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Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) | APuZ 2/1966 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 2/1966 Das bilaterale Paktsystem der Sowjetunion in Osteuropa Der Warschauer Pakt Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON)

Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON)

Alexander Uschakow

I. Die Entstehung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe

Abbildung 3

Den äußeren Anlaß für die Errichtung des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe bildete die Notwendigkeit, der OEEC von sowjetischer Seite eine ähnlich geartete Wirtschaftsorganisation entgegenzusetzen und die Volksdemokratien von einer Beteiligung an dem Marshall-Plan abzuhalten. Unter dem Druck des Kremls zogen Polen, die Tschechoslowakei und Jugoslawien ihre Zusagen für die Teilnahme an der Pariser Konferenz über ein Wiederaufbauprogramm für Europa zurück und nahmen auf Grund des sogenannten Molotow-Plans an den vorbereitenden Arbeiten für die Errichtung einer osteuropäischen Wirtschaftsorganisation unter Führung der Sowjetunion teil.

Am 25. Januar 1949 gründeten die Vertreter der Sowjetunion, Bulgariens, Ungarns, Polens, Rumäniens und der Tschechoslowakei auf einer Wirtschaftskonferenz in Moskau einen Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Im Februar 1949 wurde Albanien und im September 1950 die . DDR“ in die Organisation ausgenommen. Jugoslawien war schon damals an einem Beitritt zum Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RgW) interessiert, wurde aber auf Grund des Konflikts mit Moskau und dem Kominform nicht zur Gründungskonferenz zugelassen. Erst nach der Beilegung dieses Konflikts im Frühjahr 1955 erhielten die jugoslawischen Vertreter auf der Berliner Ratstagung im Mai 1956 den Status eines Beobachters.

Infolge der erneuten Spannungen mit dem Ostblock war es Jugoslawien nach 1958 nicht mehr möglich, an den Arbeiten des RgW teilzunehmen. Auf dem Hintergrund des sowjetisch-chinesischen Konflikts kam es zu einer allmählichen Annäherung Jugoslawiens an die von der Sowjetunion geführte kommunistische Staatengruppe, die mit dem Assoziierungsvertrag Jugoslawiens beim RgW vom 17. September 1964 einen vorläufigen Abschluß erreichte. Von den asiatischen Volksdemokratien gehört nur die Mongolei seit dem 6. Juni 1962 dem RgW an. Die Volksrepublik China entsandte „Beobachter“ zu den Ratstagungen zwischen 1956 und 1961; seit 1957 bzw. 1958 arbeiten Nord-Korea und Nord-Vietnam (ohne Mitgliedschaft) mit der östlichen Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Die asiatischen Volksdemokratien gehören mit Ausnahme der Mongolei nicht als Vollmitglied dem RgW an, sie können aber in Wirtschaftsfragen ihre Meinungen darlegen, Auskünfte und Unterlagen anfordern und eine enge wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten des RgW organisieren.

Aus dem Gründungskommunique des RgW geht hervor, daß die neue kommunistische, Wirtschaftsorganisation von der sowjetischen Führung einerseits als Gegenzug zum Marshall-Plan, andererseits als ein weiterer Schritt zur Integration der europäischen Ostblockländer ausersehen war. Den Ausgangspunkt dieser Entwicklung bildete der verstärkte Ausbau des bilateralen Paktsystems seit 1948 und die beschleunigte Angleichung der einzelnen Nationalwirtschaften an das sowjetische Wirtschaftsmodell. Nach der militärisch-politischen Abschirmung des von ihr beherrschten Raumes begann die Sowjetunion mit der wirtschaftlich-regionalen Integration des „sozialistischen Weltmarktes". Durch die Errichtung des Comecon sollte gemäß dem Gründungsbeschluß diese Entwicklung weiter forciert und eine „weitgehende wirtschaftliche Zusammenarbeit" zwischen der Sowjetunion und ihren Satelliten herbeigeführt werden.

Obwohl die internationalen Wirtschaftsorganisationen den Abbau der bilateralen Lenkung bedeuten, hielten die Sowjets auch nach der Gründung des RgW an dem bewährten und für sie günstigen System des strengen Bilateralismus fest, das es ihnen besser als die neu-errichtete multilaterale Organisation ermöglichte, ihr wirtschaftliches Übergewicht zur Geltung zu bringen sowie durch Intensivierung des Außenhandels mit Hilfe der langfristigen Handels-und Zahlungsverträge eine Umschaltung des bisher vornehmlich westlich orientierten Außenhandels der Volksdemokratien herbeizuführen. Der Gedanke der Multilateralität, der Gemeinsamkeit, setzt voraus, daß jeder Staat mit jedem anderen in Rechts-beziehungen tritt und gleichzeitig auch allen gemeinsam gegenüber berechtigt und verpflichtet ist. Im Rahmen des Comecon wurden zwar die einzelnen Volkswirtschaften multila-teral zusammengefaßt, es kam aber nicht zur gegenseitigen Verflechtung der Beziehungen, weil die erste Integrationsphase nach dem Bedarf der Sowjetunion ausgerichtet war In Verbindung mit den gemischten Gesellschaften, die aus der ersten Zeit der Nachkriegs-entwicklung stammten, fand eine Gleichschaltung des Außenhandels der Volksdemokratien, aber keine Multilateralisierung statt. Die Geschichte des RgW ist bis auf die Gegenwart von den Reformversuchen ausgefüllt, das Problem der multilateralen Wirtschaftsbeziehungen im Ostblock zu lösen.

II. Die Entwicklung des Comecon

Diese Tätigkeit des RgW beschränkte sich in den ersten Jahren nach seiner Gründung hauptsächlich auf die Ausarbeitung genereller Richtlinien für den Warenaustausch. In dieser Phase, die bis 1954 andauerte, wurde das Außenhandelsverfahren mittels des staatlichen Außenhandelsmonopols vereinheitlicht. Diese mehr äußerliche Homogenität der einzelnen nationalen Volkswirtschaften konnte nicht verhindern, daß die bisherige autarke Wirtschaftspolitik, die sich am Schema der sowjetischen Wirtschaftsentwicklung orientierte, weiter fortgeführt wurde. Die vom RgW ausgehenden Integrationstendenzen waren in dieser Periode nicht stark genug, um die nationale Wirtschaftspolitik auf der Grundlage des Staatshandels aufzulockern; denn das Außenhandelsmonopol ist ein systemnotwendiger Bestandteil einer zentralen Verwaltungswirt-Schaft nach sowjetischem Vorbild. Es läßt den Außenhandel zur Funktion der Außenpolitik werden. Diese verfassungsmäßige Kompetenz ist ein wesentlicher Teil seiner politischen Souveränität und die wirtschaftliche Integration bedeutet dort die Aufteilung der politischen Macht.

Stärker als in den westeuropäischen Gemeinschaften wird der wirtschaftliche Integrationsprozeß im RgW von der politischen Auseinandersetzung geprägt. Auf der Januar-Gründungskonferenz 1949 in Moskau waren sich die Schöpfer des RgW nicht mal über die genaue Struktur der Wirtschaftsorganisation im klaren. Man hat beschlossen, eine Wirtschaftsgemeinschaft zu errichten, ohne ihre Kompetenzen, Gliederung und Befugnisse näher zu bestimmen. Bis zehn Jahre später eine formelle Satzung des RgW von den Mitgliedsländern angenommen wurde, richtete sich die Tätigkeit und Organisationform des RgW nach den adhoc-Beschlüssen der Ratstagungen.

Die 1. Tagung des RgW vom 26. bis 28. April 1949 in Moskau konstituierte endgültig die östliche Gemeinschaft als eine internationale Wirtschaftsorganisation und legte ihre Hauptaufgaben fest. Man hat vereinbart, den Außenhandel zwischen den Mitgliedsländern als Mittel der wirtschaftlichen Zusammenarbeit auszubauen. Schon auf der ersten Ratstagung tauchte das bisher nicht gelöste Problem der Preise und der Verrechnung innerhalb der Gemeinschaft auf.

Die 2. Tagung des RgW vom 25. bis 27. August 1949 in Sofia erörterte Grundsätze und Maßnahmen für eine wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit der Ratsländer und hat entsprechende Empfehlungen für zweiseitige Verträge ausgearbeitet. Die politische Gleichschaltung der Volksdemokratien und der Übergang zur langfristigen Wirtschaftsplanung blieb nicht ohne Einfluß auf den Comecon. Auf der zweiten Ratstagung wurde beschlossen, daß neben den jährlichen Handelsverträgen langfristige, den nationalen Fünfjahrplänen angepaßte Abkommen geschlossen werden sollen. Eine der augenfälligsten Leistungen des Comecon ist sicher die internationale Vereinheitlichung des Warenkaufrechts, die in Sofia 1949 begann und über zweiseitige Lieferbedingungen und formularmäßige Kontrakte schließlich zur multilateralen Lösung dieses schwierigen Problems in den Allgemeinen Lieferbedingungen des RgW von 1958 führte

Auf der 3. Ratstagung vom 24. bis 25. November 1950 in Moskau beriet man über wirtschaftliche Fragen, die durch die Koreakrise auf dem Weltmakt ausgelöst wurden. Die Verteuerung der Rohstoffe zwang die kommunistischen Länder, ihr bis dahin beibehaltenes System der Weltmarktpreise aufzugeben und den gegenseitigen Handel auf künstlich fixierten Preisen aufzubauen. Infolge des westlichen Embargos für strategisch wichtige Güter mußte sich der RgW mit der Frage der Umorganisation seines Handels befassen. Auf dieser Tagung spielte auch die Koordination der ab 1951 beginnenden Fünfjahrpläne eine wichtige Rolle.

Zwischen 1950 und 1954 fanden während der Alleinherrschaft Stalins keine Ratstagungen statt. Erst nach seinem Tode leitete die 4. Tagung des RgW vom 26. bis 27. März 1954 in Moskau einen neuen Abschnitt der Entwicklung ein. In den Mittelpunkt seiner Aufgaben wurden jetzt die Abstimmung der Produktion und die Schaffung neuer Kapazitäten gestellt. Es hat sich nämlich in der Vergangenheit gezeigt, daß ein einfacher Warenaustausch ohne gleichzeitige Koordination der Produktion unter Beibehaltung des nationalen Volkswirtschaftsrahmens zum Ausbau von Industriezweigen geführt hatte, die nicht so sehr vom ökonomi4) sehen als vielmehr vom nationalen Prestige diktiert waren. Diese Entwicklung wurde noch dadurch gefördert, daß die volksdemokratischen Länder nicht untereinander, sondern ausschließlich vertikal nach dem sowjetischen Gravitationszentrum ausgerichtet waren. Diesem „Scheinmultilateralismus" lag die Idee einer komplexen nationalen Wirtschaftspolitik zugrunde, die eine wirtschaftliche Integration hemmte. Auf der 4. Ratstagung wurde grundsätzlich anerkannt, den einseitigen Bilatera-lismus mit der Sowjetunion im Rahmen des Comecon zu beenden. Nach den Beschlüssen der Ratstagung sollten zuerst die Volkswirtschaftspläne der Volksdemokratien untereinander und in der zweiten Stufe mit dem Entwicklungsplan der Sowjetunion abgestimmt werden. Es war auch daran gedacht, den Schwerpunkt vom Außenhandel auf die Koordination der Produktion mit Hilfe der zwischenstaatlichen Investionsplanung zu verlagern. Diese Aufgabe erwies sich aber als so kompliziert, daß erst 1962 überhaupt theoretisch die Investitions-Frage im RgW erörtert werden konnte. Im Jahre 1954 machte sich das veränderte politische Klima nach dem Tode Stalins auch im Comecon bemerkbar. Da die staatspolizeilichen Klammern, die unter Stalin in erster Linie die Einheit des Ostblocks verbürgten, an Spannkraft einbüßten, war eine Änderung der bisherigen Methoden der Wirtschaftsintegration notwendig. Die neue wirtschaftspolitische Konzeption zielte nunmehr primär auf die Koordinierung der nationalen Produktionspläne und eine internationale Arbeitsteilung innerhalb des Ostblocks hin. Damit mußte auch dem RgW eine weitaus größere Bedeutung zufallen, als dies in der ersten Phase seiner Entwicklung am Ausgang der Stalin-Ära der Fall war. Das zunehmende politische Bewußtsein der Volksdemokratien und die dadurch bedingte Differenzierung der Rechtspositionen innerhalb des Ostblocks wirkte sich auf die Willensbildung und die Organisationsform des RgW aus. Um zu verhindern, daß die wirtschaftliche Integration, wie unter Stalin, allein nach Moskaus Direktiven gelenkt wird, beschloß die 4. Ratstagung, die Zusammenkünfte im RgW mindestens zweimal im Jahr durchzuführen. Außerdem wurde das bisherige Büro in ein Sekretariat umgewandelt und ein neues Organ des RgW, die Tagung der Ländervertreter im Rat, etabliert. Auf der 5. Tagung des Rates vom 24. 125. Juni 1954 in Moskau stand erneut die Abstimmung der Investitionen im Mittelpunkt der Beratung. Darüber hinaus hat man die Prioritätsskala der Koordinierungspläne für die einzelnen Produktionszweige aufgestellt Die Bemühungen der nationalen Planungsorgane sollten sich nach diesem Katalog zuerst auf den Ausbau der Schwerindustrie konzentrieren. Es folgte die Abstimmung der Maßnahmen in der Leichtindustrie, der Chemie, des Maschinenbaus und des Energiewesens. Zum erstenmal berührte man auch das heikle Thema der Rohstoffbasis des Comecon.

