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Erhebung einer Elite gegen Tyrannei | APuZ 29/1964 | bpb.de

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APuZ 29/1964 Zum 20. Jahrestag der Erhebung des 20. Juli 1944 Betrachtungen zum militärischen Widerstand Offiziere mit politischem Verantwortungsbewußtsein Erhebung einer Elite gegen Tyrannei Österreich und der 20. Juli 1944 Zur außenpolitischen Konzeption Becks und Goerdelers Nationalrevolutionäre Offiziere gegen Hitler Der deutsche Widerstand gegen den Nationalsozialismus 1931 -1939 von außen gesehen

Erhebung einer Elite gegen Tyrannei

Maurice Beaumont

Wie erscheint, 20 Jahre danach, jenes schon legendäre und doch noch so nahe zurückliegende Attentat des 20. Juli 1944 in der Geschichte, dem „Gedächtnis der Welt“?

20 Jahre! Einem Franzosen wird bewußt, daß dieser Zeitraum mehr Jahre umfaßt als, mit Ausnahme der III. Republik, seit dem Tode Ludwig XV. 1774 jemals ein Regime gedauert hat. 20 Jahre! Das entspricht dem Zeitraum zwischen den beiden Kriegen.

Geschichtliche Vergangenheit, die uns noch zu nahe ist, verleitet zu Irrtümern. Man braucht zeitlichen Abstand, um ein richtiges Bild zu gewinnen, und man darf der Phantasie keinen Raum geben, denn wenn sie sich einschaltet, können leicht Fehlerquellen entstehen. Man hat oft behauptet, daß es keinen Zweiten Weltkrieg gegeben hätte, wenn der Erste Weltkrieg 1919 ein befriedigenderes Ende gefunden hätte Darüber ließe sich vieles sagen. Sicher ist, daß man den Frieden von Versailles niemals als ein „Ruhekissen" bezeichnen kann, auf dem man sich zum Schlummer ausstrecken konnte. Die Erschütterungen während der Zeit zwischen den beiden Kriegen ließen den Franzosen nicht viel Zeit zum Ausruhen; im September 1939 und heftiger noch im Mai 1940 wurden sie mit Getöse aufgeweckt.

Mit seiner Tendenz zum Fatalismus neigt der Historiker zu der Annahme, daß das, was geschehen ist, eintreten mußte. Aber gerade das ist durchaus nicht bewiesen. Bei vielen Ereignissen hätte eine Nichtigkeit genügt, sie nicht eintreten zu lassen. Und vieles andere hätte geschehen können, wenn nicht ein winziger Zufall es hätte. Der Mensch denkt, verhindert Gott lenkt. Die Geschichtsschreibung schenkt dem Zufall niemals genügend Beachtung. Sie sucht ernsthaft, ehrlich und gewissenhaft die Wahrheit zu ergründen, oder, wie es Churchill in seiner bewunderungswürdigen Rede anläßlich des Begräbnisses von Neville Chamberlain im November 1940 ausdrückte, sie „stolpert mit rauchender und flackernder Lampe auf der Straße der Vergangenheit dahin“.

Bei der Verschwörung des 20. Juli 1944, in der so viele Schwächen zutage treten, würden die Schüle; von Tocqueville, der wenig von einer in den großen Linien gesehenen Ge20 schichte hielt und ein erklärter Feind jeglicher Geschichtsphilosophie war, die Rolle des Zufalls besonders hervorheben. Sie würden auf die Ereignisse hinweisen, die unter den gegebenen Umständen und durch den Zeitpunkt ihres Eintretens so weitreichende Folgen hatten. Die Menschen, die eine Kette höchst folgenschwerer Ereignisse ausgelöst haben, so würden sie sagen, verdanken ihr Dasein lediglich dem Zufall einer Geburt. Sie können jeden Moment ausgelöscht werden, während nach Shakespeare das Übel, das sie verursacht haben, über ihren Tod hinaus weiterwirkt. Man hat oft festgestellt, daß in der Geschichte, wenn sie auch voll zwingender Notwendigkeiten ist, gleichermaßen die zufälligen Ereignisse eine Rolle spielen, die eintreten können, aber auch nicht hätten eintreten müssen. Die Verschwörung, die ehemals zum Tod Wallensteins führte, ist bestimmend beeinflußt von dem antiken Fatalismus, der die Seele des Helden mit dem Glauben an günstige und ungünstige Sterne erfüllte. Die Verschwörung vom 20. Juli 1944 unterliegt einzig und allein dem Einfluß der Ereignisse, die sie nach sich zieht und die sie zermalmen. Stauffenbergs Aktentasche, ursprünglich ganz nahe neben dem Führer placiert, wird von Oberst Brandt an einen anderen Platz gestellt, was zur Folge hat, daß zwischen Hitler und ihr sich nun der Offizier selbst, der getötet werden wird, und einer der beiden großen Holzsockel befinden, auf denen der Kartentisch ruht.

