Vom Ende der Konferenz von Jalta bis zum Anfang der Konferenz von Potsdam
Ablauf der Ereignisse Die wichtigsten Markierungen dieses tief in die Geschichte des deutschen Volkes eingreifenden Szenenwechsels sind:
11. Februar 1945: In Jalta geht die zweite Begegnung der Großen Drei zu Ende
In der Hoffnung auf beständigen Frieden in der einen ungeteilten Welt verließ Roosevelt die Zeitlichkeit
7. Mai 1945: Der Forderung der Konferenz von Casablanca
I. Die äußere Vorbereitung der Konferenz 1. Festlegung von Zeit und Ort 2. Entsendung des amerikanischen Sonderbotschafters Hopkins nach Moskau 3. Entsendung des amerikanischen Son-
derbotschafters Davies nach London II. Die endgültige Einnahme der Besatzungszonen in Deutschland und der Besatzungssektoren in Berlin 1. Westliche Besorgnisse und Befürchtungen 2. Die Vereinbarungen über die Besetzung Deutschlands und die Vier-
Mädite-Vereinbarung von Berlin 3. Amerikanisch-sowjetische Verhandlungen über die alliierte Besetzung Berlins 4. Die Erkundung des amerikanischen Generals Parks 5. Die Durchführung des Truppenaustausches
III. Die sachliche Vorbereitung der Konferenz vornehmlich durch Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika 1. Die Frage der Teilung Deutschlands 2. Finanzund wirtschaftspolitische Auffassungen und Absimten 3. Amerikanische Stellungnahmen zu Gebietsforderungen an Deutschland 4. Notenwechsel über die Vertreibung der deutschen Bevölkerung bezw.
deutscher Minderheiten 5. Unterschiedliche Ansichten über die amerikanische Besatzungspolitik In der nächsten Ausgabe IV. Verlauf der Konferenz 1. Eröffnung am 17. Juli 1945 2. Arbeitsweise 3. Die erste Konferenzphase (17. — 25. Juli 1945)
4. Wechsel in der Führung der britischen Delegation 5. Vorentscheidungen in der sowjetischen Besatzungszone 2. Die zweite Konferenzphase (28. Juli — 2. August 1945)
V. Ergebnis der Konferenz 1. Das „Abkommen von Potsdam“
2. Das „Abkommen von Potsdam" und das deutsche Volk 3. Propaganda mit dem „Abkommen von Potsdam"
4. Zur Beurteilung der Konferenz Kapitulation gewollt war. Geplant ist dafür jedenfalls nicht worden. Das zeigt schon die relativ geringe Zahl von Beamten, Fachleuten und G 5-Offizieren, also Offizieren der Militärregierung, die zur Führung der Geschäfte in Deutschland ausgebildet wurden."
5. Juni 1945: Die Regierungen Großbritanniens, der Sowjetunion und der Vereinigten Staaten von Amerika sowie die Provisorische Regierung der Französischen Republik übernehmen in Deutschland die oberste Regierungsgewalt
Damit war ein Kondominium, eine gemeinsame Regierung eines besiegten und besetzten Landes proklamiert. Dessen technische Grundlagen standen fest, doch fehlten Richtlinien für die gemeinsame und einheitliche Ausübung der übernommenen Gewalt.
Mit Bedauern und Besorgnis wurde in Washington zur Kenntnis genommen, daß bei dieser ersten Zusammenkunft der vier Oberbefehlshaber weder die Konstituierung des Kontrollrats noch die Besprechung dringender Probleme, vor allem wirtschaftlicher Natur, erfolgt war. Marschall Schukow machte dafür den Rückzug der amerikanischen und britischen Truppen aus Thüringen, Sachsen und Mecklenburg zur Bedingung.
17. Juli 1945: Im Empfangssaal des Schlosses Cäcilienhof zu Potsdam wird die erste — und für zehn Jahre die einzige — Gipfelkonferenz der Nachkriegszeit eröffnet.
Auf der Konferenz von Potsdam wurden alle Probleme, die am Horizont der internationalen Politik standen, erörtert. Deutschland kam dabei oft und in vielfältiger Beleuchtung zur Erörterung. Die Konferenz endete überstürzt mit Vereinbarungen, über deren Auslegung und Anwendung vor allem im Hinblick auf Deutschland die Mächte sich schieden. Aus der Unfähigkeit, sich vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges über die Behandlung Deutschlands zu verständigen, wurde die Unmöglichkeit, Deutschland gemeinsam zu verwalten.
Die amerikanische Aktenpublikation „The Conference of Berlin 1945“
Vorbereitungen und Verhandlungen der Konferenz von Potsdam wurden zunächst durch bruchstückhafte, mehr Mutmaßungen als Mitteilungen enthaltene Presseberichte bekannt
Konferenzteilnehmer, vornehmlich Premier-minister Churchill und Präsident Truman, ga-ben erste Einblicke in die Problemstellungen und Gruppierungen der Konferenz
Der erste Band ist ausschließlich den Texten der Vorbereitung der Konferenz vorbehalten.
Diese, bedeutender und erregender als die Konferenzprotokolle, sind in vier unterschiedlich große Abschnitte gegliedert: Der erste Teil
Der zweite Band ist der Konferenz selbst gewidmet. Er bringt ein „Tagebuch des Präsidenten Truman"
Aus vielen Schriftstücken tritt — unsicher und tastend — das Bemühen zutage, das deutsche Problem politisch zu bewältigen, nachdem es militärisch gelöst war. Das erhebende Selbstbewußtsein, auf dem Schlachtfeld einen triumphalen Erfolg erkämpft zu haben, verband sich mit der zunächst von Zweifel freien Über-zeugung, auch den Frieden gewinnen zu können. Doch meldeten sich bereits unruhige Stimmen zu Wort, für die die Morgenröte der anbrechenden Epoche, unseres Zeitalters, nicht verheißungsvoll, sondern furchterregend war. Das Nebeneinander der Ansichten und Erwartungen läßt die Bemühungen und Bestrebungen dieser Zeitspanne, die für die Deutschen dunkel und kalt wie die Stunde vor Sonnenaufgang war, in einem schillernden Zwielicht erscheinen.
I. Die äußere Vorbereitung der Konferenz
1. Festlegung von Zeit und Ort Bevor die Waffen in Europa verstummten, sprach Premierminister Churchill am 6. Mai 1945 in einem Telegramm an Präsident Truman von der Notwendigkeit eines Treffens der drei Regierungschefs „sobald als möglich". Zur Begründung führte er an, die zu klärenden Angelegenheiten könnten schwerlich durch Schriftwechsel vorangebracht und gelöst werden. Gleichzeitig beschwor Churchill den amerikanischen Präsidenten, die Verhältnisse der Waffenruhe nicht zu Gunsten der Sowjetunion zu verändern: „Zwischenzeitlich sollten wir an der bestehenden Lage, die unsere Armeen in Jugoslawien, in Österreich, in der Tschechoslowakei, an der amerikanischen Hauptfront im Mittelabschnitt und an der britischen Front, die bis nach Lübeck, einschließlich Dänemarks, hinaufreicht, geschaffen haben oder noch schaffen werden, unverrückbar festhalten. Die beiden Armeen werden während der nächsten paar Tage mit dem Sammeln der Gefangenen viel zu tun haben; wir dürfen hoffen, daß die Feiern anläßlich des Sieges in Europa ebenfalls die Öffentlichkeit zu Hause beschäftigt halten werden. Danach, glaube ich, müssen wir unsere Haltung gegenüber den Sowjets ernsthaft erwägen und ihnen zu erkennen geben, wie-viel wir anzubieten oder zurückzuhalten haben."
Präsident Truman war zwar mit einer Zusammenkunft einverstanden, meinte jedoch: „Mir ist es lieber, wenn die Bitte um ein derartiges Dreiertreffen von Marschall Stalin und nicht von einem von uns beiden kommt. Vielleicht stehen Ihnen irgendwelche Möglichkeiten zur Verfügung, mit Hilfe derer man versuchen könnte, Stalin zu bewegen, ein derartiges Treffen vorzuschlagen oder zu erbitten. In der Zwischenzeit ist es meine derzeitige Absicht, auf unserer Auslegung der Vereinbarungen von Jalta zu beharren und in bezug auf alle die strittigen Fragen fest unsere derzeitige, bekannte Haltung zu vertreten."
In einem zweiten Telegramm vom 11. Mai sprach Churchill von seiner Befürchtung, daß im Verlauf des russischen Vorrückens durch Deutschland an die Elbe „schreckliche Dinge"
geschehen seien; die geplante Zurücknahme des amerikanischen Heeres auf die Besatzungslinien nannte er „eines der melancholischsten Ereignisse der Geschichte". Danach, wenn das Territorium von den Russen besetzt wäre, wäre Polen völlig eingeschlossen und tief im russisch besetzten Land begraben. Die russische Grenze verliefe dann in der Tat vom Nordkap in Norwegen längs der finnisch-schwedischen Grenze, über die Ostsee zu einem Punkt gerade östlich von Lübeck, längs der derzeitig vereinbarten Besatzungslinie und längs der Grenze zwischen Bayern und der Tschechoslowakei zu den Grenzen Österreichs, das nominell unter der Besetzung der vier Mächte steht, und halb durch dieses letztere Land zum Isonzo, hinter dem Tito und Rußland alles für sich beanspruchen werden, was nach Osten zu liegt. Somit würden die unter russischer Herrschaft stehenden Territorien die baltischen Provinzen, das gesamte Deutschland bis zur Besatzungslinie, die gesamte Tschechoslowakei, einen großen Teil Österreichs, das ganze Jugoslawien, Ungarn, Rumänien und Bulgarien umschließen, und Griechenland, das sich zur Zeit in einer äußerst unsicheren Lage befindet, berühren.
Die russische Herrschaft würde ebenfalls alle großen Hauptstädte Mitteleuropas umfassen:
Berlin, Wien, Budapest, Belgrad, Bukarest und Sofia. Churchill meinte in diesem Zusammenhang, die russische Forderung an Deutschland auf Reparationen allein würde so hoch sein, daß die Sowjetunion die Besetzung Deutschlands beinahe ins Unendliche ausdehnen könne. Er beschwor danach den amerikanischen Präsidenten: „Es ist höchste Zeit, daß diese gewaltigen Probleme von den Großmächten als Ganzes geprüft werden. Wir ha-ben auf unserer Seite einige bedeutende Pfänder, deren Einsatz eine friedliche Regelung herbeiführen könnte. Erstens, bevor sich die Alliierten aus ihren derzeitigen Stellungen auf die Besatzungslinie zurückziehen, müssen wir mit der polnischen Lösung einverstanden sein, und ebenfalls mit dem zeitweiligen Charakter der russischen Besatzung Deutschlands."
Auch Churchills weitere Vorschläge und Beschwörungen
er glaubte, daß ein Ort näher an Moskau, in Deutschland oder an anderer Stelle vorzuziehen sei, da Stalin auf schnelle und sichere Verbindung mit Moskau Wert lege — auch hatte er keine Bedenken gegen eine britischamerikanische Vorkonferenz. Der amtierende amerikanische Außenminister Grew schlug Wien als Konferenzort vor — eine Empfehlung, die Präsident Truman nicht ungünstig aufnahm*
2. Ich habe eine Ausfertigung dieses Telegramms an Ministerpräsident Stalin gesandt."
Am 14. Juni unterrichtete Premierminister Churchill Präsident Truman und Marschall Stalin von seiner Absicht, den Führer der Opposition, Clement Attlee, mit nach Potsdam zu bringen, „damit die uneingeschränkte Kontinuität der britischen Politik gewährleistet werden kann, da die am 15. Juli beginnende Konferenz in Berlin noch nicht beendet sein wird, wenn die britischen Wahlergebnisse bekanntgegeben werden"
In der Entsendung von Sonderbotschaftern nach London und Moskau sah Präsident Truman eine Gelegenheit, sich jetzt, im Augenblick Zweiten des Endes des Weltkrieges in Europa, über die politischen Auffassungen der Verbündeten der Vereinigten Staaten zu unterrichten. Er bat den intimen Vertrauten und Berater seines Amtsvorgängers, Harry Hopkins, Stalin zu besuchen und beauftragte den Leiter des Präsidialamtes für den Einsatz der Kriegshilfe, Joseph E. Davies, mit einer Mission zu Churchill.
2. Entsendung des amerikanischen Sonderbotschafters Hopkins nach Moskau Am 26. Mai im Kreml zum erstenmal von Stalin empfangen, berichtete Hopkins
Es berührt eigenartig, daß die weltpolitischen Erörterungen plötzlich die angesprochenen Probleme verlassen und sich in Spekulationen über Hitler ergeben. Hopkins äußerte den Wunsch, die Russen möchten die Leiche Hitlers finden. Stalin antwortete, nach seiner Auffassung sei Hitler nicht tot, sondern versteckt. Die sowjetischen Arzte glaubten zwar, die Leichen von Goebbels und von Hitlers Fahrer identifiziert zu haben. Er bezweifle sogar, daß Goebbels tot sei, und bemerkte, die ganze Angelegenheit sei seltsam; die Mitteilungen über die Beisetzungen enthielten sehr viele Unklarheiten. Stalin versicherte, er glaube, Hitler, Bormann, Goebbels und wahrscheinlich auch General Krebs seien entkommen und hielten sich versteckt. Hopkins sprach von „sehr großen deutschen U-Booten", von denen keine Spur gefunden worden sei. Stalin erwiderte, auch er habe Kenntnis davon, daß zwischen Deutschland und Japan U-Boote verkehrten, um Geld und Wertpapiere von Deutschland nach Japan zu bringen. Er sei deshalb der Ansicht, es sei durchaus möglich, daß Hitler und seine Begleitung in diesen U-Booten nach Japan gegangen seien. Der dazwischengeschobene Dialog wirkt gespenstisch — besteht doch Grund zu der Annahme, daß zu diesem Zeitpunkt bereits die verkohlte Leiche Hitlers von den sowjetischen Streitkräften aufgefunden und wahrscheinlich schon nach Moskau gebracht worden war.
Marschall Stalin benützte die Anwesenheit eines ihm und seinen Anschauungen äußerst gewogenen amerikanischen Politikers in Moskau, um nach der Verteilung der deutschen Kriegs-und Handelsflotte zu fragen; auch führte er laute Klage über ein angebliches Entgegenkommen der amerikanischen und britischen Streitkräfte gegenüber deutschen Verbänden. „Stalin sagte", berichtete Hopkins an Präsident Truman, „daß — wie wir wüßten — gewisse Einheiten des deutschen Heeres, die gegen die Russen gekämpft hätten, bemüht gewesen seien, sich den westlichen Alliierten und nicht den Russen zu ergeben, daß aber gemäß den Übergabebedingungen die deutschen Truppen sich dem Heer zu ergeben hätten, gegen das sie gekämpft hätten. Er sagte, daß General Eisenhower z. B. als ehrlicher Mann in korrekter Weise der sowjetischen Führung in der Tschechoslowakei etwa 135 000 deutsche Soldaten übergeben habe, die versucht hatten, sich dem amerikanischen Heer zu ergeben. Diese Handlungsweise sei ein Beispiel für faires und ehrliches Verhalten. Von der deutschen Flotte jedoch, die Leningrad und anderen sowjetischen Häfen so viel Schäden zugefügt habe, sei noch kein Schiff den Russen übergeben worden, obwohl sie sich ergeben hätte. Er fügte hinzu, daß er eine Mitteilung an den Präsidenten und den Premierminister gesandt habe, in der er vorgeschlagen habe, daß mindestens ein Drittel der deutschen Kriegs-und Handelsmarine, die sich ergeben habe, der Sowjetunion übergeben werden solle. Über den Rest könnten Großbritannien und die Vereinigten Staaten nach ihrem Gutdünken verfügen. Er fügte hinzu, daß, wenn die Sowjetunion ein Anrecht auf einen Teil der italienischen Flotte gehabt habe, sie sicherlich ein größeres Recht auf ihren gerechten Anteil an der deutschen Flotte habe, da sie in diesem Kriege 5 Millionen Tote zu beklagen habe. Er bemerkte, die Sowjetregierung habe Informationen darüber, daß sowohl die Vereinigten Staaten als auch England beabsichtigten, die sowjetische Forderung abzuweisen; er müsse sagen, daß — falls sich diese Mitteilung als wahr erweise — dieses Verhalten äußerst unangenehm sein werde. Abschließend sagte der Marschall, er habe seine Erklärung damit zu Ende gebracht."
