Die generelle Antwort auf die im Titel gestellte Frage gebe ich gleich vorweg: Die Universität selbst muß sich reformieren. Das aber bedeutet: Sie muß nicht nur manche Teile des äußeren Gefüges umbauen, sondern auch die innere Gestalt umprägen, alles mit dem einzigen Zweck und Ziel, in einer geistig und ökonomisch tief veränderten Welt die Universität im ganzen und besonders ihre Selbstverwaltung funktionsfähig zu machen. Entweder leistet die Universität dies im wesentlichen selbst oder die Hochschulreform ist vergeblich — womit dann allerdings eine neue Lage geschaffen wäre: für den Staat und für die Gesellschaft.
Meine allgemeine Antwort auf unsere allgemeine Frage habe ich übrigens schon in der Landtagsrede zur Einbringung des hessischen Hochschulgesetzentwurfes formuliert, was eine eilfertige Kritik oft übersehen hat. Die Sätze seien hier wiederholt: „Es gehört zum demokratischen Schicksal aller Gesetzentwürfe, daß erst das Parlament nach sachkundiger Beratung und notwendigen Neu-fassungen den Entwurf zum Gesetz erhebt. Der Vorlage der Landesregierung ist das gleiche Schicksal zu wünschen. Die Probleme der Hochschulreform sind schwer und vielschichtig; im letzten können sie nur die Hochschulen selbst lösen und die Lösungen in die Wirk-lichkeit überführen. Auf dem Weg dahin kommt es aber viel auf die Hilfe des Staates an. Der Gesetzentwurf will solche Hilfe bieten. ..."
Die Rolle des Staates bei der Neuordnung der Universitäten
Die gesetzliche Hilfe des Staates für die Neuordnung der akademischen und der Wirtschaftsverwaltung wird seit Jahren mit zunehmender Dringlichkeit von Vertretern der Hochschulen selbst gefordert. Daß z. B. Gremien mit traditionsschwerer Kollegialverfassung sozusagen von Natur unfähig seien, sich ohne Hilfe veränderten Lagen, Zwecken und Zielen anzupassen, daß in den universitären Kollegialorganen jeder Professor nur sich selbst vertrete — solche und andere Thesen universitärer Selbstkritik sind neulich sogar in einer Rektorenkonferenz dargelegt worden und haben längt die Ebene der öffentlichen politischen Diskussion erreicht. Aber nur um Hilfe zur Wiederherstellung der nicht mehr funktionierenden Selbstverwaltung geht es. Der hessische Entwurf kann nicht ärger mißverstanden werden als mit dem Verdacht, der „Staat" versuche auf eigene Faust die in Unordnung geratenen Hochschulen neu zu formieren. Der Entwurf schafft Dispositionen, die den Hochschulen für die Neuordnung zur Verfügung stehen. Man denke z. B. an den umstrittenen § 16 Abs. 3. Er bietet den Universitäten und dem Kultusminister die gemeinsame Möglichkeit, die personellen und materiellen Voraussetzun-. gen für die Neuordnung durchzusetzen. Zur Reform unserer hohen Schulen haben auch sonst Universitätslehrer das Wort ergriffen. Die Lage hat Helmut Schelsky genau analysiert: . Nicht staatliche Ansprüche oder Versäumnisse, sondern die Wandlungen der Wissenschaften in sich selbst und ihres Verhältnisses zur Gesellschaft und Praxis haben die gegenwärtige Universität in ihren Aufgaben der Lehre, Forschung und Bildung gefährdet und erschüttert. Neue gesellschaftliche und geistige Zusammenhänge sind in den Hochschulen selbst, ohne staatlichen oder politischen Zwang von außen, wirksam geworden und verlangen von der Universität und den Gelehrten ein neues geistiges und soziales Verhältnis zu sich selbst, ehe ein . anspruchsvolles Programm richtungweisender Hochschulpolitik'überhaupt entwickelt werden kann..." (Einsamkeit und Freiheit, 1963, S. 185 f.).
Das Notwendige ist schon jetzt zu tun. „Die Hochschulen brauchen mehr Geld, aber sie müssen auch zu Reformen bereit sein", so hat neulich Theodor Eschenburg einen sehr wirkungsvollen Zeitungsartikel überschrieben, der ebenfalls stark ins politische Bewußtsein gedrungen ist: „Mit den alten, ehrwürdigen Hochschulverfassungen kann das Problem der wissenschaftlichen Rentabilität in Planung und Durchführung nicht mehr gemeistert werden. Um , mit seinem Pfunde zu wuchern', muß man Pfunde haben und wuchern können. Solidarische Kollegialbeschlüsse — so wenig Kollegialberatung unterschätzt werden darf — können dem Wuchern im Sinne dieses Wortes, das nicht in der Bibel steht, sondern aus ihr abgeleitet ist, abträglich sein. Die Universitätshochschulen sind im Verhältnis zu früher Großbetriebe besonderer Art geworden mit einem Personal von mehreren Tausend Menschen und Etats von vielen Millionen. Die alte Honoratioren-verwaltung läßt sich nicht mehr aufrechterhalten. Die Universitätshochschulen brauchen heute zu wissenschaftsorganisatorischem Management befähigte Leiter, die persönlich die Verantwortung tragen. Die quantitative Ausweitung verlangt neue Organisationsformen. Heilung, in diesem Fall Überholung des Rückstandes, ist kein reines Vergnügen. Ohne bittere Medizin, ohne Entbehrung manches Gewohnten und Liebgewordenen und auch ohne operative Eingriffe wird sie kaum gelingen können. Die Autonomie der Hochschulen, soweit sie für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung notwendig ist, kann auch mit neuen Organisationsstrukturen gewahrt werden.
... Die der Ausweitung der Lehrmöglichkeiten komplementäre Aufgabe ist die Rationalisierung des Lehrbetriebes. Eines der am meisten die Öffentlichkeit interessierenden Schlagworte ist . Studienzeitverkürzung'. Je kürzer das Studium ist, desto mehr Studenten können die Universitätshochschulen besuchen, desto eher ist andererseits der Eintritt in den Beruf möglich. Beide Ansprüche sind in vollem Umfang gerechtfertigt."