Die 6. Tagung des RgW vom 7. bis 11. Dezember 1955 in Budapest fiel in die Zeit des „neuen Kurses" unter Malenkow. 1955 liefen die langfristigen Handelsverträge aus; es wurde in Budapest über den Abschluß neuer Abkommen für die Zeit von 1956 bis 1960 beraten. Man legte dabei mehr als bisher Nachdruck auf die Konsumgüterversorgung.

Mit der 7. Tagung des Rates vom 18. bis 25. Mai 1956 in Ost-Berlin, die unter unmittelbarer Wirkung des 20. Parteitags der KPdSU stand, wurden die konkreten Grundlagen für die Koordinierung der nationalen Volkswirtschaftspläne festgelegt. Sie war in den vorangegangenen Monaten durch eine Reihe von Fachkommissionen gründlich vorbereitet worden. Die Tagung nahm erstmalig eine Spezialisierung und Aufteilung der Maschinenbau-produktion für 600 Erzeugnisse auf die einzelnen Mitgliedsländer des Comecon vor. Mit diesen Spezialisierungsbeschlüssen wurde der Keim für die politischen und wirtschaftlichen Spannungen im Comecon gelegt, weil sie einseitig den bisherigen industriellen Entwicklungsstand fixierten und die „DDR" und Tschechoslowakei begünstigten. Nicht zuletzt wegen des passiven Widerstandes der „armen" Länder gegen die Beschlüsse der Berliner Tagung blieben die Integrationspläne im RgW nur auf dem Papier stehen. Ein ähnliches Schicksal wurde auch dem multilateralen Clearing zuteil, der auf der Tagung mit Wirkung vom 1. Januar 1957 für die Mitgliedsländer bei der sowjetischen Staatsbank in Moskau eingerichtet worden ist. In der Praxis hat dieses Verfahren keine effektive Bedeutung erlangt, weil das Verrechnungsabkommen nur „planungsüberschüssige Waren“ der einzelnen Länder zum multilateralen Austausch vorsah. Die Folge davon war, daß die kommunistischen Länder multilateral nur minderwertige Waren bereitstellten, die im innerstaatlichen Handel keinen Abnehmer fanden. Auf der Tagung versuchte man auch, eine neue Form der Wirt-

schaftsverflechtung einzuführen. Mit Hilfe einer direkten Zusammenarbeit zwischen den Branchenministerien und den zentralen Planungsbehörden der einzelnen Mitgliedsländer glaubte man einen Hebel zur beschleunigten Integration gefunden zu haben. Auch dieser Versuch ist kaum über bescheidene Anfänge hinausgekommen. Die 8. Ratstagung vom 18. bis 22. Juni 1957 in 'Warschau mußte sich mit den wirtschaftlichen Folgen des ungarischen Aufstands vom Herbst 1956 beschäftigen und ihre auf der Berliner Tagung abgestimmten Pläne für 1956— 1960 korrigieren. Darüber hinaus beschloß der Rat, allmählich auch zur langfristigen Perspektivplanung für wichtige Produktionszweige über zehn und fünfzehn Jahre überzugehen. Im Kommunique über die Warschauer Tagung findet sich zum erstenmal der Grundsatz der „sozialistischen gegenseitigen Hilfe" aus der Zwölferdeklaration der Kommunistischen Parteien von 1957, die den völkerrechtlichen Kern des „sozialistischen Internationalismus" ausmacht und später als Rechtsgrundsatz in die Satzung des RgW ausgenommen worden ist. Grundlegende Bedeutung für die weitere Tä-, tigkeit des Rates hatte die Tagung der Vertreter der Kommunistischen und Arbeiterparteien vom 20. bis 23. Mai 1958 in Moskau. Es war offenbar die Idee Chruschtschows, die wirtschaftliche Integration im Ostblock mit Hilfe der kommunistischen Parteien neu zu beleben. In den folgenden Jahren gewinnen gemeinsame Entscheidungen der Parteivertreter immer mehr an Bedeutung. Auf der Mai-Tagung stellten die Parteiführer fest, daß es in der Vergangenheit nicht gelungen ist, die multilateralen Hauptprobleme der wirtschaftlichen Integration erfolgreich zu lösen. Um in Zukunft greifbare Ergebnisse auf diesem Gebiet zu erzielen, wurde beschlossen, die Zusammenarbeit im RgW mit Hilfe einer konsequenten Arbeitsteilung zu forcieren. Die Parteiführer erklärten „den Aufbau des Sozialismus und des Kommunismus" in den Mitglieds-ländern zum Ziel der Wirtschaftsorganisation. Die Zusammenarbeit sollte im Zeichen des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit dem Westen zur „Stärkung der wirtschaftlichen Macht des sozialistischen Lagers" beitragen, wie es im Kommunique heißt. Eine organisatorische Umgestaltung des RgW wurde zwar schon 1958 ins Auge gefaßt, die Voraussetzungen dafür schienen aber erst fünf Jahre später gegeben zu sein.

Die 9. Tagung des RgW vom 26. bis 30. Juni 1958 in Bukarest diente vor allem der Verwirklichung der Beschlüsse der vorausgegangenen Parteikonferenz. Die Ständige Kommission für Wirtschaftsfragen wurde beauftragt, ein Dokument über die Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung auszuarbeiten. Außerdem wurde empfohlen, bis Ende Oktober 1958 zweiseitige Konsultationen über den Warenaustausch für die Jahre 1961— 1965 auf der Basis der Stoppreise von 1958 durchzuführen. Auch die 10. Ratstagung vom 11. bis 13. Dezember 1958 in Prag erörterte die Direktiven der Parteivertreter zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Comecon. Auf dieser Tagung beschloß man, eine Erdölleitung aus der Sowjetunion in den europäischen Teil des Ostblocks zu bauen, um den Bedarf der Volksdemokratien an Erdöl bis 1980 sicherzustellen.

Auf der 11. Tagung des RgW vom 13. bis 16. Mai 1959 in Tirana tauchte die von Chruschtschow auf dem 21. Parteitag der KPdSU verkündete Parole von der „entscheidenden Etappe im Wettbewerb mit dem Kapitalismus" auf. Die Tagung billigte die von den Ständigen Kommissionen ausgearbeiteten Pläne zur Spezialisierung von chemischen Ausrüstungen und bestimmten Gruppen der Maschinenbau-erzeugnisse.

Auf der 12. Tagung des RgW vom 10. bis 14. Dezember 1959 in Sofia wurde die Satzung des RgW und die Konvention über die Rechts-fähigkeit, die Privilegien und Immunitäten des Rates von den Delegierten behandelt und angenommen. Damit hörte erst zehn Jahre nach der Errichtung der Wirtschaftsorganisation der „statutlose Rechtszustand" auf.

Die 13. Tagung des Rates vom 26. bis 30. Juli 1960 in Budapest faßte den Beschluß, gemeinsame Pläne zur Entwicklung der Volkswirtschaft bis zum Jahre 1980 zu organisieren. Die Ratstagung widmete den größten Teil ihrer Arbeiten der internationalen Spezialisierung in der Landwirtschaft. Hierfür lagen entsprechende Richtlinien der zweiten Konferenz der kommunistischen Parteiführer vom 2. bis 3. Februar 1960 in Moskau über Agrarfragen vor. Die 13. Ratstagung nahm außerdem ihre Geschäftsordnung und eine Mustersatzung für die Ständigen Kommissionen an, die die Verfassung des RgW materiell und formell ergänzen. Auf der 14. Ratstagung vom 28. Februar bis 3. März 1961 in Ost-Berlin stand der Aufbau der chemischen Industrie, die Abstimmung der gegenseitigen Warenlieferungen bis 1965 und der Ausbau der Seehandelsflotte und der Häfen im Mittelpunkt der Beratungen.

Die 15. Ratstagung vom 12. bis 15. Dezember 1961 in Warschau billigte den von der Ständigen Kommission für Wirtschaftsfragen ausgearbeiteten Entwurf der „Grundsätze der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung" im RgW. Die auf der Tagung anwesenden Delegierten stimmten ausdrücklich dem neuen Programm und den Beschlüssen des 22. Parteitags der KPdSU zu, die wirtschaftspolitische Grundsätze für die östliche Integration enthielten. Zu den Aufgaben der sowjetischen KP „in Gemeinschaft mit den kommunistischen Parteien der anderen sozialistischen Länder" zählen auf wirtschaftlichem Gebiet die „Entwicklung der internationalen sozialistischen Arbeitsteilung". Als die albanischen und chinesischen Vertreter infolge des sowjetisch-chinesischen Konflikts zum erstenmal der Warschauer Rats-tagung fernblieben, waren sich die verantwortlichen Politiker im Ostblock darüber einig, daß die allgemeine politische Krise des internationalen Kommunismus nicht ohne Einfluß auf die wirtschaftliche Integration bleiben werde. Grundsätzlich waren sie sich an der Wende 1961/62 bewußt, daß eine unerläßliche Voraussetzung eines gemeinsamen Marktes nur eine weitgehende Multilateralisierung der Inter-Blockbeziehungen sein kann. Doch mit dem Auslaufen der ersten Phase der wirtschaftlichen Integration fiel zeitlich auch eine Umgruppierung der Positionen zusammen, die schließlich zu einem offenen Widerstand Rumäniens gegen die Reformpläne im RgW führte.

Für die weitere Entwicklung wurden die polnischen Initiativen mitbestimmend. Mit sowjetischer Zustimmung und Rückendeckung gingen die polnischen Überlegungen dahin, auf Grund der veränderten politischen Lage stärker als bisher ins Spiel zu kommen. Man witterte nach dem Bruch zwischen Moskau und Peking die Chance, aus der hinteren Reihe der unterentwickelten Länder im Comecon nach vorn zu rücken und sich bei der industriellen Besitzaufteilung ein entscheidendes Mitspracherecht zu sichern. Schon im März 1959 machte Gomulka auf dem dritten Parteitag der polnischen KP den Anspruch Polens geltend, als Industrie-Agrarland zu erscheinen. Zugleich warf Gomulka seinen Lieblings-gedanken einer „differenzierten Integration“ im Ostblock in die Diskussion. Wenn es Polen gelang, die übrigen Vertragspartner davon zu überzeugen, daß im gegenwärtigen Zeitpunkt eine „subregionale Integration" mehr Aussicht auf Erfolg verspreche als die „ratslaterale", dann würde Polen auf Grund seiner Lage zwischen den drei Industrieländern zum politischen Zünglein an der Waage des Comecon werden.

Da die Sowjetunion eine autarke Wirtschaftspolitik verfolgt, ist die polnische Stimme im Chor der übrigen Länder von nicht zu unterschätzendem Gewicht, zumal die „Industriestaaten", die „DDR" und die Tschechoslowakei, mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen haben. Auf der Berliner Tagung des Rates im Mai 1956 ergingen die ersten Spezialisierungsbeschlüsse, die die beiden Länder innerhalb des RgW privilegierten und die zu einer Dreieckgemeinschaft mit der UdSSR führen sollten. Diese wirtschaftspolitische Grundkonzeption dauerte jedoch nicht sehr lange. In der Tschechoslowakei verringerte sich die industrielle Zuwachsrate rapide und die „DDR" geriet durch die Flucht der Arbeitskräfte und die politische Krise um Berlin in Schwierigkeiten. Eine Umschichtung der Beziehungen zwischen diesen drei Ländern leitete der langfristige Handelsvertrag für 1961— 1965 vom 21. November 1959 zwischen der „DDR" und der UdSSR ein. Nach der Errichtung der Mauer in Berlin wurde im Beschluß der SED vom 26. November 1961 als Ziel ihrer Politik die „Herstellung der engen Wirtschaftsgemeinschaft mit der UdSSR und eine völlige Übereinstimmung auf der Grundlage der sowjetischen Politik" festgestellt. Schließlich fanden vom 26. bis 28. Februar 1962 in Moskau Geheimverhandlungen Ulbrichts mit den Sowjets statt, bei denen „besonders Fragen der Erweiterung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit" erörtert wurden.