Mit diesen Ausführungen provozierte Stalin, sicher nicht unbewußt, eine Erklärung seines amerikanischen Gesprächspartners über die weitere Entwicklung der amerikanisch-sowjetischen Beziehungen. Hopkins führte aus, er wünsche als erstes seinen Dank für die Offenheit zum Ausdruck zu bringen, mit der Marschall Stalin seine Sorgen dargelegt habe.
Er und Botschafter Harriman würden, soweit sie in der Lage seien, mit gleicher Offenheit antworten; wenn sie über einzelne Punkte nicht vollständig informiert seien, würden sie versuchen, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen. Er erklärte, er werde als erstes die Angelegenheit der deutschen Flotte behandeln. Auf Grund von Unterredungen mit Admiral King sei er in der Lage, zu versichern, daß die Vereinigten Staaten nicht den Wunsch hätten, irgendeinen Teil der deutschen Flotte zu behalten; sie würden lediglich beabsichtigen, die Fahrzeuge im Hinblick auf mögliche neue Erfindungen oder technische Verbesserungen zu untersuchen. Danach seien sie willens, den ihnen übergebenen Anteil zu versenken. Hopkins betonte mit Nachdruck, die Sowjetunion könne über ihren Anteil an der deutschen Flotte, der ihr nicht vorenthalten werde, frei verfügen.
Die Frage, ob nach Beendigung der Feindseligkeiten in Europa die amerikanischen Lieferungen an die Sowjetunion auf Grund des amerikanischen Leih-und Pachtsystems fortgesetzt werden sollten, nahm im Gespräch zwischen Stalin und Hopkins einen breiten Raum ein. Die Erwähnung der deutschen Reparationsleistungen ist in diesem Zusammenhang nicht zufällig. Die Sowjetunion war daran interessiert, für den Fortfall der Lieferung von Industrie-und Rüstungsgütern einen Ersatz zu erhalten; der Rückgriff auf das deutsche Industriepotential lag nahe.
Die eingehende Erörterung der polnischen Frage, den westöstlichen Zankapfel im Über-gang vom Krieg zum Frieden, benutzte Stalin, um an Hopkins Empfindungen zu appellieren. Im Verlauf von 25 Jahren, erklärte Stalin, seien die Deutschen zweimal auf dem Wege über Polen in Rußland eingedrungen. Weder das britische noch das amerikanische Volk habe derartige deutsche Invasionen erlebt, die eine schreckliche Sache seien und deren Folgen so leicht nicht vergessen werden könnten. Er sagte, diese deutschen Invasionen seien keine Kriegszüge, sondern Hunneneinfälle gewesen. Deutschland sei dazu in der Lage gewesen, weil Polen als Teil des „Cordon Sanitaire" um die Sowjetunion betrachtet worden sei. Auch sei es ein Postulat der europäischen Vorkriegspolitik gewesen, daß die polnischen Regierungen gegenüber Rußland feindlich eingestellt sein müßten. Unter diesen Umständen sei Polen zu schwach gewesen, Deutschland zu widerstehen und habe die Deutschen durchmarschieren lassen ... Es sei daher ein für Rußland lebenswichtiges Interesse, daß Polen sowohl stark als auch ihm gegenüber freundschaftlich gesonnen sei. Er betonte, die Sowjetunion habe nicht die Absicht, sich in interne polnische Angelegenheiten einzumischen. Polen werde unter einem parlamentarischen System leben, wie z. B. die Tschechoslowakei, Belgien und Holland. Alles Gerede über die sowjetische Absicht, Polen zu sowjetisieren, sei dumm. Selbst die polnischen Führer, unter ihnen einige Kommunisten, seien gegen das sowjetische System, da das polnische Volk keine Kollektivbewirtschaftung und andere Aspekte des sowjetischen Systems wünsche. In diesem Punkt hätten die polnischen Führer recht, da das sowjetische System nicht exportierbar sei — es müsse sich von innen auf der Grundlage einer Reihe von Bedingungen entwickeln, die in Polen nicht vorhanden seien. Stalin betonte mit Nachdruck: Alles, was die Sowjetunion wünsche, sei, daß Polen nicht gezwungen werden kann, die Tore für Deutschland zu öffnen. Zur Verhinderung dieser Möglichkeit müsse dieses Polen stark und demokratisch sein.
Mit diesen Ausführungen provozierte Stalin das Nachgeben der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika in der polnischen Frage. Es gelang ihm, Präsident Truman von der Bedeutung Polens für die Sowjetunion zu überzeugen. Indem sich die Vereinigten Staaten von Amerika mit dem von der Sowjetunion eingesetzten Lubliner Komitee als der provisorischen Regierung Polens einverstanden erklärten, trugen sie zur Begründung der kommunistischen Herrschaft in Warschau bei.
Diese Feststellungen sind keine Anklagen; ihre Erwähnung ist jedoch sachlich geboten. Der Botschafter der polnischen Exilregierung in Washington, Jan Ciechanowski, spricht in seinem unter dem bezeichnenden Titel „Vergeblicher Sieg" erschienen Erinnerungsband von einem „Verrat" der Westmächte und von der „fünften Teilung Polens"
In der vierten Besprechung zwischen Stalin und Hopkins am 30. Mai wurde die Termin-frage der Konferenz der Großen Drei erörtert. Stalin betonte dabei, daß er vor dem 28. Juni nicht verfügbar, jedoch zu jedem Zeitpunkt im Juli frei sei. Er nannte den 15. Juli, bemerkte mit ironischem Anflug, Churchill denke möglicherweise an die britischen Wahlen und wünsche, das Treffen vor den Wahlen zu veranstalten.
Am gleichen Tage, dem 30. Mai, berichtete Hopkins in einem geheimen Telegramm an Präsident Truman, er habe Stalin auf dessen Rede vom 9. Mai hin angesprochen, in der dieser einen sowjetischen Verzicht auf eine Zerstückelung Deutschlands ausgesprochen hatte
Die Besprechungen erfolgten in einer gereizten Atmosphäre. Churchill, beunruhigt, auf das tiefste verärgert über die amerikanische Weigerung, die in Europa eingetretene Situation nüchtern zu beurteilen, wurde gegenüber seinem amerikanischen Gast wiederholt aus-fällig. Er war bestürzt über die Vertrauensseligkeit des amerikanischen Präsidenten und dessen Berater und besorgt über die Auswirkungen des Vorstoßes der Sowjetunion in der Mitte Europas. Während Davies auf die „Legende des Verdachts" und auf die sowjetischen Befürchtungen über ein gemeinsames Vorgehen von Großbritannien und den Vereinigten Staaten hinwies, wurde Churchill nicht müde, von der Bedrohung Europas durch die Sowjetunion zu sprechen.
Davies faßte das Ergebnis seines sich über viele Stunden hin erstreckenden Gesprächs in seinem Bericht an Truman in folgenden Schlußfolgerungen zusammen: „Der Premierminister war müde, nervös und war offensichtlich einer großen Belastung ausgesetzt. Vehemenz und Bitterkeit seiner Erklärungen würden sich ohne Zweifel bei wohlerwogenem Urteil mildem." Bestrebt, die Haltung Churchills zu erklären, bemerkte Davies: „Der Premierminister ist ein großer Mann; es besteht jedoch kein Zweifel daran, daß er , als erstes, als letztes und jederzeit'ein großer Engländer ist. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß er im Grunde mehr um die Erhaltung der Stellung Englands in Europa als um die Erhaltung des Friedens besorgt war. Auf jeden Fall hatte er sich davon überzeugt, daß er, indem er England diene, dem Frieden am besten diene. Er ist ebenfalls ein großer Advokat und wendet geschickt alle Verhandlungskünste an. Der Premierminister war über die Entscheidung des Präsidenten und über die Tatsache, daß amerikanische Truppen bereits jetzt von Europa nach dem östlichen Kriegsschauplatz verlegt werden und in die vereinbarten Besatzungszonen zurückgenommen werden würden — , Rückzug', wie er es nannte —, bitter enttäuscht." Über Churchills Einstellung gegenüber der Sowjetunion erklärte Davies in sei-ner Zusammenfassung: „Gegenüber den Sowjets war er erbittert feindselig. Seine Haltung muß der sowjetischen Regierung bekannt sein oder zumindest von ihr vermutet werden. Sie ist ohne Zweifel schuld an dem Verdacht, der beim Austausch von Telegrammen im Zusammenhang mit der Kapitulation deutscher Truppen in Italien zum Ausdruck gebracht wurde, schuld an der Lage in Österreich, schuld an der Vermutung, es seien geheime Abmachungen zwischen den Deutschen und Alliierten an der Westfront auf Kosten der Russen an der Ostfront getroffen worden, schuld auch an anderen schwierigen Situationen. Die Haltung des Premierministers könnte einen großen Teil der Aggressivität und sogenannten einseitigen Handlungsweise der Sowjets seit Jalta erklären — sie tut es ohne Zweifel auch". Die Urteile des amerikanischen Sonderbotschafters sind hart; sie erscheinen als unsachlich, da eine Prüfung ihrer Berechtigung unterblieb. Davies war lediglich bemüht, Churchill zu verstehen: „Als Minister des Königs hält er starr an der klassischen britischen Politik in Europa fest; er erkannte, daß seine Hoffnung, das amerikanische Potential an Menschen und Material zur Beibehaltung der britischen . Führung'in Europa einsetzen zu können, im Schwinden begriffen ist. Ohne Zweifel befürchtet der Premierminister auch, daß beim Abschluß trilateraler Abkommen der Großen Drei der Idealismus unseres Volkes Entscheidungen zuläßt, die auf dem Kontinent möglicherweise unrealistisch sind und ernsthafte Probleme und Schwierigkeiten für die Zukunft in sich bergen könnten. Wenn Amerika Europa im Stich ließe, würde England allein die Last der Verantwortung dafür zu tragen haben." Davies befaßte sich auch mit der Ansicht Churchills über die Positionen der Armeen der Siegermächte in Deutschland: „Es war sein Ziel, das er offen aussprach, die Anwesenheit amerikanischer Streitkräfte und ihre Stellungen vor ihren Linien als Handelsobjekt zur Erlangung von Zugeständnissen der Sowjets zu verwenden." Nach einer nüchternen Bestandsaufnahme der Vorstellungen Churchills zur Lage vornehmlich in Europa versicherte Davies: „Der Premierminister bestätigt erneut, daß er 1.der amerikanischen Politik gegenüber Rußland keinen Widerstand entgegensetzen wird, 2. völlig mit der Absicht einverstanden ist, zu versuchen, alle mit der Selbstachtung vereinbaren Mittel auszuschöpfen, um die Schwierigkeiten zwischen den Großen Drei zu lösen, damit die Einheit gewahrt und der Frie-den nach dem militärischen Sieg erhalten bleibt und 3. mit einem Treffen zu dem Zeitpunkt und an dem Ort einverstanden ist, den Präsident Truman mit Marschall Stalin vereinbart." Davies beschloß seine Zusammenfassung mit der von Selbstbewußtsein nicht freien Versicherung: „Ein weiteres Ergebnis der Mission ist, daß die Spitze der Enttäuschungen des Premierministers über die Haltung unseres Landes gebrochen und beträchtlich entschärft wurde."
Der amerikanische Sonderbotschafter sprach während seines Aufenthaltes in London auch mit Außenminister Eden, von dem er den Eindruck gewann, daß er die Besorgnisse und Befürchtungen seines Regierungschefs nicht teile. Eden betonte gegenüber dem Abgesandten des amerikanischen Präsidenten, für Deutschland sei es notwendig, sobald wie möglich eine Vereinbarung über interalliierte Richtlinien, die die Verwaltung und die Verwaltungsmaschinerie Deutschlands regeln, zu treffen. Es wäre folgenschwer, wenn in den vier alliierten Zonen keine Einheitlichkeit in Verwaltungsangelegenheiten, in der Behandlung der deutschen Bevölkerung, der Kriegs-gefangenen, der Verschleppten oder in der Einstellung gegenüber der Bevölkerung oder der örtlichen Verwaltungen bestehe.
Das Fazit der Missionen amerikanischer Politiker nach Moskau und London gibt Aufschluß über die Beziehungen der drei Groß-mächte im Zeitpunkt der deutschen Niederlage: Präsident Truman war willens und entschlossen, die Rooseveltsche Politik der amerikanischen Vorleistung an Vertrauen und Material gegenüber der Sowjetunion fortzusetzen. Marschall Stalin kommentierte die Verschlechterung der Beziehungen der verbündeten Mächte mit der Bemerkung, die Sowjetunion werde auch allein ihre Interessen wahren. Der errungene Sieg scheint das Selbstbewußtsein Stalins, das, wie dessen Verurteilung durch Chruschtschow beweist, von Anfang an ausgeprägt war, ins Gigantisch-Phantastische gesteigert zu haben. Ihm war die pessimistische Beurteilung der Weltlage durch Churchill bekannt, er machte jedoch keine Anstalten, die Geneigtheit der Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien zu erreichen. Churchill machte, verzweifelt über die naive Zuversicht seines amerikanischen Gesprächspartners, den Versuch, diesem die eingetretene Veränderung der Weltlage anschaulich zu machen. Er mußte sich gefallen lassen, mit Hitler und Goebbels, die erst wenige Tage tot waren, verglichen zu werden. Zwar war auch Churchill erst sehr spät bereit, die Auswirkungen des Vormarsches der Roten Armee in das Herz Europas für die osteuropäischen, mitteleuropäischen und auch westeuropäischen Völker und Staaten zu sehen, trat jedoch, als sich ihm die Folgen dieser Entwicklung körperlicher Empfindungen gleich aufdrängten, mit großer Entschiedenheit dafür ein, zu retten, was noch zu retten war. Er sprach mit Ernst davon, daß im Falle des Abzugs der amerikanischen Streitkräfte Europa der Ausdehnung der sowjetischen Herrschaft preisgegeben sei; er bestürmte sowohl telegraphisch den amerikanischen Präsidenten und persönlich dessen Sonderbotschafter, mit der Zurücknahme der amerikanischen und britischen Streitkräfte in die vorgesehenen Besatzungszonen bis zur Klärung strittiger Fragen zu warten.
Die Gespräche der Sonderbotschafter des amerikanischen Präsidenten in Moskau und London enthüllen die Tragik der Anti-Hitler-Koalition im Augenblick ihres Triumphes.
Diese blieb der Weltöffentlichkeit nicht verborgen. Unter dem Titel „Die Großmächte und die deutsche Frage" veröffentlichte die „Neue Zürcher Zeitung" am 19. Mai einen Leitartikel, in dem auf heftige Spannungen und ernste Gefahren, die hinter den ungelösten Streitfragen lauerten, verwiesen und versichert wurde: „Von einer Verständigung über die Prinzipien, die in Deutschland angewendet werden sollen, hängt das weitere Einvernehmen zwischen den drei Großmächten und die Möglichkeit ihrer Zusammenarbeit in viel stärkerem Maße ab. Ein Ausgleich darüber kann vielleicht eine tragfähige Grundlage für die Lösung der sekundären Streitfragen bilden, bei denen heute niemand in einen Kompromiß einwilligen will. Diese Abneigung erklärt sich daraus, daß jeder der Beteiligten fürchtet, durch Nachgiebigkeit in einer für ihn selbst vielleicht untergeordneten Angelegenheit nachteilige Konsequenzen für die Entscheidungen von größerer Tragweite heraufzubeschwören und von vornherein die Regelung eines Problems von allgemeiner Bedeutung, wie es die deutsche Frage darstellt, zu kompromittieren. Einstweilen zeichnet sich in der Politik der Siegermächte in und gegenüber Deutschland allerdings weniger die Aussicht auf eine Verständigung über gemeinsame Richtlinien und Prinzipien als vielmehr der Versuch ab, den eigenen Machtbereich auf dem Boden des besiegten Staates und den politischen Einfluß auf seine Verwaltung und künftige Reorganisation nach Möglichkeit auszubauen und zu befestigen. Der Wettbewerb, der darin auch unter Angelsachsen und Franzosen besteht, ist von untergeordneter Bedeutung; dagegen nimmt er zwischen der Gesamtheit dieser westlichen Gruppe und der Sowjetunion entschiedenen Kampfcharakter an."
