Ene redliche Erinnerung an den Aufstand Ges 20. Juli 1944 gegen die Diktatur Hitlers muß mit der Einsicht verbunden sein, daß dieser Tag der deutschen Geschichte im Bewußtsein unserer Gegenwart nicht den Platz einnimmt, der ihm zukommt. So wenig auch für das Gedenken des 17. Juni 1953 die richtige Form gefunden ist, so ist es doch leichter, sich im Grundsätzlichen über die Bedeutung des Volksaufstandes vom 17. Juni einig zu werden. Ein gequältes Volk erhob sich gegen eine Fremdherrschaft und verlangte freie Wahlen, um endlich Freiheit und Einheit zu erlangen. Am 20. Juli trat aus jahrelanger Verborgenheit eine deutsche Opposition in das helle Licht der Geschichte, um ein System zu stürzen, das Deutschland und große Teile Europas vergewaltigt hatte und das gleichwohl in der Lage war, Millionen deutscher Gutgläubiger an den Fronten und in der Heimat an sich zu binden und zu fesseln. Der Sinn des Geschehens am 17. Juni ist eindeutig und verständlich. Der 20. Juli könnte geeignet sein, das deutsche Volk innerlich zu trennen. Wenn damals auch Millionen von Landsleuten das Mißlingen des Aufstandes beklagt haben und sich von nun an der herannahenden Katastrophe ohnmächtig ausgeliefert sahen, so darf doch der andere und noch größere Teil der deutschen Bevölkerung nicht vergessen werden, der das Attentat als Mord oder als Verrat im Kriege ablehnte und verdammte. Das Dilemma des deutschen Widerstandes ist damit bereits angedeutet und vor allem auch der bereits oftmals hervorgehobene charakteristische Unterschied dieses Widerstandes zur Resistance in den anderen Ländern. Der deutsche Widerstand gehört unter einem allgemein-geschichtlichen Gesichtspunkt wohl einem internationalen Zusammenhang an und zeichnet sich begreiflicherweise durch seine besonderen, unvergleichbaren Züge aus. Man kann sein Wesen auch nicht verstehen, indem man erläuternd auf die Rolle des Verrates in einer Epoche des ideologischen Bürgerkrieges hinweist, der alle gewohnten nationalen Grenzen durchschneidet.
Man hat die militärische Opposition, die am 20. Juli zur Aktion gelangte, mit Recht einmal als „die schlagkräftige . Vorhut'der Widerstandsbewegung" bezeichnet, die „aber weder ihren Körper noch ihren Geist“ bestimmt habe. Und doch ist es besonders aufschlußreich, die Motive des militärischen Widerstandes zu untersuchen, um den Kern eines Vorganges zu begreifen, der in der preußisch-deutschen Heeresgeschichte einzigartig dasteht und doch in der Tiefe den Zusammenhang mit ihren besten Kräften und Traditionen nicht verloren hat. Man sollte so nüchtern wie nur möglich den Weg zeigen, auf dem Soldaten in die Grenzsituation eines Aufstandes gerieten. Je nüchterner der schwere Weg, den eine Reihe von Soldaten gegangen ist, dargestellt wird, desto größer wird vielleicht die Aussicht, das Verständnis für diese militärische Elite in unserer Gegenwart zu fördern. Es mindert nicht den Ruhm dieser Männer, wenn man bei ihnen zunächst rationale Überlegungen, ja fachliche Erwägungen beobachtet, die ihre Distanz zum Nationalsozialismus begründeten. Diese Überlegungen enthielten gleichsam die Voraussetzung für einen Widerstand, der sich wachsend ins Grundsätzliche steigerte, mit sittlichen Überzeugungen, die zum Durchbruch gelangten, verband, und schließlich ein inneres Bündnis mit der vielschichtigen Opposition gegen die totalitäre Herrschaft erreichte. Es gibt selbstverständlich auch auf diesem Sektor Unterscheidungen und Nuancen, aber es soll das Anliegen dieser Betrachtungen sein, das innere Wachstum des militärischen Widerstandes verständlich zu machen. Es kann dabei auch nicht auf eine individualisierende Betrachtung verzichtet werden, was übrigens für die Gesamtheit des Widerstandes zu gelten hat.