Selbstkritik der Universitäten
So wie die Dinge liegen ist es notwendig, geboten und — ich hoffe — auch erwünscht, daß der Staat dem Werk der Hochschulreform Hilfe leistet — mit den Möglichkeiten und Mitteln, die nur ihm zur Verfügung stehen. Dies ist der Grundsinn der hessischen Regierungsvorlage. Sie wäre gewiß so nicht zustande gekommen, wenn nicht die Tatsache längst ins öffentliche Bewußtsein gedrungen wäre, daß eben sehr gewichtige Stimmen der Universität selbst die staatliche Initialzündung gefordert haben und fordern. Noch vor kurzem hat ein weithin bekannter Professor den Satz repetiert, der seit langem umgeht: Die Universität mache alles zum Gegenstand der Forschung, nur nicht sich selbst. In etwas modernerer Fassung ist der Satz in der Würzburger Rektorenkonferenz vom Februar 1965 ins Be-wußtsein gedrungen, übrigens: Seit der Würzburger Rektorenkonferenz vom Februar 1965 kann niemand mehr behaupten, die Universitäten versagten sich dem Anspruch der Hochschulreform. Wer das höchst instruktive Protokoll dieser Konferenz gelesen hat, fragt sich sogar, ob die Wellen der Selbstkritik nicht zu hoch schlugen. Aber den Ernst der Mahnungen des langjährigen Münchner Rektors und Präsidenten der Rektorenkonferenz, des jetzigen Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Speer, sollte man nicht überhören. Wir wissen, wie völlig unbestritten Ansehen und Leistung der Universitäten noch vor wenigen Jahren waren. Aber dazu nun Speer: „Nach außen haben die Hochschulen z. Z. kein Gesicht; sie werden als eine sehr heterogene Gesellschaft von Unternehmungen betrachtet, die in gewissen Dingen selbst nicht ganz genau wissen, was sie eigentlich wollen. Wo immer ich hinkomme, höre ich von Herrn Dichgans und von den nicht erfüllten Ausbildungsaufgaben der Hochschule, höre ich die Anerkennung der Wissenschaft als einer notwendigen Sache, bemerke ich aber auch den Eindruck, die Hochschulen seien der Entwicklung der Wissenschaft entgegen, und zwar durch die Art, wie sie ihr Geschäft betreiben. Dieser Eindruck kann nicht ernst genug genommen werden. Ob sie mit dem Herrn Bundestagspräsidenten oder mit der Verwaltungskommission des Wissenschaftsrates verhandeln, überall klingt durch, daß die Hochschulen in prinzipiellen Fragen ihrer inneren Ordnung nichts Klares gesagt haben und auch nicht, was sie wollen."
Professor Speer steigert seine Analyse bis zu der „Bitte an die Rektoren: Seien Sie bereit, im Interesse des Ganzen und im Interesse der Hochschulen auf ein Stück Ihrer Eigenständigkeit zu verzichten, wenn es das Ganze verlangt. ..."
Wie immer die Sorge des Gemeinwesens mit den Tatsachen korrespondiert, unzweifelhaft hat Speer Indizien einer veränderten Bewußtseinslage benannt, die als solche ein politischer Faktor ist. Speer berichtet noch von einer Beratung des Stifterverbandes, wo man immer wieder die Frage nach der Hochschulreform gestellt habe. „Wir geben" — so die Meinung des Stifterverbandes — „unser Geld und wir möchten es auch geben für die Forschung. Aber sind uns die Hochschulen nicht eigentlich im Wege, weil sie im Grunde nicht wissen, was sie wollen, und weil sie mit dem, was sie tun, oftmals einer modernen Reform im Wege stehen?"
Ich kann aus dem Umkreis meiner nicht eben geringen Erfahrungen diese Eindrücke Speers bestätigen; diese sind ein Faktum, mit dem es unsereins zu tun hat, und es wird nachgerade mühsam, die Richtigkeit der Gegenargumente durchzusetzen. Jedenfalls hat Speer (und mit ihm viele andere Professoren) den Horizont, das Relief der Hochschulreform in der Sicht des Gemeinwesens richtig gekennzeichnet, wobei nicht vergessen werden darf, daß Professoren neuerdings nicht selten politische Instanzen unmittelbar in Anspruch nehmen. Der Bundestagsabgeordnete Dr. Dichgans hat neulich angemerkt, daß universitäre Verbesserungsvorschläge oft nicht der Fakultät, sondern einzelnen Politikern vorgelegt werden mit der Bitte, eine Aktion einzuleiten — gelegentlich mit der Bemerkung, eine Diskussion innerhalb der Fakultät sei sinnlos; sie sei deshalb nicht einmal versucht worden. Vielleicht hatte Professor W. Weber ähnliches im Sinn als er in Würzburg konstatierte, „das respektvolle Ansehen" der Hochschulen und Professoren und einiges mehr seien „heute im raschen Abbröckeln". Eben das muß verhindert werden. Womit samt und sonders sich die Einsicht bilden sollte, daß Initiativen des Staates als Hilfe, nicht als Eingriff verstanden werden. Jedenfalls muß dies alles auf das Relief des hessischen Entwurfs bezogen werden. Niemand sollte anzweifeln, daß der demokratische Staat nur an einer freien Universität ein Interesse hat, deren Selbstverwaltung funktioniert. So wie sie ist, funktioniert unter den Ansprüchen der modernen Massenuniversität die Selbstverwaltung nicht.