II. Die endgültige Einnahme der Besatzungszonen in Deutschland und der Besatzungssektoren in Berlin
Der zuletzt erwähnte Leitartikel der „Neuen Zürcher Zeitung" vom 19. Mai 1945 verwies auf die „Schwierigkeiten, die sich gegen den Plan einer gemeinsamen Kontrolle und Verwaltung Deutschlands erheben". Er führte dazu aus: „Auf der Konferenz von Jalta beschlossen die . Großen Drei'die Einsetzung einer interalliierten Kontrollkommission, die ihren Sitz in Berlin aufschlagen und in der auf Grund von Zusicherungen, die in der Folge der Regierung de Gaulles gegeben wurden, als viertes Mitglied auch ein Vertreter Frankreichs einen Sitz erhalten sollte. Das Verlangen der Russen, ihren Feldzug gegen das Dritte Reich durch die Eroberung Berlins zu krönen und damit ihr Prestige vor den Augen der Welt zu erhöhen, ist von den Westmächten respektiert worden, obwohl es den amerikanischen Divisionen allem Anschein nach nicht an der Gelegenheit gefehlt hätte, der Roten Armee zuvorzukommen. Seither schalten die Russen in der deutschen Hauptstadt unumschränkt. Von einem Mitspracherecht ihrer Bundesgenossen in Berlin ist nicht die Rede; ja es sind sogar hier, in der Hochburg des niedergeworfenen Feindes, die ohne die Angriffe der angelsächsischen Bomber nicht so bald sturmreif geworden wäre, alliierte Augenzeugen und Berichterstatter nur zu ganz kurzem Aufenthalt zugelassen worden. Genau wie in Wien stellt sich auch in Berlin die Abneigung der Russen gegen den Gedanken einer gemeinsamen Kontrolle und Verwaltung des besetzten Gebietes und gegen ihre Ausübung durch eine interalliierte Kommission heraus. Wie weit diese Abneigung geht, ob Moskau die Vertreter der westlichen Alliierten nur von seinem eigenen Einflußbereich fernhalten will oder ob es den Gedanken gemeinsamer Organe überhaupt ablehnt, läßt sich heute noch nicht durch schlüssige Beweise belegen. Es herrscht aber offenbar in London schon der Eindruck vor, daß die Russen nicht bereit sind, in ihrer Okkupationszone einen von allen vier Großmächten gebildeten Behörden-apparatzuzulassen." Die „Neue Zürcher Zeitung" sprach in ihrem Leitartikel offen die Folgen dieser Entwicklung aus: „Der Plan, Berlin zum Sitz der interalliierten Kontrollkommission zu machen, scheint bereits gefallen zu sein. Noch wird allerdings die Frage diskutiert, ob als Ersatz für Berlin vielleicht Magdeburg oder Leipzig dienen könnten. Ob aber unter dieser Bedingung Moskau sich an der Kommission wirklich beteiligen wird, bleibt eine offene Frage, die im übrigen selbst, wenn sie positiv beantwortet werden sollte, von untergeordneter Bedeutung ist im Vergleich zu dem viel wichtigeren Problem, wie die interalliierte Kontrollkommission ihre Befugnisse in der von der Sowjetregierung so streng gehüteten russischen Okkupationszone ausüben und die Richtlinien und Prinzipien einer wirklich gemeinsamen Politik der Sieger gegenüber dem Besiegten auch in Ostdeutschland durchsetzen soll."
2. Die Vereinbarungen über die Besetzung Deutschlands und die Vier-Mächte-Verwaltung von Berlin Der von der Moskauer Außenministerkonferenz (28. Oktober bis 1. November 1943) eingesetzten „European Advisory Commission", der Europäischen Beratenden Kommission, mit Sitz in London, unterbreitete am Tage nach ihrer Konstituierung, am 15. Januar 1944, der Vertreter Großbritanniens, Sir William Strang, den Entwurf für die Einteilung des Deutschen Reiches in militärische Besatzungsräume, in Zonen
1. Deutschland wurde in den Grenzen betrachtet, die es am 31. Dezember 1937 gehabt hatte.
2. Für die innerdeutschen Verwaltungsgrenzen wurde Bezug genommen auf eine deutsche Bekanntmachung vom 25. Juli 1941. Die Beratungen über die Aufteilung Deutschlands in Besatzungsräume wurden am 12. September 1944 abgeschlossen
Während die Zuweisung der Ostzone an die Sowjetunion bereits festgelegt wurde, war die Zuteilung der Nordwest-und Südwestzone offen. Daraus ist zu folgern, daß im Zeitpunkt des Abschlusses des Protokolls, das war am 12. September 1944, noch keine Einigung zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten über ihre Besatzungszonen erzielt war; diese wurde auf der II. Quebec-Konferenz erreicht, nach der Mitteilung Churchills „etwas übereilt und nebenbei"
Als Gebiet Berlin wurde der Raum Groß-Berlin bezeichnet, so wie es im Gesetz vom 27. April 1920
Im August 1944 legte de Gaulle, nach Paris zurückgekehrt, einen Vorschlag vor, der die Beteiligung Frankreichs bei der militärischen Besetzung Deutschlands forderte und vorsah; darin wurde ein Gebiet beschrieben, das durch französische Truppen besetzt werden sollte
In Verhandlungen zwischen den britischen, amerikanischen und französischen Vertretern bei der Europäischen Beratenden Kommission wurde die geographische Gestalt der französischen Besatzungsgebiete erarbeitet. Auf amerikanische Ablehnung stieß die Forderung Frankreichs nach der Zuweisung Hessen-Kassels. Die Vereinigten Staaten waren an einer direkten Verbindung zwischen Bremen und ihrem Besatzungsgebiet interessiert und wiesen deshalb den französischen Vorschlag zurück, der bei Annahme dazu geführt hätte, daß der Weg von Bremen in die US-Zone durch die britische und französische Zone geführt hätte. Die Verständigung darüber wurde auch deshalb erschwert, weil bei der Bildung der französischen Zone die bisher respektierten deutschen Verwaltungsgrenzen aufgegeben wurden. Bei der Festlegung der französischen Zone wurde davon ausgegangen, daß aus dem britischen und amerikanischen Gebiet gleich große Teile heraus-gelöst werden müßten, um aus ihnen das französische Besatzungsgebiet zu schaffen. Dabei waren Verkehrs-und Wirtschaftsverhältnisse zu bedenken, so daß die Rücksichtnahme auf deutsche Verwaltungsgrenzen ent-fiel
Der Oberkommandierende der Alliierten Streitkräfte in Europa verstand sich auf Grund von Vereinbarungen zwischen den Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten einerseits und der Sowjetunion andererseits dazu, auf eine Einnahme Berlins zu verzichten und die Eroberung Berlins der Roten Armee zu überlassen. Auch die Einnahme von Prag und Wien überließ er der Roten Armee. Die Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten wollten das Verdienst ihres östlichen Kriegsverbündeten sichtbar machen. Sie schufen dadurch das Problem des Einrückens alliierter Verbände in Berlin.
3. Amerikanische Verhandlungen über die alliierte Besetzung Berlins Bei der ersten Zusammenkunft der Oberbefehlshaber der siegreichen Armeen in Berlin am 5. Juni 1945 war es — entgegen amerikanischer Erwartungen — nicht möglich, den im Abkommen vom 14. November 1944
Präsident Truman und Premierminister Churchill teilten am 14. bzw. 15. Juni Stalin mit, daß sie bereit seien, Anweisungen zu geben für die Zurücknahme der amerikanischen und britischen Besatzungstruppen in die vereinbarten Besatzungszonen. Diese Befehle sollten gleichzeitig die Verlegung amerikanischer und britischer Garnisonen nach Berlin vorsehen
Diese sollten sich auf die Erkundung von Unterkünften, die Einrichtung von Fernmeldeeinrichtungen und den Transport amerikanischer Truppen und Versorgungsgüter erstrecken
Unzufrieden mit der aus Moskau erhaltenen Mitteilung wandte sich General Eisenhower am 19. Juni von Frankfurt aus erneut an den Chef der amerikanischen Militärmission in Moskau, dem er zu bedenken gab: „In Anbetracht der kurzen noch verbleibenden Zeit bis zum Treffen zwischen Präsident Truman und Marschall Stalin ist es unerläßlich, daß sich die Vorausabteilung zur Erkundung der vorhandenen Möglichkeiten für die Unterbringung des Präsidenten und seiner Begleitung sofort nach Berlin begibt, damit das erforderliche Personal und das entsprechende Gerät bereitgestellt und nach Berlin in Marsch gesetzt und die wichtigsten Vorbereitungen bis Mitte Juli beendet werden können. Diese Maßnahme kann nicht bis zur Rückkehr Marschall Schukows nach Berlin am 28. Juni aufgeschoben werden. Vorkehrungen für ein Treffen dieser Größenordnung können nicht innerhalb zwei Wochen getroffen werden." Mit großem Nachdruck erklärte General Eisenhower: „Es ist unbedingt erforderlich, daß General Parks und eine Vorausabteilung von ungefähr 50 Offizieren, 175 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 50 Fahrzeuge mit den notwendigen Transportflugzeugen morgen nach Berlin in Marsch gesetzt und von dem sowjetischen Befehlshaber, der Marschall Schukow während seiner Abwesenheit vertritt, in den amerikanischen Sektor eingewiesen werden. Auf Grund der Erkundung von General Parks müssen die notwendigen Truppen und das erforderliche Material zur Einrichtung von Fernmeldeverbindungen, Kasinos, Unterkünfte und andere Einrichtungen in der von Parks für notwendig erachteten Menge und der von ihm bestimmten Zeit nach Berlin geschickt werden. Zeitlich nicht befristetes und uneingeschränktes Recht der Benutzung der Autobahn Dessau—Berlin für Fahrzeuge und des Luftweges Halle—Berlin für Transportflugzeuge ist mit Wirkung von morgen erforderlich. Es handelt sich um eine dringende Angelegenheit; ein Übereinkommen muß sofort erzielt werden, wenn der Termin für das Treffen der Großen Drei eingehalten werden soll."
Der Chef der amerikanischen Militärmission in Moskau, Deane, gab das dringliche Ersuchen Eisenhowers an Botschafter Harriman weiter. Dieser wandte sich sofort an den stellvertretenden Außenminister Wyschinski, dem gegenüber er ausführte; „General Eisenhower wurde mit der Aufgabe betraut, die Vorkehrungen für Unterkünfte, Verpflegung und Einrichtung der Fernmeldeverbindungen in Berlin für die amerikanische Delegation zu der Mitte Juli stattfindenden Konferenz zu treffen. Er möchte seine Abordnung, bestehend aus 50 Offizieren, 175 Unteroffizieren und Mannschaften sowie 50 Fahrzeugen unter Führung von Generalmajor Parks morgen, den 20. Juni, nach Berlin schicken. Der Transport der Fahrzeuge sowie der Unteroffiziere und Mannschaften erfolgt über die Autobahn Dessau—Berlin, während General Parks und die Offiziere mit fünf Transportflugzeugen über Stendal nach Berlin fliegen. Ferner wünscht General Eisenhower uneingeschränkte Benutzung der Autobahn Dessau—Berlin und Flugerlaubnis für die erforderlichen Flugzeuge von Halle nach Berlin zur Beförderung der notwendigen Versorgungsgüter nach Berlin mit Wirkung vom 20. Juni und für die darauf folgende Zeit." Botschafter Harriman erinnerte an die erfolglosen Bemühungen des Chefs der amerikanischen Militärmission: „General Deane hat diese Frage bei dem so- wjetischen Generalstab zur Sprache gebracht, der darauf hinwies, daß General Eisenhowers Abordnung sich nicht vor dem dortigen Eintreffen Marschall Schukows am 28. Juni nach Berlin begeben sollte. Sie werden sicher verstehen, daß das Treffen der Regierungschefs umfassende und eingehende Vorbereitungen und den Transport einer verhältnismäßig großen Delegation von den Vereinigten Staaten nach Berlin bedingt. Die zur Verfügung stehende Zeit von kaum mehr als zwei Wochen nach dem 28. Juni reicht nicht zur Durchführung entsprechender Vorbereitungen aus." Harriman schloß mit dem Ersuchen: „Ich bitte darum, daß die sowjetische Regierung den sowjetischen Generalstab ermächtigt, den Antrag General Eisenhowers zu genehmigen und General Deane heute abend benachrichtigt wird, damit der Transport morgen beginnen kann."
Die Vorstellungen des amerikanischen Botschafters waren erfolglos. Am 20. Juni meldete General Deane an General Eisenhower: „General Antonow teilte mir heute morgen mit, die Frage der Vorbereitungen in Berlin für die bevorstehende Konferenz sei eine Angelegenheit, die zwischen unseren Regierungen entschieden werden müsse. Er wies darauf hin, daß er seinen früheren Beschluß, die Erkundung durch General Parks bis zur Rückkehr Schukows nach Berlin am 28. oder 29. Juni zurückzustellen, nicht ändern könne. Harriman hat diesen Punkt schon zweimal im sowjetischen Außenministerium zur Sprache gebracht, einmal am 15. Juni, als der erste Antrag auf Genehmigung der Reise General Parks nach Berlin vorlag, und heute abend, nach Erhalt Ihres Schreibens. Ich werde mich weiter bemühen, eine Vereinbarung über die Erkundung durch General Parks herbeizuführen."
„Botschafter Harriman sprach gestern abend mit Wyschinski über die sofortige Reise einer Vorausabteilung des General Parks nach Berlin zur Durchführung der vorbereitenden Maßnahmen für die Teilnahme der amerikanischen Delegation an der Konferenz von Potsdam im Juli. Wyschinski sagte, die Reise Parks und seiner Abordnung nach Berlin vor der Rückkehr des Marschall Schukow sei nutzlos, da es in Berlin keine sowjetischen Offiziere gebe, die hinsichtlich der sich ergebenden Fragen autorisiert handeln könnten. Wyschinski teilte Harriman mit, die sowjetischen Behörden seien sich der entsprechenden Probleme durchaus bewußt. Intensive Vorbereitungen für die Konferenz würden beginnen, sobald Schukow nach Berlin zurückkommt." Beruhigend fügt General Deane hinzu: „Die Briten bekamen dieselbe Antwort auf ihre Bemühungen um die Einreise einer Vorausabteilung nach Berlin ... Harriman wird Wyschinski, der anscheinend eine wichtige Rolle bei den Vorbereitungen für die Konferenz übernehmen soll, wieder aufsuchen. Bei dieser Zusammenkunft wird er versuchen, die russischen Ansichten über die Vorbereitungen für die Konferenz kennenzulernen."
Dringlich beauftragt, die leidliche Angelegenheit zu klären, sprach Botschafter Harriman am 21. Juni im sowjetischen Außenministerium vor und erörterte mit dem stellvertretenden Außenminister Wyschinski erneut das Einrücken eines amerikanischen Verbandes nach Berlin. Der erste Sekretär der amerikanischen Botschaft in Moskau, Page, hielt das Ergebnis dieser Besprechung in einer Niederschrift fest: „Der Botschafter erklärte, es bestehe der ernsthafte Wunsch, eine Voraus-abteilung amerikanischer Offiziere und Mannschaften sobald wie möglich zur Durchführung der Vorbereitungen für die bevorstehende Konferenz nach Berlin zu entsenden. Wyschinski erwiderte, erst soeben den diesbezüglichen Antrag des Botschafters erhalten und leider bisher keine Zeit gehabt zu haben, die Frage mit dem Botschafter zu erörtern ... Er prüfte kurz den Inhalt des Schreibens und betonte, der Aufschub der Inmarschsetzung der amerikanischen Abteilung sei auf den Umstand zurückzufuhren, daß sich Marschall Schukow in Moskau befindet und nicht vor dem 28. Juni nach Berlin zurückkehrt. Falls jedoch die Regierung der Vereinigten Staaten wünsche, mit den Vorbereitungen für das Treffen in Abwesenheit Marschall Schukows zu beginnen, so könnte sie natürlich ihre Vorausabteilung schicken, wann immer sie wünsche. Wyschinski sagte, es sei notwendig, die genaue Zahl der Offiziere und Mannschaften der Vorausabteilung sobald wie möglich mitzuteilen. Der Botschafter antwortete, seines Wissens bestehe die Vorausabteilung aus 50 Offizieren und 175 Unteroffizieren und Mannschaften, 50 Fahrzeugen und 5 Flugzeugen. Er kündigte an, nach Rückfrage bei General Deane sich deswegen mit Wyschinski in Verbindung zu setzen."