In der Geschichte der deutschen Armee und besonders ihres Generalstabs bleibt es denkwürdig, daß ein Mann wie Generaloberst Beck auch nach seinem Rücktritt vom Amt des Chefs des Generalstabes seine starke Ausstrahlungskraft auf den größeren Teil der hohen militärischen Führer durchaus behalten hat. Es ist ihm versagt geblieben, seine militärische Führungskraft im Felde nachzuweisen. Dem Theoretiker und militärischen Erzieher wird sie von niemandem bestritten, aber die ungewöhnliche Aufgabe, die Bede auf dem Höhepunkt seiner militärischen Karriere und über seine dienstliche Stellung weit hinaus übernahm, lag in dem Versuch, den Krieg zu verhindern. Am Anfang seiner Gedanken stand die rationale Einsicht in die Aussichtlosigkeit eines Krieges, der unter den Bedingungen der Weltlage in die Katastrophe hineinführen mußte. An seinen Denkschriften aus den Jahren 1937 und 1938 wird sehr deutlich, wie die nüchterne militärische Lagebeurteilung zu sittlicher Empörung über eine Politik führte, die leichtfertig das Risiko eines Krieges zu übernehmen bereit war. Militärisches, nationales und sittliches Verantwortungsgefühl gingen sehr rasch ineinander über, und Bede hat in seiner intensiven Gedankenarbeit und in seinen praktischen Bemühungen die Motive und die Maßstäbe des sogenannten militärischen Widerstandes während des Zweiten Weltkrieges gleichsam vorweg genommen. Die Priorität der einen vor den anderen Motiven läßt sich bei einem Manne wie Beck kaum feststellen. „Es stehen hier letzte Entscheidungen über den Bestand der Nation auf dem Spiele. Die Geschichte wird diese Führer mit einer Blutschuld belasten, wenn sie nicht nach ihrem fachlichen und staatspolitischen Wissen und Gewissen handeln. Ihr soldatischer Gehorsam hat dort eine Grenze, wo ihr Wissen, ihr Gewissen und ihre Verantwortung die Ausführung eines Befehles verbietet."
„Finden ihre Ratschläge und Warnungen in solcher Lage kein Gehör, dann haben sie das Recht und die Pflicht vor dem Volk und vor der Geschichte, von ihren Ämtern abzutreten. Wenn sie alle in einem geschlossenen Willen handeln, ist die Durchführung einer kriegerischen Handlung unmöglich. Sie haben damit ihr Vaterland vor dem Schlimmsten, vor dem Untergang bewahrt."
„Es ist ein Mangel an Größe und an Erkenntnis der Aufgabe, wenn ein Soldat in höchster Stellung in solchen Zeiten seine Pflichten und Aufgaben nur in dem begrenzten Rahmen seiner militärischen Aufträge sieht, ohne sich der höchsten Verantwortung vor dem gesamten Volk bewußt zu werden. Außergewöhnliche Zeiten verlangen außergewöhnliche Handlungen. ” Es stellte sich rasch und immer erneut heraus, wie sehr es sich bei den Forderungen nach geschlossenem Handeln und Willen um ein Wunschbild des Chefs des Generalstabs handelte. Die Reaktion auf die Ermordung Schleichers und Bredows am 30. Juni 1934 hatte bereits den Mangel an innerer Einheit unter den militärischen Führern — wenn man einmal diesen sehr ungenauen Begriff hilfsweise anwendet — deutlich gemacht. Die schmachvolle Behandlung, die dem Oberbefehlshaber des Heeres, Frhr. von Fritsch, widerfahren war, hatte ebenso-wenig eine innere Einheit und ein kraftvolles Selbstgefühl der militärischen Führung erkennen lassen. Es muß von diesem Oberbefehlshaber gesagt werden, daß er von dem begründeten hohen Ansehen, das er auf Grund seines Charakters und seiner Führereigenschaften in der Truppe besaß, keinen Gebrauch gemacht hat. Seine Resignation, der Verzicht auf Auflehnung hängt sicherlich auch mit der seinem Charakter entsprechenden Erwägung zusammen, den eigenen