A. Ziele und Taktik kommunistischer Bestrebungen
Im Jahre 1964 war Hauptziel der Arbeit von KPD und SED, die Anerkennung des SBZ-Regimes zu erreichen. Daneben haben die Kommunisten erneut bestätigt, daß sie die Wiedervereinigung nur unter einem kommunistischen Regime wollen.
Dieses Ziel verfolgen SED und KPD gemeinsam. Sie erklärten zum 8. Jahrestag des KPD-Verbotes: „SED und KPD sind lest verbunden durch die Gemeinsamkeit der marxistisch-leninistischen Weltanschauung. Sie stehen in enger Kampfgemeinschaft gegen den deutschen Imperialismus, von dem gegenwärtig die größte Gefahr für den Frieden in Europa ausgeht. SED und KPD eint das Streben nach einer gesicherten Friedensordnung, nach einer glücklichen Zukunft der deutschen Nation in einem geeinten sozialistischen Vaterland. Darin sehen sie den geschichtlichen Auftrag der gesamten deutschen Arbeiterklasse."
Die marxistisch-leninistische Weltanschauung ist der Kommunismus. Ganz Deutschland soll also kommunistisch werden. Beide Parteien wissen, daß eine solche Wiedervereinigung in naher Zukunft nicht zu verwirklichen ist. Die KPD wird durch die Bevölkerung, insbesondere die Arbeiterschaft, kaum unterstützt. Deshalb versucht sie nach der bewährten Taktik des Weltkommunismus, zunächst die „Aktionseinheit“ mit nicht-kommunistischen Arbeitern herzustellen und eine „Volksbewegung“ gegen die verfassungsmäßig gebildeten Ordnungselemente der Bundesrepublik zu schaffen. Als eines der taktischen Mittel diente der Versuch, mit großem agitatorischem Aufwand ein „offenes deutsches Gespräch" zwischen nicht-kommunistischen Persönlichkeiten der Bundesrepublik, Funktionären des SBZ-Regimes und der KPD zustande zu bringen.
Diese Werbung für das „offene deutsche Gespräch" zeigte, daß es den Kommunisten zur Zeit vor allem darauf ankommt, die politische Anerkennung des SBZ-Regimes und seiner „Grenzen" sowie die Anerkennung Berlins (West) als dritten und selbständigen Teil Deutschlands zu erreichen.
Daneben dauerten die agitatorischen Angriffe gegen die Bundesrepublik, gegen ihre Verfassungsorgane, ihre politischen Repräsentanten und Parteien an. Ziel dieser Angriffe ist es, jegliche politische Autorität zu untergraben, das Staatswertgefühl der Bevölkerung der Bundesrepublik und ihre Verteidigungsbereitschaft zu zersetzen sowie schließlich das Ansehen der Bundesrepublik in der Welt zu beeinträchtigen.
SED und KPD haben auch 1964 ihre Angriffe gegen die Bundesrepublik in enger Zusammenarbeit mit ausländischen kommunistischen Parteien — insbesondere den osteuropäischen — betrieben. Die internationalen kommunistischen Hilfsorganisationen hatten daran erheblichen Anteil.
Die KPD setzt alles daran, ihre Isolierung zu durchbrechen. Immer wieder weist sie ihre Funktionäre an, im Bundesgebiet „legal", d. h. offen zu arbeiten und die geheime Arbeit auf das unbedingt Notwendige zu beschränken. Die Devise lautet: „Illegal soviel wie nötig, legal soviel wie möglich."
B. Die SED leitet
Die Steuerung des kommunistischen Angriffs gegen die BRD Schaubild 1
Die Steuerung des kommunistischen Angriffs gegen die BRD Schaubild 1
Eine Kommission des Politbüros und eine Abteilung des Zentralkomitees der SED in Ostberlin leiten die kommunistische Tätigkeit gegen die Bundesrepublik.
Nach den Direktiven dieser zentralen Instanzen arbeiten die SED-Bezirksleitungen, die illegale KPD, die „Blockparteien", der „Freie Deutsche Gewerkschaftsbund" (FDGB), die anderen sowjetzonalen Massenorganisationen sowie einige Verwaltungsorgane der Sowjetzone (Ministerium für Kultur, „Deutscher Städte-und Gemeindetag" u. a. m.) gegen die Bundesrepublik.
Die folgenden Schaubilder 1 und 2 zeigen das System der Steuerung des kommunistischen Angriffs bezw. die räumliche Zuständigkeit der SBZ-Bezirksorganisationen für die Arbeit gegen die Bundesrepublik.