Ausführlich ging General Parks in seinem Bericht auf die ersten amerikanisch-sowjetischen Verhandlungen in Berlin ein: „General Gruglow erklärte, die Russen beabsichtigten, als Gastgeber aufzutreten; sie hätten Babelsberg für die Unterbringung der offiziellen Delegation gewählt, weil es sich um einen Ort mit verhältnismäßig ansehnlichen Häusern handle, der vergleichsweise leichte Bombenschäden aufweise. Er wies auch darauf hin, daß Babelsberg in bezug auf das Kronprinzenpalais in Potsdam, in dem die Konferenz stattfinden solle, bequem gelegen sei; die Straßen zwischen Unterkunftsbereich und Konferenzgebäude seien leicht zu schützen und zu überwachen." Dem ersten Amerikaner in Berlin blieb eine schmerzliche Enttäuschung nicht erspart; er meldete: „General Kruglow stellte fest, seine Befugnis erstrecke sich nur auf Vorbereitungen für die Konferenz, diese seien auf das Gebiet Babelsberg-Potsdam beschränkt. Die Frage des Zugangs amerikanischer Truppen nach Berlin könne er nicht erörtern; er sagte jedoch zu, für mich einen Höflichkeitsbesuch bei Marschall Schukows Stabschef oder seinem Vertreter zu arrangieren, in dessen Verlauf ich feststellen könne, ob Anweisungen aus Moskau eingegangen seien, die eine Erörterung von Problemen über Berlin erlaubten. General Kruglow zeigte auf einer Karte den Unterkunftsbereich, der den Vereinigten Staaten zur ausschließlichen Belegung mit Konferenz-teilnehmern, Verwaltungspersonal und Wachen zugewiesen werde. Innerhalb dieses Gebietes wären die Vereinigten Staaten für alles verantwortlich, außerhalb dieses Bereichs würden die Sowjets für Sicherheit und Wachen sorgen." An dieser Stelle meldete sich General Parks zu Wort: „Ich wies", schrieb er in seiner Meldung über seinen Aufenthalt in Berlin, „darauf hin, daß ungefähr 400 bis 450 Beamte mit einer entsprechenden Anzahl Bediensteter sich dort befinden würden und außerdem weit über 1 000 Soldaten für Versorgung, Instandhaltung, Wachen etc. dazu kämen, weshalb nach meiner Ansicht der Bereich zu klein sei. General Kruglow zeigte sich sehr überrascht über die Stärke der amerikanischen Delegation und sagte, Hopkins hätte deren Zahl auf 150 geschätzt. Er hätte keine Aufstellung der amerikanischen Beamten erhalten, jedoch angenommen, daß es sich um dieselbe Anzahl handele wie in Jalta-, sie hätten die Konferenz in einem ähnlichen Rahmen wie die Konferenz von Jalta geplant und richteten ungefähr dieselben Fernmeldeverbindungen ein. Als ich General Kruglow darauf aufmerksam machte, daß es notwendig sei, sofort mit dem Kfz-Transport von Zelt-gerät, Verpflegung, Kraftstoff usw. zu beginnen, und wir dafür die Route Dessau—Berlin zu benutzen wünschten, erklärte er, dagegen bestünden keine Einwände, entsprechende Maßnahmen würden veranlaßt. Ich erklärte ferner, daß wir sofort einen Luftkurierdienst zwischen Berlin—Halle—Frankfurt unter Benutzung der direkten Route nach Halle einzurichten wünschten. Kruglow antwortete, dagegen sei nichts einzuwenden." Stalins Sicherheitschef zeigte zwar in allen mit der Konferenz von Potsdam zusammenhängenden Fragen Entgegenkommen, lehnte es jedoch ab, Probleme des Einrückens der Verbände der Westmächte nach Berlin zu erörtern. Er legte Wert darauf, gegenüber den Vorausabteilungen der Konferenzdelegationen als Gastgeber aufzutreten. „General Kruglow führte aus", berichtete General Parks nach seiner Erkundung in Berlin, „er würde veranlassen, daß die Kfz-Staffel meiner Vorausabteilung am folgenden Tag an der Kreuzung Berliner Ring-bahn und Dessauer Autobahn in Empfang genommen würde. Mein Stab und ich wurden von General Kruglow zu einer Unterkunft geleitet, die vollständig mit Betten und sauberer Wäsche ausgestattet war. Da unsere Verpflegung vom Flugplatz noch nicht eingetroffen war, schickte er uns Proviant und einen Koch zur Unterstützung unseres Kochs.
Ferner schickte er mir eine Kiste Wein und General Wlasik schickte mir einige Flaschen Sekt. Das Essen war vorzüglich."
Tags darauf setzte General Parks seine Be-
sichtigung fort: „Generalmajor Gerlinsky führte mich am Samstag, den 23. Juni, morgens durch den Unterkunftsbereich des amerikanischen Bereichs. Es sind etwa 70 gut-gebaute, jedoch alte Häuser mit je einem oder zwei Badezimmern vorhanden; die Sowjetbehörden sind dabei, sie vollständig zu renovieren und sagen ihre Fertigstellung zu.
Es handelt sich in der Mehrzahl um bürgerliche Fläuser, von denen einige für hochgestellte Persönlichkeiten groß genug sind. Das für Präsident Truman vorgesehene Haus ist altmodisch, aber geräumig. Andere, für höhere Offiziere und Beamte geeignete, befinden sich in der Nähe; sie sind auch für den kurzen Aufenthalt der Vorausabteilung ausreichend, auch wenn sie nicht zu groß sind. Ein kurzer Überblick läßt erkennen, daß zwischen 500 und 600 Personen untergebracht werden können, wobei diese Zahl auch Melder und Kasinoordonnanzen umfaßt. Falls jedoch 450 Beamte eintreffen, reichen die Häuser nicht aus, und obwohl durch Zelte in gewissem Umfang Abhilfe geschaffen werden kann, ist deren Aufstellung keine Lösung. Die Frage kann nur gelöst werden, wenn der amerikanische Sektor in Berlin oder der Bezirk Zehlendorf uns übergeben und das zusätzliche Personal dort untergebracht wird." In kleinen Dosen wurden dem amerikanischen General die zukünftigen Schwierigkeiten serviert; er schrieb darüber: „Um 12. 30 Uhr hatte ich wiederum eine Besprechung mit General-B oberst Kruglow. Im Verlauf dieser Unterredung wurde telefonisch mitgeteilt, daß die Kfz-Staffel meiner Vorausabteilung an der Grenze angekommen sei und zahlenmäßig über die vereinbarten 50 Offiziere, 175 Unteroffiziere und Mannschaften sowie 50 Fahrzeuge hinausginge. Ich bat General Kruglow, nur die vereinbarte Anzahl durchzulassen. Bei dieser Unterredung stellte sich heraus, daß er die gestern zugesagte Genehmigung für unsere Fahrzeuge zur Benutzung der Autobahn Dessau—Berlin zu Nachschubzwecken nicht erteilen konnte. Er sagte jedoch, daß die Sowjetbehörden mit der Benutzung des Flugplatzes durch unsere Kurierflugzeuge einverstanden seien." Im Rahmen seiner Erkundung nahm General Parks auch das für die Konferenz der Großen Drei vorgesehene Gebäude in Augenschein: „Um 13 Uhr begleitete mich General Kruglow durch das Kronprinzenpalais in Potsdam, in dem die eigentliche Konferenz stattfinden wird. Ich habe zwar noch nicht an anderen Konferenzen teilgenommen, Oberstleutnant Pantuhoff, mein Dolmetscher, sagte jedoch, die Einrichtungen seien unendlich viel besser als in Teheran oder Jalta. Das Palais hat einen großen gewölbten Festsaal, in dem für die Konferenz ein runder Tisch aufgestellt wird. In den Flügeln ist Platz für Amtsräume, Sitzungsräume, Konferenzräume usw. Die Sowjetbehörden haben Gebäude und Anlagen in einen ausgezeichneten Zustand versetzt." General Parks hoffte, während seines Aufenthaltes auch die Frage des Einrückens eines amerikanischen Verbandes nach Berlin klären zu können; er berichtete darüber: „Da über einen Besuch in Marschall Schukows Hauptquartier keine Mitteilung erfolgte, beabsichtigte ich um 15 Uhr nach Frankfurt abzureisen. Kurz vor meiner Abfahrt zum Flugplatz erhielt ich eine Mitteilung, daß Marschall Schukows Stabschef mich am Flugplatz erwarten würde. Er begrüßte mich auf dem Flugplatz Tempelhof.
Ich brachte ihm meinen Dank für sein Entgegenkommen, mich aufzusuchen, damit ich Zeit spare, und für die von Generaloberst Kruglow empfangene herzliche Gastfreundschaft zum Ausdruck. Ich sagte ihm, zur Zeit gebe es nur eine Schwierigkeit, nämlich die Frage des Einsatzes von Fahrzeugen zwischen Berlin und Dessau für die Versorgung mit Verpflegung, Kraftstoff, Zeltgerät etc. Er erklärte, er habe keine Befugnis, mehr als 50 amerikanische Fahrzeuge in der russischen Zone zuzulassen; die in Babelsberg befindlichen 50 Fahrzeuge könnten jedoch zwischen Berlin und Dessau für Nachschubaufgaben eingesetzt werden."
General Parks war der Meinung, daß damit die vordringlichen Fragen gelöst sind; er täuschte sich, wie er in seinem Bericht selbst betonte: „In der Auffassung, daß General Kruglows Erklärung genügte, habe ich ihm gegenüber nicht von Flugzeugen gesprochen. Als ich jedoch an Bord meines Flugzeuges ging, nachdem sich der Stabschef verabschiedet hatte, wiesen Gorlinsky und der Kommandant des Flugplatzes Tempelhof darauf hin, daß für die Rückkehr des Flugzeuges eine Erlaubnis eingeholt werden müsse. Nach längerer Diskussion sagte ich General Gorlinsky, daß ich und das Kurierflugzeug zurückkommen würden; ich würde General Kruglow in einem Funkspruch die voraussichtliche Ankunftszeit mitteilen. Ich erklärte, daß wir auf der direkten Route von Halle nach Berlin fliegen würden; es wäre untunlich, wenn ich für jeden Flug mit Versorgungsgütern nach Berlin Erlaubnis von Moskau einholen müßte. General Gorlinsky stellte fest, daß die Vorausmitteilung der geschätzten Ankunftszeit ausreichend sei; er bemerkte, daß nach meiner Rückkehr nach Berlin über die spätere Regelung ein Übereinkommen getroffen würde, demzufolge keine Mitteilung zu erfolgen brauche."
Über seinen Rückflug bemerkte General Parks in seinem Bericht: „Wir starteten um 16 Uhr Moskauer Zeit vom Tempelhof und flogen über die Schwaneninsel in der Havel, dem angeblichen Heim von Goebbels ... Ich machte in Halle Zwischenlandung und gab meinem Stabschef Anweisungen. Um 17. 45 Uhr Frankfurter Zeit traf ich in Frankfurt ein." Die Ergebnisse seiner Erkundung in Berlin faßte der amerikanische General Parks in Empfehlungen zusammen: „ 1. Ich empfehle, das Kronprinzenpalais in Potsdam als geeignet für die Konferenz der Großen Drei zu akzeptieren.
2. Ich empfehle die Annahme des sowjetischen Plans für einen Unterkunftsbereich der Konferenzteilnehmer der Vereinigten Staaten in Babelsberg.
3. Ich empfehle die Beschleunigung der Verhandlungen zwecks Verfügbarkeit des amerikanischen Sektors in Berlin für die Unterbringung von Versorgungstruppen, unteren Beamten und Presse in Häusern und Zeltlagern, da für diese Personengruppen in Babelsberg kein Platz ist.
Wenn bis zum 1. Juli die Regelung aller Besatzungszonen nicht erreicht wird, ist mit Nachdruck darauf hinzuwirken, daß für die Errichtung von Lagern und Zeltlagern in dem an Babelsberg angrenzenden Zehlendorf, das zweifellos zum amerikanischen Sektor gehört, Genehmigung erteilt wird."
Unmittelbar nach der Meldung des General Parks am 23. Juni berichtete das amerikanische Hauptquartier in Frankfurt dem Chef der amerikanischen Militärmission in Moskau das Ergebnis der durchgeführten Erkundung und ersuchte, mit der sowjetischen Regierung folgende Angelegenheiten zu klären: Genehmigung zur Erkundung der Umgebung von Zehlendorf für zusätzliche Lagerbereiche und Unterkünfte; Genehmigung des Einsatzes von Versorgungsfahrzeugen auf der Autobahn Halle—Berlin ohne besondere Erlaubnis für den Einzelfall; Genehmigung der zahlenmäßigen Vergrößerung der jetzt in Babelsberg befindlichen Abteilung Parks nach Entscheidung des Oberkommandos der Alliierten Expeditionsstreitkräfte ohne weitere Rückfragen bei den sowjetischen Behörden. Nach Erhalt einer entsprechenden Weisung wandte sich Botschafter Harriman an den stellvertretenden sowjetischen Außenminister Wyschinski und ersuchte ihn um Klärung der ihm aus Frankfurt übermittelten Fragen
5. Die Durchführung des Truppenaustausches Die damit angekündigte Besprechung zwischen Marschall Schukow, dem amerikanischen General Clay und dem britischen General Weeks fand am 29. Juni in Berlin statt.
Als ihr Ergebnis meldete Botschafter Murphy nach Washington: „Die Sowjets wünschen so schnell wie möglich Zurückziehung der amerikanischen Truppen aus dem restlichen Teil ihrer Zone vom 1. Juli an. Das amerikanische Oberkommando wird sich bemühen, folgendes Programm zu erfüllen:
1. Juli: Die Russen entsenden Vorausabteilungen in 12 Städte;
2. Juli: Vorausabteilungen nach bestimmten Flugplätzen;
4. Juli: Beendigung der Zurücknahme der alliierten Truppen.
Zwischen der russischen Vorhut und der alliierten Nachhut soll ein räumlicher Abstand von ungefähr drei bis fünf Kilometer bestehen. Marschbeginn der Alliierten nach Berlin am letzten Tag der Zurückziehung der Truppen, Einrücken am nächsten Tag".
Diese Forderungen der Sowjetunion sind außerordentlich aufschlußreich; sie erklären die sowjetische Weigerung, Einheiten der Westmächte nach Berlin vor der Räumung der zugesprochenen Besatzungszone nach Berlin einrücken zu lassen. Churchills Absicht, auf den Kapitulationslinien stehen zu bleiben, scheint der Sowjetunion nicht unbekannt gewesen zu sein. Die Verwirklichung der vertraglich ver-einbarten Beteiligung der Westmächte an der Verwaltung Berlins wurde von ihr als Faustpfand zur Herausgabe ihres Besatzungsgebietes benutzt. Die Alternative hieß: Durchführung der Vier-Mächte-Verwaltung Berlins und Einnahme der festgelegten Besatzungszonen oder Verbleiben in den eingenommenen Stellungen. Ganz Berlin wäre in letzterem Falle unter sowjetische Herrschaft gekommen. Die Unfähigkeit, sich über Deutschland zu verständigen, wäre bereits zu diesem Zeitpunkt offenbar geworden. Diese Demaskierung wollten die Westmächte verhindern; sie vereinbarten deshalb in der Sitzung vom 29. Juni folgendes Programm für die Besetzung der Sektoren von Berlin:
1. Juli: Bodenerkundung;
2. Juli: Flugplatzerkundung;
3. Juli: Haupttruppe beginnt einzurücken und beendet Einrücken am 4. Juli.
Zum Straßenverkehr nach Berlin führt der amerikanische Bericht über die Sitzung vom 29. Juni aus: „Für den Straßentransport wäre die Autobahn Hanau—Magdeburg—Berlin von amerikanischen und britischen Truppen ohne Einschränkung zu benutzen. Einer freien Benutzung der Autobahn Berlin—Frankfurt haben die Russen nicht zugestimmt; das Übereinkommen über den Straßentransport erfolgt vorbehaltlich einer Prüfung durch den Kontrollrat oder durch die Regierungen."
