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Des Reiches verlorenes Jahrzehnt Die ausgebliebene Wahlrechtsreform in Preußen (1904— 1914) | APuZ 8/1966 | bpb.de

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APuZ 8/1966 Das „Reich" — ein vorbelasteter Begriff? Auseinandersetzung mit einem Stück deutscher Tradition Des Reiches verlorenes Jahrzehnt Die ausgebliebene Wahlrechtsreform in Preußen (1904— 1914)

Des Reiches verlorenes Jahrzehnt Die ausgebliebene Wahlrechtsreform in Preußen (1904— 1914)

John L. Snell

Zwischen 1871 und dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges bestand in allen großen europäischen Staaten mit Ausnahme Deutschlands eine Tendenz, den Völkern ein größeres Mitspracherecht einzuräumen. Während in Ruß-land ein begrenzter Fortschritt erst nach der Revolution von 1905 Platz greifen konnte, wurden in anderen Staaten Reformen auf evolutionärem Wege erreicht, der dem darwinistischen Zeitgeist mehr entsprach. Französische Republikaner festigten die Gewinne von 1870 während des folgenden Jahrzehnts, im Jahre 1889 und nach der Dreyfus-Affäre. In Großbritannien zeigten die großen Reformgesetze von 1867, 1884, 1885 und 1911, wie sich eine demokratische politische Ordnung in einer Monarchie entwickeln konnte. Im Habsburgerreich verhinderten die beunruhigenden Minderheitenprobleme nicht die Einführung des gleichen Wahlrechts im Jahre 1907. In Italien erhielten 1912 die Männer das allgemeine Wahlrecht.

Auch Teile Deutschlands partizipierten an diesem allgemeinen Übergang zur Demokratie, der die Geschichte Europas in der Generation vor 1914 bestimmte. Das Württembergische Kabinett rief durch die Reform vom Juli 1906 eine 2. Kammer ins Leben, die von allen erwachsenen Männern mittels des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts gewählt wurde. Nachdem in Bayern Prinz Ludwig selbst vor derKammer ins Leben, die von allen erwachsenen Männern mittels des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts gewählt wurde. Nachdem in Bayern Prinz Ludwig selbst vor der 1. Kammer des Landtags erschienen war, um die Einführung des gleichen, direkten und geheimen Wahlrechts zu befürworten, wurde es am 9. Februar 1906 als Gesetz verkündet. Im gleichen Zeitraum nahmen Baden und im Jahre 1911 Hessen ähnliche Wahlsysteme an.

Keine Ministerverantwortlichkeit im Kaiserreich

In den Einzelstaaten sind somit bedeutsame Entwicklungen zu beobachten; aber sie werden in der historischen Bewertung der wilhelminischen Ära nicht zu Unrecht überschattet von dem Versagen des kaiserlichen Deutschlands bei der Integration seiner polnischen Minderheit in den Ostprovinzen, der dänischen in Schleswig-Holstein und der französischen in Elsaß-Lothringen und von den Versäumnissen bei zwei Verfassungsreformen. Als im Jahre 1914 die Lebensfähigkeit des Zweiten Reiches der Probe eines Krieges unterworfen wurde, nahm der Reichstag noch immer nicht die herrschende Stellung in der Politik des Reiches ein; der Reichskanzler und seine Minister wurden noch immer vom König von Preußen als dem Deutschen Kaiser ernannt und waren ihm verantwortlich. Dessen Weigerung, das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit anzuerkennen, garantierte die Beherrschung des Zweiten Reiches durch Preußen. Da das Dreiklassenwahlrecht von 1850 in Preußen — in zwei Dritteln von Deutschland —-nicht abgeschafft wurde, verblieb die Herrschaft über das politische Geschehen des Reiches in den Händen des Hauses Hohenzollern und den bevorrechtigten Ständen des preußischen Staates. Ein bedeutendes Stück Verantwortung dafür, daß in diesen Jahren weder die Minister-verantwortlichkeit noch das gleiche Wahlrecht in Preußen eingeführt wurden, trägt der letzte Kaiser. Es ist noch zu verstehen, daß er vor 1903 nicht eine „Revolution von oben" vornahm. Aber als in diesem Jahr Millionen von Deutschen sich für die Demokratie aussprachen, indem sie 81 Sozialdemokraten in den Reichstag entsandten, konnte Wilhelm II. nicht länger annehmen, daß eine grundlegende Reform nicht erforderlich wäre. Und als zwischen 1904 und 1907 Großbritannien sich als Antwort auf die deutsche Außenpolitik immer mehr Frankreich und Rußland näherte, hätte es deutlich werden müssen, daß das Kaiserreich sich die Schwächung durch innere Uneinigkeit nicht leisten konnte, die aus der Nichterfüllung der Forderungen unzufriedener Demokraten resultieren mußte. Gerade die Prinzipien des „Primats der Außenpolitik" und der „Staatsräson" hätten Wilhelm II. zu Reformen von oben veranlassen sollen.

Lektionen der Geschichte nicht gelernt

Wilhelm II. kannte die Geschichte des Hauses Hohenzollern, aber hatte die Lektionen nicht gelernt, die sie lehren konnte. Friedrich der Große hatte den preußischen Staat für die Belastungen des Siebenjährigen Krieges durch seine Reformen vorbereitet, die er als aufgeklärter Absolutist durchführte. Der Erfolg gegen Napoleon war durch Stein erleichtert worden, der die allgemeine Begeisterung des Volkes freigesetzt hatte. Nicht mit Blut und Eisen allein, sondern mit Hilfe des geheimen Wahlrechts im Norddeutschen Bund hatte Bismarck die Einigung Deutschlands für Wilhelm I. erkämpft. Im letzten Jahrzehnt vor 1914 erinnerte Friedrich Naumann Wilhelm II. daran, daß er im krassesten Eigeninteresse und im vornehmsten Nationalinteresse auf Reformen drängen sollte, um sich die volle persönliche und nationale Loyalität aller Deutschen zu sichern, einschließlich der Millionen sozialdemokratischer Wähler