Die Universität in der öffentlichen Diskussion
Damit komme ich zur Vorgeschichte des hessischen Hochschulgesetzentwurfes. In aller Kürze nur dies: Schon die Regierungserklärung des hessischen Ministerpräsidenten vom Januar 1959 stellte die Aufgabe, dem Landtag ein Hochschulgesetz vorzulegen. Gedacht war an die Vereinheitlichung des höchst unterschiedlichen rechtlichen Status der vier hessischen wissenschaftlichen Hochschulen. Aber eben in diesen Jahren, eindeutig seit 1960/61, geriet die Universität in die öffentliche Reformdebatte, die auch nach den Gewichten ihrer inneren Existenz fragte, begann der Prozeß, der — würde ich sagen — in der Kritik Professor Speers gipfelt. Jedenfalls wurde allenthalben auch der Staat zur Hilfe und zum Handeln aufgerufen. In der hessischen Regierungserklärung vom Januar 1963 wurde deshalb ein Hochschulgesetz projektiert, das auch der Hochschulreform dienen soll. Beratungen mit den Hochschulen waren längst in Gang gekommen, aber ein vom Kabinett gebilligtes Grundkonzept einer Neuordnung, das auch neuen Zielen zustrebte, kam erst im September 1964 zustande.
Unverkennbar drang ein schwelendes Unbehagen am Zustand unserer hohen Schulen in der öffentlichen Diskussion mehr und mehr durch. Nicht nur die eindringlich vorgetragenen Sorgen vieler Professoren, die Nöte der Eltern studierender Söhne und Töchter, auch die Etatsorgen der politischen Organe produzierten geradezu eine neue Bewußtseinslage. In der Breite und Tiefe des Gemeinwesens brachen vor allem diese Fragen auf: Warum der schwelende Anstieg der Studentenzahlen, die kranke Wucherung der Studienzeiten? Wie kommt der Student der Massenfächer überhaupt zum Ziel? Sind nicht ganz neue Wege und Maße notwendig? Zumeist fielen die Fragen noch schärfer, kritischer aus! Ralf Dahrendorf hat vor kurzem Bilanz gezogen. Der Professor, der die Dinge von Grund auf kennt, kommt in vier Sätzen zu diesem erschütternden Ergebnis: 1. Die deutsche Universität nimmt zuwenig Studenten auf.
2. Von denen, die sie aufnimmt, brechen zu viele ihr Studium vorzeitig ab.
3. Diejenigen, die zum Schluß kommen, studieren zu lange.
4. Was sie lernen, ist zudem weder quantitativ noch qualitativ genug.
Dies die Thesen Dahrendorfs! Dem Staatsbürger, der die Entwicklung an unseren wissenschaftlichen Hochschulen und die speziell von den Professoren getragene Reformdebatte seit Jahren verfolgt, sind das keine überraschenden Thesen; sie sind in Varianten schon oft vorgetragen worden, ohne daß die öffentliche Diskussion mit irgendwelchen sachlich hilfrichen Gegenargumenten des oppositionellen Lagers bereichert worden wäre.
Es ist ein Elend mit unseren Studentenzahlen! Sie sind in einem schlimmen Sinne ganz und gar fiktiv. Die hohe Zahl, ein an sich wünschenswertes Phänomen, zeugt leider nicht von einer adäquat hohen Zahl wissenschaftlich vorgebildeter Männer und Frauen, wie sie unsere industrielle Gesellschaft in zunehmender Progression braucht. Dazu der nachfolgende Nachweis Dahrendorfs: „Wenn wir hören, daß es in der Bundesrepublik heute 280 000 Studenten gibt, dann klingt das eindrucksvoll; und Sie mögen zweifeln, ob man wirklich von , zu wenigen'sprechen kann. Das gilt um so mehr, wenn wir die 280 000 deutschen Studenten etwa mit den 140 000 Großbritanniens vergleichen."
Die beiden Länder zu vergleichen, ist gewiß sinnvoll, weil hier wirklich Vergleichbares vorliegt. „Aber Statistiken trügen bekanntlich oft. Von den deutschen Studenten kommen nur 170 000 zum Abschluß, von den englischen 120 000. Nimmt man hinzu, daß deutsche Studenten im Durchschnitt fast doppelt so lange studieren wie ihre englischen Kommilitonen, um zu entsprechenden Abschlüssen zu kommen, dann werden aus den 280 000 kaum mehr als 80 000, die in der gleichen Zeit Akademiker werden wie in England 120 000. Das Bild sieht jetzt recht anders aus."
Ich sagte schon, daß der hessische Entwurf ganz wesentlich von daher inspiriert worden ist, und ich meine immer noch, daß jede Hochschulreform vergeblich ist, wenn nicht in kurzer Frist die wegen der unsinnig übersteigerten Semesterzahlen völlig fiktive Zahl unserer Studenten auf das effektive Maß reduziert wird. Die neueste Untersuchung Andreas Flitners (Attempto 16, S. 19 f.) beweist, daß die Geschwulst weiter wuchert.
Auf der Kultusminister-Konferenz in Hildesheim bedrückte angesichts der steigenden Finanznöte von Bund und Ländern die Not, daß an unseren Universitäten zur Zeit 50 000 Studienplätze fehlen. Ich habe in der sorgen-schweren Debatte die These vorgetragen, die 50 000 Studienplätze würden nicht fehlen, wenn unsere Studenten in einem geordneten Studium mit einer sinnvoll bemessenen Studienzeit auskämen. Ich habe volle Zustimmung gefunden. Es gibt keinen vernünftigen Grund dafür, daß zum Beispiel das Studium für das höhere Lehramt, statt 8 oder 9 Semester zu dauern, sich im Durchschnitt über 14 Semester hinschleppt. Die Ursache des Übels ist erkennbar diese: Die überkommenen universitären Ordnungen nehmen die Studenten nicht mehr hinreichend und intensiv genug auf. Frau Dr. Gerstein sprach neulich von der Hilflosigkeit namentlich der Studentinnen in einem anonymen System. Ich komme auf dieses Kernstück der Hochschulreform noch zurück.