Über den Eisenbahnverkehr vermerkt das erwähnte Protokoll: „Was den Schienenweg anbetrifft, so stellen die Russen derzeit die Eisenbahnen westlich von Berlin nicht auf russische Spur um; sie geben ihre Zustimmung zur ausschließlichen Benutzung der Linie Greene—Göttingen—Bebra mit Normalspur durch die Vereinigten Staaten und zur uneingeschränkten Benutzung der Linie Goslar— Magdeburg—Berlin durch die Alliierten. Es wurde vereinbart, daß im Straßen-, Schienen-und Luftverkehr auf den genehmigten Strekken keine Durchsuchung oder Kontrolle durch Zollbehörden oder militärische Behörden an der Grenze erfolgen würden; der Verkehr würde sich jedoch nach der russischen Polizeikontrolle in der üblichen Form richten müssen. Schukow sagte zu, daß alle angemessenen Forderungen hinsichtlich des Transports amerikanischer und britischer Truppen, die für die Vorbereitungen für die Konferenz nötig sind, erfüllt würden. Telegrammdienst zwischen Berlin und Frankfurt wurde vereinbart." Über den Luftverkehr nach Berlin heißt es im amerikanischen Bericht vom 29. Juni: „Hinsichtlich der Luftwege boten die Russen eine Luftstraße von ungefähr 20 Meilen Breite von Berlin nach Magdeburg und zwei Wege von Magdeburg nach Frankfurt an. Für die Konferenz werde der Flugplatz Gatow auf amerikanisch-britischer Basis betrieben. Im amerikanischen Sektor würde Tempelhof zur Verfügung stehen. Die Sowjets verlangen, daß jeder Flug eine Stunde vorher angekündigt wird; es ist nicht erforderlich, die Bestätigung der Mitteilung vor dem Flug abzuwarten."
Diese Mitteilungen, genauer als die entsprechenden Ausführungen Clays, sind wesentliche Beiträge zur leidvollen Geschichte der westlichen Zufahrtswege nach Berlin; sie machen deutlich, daß die Sowjetunion über sie nicht verhandelte, sondern sie bestimmte. Erst nach der Räumung der sowjetischen Besatzungszone gestattete die Sowjetunion den Einmarsch westlicher Truppen nach Berlin;
sie gewann Zeit — zum Abtransport von Gütern aller Art, der „Kriegsbeute", aus den Sektoren ihrer Verbündeten, demonstrierte ihre Macht in Deutschland —, wohingegen die Vereinigten Staaten von Amerika nur zaghafte Einwände erhoben.
Am 4. Juli traf die Masse der amerikanischen und britischen Verbände in Berlin ein; in ihrer Marschkolonne befand sich ein französisches Detachement. Die Weltpresse schenkte diesem Vorgang große Beachtung.
Der Korrespondent des „Daily Mail" schrieb:
„Den erstaunlichsten Eindruck machte es auf mich, daß trotz der vielen Vorankündigungen unsere Ankunft den russischen Truppen ebenso überraschend kam wie den deutschen Zivilisten. Offensichtlich hatten die russischen Kameraden nicht damit gerechnet, daß wir tatsächlich in Berlin einziehen würden." In der „Times" berichtete ein Journalist: „Wir erreichten Eisleben in den Morgenstunden und fanden dort bereits eine Unmasse roter Fahnen vor. Als wir die Elbe passiert hatten, mußten wir zu unserer Überraschung erkennen, daß in den Dutzenden von Ortschaften, die wir passierten, kaum irgendwelche Zivilisten zu sehen waren. Östlich von Wittenberg und bis Berlin stießen wir auf das Kampffeld, das heute noch die ganze Schwere der Schlacht um Berlin zeigt. Die Deutschen hielten es offenbar für angebracht, an allen möglichen und unmöglichen Stellen rote Banner mit Grüßen an die Rote Armee zu spannen. Diese Grußdemonstrationen erhöhen die unverkennbare Atmosphäre von Furcht jedoch mehr, als daß sie sie erleichtern. Alle paar hundert Meter fanden wir große Plakate mit Worten von Stalin vor. Die Mehrzahl der Straßenschilder sind in russischer Sprache abgefaßt. Immer mehr gewinnen wir den Eindruck, daß Deutschland seine Nationalität verloren hat und daß wir in einem fremden, bisher noch nicht entdeckten Lande sind." Der Korrespondent des „Daily Herald“ meldete: „Die Berliner zeigten kaum irgendwelches Interesse, als unsere Kolonnen in die Stadt einrückten. Erst später wagten einige von ihnen, sich an uns zu wenden. Wir konnten dann mehrfach vernehmen: Wir haben lange auf die Engländer und Amerikaner gewartet, und wir freuen uns, daß ihr endlich da seid!"
Beinahe zwei Monate waren seit der Einstellung der Kampfhandlungen in Europa vergangen. Jetzt erst, nach Verzögerungen, Verschleppungen und Vertröstungen erhielten Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika die Möglichkeit, sich an der ihnen im Abkommen vom 12. September 1944 vereinbarten gemeinsamen Besetzung und Verwaltung Berlins zu beteiligen. Den im Verband der amerikanischen und britischen Einheiten nach Berlin eingerückten französischen Truppen wurden am 12. August 1945 die Stadtbezirke Reinickendorf und Wedding als französischer Sektor übergeben.
III. Die sachliche Vorbereitung der Konferenz vornehmlich durch Großbritannien und die Vereinigten Staaten von Amerika
1. Die Frage der Teilung Deutschlands Bisher wurde in der politischen und zeitgeschichtlichen Literatur die Auffassung vertreten, Präsident Truman sei mit der Bereitschaft, einer Aufteilung Deutschlands zuzustimmen, nach Deutschland gekommen. Als Zeuge dafür wurde Admiral Leahy
Das Problem der Aufteilung Deutschlands wurde in den zur Vorbereitung der Konferenz von Potsdam erstellten amerikanischen Schriftstücken ausführlich erörtert. Die „Richtlinien für die amerikanische Delegation" sprachen die Empfehlung aus, „daß sich die Regierung der Vereinigten Staaten — unabhängig von der Abtretung von Grenzgebieten und der Vornahme von Grenzberichtigungen — gegen die Aufteilung Deutschlands in zwei oder mehr Einzelstaaten ausspricht". Zur Begründung der Abkehr von dem auf der Konferenz von Teheran von Präsident Roosevelt vorgetragenen Plan, Deutschland in fünf Staaten und zwei internationale Zonen aufzuteilen, von den Vorschlägen des Unterstaatssekretärs Sumner Welles, Deutschland in drei Staaten zu zerlegen, und vor allem von den leidenschaftlichen Erwägungen des Staatssekretärs Morgenthau — um nur drei amerikanische Deutschlandpläne an-zuführen —, heißt es in den „Richtlinien für die amerikanische Delegation": „Die Regierung der Vereinigten Staaten sollte eindeutig ihre Auffassung zum Ausdruck bringen, daß die Teilung Deutschlands in Besatzungszonen nicht die Errichtung von Schranken für den interzonalen Warenverkehr bedeutet. In der amerikanischen Besatzungszone herrscht Lebensmittelknappheit und fast völliger Mangel an Kohle und anderem wichtigen Industriematerial. Ihre Verwaltung als geschlossene wirtschaftliche Einheit wäre völlig undurchführbar. Die britische Zone hat noch größeren Lebensmittelmangel, wäre jedoch die logische Versorgungsquelle für Kohle und einige andere Industriematerialien. Die russische Zone besitzt einen Überschuß an Lebensmitteln und hat — abgesehen von Berlin, das nach den derzeitigen Abkommen einer Vier-Mächte-Verwaltung unterstehen würde — viel geringere Bombenschäden erlitten als Westdeutschland." Die „Richtlinien für die amerikanische Delegation" begnügen sich mit der Darlegung der wirtschaftlichen Gründe; sie verweisen mit großem Ernst auf die Konsequenzen von Vereinbarungen der westlichen Besatzungsmächte: „Die Dringlichkeit dieses Problems und die Notwendigkeit einer unverzüglichen Entscheidung entspringen dem Umstand, daß in Kürze unter den westlichen Alliierten Vereinbarungen erforderlich sind, deren Anwendung auf Westdeutschland beschränkt bleibt, wenn nicht schnell erste Abkommen, die sich auch auf die russische Zone erstrecken, erreicht werden. Die amerikanische Zone in Deutschland ist von der Ruhrund Saarkohle abhängig. Die Briten werden die Unterstützung der Vereinigten Staaten zur Deckung des großen Nahrungsmittelfehlbedarfes in Nordwestdeutschland benötigen."
Die Glaubwürdigkeit der amerikanischen Abkehr von den Überlegungen und Plänen zur Teilung Deutschlands vor dem Zusammentritt der Konferenz von Potsdam ist nicht nur in den Instruktionen für die amerikanische Delegation, sondern auch in zahlreichen zu deren Erstellung erarbeiteten Schriftstücken nachweisbar. Der gemeinsame Beraterausschuß der Vereinigten Stabschefs der amerikanischen Streitkräfte legte im Juni 1945 eine Denkschrift über die Frage der Zerstückelung Deutschlands vor, in der es hieß: „Eine Aufteilung Deutschlands in mehrere deutsche Staaten würde nicht die vollständige Vernichtung des aggressiven Nationalismus bewirken, der das deutsche Volk während des vergangenen Jahrhunderts gekennzeichnet hat. Außerdem würde die Errichtung mehrerer weiterer kleiner Staaten in Mitteleuropa dazu angetan sein, einen noch größeren Raum für Rivalitäten und politische Ränke unter den europäischen Mächten zu schaffen, ohne dafür Vorteile in Form einer Lösung des Hauptproblems, der Rückkehr Deutschlands in die Völkerfamilie, zu bringen. Aus diesen Gründen hält der Gemeinsame Beraterausschuß vom langfristigen militärischen Gesichtspunkt aus eine wirkliche Zerstückelung Deutschlands für unerwünscht."
Dieser Auffassung, daß eine Teilung Deutschlands unerwünscht sei, war auch der politische Berater des Militärreferenten des amerikanischen Präsidenten, der seinerseits eine umfangreiche Untersuchung über die Frage der Aufteilung Deutschlands erstellte. Sie ist deshalb außerordentlich wertvoll, weil sie eine Übersicht über die Teilungsgespräche während des Zweiten Weltkrieges gibt. In ihnen wird auch der sowjetische Wunsch nach der Schaffung eines Gebietes unabhängiger aber prorussischer Staaten in Polen, der Tschechoslowakei und Ungarn festgehalten
Das amerikanische Interesse an dieser grundsätzlichen Frage der Politik der verbündeten Mächte gegenüber Deutschland kam auch in 91 der Tatsache zum Ausdruck, daß der amerikanischen Delegation nicht eine, sondern mehrere Instruktionen mitgegeben wurden.
Der eingangs zitierte Text ist als Kurzfassung eines sehr umfangreichen Schriftstücks über das Problem der Zerstückelung Deutschlands anzusehen. Dieses geht ausführlich auf die mögliche Entwicklung eines in mehrere Staaten aufgeteilten Deutschlands ein. Es gibt zu bedenken, daß die Aufteilung Deutschlands nur in dem Falle ein Mittel dazu sei, den Deutschen die Möglichkeit zu nehmen, einen Krieg zu beginnen, wenn eine echte und andauernde Zersplitterung ihrer nationalen Kräfte einsetze. Zu dieser Zersplitterung würde es nach amerikanischer Hinsicht gehören, politische und militärische Zusammenarbeit zu verhindern. Zu ihrer Wirksamkeit müßte eine Zersplitterung eine Zerreißung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands zur Folge haben. Diese Hoffnungen bezeichnete die amerikanische Instruktion als illusionär und fuhr danach fort: „Am besten rechnet man damit, daß das deutsche Volk die Aufteilung als unabänderlichen Dauerzustand nicht bereitwillig hinnimmt. Das Nationalgefühl der Deutschen hat sich zu einer derartigen Stärke entwickelt, daß es bei ihnen keine nennenswerte Gruppe gibt, welche die Entscheidung von 1871 bisher in Frage gestellt hat. Die Versuche, die nach dem vorigen Krieg unternommen wurden, um den Separatismus im Rheinland zu fördern, fanden beim Volk nur geringe Unterstützung; und da diese Bewegung durch die Franzosen begünstigt wurde, verlor sie in den Augen der Deutschen jegliches Ansehen. Wahrscheinlich besteht zur Zeit in gewissem Umfang eine Reaktion gegen die von den Nazis übertriebene Zentralisation, doch hat der Zusammenbruch durch die Niederlage noch in keinem Gebiet Deutschlands zu Willensäußerungen nach einer Trennung vom übrigen Deutschland geführt." Die Anweisung beurteilte von dieser Feststellung die zukünftige Entwicklung: „Es muß daher erwartet werden, daß die Deutschen, wenn sie den Schock der Niederlage überwunden haben, ihr patriotisches Gefühl für nationale Einheit wiedergewinnen, es sei denn, daß die Siegermächte in der Lage wären, innerhalb Deutschlands geographisch bedingte Rißlinien zu entdecken und sie entsprechend auszunutzen." Die Instruktion fuhr fort: „Gegenwärtig ist die Wahrscheinlichkeit, derartige Linien zu finden, nur gering. Die historischen Grenzen bieten nur geringe Ansatzpunkte für Hoffnungen in die-ser Richtung. Die alten Ländergrenzen liefern im günstigsten Falle eine gewisse Grundlage für eine gemäßigte Dezentralisierung. Konfessionelle Unterschiede, die in der Weimarer Republik durch das Wählen bestimmter Parteien zutage traten, geben keine Hinweise auf nennenswerte Spaltungen. Die alten Differenzen, wie sie früher zwischen Ost und West einerseits und zwischen Nord und Süd andererseits bestanden, entbehren praktisch jeder Substanz im heutigen Deutschland; sie reichen bestimmt nicht aus, um sich auf sie als Grundlagen für eine dauernde Teilung zu stützen. Und selbst wenn zwischen ihnen wesentliche Unterschiede bestünden, wären diese Gebiete dennoch zur Eigenstaatlichkeit ungeeignet, denn angesichts der starken Ballung von Bevölkerungsteilen und der wirtschaftlichen Entwicklung im Nordwesten eignen sie sich nicht mehr als Mittel zur Schaffung eines Gleichgewichts zwischen verschiedenen Gebieten Deutschlands. Es kann als weiterer Beweis für den homogenen Zustand des heutigen Deutschlands gewertet werden, daß eine politische Analyse der Gebiete im Nordwesten, Süden und Osten eine bemerkenswerte Übereinstimmung hinsichtlich der Entwicklung des Nationalsozialismus in ganz Deutschland zeigt." Auf Grund dieser Erhebungen untersuchte die amerikanische Denkschrift die mögliche Funktion der Grenzen der Besatzungszonen: „Diese Erwägungen dienen somit als Anzeichen dafür, daß die Grenzen der vier militärischen Besatzungszonen keine Aussicht dafür bieten, sie als wirksame Linie für eine interne Aufspaltung und damit für eine Aufteilung zu benutzen, und sie wurden ja auch nicht zum Zwecke einer Aufteilung gezogen. Die einzige vertretbare Berechnung geht dahin, daß man eine Aufteilung — ohne Rücksicht auf die Anzahl der Einzelstaaten und ihre jeweiligen Grenzen — auf unbestimmt lange Zeit gewaltsam beibehalten müßte. Im Endeffekt würde sich daraus ergeben, daß die Siegermächte sich dann auf die Aufteilung als Ersatz für Entmilitarisierungskontrollen nicht verlassen könnten und somit nicht nur einen ausreichenden Kontrollapparat beibehalten müßten, um ein ungeteiltes Deutschland im Zaume zu halten, sondern sich außerdem noch die überflüssige Last der Beibehaltung einer Aufteilung aufbürden müßten." Die „Richtlinien für die amerikanische Delegation" erinnerten auch auf die Rückwirkungen einer Teilung Deutschlands auf die internationalen Beziehungen: „Des weiteren wäre zu betonen, daß eine Aufteilung Deutschlands puch zu einem höchst gefährlichen Wettbewerb zwischen den einzelnen Mächten führen könnte, die Regierungen der Teilstaaten zu dirigieren oder zu beeinflussen. Den Deutschen wird es dadurch ermöglicht, einen Alliierten gegen den anderen auszuspielen — ein Verfahren, daß ohne weiteres ein gemeinsames Vorhaben der Deutschen darstellen könnte. Die Deutschen könnten, indem sie den Osten oder den Westen auffordern, besondere Gebietsansprüche geltend zu machen und eine vorherrschende Rolle in einem oder mehreren neuen Staaten auszuüben, ohne weiteres Sonderkonzessionen für den einen oder anderen Staat erreichen und die Einmütigkeit der Alliierten bei der Verhinderung einer neuen deutschen Aggression gefährden.