Indessen verharrte der Kaiser in der Periode von 1904— 1914 in seinem Mißtrauen gegen die Demokratie, in seiner Verachtung für politische Parteien und in seiner offen eingestandenen Geringschätzung des konstitutionellen Systems. Haltungen, die er schon im Jahre 1892 enthüllt hatte, als er gedroht hatte, den „halbverrückten Reichstag" wegzujagen, wenn dieser sich weigerte, die Heeresvorlage anzunehmen. Voller Empfindlichkeit gegen Kritik der Presse im In-und Ausland weigerte sich der Kaiser auch nach 1904, grundlegende Reformen einzuführen, die ihn bei den Massen in Deutschland und bei der demokratischen Auslandspresse populär gemacht hätten

Mitverantwortung der Reichskanzler

Aber die Verantwortung lag nicht allein beim Kaiser In einer anderen Zeit hatte Friedrich Wilhelm III.seinen Stein und Wilhelm I.seinen Bismarck gefunden. Die Kanzler Wilhelms II. waren Produkte eines unsicheren Reiches und Geschöpfe eines unsicheren Kaisers. Bernhard von Bülow und Theobald von Bethmann Hollweg tragen eine beträchtliche Verantwortung für des Reiches „verlorenes Jahrzehnt". Durch ihre Weigerung, die Ver3) antwortlichkeit einer Reichstagsmehrheit gegenüber zu übernehmen, sahen sie sich vor die Forderungen aller Parteien gestellt und blieben in ihrem politischen Schicksal abhängig von den persönlichen Launen des Herr-Sehers. Wie Rathenau klagte, nutzte nicht einer der Reichskanzler nach Bismarck ernsthaft das eine Druckmittel, das er sowohl gegen den Kaiser wie-auch gegen die Parteien des Reichstags anwenden konnte — die Drohung mit dem Rücktritt. Nicht einer legte sein Amt wegen Meinungsverschiedenheiten mit dem Monarchen nieder

Für Bülow wie für Bethmann war der Argwohn gegen das Volk größer als die Bedenken gegen den Kaiser. Beide jedoch erkannten die wachsende Notwendigkeit einer Reform in Preußen und versuchten aus Gründen politischer Zweckmäßigkeit geringfügige Modifikationen des preußischen Wahlsystems vorzunehmen. Bülows Reformvorlage, die im Mai 1906 vom Preußischen Herrenhaus angenommen wurde, war so bescheiden, daß sie die Unterstützung der preußischen Konservativen erhielt. Dieses Gesetz ließ das Dreiklassen-System unverändert und nahm nur unbedeutende Änderungen der Wahlkreise vor, wodurch sich die Gesamtzahl der Abgeordneten aus den viel zu schwach vertretenen städtischen Wahlkreisen um ganze zehn erhöhte. Das geringe Ausmaß der Änderungen zeigte sich in den preußischen Wahlen von 1908. Zuvor konnte kein Sozialdemokrat ein Mandat erringen, jetzt sandte die SPD nur sieben Vertreter von 443 in das Abgeordnetenhaus

Gedrängt von der Fortschrittspartei, die ihn stützte, beunruhigt durch die konservative Opposition gegen seine Vorschläge einer Steuerreform und in dem Bemühen, die durch den Eulenburg-Skandal hervorgerufene Erregung zu dämpfen versuchte Bülow im Herbst 1908 die gemäßigten Parteien zu besänftigen, ohne der Forderung nach dem gleichen Wahlrecht nachzugeben. Auf seine Initiative hin klang die Thronrede des Königs vor dem neu gewählten Abgeordnetenhaus am 20. Oktober 1908 nach Friedrich Naumann, ohne daß jedoch ein demokratisches Wahlrecht gefordert worden wäre. Die Rede, die der behelmte Monarch im Weißen Saal des Schlosses hielt, enthielt vage Forderungen nach einer „organischen Fortentwicklung" des preußischen Wahlrechts. Diese Thronrede war zu allgemein, um den Beifall der demokratischen Reformer zu finden, und zu sehr ins einzelne gehend, um den Konservativen zu gefallen. Etwas über eine Woche später verstärkte sich die Krise mit dem Aufschrei der öffentlichen Meinung über die Torheiten Kaiser Wilhelms II., der durch die berühmte Ausgabe des „Daily Telegraph" vom 28. Oktober ausgelöst worden war, und die Wahlrechtsfrage geriet zeitweilig in den Hintergrund. In den folgenden Monaten wurde es deutlich, daß eine umfassende Reform unter Bülows Führung nicht vorgenommen werden würde. Wie Bülow einem nationalliberalen Bekannten erklärte, wollte er sich die Konservativen nicht zu Feinden machen, indem er eine Reform in Preußen durchpeitschte

Am 14. Juli 1909 übernahm Theobald von Bethmann Hollweg Bülows Amt. Bethmann versuchte, sich weder mit der gemäßigten Linken noch mit der Rechten anzulegen; er wird acht Jahre später fallen, von beiden verlassen. Wie er selbst sagte, hatte er versucht, die Regierung über den Parteien stehen zu lassen. Er wird zurücktreten, ohne daß ihn jemand hält.

Die von Bülow inspirierte Thronrede des 20. Oktober 1908 verpflichtete den neuen Reichskanzler und preußischen Ministerpräsi-denten zu Bemühungen um wenigstens eine maßvolle Reform des preußischen Wahlrechts, und Bethmann kam dieser Verpflichtung nach, indem er im Februar 1910 im Abgeordnetenhaus einen Gesetzentwurf einbrachte. Der Entwurf sah vor, daß in Preußen das direkte Wahlrecht eingeführt wurde und daß einige Ungerechtigkeiten der Wahlkreiseinteilung korrigiert wurden. Das Dreiklassen-System aber sollte mit geringfügigen Änderungen beibehalten werden. Nach dem Regierungsentwurf sollten 24 Prozent der oberen Klasse zwei Drittel der Abgeordneten wählen, während es unter dem existierenden System 17 Prozent dieser Klasse waren, die zwei Drittel gewählt hatten. Im Frühjahr 1910 war es offensichtlich, daß sich keine Mehrheit der Abgeordneten auf irgendwelche Änderungen des Wahlrechts einigen würde, und im Mai gab Bethmann seine Bemühungen um Wahlrechtsreformen in Preußen auf. Er wird sie im Frühjahr 1917 wiederaufnehmen, um erneut zu scheitern

Widerstand der Partikularinteressen

Zahlreiche andere Historiker haben den Kaiser und seine Kanzler dafür verantwortlich gemacht, daß keine Reform zustande gekommen ist. Eines der Haupthindernisse, dem sie sich beim Versuch, die Macht des Reichstags zu stärken, gegenübergesehen hätten, nämlich der beharrliche Partikularismus im Reich, ist bisher zu wenig beachtet worden. Wenn man die Verantwortlichkeit des Kabinetts gegenüber einem vom Volke gewählten Reichstag eingeführt hätte, so wäre das Ergebnis eine demokratische, aber zugleich auch eine zentralistische Regierung gewesen. „Ministerverantwortlichkeit" hätte zur Folge gehabt, daß die Herrschaft der Regierungen der Bundesstaaten in ihren Bereichen verloren gegangen wäre.