Vorweg möchte ich auf einen Sachverhalt verweisen, der dem öffentlichen Bewußtsein entschwunden ist: ich meine die Förderung des Studiums mit öffentlichen Mitteln, das Honnefer Modell! Die Initiatoren dieses zeit-und zukunftsgerechten Planes hegten seinerzeit die Erwartung, daß das Modell die Universitäten auf den Weg institutioneller Reformen bringen werde. Es ist evident; wenn auch das Studium des Normalstudenten -—• redlich, ernst, fleißig begonnen und beendet — als eine Leistung für die Gesellschaft gewertet werden muß (und dies ist der Grundgedanke des Honnefer Modells), dann muß das so geleistete Studium auch nachgewiesen werden. Dafür aber fehlen in unseren Universitäten -— anders als an angelsächsischen — die adäquaten Ordnungen, fehlt z. B. die Institution der kleinen, von Tutoren geförderten Studien-gruppe. Deshalb kommen wir nicht auf den notwendigen Stand der Studienförderung.
Das Rektorat im hessischen Hochschulgesetzentwurf
Es wäre nunmehr geboten, die Reihe der Paragraphen des Entwurfs durchzugehen, um ihn im einzelnen der Frage auszusetzen, wer unsere Universitäten reformiert. Hier können nur einige Schwerpunkte fixiert werden. 1. Der hessische Entwurf geht davon aus, daß eine funktionsfähige, effektive Selbstverwaltung der Universität an ihrer Spitze nicht mehr den jährlich wechselnden Rektor haben kann — es sei denn, daß dem Kanzler praktisch alle Geschäfte auch der akademischen Selbstverwaltung zufallen. Bis zur Münchner Satzung schien es so, als werde das einjährige Rektorat nirgends mehr verteidigt: Im Darmstädter Gegenentwurf der hessischen Hochschulen z. B. werden als Amtszeit des Rektors mindestens zwei Jahre, im Normalfalle also wohl drei oder mehr Jahre vorgeschlagen. Am weitesten gehen die Vorschläge des Gründungsausschusses der Universität Konstanz, eines sehr kompetenten Professorengremiums: „Das institutionelle Gewicht des Rektors macht es nötig, eine längere Amtszeit vorzusehen. Der Gründungsausschuß ist nach reiflicher Erwägung zu der Auffassung gelangt, daß eine Ernennung auf unbestimmte Zeit (bis zur Er-reichung der Altersgrenze) den Erfordernissen des Amts und den Möglichkeiten der Besetzung am ehesten entspricht. ... Der Gründungsausschuß hat sich eingehend mit der Frage befaßt, wie geartet die Persönlichkeiten sein müßten, die für das Amt des Rektors in Betracht kommen. Er ist dabei von der Annahme ausgegangen, daß zumindest für die erste Zeit der Rektor aus dem eigenen Lehrkörper oder aus dem Lehrkörper einer anderen Universität stammen sollte. Während seiner Amtszeit leitet der Rektor keine Forschungseinrichtung der Universität, damit Interessenkollisionen vermieden werden. Das gleiche gilt für die Lehrtätigkeit, wobei es ihm aber unbenommen bleibt, gelegentlich Vorlesungen zu halten. Für eine spätere Zeit schließt der Gründungsausschuß die Möglichkeit nicht aus, daß zum Rektor auch berufen werden kann, wer, ohne Hochschullehrer zu sein, sich durch eine leitende Tätigkeit in Wirtschaft, Politik oder Verwaltung und durch ein enges persönliches Verhältnis zum wissenschaftlichen Leben ausgezeichnet hat. ..."
Das ist in der Tat ein Programm, das der Selbstverwaltung der Universität neue Chancen bietet. In seinen Grundzügen ist es neulich vom Rektor der Universität Kopenhagen bestätigt worden; in Dänemark gibt es seit 30 Jahren den mehrjährig amtierenden Rektor. Rektor Iversen aus Kopenhagen hat im Februar 1965 auf Einladung der deutschen Rektorenkonferenz von den dänischen Erfahrungen berichtet und im wesentlichen dies gesagt: „Will man einen Universitätslehrer als den wirklichen Leiter der Universität haben, ist es, soweit ich sehen kann, ganz einfach notwendig, daß er mehrere Jahre lang amtiert. ... Es sollte daher meiner Auffassung nach nicht besonders schwer, geschweige denn unmöglich sein, Professoren — auch außerhalb des Kreises der Juristen — zu finden, die sowohl Fähigkeiten als Lust haben, ein mehrjähriges Rektoramt auf sich zu nehmen. ..."
Die dänischen Rektoren, mehrjährig im Amt, seien „sämtlich hochangesehene Wissenschaftler gewesen". Der Vortrag, der mit dem Satz schließt: „Daher bin ich der Ansicht, daß — alles in allem genommen — die mehrjährigen Rektorate für unsere Universitäten in Dänemark von Nutzen gewesen sind", wurde laut Protokoll von den Spitzen aller Hochschulen der Bundesrepublik „mit großem Beifall" ausgenommen und in der Diskussion mit zusätzlichen Argumenten gestützt. § 14 des hessischen Entwurfs geht von dem Prinzip der „hinreichenden Kontinuität" der Amtsführung des Rektors aus und schlägt folgende Regelung vor:
Abs. 8: „Die Amtszeit des Rektors beträgt vier Jahre. Während der vierjährigen Amtszeit ist der Rektor von seinen Lehrverpflichtungen befreit. Der Anspruch auf die Unterrichtsgeldpauschale bleibt unberührt."
Abs. 11: „Bis zum Beginn des Wintersemesters 1972 kann die Amtszeit des Rektors zwei Jahre betragen. Die Wiederwahl ist zulässig. In diesem Fall erfüllt der Rektor seine Aufgaben mit Hilfe seines Amtsvorgängers (Pro-rektor). Die Amtszeit des Prorektors beträgt zwei Jahre."
Natürlich hat diese Regelung nur Sinn, wenn der Rektor die materiellen und personalen Schwergewichte einer modernen Universität selbst sachkundig und verantwortlich mitbestimmen will. Ich meine, schon in der Bewertung der folgenden Zahlen gewinne das traditionell repräsentative Rektorat in der modernen Universität einen anderen Sinn und Auftrag. Stellenpläne, Sachausgaben, Investitionen einer modernen Universität haben ja längst Gewicht und Struktur eines Groß-betriebes.