Kurz danach wurde auf Antrag des ZK der polnischen KP eine Konferenz der kommunistischen Partei-und Regierungschefs für den 6. Juni 1962 über die Richtung der gemeinsamen Wirtschaftspolitik im Comecon nach Moskau einberufen. Die Delegierten haben bedeutsame Beschlüsse zur organisatorischen Umgestaltung des RgW gefaßt. An Stelle der Ländervertreter ist ein Vollzugsorgan, das Exekutivkomitee, mit größeren Befugnissen getreten. Das Kommunigue über die Konferenz brachte zum Ausdruck, daß die östliche Wirtschaftsgemeinschaft in eine neue Entwicklungsphase getreten sei. Die Beschlüsse sollten den Übergang der wirtschaftlichen Zusammenarbeit „administrativen Typs" zu einer sozialistischen Integration nach dem Prinzip der ökonomischen Effektivität einleiten. Das wirtschaftspolitische Integrationsprogramm enthielt das Dokument vom 17. Juni 1962 über die internationale Arbeitsteilung, das von den Delegierten angenommen worden ist.

Die Festlegung allgemeiner Grundsätze der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Comecon hatte zur Folge, daß unter den Mitgliedsländern ein Tauziehen um die Anerkennung als „Industrieland" begann. Einen Monat nach der Konferenz setzte sich ein anonymer Leitartikel in der theoretischen Zeitschrift der polnischen KP, „Nowe Drogi", für eine rasche Verwirklichung der Grundsätze der internationalen Arbeitsteilung und eine langfristige Planung im RgW ein. Die Polen bemühten sich in der Folgezeit den anderen Partnern klar zu machen, daß sie als Kohlelieferanten aus mehreren Gründen in Zukunft ausscheiden. Sie gehen dabei von der Annahme aus, daß der Anteil des Erdöls im Verhältnis zur Kohle im Comecon rasch zunehmen wird. Da Polen sich auf den Ausbau der rentableren verarbeitenden Industrie konzentrieren will, kann es seine Aufbaupläne nur mit Hilfe fremden Kapitals verwirklichen, und da es aus eigener Kraft dazu nicht in der Lage ist, besteht von Seiten Polens das größte Interesse an der gemeinsamen Planung der Investitionen im RgW, die ohne eine entsprechende Organisationsreform nicht zu erreichen ist.

Schon unmittelbar nach der Juni-Konferenz 1962 kam es während des Besuchs einer polnischen Partei-und Regierungsdelegation im Oktober 1962 in der „DDR" zu Gesprächen mit Ulbricht. Am 10. Oktober 1962 erklärte Gomulka vor der Volkskammer, daß die wirtschaftlichen Probleme der beiden Länder nicht mehr bilateral gelöst werden könnten. Polen besitze zwar eine breitere Rohstoffbasis als die „DDR", die jedoch auch begrenzt sei. Es sei zwar wie bisher „im Rahmen seiner Möglichkeit“ bereit, den Rohstoffbedarf des deutschen Partners zu berücksichtigen, doch die Zukunft der beiden Länder liege im Ausbau der verarbeitenden Industrie. Der Hinweis auf die „multilateralen Möglichkeiten" war eine höfliche Umschreibung der veränderten polnischen Wirtschaftspolitik im Comecon. Nadi der Bindung der „DDR" an die Sowjetunion glaubt Gomulka durch eine engere Gemein-schäft mit der Tschechoslowakei den Eintritt in den „Industrie-Club" erreichen zu können. Dieser Gedanke ist nicht neu und reicht bis zu den Konföderationsplänen vor und nach dem Zweiten Weltkrieg, die später von Stalin fallen gelassen wurden.

Die neue Orientierung wurde durch das polnisch-tschechoslowakische Wirtschaftsabkommen vom 10. September 1960 eingeleitet. Artikel 7 des umfangreichen Abkommens setzte September 1960 eingeleitet. Artikel 7 des umfangreichen Abkommens setzte den alten Wirtschaftsvertrag vom 4. Juli 1947 und das Abkommen vom 7. Mai 1957 über die Bildung der bilateralen Kommission außer Kraft. An ihre Stelle ist nunmehr ein bilaterales Komitee für Wirtschaftliche Zusammenarbeit getreten, das im Rahmen des RgW arbeitet. Die polnische Zeitschrift „Polityka" vom 18. August 1962 stellte fest, daß die Zusammenarbeit zwischen Polen und der Tschechoslowakei am weitesten entwickelt sei. Die Gemeinschaft habe „neue Formen entwickelt und zeige die Hauptrichtung der Integrationstendenzen im RgW an”. Und zwei Jahre später schrieb der Leiter 9) des polnischen Komitees für die Wirtschaftliche Zusammenarbeit mit dem Ausland, daß „die nachbarliche Zusammenarbeit" im RgW richtungweisend sei.

Die polnische Theorie der „subregionalen Integration" im Comecon kann solange auf die sowjetische Zustimmung rechnen, als sie nicht die zentralistische Konzeption der Sowjetunion gefährdet. Bei der grundsätzlichen Anerkennung der Integrationsziele im RgW geht es allen Mitgliedsländern darum, sich rechtzeitig die Verfügungsgewalt über die zu errichtende Industriebasis zu sichern.

Nach der Juni-Konferenz der kommunistischen Parteiführer von 1962 begannen die Vorbereitungen für die Errichtung einer zentralen Planungsbehörde des RgW. Nach polnischem Vorschlag sollte das am 28. September 1962 errichtete Planungsbüro des Exekutivkomitees mit Hilfe der Ständigen Kommissionen für Statistik, Normen, Außenhandel und für Wirtschaftsfragen im Rahmen des reformierten Sekretariats einen „zusammenhängenden, internationalen und systematischen Stab der Zusammenarbeit" bilden. Auf diese Weise könnte daraus die „Keimzelle" einer supranationalen Planungsbehörde entstehen.

Nach dem Vorstoß Chruschtschows auf dem Novemberplenum des ZK zur Errichtung einer übernationalen Planungsbehörde im RgW kam es auf der 17. Ratstagung vom 14. bis 20. Dezember 1962 in Bukarest zum erstenmal zu einer lebhaften Diskussion zwischen der rumänischen Vertretung und den übrigen Teilnehmern über die künftige Wirtschaftspolitik. Pläne, die zur Beschlußfassung im Exekutivkomitee vorgesehen waren, wurden verschoben. Nach der Tagung sprach der polnische Vertreter im RgW 10) von der „Konfrontation der Meinungen" und einem „schöpferischen Kompromiß" der Tagungsteilnehmer. Mit dem ausdrücklichen Hinweis auf den Vorschlag einer supranationalen Planungsbehörde betonte er, daß die kollektive Leitung der Integration immer komplizierter und schwieriger werde. Sowohl gegen die gemeinsame Planung als auch gegen die internationale Arbeitsteilung legte der rumänische Vertreter auf der 6. Sitzung des Exekutivkomitees im Mai 1963 in Warschau Veto ein. Als es zu keiner Verständigung mit den Rumänen im Exekutivkomitee gekommen war und auch diplomatische Aktionen hinter den Kulissen kein greifbares Ergebnis zeigten, wurde für den 24. Juli 1963 eine Konferenz der kommunistischen Partei-und Regierungschefs nach Moskau einberufen. Gheorghiu-Dej leitete persönlich die rumänische Delegation, war aber nur bereit, der Koordinationsstufe für 1963 zuzustimmen, nicht aber eine gemeinsame Planung zu akzeptieren. Als äußerstes Zugeständnis willigte er darauf ein, daß in das gemeinsame Kommunique über die Konferenz die Anerkennung der Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung vom 17. Juni 1962 ausgenommen wurde.

In die ohnehin merklich spannungsgeladene Atmosphäre der sowjetisch-rumänischen Beziehungen platzte der inzwischen berühmt gewordene Walew-Plan hinein. Im Februarheft des Mitteilungsblattes der Moskauer Universität hat der sowjetische Geograph Walew den Vorschlag unterbreitet, an der unteren Donau aus einem Teilgebiet der Uferstaaten Rumänien, Bulgarien und der Sowjetunion einen supranationalen Wirtschaftskomplex zu schaffen. Etwa zur gleichen Zeit wurde in Prag im Rahmen der Ständigen Kommission für Wirtschaftsfragen des Comecon von der theoretischen Zeitschrift des internationalen Kommunismus „Probleme des Friedens und des Sozia-lismus" ein Versuch unternommen, mit den Rumänen zu einer Einigung zu kommen. Die Konferenz erörterte vor allem das Problem, den unterschiedlichen wirtschaftlichen Entwicklungsstand im RgW auszugleichen. Trotz gegensätzlicher Meinungen konzentrierten sich schließlich die Auffassungen auf eine gemeinsame internationale Wirtschaftsplanung. Während die sowjetischen Vertreter die gemeinsame Planung im RgW als unumgänglich bezeichneten, sprachen’ sich die Rumänen entschieden dagegen aus. Dazwischen variierten die Meinungen der Teilnehmer aus der „DDR", die zur Unterstützung der sowjetischen These politische Argumente verwendeten; der polnische Vertreter trat für eine supranationale Planung der Investitionen ein, während die tschechischen Sprecher ihren industriellen Vorsprung mit Hilfe einer übernationalen Behörde zu zementieren hofften. Im Endergebnis zeigte sich, das Rumänien auf Grund seines wirtschaftlichen Entwicklungsrückstands im Vergleich zu den anderen Partnern nicht bereit war, das Abenteuer einer Integration sofort zu beginnen. Es besitzt nicht eine konkurrenzfähige Wirtschaft und wäre kaum in der Lage, über den Status eines Rohstofflieferanten für die „Industrieländer" hinauszukommen. Nach der ergebnislosen Konferenz in Prag hielt es die rumänische Parteiführung für angebracht, ihren Standpunkt zur östlichen Integration in einem Parteibeschluß öffentlich darzulegen. In dem ZK-Beschluß vom 22. April 1964 bestanden die Rumänen auf einem eigenen Weg zum Sozialismus. Der Gedanke eines einheitlichen Planungsorgans bringe äußerst ernste wirtschaftliche Gefahren mit sich, ließen sie in dem Beschluß verlauten. Die Planung sei ein Attribut der politischen Souveränität eines kommunistischen Staates, da dieser seine politischen und sozialwirtschaftlichen Ziele mit Hilfe des Staatsplans verwirkliche. Sie stellten sich dadurch den Bestrebungen in RgW entgegen, die dem Grundsatz der ökonomischen Rentabilität eine Priorität gegenüber dem politischen Element einräumen wollen. Am 12. Juni 1964 druckte die rumänische Zeitschrift „Viata Economica" den sowjetischen Walew-Plan ab und bezeichnete ihn rundweg als unsinnig. Daraufhin ließ Bogomolow in der regierungsamtlichen Zeitung „Iswestija" den Gedanken eines partiellen Gebietszusammenschlusses endgültig mit der Begründung fallen, daß die Zusammenarbeit im Comecon freiwillig sei.

Nach diesem vorläufigen Unentschieden in dem sowjetisch-rumänischen Disput konzentrierten sich die Arbeiten im RgW auf die Vorbereitung der nächsten Fünfjahrpläne für 1966— 1970. Bis zur 19. Ratstagung vom 28. Januar bis 2. Februar 1965 in Prag wurden zu diesem Zweck eine Reihe bilateraler Handelsabkommen zwischen den Mitgliedsländern geschlossen. In diese Zeit fiel ein bedeutsames Ereignis: Jugoslawien hat am 17. September 1964 einen Assoziierungsvertrag mit dem RgW geschlossen.

Der rumänische Widerstand hat die wirtschaftlichen Ziele des RgW um mindestens fünf Jahre verzögert, wenn man von der politischen Auswirkung absieht, über den gegenwärtigen Stand der wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Comecon sagte der ungarische Vertreter bei dieser Organisation, Apro daß in zahlreichen Fragen keine Einigung erzielt werden könne. Nicht nur der unterschiedliche Entwicklungsstand der einzelnen Mitgliedsländer mache sich störend bemerkbar, es seien auch nicht alle Teilnehmerstaaten in gleichem Maße an der Lösung aller Probleme interessiert.

III. Die Verfassung des Comecon

1. Die Rechtsgrundlagen Eine internationale Organisation wird in der Völkerrechtslehre als eine durch multilateralen Vertrag geschaffene, autonom organisierte völkerrechtliche Verbindung von Staaten zur Verfolgung gemeinsamer Interessen der Mitgliedergemeinschaft definiert. Jede internationale Rechtsgemeinschaft beruht daher auf einem völkerrechtlichen Vertrag, der ihre Entstehungs-und zugleich Geltungsgrundlage ist, weil der Vertrag gemeinsame Organe einsetzt und Kompetenzen der Gemeinschaft umschreibt.