Dutzende von Herzögen, Fürsten und Königen mit ihren Kabinetten und Bürokratien hätten keine Existenzberechtigung mehr gehabt. Fernerhin wäre ein so mächtiger Reichstag imstande gewesen, die Wahlsysteme der Bundesstaaten zu ändern, die in vielen Fällen undemokratisch blieben oder sogar noch undemokratischer gemacht, wurden. Sachser hatte 1896 ein Dreiklassen-System gleich dem preu” ßischen angenommen; der Stadtstaat Lübeck 1905 das gleiche Wahlrecht zugunsten eines weniger liberalen Systems aufgegeben; Hamburg modifizierte 1906 sein Dreiklassenwahlrecht zum Nachteil der unteren Einkommensschichten. Eine derartige konservative oder reaktionäre Politik wäre unmöglich geworden, wenn die Bundesstaaten ihre mittels des Bundesrates ausgeübte Kontrolle der Staatsangelegenheiten verloren hätten. Und sie hätten sie verloren, wenn die Verantwortlichkeit des Ministeriums gegenüber dem Reichstag eingeführt worden wäre

Der König von Preußen und seine Minister waren die selbstsüchtigsten Wächter des Partikularismus, als das Problem der Minister-verantwortlichkeit erwogen wurde. Schon im Jahre 1884 hatte Bismarck eindringlich davor gewarnt, dem Reichstag die Kontrolle über den Reichskanzler und sein Kabinett zu übertragen, und er zögerte nicht, mit der Zerstörung seines Werkes zu drohen, falls solches geschehen sollte. Es sei die Überzeugung der preußischen Regierung, stellte er fest, daß die Einführung der Ministerverantwortlichkeit die „Auflösung der deutschen Einheit" zur Folge haben würde. Bismarcks Warnung aus dem Jahre 1844 wurde 1917 erneut zitiert: sie spiegelte die Haltung der preußischen Regierung zwischen diesen beiden Daten wider

Die Stellung der Parteien

Indessen weigerten sich nicht nur die kaiserlichen Minister aus Respekt vor den Rechten der Einzelstaaten, dem Reichstag die Vorherrschaft zu übertragen. Nur die Sozialdemokratische Partei betrieb konsequent und solidarisch die Kontrolle durch den Reichstag, wenngleich die Fortschrittspartei dem Prinzip der Ministerverantwortlichkeit in schwankendem Maße ihre Unterstützung lieh. Die Daily Telegraph-Krise von 1908 enthüllte die radikale parlamentarische Position der SPD und die Abneigung der anderen Parteien des Reichstages, die Vorherrschaft des Parlaments über den Kaiser und seine Minister anzustreben. Das Zentrum, darauf bedacht, nach den Wahlen von 1907 Respektabilität wiederzugewinnen, zeigte während der Krise große Zurückhaltung; Graf Hertling beklagte, daß der Name des Kaisers in die Diskussion verwickelt worden war. Die Nationalliberalen schlossen sich der Kritik am „persönlichen Regiment" an, spielten aber im Reichstag nicht einmal auf die Erwünschtheit der Einführung eines Systems der Ministerverantwortlichkeit an; am 10. November 1908 verneinte Bassermann sogar jedes Interesse daran. Einige Fortschrittliche sprachen sich im November im Reichstag für die Ministerverantwortlichkeit aus, aber einer ihrer Sprecher (Schrader) erklärte am 11. November ausdrücklich: „Wir wollen kein parlamentarisches Regime, aus dem einfachen Grunde, weil es, solange die Verfassung des Deutschen Reiches besteht, nicht möglich ist". Ministerverantwortlichkeit, fügte er hinzu, sei unvereinbar mit den Befugnissen des Bundes-rates. Friedrich Naumann schlug vor, daß die Fortschrittlichen fordern sollten, der Kanzler solle dem Reichstag und dem Bundesrat, nicht aber dem Kaiser verantwortlich sein, und der Kaiser solle den Reichskanzler hinfort erst nach einer Aussprache über die Kandidaten mit den Ausschüssen des Reichstags und des Bundesrates ernennen. Aber Naumanns Vorschläge wurden in seiner eigenen Fraktion niedergestimmt. Im Dezember 1908 sprachen sich Fortschrittliche, Abgeordnete des Zentrums und Nationalliberale zugunsten einer geringfügigen Vermehrung des Einflusses des Reichstags aus, womit eine wirkliche parlamentarische Kontrolle der Politik natürlich nicht erreicht worden wäre. Ihre bescheidenen Vorschläge verliefen im Sande

Das Jahr 1913 lieferte weitere Beweise dafür, daß die bürgerlichen Parteien sich nicht für eine Ausdehnung der Befugnisse des Reichstags einsetzen wollten. Während einer ganztägigen Debatte am 12. Februar 1913 verlasen die Führer der Reichstagsfraktionen des Zentrums und der Nationalliberalen Erklärungen, in denen jeder Versuch des Reichstags abgelehnt wurde, auf die Wahlsysteme der Bundesstaaten Einfluß zu nehmen Und obgleich die Nationalliberalen und das Zentrum im Dezember 1913 zusammen mit den Fortschrittlichen und Sozialdemokraten ein Mißtrauensvotum gegen den Kanzler wegen der Zabernaffäre einbrachten, ließen sie dem Abstimmungsergebnis von 293 zu 54 in dieser Angelegenheit nicht den Versuch folgen, das Prinzip der Ministerverantwortlichkeit durchzusetzen Die politischen Führer Deutschlands klammerten sich an den Grundsatz der Rechte der Einzelstaaten, um damit die Selbstregierung der Provinzen zu gewährleisten. Die Folge war, daß sie sich nicht für eine demokratische Zentralregierung im Reich einsetzen konnten.