C. Schwerpunkte politischer Tätigkeit
Die Zuständigkeit der SED-Bezirksorganisationen für die Arbeit gegen die Bundesrepublik (” Patenschaftsgebiete ” )
Die Zuständigkeit der SED-Bezirksorganisationen für die Arbeit gegen die Bundesrepublik (” Patenschaftsgebiete ” )
Die KPD beansprucht wie alle kommunistischen Parteien die „führende Rolle" gegenüber anderen politischen Kräften. Um diesen Anspruch in der Praxis durchzusetzen, bedient sie sich ihrer Hilfsorganisationen. Ferner versucht sie, andere politische Organisationen für ihre Ziele auszunutzen. Die wichtigsten Mittel sind, derartige Organisationen finanziell abhängig zu machen und zuverlässige Funktionäre in Schlüsselfunktionen unterzubringen. Trotz aller Schwierigkeiten versucht die KPD, auch in der Illegalität auf diese Weise zu arbeiten. So führen z. B. die Bezirksleitungen nicht nur die Parteiorganisationen und die technischen Apparate; sie sorgen vielmehr auch dafür, daß in den kommunistischen und den infiltrierten Organisationen zuverlässige Funktionäre tätig werden und ihre Tätigkeit mit der KPD abstimmen.
I. „Offene" Arbeit Nach dem Verbot sicherte die KPD ihr Weiterbestehen zunächst durch strikte Anwendung der konspirativen Regeln. Sie erkannte jedoch bald, daß durch geheime Arbeit in der breiten Öffentlichkeit kein Einfluß zu gewinnen war.
Deshalb hat die KPD seit einigen Jahren ihre Funktionäre angewiesen, „offen" an die Bevölkerung heranzutreten. Die „Entspannungsatmosphäre", die Diskussion über die Justiz in politischen Strafsachen und „offene Arbeit" jeder Art sollen ihr ermöglichen, das Verbot zu umgehen und Einfluß in allen Schichten des Volkes zu erlangen.
Folgende Arten „offener" Arbeit sind 1964 beobachtet worden:
Bei den Kommunalwahlen in Bayern, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Hessen, Rheinland-Pfalz und im Saarland haben sich Personen, die vor dem Verbot der KPD angehörten, als „unabhängige Kandidaten" und in „freien Wählergemeinschaften" beworben. Kommunisten schrieben „offene Briefe" und verteilten Flugblätter, in denen sie aufforderten, entweder Kandidaten „freier" Wähler-gemeinschaften, der DFU oder andere „fortschrittliche", d. h.den Kommunisten genehme Kandidaten zu wählen. Der Erfolg blieb jedoch aus. Auf „unabhängige Wählergemeinschaften" und „freie Kandidaten" entfielen nur 11 und auf die kommunistisch infiltrierte „Deutsche Demokratische Union" (DDU) im Saarland 37 von insgesamt 140 360 Sitzen, die in den genannten Ländern zu besetzen waren.
Nach einer anderen Methode der „offenen"
Arbeit wenden sich Personen, die vor dem Verbot Mitglieder oder Funktionäre der KPD waren, mit Zeitungen an die Öffentlichkeit, in denen sie in allen wesentlichen Fragen die politische Linie der KPD vertreten. Diese Blätter sind sowohl für Parteimitglieder als auch für breitere Bevölkerungsgruppen bestimmt. 1964 erschienen 9 derartige Zeitungen wöchentlich oder vierzehntägig in Auflagen von 2 000 bis 12 000 Stück. Die Titelseiten dieser Zeitungen zeigt das Schaubild 3.
Zur „offenen" Arbeit gehören auch „offene Briefe", Leserbriefe und Petitionen an den Bundestag. Für Petitionen sammeln Kommunisten Unterschriften; die Ergebnisse dieser Tätigkeit werden veröffentlicht. Briefe und Petitionen beschäftigen sich 1964 meist mit der Aufhebung des KPD-Verbotes und mit der Diffamierung von Abwehrorganen.
Der Agitation gegen das Verbot diente z. B.
eine sogenannte Meinungsumfrage des Journalisten Heinz Czymek, Bottrop, der vor dem Verbot der KPD angehörte. Er befragte schriftlich — angeblich 1 000 — Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, wobei er seinen kommunistischen Hintergrund selbstverständlich verschwieg. über das Ergebnis dieser Umfrage berichtete eine große Tageszeitung im Januar 1965. Diese Veröffentlichung und andere Äußerungen prominenter Persönlichkeiten zum Verbot betrachten die Kommunisten als Erfolg ihrer „offenen" Arbeit. Die beiden „Panorama " -Sendungen des Deutschen Fernsehens, in denen die Anzahl der politischen Strafverfahren übertrieben hoch geschätzt worden war, sieht die KPD ebenfalls als Erfolg ihrer „offenen" Agitation an. Angaben über die tatsächliche Anzahl der Ermittlungsverfahren und der rechtskräftigen Urteile in Staatsschutzsachen finden sich im Abschnitt K.
Die KPD hatte mit ihrer „offenen" Arbeit Erfolg. Sie hat die „Entspannung" ausgenutzt und es verstanden, die Aufhebung des Verbots ins Gespräch zu bringen und weitere Volks-kreise auf sich aufmerksam zu machen.
II. Betriebsarbeit Die Kommunisten geben sich als Sachwalter des Arbeiterklasse aus. Deshalb richten sie ihre Bemühungen besonders nachdrücklich auf die Betriebe, um Arbeiter zu „gemeinsamen Aktionen" und zu „gemeinsamem Kampf" zusammenzuschließen. Die Betriebsgruppe wird