Obwohl der RgW seine Tätigkeit schon 1949 ausgenommen hatte, unterzeichneten die Gründerstaaten sein Statut erst zehn Jahre später auf der 12. Ratstagung in Sofia. Politische Motive waren es, die die polnischen Vertreter im RgW veranlaßten, auf die Beendigung der „statutlosen Zeit" zu drängen: einerseits die unbestreitbaren Erfolge der westeuropäischen Gemeinschaften, die mit der Gründung der EWG den Höhepunkt erreichten, zum anderen die sowjetischen Pläne, stärker als bisher den Integrationsprozeß im RgW zu forcieren. In dem Kommunique über die 12. Ratstagung wurde die Annahme der Satzung mit der Formulierung begründet, „die früher vom Rat gefaßten Beschlüsse über Ziele, Prinzipien und organisatorische Formen seiner Tätigkeit" in einem Verfassungsdokument niederzulegen.

Die Entstehung und Weiterentwicklung des Comecon hat keine Parallele in der internationalen Praxis. Ursprünglich lag der Gründungsbeschluß vom 25. Januar 1949 vor, der nur eine völkerrechtliche Vereinbarung über die Schaffung einer internationalen Organisation enthielt und nicht von den Ländern ratifiziert wurde. Die vollständige Organisationsform entstand erst innerhalb von zehn Jahren durch die Beschlüsse der Ratstagung und der Parteikonferenzen. An diesem Verfahren hat sich aber auch nach der Annahme der Satzung nicht viel geändert, Parallel zu wirtschaftlichen Reformen in der östlichen Gemeinschaft verliefen auch die zahlreichen Versuche, die Organisationsform elastischer und wirksamer zu gestalten. Um eine funktionierende inter-nationale Arbeitsteilung im RgW zu vollziehen, sollten nach der Vorstellung Chruschtschows auch die Aufgaben der beiden multilateralen Organisationen im Ostblock gegeneinander abgegrenzt und ihre Kompetenzen schärfer als bisher umrissen werden.

Multilaterale Wirtschaftsklauseln enthalten nämlich sowohl das Statut des RgW von 1959 als auch der Warschauer Pakt in Art, 8. Diese Kollision der Kompetenzen steht dem Gedanken einer internationalen Arbeitsteilung entgegen. Bis 1962 herrschte noch in der Wissenschaft und Praxis eine militärisch-politische Konstruktion des Ostblocks vor. Die Bestimmung des Warschauer Paktes über eine multilaterale wirtschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit wurde als Grundnorm der Ost-integration betrachtet, die in bilateralen Verträgen und in der RgW-Satzung konkretisiert wird Nach dieser Auffassung stehe der RgW unter dem Vorbehalt des Artikels 8 des Warschauer Paktes, seine Verfassung besitze nur einen abgeleiteten Rechtscharakter. Diese nicht zu übersehende Rangfolge des östlichen Integrationsrechts beruhte auf dem Primat des politisch-militärischen Elements. Seit 1962 sind jedoch Bemühungen festzustellen, die dem ökonomischen Faktor eine selbständigere Bedeutung zuerkennen wollen.

In dem September-Heft „Probleme des Friedens und des Sozialismus" führte Chruschtschow programmatisch aus, daß der War-schauer Pakt „dem Wesen nach ein militärpolitisches Bündnis der sozialistischen Staaten" sei. Durch diese „authentische" Interpretation der kommunistischen Staatenverbindungen sahen sich östliche Völkerrechtler veranlaßt, ihre früheren Aussagen über die pluralistische Struktur (militärische, politische und ökonomische) neu zu überdenken. Die Überlegungen der Reformer im Ostblock gehen dahin, die kommunistische Integration auf dem Grundsatz der ökonomischen Effektivität und völkerrechtlichen Verselbständi-gung des Comecon zu beleben. Nach der Annahme der „Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung" vom 17. Juni 1962 sollte die wirtschaftliche Funktion ausschließlich auf den RgW übergehen. Andererseits darf nicht übersehen werden, daß diese Tendenz zur Entpolitisierung" des RgW außerhalb der multilateralen Rechtsbindungen durch die zweiseitigen Bündnispakte wieder eingeschränkt wird. Das sowjetisch-polnische Verlängerungsabkommen vom 8. April 1965 verpflichtet die beiden Parteien in Art. 2 zur wirtschaftlichen Zusammenarbeit im Rahmen des RgW. Auch der Bündnisvertrag zwischen der Sowjetunion und der „DDR" vom 12. Juni 1964 sieht die gleiche Zusammenarbeit in Art. 8 vor. Auf diese Weise wird die multilaterale Wirtschaftsintegration im Ostblock zur politischen Forderung der bilateralen Pakte erhoben. Der Primat des Politischen ist zwar multilateral zurückgedrängt worden, kommt aber in zweiseitigen Bündnispakten erneut zum Durchbruch.

Die Verfassung des Comecon fußt auf mehreren Rechtsquellen: 1. Das Gemeinschaftsrecht steht in dem Gründungsbeschluß der Moskauer Konferenz vom 25. Januar 1949, den ad-hoc-Beschlüssen der Ratstagungen und der Parteikonferenzen, in der Satzung des RgW von 1959, in der Konvention über die Rechtsfähigkeit, Privilegien und Immunitäten, im Abkommen zwischen dem RgW und der UdSSR über den Sitz des Comecon in Moskau vom 7. Dezember 1961, in der Geschäftsordnung des RgW, im Statut des Sekretariats, des Exekutivkomitees und der Ständigen Kommissionen. Zur Verfassung des . Comecon gehört auch das bedeutsame Dokument über die Grundsätze der internationalen Arbeitsteilung vom 17. Juni 1962. 2. Da das Gemeinschaftsrecht des RgW im Gegensatz zur EWG kein Verordnungsrecht kennt, wird das übereinstimmende Recht der östlichen Wirtschaftsgemeinschaft durch völkerrechtliche Abkommen „gesetzt". 3. Ein wesentlicher Unterschied im Vergleich zur EWG liegt darin, daß im RgW rechts-bildende Tatsachen eine dominierende Rolle spielen. Man kann die Auffassung vertreten, daß bis zur Annahme der Satzung vom 14. Dezember 1959 das politische Leben der kommunistischen Staatengemeinschaft nur gewohnheitsrechtlich normiert war. Dieser Vorrang der Faktizität von der Normativität ist aber auch nach der Annahme der formellen Verfassung des RgW festzustellen, und viele Erscheinungen des Gemeinschaftslebens werden nicht durch den in der Satzung fixierten Willen der Mitglieder gedeckt. Wie die Praxis zeigt, gibt es im RgW keinen erhöhten Existenzschutz des primären Verfassungsrechts. Die Rechtsstruktur des Comecon ist in ihren entscheidenden Teilen unausgewogen, und da es keinen Gerichtshof gibt, sind viele offene Fragen nicht justiziabel.

Die Satzung von 1959 führte den Grundsatz der internationalen Arbeitsteilung nur in der Präambel im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Ziel des RgW an. Mit der Novellierung des Statuts und der Annahme des Dokuments über die Grundsätze der Arbeitsteilung auf der Juni-Konferenz der Parteiführer und Regierungschefs wurde dieses Prinzip Bestandteil der Funktionen und Vollmachten des RgW. Die Produktionsspezialisierung, Prozeßspezialisierung und Standortdifferenzierung (Arbeitsteilung) sind grundlegende Ordnungsund Rechtsprinzipien des Comecon geworden und sollen durch die Aufteilung der Leistungen und ihre Zusammenfassung auf ein Ziel hin das soziale Leben der kommunistischen Gemeinschaft umgestalten.

Nach den wenigen Äußerungen der östlichen Politiker und Wissenschaftler zu beurteilen, sollte das Dokument über die internationale Arbeitsteilung eine Reihe von wichtigen Grundsätzen des Gemeinschaftslebens festlegen. Wenigstens theoretisch sollte dadurch der politische Handlungsspielraum der Mitgliedsländer um elementare Bereiche verkürzt und politische Entscheidung in eine Rechts-entscheidung umgewandelt werden. Besonders die sowjetischen Stimmen bemühen sich, den Grundsätzen der internationalen Arbeitsteilung den Rechtssatzcharakter beizulegen. Trotz der Ablehnung der sowjetischen Integrationsidee haben die rumänischen Vertreter das Dokument vom 17. Juni 1962 unterzeichnet und der Satzungsänderung zugestimmt. Sie betrachten diese Grundsätze jedoch als ein politisches „Programm", das einer wertenden Ausfüllung bedarf. So wurde auf der Juni-Sitzung des Exekutivkomitees in Ausführung der Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung die Branchenordnung für Maschinenbau angenommen. Trotzdem enthalten sowohl die Grundprinzipien der Arbeitsteilung als auch die Branchenordnungen unscharfe Be- griffe und Definitionen, die den politischen Kräften im RgW einen weiten Spielraum offen lassen. Gefördert wird dieser Zustand durch die Form der Willensbildung mit ihrem Einstimmigkeitsprinzip. Nach wie vor ist die Einigung in allen Stufen der RgW-Organe das einzige Mittel, um die gesetzten Ziele zu erreichen. 2. Ziele und Grundsätze Die nach sowjetischem Modell errichteten Ostblockländer haben im Kern eine übereinstimmende Verfassungsstruktur und verfolgen letzten Endes auch in ihrem internationalen Zusammenschluß außerökonomische Ziele. Während das erklärte Streben der EWG gemäß Artikel 2 des Vertrags vom 25. März 1957 auf eine harmonische, ausgewogene und stabile Wirtschaftsentwicklung sowie auf die Hebung der Lebenshaltung gerichtet ist, dient die kommunistische Wirtschaftsintegration gemäß Artikel 1 der Satzung der sozialen Umgestaltung. Deshalb bildet das östliche Integrationsschema ein geschlossenes System von hierarchischen Zielen, in dem konkrete Aufgaben einem absoluten Zweck untergeordnet sind. Der in der Präambel der Satzung verkündete Aufbau des Sozialismus und Kommunismus auf der Grundlage der internationalen Arbeitsteilung ist die abstrakte Leitidee der kommunistischen Ideologie. Da jedoch das Ziel viel zu unbestimmt ist, um ein aktionsfähiges Wirtschaftsprogramm zu determinieren, schöpft der RgW seine Rechtfertigung aus der sowjetischen Konzeption von dem totalen Wettbewerb der beiden sozialen Systeme. In der Konzeption der friedlichen Koexistenz nimmt die östliche Gemeinschaft einen festen Platz ein. Der Sieg des Kommunismus im Weltmaßstab sei nur unter der Voraussetzung möglich, wenn der sozialistische Weltmarkt die Oberhand über den Kapitalismus gewinnt. Deshalb ist die maximale Zuwachsrate der industriellen Produktion im Comecon das „synthetische Hauptziel" der kommunistischen Integration, um die wirtschaftsstrategischen Prämissen zu begründen. Auf diese Weise wird der „Wettlauf der Systeme" in quantitative Kategorien transformiert und der optimale Nutzeffekt an dem Zeitplan gemessen, der von den sowjetischen Strategen entworfen worden ist. Die Maximierung der industriellen Produktion soll sich in der Maximierung des Zeitvorsprungs im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Westen niederschlagen.

Der EWG-Vertrag geht von der stufenweisen Verwirklichung des gemeinsamen Marktes aus. Nach Artikel 8 sollen die „negativen Fünfjahrespläne" die Aufhebung der staatlichen Lenkung bewirken, bis ein völlig freier Wettbewerbsmarkt hergestellt ist. Die internationale Arbeitsteilung wird durch ein System erreicht, das auf dem Privateigentum und einem möglichst freien Wettbewerb beruht. Im Comecon verläuft der Integrationsprozeß gerade in entgegengesetzter Richtung. Durch die Verdichtung der Rechtsbeziehungen soll schließlich eine übernationale Wirtschaftslenkung erreicht werden. Nach Artikel 1 Absatz 1 der Satzung hat der RgW zum Ziele, „durch Vereinigung und Koordinierung der Bemühungen der Mitgliedsländer des Rates zur planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft ..." beizutragen.

Damit ist auch im zwischenstaatlichen Bereich das Prinzip der Planwirtschaft zum Rechtsgrundsatz erhoben worden. Dieses allgemeine und wichtigste Prinzip soll nach sowjetischer Vorstellung eine allmähliche Annäherung der volksdemokratischen Länder an die sowjetische Staatsordnung bewirken, bis die Wirtschafts-und Staatsgrenzen schließlich wegfallen. Da in den kommunistischen Verfassungen die Wirtschaftsplanung einen integralen Teil der politischen bildet, ist eine Integration zwangsläufig mit der Aufteilung der Staatsinteressen verbunden. Die kommunistische Arbeitsteilung führt zur Aufteilung der Staatsfunktionen und in der zweiten Phase zu einer Zusammenfassung in einer supranationalen Behörde. Während im Westen derselbe Prozeß durch die Aufhebung des staatlichen Dirigismus erzielt wird, mündet er im RgW, wenn die politischen Bedingungen gegeben sind, in einen föderalen Staatsverband.