Die Besprechung findet nicht, wie es bei Fliegeralarm üblich war, in dem unterirdischen Bunker statt, sondern in einem Holz-bau, und alle zehn Fenster des Raumes sind wegen der Hitze geöffnet. Die Wände dieses Gebäudes sind nicht stark genug, um die Explosionskraft der Bombe voll zur Wirkung kommen zu lassen, wie es in einem Beton-bunker der Fall gewesen wäre.

Es gelingt den Verschwörern nicht, den Rundfunk unter ihre Kontrolle zu bringen und das Führerhauptquartier in Ostpreußen zu isolieren. Die Infanterieschule von Döberitz soll schnellstens die Rundfunksender im Gebiet von Berlin besetzen. Ihr Chef, der mit den Plänen der Verschwörer vertraut ist, war wegen eines Todesfalles in seiner Familie in die Provinz gefahren.

Das Wachbataillon von Berlin soll das Ministerienviertel zernieren; Remer, der es seit zwei Monaten befehligt, ist mit einem Reserveleutnant befreundet, der, im Zivilberuf Referent im Propagandaministerium, zum Wachbataillon kommandiert ist, aber seit einiger Zeit vom Dienst beurlaubt ist und sich nur zufällig in Berlin aufhält. Dieser Offizier, der gerade vor den Unteroffizieren des Battail-Ions einen Vortrag gehalten hat, führt Remer zu Minister Goebbels.

Feldmarschall von Kluge, der vor etwa zehn Tagen das Kommando über die gesamte Westfront übernommen hat, hat als Stabschef nicht mehr den General von Tresckow zur Seite, der ihn an der russischen Front für die Verschwörung gewonnen hat.

Feldmarschall Rommel ist am 17. Juli schwer verwundet worden ...

Im Zweiten Weltkrieg durchlebten die Franzosen schreckliche Jahre, ohne die Bedeutung der oppositionellen Bewegung zu ahnen, die sich in Deutschland entwickelte. Was am 20. Juli 1944 geschah, war einige Jahre später für sie eine Offenbarung. Sie wußten nicht, daß es in Deutschland — und zwar sowohl bei der Elite als auch bei der breiten Masse — so viele Menschen gab, denen moralische Werte noch etwas bedeuteten und die, genau wie sie, litten und einem verbrecherischen Regime die Stirn boten. Man wußte nichts von jenen großen Gestalten, die heute aus dem Schatten hervortreten, wenn ihre Namen genannt werden, nichts von jenen gefallenen Märtyrern, die sich für die Nachwelt aus dem Heer der Toten herausheben, weil, wie Tacitus sagt, die Nachwelt jedem die Ehre zuteilt, die ihm gebührt.

In dem komplexen Netz der Widerstandsbewegung spielen Inhaber wichtiger militärischer Positionen eine wesentliche Rolle. Zweifellos waren viele dieser Offiziere nicht ganz frei von Opportunismus. Aber nach Stalingrad stellten sie sich, mutig dem Führer entgegen. Es ist ein dramatisches Erlebnis, den langen Weg ihrer Überlegungen zu verfolgen, von dem Moment an, in dem ihr Sinn für militärische Disziplin mit zwei Elementen zusammenstieß: Die einen veranlaßten politische, soziale oder religiöse Gründe zur Erhebung gegen ein totalitäres Regime; bei den anderen war es die wachsende Überzeugung, daß die Zukunft Deutschlands von der Vernichtung eines Mannes abhinge, der es mit der Behauptung, das Germanentum zu verkörpern, entehrte und es in seiner Hybris der Katastrophe entgegenführte: Es war eine Erhebung der Vaterlandsliebe und des Gewissens.