Beispiele: Im Jahre 1912/13 entfielen auf je 10 000 Einwohner 13 Studenten, 1963/64 waren es 46. Die Nachkriegszeit zeigt für die vier hessischen wissenschaftlichen Hochschulen das folgende Bild: 1947/48 knapp 11 000 Studenten 1964/65 fast 30 000 Studenten 1950 262 Lehrstühle 1965 603 Lehrstühle. Im selben Zeitraum stieg die Zahl der Dozenten, Assistenten einschließlich des soge-nannten Mittelbaues von 537 auf 2773. 1950 wirkten an den hessischen Hochschulen 3000 Bedienstete, 1965 10 000.
Weit größeres Gewicht im Hinblick auf universitäre Verwaltung und Selbstverwaltung haben die Investitionen, besonders der Bau-haushalt: 1950 5, 4 Mill.
1965 152, 5 Mill.
1966 200, 0 Mill., oder gar laufende Ausgaben 1950 28, 6 Mill.
1965 234, 2 Mill.
Kann der zumeist verwaltungsunkundige Professor den Riesenbetrieb verantwortlich gestalten, mitprägen — im Nebenamt? Soll er z. B. in die evtl, entstehenden Regreßpflichten nach dem Votum des Rechnungshofes genommen werden? Oder soll, so ist von kundiger Seite gefragt worden, „der Kanzler ständig für die , Verwaltungskunst'anderer haften?" Fragen, die in der konkreten Diskussion von den Betroffenen durchweg verneint werden. Was aber ist zu tun? Vor kurzem hat Professor Mallmann „Materialien zur Diskussion um das Hessische Hochschulgesetz" vorgelegt. Es handelt sich um eine dankenswerte Bereicherung der Diskussion. Auf Seite 47 seiner „Materialien" konstatiert Mallmann: „Der Rektor ist gar nicht imstande, allein und selbständig alle die Aufgaben zu bewältigen, die ihm jetzt schon obliegen und die ihm darüber hinaus der Entwurf zuweist. Er bedarf nicht bloß eines Vertreters für die Fälle seiner Verhinderung. Er bedarf darüber hinaus ständiger Unterstützung, sei es in der Weise, daß ihm längerfristig bestellte Vertreter oder Sonderbeauftragte zur Seite gestellt werden."
Wie aber sollen Vertreter oder Sonderbeauftragte an-und eingesetzt werden? Wenn Mallmann aber z. B. fordert, in das Gesetz solle die Befugnis des Rektors eingehen, an allen die Hochschule betreffenden Haushalts-beratungen im Kultusministerium teilzunehmen, so stimme ich voll zu. Auch andere Vorschläge lassen sich gewiß realisieren. Nur setzen sie m. E.den mehrjährig amtierenden Rektor voraus.
Auch „die Rektorenkonferenz spiegelt die Schwäche wider, die sich aus dem häufigen Wechsel im Rektorat ergibt", ist in Würzburg konstatiert worden.
In dieselbe Richtung weist, was Professor Werner Weber gesagt hat: „In der Zusammensetzung der Senate besteht ein häufiger Wechsel und auch das Rektorat wechselt alle ein oder zwei Jahre, und wenn man die Prorektorzeit einbezieht, ist jedenfalls alle drei Jahre eine völlige Wachablösung eingetreten .. . Zum eigentlichen Agieren im Sinne des Ausbauens einer eigenen hochschulpolitischen Position bleibt wenig Gelegenheit, auch wenn die Bereitschaft dazu vorhanden wäre. Langfristige Dispositionen sind unmöglich. Wo Rektoren und Senate sie gleichwohl ins Auge fassen, verlaufen die Projekte allzu leicht in den nächsten Jahren wieder im Sande, um vielleicht gegenläufigen Plänen Platz zu machen. Es ist zu einem wesentlichen Teile Sisyphusarbeit, mit der sich Rektoren und Senate abmühen ..."
Diese Lage mit besseren Ordnungen zu überwinden, ist der Grundgedanke des hessischen Gesetzentwurfes. Er steht zur Zeit auf parlamentarischer Ebene zur Debatte. Es wäre gut, wenn der Entwurf alle Regelungen noch aufnehmen könnte, die den obengenannten Übelständen entgegenzuwirken geeignet sind. Ich selbst bin überzeugt, daß die funktionierende akademische Selbstverwaltung, von einem den Sachen verbundenen Rektor geleitet, es nicht zu dem Grundübel im Bereich der sogenannten Massenfächer, den unsinnig übersteigerten Studienzeiten, hätte kommen lassen.
Vielleicht gäbe es dann auch eine Universitätsstatistik, die von der Substanz der Universität her konzipiert ist, in diesem Sinne also eine „Betriebsstatistik". Die Universitäten sind zur Zeit gewiß die einzigen Großbetriebe, die ohne eine Betriebsstatistik auszukommen suchen.
Beschränkung der Studienzeiten
Den Wind, auch den Sturm der öffentlichen und internen Diskussion haben die §§ 16 Abs. 3 und 17 Abs. 3 erlebt. Der in der Öffentlichkeit durchweg energisch anerkannte, von den Senaten bestrittene Text hat folgenden Wortlaut: § 16 Abs. 3:
„Die Fakultäten sind dafür verantwortlich, daß die Studenten innerhalb der vorgeschriebenen Studienzeit in sachgerechter Reihenfolge über alle notwendigen Fächer ihres Studienbereichs Vorlesungen, Übungen und andere Unterrichtsveranstaltungen besuchen und ihr Studium abschließen können. Hierzu stellen die Fakultäten langfristige Studienordnungen auf; sie führen regelmäßige Studienberatungen, insbesondere für die Studenten der Anfangs-und Prüfungssemester, durch. Die Fakultäten wirken zusammen mit den Prüfungsämtern und den Prüfungsorganen darauf hin, daß die Studenten in der Regel die in den Prüfungsordnungen festgesetzten Studienzeiten einhalten.“
Das Wort „verantwortlich" hat in der Diskussion Sperrwirkungen verursacht. Es kann m. E. ersetzt werden, wenn nur die Sache, um die es geht, angepackt wird. Zugrunde liegt der hier schon zweimal anvisierte Sachverhalt der exorbitant überzogenen Studienzeiten. Wenn es nicht sofort zu Regelungen kommt, die dem Studenten wieder die Einhaltung vernünftiger Studienzeiten ermöglichen, wirkt jede Hochschulreform ins Leere. So wie die Dinge zur Zeit liegen, kommt immer stärker die Sorge auf, der Geldstrom für unsere wissenschaftlichen Hochschulen komme nicht der Fruchtbarkeit eines Gartens zugute, sondern fließe durch ein Sieb.