Die Satzung des RgW enthält im Unterschied zur EWG einen ganzen Fächer von Zielen. Nach Artikel 1 sind die „mittleren Ziele“ der Gemeinschaft mit Hilfe der koordinierten Planung: der technische Fortschritt, Angleichung des wirtschaftlichen Entwicklungsstandes der Mitgliedsländer, Steigerung der Arbeitsproduktivität und Hebung des Wohlstandes. Die Problematik der breiten Streuung der Satzungsziele im Comecon wurde sehr drastisch in dem sowjetisch-rumänischen Streit demonstriert, als jede der beiden Parteien den ihr passenden Grundsatz für vorrangig hielt. In sowjetischer Sicht besitzt die gemeinsame Planung die Priorität, während die Rumänen die Angleichung des ökonomischen Entwicklungsstandes zum Hauptgrundsatz erheben. Da es an normativer Festlegung der hierarchischen Ziele fehlt, können die „integrationsunwilligen" Länder nicht ohne weiteres auf ein einziges Ziel festgelegt werden.

Größeres politisches Gewicht und juristische Bedeutung als die verschwommenen Ziele haben die Grundsätze in Artikel 1 Absatz 2 der Satzung. In jeder internationalen Organisation ist das politische Hauptproblem das Verhältnis der übergeordneten Gemeinschaft zu ihren Mitgliedern, die Kompetenzverteilung zwischen dem Verband und seinen Teilen. Die modernen Staatengemeinschaften stellen Persönlichkeiten des Völkerrechts dar, ohne Staaten zu sein. Durch die Übertragung von Souveränitäten entstehen begrenzte Autoritäten

Auch in dieser Hinsicht ist das Gemeinschaftsrecht der kommunistischen Staaten unausgewogen. Nach Artikel 1 Absatz 2 Satz 1 beruht der RgW auf „den Grundlagen der souveränen Gleichheit aller Mitgliedsländer". Nach Satz 2 der Vorschrift vollzieht sich die Zusammenarbeit in Übereinstimmung mit den Prinzipien der Gleichberechtigung, der Achtung der Souveränität und der nationalen Interessen, des gegenseitigen Vorteils und der gegenseitigen Hilfe. Der Grundsatz der souveränen Gleichheit ist somit ein Strukturprinzip der Gemeinschaft, während die in Artikel 1 Absatz 2 Satz 2 aufgeführten Prinzipien gleichsam seine Teilelemente bilden. Das Gemeinschaftsrecht des RgW ist eine Mischung aus traditionellen Rechtsvorstellungen und neuen Lösungsversuchen. Im Anschluß daran, daß die internationale Arbeitsteilung auf der Grundlage der zwischenstaatlichen Planung eine relativ neue Erscheinung im internationalen Leben ist, Wird von östlicher Seite mit Vorliebe behauptet, daß der RgW eine Organisation neuen Typs sei, die auch neue Rechtsgrund-sätze hervorgebracht habe. Doch sowohl das Rangverhältnis des allgemeinen zum „intersozialistischen Völkerrecht" als auch seine Begründung bedürfen noch einer Klärung.

Als erster hat sich mit diesem Problem der sowjetische Völkerrechtler und Leiter der Vertragsabteilung im sowjetischen Außenministerium, Tunkin beschäftigt. Mit der Entstehung mehrerer kommunistischer Staaten nach dem Zweiten Weltkrieg habe sich allmählich aus dem proletarischen Internationalismus ein regionales, aber universell ausgerichtetes Völkerrechtssystem ausgebildet. Ferner behauptet er, daß es sowohl Normen des allgemeinen als auch des neuen sozialistischen Völkerrechts umfasse. Nach Ussenko seien die Grundsätze des allgemeinen Völker-rechts im Ostblock „nicht außerhalb der Wirkungssphäre des sozialistischen Internationalismus existent", das heißt, sie werden von dem letzteren zwar überlagert, bilden aber ein Ganzes. Kemper/Kirsten legen die sowjetischen Vorstellungen dahin aus, daß „diese Prinzipien als integrierender Bestandteil des sozialistischen Internationalismus völlig neue Prinzipien sind". Dann müßten sich die beiden Rechtskreise konsequenterweise gegenseitig ausschließen. Diese Schlußfolgerung zu ziehen ist anscheinend nur Schurschalow bereit. Da es innerhalb des kommunistischen Staaten-systems nach offizieller Version angeblich keine antagonistischen Widersprüche gebe, müsse auch das gemeinsame Recht eine andere Qualität als das Allgemeine Völkerrecht besitzen.

Der polnische Völkerrechtler de Fiumel gibt dagegen zu bedenken, daß ein so weiter und „elastischer Begriff" des sozialistischen Internationalismus für die Praxis ungeeignet sei. In der kommunistischen Rechtswissenschaft wird versucht, die Existenz eines intersozialistischen Völkerrechts aus dem Grundsatz der „kameradschaftlichen gegenseitigen Hilfe" abzuleiten. Dieser Begriff geht auf die sogenannte Zwölfer-Deklaration der kommunistischen Parteien von 1957 zurück und wurde in Artikel 1 Absatz 2 der RgW-Satzung in Verbindung mit den Instituten des allgemeinen Völkerrechts verankert. Zu gleicher Zeit wurde dieses Prinzip in das sowjetische Pakt-System ausgenommen, während es in den chinesischen Abmachungen fehlt. Ussenko sieht in ihm den Kern der qualitativ neuen Rechtsbeziehungen der kommunistischen Gemeinschaft. Während für die kapitalistischen Länder die Klausel über den Nichtangriff typisch sei, dominiere im Osten nach Aus-räumung der Interessenkollisionen das Prinzip der gegenseitigen Unterstützung. Es begründe nach ihm das Recht eines jeden kommunistischen Staates, Elilfe von seinen Partnern fordern zu können, und auch umgekehrt die Pflicht, eine solche Hilfe anderen zu gewähren. Eine solche Deduktion des intersozialistischen Völkerrechts aus der „gegenseitigen Hilfe" wird polnischerseits in Frage gestellt. Aber auch die sowjetischen Autoren sind sich der ganzen Problematik ihrer Auffassungen bewußt. Das Prinzip der „gegenseitigen Hilfe" sei zwar eine „unabdingbare Grundlage der Zusammenarbeit", es verdichte sich aber erst in konkreten Vereinbarungen zu einem Rechtssatz. Aus ihm können deshalb direkt keine unmittelbaren Ansprüche hergeleitet werden. Das Prinzip der gegenseitigen Hille ist somit rechtlich schwächer als die Gleichberechtigung, Unabhängigkeit, Souveränität und Nichteinmischung, die direkt bestimmte Abwehrrechte begründen. Der statutarische Grundsatz der gegenseitigen Hilfe könne in bestimmten Fällen als Interpretationsgrundlage im Sinne einer extensiven Anwendung und Auslegung der Verträge von Bedeutung werden.

Sicherlich ist in diesem Zusammenhang nicht ohne Interesse festzustellen, daß es Jugoslawien vorgezogen hat, den Grundsatz der „gegenseitigen Hilfe" nicht in den Assoziierungsvertrag mit dem Comecon vom 17. September 1964 aufzunehmen. Die Vertragsparteien sind übereingekommen, daß Jugoslawien im Comecon auf „der Grundlage der Prinzipien der völligen Gleichberechtigung, der Achtung der Souveränität, der nationalen Interessen und des gegenseitigen Vorteils" mitarbeitet.

Obwohl der „gegenseitige Vorteil" ein Bestandteil der staatlichen Souveränität ist, wurde er zusätzlich als Grundsatz in Artikel 1 Absatz 1 der RgW-Satzung ausgenommen. In der EWG brauchte es hierzu keiner besonderen Bestimmung, weil die gelenkte Konkurrenzwirtschaft automatisch für den Ausgleich der gegenseitigen Leistungen sorgt. Dagegen beruht der Warenaustausch im kommunistischen Staatshandelssystem nicht auf dem ökonomischen Wertgesetz, sondern auf „administrativen Preisen". Allen Warenabkommen liegt das schon in den zwanziger Jahren in der Sowjetunion entwickelte wirtschaftliche Äquivalenzprinzip, das auch in den Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung vom 17. Juni 1962 vorzufinden ist, zugrunde. Als juristische Kategorie entspricht der Äquivalenz der Grundsatz des gegenseitigen Vorteils, der ungleiche Verträge verbietet. Allerdings fehlte es von sowjetischer Seite nicht an Versuchen, den gegenseitigen Vorteil zu „multilateralisieren". Der Nutzen der Gemeinschaft sollte einen eventuellen Nachteil eines einzelnen Mitglieds kompensieren. 3. Die Mitgliedschaft Ursprünglich war der RgW eine europäische internationale Organisation. Auf der Konferenz der Partei-und Regierungschefs am 6. Juni 1962 wurde der territoriale Geltungsbereich erweitert und die Vorschrift des Artikels 2 Absatz 2 der Satzung von 1959 entsprechend geändert. Wie es im Kommunique der Konferenz heißt, wurde die Mongolei „auf Bitten ihrer Regierung als Mitglied in den RgW ausgenommen". Ob durch diesen Beschluß der RgW aus einer europäischen Regionalorganisation in eine interkontinentale Organisation umgewandelt worden ist, ist zumindest zweifelhaft, weil die Satzung im Gegensatz zum Warschauer Pakt keine Begrenzung auf den europäischen Teil der UdSSR vorsah. In Übereinstimmung mit dem völkerrechtlichen Grundsatz, daß die Verträge das gesamte Staatsgebiet erfassen, erstreckte sich die Tätigkeit des RgW auch schon vor 1962 auf den asiatischen Teil der Sowjetunion. Der Beitritt der Mongolei hatte eine politische Bedeutung, weil es sich um eine „reine" asiatische Macht handelte.

Zwar kennt die Satzung den Unterschied zwischen den ursprünglichen Mitgliedern und den später beigetretenen (Artikel 1 Absatz 1 und 2), doch diese sprachliche Fassung hat keine praktische Bedeutung. Der neu aufgenommene Staat hat alle Rechte eines ursprünglichen Vollmitgliedes. Das Aufnahmeverfahren regeln Artikel 2 der Satzung und Artikel 30— 32 der Ge-schäftsordnung des RgW. Voraussetzung für den Beitritt ist ein Gesuch an den Sekretär des Rates, in dem die Ziele und Grundsätze der Organisation vom Antragsteller anerkannt werden, über den Aufnahmeantrag entscheidet die Ratstagung. Der Antragsteller wird Mitglied des RgW mit dem Tag der Hinterlegung der Urkunde über die Ratifikation der Satzung. Als Chruschtschow den Delegierten am 6. Juni 1962 das „Ersuchen" der Mongolei um die Aufnahme in die Organisation unterbreitete, waren diese Voraussetzungen nicht erfüllt.

Zu den Gründungsländern gehören laut Kommunique vom 25. Januar 1949 die Sowjetunion, Polen, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und die Tschechoslowakei. Bis zu der konstituierenden Sitzung am 26. April 1949 in Moskau wurde Albanien im Februar 1949 in die Organisation ausgenommen. Im September 1950 trat ihr die „DDR" bei.

Nach dem 22. Parteitag der KPdSU haben sich die Mitgliedschaft und der territoriale Geltungsbereich verändert. Im Dezember 1961 hat der albanische Vertreter beim RgW der 15. Ratstagung in Warschau mitgeteilt, daß sein Land aus politischen Gründen nicht mehr an der Arbeit des Comecon teilnehmen werd. Seit dieser Zeit ist Albanien den Ratstagungen sowie den Parteikonferenzen fern geblieben und hat keine Beiträge mehr bezahlt. Formell ist es trotzdem noch Mitglied des RgW, wenn es „faktisch" auch bereits ausgeschieden ist. Die albanische Regierung hat gegen die Einberufung der Konferenz am 6. Juni 1962 und gegen die Assoziierung Jugoslawiens beim Comecon protestiert und vorgebracht, daß die ohne Mitwirkung der albanischen Vertreter gefaßten Beschlüsse rechtswidrig seien. Ihre Rechtsauffassung stützt Sich auf Artikel 6 Absatz 2 der Satzung und Artikel 20 der revidierten Geschäftsordnung der Ratstagung, die vorsehen, daß die Ratstagung nur dann beschlußfähig ist, wenn auf ihr alle Mitgliedsländer vertreten sind. Um den juristischen Schlingen der „kommunistischen Solidarität“ zu entgehen, hatten die Partei-und Regierungschefs am 7. Juni 1962 beschlossen, daß die Entscheidungen der Ratstagung auch dann rechtsgültig sind, wenn sie nur mit Zustimmung der erschienenen Vertreter getroffen werden. Man hat sich dabei freimütig darüber hinweggesetzt, daß nach dem Gemeinschaftsrecht auch für die Revision der Satzung die Zustimmung aller bisherigen Mitglieder erforderlich war.