1944 war die entsetzliche Systematisierung des Massenmordes für die vielen, die unter den Schändlichkeiten litten, an einem Punkt angelangt, wo ihnen die Autodafes der Inquisition vergleichsweise wie Ereignisse voller Nächstenliebe und Milde erschienen. Es gibt Moralgesetze, die man nicht verletzen kann, ohne in den Abgrund gestürzt zu werden. Die schlimmsten Attentate gegen den Geist rufen schließlich die Revolte des Geistes selbst hervor. Die Grausamkeiten des Regimes und die militärischen Niederlagen hatten „edle und große" Helden (das Wort stammt von Churchill) davon überzeugt, daß ein Besessener ihre Nation an Leib und Seele morde. Sie versuchten, diese von dem unheilvollen Joch zu befreien.

Um den Platz der deutschen Widerstandsbewegung in der Geschichte zu bestimmen, muß man mehrere Tatsachen berücksichtigen. Die Geschichte des 20. Juli ist die Geschichte einer sofortigen und totalen Niederlage. Diese Niederlage hatte jedoch weitreichende Folgen. Was nach zwanzig Jahren endgültig und für immer festzustehen scheint, ist, daß diese Besiegten Mitgefühl verdienen. Seit ihrem Opfer hat man von den Grausamkeiten erfahren, die in den Vernichtungslagern verübt wurden. Diese Lager des Todes, Vorstufe der Hölle, haben das Geheimnis von Ungeheuern und ihren verbrecherischen Taten enthüllt.

Man zittert beim Schauspiel der Niederschlagung des Komplotts: so viele Erschossene, so viele Gehängte, so viele Hingerichtetei Mit jeder Tötung, die in der Geschichte des Zweiten Weltkrieges einer anderen folgt, wächst die Empörung über das Blutbad. Die grausame Vergeltung der Verschwörung war abscheulich, und das unheilvolle Schauspiel hat das Naziregime noch verhaßter gemacht. In Deutschland wie im Ausland waren die Selbstmorde von Stülpnagel und Kluge, die satanische Ermordung Rommels allgemein unbekannt. All das, sorgfältig verborgen gehalten, war entsetzlich und glich den schrecklichsten Tragödien der barbarischsten Antike. Und doch geschah es erst vor 20 Jahren, geschah gestern. Der 20. Juli 1944 ist weder eine von Pro-konsuln angezettelte Palastrevolution, die eine verlorene Sadie rechtzeitig aufzugeben wissen, so wie Ratten ein sinkendes Schiff verlassen, noch eine aus einer Volkserhebung hervorgegangene Aktion der Massen. Diese Bewegung hat sehr verschiedene Aspekte.

Weit davon entfernt, eine vorübergehende und zufällige Erscheinung zu sein, beschwört diese große Erhebung den Widerstand gegen die hitlersche Unterdrückung herauf, den deutschen Widerstand in seiner ganzen Weite und Tiefe, mit der Opposition der Militärs und der Bürger, in jeder der großen Gruppierungen, in den Freundeskreisen, bei den Männern, die gleiches Temperament und gemeinsame politische Ziele zusammengeführt haben. Viele dieser Gruppen, die von sehr unterschiedlichen Motiven geleitet waren, haben nichts mit dem eigentlichen 20. Juli zu tun: die erschütternde Tragödie der Geschwister Scholl, der leidenschaftliche Widerstand der Kommunisten, der mutige Kampf der Kirchen... Die Verschwörer von 1944 waren — und sie wußten es — nur eine kleine Minorität. Ihre Isolierung macht ihre Größe aus. Sie mußten ohne die Unterstützung des Volkes handeln: Selbst im fünften Kriegsjahr war der magnetische Einfluß des Führers auf die Massen nicht erloschen.