Der Verantwortung der bürgerlichen Parteien für den Fehlschlag demokratischer Reformen in Preußen während des letzten Jahrzehnts vor dem Weltkrieg ist bisher zu wenig Beachtung geschenkt worden. Während der Respekt vor dem Föderalismus als Milderungsgrund für ihre Weigerung, sich für die Ministerverantwortlichkeit einzusetzen, angeführt werden kann, hinderte sie nichts daran, für Reformen innerhalb Preußens einzutreten.

Eine Wahlrechtsreform in Preußen war nicht nur an sich wichtig, sondern auch deshalb, weil sie der einzige Weg zur Ministerverantwortlichkeit im Reich war.

Wenn sich demokratische Reformer in Preußen hätten durchsetzen können, wären sie imstande gewesen, dem Kaiser ihren eigenen Kanzler aufzuzwingen und die Ernennung solcher preußischer Vertreter in den Bundesrat zu fordern, die für die Einführung der Ministerverantwortlichkeit gegenüber dem Reichstag hätten stimmen können, wodurch das Reich zu einer wahrhaft demokratischen Nation mit einer parlamentarischen Monarchie geworden wäre. So gesehen wurde Preußen zu dem politischen Schlachtfeld, wo der Kampf um die Demokratie in Deutschland letztlich entschieden werden mußte.

Sozialdemokraten für Wahlrechtsreform in Preußen

Die Sozialdemokraten wurden zunehmend uninteressierter daran, ob Deutschland Republik wurde oder sich zu einer demokratischen Monarchie entwickelte, bestanden jedoch mehr denn je darauf, daß Preußen nicht nur ein gleiches, sondern auch ein geheimes und direktes Wahlrecht erhielt. In dieser Angelegenheit waren Bernstein auf der Rechten, Kautsky in der Mitte und Liebknecht auf der Linken einer Meinung. Angespornt durch die Russische Revolution von 1905, verstärkte die SPD ihre Agitation für eine Reform. Am 21. Januar 1906 veranstaltete die SPD zum ersten Gedenktag des russischen „Blutsonntags" 31 gleichzeitige Kundgebungen allein in Berlin. Ungefähr 1600 Personen versammelten sich, um Wolfgang Heine zu hören, 1500 um Georg Ledebour und 1400 um Paul Singer, 750 lauschten Otto Wels und 500 jubelten dem ziemlich unbekannten Friedrich Ebert zu In den Jahren 1907 und 1908 setzte die SPD ihre Agitation für das gleiche Wahlrecht fort, fand aber wenig Sympathie im preußischen Abgeordnetenhaus. Karl Liebknecht wurde lediglich mit Gelächter bedacht, als er im Juni 1909 vor der Zukunft warnte, sollte sich die Regierung nicht zu Reformen mit friedlichen Mitteln verstehen

Das einzige Ergebnis des Bethmannschen Versuches halber Konzessionen war, daß die SPD 10 1910 auf die Straße ging, zu den mächtigsten Demonstrationen für das gleiche Wahlrecht, die Deutschland je gesehen hatte. Die Massen-proteste begannen im Januar, noch bevor Bethmanns konservative Reformvorschläge bekannt wurden. An einem Tag im Februar allein wurden 42 Versammlungen in Berlin angesetzt. Am 6. März versammelten sich 150 000 Menschen im Tiergarten, um das gleiche Wahlrecht zu fordern. An mehreren Tagen im April marschierten Demonstrationszüge von 200 000 bis 250 000 Personen durch den Treptower Park und in anderen Teilen Berlins. Wie Liebknecht erklärte, machte die SPD 1910 deutlich, daß sie das gleiche Wahlrecht als „die brennendste, drängendste, zentrale politische Frage in Deutschland" ansah, und sie erhielt während ihrer Kampagne allgemeine Unterstützung. Alarmiert notiert Albert Ballin am 20. Juli 1910 voller Übertreibung: „Die Situation ist eine verzweifelte . . . Meines Erachtens stehen wir heute schon mitten in einer Revolution; denn der Umstand, daß alle Nachwahlen zum Reichstag sozialdemokratisch ausfallen, läßt doch erkennen, daß eine große Umbildung im Gange ist." Im Jahre 1911 wurde es etwas ruhiger in der deutschen Innenpolitik, aber die Reichstagswahlen von 1912 bestätigten Ballins Analyse der Wahl-Tendenz. Die SPD ging aus ihnen mit 110 Reichstagssitzen hervor, und dieser Erfolg war ein klarer Ausdruck der allgemeinen Unterstützung ihrer Forderung nach dem gleichen Wahlrecht in Preußen. Sozialistische Prinzipien und revolutionäre Schlagworte traten auffallend zurück in dem Wahlkampf, der der SPD mehr als ein Drittel der 12 207 529 abgegebenen Stimmen in den letzten Wahlen im Kaiserreich einbrachten

Die Wahlen zum neuen preußischen Abgeordnetenhaus im Mai 1913 zeigten sowohl den Gegnern wie den Befürwortern des gleichen Wahlrechts klar die Ergebnisse des Dreiklassen-Systems. Mit nahezu doppelt so vielen Stimmen wie die Konservativen gewann die SPD 10 Sitze, während die Konservativen 148 erhielten. Im Jahre 1914 häuften sich die Beweise, daß die SPD in der Frage des Wahlrechts ungeduldig wurde. Hoffnungen auf eine Evolution durch Reform von oben wurden am 18. Mai 1914 zunichte gemacht, als der neue preußische Minister des Innern unter Bethmann Hollweg, von Loebell, dem Abgeordnetenhaus ausdrücklich erklärte, er habe keinen Vorschlag einer Wahlrechtsreform ins Auge gefaßt. Die Antwort der Sozialdemokraten kam am 26. Mai, als der „Vorwärts" zu neuen Protestdemonstrationen aufrief. Am 14. Juni billigte eine allgemeine Versammlung der SPD-Führer im Berliner Raum Rosa Luxemburgs Argument, daß nur ein Generalstreik den Weg zum gleichen Wahlrecht in Preußen eröffnen könne. Zwei Wochen später entstanden durch die Ermordung des habsburgischen Thronfolgers in Sarajewo dringendere Probleme und verhinderten eine neue Welle sozialdemokratischer Demonstrationen für das gleiche Wahlrecht, die sicher gekommen wäre, wenn im Sommer 1914 nicht der Krieg ausgebrochen wäre