Dem Wucherungsprozeß, Anstieg der Studentenzahlen durch Dehnung der Studienzeiten muß eventuell auch mit der „bitteren Medizin“ begegnet werden, von der Eschenburg gesprochen hat. Die Lage ist für unser Gemeinwesen unerträglich geworden. Die Zahl der Studenten steigt, die Zahl der Studenten, die ans Ziel des Studiums gelangen, nimmt ab. Die kürzlich von den Rektoren empfohlene Begrenzung der Immatrikulation kuriert nach der fast einhelligen Meinung der sachverständigen Presse nur ein Symptom.
Es ist richtig, was der Bundestagsabgeordnete Dichgans in genauer Kenntnis der Sachlage eindringlich gefordert hat: „ 1. Jede Überdehnung der Ausbildung führt zu einer negativen Auslese und damit zu einer Verminderung der Qualität, weil sie die aktivsten und vitalsten jungen Leute am meisten abstößt. 2. Die Ausbildung in Schule, Hochschule und Vorbereitungsdienst soll so gestaltet werden, daß das Schlußexamen auch von den Wehrpflichtigen im Regelfall spätestens mit 26 Jahren abgelegt werden kann."
Und Werner Heisenberg hält ja sogar für 70 bis 80 Prozent der Studenten das Physik-examen nach acht Semestern für möglich. Aber man frage einmal nach der Wirklichkeit!
Flat man übrigens am § 16 Abs. 3 genügend beachtet, wie sehr sein Inhalt auf ein Zusammenwirken von Universität und Kultusminister angelegt ist? In der Realisierung dieser Vorschrift, ihren personalen und materiellen Regelungen, sind Universität und Kultusverwaltung aufeinander angewiesen.
In die universitäre Kritik ist auch § 17 Abs. 3 geraten:
. A . a , 112 , SP „Der Dekan ist dafür, verantwortlich, daß die Angehörigen des Lehrkörpers ihre Lehrverpflichtungen ordnungsgemäß erfüllen."
f . id. i: 1Die Formulierung „verantwortlich" hat Anstoß erregt. Aber es kommt nicht auf den Begriff an. Möglicherweise ? ist der Konstanzer Text besser: > * „Die Dekane wahren die innere Ordnung der Fakultäten; insbesondere tragen sie dafür Sorge, daß die Lehrpläne erfüllt sowie die Lehr-und Prüfungsverpflichtungen eingehalten werden."
Wie die Sache selbst gerade auch von bedeutenden Professoren eingeschätzt wird, ist im Aufsatz von Martini: Voraussetzungen zur Hochschulreform, in: Stimmen der Zeit, Heft 9/1964, nachzulesen.
Das Berufungsverfahren
Packen wir auch noch ein anderes heißes Eisen an: die Bindung der Berufungsvorschläge und Berufungsverfahren an Fristen. § 24 des Gesetzentwurfes verpflichtet die Fakultäten, binnen sechs Monaten nach dem Freiwerden eines Lehrstuhles dem Kultusminister die sogenannte Dreierliste vorzulegen; der Kultusminister muß den Ruf in der Regel innerhalb eines Monats erteilen. Der Entwurf folgt einer Forderung der Hochschulen, wenn im Falle der Emeritierung eines Professors die Berufungsliste schon sechs Monate vor der Entpflichtung vorliegen soll. „Findet eine Ausschreibung statt, so verlängert sich die Vorlagefrist um zwei Monate." Mir ist berichtet worden, daß einige Hochschulen mit dem System der Ausschreibung überraschend gute Erfahrungen gemacht haben.
Soweit ist nur geringer Streit entstanden. Furioser ging es zu bei der Diskussion des § 24 Abs. 5: „Der Kultusminister kann eine von der Fakultät nicht vorgeschlagene Persönlichkeit berufen. Der Kultusminister hat vor der Erteilung des Rufes der Fakultät Gelegenheit zur Stellungnahme über die Eignung der in Aussicht genommenen Persönlichkeit zu geben. Die Stellungnahme ist mit einem Gutachten des Senats binnen sechs Wochen dem Kultusminister mitzuteilen."
Um den sogenannten Oktroi geht es also! Ich habe dazu noch einmal die Akten studiert, in denen sich das Gespräch zwischen der Rektorenkonferenz und den Kultusministern im Jahre 1954 zu diesem Thema niedergeschla-gen, fast hätte ich gesagt, kondensiert hat. In den Dokumenten zur Hochschulreform der Westdeutschen Rektorenkonferenz (S. 56 ff.) steht der von dem damaligen Ministerialdirigenten und jetzigen Staatsrat Dr. von Hepe gefaßte Extrakt der Diskussion des Problems zwischen Rektorenkonferenz und Kultusminister-Konferenz: „Berufungen auf planmäßige Professuren erfolgen auf Vorschlag der Hochschule (Fakultät) durch die Kultusminister. Der Minister ist an die Vorschläge nicht gebunden. Sieht er sich nicht in der Lage, den Vorschlägen zu entsprechen, so soll der Hochschule (Fakultät) Gelegenheit zu neuen Vorschlägen oder zur Stellungnahme über die persönliche und fachliche Qualifikation der vom Minister in Aussicht genommenen Persönlichkeit gegeben werden."