Mehr Rechtsprobleme als aus dem faktischen Ausscheiden Albaniens und dem Beitritt der Mongolei zum RgW ergaben sich aus der Assoziierung Jugoslawiens durch das Abkommen vom 17. September 1964. Jugoslawien hatte bis dahin seinen Warenaustausch mit den Ostblockländern über die bilateralen Abkommen abgewickelt. Von jugoslawischer Seite wurde dazu offiziell erklärt, daß infolge der verstärkten Integration im Comecon die weitere bilaterale Zusammenarbeit auf die Dauer auf Hindernisse stoßen würde. Das Assoziierungsabkommen stützt sich auf die Vorschrift des Artikels 10 der Satzung. Der RgW ist befugt, andere Staaten, die nicht Voll-mitglieder sind, zur Teilnahme an der Arbeit des RgW einzuladen. Die Bedingungen dieser Zusammenarbeit werden in einem gesonderten Abkommen festgelegt. Die Assoziierung Jugoslawiens bedeutet eine stärkere Bindung als die bloße Teilnahme an der Arbeit des RgW, die z. B.den asiatischen Volksdemokratien (China bis 1961) den Status eines „Beobachters" verleiht. Für den RgW stellt das Protokoll von der 19. Ratstagung Januar/Februar 1965 in Prag die Ratifikationsurkunde dar, die am 24. April 1965 in Prag ausgetauscht wurde. Bereits nach der vorläufigen Inkraftsetzung des Abkommens hat Jugoslawien seine Verwaltungsorgane für auswärtige Wirtschaftsbeziehungen den neuen Bedingungen angepaßt. Am 13. November 1964 wurde die Kommission für die Zusammenarbeit mit dem RgW und eine ständige Mission dort eingerichtet Obwohl Jugoslawien das Engagement mit dem Ostblock offensichtlich zu bagatellisieren bestrebt ist, wurde sein Entschluß auf der Gegenseite als ein politisches Ereignis ersten Ranges betrachtet

Der Begriff der Assoziierung wird in der Wissenschaft und Praxis sehr weit und unbestimmt verstanden. Er bezeichnet eine außerordentliche, abgeschwächte Mitgliedschaft. Das Gemeinschaftsrecht wird nur insoweit rezipiert, als dies ausdrücklich vereinbart ist. Jugoslawien gehört dem Comecon nicht schlechthin und in vollem Umfang, Sondern nur einzelnen Organen als Mitglied an. Nach Artikel 1 des Abkommens arbeitet Jugoslawien im RgW auf dem Gebiet des Außenhandels, der Devisen-und Finanzbeziehungen, der Schwarz-und Buntmetallurgie, des Maschinenbaus, der chemischen Industrie und der Koordination der wissenschaftlich-technischen Forschung, über die Form der Teilnahme Jugoslawiens an der Arbeit des RgW enthält das Abkommen nur allgemeine Formulierungen. Aus der Fassung wird das jugoslawische Bemühen sichtbar, den Beitritt als eine unpolitische Angelegenheit im Lichte der Kritik erscheinen zu lassen. Nach Artikel 2 Absatz 1 beschränkt sich ihre Teilnahme auf die Ständigen Kommissionen oder die „übrigen Organe". Nach Absatz 2 werden die Jugoslawen „in Fragen von gemeinsamem Interesse" sogar zu Sitzungen der Ratstagung oder des Exekutivkomitees hinzugezogen, wenn die Angelegenheit zur Erörterung vor diese Organe kommt. Wann das der Fall ist, darüber schweigt das Abkommen.

Aus dem begrenzten Beitritt Jugoslawiens zum RgW können keine zu weitgehenden Schlußfolgerungen im Hinblick auf seinen Rechts-charakter gezogen werden. Einmal handelt es sich um ein kommunistisches Land, zum anderen bleibt offen, ob zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Vollmitgliedschaft Jugoslawiens möglich wäre, um die es sich schon 1949 vergeblich bemühte. Grundsätzlich ist für den Beitritt eines neuen Mitgliedsstaates als Voraussetzung die Bejahung der wirtschaftspolitischen Ziele der kommunistischen Staaten-verbindung erforderlich. Deshalb kann der Comecon, abgesehen von der Anerkennung des sowjetischen Führungsanspruchs, nicht als eine „offene Organisation" qualifiziert werden. Sie steht allenfalls denjenigen Staaten offen, die sich der sowjetischen Interpretation des „Aufbaus des Kommunismus" im Sinne der Präambel der RgW-Satzung vorbehaltlos verschrieben haben. 4. Funktionen und Vollmachten Im Vergleich zum früheren Rechtszustand haben sich die Funktionen des RgW nach den Reformen von 1962 nicht wesentlich geändert. Män beschränkte sich hauptsächlich darauf, die Fassung des Artikels 3 dem wirtschaftspolitischen Programm der Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung anzugleichen. Der RgW unterstützt die wirtschaftliche Zusammenarbeit der Mitgliedsländer (Artikel 3 Absatz 1) bei der Verwirklichung der Arbeitsteilung. Die Legaldefinition besteht nach Artikel 3 Absatz b aus drei Elementen, die zugleich die Hauptfunktionen des Rates sind: Koordination der Wirtschaftspläne, Spezialisierung und Kooperation der Produktion. Es sind die direkten planungstechnischen Mittel zur strukturellen Umgestaltung der Mitglieds-länder. Die übrigen Bestimmungen des Artikels 3 Absatz c sind nur Hilfsinstrumente zur industriellen Großraumplanung. Die in Artikel 3 der Satzung genannten Funktionen entfalten sich im Rahmen der langfristigen Planung bis 1970 bzw. 1980. Die Vorschrift geht auf den Beschluß der Juni-Konferenz zurück, als man im RgW die langfristige Planungskoordination zur „Hauptmethode" der Integration deklarierte.

Infolge des rumänischen Widerstands gegen die sowjetischen Reformpläne kam es nicht mehr dazu, die Vollmachten des RgW wesentlich zu erweitern. Die Organe des RgW können gegenwärtig nur einstimmige Empfehlungen zur materiellen Zusammenarbeit aussprechen und in Organisations-und Verfahrens-fragen Beschlüsse fassen (Artikel 4 Absatz 1 und 2 der Satzung). Die Empfehlungen sind rechtlich nicht verbindlich und bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Mitwirkung nationaler Gesetzgebungsorgane, während die Beschlüsse am Tag der Unterzeichnung des Tagungsprotokolls rechtskräftig werden. Diese Feststellung gilt nur mit Einschränkung, weil ein Teil der Entscheidungen von den kommunistischen Parteiführern getroffen werden, die wichtige Direktiven in Wirtschaftsfragen erlassen. Eine gewisse Differenzierung bringen die Vorschriften über die Kompetenzen der einzelnen RgW-Organe mit sich. Während die Empfehlung der Ratstagung zu Grundsatzfragen ergeht, sorgen das Exekutivkomitee und die Ständigen Kommissionen für ihren Vollzug. Artikel 4 Absatz 3 Satz 2 der Satzung bestimmt, daß die Annahme der Empfehlungen im freien Ermessen der Mitgliedsländer liegt. Sie gelten nicht für die Länder, die erklärt haben, daß sie an der betreffenden Angelegenheit nicht interessiert sind. Wegen des genossenschaftlichen Charakters der internationalen Organisationen wäre ein rein passives Verhalten eines Mitglieds nicht geeignet, Rechts-folgen abzuwenden, die von den übrigen Partnern beschlossen werden. Das ungeschriebene Recht des Comecon gibt in solchem Fall die Möglichkeit, gegen Beschlüsse von „allgemeinem Interesse" ein Veto einzulegen. Davon hat anscheinend auch der rumänische Vertreter im RgW gegen die Einführung einer gemeinsamen Planung Gebrauch gemacht.

Die Verwirklichung der Empfehlungen erfolgt gemäß Artikel 4 Absalz 1 der Satzung „auf Grund von Beschlüssen der Regierungen oder anderen zuständigen Organen dieser Länder in Übereinstimmung mit ihrer Gesetzgebung". Die Willensbildung im Comecon hängt somit von der innerstaatlichen Rechtsordnung ab. Vielleicht im stärkeren Maße als im RgW haben die kommunistischen Länder ihre nationalen Einrichtungen auf die multilaterale Zusammenarbeit seit 1962 ausgerichtet. Als eine Art Ersatz für die fehlgeschlagenen Reformen wurden in allen Ländern besondere Ausschüsse für die Zusammenarbeit bei den Regierungen und auch entsprechende Abteilungen bei den Fachministerien errichtet. Betrachtet man diesen „Transformationsapparat" zur Umsetzung der Entscheidungen im RgW näher, so wirkt die Vorschrift des Artikels 4 der Satzung recht formell. Die Vorsitzenden dieser Gremien erteilen Richtlinien und üben die allgemeine Aufsicht über die Landesvertreter im RgW aus. Sie sind an der Bestätigung der Instruktionen und der Sitzungsprotokolle der RgW-Organe beteiligt und überwachen die Durchführung der Empfehlungen innerstaatlich. Schließlich ist der Vorsitzende des Komitees, der zuvor das Initiativrecht besaß, selber der Vertreter eines Landes im RgW. Es ist deshalb praktisch noch nicht vorgekommen, daß die innerstaatliche Bestätigung der Empfehlung versagt worden ist, nachdem sie von dem betreffenden Landesvertreter im RgW angenommen worden war 5. Organe des Comecon a) Die Konferenzen der Partei-und Regierungschefs Die Satzung des RgW von 1959 in der Neu-fassung von 1962 nennt in Artikel 5 als Hauptorgane des RgW die Ratstagung, das Exekutivkomitee, die Ständigen Kommissionen und das Sekretariat. Darin sind die Konferenzen der kommunistischen Partei-und Regierungschefs nicht erwähnt. Andererseits haben sie wiederholt über die wirtschaftliche Zusammenarbeit beraten und wichtige Beschlüsse gefaßt. Nach der Formulierung von Kemper/Kirsten ist davon auszugehen, daß sie „als bewußter Bestandteil der gesellschaftlichen Bewegung speziell im Rahmen dieser Länder die objektiv bestehenden Aufgaben sichtbar machen und ihre Lösung durch die sozialistischen Staaten organisieren". Sie sollen damit aber nur einen „gesellschaftlichen Charakter" besitzen — eine These, die im innerstaatlichen Verfassungsrecht nicht haltbar ist

Wie ist aber die „führende Rolle" der kommunistischen Parteien im zwischenstaatlichen Leben zu qualifizieren? Offenbar war es eine Idee Chruschtschows, die Parteien stärker in den schleppenden Integrationsprozeß einzuschalten. „... durch die allgemeine Stärkung der Bruderparteien werden neue Formen der zwischenstaatlichen Beziehungen gefunden und entwickelt", heißt es in seinem Referat auf dem 22. Parteitag der KPdSU. Der sowjetische Völkerrechtler Schurschalow griff diese Äußerung auf und bezeichnete die interpartei-liehen Beziehungen als „ein Prinzip der völkerrechtlichen Beziehungen". Auf eine organisatorische Verfestigung der Konferenzen weist das Kommunique vom 6. /7. Juni 1962 hin: „Die Teilnehmer der Beratung erachten es als zweckmäßig, auch künftig regelmäßig Konsultationen und Meinungsaustausche zwischen den führenden Persönlichkeiten der Parteien und Staaten zu den wichtigsten ökonomischen Problemen durchzuführen."