Das Geschick, mit dem die Deutschen in der Hitlerzeit eine Macht gegen die andere ausspielten, ist Beweis für ihre Fähigkeit, sich jede Gelegenheit auf politischem Gebiet zunutze zu machen, die sich ihnen durch die Schaffung mehrerer deutscher Staaten bieten würde." Gründlich wie die Amerikaner in der Politik zu sein pflegen, fragten sie auch nach den wirtschaftlichen Auswirkungen einer Teilung Deutschlands: „Die Ansicht, daß eine Zergliederung Deutschlands schädlich für die wirtschaftliche Sanierung Europas sein würde, leitet sich von der Schlußfolgerung ab, daß man, wenn es sich dabei um eine mehr als nominelle oder nur als Übergang gedachte Einrichtung handeln soll, zwischen den Einzelstaaten wirkliche Wirtschaftsschranken errichten müßte. Eine Zollunion oder eine andere Art besonderer wirtschaftlicher Zusammenarbeit könnte nur zu einer zum Teil zwar rechtmäßigen, aber größtenteils wahrscheinlich rechtswidrigen Konsolidierung von Hilfsquellen führen, welche die mit der Aufteilung verbundenen Absichten gefährden würde. Eine wirtschaftliche Zerstückelung jedoch würde nicht nur für Deutschland, sondern für ganz Europa zu einem wirtschaftlichen Rückfall führen. Ohne Zweifel ließen sich einzelne Gebiete Deutschlands so anordnen, daß sie am Leben blieben; auch könnte man ihnen — vielleicht durch Unterstützung von außen — ein Leben mit einem reduzierten Standard schaffen, aber Wirtschaftsgrenzen innerhalb Deutschlands würden für Deutschland Hindernisse darstellen, wenn es in wirksamer Weise unmittelbare Reparationsleistungen erbringen und einen Höchstbeitrag zum Wiederaufbau und vor allem zur Verbesserung des Lebensstandards in Europa leisten soll." Spekulativ erörterten die Verfasser der amerikanischen Weisung das wahrscheinliche Verhalten der deutschen Teilstaaten untereinander: „Jede nur erlaubte Art von besonderer wirtschaftlicher Zusammenarbeit zwischen den Einzelstaaten würde ein beträchtliches Feld für gemeinsame Aktionen erschließen. Völlige wirtschaftliche Trennung dagegen würde ein Antrieb zu einer Vielzahl von parallel verlaufenden Aktionen sein, von denen einige anscheinend harmlos und juristisch unanfechtbar, andere aber betrügerischer Art sein würden; letzten Endes würde es sich bei derartigen Aktionen um gemeinsame Unternehmen handeln. Unter solchen Verhältnissen würde ein Kontrollsystem selbstverständlich nur Teilerfolge zeitigen, während Schikanen und Streitigkeiten an der Tagesordnung sein würden. Ein gleiches Rechtssystem in den verschiedenen Staaten oder die Wahl der gleichen Exekutive könnten ohne weiteres viel zur Beseitigung der Teilung beitragen. Die koordinierende Tätigkeit gleichgesinnter und für alle Vorhaben in der Praxis überhaupt gleicher politischer Parteien würden den Scharfsinn der erfahrensten und kritischsten Kontrollorgane auf die Probe stellen. Die Maßnahmen der Naziregierung der Freien Stadt Danzig liefern in ihrer Parallelität zu denen des Nazireichs ein Beispiel dafür, was geschehen könnte und wie schwierig es sein würde, wirksame Schritte dagegen zu unternehmen. Das Resultat einer derartigen Sachlage könnte ein Deutschland sein, das zwar keinen Krieg beginnen könnte, nichtsdestoweniger aber in der Lage wäre, die Welt ständig in Unruhe zu halten.“ Nicht nur mit deutschen Machenschaften zur Verwirrung der Besatzungsmächte, auch mit deren Entfremdung rechneten die Amerikaner: „Eine noch größere Gefahr hinsichtlich der Friedensregelung und Weltsicherheit würde sich ergeben, sollte sich die Erhaltung der Einmütigkeit der Alliierten gegenüber deutschen Ausflüchten und damit gleichzusetzenden unaufhörlichen Protesten als Problem erweisen. Die Geschichte des Versailler Vertrages, soweit sie sich als allgemeiner Grundsatz anwenden läßt, zeigt die Gefahren auf, die in Meinungsverschiedenheiten bei den Vereinten Nationen liegen, wenn es um die Frage geht, ob die verschiedenen Vertragspunkte mit einem in Friedenszeiten üblichen Rechtsgefühl und mit den wirtschaftlichen Erfordernissen des Lebens im Frieden vereinbar sind. Je rigoroser und je weniger offenbar notwendig die Bestimmungen eines Vertrages sind, desto schneller werden sich Meinungsverschiedenheiten zwischen den Alliierten ergeben. Jegliche Konzession, die einer Veränderung des Rechtsempfindens entspringt, wird die Deutschen nur zu patriotischen Protesten und zum Widerstand ermutigen; jeder Meinungsstreit unter den mit den Durchführungsmaßnahmen befaßten Mächten über die Vorzüge eines bestimmten Rezeptes würde irgendeinem deutschen Fait accompli den Weg ebnen. Wenn dieser Prozeß einmal eingesetzt hätte, gäbe es kein logisches Halt auf dem Wege der Befreiung Deutschlands von fremder Kontrolle." Zum Abschluß ihrer sehr eingehenden Untersuchung der Vor-und Nachteile einer Zerstückelung Deutschlands gaben die Verfasser der Instruktion, die sich im Reisegepäck der amerikanischen Delegation für die Konferenz von Potsdam befand, zu bedenken: „Da sich im gegenwärtigen Zeitpunkt, in dem man in den meisten Ländern der Welt durch die Schandtaten der Nazis verbittert ist, kaum ein zuständiger Staatsmann und nur ein geringer Teil der öffentlichen Meinung in Europa für eine Aufteilung ausspricht, wäre es klug, sich schon in die Zeit zu versetzen, in der die Aufteilung, falls sie durchgeführt worden wäre, als Unrecht und wirtschaftlicher Nachteil erscheinen würde und eine oder mehrere der mit ihrer Durchführung befaßten Mächte jede weitere Verantwortung ablehnen würden."
2. Finanz-und wirtschaftspolitische Auffassungen und Absichten Weil die amerikanische Politik die Erhaltung des Deutschen Reiches anstrebte, trat sie mit großer Entschiedenheit für die Praktizierung der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands ein. Die Potsdam-Formel der deutschen Einheit — „während der Besatzungszeit ist Deutschland als eine wirtschaftliche Einheit zu betrachten" — entstammt den amerikanischen Vorbereitungen zur Konferenz von Potsdam. Im Instruktionsbuch für die amerikanische Delegation findet sich eine Weisung, die eine Vereinbarung über die Behandlung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit vorschlägt, überzeugt von der Notwendigkeit, jeder Entfremdung unter den Besatzungsmächten entgegenwirken zu müssen, befaßten sich die amerikanischen Bundesbehörden eingehend mit der finanz-und währungspolitischen Lage Deutschlands im Frühsommer 1945. Aus der Vielzahl der dabei erörterten und schließlich in „Richtlinien" niedergelegten Probleme ragen heraus:
Die Frage der wirtschaftlichen Einheit Deutschlands, die Erwägungen über die deutsche Wäh-rungsund Finanzpolitik, das umfangreiche und komplizierte Problem der Reparationen, Wiedergutmachung und Kriegsbeute, die Ansichten über die Behandlung des deutschen Auslandsbesitzes, die politisch überlagerte Diskussion über die Verteilung der Kriegs-und Handelsmarine und schließlich die außergewöhnlich intensive Erörterung der Kohlenfrage.
Auf Grund sehr eingehender Untersuchungen über die Wirtschaftsstruktur und die Versorgungssituation der einzelnen Besatzungszonen vertrat zunächst das amerikanische Außenministerium die Forderung auf eine „Behandlung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit“. Mit Bedauern und Besorgnis wurde in Washington zur Kenntnis genommen, daß bei der ersten Zusammenkunft der vier Ober-befehlshaber in Berlin am 5. Juni die Konstituierung des Kontrollrats und die Besprechung dringender Probleme, vor allem wirtschaftlicher Natur, nicht möglich war. Diese Verzögerung bei der Ingangsetzung des Vier-Mächte-Kontrollsystems betrachtete das amerikanische Außenministerium als eine Gefährdung der deutschen Einheit und der einheitlichen Deutschlandpolitik, weshalb es der amerikanischen Delegation auftrug, die Funktionsfähigkeit des Kontrollrats sicherzustellen und auf realisierbaren Zusagen über die Behandlung Deutschlands als wirtschaftliche Einheit zu bestehen. Dem entsprechenden Passus der „Richtlinien für die amerikanische Delegation" ist beigefügt der Entwurf eines Memorandums an die britische und sowjetische Regierung, in dem der Begriff „Wirtschaftliche Einheit", „Economic Unit", eingehend erklärt wird: Die Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen bedeute nicht die Schaffung eigener wirtschaftlicher Ordnungen der einzelnen Zonen. Eine einheitliche wirtschaftliche Ordnung in Deutschland biete für alle Besatzungsmächte nur Vorteile: Sie ermögliche die wirksame Mobilisierung des deutschen Wirtschaftspotentials, gestatte den Mächten, sich in gleichem Umfang an den Vorteilen und Verpflichtungen zu beteiligen, die eine Besetzung mit sich bringe, mache es möglich, Einfuhren nach Deutschland auf ein Minimum zu beschränken und angemessene Vorkehrungen zur Wahrung eines einheitlichen Lebensstandards auf der Höhe des Existenzminimums in Deutschland zu treffen, trage dazu bei, Unterschiede in der Behandlung der deutschen Bevölkerung zu vermeiden und vermindere weitgehend die Auswirkungen deutscher Versuche, eine Besatzungsmacht gegen die andere auszuspielen
Auch die „Wirtschaftlichen Grundsätze" des Potsdamer Abkommens vom 2. August 1945 gehen auf amerikanische Vorstellungen, Forderungen und Empfehlungen zurück. Die amerikanische Delegation erreichte zwar deren Aufnahme, blieb jedoch bei dem Versuch erfolglos, eindeutige Auslegungen und Sicherungen für deren Verwirklichung zu erwirken. Die Fragilität der im Sommer 1945 über Deutschland getroffenen Entscheidungen wird hinter dieser Situation sichtbar. Aus den amerikanischen Untersuchungen über die finanz-und währungspolitische Lage Deutschlands ragen zwei Erwägungen heraus: die Sorge um die Erhaltung der deutschen Währungseinheit und die Frage der Erstfinanzierung der deutschen Einfuhren.
Der Gemeinsame Ausschuß der Vereinigten Stabschefs der amerikanischen Streitkräfte legte im Juni 1945 die Denkschrift „Wie soll das Bankwesen in Deutschland geregelt werden. Welche Währung soll benutzt, wie soll der Wechselkurs festgelegt werden?" vor, in der er darauf hinwies, daß nach dem Einmarsch der verbündeten Armeen die ohnehin erschütterte Währungssituation Deutschlands chaotisch geworden sei. Der Ausschuß der Stabschefs gab zu bedenken, ein einheitliches Währungssystem sei die Grundlage für vertragliche Beziehungen und für die Wahrung eines gesunden Niveaus in Handel und Wirtschaft; angesichts der vielen in Deutschland in Umlauf befindlichen Zahlungsmittel sei es erforderlich, alle vier Besatzungsmächte für die Wiederherstellung der bereits verlorengegangenen Währungseinheit zu interessieren. Deren Rehabilitierung sollte verbunden werden mit einer drastischen Geldschöpfung und mit der einheitlichen Festlegung des Wechselkurses und der Devisenkontrolle. Die bei den Besatzungstruppen befindlichen Wertsachen aller Art, Barrengold, ausländische Wertpapiere, Münzen, Zahlungsmittel aller europäischen Länder, sollten erfaßt werden. Die amerikanische Delegation wurde aufgefordert, die chaotische Währungssituation Deutschlands auf der Konferenz von Potsdam zur Sprache zu bringen
Kriegsminister Stimson griff in einem Brief an Außenminister Stettinius als erster das Problem der Zwischenfinanzierung der deutschen Einfuhren auf; er ging dabei von der Feststellung aus, daß über die Politik in Deutschland unter den verbündeten Mächten keine Übereinstimmung oder Vereinbarung bestehe. Einfuhren nach Deutschland hielt aus zwei Gründen für Stimson vor allem erforderlich: für die Sicherstellung der Versorgung und für die Initial der -zündung der deutschen Wirtschaft. Nur durch Einfuhren werde es möglich sein, die deutschen Ausfuhren trotz der grundsätzlichen Beschränkungen in dem Umfang zu erweitern, der für die Aufbringung der Reparationen und Wiedergutmachungen und für die Rückzahlung der Erstfinanzierung erforderlich ist
Weder das Problem der deutschen Währungseinheit noch die Frage der Erst-oder Zwischenfinanzierung Deutschlands konnte vor dem Zusammentritt der Konferenz von Potsdam gelöst werden. Auch über die Erstrangigkeit der Refinanzierung der Einfuhren nach Deutschland gingen die Meinungen der Regierungen auseinander. Das amerikanische Außenministerium empfahl die Errichtung einer Drei-Mächte-Behörde zur Erledigung aller mit dem Ein-und Ausfuhrproblem Deutschlands zusammenhängenden Fragen für den Fall, daß der Kontrollrat nicht rasch genug gebildet werde oder zu keiner Verständigung darüber gelange. In den „Richtlinien für die amerikanische Delegation" wurde eine Westlösung der Finanzsituation Deutschlands als ultima ratio angedeutet
Während der unmittelbaren Vorbereitungs -zeit der Konferenz von Potsdam tagte in Moskau bereits die Alliierte Reparationskommission. Der amerikanische Vertreter, Pauley, berichtete unendlich oft von der Forderung der sowjetischen Vertreter, im Sinne der Empfehlung der Konferenz von Jalta Deutschland Reparationen in Höhe von 20 Milliarden Dollar aufzuerlegen. Zwar war auch darüber kein förmlicher Beschluß gefaßt worden, doch hat-ten Roosevelt, Stalin und Churchill sich entschlossen, diesen Betrag als Diskussionsgrundlage anzusehen. Von ihm sollte die Sowjetunion 10 Milliarden, Großbritannien und die Vereinigten Staaten 8 Milliarden und die übrigen Staaten 2 Milliarden erhalten. Pauley brachte dagegen vor, eine Festlegung der Reparationsverpflichtung Deutschlands sei solange nicht möglich, als nicht wenigstens eine vorläufige Abschätzung der deutschen Zahlungsfähigkeit erfolgt sei; auch betonte er, über die Form der Reparationen bestünden unter den Mächten unterschiedliche Ansichten. Die Sowjetunion sei an Sachund Dienstleistungen in unbeschränktem Umfang interessiert, während die Vereinigten Staaten keine Verwendung für Werkanlagen, Maschinen und Arbeitskräfte, wohl aber für Goldwährungen, Auslandsguthaben, Patente, Fertigungsverfahren und technische Neuerungen hätten. Das amerikanische Außenministerium trat dieser Auffassung bei, war jedoch besorgt über die Stagnation der Verhandlungen der Alliierten Reparationskommission.
Grund dafür war der nicht beilegbare Streit über die Höhe der deutschen Reparationen.
Die bisher unbeachteten Auseinandersetzungen in der Alliierten Reparationskommission und die Klärungen im Schoße der amerikanischen Regierung führten zur Beauftragung der amerikanischen Delegation, nur unter folgenden Voraussetzungen einem Reparationsplan zuzustimmen: Die Ausschaltung der dem Kriegspotential dienenden Industriekapazität Deutschlands sollte sichergestellt sein. Die Reparationen sollten so beschaffen sein, daß sie den Wiederaufbau der von den Deutschen verwüsteten Länder beschleunigen würden.