Dem entspricht der Text des hessischen Entwurfes. Es ist auch klar, daß „Oktroyierungen zweifellos Ausnahmefälle (sind), die nicht ohne schwerwiegende, zwingende Gründe vorgenommen werden. . . . Aus dem Wesen der Freiheit von Forschung und Lehre und dem verfassungsmäßig verbrieften Recht der Selbstverwaltung wird neuerdings zuweilen abgeleitet, daß jede Oktroyierung einen unzulässigen Eingriff in diese Grundsätze darstelle. Dem kann in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht nicht zugestimmt werden. Der Kultusminister hat das Recht, auch einmal eine Berufung ohne einen Vorschlag auszusprechen. Eine in Gestalt eines Oktroi vorgenommene Ernennung ist rechtlich wirksam. Das Wichtige an dem Oktroi ist jedoch nicht die Tatsache, daß er ausgeübt wird, sondern daß er als ultima ratio ausgeübt werden kann. Insofern kann er ein gesundes Gegengewicht gegen eine Handhabung des Vorschlagsrechts von Fakultäten bilden, die sich in der Ergänzung ihrer Lehrkörper in zu engen Grenzen bewegen, ..."
Ich glaube, daß für die gesetzliche Regelung dieses Sachverhaltes besonders in Betracht kommt, was Walter Mallmann in seinen „Materialien zur Diskussion des Hessischen Hochschulgesetzes" vorgeschlagen hat, daß nämlich nur in den „engen Grenzen einer sachgebundenen, der Erzielung größtmöglicher Sachrichtigkeit der Berufung dienenden Befugnis" ein Recht zum Oktroi anerkannt werden könne, soweit aber auch anerkannt werden müsse. „Es verletzt die Freiheit des Forschers und Lehrers nicht, und soweit dadurch die Befugnisse der Hochschule tangiert werden, ist dies gerechtfertigt, weil es der nicht zu bestreitenden Verantwortung des Staates für die Förderung der Wissenschaften, die Erziehung und auf dem Gebiet der Finanzen (BVerfGE 15, 265) Rechnung trägt."
Zum Habilitationsverfahren
Von der im hessischen Gesetzentwurf vorgesehenen Neuregelung des Habilitationsverfahrens sollte ich noch sprechen. Idi verweise aber nur auf den vom Senat zu bestellenden Habilitationsausschuß, „dem Mitglieder verschiedener Fakultäten und ein Vertreter des Rates der Nichtordinarien angehören. Der Ausschuß hat auf Antrag des Habilitanden oder eines Angehörigen des Lehrkörpers das Recht, sich jederzeit über den Stand des Verfahrens zu unterrichten. Er sorgt für den zeit-und sachgerechten Ablauf des Habilitationsverfahrens, soweit dies erforderlich ist."
Die hessische Landesregierung folgt damit einer Anregung des Wissenschaftsrates.
Mehr wäre zum 4. Abschnitt der Regierungsvorlage „Student und Studentenschaft" anzumerken, weil § 31 Abs. 2 („Die Studentenschaft bildet innerhalb der Hochschule eine rechts-fähige Körperschaft des öffentlichen Rechts") den Widerspruch der Senate erfahren hat.
Man hat in der Regelung „Nachgiebigkeit gegenüber den übertriebenen Forderungen der Studentenschaft" gesehen. Dieses vorschnelle Urteil verkennt unter anderem die Tatsache, daß die Studenten der Hochschulen Darmstadt und Gießen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts längst besitzen. Es lag keinen Moment in der Absicht der Landesregierung, Studentenschaften in ihrer Rechtsstellung zu reduzieren. Angesichts dieser Sachlage konnte nur der an zwei Hochschulen bewährte Rechtsstatus auch den Studentenschaften der Universitäten Marburg und Frankfurt gewährt werden. Im Landtag habe ich dazu noch folgendes gesagt: „Es kann darüber hinaus überhaupt als Grundzug des vierten Abschnitts des Gesetz-entwurfs gelten, die Pflichten und die Rechte der Studentenschaften so zu bemessen, daß ihre Mitarbeit in der Hochschule und ihre Verantwortung vor dem Ganzen einen möglichst großen Wirkraum erhält. Die Regelung des Entwurfs bringt der Studentenschaft jedenfalls ein Höchstmaß an Vertrauen entgegen. Ich bin sicher, daß die Studentenschaft dieses Vertrauen nicht enttäuschen wird. Es ist eine Erfahrungstatsache, daß Aufgaben und Rechte erst die Verantwortungsfreudigkeit begründen. Möglicherweise ist dies auch der Weg, manche verkrampfte Situation im Miteinander von Professorenschaft und Studentenschaft zu entzerren. Sieht man genau hin, so wirkt sich ein in der Sache zumeist nicht begründetes Mißtrauen aus. Ich habe keinen Zweifel, daß die Befürchtung grundlos ist, die — sachlich notwendige — Bemessung der Rechte d . Studenten entfremde diese den Hochschulen. Ich erwarte die gegenteilige Entwicklung."
Zur Lehrfunktion der Universität
Selbstverständlich ist dem hessischen Hochschulgesetzentwurf auch der Grundsatz der Einheit von Forschung und Lehre immanent. Der Grundsatz selbst ist neuerdings neu akzentuiert worden, z. B. in einem instruktiven Aufsatz von Robert Heiß (Merkur, Februar 1965). Die Argumente und Sorgen Robert Heiß', die der konkreten Lage unserer Universitäten entstammen, sind gewiß der Sachdiskussion anheimgegeben: „Die Konsequenz, die sich aus diesem und vielen anderen Beispielen ziehen läßt, liegt auf der Hand: Wir können nicht umhin, Forschung und Lehre organisatorisch zu trennen. Bleibt es bei den Massenuniversitäten, dann ist es notwendig, in weitaus größerer Zahl als bisher Forschungszentren für alle Disziplinen und Gebiete zu gründen. Es ist notwendig, einen zweiten Typus der Universität zu entwickeln, wie es einstmals notwendig war, die höhere Schule von der eigentlichen Hochschule zu trennen. Daß alles getan werden muß, um beide Universitätsformen im engsten Zusammenhang zu halten, ist selbstverständlich. Aber man dient weder der Forschung noch den heutigen spezialisierten Ausbildungsnotwendigkeiten, wenn man in einer nicht mehr erträglichen Weise beide Aufgaben miteinander vermischt."