Der 20. Juli hat gezeigt, daß Deutschland nicht völlig zum Komplicen und Opfer fanatischer Nazis geworden war, die es in den Abgrund moralischer Verworfenheit zu ziehen drohten. Hitler hatte die Wiederherstellung des Ansehens, die Wiederaufrichtung der Ordnung, Arbeit für alle versprochen. Den Besiegten von 1918, die er aus der Hoffnungslosigkeit gerissen und dann mißbraucht hatte, predigte er den Rassenstolz. Er löschte die Niederlage aus, indem er die Verträge zerriß, die sie besiegelt hatten. Dann, nach dem 30. Juni 1934, und besonders seit 1938, bot das Hitlerregime der Welt ein Schauspiel der Gewalttat und der ungeheuerlichsten Anschläge gegen die Vernunft, des Appells an die niedrigsten Instinkte des Menschen.

In der unwahrscheinlichen Geschichte eines hochkultivierten Volkes, das ein Fanatiker mit Hilfe eines grausamen Systems der Unterdrückung mobilisieren, hypnotisieren, tyrannisieren konnte, hat der 20 Juli einer breiten öffentlichen Meinung noch während der Diktatur deren wahren Charakter enthüllt. Eine untergründige, aber ausgedehnte Opposition, die der Terrorismus zum Schweigen nötigte, gärte unter den alles überschreienden nazistischen Prahlereien, erfüllt von Scham darüber, daß das Verbrechen zum Gesetz erhoben wurde.

Der Despotismus eines einzelnen, sagte einst Gambetta, entsteht aus dem Versagen aller. Ohne das Drama des 20. Juli, ohne die Verschwörung, die sehr viel weitreichender war als ein bloßes Komplott, hätte man an dem wirklichen Wert dieser deutschen Widerstandsbewegung gezweifelt: „Kann ein Glaube, der nicht handelt, aufrichtig sein?“

Der 20. Juli symbolisiert den Ausbruch der Bewegungen des Protestes, die Erhebung gegen die Schrecken, die der Nazismus erzeugte. Ohne Unterstützung von außen und beseelt von dem Wunsch, ein normales und moralisch intaktes Regime wiederherzustellen, erhebt sich eine Elite gegen die verabscheute Tyrannei, gegen die Menschen, an deren Händen Blut klebte. Lange vor dem Kriege schon wurden die Konzentrationslager, die uns noch in grausamer Erinnerung sind, für Deutsche errichtet. — Wie Friedrich Meinecke schrieb, war Deutschland das erste besetzte Land. — Und in diesen Lagern sind sie zusammengepfercht: Sozialisten, Kommunisten, Gewerkschaftler, Liberale, Junker, Militärs, Katholiken, Protestanten und, bevor die „Endlösung“ beschlossen ist, Juden. Der seit elf Jahren gärende lautlose Kampf erfüllt sich im 20. Juli 1944. Mehr Verständnis und mehr Sympathie für die Tragödie Deutschlands erwekkend, erscheint seine Widerstandsbewegung wie ein mächtiger, weitverzweigter Baum, der mit vielen seiner Wurzeln tief hinabreicht in die ferne Vergangenheit des alten humanistischen und liberalen Deutschland, des lichten Deutschland, Goethes Deutschland. Dieser Widerstand war um so verdienstvoller, als die Diktatur schwer auf dem Volk lastete. Am 20. August 1939 schrieb der Gewerkschaftler Leuschner: „Wir sind Gefangene in einem großen Zuchthaus. Zu rebellieren wäre genauso Selbstmord, als wenn Gefangene sich gegen ihre schwer bewaffneten Aufseher erheben würden.“

In einem heroischen Kampf und mit fast hoffnungsloser Selbstaufopferung rekrutierte sich der Widerstand — die berühmten und die namenlosen Märtyrer — aus allen Schichten der Bevölkerung, aus der Bürgerschaft wie aus den Gewerkschaften, aus dem diplomatischen Corps, aus Angehörigen der Kirchen und aus Kommunisten, aus Offiziers-und Professoren-kreisen, aus dem höchsten Adel und dem einfachsten Bürgertum; sie alle waren vereint im Kampf gegen die Unterdrücker einer großen Nation. Die Namen einiger fünftausend Märtyrer, die in eine riesige Ehrentafel eingegraben sind, beschwören, wann immer sie genannt werden, besonders auch die ergreifenden, tapferen Gestalten der Männer des 20. Juli herauf. Da ist zunächst Stauffenberg, der Haupturheber und Ausführende des Komplotts. Die Geschichte schenkt manchmal erhabene Augenblicke, die über die Ereignisse entscheiden. Es hätte keinen 20. Juli 1944 gegeben ohne diesen großen einäugigen und einarmigen Schwerkriegsverletzten, der nur noch drei Finger besaß: diese drei Finger haben das Attentat ausgelöst; sie hielten alle Fäden der Verschwörung zusammen. Von brennender Vaterlandsliebe erfüllt, war der Geist des Urenkels des ruhmreichen Gneisenau vom deutschen Idealismus und von der Romantik geprägt. Der „Bamberger Reiter", der dazu ausersehen war, ein Held der Legende zu werden, die oft mehr Wahrheit enthält als die geschichtliche Wirklichkeit, ist einer jener Auserwählten, die in der Welt eine leuchtende Spur hinterlassen.