Auch Fortschrittspartei für gleiches Wahlrecht

Während die Sozialdemokraten eine unzweideutige Position einnahmen, waren es unter den bürgerlichen Parteien nur die Fortschrittlichen, die siel» in der Periode von 1904— 1914 für das gleiche Wahlrecht in Preußen einsetzten; sie wollten es jedoch Schritt für Schritt in Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Kräften zu erreichen suchen. Von 1906 bis 1909 arbeiteten sie mit den Nationalliberalen und Konservativen im Bülow-Block zusammen, zunehmend ernüchtert wegen der gerissenen Taktik des aalglatten Kanzlers. Im Herbst 1908 wurden sie aufgeschreckt durch Anzeichen, daß Bülow für seine Regierung die Unterstützung des Zentrums zu gewinnen versuchte, möglicherweise um Zugeständnisse an die Fortschrittlichen in der Frage der preußischen Wahlrechtsreform zu vermeiden. Man sollte der Regierung sagen, schrieb Friedrich Naumann im September 1908 an Conrad Haußmann, sie solle die Reform entweder mit den Fortschrittlichen oder mit dem Zentrum machen, mit beiden gleichzeitig könne man sie aber bestimmt nicht zustande bringen. Im Januar und Februar 1909 forderten die Fortschrittlichen im preußischen Abgeordnetenhaus vergeblich eine Wahlrechtsreform von oben, wobei sie argumentierten, daß sie dazu beitragen würden, die Stellung der SPD zu schwächen Nachdem ihre Bemühungen vereitelt worden waren, näherten sie sich in den folgenden Jahren etwas stärker den Sozialdemokraten.

Zweideutige Haltung der Nationalliberalen

Die Nationalliberalen in Preußen konnten sich die offene Zurückweisung einer Wahlrechts-reform politisch nicht leisten, aber im innersten Herzen waren sie gegen ein volles demokratisches Wahlrecht. Ein Vergleich der Wahl-statistiken beweist überzeugend, daß die Nationalliberale Partei mit dem preußischen Dreiklassenwahlrecht besser fuhr als mit dem demokratischen Wahlrecht der Reichstagswahlen. In den Reichstagswahlen von 1898 erhielt die Partei nur 12 % der Stimmen, wohingegen die Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus im gleichen Jahr den Nationalliberalen 19°/0 der Stimmen der ersten Klasse in den ländlichen Bezirken und 27 °/o der entsprechenden Stimmen in den städtischen Wahlkreisen einbrachten. Während sie unter dem gleichen Wahlrecht bei den Reichstagswahlen von 1912 nur 11 °/o der Sitze gewannen, erhielten die National-liberalen 1913 16°/0 der Sitze im preußischen Abgeordnetenhaus. Es ist unschwer zu begreifen, weshalb diese Partei sich nicht dazu verstehen konnte, auf das gleiche Wahlrecht in Preußen hinzuarbeiten

Ernst Bassermann, der Führer der Partei, war kein Befürworter des gleichen Wahlrechts, und auf jeden Fall war die Mehrheit von Preußens nationalliberalen Abgeordneten unter Führung Robert Friedbergs auf der Hut vor derartigen Dingen. Eugen Schiffer, darüber besorgt, daß die Politik der Regierung das Anwachsen der Sozialdemokratie nicht verhindert hatte, meinte, der einzige Weg, das zu erreichen, sei, das Ruder etwas links zu drehen, wie er einem Parteifreund schrieb. Aber Schiffer wollte Preußens Wahlrecht in Zusammenarbeit mit der Konservativen Partei reformieren, die überhaupt keine diesen Namen verdienende Reform wünschte. Die zweideutige Haltung der Partei übte einen bestimmenden Einfluß auf Gustav Stresemann aus, der in diesen Jahren als Bassermanns Protege rasch aufstieg. Als Sprecher der gemäßigten Linken der Nationalliberalen Partei schnell vorwärtskommend, liebte es Stresemann, sich darauf zu berufen, daß seine politische Tradition „in der 48er Zeit" wurzelte. Aber Stresemann hielt seine Reformimpulse in der Vorkriegszeit vorsichtig im Zaum. Sie waren auch nicht ganz demokratisch; vor 1914 trat er für ein Mehrstimmenwahlrecht in Preußen ein

Zentrum: rechtes und linkes Lager

Die Zentrumspartei war in den Jahren vor 1914 ein verläßlicher Verbündeter in der Frage der Einführung der geheimen Abstimmung bei den preußischen Wahlen, denn die geheime Abstimmung hätte die katholischen Bauern im Osten und die katholischen Arbeiter im Westen davor bewahrt, daß ihre protestantischen Arbeitgeber Kenntnis von ihrer Wahlentscheidung erhielten. Bei einer Gelegenheit schien es so, als sei die Zentrumsfraktion im preußischen Abgeordnetenhaus für eine umfassendere demokratische Reform gewonnen worden. Verärgert durch den Versuch der Regierung Bülow, die Partei in den Reichstagswahlen von 1907 als unpatriotisch anzuschwärzen, brachten preußische Zentrumsabgeordnete einen Antrag zugunsten des gleichen Wahlrechts ein. Sie konnten das tun, da sie genau wußten, daß der radikale Scheinangriff keine Erfolgs-* Chancen haben würde. Die Konservativen und Nationalliberalen im Abgeordnetenhaus würden den Vorschlag mit Sicherheit niederstimmen.

Gleich den Nationalliberalen begünstigte das Zentrum in Preußen ein Mehrstimmenwahlsystem als gemäßigten Ersatz für das Dreiklassenwahlrecht.