Deutschland sollte als geschlossene wirtschaftliche Einheit behandelt werden. Die Reparationen sollten weitgehendst aus dem vorhandenen deutschen Volksvermögen bestritten werden. Zur Vermeidung einer Ausweitung des deutschen Industriepotentials infolge von Reparationslieferungen sollten die Reparationsleistungen in Form von Fertigprodukten auf ein Minimum beschränkt werden. Trotz vorübergehender Bereitschaft des amerikanischen Außenministeriums, der Sowjetunion einen Anteil von 56 Prozent einzuräumen, sollte zunächst am Verteilungsschlüssel von Jalta festgehalten werden. Nachdrücklich wurde der amerikanischen Delegation empfohlen, bei der Festlegung der deutschen Reparationen die unverändert gültigen Prinzipien der Wirtschaft nicht außer acht zu lassen. In einem Nebensatz wurde hinzugefügt, die Reparationserfahrungen nach dem Ersten Weltkrieg sollten an sich ausreichen, um nicht abermals durch wirtschaftliche Maßnahmen politische Gefahren zu provozieren
Beunruhigung löste aber auch die Mitteilung des amerikanischen Geschäftsträgers in Bukarest vom 12. Juli aus, daß der stellvertretende Vorsitzende des Alliierten Kontrollrats in Rumänien, der sowjetische General Susaikow, die Übereignung der deutschen Anteile an rumänischen Erdölgesellschaften an die Sowjetunion verfügt habe
Industrieunternehmungen mit hoher Beschäftigtenzahl, müsse die deutsche Kontrolle in nichtdeutsche Hände übergehen. In beiden Fällen sollte der Reinerlös zur Zwischen-finanzierung Deutschlands herangezogen werden
Bereits im Mai 1945 kam es über die Frage der Verteilung der deutschen Handels-und Kriegsflotte zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits und der Sowjetunion andererseits. Marschall Stalin führte gegenüber dem amerikanischen Sonderbotschafter Hopkins Klage darüber, daß sich der Sowjetunion keine deutschen Schiffe ergeben und die Vereinigten Staaten und Großbritannien bisher keine deutschen Schiffe an die Sowjetunion ausgeliefert hätten. Da die Seemächte Großbritannien und die Vereinigten Staaten an dieser Angelegenheit besonders interessiert waren, erhielt die amerikanische Delegation ein umfangreiches Arbeitspapier, in dem die „Richtlinien zur Behandlung der Schiffsfrage" niedergelegt waren. Als unerläßlich wurde die Wegnahme aller deutschen Kriegs-und Handelsschiffe und das Verbot des Schiffs-baues bezeichnet. Die Verrechnung der deutschen Handelsflotte als Reparationsleistung wurde eingehend dargelegt
Nicht minder sorgfältig beobachtete die amerikanische Regierung die europäische Kohlensituation;
sie ging dabei von der Erkenntnis aus, die Kohlenförderung der Vereinigten Staaten und Großbritanniens würde nicht ausreichen, um den amerikanischen und den britischen Bedarf während der Heizperiode 1945/46 zu decken. Die einzigen verbleibenden Quellen zur Deckung des europäischen Bedarfs seien Deutschland und Polen. Die Steigerung der Kohlenförderung in Europa, besonders in Deutschland, sei eine Lebensnotwendigkeit;
Voraussetzung sei jedoch die Wiederherstellung des Transportwesens sowohl in Deutschland als auch in den übrigen europäischen Staaten. Der politische Be-rater im amerikanischen Hauptquartier in Frankfurt-Höchst, Botschafter Murphy, bezeichnete als die schwierigste Aufgabe die Entscheidung darüber, wieviel Kohle aus Deutschland ausgeführt werden solle. Die amerikanische Regierung, erfreut über Murphys Mitteilung, daß Transportund Förderungslage in den deutschen Revieren besser sei, als viele erwartet hätten, begünstigte in erster Linie die westeuropäischen Staaten, deren politische Entwicklung ihr Unbehagen bereitete. Sie lehnten sowjetische Anfragen nach Kohlenlieferungen von der Ruhr unter Hinweis auf Schlesien und Polen ab. Zur Kohlenknappheit in Deutschland bemerkte sie, diese sei nicht wirtschaftlich, sondern als Teil der Maßnahmen zur Umerziehung des deutschen Volkes zu betrachten
Die vorgeführten wirtschaftspolitischen „Richtlinien für die amerikanische Delegation" zur Konferenz von Potsdam beweisen, daß Versuche zu deren Harmonisierung unterblieben. Es bestanden gegensätzliche Ansichten und Forderungen — ein Umstand, der sowohl aus der Vielzahl der an der Erstellung der Richtlinien beteiligten Behörden und Personen als auch aus der nach dem Tode des Präsidenten Roosevelt eingetretenen Ubergangsphase der amerikanischen Politik erklärt werden muß.
In einer grundsätzlichen Weisung faßte das Autorenteam die Vorstellungen der amerikanischen Deutschlandpolitik zusammen; sie berührte auch die wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die auf der Konferenz von Potsdam empfohlen oder beschlossen werden sollten.
Darin heißt es, die Vereinigten Staaten hätten sich zu einer Politik der Entwaffnung Deutschlands, des Verbots der Herstellung von Waffen, Munition und Kriegsgerät einschließlich aller Arten von Luftfahrzeugen und der Zerstörung oder Demontage aller Anlagen und Einrichtungen zur Herstellung von Rüstungsgut verpflichtet. Sie befürworteten eine Politik der maximalen Ablieferung von Produktionseinrichtungen über das Reparationskonto als Sicherheitsmaßnahme. Außerdem wünschten sie, daß die alliierte Kontrolle der deutschen Wirtschaft so ausgeübt wird, daß dadurch andere Teile Europas entsprechend stärker industrialisiert und aus ihrer Abhängigkeit von der metallverarbeitenden und chemischen Industrie Deutschlands entlassen werden. Trotzdem würden die Vereinigten Staaten Beschlüsse ablehnen, die dauernde oder unbestimmt langfristige Beschränkungen für die deutsche Wirtschaft vorsehen. Entscheidungen darüber, ob es rat-sam sei, der deutschen Wirtschaft solche Beschränkungen aufzuerlegen, könnten erst nach Vorlage vollständiger Angaben über den Stand der deutschen Wirtschaft und nach Durchführung der als Reparationen vorzunehmenden Demontagen getroffen werden
3. Amerikanische Stellungnahmen zu Gebietsforderungen an Deutschland Nicht nur in politischen und wirtschaftlichen Fragen zeigte die amerikanische Politik eine bemerkenswerte Zurückhaltung, sie verhielt sich auch reserviert gegenüber den phantastischen Plänen über die territoriale Neu-B Ordnung Europas, die während des Zweiten Weltkrieges von Exilpolitikern vor allem Polens entwickelt und publiziert worden waren.
In dem entsprechenden Abschnitt der „Richtlinien für die amerikanische Delegation", aus-gefertigt am 29. Juni, heißt es dazu: „Im allgemeinen werden alle Gebiete, die sich Deutschland entweder vor dem Kriege oder in dessen Verlauf angeeignet hat, automatisch wieder in den Besitz ihrer rechtmäßigen Eigentümer übergeben. Größere territoriale Ansprüche gegen Deutschland werden nachstehend behandelt: Bezüglich polnischer Ansprüche gegen Deutschland stimmt die amerikanische Regierung zu, daß Ostpreußen (ausgenommen der Bezirk Königsberg), die frühere Freie Stadt Danzig, Deutsch-Oberschlesien und ein Teil Ostpommerns an Polen abgetreten werden sollte. Die amerikanische Regierung würde es vorziehen, daß sonstiges deutsches Gebiet ostwärts der Oder deutsch bleibt. Die britische Seite hat sich jedoch mit der Abtretung des gesamten Gebietes ostwärts der Oder an Polen einverstanden erklärt, und die amerikanische Regierung würde wahrscheinlich nicht allein dazustehen wünschen, wenn die Russen auf diesem Punkt beharren."
Von diesen grundsätzlichen Überlegungen aus behandelten die amerikanischen Weisungen alle zur Diskussion gestellten Probleme der deutschen West-, Nord-und Ostgrenze. Sie setzten sich eingehend mit den französischen Vorstellungen und Erwartungen in bezug auf das Rheinland und das Ruhrgebiet auseinander, wozu sie bemerkten: „Kurz gesagt, die Franzosen wünschen die Abtrennung sowohl des Rheinlandes als auch des Ruhrgebietes von Deutschland, betrachten die Verwaltung dieser beiden Gebiete jedoch als getrennte Probleme. In bezug auf das Ruhrgebiet scheinen die Franzosen damit einverstanden zu sein, daß es unter internationaler Verwaltung mit britischer und möglicherweise amerikanischer Beteiligung stehen sollte. Obwohl sich die französischen Gedankengänge über die endgültige Regierungsform für das Rheinland noch nicht kristallisiert haben, werden die Franzosen auf dessen ständiger Besetzung und Kontrolle sowie auf Brückenköpfen am rechten Ufer von Düsseldorf bis nach Karlsruhe bestehen." Zur Begründung der territorialen Forderungen Frankreichs führten die Instruktionen aus: „Frankreich ist von der Idee vollständiger und endgültiger Sicherheit gegenüber Deutschland besessen und wird deshalb seine Wünsche in dieser Frage mit äußerster Hartnäckigkeit verfolgen. Die deutsche Regelung ist der Kernpunkt der französischen Außenpolitik; und es wird angenommen, daß Frankreich weitgehende Konzessionen an anderer Stelle machen wird, um hier seine Zwecke zu erreichen. Der wirtschaftliche Beweggrund, der allerdings nicht so häufig wie der der Sicherheit erwähnt wird, ist ebenfalls stark und kann durchaus noch stärker werden, wenn die Furcht vor einer deutschen Wiedererhebung abklingt und die Furcht vor einem neuen Feind Raum gibt, oder wenn dem französischen Volk schließlich die Uberholtheit des militärischen Standpunktes vom Rhein als einer Sicherheitsgrenze augenfällig wird. Obwohl jetzt noch nicht vorausgesehen werden kann, in welchem Umfang Frankreich seine Besetzung des Rhein-landes zu dessen wirtschaftlicher Ausbeutung zum Nachteil der deutschen Wirtschaft als Ganzes auszunutzen wünscht, ist es wahrscheinlich, daß es während der militärischen Besatzungszeit Schritte unternehmen wird, um sich die ausschließliche Ausbeutung des Saarbeckens zu sichern. Die Inanspruchnahme dieser ausschließlichen Wirtschaftsrechte über den Zeitraum der militärischen Besetzung hinweg kann für Deutschland durchaus den dauernden Verlust der Schätze des Saargebietes bedeuten."
In der Vorbereitungszeit der Konferenz von Potsdam waren sich die Vereinigten Staaten im unklaren darüber, ob sie die weitgehenden französischen Forderungen unterstützen oder ablehnen sollten. Ihnen war bewußt, daß die Entwicklung der amerikanisch-französischen Beziehungen von dem Grad der Unterstützung abhinge, die die Vereinigten Staaten den französischen Deutschlandplänen zuteil werden lassen. Die Verfasser der „Richtlinien für die amerikanische Delegation" vertraten die Auffassung, die französischen Forderungen gegenüber Deutschland bedeuteten eine Gefährdung der europäischen und weltpolitischen Situation. Von Anfang an sprachen sie sich deshalb gegen die Abtrennung des Ruhrgebietes von Deutschland aus. In den „Richtlinien" bemerkten sie dazu: „Es wird empfohlen, daß sich die amerikanische Regierung einer Abtrennung des Ruhrgebietes von Deutschland entgegenstellt, ganz gleich, ob dies im Wege der Internationalisierung, Errichtung eines besonderen Staates oder Annektion durch einen oder mehrere Anliegerstaaten geschehen soll."
Die amerikanische Regierung lehnte eine Berichtigung der deutsch-dänischen Grenze ab, räumte jedoch die Möglichkeit der Internationalisierung des Nordostseekanals ein.
Ausführlich beschäftigten sich die „Richtlinien für die amerikanische Delegation" mit der zukünftigen deutschen Ostgrenze. In Einzel-untersuchungen wurden die Verhältnisse in Ostpreußen, in Danzig, in Deutsch-Oberschlesien, in Ostpommern, in Deutschland ostwärts der Oder und Neiße und im Gebiet zwischen Oder und unterer Neiße dargelegt. In einleitenden Bemerkungen zu diesen Denkschriften, die die Diskussion über die deutschen Ostgebiete bisher unberücksichtigt ließ, wurde versichert: „Die Gemeinsamen Ausschüsse für Deutschland sowie für Rußland und Polen haben empfohlen, daß Deutschland Oberschlesien, Ostpreußen und den ostwärts der Linie Kreuz-Dramburg gelegenen Teil Pommerns abtreten müsse und daß das übrige deutsche Gebiet ostwärts der Oder und das Gebiet zwischen Oder und Neiße in deutschem Besitz verbleiben solle." Die am 4. Juli erstellte Empfehlung führte zur Begründung aus:
„Wenn die polnische und die sowjetische Regierung nachdrücklich darauf drängen und wenn sie von der britischen Regierung unterstützt werden, so werden wir nicht umhin können, uns mit der Abtretung des Gebietes ostwärts der Oder einverstanden zu erklären. Es besteht jedoch die Ansicht, daß die amerikanische Regierung sich weigern sollte, auf dieser Konferenz die Abtretung des Gebietes zwischen Oder und Neiße an Polen zu sanktionieren."
Für die weitere Erörterung wurde der deutsche Ostraum in den amerikanischen Untersuchungen in sechs Gebiete aufgeteilt, für die Einzelempfehlungen abgegeben wurden, über Ostpreußen wurde ausgeführt: „Ostpreußen (ausgenommen der Bezirk Königsberg, der vermutlich an die Sowjetunion fallen wird) sollte an Polen abgetreten werden."
über das Schicksal Danzigs erklärten die „Richtlinien für die amerikanische Delegation": „Die frühere Freie Stadt Danzig sollte an Polen abgetreten werden."
über Deutsch-Oberschlesien führten die amerikanischen „Richtlinien" aus: „Deutsch-Oberschlesien (Regierungsbezirk Oppeln) sollte an Polen abgetreten werden."
Uber die Zukunft Ostpommerns bemerkten die Verfasser der amerikanischen Instruktionen: „Der ostwärts der Linie Kreuz-Dram-burg gelegene Teil Pommerns sollte an Polen abgetreten werden."
Über die Gebiete ostwärts der Oder ausschließlich Ostpreußen, Oberschlesien und Ostpommern führten die „Richtlinien für die amerikanische Delegation" aus: „Die amerikanische Regierung würde eine Lösung vorziehen, nach der dieses Gebiet bei Deutschland verbleiben würde. Die Briten haben jedoch zugestimmt, daß alles Gebiet ostwärts der Oder an Polen abgetreten wird; die amerikanische Regierung ist nicht bereit, diese Angelegenheit zum Streitpunkt zu erheben, wenn die Russen, wie gewiß ist, mit Nachdruck auf ihr bestehen." Uber das Gebiet zwischen Oder und Neiße erklärte die amerikanische Instruktion: „Dieses Gebiet sollte bei Deutschland verbleiben. Es gibt keine historische oder ethnologische Rechtfertigung für die Abtretung dieses Gebietes an Polen (ebenso-wenig wie im Falle des unmittelbar vorstehend erörterten Gebietes ostwärts der Oder). Eine derartige Maßnahme würde zweifellos wirtschafts-und bevölkerungspoliti-sehe Schwierigkeiten größten Ausmaßes für Deutschland verursachen und starke irreden-
tistische Regungen hervorrufen. Die Aufrechterhaltung der Oder-Neiße-Grenze könnte durchaus das kritischste Sicherheitsproblem in Europa während der kommenden Jahre werden."
Das Zustandekommen der Oder-Neiße-Linie steht im Gegensatz zu den Empfehlungen, die die amerikanische Delegation nach Potsdam mitbrachte. Diese war bereit, einen Teil des Deutschen Reiches an Polen und die Sowjetunion abzutreten, jedoch nicht in dem Umfang, in dem im Abkommen von Potsdam die deutschen Ostgebiete vorläufig der Verwaltung der Sowjetunion und Polens unterstellt wurden.
Die von der amerikanischen Delegation vorgesehene Lösung der deutschen Ostgrenze hätte den Gebietsverlust des Deutschen Reiches im Osten wesentlich verringert.