Und was ist den Worten des Generals von Tresckow hinzuzufügen, der sich den Tod gab, weil der Tod am Vorabend den „Führer“ verschmähte, und dessen Testament zur Läuterung des Dritten Reiches folgende ergreifenden Zeilen enthält: „Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland um unseretwillen nicht verderben wird." Graf Helmuth James von Moltke, ein Mann voller Reinheit, ist von klarstem kantischen Geist erfüllt, und der Kreisauer Kreis gehorcht dem Kategorischen Imperativ des unsterblichen Königsberger Philosophen. Gewiß ist eine Widerstandsbewegung keine reine Heldengalerie. Sie besteht aus Menschen von Fleisch und Blut. An der . Seite echter Widerstandskämpfer finden sich leichtfertige Amateure und unvorsichtige Schwätzer. Unschlüssig und zögernd, wie sie sind, bewegen sie uns in Ihrer Schwäche mehr als erstarrte Heilige. Aber sie alle starben einen guten Tod; sie zeigten ruhige Tapferkeit, wie der Jurist Berthold von Stauffenberg, oder fröhlichen Mut, wie der zynische SS-Obergruppenführer Helldorf, der sich im Augenblick der Hinrichtung darüber beklagt, daß man ihm nicht vorher eine gute Mahlzeit serviert hat. Es ist müßig, sich darüber zu verbreiten, was geschehen wäre, wenn die Verschwörung des 20. Juli nicht mißlungen wäre. Es gibt so viel zu sagen über das, was geschehen ist. Hätte das Attentat Erfolg gehabt, hätte sich gewiß vieles ändern können. Ohne Zweifel hätte das Gelingen der Verschwörung für Europa und mehr noch für Deutschland glückliche Folgen nach sich ziehen können.

Im übrigen hat das Mißlingen der Verschwörung keinen Einfluß auf den Verlauf des Krieges gehabt, der im Sommer 1944 in jedem Fall für Hitler verloren war. Außer Stalin scheint den Alliierten damals die Bedeutung einer Verschwörung, die das Ende Hitlers anzeigte, nicht bewußt gewesen zu sein. Sie betrachteten sie als ein Unglück. Noch 1939 hatte man besonders in England, aber auch in Frankreich (nicht bei den Sowjets) die törichtsten Illusionen im Hinblick auf die Möglichkeiten einer entschlossenen Opposition der führenden Militärs gegen Hitlers Exzesse genährt. Diese Illusionen wurden am 9. November 1939 brutal durch die Entführung zweier Offiziere des Intelligence Service zerstört, die von der Gestapo zu Besprechungen mit angeblichen Vertretern der militärischen Opposition nach Venlo, auf holländisches Gebiet nahe der deutschen Grenze, gelockt worden waren. Daraufhin fiel London ins andere Extrem: Man wollte nichts mehr von einem angeblichen deutschen Widerstand hören. Wenn dieser Widerstand vor allem auch eine moralische Erhebung war, so kann man ihm doch keineswegs jede realen Erfolgsaussichten absprechen, da er von so einflußreichen Kreisen getragen wurde.

Fussnoten

Weitere Inhalte

Maurice Beaumont, Mitglied der Academie des Sciences politfques, morales et Professor für Geschichte an det Sorbonne. Präsident des Comite d’histoire de la Deuxime guerre mondiale, geb 1892 in Luneville. Veröffentlichungen u a La faillite de la paix (1919— 1939), Paris; L essor economique et l’imperialisme colonial (1878— 1904), Paris;