Das Zentrum fand gleich Preußens Nationalliberalen im letzten Jahrzehnt der Wilhelminischen Ära das ungleiche Wahlrecht vorteilhaft. Vom Gipfelpunkt der 106 Reichstagssitze im Jahre 1890 fiel die Partei 1912 auf 91 Sitze zurück. Bei den Drei-klassen-Wahlen zum preußischen Abgeordnetenhaus indessen schnitt das Zentrum besser ab. Es konnte nicht nur das Erreichte behaupten, sondern vermehrte die Zahl seiner Sitze von 22 °/o im Jahre 1903 auf 23 % im Jahre 1913

Mit 103 Sitzen im preußischen Abgeordnetenhaus in der Wahlperiode von 1913— 1918 konnte die katholische Zentrumspartei die konservative Sache untergraben, falls sie sich mit ihrem Gewicht auf die Seite der Demokratie schlug. Aber der ganze Charakter der Zentrumspartei machte es unwahrscheinlich, daß sie dies bald tun würde, und die Zusammensetzung ihrer Führung machte es unmöglich. Der einzige bedeutende Antipode zu der Hertling-Spahn-Gröber-Führung in der Zentrumspartei war ein rundlicher, sich journalistisch betätigender Schulmeister mit verblüffender Energie. Matthias Erzberger besaß weder Familienbeziehungen noch Reichtum, er hatte keine Universität besucht und nicht einmal in der Armee gedient. Er machte die Politik zu seinem Beruf. Nachdem er 1903 mit 28 Jahren in den Reichstag gewählt worden war, zeigte er eine beständige Sympathie für gemäßigte demokratische Reformen. Die konservativen Zentrumsführer nahmen Erzberger jedoch erst 1912 in den Fraktionsvorstand auf, und es war sein Schicksal, sein Streben nach Macht in Deutschland erst während des Krieges erfüllt zu sehen, als die schwere Verantwortung dies nicht eben begehrenswert machte. Das Zentrum blieb eine Barrikade, deren Befehlshaber in Preußen vor 1914 entschlossen waren, sie auf der Seite des Konservativismus zu halten, trotz der wachsenden Forderungen des linken Flügels der Partei nach demokratischen Reformen. Erst im Oktober 1918, als die nationale Katastrophe nicht mehr zu vermeiden war, hat sich das Zentrum mit den Fortschrittlichen und den Sozialdemokraten verbunden, um die Ministerverantwortlichkeit einzuführen und das gleiche Wahlrecht in Preußen sicherzustellen

Tragisches Versäumnis

In dieser Abhandlung ist versucht worden, die sachlichen Gründe dafür anzuführen, daß während des Jahrzehnts vor 1914 in Deutschland keine grundlegende Reform zustande gekommen ist. Der Historiker wäre überfordert, sollte er auf die fundamentalste Frage hinsichtlich des „verlorenen Jahrzehnts" eine endgültige Antwort geben, die Frage nämlich, ob die Mehrheit des deutschen Volkes damals wirklich eine demokratische Regierung wünschte. Ich bin fest davon überzeugt, daß sie zumindest für das gleiche Wahlrecht in Preußen eintrat. Es fehlen jedoch hieb-und stichfeste Beweise für die Ansichten des deutschen Volkes in der Zeit von 1904— 1914. Daher wird es nie eine exakte Antwort auf diese Frage geben, sondern nur Meinungen der Historiker, wieviel Forschungsarbeit auf der Suche nach einer definitiven Lösung auch noch geleistet werden mag.

Die hier dargebotene vorsichtige Antwort legt die Erwiderung auf eine andere Frage nahe, die dieser Beitrag aufwerfen müßte: War die Revolution von 1918 unvermeidlich? Arthur Rosenberg behauptete in seiner berühmten Untersuchung über die Ursprünge der Weimarer Republik, daß sie unvermeidlich war, weil das Bismarcksche Reich von Anfang an den Todeskeim in sich gehabt hätte Meine Überzeugung ist, daß die deutschen Demokraten auf lange Sicht sowohl die Ministerverantwortlichkeit wie das gleiche Wahlrecht in Preußen erlangt hätten, wenngleich dieser kurze Rückblick auf das Jahrzehnt vor dem Kriege zeigt, daß der Sieg nicht sicher war und daß er weder leicht noch schnell errungen worden wäre. Die Ereignisse des Jahres 1918 scheinen die Schlußfolgerung zu bestätigen, daß die Revolution nicht unvermeidlich war. Was die Demokraten im Jahrzehnt vor 1914 nicht erreichen konnten, wurde schließlich durch eine verspätete Reform von oben während der Wochen des Oktober 1918 zugestanden. Die Novemberrevolte begann als Revolte gegen einen Kaiser, der Deutschland nicht schnell genug aus einem verlorenen Kriege herausgeführt hatte.

Während der Daily Telegraph-Krise und bei anderen Gelegenheiten hatten die Sozialdemo-kraten gefordert, daß der Reichstag die Befugnisse der „Entscheidung über Krieg und Frieden" erhalten sollte. Wenn im Jahrzehnt vor 1914 eine demokratische Regierung ans Ruder gekommen wäre, ist es zumindest vorstellbar, daß der Krieg von 1914 vermieden worden wäre. Aber selbst wenn es zum Kriege gekommen und er verloren worden wäre, wäre einem demokratisierten, monarchischen Deutschland wahrscheinlich die Revolution erspart geblieben. Reformen vor 1914 hätten durchaus einen allmählichen verfassungsmäßigen Übergang sicherstellen können, anstelle des wilden Auf und Ab, das 1918 begann und sich sporadisch bis 1923 fortsetzte, unter anderen Vorzeichen nach 1932/1933 wiederaufgenommen wurde und sich nach 1945 gezwungenermaßen in zwei verschiedene Richtungen fortentwickelte. Angesichts dessen, was folgte, ist das „verlorene Jahrzehnt" des Kaiserreichs als eines der wesentlichsten und tragischsten Versäumnisse der neueren Geschichte anzusehen.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Adalbert Wahl, Deutsche Geschichte von der Reichsgründung bis zum Ausbruch des Weltkrieges (1871— 1914), 4 Bde., Stuttgart 1926— 1936, Bd. IV.