Chruschtschow hat diesen Passus als Beschluß bezeichnet, regelmäßige Konferenzen dieser Art auf der höchsten Ebene abzuhalten. Diese Entscheidung hat die „in der Praxis eingegangenen periodischen Konsultationen" der kommunistischen Partei-und Staatsführer legalisiert — ein Vorgang, der sich im Comecon auf anderen Gebieten oft wiederholt. Wie Tunkin und Ussenko betonen, können gewohnheitsrechtliche Normen auch im Geltungsbereich des intersozialistischen Völkerrechts dem positiven Vertragsrecht vorgehen. Wie die Annahme der Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung und die Reformen des RgW im Juni 1962 zeigen, besitzen die Konferenzen Vertragsfähigkeit und Organisationsgewalt im RgW. Es fällt ihnen eine im Statut lückenausfüllende Funktion zu. Ihre Richtlinien bestimmen die Ziele der Gemeinschaft, während die Wahl der Mittel den nachgeordneten Organen zufällt. Man kann deshalb die Konferenzen der Partei-und Regierungsführer als gewohnheitsrechtlich entstandenes Organ des Comecon bezeichnen. b) Die Ratstagung Obwohl formell die Ratstagung auch nach der Revision der Satzung im Jahre 1962 nach Artikel 6 weiterhin als das „höchste Organ" des RgW bezeichnet wird, hat sie zugunsten der Konferenzen der kommunistischen Partei-und Regierungschefs und des Exekutivkomitees an Bedeutung verloren. Statt wie früher mindestens zweimal im Jahr zu tagen, finden ihre Zusammenkünfte nach Artikel 6 Absatz 3 nur noch einmal im Jahr statt. Die Delegationen der Mitgliedsländer werden auf der Rats-tagung von den Stellvertretenden Vorsitzenden des Ministerrats geleitet, die in der Regel auch Vertreter ihrer Länder im Exekutivkomitee sind. Diese Personalunion zwischen der Ratstagung und dem Exekutivkomitee wird dann aufgehoben, wenn die Partei-und Regierungschefs tagen, deren „AusschußsitZungen* am 7. Juni 1962 und 26. Juli 1963 als die 16. bzw. 18. Ratstagung bezeichnet wurden. Zur Kompetenz der Ratstagung gehört nach Artikel 6 Absatz 1, daß „alle in die Zuständigkeit des Rates fallenden Fragen . . . beraten" und entsprechende Beschlüsse nach Artikel 6 Absatz 5 gefaßt werden. Im einzelnen behandelt sie nach Artikel 6 Absatz 5 die Hauptprobleme der wirtschaftlichen Zusammenarbeit, legt die Hauptrichtung der Tätigkeit des Rates fest und prüft den Bericht des Exekutivkomitees. Entgegen dieser Vorschrift wird die letzte Funktion auch von der Konferenz der kommunistischen Partei-und Regierungschefs wahrgenommen. Nach Artikel 31 der Geschäftsordnung der Ratstagung gehört zu ihrer ausschließlichen Zuständigkeit die Aufnahme eines neuen Mitglieds in die Organisation. Wie sich aber bei der Aufnahme der Mongolei am 6. Juni 1962 gezeigt hat, ist dieses Recht von den genannten Konferenzen ausgeübt worden. In Wirklichkeit sind der Ratstagung nur die „technischen" Kompetenzen verblieben.

Die Ratstagung ist beschlußfähig, wenn die erschienenen Delegationen ihr Stimmrecht ausüben. Sie können der Vorlage zustimmen, sich für „nicht interessiert erklären" oder Veto einlegen. Die Entscheidungen der Ratstagung wie auch der übrigen RgW-Organe werden nach Artikel 28 und 29 der Geschäftsordnung im Tagungsprotokoll niedergelegt, von den Delegierten unterzeichnet und im Sekretariat aufbewahrt. Eine beglaubigte Abschrift stellt der Sekretär des RgW den einzelnen Regierungen der Mitgliedsländer zu. Das Protokoll fixiert die Willenseinigung der Partner, hat aber mit einem Völkerrechtsvertrag im traditionellen Sinne nicht viel gemeinsam, da er nach Artikel 4 der Satzung die Parteien nicht bindet. c) Das Exekutivkomitee Als eine wichtige Maßnahme zur dynamischen Stärkung „eines mit weitgehenden Vollmachten ausgestatteten" RgW bezeichnete Chruschtschow die Einsetzung des Exekutivkomitees an Stelle der Ländervertreter im Rat. Es setzt sich gemäß Artikel 7 Absatz 1 der Satzung aus den Stellvertretern der Regierungschefs zusammen, die zugleich ständige Bevollmächtigte ihrer Länder in der Organisation und Delegationsführer auf den Rats-tagungen sind. Obwohl die Reformen im Comecon sonst nicht zur formellen Stärkung der Organisationsform geführt haben, ist die politische und soziologische Bedeutung des Exekutivkomitees hoch einzuschätzen. Es tritt mindestens einmal in zwei Monaten zu Sitzungen zusammen, die in der Regel in Moskau abgehalten werden. Auf den Sitzungen führen die Vertreter der Länder nacheinander in der Reihenfolge der Ländernamen nach dem russi*’) sehen Alphabet den Vorsitz. Zwischen den Sitzungen leitet der folgende Delegationsführer die Arbeit des Sekretariats des Rates und der Ständigen Kommissionen in Ausführung der Beschlüsse der Ratstagung und des Exekutivkomitees.

Die Kompetenzen des Exekutivkomitees umschreibt Artikel 7 Abatz 4 b. Es ist zuständig für die Plankoordinierung, Spezialisierung und Kooperation der Produktion auf der Grundlage der Internationalen Arbeitsteilung. Seine Funktion erstreckt sich auch auf die Prüfung und Durchführung der Vorlagen anderer RgW-Organe. Ihm obliegt es auch, Richtlinien für den Warenaustausch auszuarbeiten und die wissenschaftlich-tedinische Zusammenarbeit zu leiten. Es wurden ihm zu diesem Zweck umfangreiche organisatorische Kompetenzen übertragen. Ihm unterstehen das Sekretariat und die Ständigen Kommissionen. Es bestätigt ferner nach Artikel 7 Absatz 4 f den Stellen-und Haushaltsplan des Sekretariats, die Statuten der Ständigen Kommissionen, des Planungsbüros und des Sekretariats. Entgegen manchen Vermutungen kann das Exekutivkomitee nur Empfehlungen aussprechen und Beschlüsse fassen. Sämtliche RgW-Organe haben die gleichen Befugnisse, wenn auch ihre Funktionen verschieden sind. Diese nivellierende Wirkung geht von Artikel 2 Absatz 2 der Satzung aus, in der generell für alle Stufen der Willensbildung diese Form vorgesehen ist.

Ein Hilfsorgan des Exekutivkomitees ist das im September 1962 errichtete Büro für zusammenfassende Fragen der Wirtschaftsplanung, in dem jedes Mitgliedsland durch den Stellvertreter des Vorsitzenden des staatlichen Planungsamts vertreten wird.'Das Büro wurde auf dem Höhepunkt der Reformen noch vor der ZK-Sitzung der KPdSU im November 1962 gebildet und sollte mit den allgemeinen Kommissionen des RgW eine Art Keimzelle der künftigen Planungsbehörde werden. Es ist aber bisher nur ein Gremium von Experten mit beratender Stimme im Rahmen des Exekutivkomitees geblieben. Eine seiner Aufgaben liegt darin, konkrete Grundsätze der internationalen Arbeitsteilung für die praktische Anwendung auszuarbeiten. Obwohl ihm Vollmachten zur Durchsetzung der Entscheidungen fehlen, leistet es eine wichtige Vorarbeit für eine künftige Planung. d) Die Ständigen Kommissionen Die Ständigen Kommissionen wurden im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Volks-wirtschaftspläne für 1956— 1960 ins Leben gerufen und bestehen aus Wirtschaftsexperten der RgW-Länder. Bald stellte sich heraus, daß man ohne sie nicht mehr werde auskommen können. Man hat sie als ständige Branchen-kommissionen eingerichtet, deren Zahl je nach Bedarf schwanken kann. Die Grundlagen ihrer Arbeit wurden durch Beschluß der Berliner Ratstagung von 1956 festgelegt. Die Arbeit der Kommissionen erstreckt sich auf den Bereich eines bestimmten Wirtschaftszweiges. Auch nach der Neufassung der Satzung des Rates hat sich an der Rechtsstellung der Ständigen Kommissionen nicht viel geändert. Von polnischer Seite ist zwar der Versuch unternommen worden, sie mit größeren Vollmachten auszustatten und zugleich zu dezentralisieren. Diesem Versuch war jedoch kein Erfolg beschieden — im Gegenteil, die bisherigen Sekretariate der Kommissionen wurden in Abteilungen des Hauptsekretariats in Moskau umgewandelt.

Gegenwärtig gibt es folgende Ständige Kommissionen: 1. Ständige Kommission für Elektroenergie in Moskau 2. Ständige Kommission für Maschinenbau in Prag 3. Ständige Kommission für Landwirtschaft in Sofia 4. Ständige Kommission für Buntmetallurgie in Budapest 5. Ständige Kommission für Erdöl-und Gas-industrie in Bukarest 6. Ständige Kommission für chemische Industrie in Ost-Berlin 7. Ständige Kommission für Schwermetallurgie in Moskau 8. Ständige Kommission für Kohlenindustrie in Warschau 9. Ständige Kommission für Transportwesen in Warschau 10. Ständige Kommission für Bauwesen in Ost-Berlin11. Ständige Kommission für Außenhandel in Moskau 12. Ständige Kommission für Atomenergie in Moskau 13. Ständige Kommission für ökonomische Fragen in Moskau 14. Ständige Kommission für Standardisierung in Ost-Berlin 15. Ständige Kommission für Koordinierung der wissenschaftlichen und technischen Forschung in Moskau 16. Ständige Kommission, für Statistik in Moskau 17. Ständige Kommission für Valuta-und Finanzwesen in Moskau 18. Ständige Kommission für radiotechnische und elektronische Industrie in Bukarest 19. Ständige Kommission für Geologie in Ulan-Bator 20. Ständige Kommission für Leichtindustrie in Prag 21. Ständige Kommission für Lebensmittelindustrie in Sofia.

Sie teilen sich in reine Branchenkommissionen und in allgemeine Kommissionen. Zu den letzteren gehören die Kommissionen für Außenhandel, Wirtschaftsfragen, Standardisierung, Koordinierung der wissenschaftlichen und technischen Forschung, Statistik, Valuta-und Finanzfragen. Die Ständigen Kommissionen entfalten die produktivste Tätigkeit im Rat, denn nur in ihnen werden die Konzeption mit der Wirklichkeit und die Pläne mit ihrer Durchführungsmöglichkeit konfrontiert. Ihre organisatorische und verfahrensmäßige Grundlage bestimmt sich nach einem Statut, das nach Artikel 8 Absatz 1 der RgW-Satzung vom Exekutivkomitee bestätigt wird. Den Entwurf ihres Arbeitsplans fertigt die entsprechende Abteilung des Sekretariats aus. Die Ständigen Kommissionen tagen zwei bis viermal im Jahr. Die Länder werden in ihnen durch Fachminister vertreten, die über entsprechende innerstaatliche Vollmachten verfügen. Auch die Ständigen Kommissionen haben nach Artikel 8 Absatz 3 der Satzung das Recht, Empfehlungen auszusprechen und Beschlüsse zu fassen. e) Das Sekretariat Das Verwaltungsorgan des Comecon ist das Sekretariat mit Sitz in Moskau. Als übergeordnete Behörde hatte es bis 1962 Weisungsrecht gegenüber den Sekretariaten der Ständigen Kommissionen. Nach der Juni-Tagung 1962 wurde das Sekretariat reorganisiert. Bis dahin bestand sein Arbeitsapparat hauptsächlich aus dem Personal der Sekretariate der Kommissionen und hatte in erster Linie organisatorische und protokollarische Aufgaben. Gegenwärtig bilden die Sekretariate der Ständigen Kommissionen Abteilungen des Moskauer Sekretariats. Die Zahl des Personals hat sich 1962 schlagartig verdoppelt und beläuft sich zur Zeit auf etwa 250 Die Bedeutung der Reform von 1962 liegt nicht nur darin, daß die bisherigen Sekretariate der Kommissionen in die Abteilungen des Zentralsekretariats umgewandelt worden sind, sondern vor allem darin, daß die Abteilungen jetzt über erhöhte Vollmachten zur aktiven Zusammenarbeit verfügen. Zu ihrer Aufgabe gehört es, gemeinsame Wirtschaftsanalysen zur Entwicklung der einzelnen Produktionszweige zu machen und das Material den Ratsorganen vorzulegen. Ursprünglich sollte das Sekretariat zusammen mit dem Exekutivkomitee und den allgemeinen Kommissionen eine Art „internationaler Planungsstab" bilden.

Die Rechtsgrundlagen seiner Tätigkeit bilden Artikel 9 der RgW-Satzung, sein Statut und die Geschäftsordnung. Das Sekretariat besteht aus dem Sekretär, seinen Stellvertretern und dem erforderlichen Personal. Gegenwärtig ist der Sekretär der Sowjetrusse Faddejew, seine drei Stellvertreter sind der Pole Bajer, der Tscheche Rouzicka und der Rumäne Tabakol. Der Sekretär wird von der Ratstagung, die Stellvertreter werden vom Exekutivkomitee für vier Jahre ernannt. Zur Aufgabe des Sekretariats gehört es, Protokolle über die Rats-tagung und der anderen Organe auszufertigen, sie aufzubewahren und beglaubigte Kopien den Regierungen der Mitgliedsländer zuzustellen. Weiterhin bereitet es in Zusammenarbeit mit den Ständigen Kommissionen Entwürfe für Verträge vor. Ihm obliegt auch die Überwachung über die Erfüllung der in den Ratsorganen angenommenen Empfehlungen.

