dazu geführt, daß diese Art der Nahrungshilfe anerkannter Bestandteil des internationalen Handels und Teil der Entwicklungshilfe überhaupt geworden ist. Die Entwicklungsländer sind heute die wichtigsten Weizenimporteure — überwiegend unter diesen Sonderbedingungen. Es soll auf das Pro und Kontra der Nahrungshilfe hier nicht näher eingegangen werden. Nur dies sei gesagt: Sie muß begrenzt bleiben und sorgfältig gehandhabt werden, um nicht die Entwicklung der Agrarproduktion in den Entwicklungsländern zu hemmen und um Hilfe zur Selbsthilfe dieser Länder zu bleiben. Sie kann auf der anderen Seite auch nicht als bequemer Ausweg dienen, um die notwendige Anpassung der Landwirtschaft der entwickelten Länder an ihre veränderten Absatzbedingungen zu verzögern oder zu vertagen. Die Frage bleibt nämlich, um einen rheinischen Karnevalsschlager zu zitieren: „Wer soll das bezahlen?" Bisher war es überwiegend der amerikanische Steuerzahler. In anderen Ländern würde es ebenfalls der Steuerzahler sein. Wenn schon Wirtschaftshilfe aus öffentlichen Mitteln, warum dann nicht direkt als Kapitalhilfe, die vielseitiger verwendbar ist. Gefühlsmäßige und moralische Hinweise auf den Mangel einerseits und den Überfluß andererseits müssen sachlicher und nüchterner Erwägung weichen, wenn es um Milliardensummen geht. Überschuß-Vorräte, so gewaltig sie zunächst erscheinen mögen, sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein, falls man sie an Entwicklungsländer verteilen wollte — auch wenn es finanziell und technisch möglich wäre.

Wie schnell Überschuß-Vorräte verschwinden können, zeigt das Beispiel der Weizenvorräte Nordamerikas, vor allem der USA. Sie sind entstanden zwischen 1951 bis 1954 und 1958 bis 1961 aus günstigen Ernten, bedingt durch die revolutionäre Anwendung des technischen Fortschritts in der US-Landwirtschaft, durch Preis-und Absatzgarantien für die amerikanischen Farmer, wobei die Entwicklung des Absatzes im In-und Ausland mit der Produktionsentwicklung nicht Schritt hielt. Die geschilderte Politik des surplus disposals, verbunden mit einer kostspieligen Politik der Restriktion der Produktion, sowie das Auftreten zusätzlicher Nachfrage auf dem Weltmarkt — China seit 1961 mit jährlich etwa 5 Mill, t Weizen, UdSSR 1963/64 und 1965/66 wegen ungünstiger Ernten mit je etwa 10 Mill, t — haben die Uberschußvorräte in USA und Kanada schnell verschwinden lassen. Unerwartete zusätzliche Anforderungen wie etwa der ursprünglich geschätzte Einfuhrbedarf Indiens von 14— 15 Mill, t zur Abwendung der Nahrungskrise wären ohne starke Rückwirkungen auf den Weltmarkt nicht mehr zu erfüllen gewesen. Die USA stehen vor der Frage, ob die Politik der Drosselung der Weizenproduktion gelockert werden soll. Die Ausdehnung der Agrarproduktion in den USA ist bei den vorhandenen gewaltigen Kapazitätsreserven sicher möglich und dürfte etwa zwei Jahre erfordern, wie Freeman der amerikanische Landwirtschaftsminister, betonte.

Die unter großen nationalen Kosten durchgeführte Vorratspolitik der USA hat Erschütterungen des Weltmarktes verhindert, wie sie in der großen Krise Ende der zwanziger, Anfang der dreißiger Jahre bei sehr viel kleineren Vorräten erfolgten.

Diese Bemerkungen über den agraren Außenhandel sowie das Schaubild auf Seite 14 zeigen wohl zur Genüge, daß der Außenhandel zwar die Unterschiede in der Weltagrarwirtschaft zwischen Industrie-und Entwicklungsländern auf kurze Sicht mildern, jedoch niemals beseitigen kann. Die Lösung muß in der Steigerung der Agrarproduktion für den eigenen Verbrauch in den Problemgebieten selbst gefunden werden. Nahrungsmittelhilfe kann zur Entwicklung der Agrarproduktion in diesen Gebieten beitragen als Initialzündung, als Hilfe zur Selbsthilfe.

Neben den Forderungen nach einer Präferenz für die Erzeugnisse der Entwicklungsländer — eine moderne Anwendung der Thesen von Friedrich List — und erhöhter Wirtschaftshilfe spielen internationale Warenabkommen in der internationalen handelspolitischen Diskussion eine besondere Rolle.