  2. Das Minderheitenproblem wird hier nicht behandelt. Zu Bethmann Hollwegs Eingeständnis, daß die „Germanisierung" Elsaß-Lothringens fehlgeschlagen war, siehe die ungezeichnete Notiz von Georg von Hertling vom 3. Dezember 1914 über eine Unterredung am 2. Dezember mit Bethmann, Polit. Archiv, VII. Reihe, Bayr. Geheimes Staatsarchiv München. Uber die Minderheiten siehe z. B. Hans Peter Hanssen, Diary of a Dying Empire (hrsg. v. Ralph H. Lutz, Mary Schofield und Oscar Osbum Winther), Bloomington 1955, S. XVII—XXXVII, 40 u. passim; Hans-Günther Zmarzlik, Bethmann Hollweg als Reichskanzler 1909— 1914. Studien zu Möglichkeiten und Grenzen seiner innerpolitischen Machtstellung, Düsseldorf 1957, S. 83— 139; Wahl, Deutsche Geschichte, Bd. IV, S. 177— 214, 228— 236; E. Wetterle, Behind the Scenes in the Reichstag Sixteen Years of Parliamentary Life in Germany, New York 1918, S. 7 f.

  3. Friedrich Naumann, Demokratie und Kaisertum, Berlin 19054.

  4. Eine anschauliche Enthüllung der Persönlichkeit und der Ideen Wilhelm II. liefert sein eigenes Buch: Ereignisse und Gestalten aus den Jahren 1878— 1918, Leipzig 1922. Eine Apologie gibt J. Daniel Charnier, Fabulous Monster, London 1934 (deutsch: Als Deutschland mächtig schien. Die Ära Wilhelms II., Berlin 1954). Kritisch sind: Erich Eyck,

  5. Siehe Walther Rathenau, Der Kaiser. Eine Betrachtung, Berlin 1919, S. 24, 44, 46, passim.

  6. Ebenda, S. 22.

  7. Eyck, Das persönliche Regiment, S. 461; Hans Dietzel, Die preußischen Wahlrechtsreformbestrebungen von der Oktroyierung des Dreiklassenwahlrechts bis zum Beginn des Weltkrieges, Emsdetten 1934, S. 40— 43. Die Studie von Dietzel korrigiert einige sachliche Angaben und Interpretationen von Wilhelm Otto Vollrath, Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, Jena 1931.

  8. Siehe z. B. die unbarmherzige Kritik der Person und der Politik Wilhelms II. im Simplicissimus, XIII. Jahrgang (April—September 1908).

  9. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des preußischen Hauses der Abgeordneten, 21. Legislaturperiode, II. Session 1908/09, I (20. Oktober 1908, 25. und 26. Januar 1909), S. 1-6, 1184— 1292, und II u. III (5. Februar — 27. März 1909), passim; Dietzel, Die preußischen Wahlrechtsreformbestrebungen, S. 49— 61; Eyck, Das persönliche Regiment, S. 461— 468; Wahl, Deutsche Geschichte, Bd. IV, S. 19— 27; Wilhelm Schüßler, Die Daily Telegraph-Affaire. Fürst Bülow, Kaiser Wilhelm und die Krise des Zweiten Reiches 1908, Göttingen 1952; Bogdan Hutten-Czapski, Sechzig Jahre Politik und Gesellschaft, 2 Bde., Berlin 1936, Bd. 1, S. 399 f„ und allgemeiner: Theodor Eschenburg, Das Kaiserreich am Scheideweg. Bassermann, Bülow und der Block, mit einer Einführung von Gustav Stresemann, Berlin 1929. Siehe auch Hans-Georg Hartmann, Die Innenpolitik des Fürsten Bülow 1906— 1909, eine unveröffentlichte phil. Dissertation, Kiel 1950, die mir von dem verstorbenen Professor Otto Becker freundlicherweise zur Einsicht gegeben wurde. Zu Bülows eigener Version siehe Bernhard Fürst von Bülow, Denkwürdigkeiten, hrsg. v. Franz von Stockhammern, 4 Bde., Berlin 1930/31, besonders Bd. II.

  10. Theobald von Bethmann Hollweg, Betrachtungen zum Weltkrieg, 2 Bde., Berlin 1919— 1921, Bd. I, S. 15, 18— 20, 97; Zmarzlik, Bethmann Hollweg, S. 30— 83; Brigitte Haberland, Die Innenpolitik des Reiches unter der Kanzlerschaft Bethmann Hollwegs 1909— 1914, unveröffentlichte phil. Dissertation, Kiel 1950; Dietzel, Die preußischen Wahlrechtsretormbestrebungen, S. 66— 73. Siehe auch Kuno von Westarp, Konservative Politik im letzten Jahrzehnt des Kaiserreiches, 2 Bde., Berlin 1935, Bd. I, S. 107— 118. Eine gut unterrichtete zeitgenössische Würdigung gibt Ernst Bassermann (am 3. April 1912 an Bülow), Bülow-Nachlaß, Bundes-archiv Koblenz. Vgl. die Würdigung durch die Frankfurter Zeitung, 15. Juli 1917.

  11. Wahl, Deutsche Geschichte, Bd. IV, S. 124— 129; einen allgemeinen Überblick über die Wahlsysteme der verschiedenen Bundesstaaten gibt die Frankfurter Zeitung, 3. Mai 1917.

  12. Zur Zitierung der Bismarckschen Warnung von 1884 siehe Helfferich an die Ministerpräsidenten der Bundesstaaten, 23. April 1917 (Abschrift), Archiv des Auswärtigen Amtes, „Post-1914" (Whaddon Hall), Mikrofilm T 149, Rolle 331.

  13. Verhandlungen des Reichstags, XII. Legislaturperiode, I. Session, CCXXXIII (10. — 11. November u. 2. -3. Dezember 1908), S. 5374— 5439 u. 5903 bis

  14. Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, CCLXXXVII (12. Februar 1913), S. 3706 f. (Spahn) u. 3707 (Bassermann); Helfferich an die Ministerpräsidenten der Bundesstaaten, 23. April 1917 (Abschrift), Archiv des Auswärtigen Amtes, „Post-1914" (Whaddon Hall), Mikrofilm T 149, Rolle 331.