IV. Die Spezialorganisationen des Comecon

Die Spezialorganisationen sind gemeinsame Einrichtungen oder Betriebe des RgW, die durch Vereinbarungen oder Beschlüsse der zuständigen Ratsorgane errichtet werden. Sie sollen unmittelbare operative Aufgaben bei der Verwirklichung der internationalen Arbeitsteilung übernehmen. Zu diesem Zwecke verfügen sie über eigene Mittel und sind in Form internationaler juristischer Personen organisiert. Entsprechend dem Prinzip der „Interessiertheit", das ein durchgehendes rechtliches und politisches Element der gesamten Verfassung der kommunistischen Gemeinschaft ist, können an ihnen alle oder nur einzelne Mitgliedsländer teilnehmen. Sie sind von den internationalen sozialistischen Organisationen zu unterscheiden, die über den Kreis der Mitgliedsländer des RgW hinausgehen können. Zu dieser Gruppe der Organisationen gehören das Atominstitut in Dubna, das Abkommen über den internationalen direkten Eisenbahn-Güterverkehr, die Organisation für die Zusammenarbeit der Sozialistischen Eisenbahnen, die Organisation auf dem Gebiet des Post-und Fernmeldewesens und das Abkommen über die Koordinierung der Tätigkeit der Iono-Sphärendienste. Sie unterscheiden sich von den Spezialorganisationen des Comecon dadurch, daß sie satzungsgemäß nicht die Wirtschaftspolitik des RgW verfolgen und ihre Mitglieder nicht dem RgW anzugehören brauchen. Die Spezialorganisationen des Comecon gehen auf die entsprechenden Beschlüsse der Konferenz der kommunistischen Partei-und Regierungschefs im Juni 1962 zurück. In dem Kommunique über die Konferenz und in dem Dokument über die Grundprinzipien der internationalen Arbeitsteilung vom 17. Juni 1962 ist vorgesehen, gemeinsame Betriebe und vereinigte wissenschaftliche Zentren einzurichten sowie auch andere Maßnahmen ähnlicher Art in Angriff zu nehmen.

Gegenwärtig existieren folgende Spezialorganisationen des RgW:

1. Die Zentrale Dispatcherverwaltung der Vereinigten Energiesysteme in Prag. Sie wurde mit Abkommen vom 25. Juli 1962 errichtet. Es gehören ihr alle RgW-Länder ohne Albanien an.

2. Das Institut für Standardisierung in Moskau. Errichtet durch Beschluß der 16. Rats-52 tagung am 7. Juni 1962 für alle Länder ohne Albanien. 3. Das Frachtbüro in Moskau. Seine Gründung geht auf Beschluß der 17. Ratstagung im Dezember 1962 zurück. Auch hier fehlt nur Albanien. 4. Die Internationale Bank für Wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie wurde mit Abkommen vom 21. Dezember 1963 für alle Mitgliedsländer ohne Albanien in Moskau ins Leben gerufen. 5. Der gemeinsame Güterwagenpark. Errichtet mit Abkommen vom 21. Dezember 1963 von den Mitgliedsländern ohne Albanien. 6. Organisation für die Zusammenarbeit in der Schwarzmetallurgie (Intermetall). Sie wurde mit Abkommen vom 15. Juli 1964 ursprünglich zwischen Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn mit Sitz in Budapest errichtet. Noch im Herbst des gleichen Jahres sind ihr Bulgarien, die „DDR" und die Sowjetunion beigetreten.

Die Spezialorganisationen des Comecon stellen rechtlich eine neue Erscheinung im Ostblock dar. Man kann sie als einen Versuch ansehen, das auf dem Einstimmigkeitsprinzip und Veto aufgebaute Gemeinschaftsrecht zu modifizieren. Politisch sollen sie den Fortgang der wirtschaftlichen Integration erleichtern und die Widerstände im Rat abfangen. Es ist mit ihrer Hilfe beabsichtigt, den schwer-fälligen Befehlsweg von der Willensbildung in den Organen des Rates über die innerstaatliche Zustimmung bis zu ihrer Verwirklichung abzukürzen. Man kann in ihnen die Keime einer auch formell aufgebauten überstaatlichen Organisationsform erblicken.

Es handelt sich bei diesen Neugründungen um den ersten Schritt auf dem Wege zur Zusammenarbeit in der Produktion, weil sie vorläufig nur vorbereitende Verwaltungsausgaben zu erfüllen haben. Eine wirkliche „Internationalisierung“ der Produktionsstätten kann erst eintreten, wenn auch ein „internationales Eigentum" geschaffen worden ist. Dies ist aber nicht nur ein rechtliches, sondern in erster Linie ein hochpolitisches Problem. Internationales Eigentum müßte aus der nationalen Verfügungsgewalt der Mitgliedsländer heraus-gelöst werden, um es einer supranationalen Behörde zu unterstellen. Wie die rumänischen Vorbehalte gegen den sogenannten Walew-Plan 1964 gezeigt haben, sind dafür nicht alle politischen Bedingungen gegeben.

Audi in den Spezialorganisationen findet in der Regel noch der Grundsatz der nationalen Bestätigung der gefaßten Beschlüsse Anwendung. Eine neue Entwicklung scheint sich mit der Gründung der „Intermetall" anzubahnen, die zwar auch auf dem Einstimmigkeitsprinzip aufgebaut ist, aber es ergehen auch direkte Verfügungen an die unterstellten Betriebe unter Umgehung der einzelstaatlichen Behörden.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Diese Untersuchung stützt sich im wesentlichen auf die Arbeit des Verfassers, Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON), Köln 1962 = Dokumente zum Ostrecht, Bd. 2, und die Fortsetzung des gleichen Themas, in: J. Hacker/A. Uschakow, Die Integration Osteuropas 1961— 1965, die im Frühjahr 1966 als Bd. 7 der Reihe Dokumente zum Ostrecht erscheinen wird.

  2. Als Gründungsdokument existiert nur das Kommunique über die Konferenz, das von der Völkerrechtslehre als Vertrag qualifiziert wird.

  3. So führten z. B. die sowjetischen Anweisungen zum Ausbau der Werftindustrie in der „DDR" und Polen, die in der zweiten Integrationsstufe als eine „konstante Größe" in die internationale Arbeitsteilung und Spezialisierung, ausgenommen worden

  4. Vgl. D. A. Loeber, Vereinheitlichung des Warenlieferungsrechts im Außenhandel der Comecon-Länder, in: Osteuropa-Recht, Nr. 2/3, 1960, S. 35 bis 48.

  5. Vgl. B. Meissner, Das Parteiprogramm der KPdSU 1903 bis 1961, Köln 1962, S. 239.

  6. Vgl. Dokumente der SED, Berlin (Ost), Bd. VIII, 1962, S. 498.

  7. Neues Deutschland vom 1. März 1962.

  8. Mit dieser Frage hat sich das 14. Plenum des ZK der polnischen KP im November 1963 beschäftigt.

  9. P. Jaroszewicz in: Trybuna Ludu, 24. Februar 1963.

  10. Elf Tage nach der ergebnislosen Warschauer Sitzung des Exekutivkomitees reiste Podgorny nach Bukarest.

  11. Vgl. Probleme des Friedens und des Sozialismus, 1964, Nr 4 und 6.

  12. Text in deutscher Sprache abgedruckt in: Neuer Weg, Bukarest, vom 26. April 1964.

  13. Iswestija vom 4. Juli 1964.

  14. Text des Abkommens in deutscher Übersetzung bei Hacker/Uschakow, a. a. O.

  15. Vgl. Neue Zürcher Zeitung vom 6. November 1965.

  16. Vgl. K. Zemanek, Das Vertragsrecht der internationalen Organisationen, Wien 1957, S. 17.

  17. Text der Satzung bei A. Uschakow, Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Köln 1962, S. 73— 81. 19)

  18. A. Bodnar in: Polityka, 18. August 1962.

  19. Hierzu A. S. Bachow in: Völkerrechtliche Formen der Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten, unter der Red. von Schuschalow, Akademie der Wiss. d. UdSSR, Moskau 1962, S. 128/129 (russ.).

  20. Vgl. M. Kemper/J. Kirsten, Rechtsfragen der neuen Etappe internationaler ökonomischer Beziehungen zwischen den Mitgliedsländern des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, in: Staat und Recht, 1962, H. 12, S. 2168, Anm. 4.

  21. Vgl. E. T. Ussenko, Leitungsformen der sozialistischen internationalen Arbeitsteilung, Moskau 1965, S. 21; W. I. Morosow, Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe — ein Bündnis der Gleichberechtigten, Moskau 1964, S. 23 (russ).

  22. Vgl. L. Ciamaga, Von der Zusammenarbeit zur Integration, Warschau 1965, S. 46.

  23. H. Bülck, Zur Systematik der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaften, in: Berichte der Deutschen Gesellschaft für Völkerrecht, H. 3, Karlsruhe 1959, S. 93.

  24. Vgl. H. Furier, Grundfragen des europäischen Gemeinschaftsrechts, in: Neue Juristische Wochenschrift, 1965, S. 1401.

  25. Hierzu im einzelnen Uschakow, a. a. O., S. 29.

  26. Zum Problem des sozialistischen Internationalismus vgl. B. Meissner, Die interparteilichen Beziehungen im Ostblock und das Prinzip des „proletarisch-sozialistischen Internationalismus", in: Internationales Recht und Diplomatie, 1961, H. 3/4.

  27. G. I. Tunkin, Der sozialistische Internationalismus und das Völkerrecht, in: Neue Zeit, 1957, Nr. 5 (russ.).

  28. E. T. Ussenko, Völkerrechtliche Grundprinzipien der Zusammenarbeit der sozialistischen Länder, in: Sowjetstaat und Recht, 1961, Nr. 3, S. 27 (russ.).

  29. Kemper Kirsten, a. a. O., S. 2174.

  30. W. M. Schurschalow, Völkerrechtliche Prinzipien der Zusammenarbeit der sozialistischen Staaten, in: Sowjetstaat und Recht, 1962, H. 7, S. 97 (russ.).

  31. H.de Fiumel, Struktur und Rechtsformen des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe, in: Rechts-studien, H. 2, 1963, S. 238 (poln.).

  32. Ussenko, Leitungsformen, a. a. O., S. 116. 34)

  33. de Fiumel, a. a. O., S. 237 f.

  34. Vgl.den Standpunkt der sowjetischen Völkerrechtslehre zum Problem der ungleichen Verträge bei D. Frenzke, Der Begriff des ungleichen Vertrages im sowjetisch-chinesischen Grenzkonflikt, in: Osteuropa-Recht, 1965, H. 2, S. 69 f.

  35. Vgl. R. Becajac, Jugoslawiens Zusammenarbeit mit dem Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, in: Internationale Politik, Belgrad 5. Oktober 1964.

  36. Vgl. Polityka, Warschau 26. September 1964.

  37. Deutsche Übersetzung des Abkommens bei Hacker/Uschakow, a. a. O.

  38. Vgl. Ciamaga, a. a. O., S. 70.

  39. Kemper/Kirsten, a. a. O., S. 2177.

  40. B. Meissner, Die Rechtsstellung der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, in: Jahrbuch für Ostrecht, 1961, Bd. II/2, S. 7 f.

  41. Schurschalow, Sowjetstaat und Recht, a. a. O., S. 1000.

  42. N. S. Chruschtschow in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, 1962, H. 9.

  43. P. S. Romaschkin, M. S. Strogowitsch, W. A. Tumanow: Staats-und Rechtstheorie, Akd. d. Wiss, d. UdSSR, Moskau 1962, S. 205 (russ.).

  44. G. I. Tunkin, Fragen der Völkerrechtstheorie, Moskau 1962, S. 313, dt. Ausgabe, Berlin (Ost) 1963, S. 250.

  45. Ussenko, Leitungsformen, a. a. O., S. 86.

  46. Chruschtschow in: Probleme des Friedens und des Sozialismus, a. a. O., S. 23.

  47. W. Morawiecki, Internationale Organisationen, Warschau 1965 2, S. 476 (poln. J.

Weitere Inhalte

Alexander Uschakow, Dr. phil., geb. 2. Januar 1922 in Rowno, Studium der Slawistik und Rechtswissenschaften, von 1959 bis 1964 wissenschaftlicher Assistent an der Universität Kiel, ab 1964 beim Institut für Ost-recht an der Universität Köln. Veröffentlichungen u. a.: Der Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe, Köln 1962; Das sowjetische internationale Privatrecht 1917— 1962, Köln 1964; zahlreiche Aufsätze in Fachzeitschriften.