4. Notenwechsel über die Vertreibung der deutschen Bevölkerung bezw.deutscher Minderheiten Im Zeitpunkt der bedingungslosen Kapitulation bestanden keine rechtlich bindenden Vereinbarungen über die Ausweisung der deutschen Bevölkerung bezw.deutscher Volksgruppen. Die Regierungen der Großmächte hatten jedoch ihr Einverständnis dazu wiederholt und eindeutig bekundet. Die in den ostund südosteuropäischen Staaten zur Macht gelangten Regierungen waren entschlossen, auftragsgemäß Rache an den Deutschen zu nehmen. Sie unterschieden dabei nicht unter den Deutschen und ließen die politische Zugehörigkeit der einzelnen Gebiete unberücksichtigt. Die Kraft des Faktischen, das heißt in diesem Falle: der Macht der Roten Armee, war im Frühjahr und Sommer 1945 das Schicksal der Deutschen und die Entwicklung der Gebiete, in denen sie seit vielen Jahrhunderten ansässig waren, ausgeliefert. Dieser Umstand veranlaßte die Regierungen in London und Washington, bei der Vorbereitung der Konferenz von Potsdam, die alle offenen Fragen der Weltpolitik klären und entscheiden sollte, sich auch mit dem Problem der Vertreibung der Deutschen zu befassen. Premierminister Churchill ließ am 30. Mai eine Aufstellung über Besprechungspunkte für die Konferenz der Regierungschefs in Washington überreichen. Diese sah als Diskussionspunkt das Problem der „Aussiedlung der deut-sehen Bevölkerung aus Polen und der Tschechoslowakei"
vor
Diese enthielten zu der Frage der Aussiedlung der deutschen Bevölkerung aus Polen und der Tschechoslowakei die Bemerkung:
„Keine Stellungnahme zur Einbeziehung dieser Themen in die Tagesordnung."
In den Wochen vor dem Zusammentritt der Konferenz von Potsdam fand ein Gedankenaustausch über das Vertreibungsproblem vor allem zwischen Prag, London und Washington statt. Am 28. Juni brachte das britische Außenmininsterium über die britische Botschaft in Washington den Wunsch zum Ausdruck, vor Instruktionserteilung an den britischen Botschafter in Prag, Nicols, die Auffassungen des amerikanischen Außenministeriums über die tschechischen Forderungen nach Ausweisung der Deutschen kennenzulernen.
Er betonte dabei, die Angelegenheit betreffe die Amerikaner stärker als die Briten, da die Amerikaner einen großen Teil der Tschechoslowakei besetzt hielten und ihre Besatzungszone eine lange gemeinsame Grenze mit der Tschechoslowakei habe. Das britische Außenministerium führte weiter aus, es sei nach seiner Ansicht wichtig, den Tschechen eindeutig zu erklären, daß es Sache des Alliierten Kontrollrats in Deutschland sein werde, nach Regelung der wichtigsten grundsätzlichen Fragen unter den Regierungen eine Entscheidung darüber zu treffen, wann und in welchen Etappen außerhalb der Grenzen Deutschlands lebende deutsche Minderheiten in Deutschland ausgenommen werden können. Diese Frage werde die allgemeine Verwaltung Deutschlands viel stärker beeinflussen als das Problem der Rückführung der in der Tschechoslowakei befindlichen Reichsdeutschen. Im Anschluß daran erklärte das britische Außenministerium, es sei der Ansicht, daß zwischen ihm und dem amerikanischen Außenministerium ein umfassender Meinungstausch über die Frage der Umsiedlung völkischer Minderheiten in Europa wünschenswert sei; die gegenseitige Unterrichtung könne zu Dreierbesprechungen auf der bevorstehenden Konferenz führen
Am 3. Juli übergab der stellvertretende Außenminister der Tschechei, Clementis, dem amerikanischen Geschäftsträger in Prag eine Note, in der die tschechischen Auffassungen zur Umsiedlung der Deutschen und Ungarn niedergelegt wurden. Die tschechoslowakische Regierung nahm Bezug auf ein ausführliches Memorandum, das Benesch noch vor dem Ende der Feindseligkeiten in Europa den Alliierten unterbreitet hatte. Darin hatte er die Forderung nach Umsiedlung der Deutschen und Ungarn ausführlich begründet. Aus der Mitte des tschechoslowakischen Volkes sollten nach der Ansicht Beneschs „alle Elemente ausgeschlossen werden, die sich durch ihr Verhalten als Verbreiter nationalen Hasses, als willige Instrumente feindlicher Propaganda und als Anstifter von Uneinigkeit unter den Staaten erwiesen hätten". Die tschechoslowakische Regierung vertrat in der Note vom 3. Juli die Ansicht, ohne die Entfernung der überwiegenden Mehrheit der Deutschen und Ungarn durch Umsiedlung könne keine gesunde und friedliche Entwicklung ihres Staates erreicht und in Mitteleuropa weder dauerhafter Frieden noch anhaltende Stabilität gesichert werden. Sie erinnerte daran, das Memorandum habe des Präsidenten Benesch Zustimmung gefunden, minderte diese Bemerkung aber in einem Nebensatz ab, es seien im Prinzip keine besonderen Einwände erhoben worden. Die Verbündeten hätten lediglich darauf hingewiesen, daß die Umsiedlung nach geregelten Richtlinien planmäßig und in Übereinstimmung mit zuständigen alliierten Organen erfolgen müsse. Die tschechoslowakische Regierung betonte, angesichts der Tatsache, daß von dieser Umsiedlung 2 bis 21/2 Millionen Deutsche und 400 000 Ungarn betroffen würden, sei es unerläßlich, dieses Vorhaben nach einem Plan und geregelten Richtlinien durchzuführen. Sie richtete an die Besatzungsmächte Deutschlands das Ersuchen, im Einvernehmen mit ihr die Anzahl der Menschen zu bestimmen, die in die einzelnen Besatzungszonen und innerhalb festgelegter Zeitabschnitte umzusiedeln seien, über die Umsiedlung von Ungarn könne der Delegierte der tschechoslowakischen Regierung mit der Kontrollkommission in Budapest alle zusammenhängenden Fragen regeln. Abschließend versicherte die tschechoslowakische Regierung: „Wie bereits erklärt, sehen die Tschechen und Slowaken die Umsiedlung von Deutschen und Ungarn einmütig als lebenswichtige Notwendigkeit für die Zukunft des tschechoslowakischen Staates und für die Erhaltung des Friedens in Mitteleuropa an. Es liegt daher auf der Hand, daß die Aufmerksamkeit der gesamten tschechoslowakischen öffentlichen Meinung auf diese Frage gerichtet ist, die zweifellos das brennendste aller Probleme darstellt, deren Lösung die tschechoslowakische Regierung zu erreichen sucht. Jeder Aufschub in der Bereinigung dieses Problems kann nur zu erheblicher Unruhe unter der gesamten tschechischen und slowakischen Bevölkerung führen. Solange dieses elementare Problem ungelöst bleibt, wird jede administrative, wirtschaftliche und soziale Wiedererrichtung und Konsolidierung des Staates gehemmt und verzögert." Die tschechoslowakische Regierung ersuchte abschließend den amerikanischen Vertreter, diese Auffassung dem Präsidenten der Vereinigten Staaten zur Kenntnis zu bringen, damit diese Frage zum Gegenstand einer Erörterung und Entscheidung in der bevorstehenden Konferenz der Großen Drei gemacht werde
Zu beiden Vorgängen, zu der Anfrage des britischen Außenministeriums und zu der Note der tschechoslowakischen Regierung, nahm das Außenministerium der Vereinigten Staaten ausführlich Stellung. Es nahm dabei bezug auf seine Beantwortung der Denkschrift Be-neschs vom 31. Januar 1945. Es bemerkte zu dem britischen Ersuchen, es sehe keine Veranlassung, seinen bekannten Standpunkt aufzugeben. Den britischen Vorschlag zu einem Gedankenaustausch lehnte das amerikanische Außenministerium mit der Bemerkung ab, es bestehe angesichts der klaren grundsätzlichen Erklärungen der britischen und amerikanischen Regierungen dazu keine Notwendigkeit. Die Diskussion könne auf der bevorstehenden Konferenz erfolgen. Die gleichen Gedankengänge brachte das amerikanische Außenministerium in der Antwort auf die tschechoslowakischen Note vom 3. Juli zum Ausdruck. Es verwies auf seine grundsätzliche Erklärung vom 31. Januar und anerkannte die Bedeutung, die eine schnelle Lösung dieses Problems für die nationale Gesundung und den nationalen Wiederaufbau der Tschechoslowakei habe. Es zeigte sich erfreut über die Mitteilung, daß die tschechoslowakische Regierung einen Plan für eine geregelte Umsiedlung von Minderheiten ausarbeite, der die besonderen Probleme berücksichtige, denen die alliierten Mächte gegenüberstünden
Bereits vor dem Abgang dieser beiden Schreiben waren die die Ausweisung der Deutschen aus der Tschechoslowakei betreffenden Teile der „Richtlinien für die amerikanische Delegation" zur Konferenz von Potsdam erstellt worden. Diese bemerkten, daß die Vereinigten Staaten von der Absicht der tschechoslowakischen Regierung unterrichtet seien, die sudetendeutschen und ungarischen Minderheiten sofort auszuweisen. Die Regierung der Vereinigten Staaten hätte dafür Verständnis gezeigt, jede einseitige Maßnahme zur Umsiedlung dieser Minderheiten bis zur Erreichung eines befriedigenden Abkommens jedoch abgelehnt. Die Richtlinien führten weiter aus: „Die Umsiedlung der sudetendeutschen Minderheit ist ein Teil des großen Problems der Umsiedlung deutscher Minderheiten aus Polen und anderen Staaten. Die Chefs der alliierten Regierungen sollten diese Fragen vielleicht in ihrem großen Zusammenhang erörtern, um für eine ordentliche Lösung des Gesamtproblems der deutschen Minderheiten zu sorgen. Sollte kein Übereinkommen erzielt werden, so wird die tschechoslowakische Regierung vielleicht einseitige Maßnahmen versuchen, da die fortdauernde Anwesenheit der sudetendeutschen Minderheit die dringendste und wichtigste politische Frage in der Tschechoslowakei ist." Auch die Teile der „Richtlinien für die amerikanische Delegation", die die amerikanische Politik gegenüber Polen umschrieben, befaßten sich mit dem Problem der Bevölkerungsumsiedlung. In dem am 29. Juni erstellten Schriftstück heißt es: „Wir sollten, soweit unsere Hilfe erbeten wird, die Umsiedlung von Minderheiten erleichtern. Aber wir sollten nicht die erzwungene Repatriierung der jetzt im Westen befindlichen Polen oder die unkontrollierte Deportation der acht bis zehn Millionen Deutschen, die früher in jenem Gebiet wohnten, welche die von den Sowjets gestützte polnische Regierung beansprucht, durch einseitige polnische Maßnahmen gestatten
Am Tage vor dem Zusammentritt der Konferenz von Potsdam, dem 16. Juli, legte der amerikanische Kriegsminister Stimson Präsident Truman ein Memorandum vor, in dem er sich mit der Frage der deutsch-polnischen Grenze und dem Problem der Bevölkerungsumsiedlung befaßt. Stimson versicherte, er wäre geneigt, Polen einige Gebiete an seiner Westgrenze zuzugestehen, die geeignet wären, es für die an Rußland abzutretenden Gebiete zu entschädigen. Er fuhr anschließend fort: „Ich bin jedoch der Ansicht, es obliegt Rußland, nachzuweisen, daß entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, um für die Millionen Deutschen, die sich jetzt in diesen Gebieten befinden, zu sorgen. Wir müssen eindeutig herausstellen, daß sie nicht in amerikanische Verantwortung abgeschoben werden können."
5. Unterschiedliche Ansichten über die amerikanische Besatzungspolitik Aber nicht nur zu den angeführten Fragen, zu allen zur Diskussion stehenden und möglicherweise gestellten Problemen enthielt das amerikanische Instruktionsbuch Materialien, Untersuchungen und Empfehlungen; es verfolgte damit die Absicht, die Delegation zur Konferenz von Potsdam ausführlich zu unterrichten und die amerikanische Politik in Deutschland zu aktivieren. Die Notwendigkeit dazu war zwingend. Der politische Berater des amerikanischen Hauptquartiers in Deutschland, Botschafter Murphy, schrieb am 28. Juni an den Direktor für europäische Angelegenheiten im amerikanischen Außenministerium: „Die Politik, die wir zur Zeit betreiben, ist im Grunde genommen eine negative Politik der Unterdrückung, die zu einem politischen Vakuum führt, das verschiedene Gruppen zweifellos auszufüllen versuchen werden. Wenn wir das Verbot politischer Betätigung zu lange aufrechterhalten, schrecken wir dadurch eventuell die demokratisch eingestellten Kräfte wieder ab, die sich — wenn auch noch leise und schüchtern — nach den Jahren der Unterdrückung durch die Nazis jetzt wieder bemerkbar machen wollen. Eine Beibehaltung des Verbots könnte von totalitären Extremistengruppen der Rechten und Linken ausgenutzt werden, die sich in disziplinierter Untergrundtätigkeit nur zu gut auskennen. Die verhältnismäßig unorganisierten Sozialdemokraten und Zentrumsleute sind vielleicht bereit, unsere Anweisungen zu befolgen, während die Kommunisten und Nazis ihre eigenen Organisationen ins Feld schicken." Die entsprechenden, der Entwicklung vorgreifenden Maßnahmen der sowjetischen Besatzungsbehörden stimmten den amerikanischen Diplomaten besorgt: „Eine weitere und sehr wichtige Überlegung, die anzustellen wäre, ist die Tatsache, daß das Verbot politischer Betätigung nicht im ganzen Reichsgebiet gelten wird. Es besteht Grund zu der Annahme, daß das Nationalkomitee Freies Deutschland in den russisch besetzten Gebieten schon jetzt auf Grund besonderer Vereinbarungen administrative Vollmachten erhält, was in Zukunft offensichtlich zu politischen Verwicklungen führen wird. Vermutlich ist das Außenministerium bereits im Besitz des Berichtes der Rundfunküberwachungsstelle über den von Berlin gesendeten Schukow-Be-fehl Nr. 2 vom 10. Juni. Außer der Genehmigung zur Schaffung freier Gewerkschaften enthält der Befehl die Erlaubnis zur Bildung aller antifaschistischen Parteien und zu ihrer Tätigkeit in der Sowjetzone, wenn sie sich die Ausrottung der Überreste des Faschismus und die Festigung der Demokratie zum Ziel setzen. Ein Kommentar zu dieser Sendung gibt deutlich zu verstehen, daß dieser Befehl zur Entwicklung eines totalitären Einparteiensystems des gleichen Typus führen wird, den es bereits in Osteuropa und auf dem Balkan gibt. In ihm wird eine starke Demokratie, nicht eine Demokratie nach Weimarer Muster gefordert und betont, die demokratischen Kräfte müßten vereint und dürften nicht gespalten sein. Der Kommentar schließt mit der Warnung, daß alle, die die Einheitlichkeit der demokratischen Kräfte zu zerstören versuchten, als Feinde der Demokratie behandelt werden würden." Murphy gab nach Darlegung der in Deutschland bestehenden Situation zu bedenken: „Die Maßnahmen werden wohl schließlich dazu führen, daß die politische Führung in der russischen Zone vollständig in die Hände des . Nationalkomitees Freies Deutschland'gelangt. Dessen Tätigkeit wird darauf abzielen, auf unsere Zone überzugreifen. Wenn wir dann erst das augenblickliche Verbot politischer Betätigung aufheben, haben die Kommunisten eventuell den Vorteil eines erheblichen Vorsprungs, da sie, die einzige organisierte politische Gruppe in Deutschland, im ganzen Lande bereits aktiv sind. Ein weiterer sie begünstigender Faktor liegt in der Möglichkeit, daß sie durch eine der vier Besatzungsmächte eventuell stark unterstützt werden."
Diese Ausführungen beweisen, daß das amerikanische Hauptquartier bereits in den Tagen des Sieges erkannte, welche Gefahren die Lage Deutschlands heraufbeschwor. Botschafter Murphy vertrat mit großem Nachdruck die Ansicht, es sei Aufgabe der Vereinigten Staaten von Amerika, in Deutschland kein Vakuum entstehen zu lassen. Auch er nahm die Entnazifizierung ernst, verwarf jedoch deren Überbewertung.
Andere amerikanische Politiker hielten starr an der Forderung nach „reeducation", nach Umerziehung des deutschen Volkes fest. Elmer Davies, Direktor des Kriegsinformationsamtes, wandte sich am 4. Juli mit einem Brief an Präsident Truman, in dem er erklärte: „Das Hauptproblem bei der Deutschlandfrage ist die Umerziehung des deutschen Volkes, ohne deren Durchführung unsere übrigen Maßnahmen weiter nichts als vorübergehende Linderungsmittel sein dürften. Ich gehe von der Annahme aus, daß das, was wir alle wünschen, ein Deutschland ist, das für seine Nachbarn keine Gefahr mehr darstellt. Die Frage, wie dieses Ziel jedoch am besten zu erreichen ist, ist eine Aufgabe, zu deren Lösung das höchste Maß an geistigen Fähigkeiten und Scharfsinn erforderlich ist, das aufgebracht werden kann."
Wird fortgesetzt