Von ihnen werden oft wahre Wunder erwartet, vor allem von Seiten der Exportländer, die durch Preisschwankungen und -Senkungen besonders betroffen sind. Man verspricht sich von internationalen Warenabkommen zunächst eine Stabilität der Weltmarktpreise und eine Verbesserung der Terms of Trade.

Die zur Zeit im Rahmen der Kennedy-Runde im GATT diskutierten sogenannten „umfassenden weltweiten Abkommen" — comprehensive world-wide agreements — zum Beispiel für Getreide, nicht nur wie bisher für Weizen, gehen darüber weit hinaus. Sie sollen sich nicht nur auf die Stabilität der Weltmarktpreise und Sicherung des Absatzes für den sogenannten kommerziellen Handel beziehen, sondern auch Regelungen einer multilateralen Finanzierung der Haltung von Überschuß-Vorräten und ihrer Verwendung in den Entwicklungsländern zu Sonderbedingungen enthalten. Was aus diesen ehrgeizigen Plänen — die als Baumgartner-und Pisani-Plan bekannt wurden — zum Schluß realisiert wird und wie weit sie über die Wirksamkeit des bestehenden Internationalen Weizenabkommens hinausgehen, das immerhin seit 1949 funktioniert, bleibt abzuwarten.

Um noch einmal auf die Eingangsbemerkungen zurückzukommen, die Agrarwirtschaft der Welt ist von einem fundamentalen Ungleichgewicht beherrscht. Die Entwicklungsländer kämpfen mit großen Ernährungsproblemen. Dem steht vorläufig keine genügende Eigenproduktiongegenüber. Der Ausgleich über den Außenhandel ist nur begrenzt möglich. Da die rasche Bevölkerungsentwicklung in den vor uns liegenden Jahren anhalten wird und die Leistungssteigerung der Agrarproduktion je Kopf wegen der Hemmnisse, die in den Problemgebieten der Erde bestehen, gering ist, müssen die Aussichten, dieses fundamentale Ungleichgewicht auch nur mittelfristig zu überwinden, als gering beurteilt werden; jedenfalls solange, bis die Investitionen langfristiger Art in Schulung, Infrastruktur zum Tragen kommen und solange bis die Länder selbst durch tatkräftige Reformen mithelfen. Die Ertragsreserven selbst sind sicher noch ungeheurer groß, so daß, sobald die Bevölkerungsentwicklung ein normales Gleichgewicht von Geburts-und Sterberatendaten wiedergefunden hat, die Mahnungen der FAO hoffentlich einmal abgetan werden, wie einst die von Malthus. Auf der vor uns liegenden Durststrecke müssen wir allerdings froh sein, wenn die jetzige Erzeugung je Kopf ungefähr gehalten werden kann. Das Ungleichgewicht in der Weltagrarwirtschaft von heute ist weitgehend mitbedingt durch das unterschiedliche Ausmaß der Fähigkeiten, die Gesellschaft der Menschen zu formen und die Natur zu beherrschen und ist damit ein Bildungsproblem.

Fussnoten

Fußnoten

  1. A. Hanau, Entwicklungstendenzen der Ernährung in marktwirtschaftlicher Sicht, in: Entwicklungstendenzen der Ernährung, hrsg. vom Forschungsrat für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, München 1962, S. 35 ff.

  2. Vgl. auch A. Hanau, a. a. O., S. 37.

  3. Siehe dazu die Ausführungen der FAO, The State of Food and Agriculture 1965, Review of the Second Postwar Decade, S. 107.

  4. Th. W. Schultz, Transforming Traditional Agri-culture, New Haven 1964.

  5. United Nations Conference on Trade and Development = Welthandelskonferenz.

  6. General Agreement on Tariffs and Trade = Allgemeines Zoll-und Handelsabkommen.

  7. Auf der 43. Konferenz des US-Landwirtschafts-ministeriums sagte Freeman, das neue Ernährungsund Landwirtschaftsgesetz von 1965 ermögliche es, die Produktion schnell auszudehnen, und zwar in zwei Jahren zu verdoppeln, wenn es notwendig erscheint. “ If the need arose, we could double the nation's wheat production in two years — with most of the increase in the first year." Tatsächlich besteht im Rahmen des neuen Gesetzes die Möglichkeit, rund 20 Mill, ha, die unter den vorangegangenen Gesetzen einer anderen Produktion zugeführt worden waren, für den Anbau von Nahrungsgetreide zu mobilisieren. "Bromhall’s Corn Trade News", Vol. 257 (1965) No. 48 vom 7. Dezember 1965, S. 190.

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Kurt Häfner, Dr. sc. pol., Ministerialdirektor im Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, geb. 11, November 1908 in Berlin.