  15. Zmarzlik, Bethmann Hollweg, S. 114— 120, ein guter kurzer Bericht, der sich im Datum der Abstimmung irrt; Verhandlungen des Reichstags, XIII. Legislaturperiode, I. Session, CCXCI (4. Dezember 1913), S. 6173— 6200.

  16. Siehe die Polizeiberichte bei Leo Stern (Hrsg.), Die Auswirkungen der ersten russischen Revolution von 1905— 1907 auf Deutschland, Berlin (Ost) 1955, S. 184— 191.

  17. Karl Liebknecht, Ausgewählte Reden, Briefe und Aufsätze, Berlin (Ost) 1952, S. 142.

  18. Carl E. Schorske, German Social Democracy, 1905— 1917. The Development of the Great Schism, Cambridge, Mass. 1955, S. 147— 158, 171 — 185, 198— 202, 226— 233; Liebknecht, Ausgewählte Reden, Briefe und Aufsätze, S. 161— 167, 267; Peter Franz Stubmann, Ballin. Leben und Werk eines deutschen Reeders, Berlin 1926, S. 231; Fred Oelssner, Rosa Luxemburg. Eine kritische biographische Skizze, Berlin (Ost) 19522, S. 78; Minna Ledebour, Georg Ledebour. Mensch und Kämpfer, Zürich 1954, S. 39— 41; Max Peters, Friedrich Ebert, Berlin 19542, S. 70— 71.

  19. Schorske, German Social Democracy, S. 235 bis 241, 268, 274— 278; Haußmann, Die Durchsetzung des parlamentarischen Systems, S. 17; Frankfurter Zeitung, 6. Februar 1918; Ludwig Bergsträßer, Die preußische Wahlrechtsfrage im Kriege und die Entstehung der Osterbotschaft 1917, Tübingen 1929, S. 13 f.; Oelssner, Rosa Luxemburg, S. 82 f. Nützliche Information in dogmatischer kommunistischer Verdrehung findet sich bei Kurt Stenkewitz, Gegen Bajonett und Dividende. Die politische Krise in Deutschland am Vorabend des ersten Weltkrieges, Berlin (Ost) 1960, S. 224— 252 u. passim.

  20. Friedrich Naumann an Conrad Haußmann am 22. September 1908, Nachlaß Haußmann, Württem-bergisches Hauptstaatsarchiv Stuttgart.

  21. Stenographische Berichte über die Verhandlungen des preußischen Hauses der Abgeordneten. 21. Legislaturperiode, II. Session 1908/09, I. (25-/26. Januar 1909), S. 1184— 1292 passim, und II. (5. Februar— 1. März 1909), passim; Eyck, Das persönliche Regiment, S. 464; Dietzel, Die preußischen Wahlrechtsreformbestrebungen, S. 65; Marianne Weber, Max Weber, S. 445.

  22. Walter Gagel, Die Wahlrechtsfrage in der Ge-

  23. Eschenburg, Das Kaiserreich am Scheideweg, S. 3— 26, 60 f.; Karola Bassermann, Ernst Bassermann.

  24. Willy Kremer, Der soziale Aufbau der Parteien des deutschen Reichstages von 187t— 1918, Emsdetten 1934, S. 27— 38; Heinz Gollwitzer, Die Standesherren. Die politische und gesellschaftliche Stellung der Mediatisierten 1815— 1918, Stuttgart 1957, S. 221— 236; Nikolaus von Preradovich, Die Führungsschichten in Österreich und Preußen (1804 bis 1918) mit einem Ausblick bis zum Jahre 1945, Wiesbaden 1955, S. 166; Ludwig Frey, Die Stellung der christlichen Gewerkschaften Deutschlands zu den Politischen Parteien, Würzburg 1931, S. 107, 110; John K. Zeender, The German Center Party during World War I. An Internal Study, Catholic Historical Review, XLII (1957), S. 443— 445; Karl Bachem, Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, 9 Bde., Köln 1927— 1932, Bd. IX, S. 509; Emil Ritter, Der Weg des politischen Katholizismus in Deutschland, Breslau 1934, S. 245 und 11— 148 passim; Ernst Deuerlein, Verlauf und Ergebnis des „Zentrumstreites" (1906— 1906), in: Stimmen der Zeit, CLVI (1955), S. 103— 126; Vollrath, Der parlamentarische Kampf um das preußische Dreiklassenwahlrecht, S. 33, 48— 54; Dietzel, Die preußischen Wahlrechtsreformbestrebungen, S. 15 bis 31, 38.

  25. Bachem, Vorgeschichte, Geschichte und Politik der deutschen Zentrumspartei, Bd. IX, S. 502— 509; Wetterle, Behind the Scenes in the Reichstag, S. 62— 67; Ritter, Der Weg des politischen Katholizismus in Deutschland, S. 154— 158; Klaus Epstein, Matthias Erzberger, Princeton 1959, S. 3— 95 (deutsch: Matthias Erzberger und das Dilemma der deutschen Demokratie, Berlin 1962); Klaus Epstein, „Erzbergers Position in the Zentrumsstreit betöre World War I", Catholic Historical Review, XLIV (1958) S. 1— 16; Pinson, Modern Germany, S. 573, 592; Wahl, Deutsche Geschichte, Bd. II, S. 148— 159, 512.

  26. Arthur Rosenberg, The Birth of the German Republic, 1871— 1918, New York 1931, S. 2, s. auch z. B. S. 36, 54, (deutsch: Die Entstehung der deutschen Republik, Berlin 1928).

  27. Siehe in den Verhandlungen des Reichstags, XII. Legislaturperiode, I. Session CCXXXIII (10. November 1908), S. 5391 die Stellungnahme von Paul Singer und ebenda (2. Dezember 1908) S. 5922 u. (3. Dezember 1908) S. 5967 die Wiederholung der Forderung durch Georg Ledebour und Wolfgang Heine.

Weitere Inhalte

John L. Snell, Professor für Neuere Geschichte an der Tulane Universität, New Orleans, La., geb. 2. 6. 1923 in Plymouth, N. C., USA. Veröffentlichungen u. a.: Wartime Origins of the East-West Dilemma over Germany, New Orleans 1959; The Outbreak of the Second World War: Design or Blunder (Hrsg.), Boston 1962; Illusion and Necessity: The Diplomacy of Global War, 1939— 1945, Boston 1963.