Ich selbst glaube, daß der Gesetzgeber auch dazu Hilfe leisten müßte. Mir scheint, daß der Sachverhalt eine neue Akzentuierung erfahren kann.
Das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre birgt für den Lehrstuhlinhaber den Anspruch Forscher und Lehrer zu sein. Wer also die universitäre Didaktik nicht beherrscht, wer den jeweiligen Sachstand der Wissenschaft nicht lehrend mit den adäquaten Methoden und Lehrverfahren den Studenten einzuprägen versteht, verstößt gegen das Prinzip der Einheit von Forschung und Lehre. Die Frage entsteht, ob bei Berufungen diese Befähigung, die dem Prinzip gemäß zu fordern ist, dieselbe Bewertung erfährt wie die nachgewiesenen Leistungen in der Forschung.
Die Verwaltung der Universitäten
Davon, wie der hessische Gesetzentwurf die Probleme der akademischen und Wirtschaftsverwaltung regelt, will ich im einzelnen nicht mehr reden, zumal Magnifizenz Kotter in seinem Beitrag über die Münchner Universitätssatzung gewiß diese Sachverhalte besonders akzentuieren wird. Es ist durchaus wünschenswert, daß der hessische Entwurf von daher Anregungen erfährt. In der hessischen Regierungsvorlage ist der ursprünglich vorgesehene Dualismus von akademischer und staatlicher Verwaltung auf Vorschlag der Hochschulen ganz aufgegeben worden. Auch die Wirtschafts-und Personalangelegenheiten werden von den zuständigen Hochschulorganen im Auftrage des Landes verwaltet. Nach dem Wunsche der Hochschulen ist der Kanzler Organ der Hochschule. Die Modalitäten seiner Berufung können m. E. anders als vorgesehen geregelt werden, das heißt, nicht nur „im Benehmen" mit dem Rektor und Senat. Auch die bei Anwendung spezieller Interpretationskünste vielleicht mißverständlichen Formulierungen können und sollen klarer gefaßt werden, wenn man damit dem Sinn des Gesetzes näher kommt, der Selbstverwaltung der Universität Hilfe zu bringen. Die Regelungen des Gesetzentwurfes bieten jedenfalls einem „Staatskommissar" keinen Raum. Nur wenn man — wie das sogar einem Professor der Jurisprudenz passiert ist — aus dem Text des § 20 Abs. 4 („Der Kanzler besorgt nach Maßgabe der Hochschulsatzung die laufenden Geschäfte der Akademischen Verwaltung") die entscheidenden Worte nach Maßgabe der Hochschulsatzung'wegläßt, kann man von Eingriffen in die akademische Autonomie reden und ein Gespenst an die Wand malen. Aber jedermann weiß doch, daß die Hochschulsatzungen von den autonomen Organen der Hochschule formuliert werden. „Die Universität braucht den Verwaltungsfachmann", so hat der Kanzler der . Universität Bochum einen höchst lesenswerten Aufsatz überschrieben (Handelsblatt vom 2. 8. 1965). § 21 des hessischen Entwurfes sucht in diesem Sinne mit der Einrichtung eines Verwaltungsrates weiterzukommen. Die Landesregierung hatte ursprünglich den Verwaltungsrat nur als ein Beratungsorgan vorgesehen, sie ist aber dem Vorschlag der Hochschulen gefolgt, den Verwaltungsrat zum Beschlußorgan zu erheben. Auch über die Aufstellung des Haushaltsvoranschlages soll der Verwaltungsrat beschließen. Darüber hinaus haben die Hochschulen selbst vorgeschlagen: „Hält der Kanzler Beschlüsse des Verwaltungsrates für rechtswidrig, so hat er sie zu beanstanden. Glaubt er hinsichtlich der Ausübung des Ermessens Bedenken äußern zu müssen, so hat er seine Ansicht schriftlich niederzulegen. Der Rektor hat den Beschluß des Verwaltungsrats zusammen mit dem Bericht des Kanzlers dem Minister zuzustellen."
Hinzu kommt, daß der Kanzler als Sachbearbeiter des Haushalts entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen verantwortlich ist für die Einhaltung der Grundsätze einer wirtschaftlichen und sparsamen Verwaltung. Welcher Professor wäre bereit, diese mit Regreßansprüchen beladene Verantwortung des Kanzlers an dessen Statt zu übernehmen? Den Kultusminister kann sowieso niemand aus der Verantwortung vor dem Parlament lösen.
Vor allem aber: Dem Verwaltungsrat gehören, wiederum einem Vorschlag der Hochschulen zufolge, der Rektor, vier weitere Hochschullehrer, ein Student und der Kanzler an; also sechs Vertreter des inneren Bezirks der Hochschulen und der eine Verwaltungsfachmann. Nur wenn man sich auf den absurden Gedanken einläßt, der Kanzler werde von vornherein darauf aus sein, auch die vernünftigen Beschlüsse der akademischen Mehrheit des Verwaltungsrates zu sabotieren und ein Kultusminister werde dem Kanzler darin folgen, nur wenn man an diese absolut unsinnige Prämisse glaubt, kann man schreiben, der Kanzler regiere „in Wahrheit" den Verwaltungsrat, dieser werde von ihm nicht nur kontrolliert, sondern beherrscht, „da er jeden Beschluß völlig selbständig torpedieren kann“. Hier ist nun allerdings die Diskussion am Ende. Auch dann, wenn eine von Mißtrauen verführte Phantasie in dem Satz kulminiert: „Der Kanzler soll auch bei Berufungen mitwirken." Vermutlich hat der Verfasser dieser These daran gedacht, daß der Kanzler (dem Vorschlag der Hochschulen gemäß) Mitglied des Senats ist und dort in der Regel Berufungsvorschläge formell beschlossen werden. Aber wirkt der Chirurg als Mitglied des Senats an der Berufung des Althistorikers mit, wenn ein solcher Vorschlag den Senat passiert?
Im ganzen will also der hessische Gesetz-entwurf neue Wege öffnen, auf denen die Hochschulen selbst ihre Ziele erreichen können.