Fall nicht zum Anlaß einer Auseinandersetzung mit dem Staatsoberhaupt zu benutzen. Die Antwort auf die Frage, was in einem totalen Staate eigentlich „Widerstand" bedeutet, ist sicherlich nicht einfach zu geben. So wenig auch zum Beispiel so-genanntes Unbehagen oder Mißvergnügen über eine Reihe von Erscheinungen im nationalsozialistischen Herrschaftssystem bereits den Rang von „Widerstand“ bekommen darf, so wird doch die weite Auslegung dieser Erscheinung, die vor und nach dem 20. Juli die Untersuchungskommission des Reichssicherheitshauptamtes gegeben hat, dem Phänomen durchaus gerecht. Indem Beck mit seinen Warnungen und vor allem durch ihre Form als Chef des Generalstabs in den Bereich der allgemeinen Politik Übergriff, hat er den militärischen Widerstand eingeleitet. Seine Haltung ist um so bedeutungsvoller, als in den ersten Jahren des Regimes — trotz lokaler Auseinandersetzungen — ein gleichsam friedliches Nebeneinander zwischen Partei und Armee bestand. Es ist überflüssig zu betonen, daß Hitler die Hilfe der Militärs zur Durchführung der Wiederaufrüstung nicht entbehren konnte. So hat Hitler zum Beispiel zunächst nicht ausdrücklich verlangt, daß die sogenannten Rasse-gesetze in der Wehrmacht Anwendung fanden. Der Vorschlag ist vielmehr vom damaligen Wehrmachtsamt gemacht worden. Hitler hat solche Vorschläge selbstverständlich gutgeheißen. Wenn aber nicht alle weitgehenden Vorschläge dieses Amtes in Erfüllung gingen, so ist dieser bemerkenswerte Sachverhalt der Tätigkeit des Majors Hoßbach zuzuschreiben, der damals auf Wunsch von Fritsch und Bede „Adjutant der Wehrmacht beim Führer und Reichskanzler" wurde und gleichzeitig in berechtigter Sorge vor der isolierten Stellung eines Adjutanten das sehr wichtige Amt des Chefs der Zentralabteilung des Generalstabes des Heeres beibehalten hatte. Wenn von Widerstand auf dem militärischen Sektor gesprochen wird, so sollte sein Verhalten in der Fritschkrise nicht übergangen werden. Er hat den Befehl Hitlers, den Oberbefehlshaber des Heeres auf keinen Fall über die gegen ihn erhobenen Vorürfe zu unterrichten, nicht befolgt. Er ist vielmehr im Gegensatz zu diesem bindenden Befehl in die Wohnung des Freiherrn von Fritsch gefahren, und es handelt sich sicherlich um keine zu weitgehende Interpretation, wenn er von seinem Oberbefehlshaber, den er verehrte, eine andere Haltung erwartete, als dieser dann einnahm und behielt. Es ist übrigens nicht der einzige Fall von Ungehorsam, also von „Widerstand" im totalen Staat geblieben, den dieser Soldat wie andere militärische Führer im Verlaufe des Krieges zugunsten der Truppe geleistet haben. Der „Fall Hoßbach" in jener Krise spiegelt die Aussichtslosigkeit des militärischen Widerstandes zu einem Zeitpunkt wider, als das Gefüge des Heeres noch relativ fest war, das heißt, als das Heer noch in den Händen ihrer Führer war, bevor seine rapide Vergrößerung die Grenzlinien zur Partei und zum Nationalsozialismus verwischte. Becks von hohem Verantwortungsgefühl getragene Pläne, die sich zunächst auf einen Massen-rücktritt der militärischen Führer bezogen, scheiterten an der Unentschlossenheit von Brauchitsch, der am 4. Februar 1938 der Nachfolger von Fritsch wurde; denn es gab damals noch eine Reihe von Befehlshabern, die zum Handeln entschlossen gewesen wären. Von ihm schreibt Ulrich von Hassell in seinem Tagebuch am 27. September 1938: „Brauchitsch schlägt den Kragen hoch und sagt: , Ich bin Soldat und habe zu gehorchen'." Diese Charakteristik ist sicherlich nicht unzutreffend, erst recht nicht, wenn man bedenkt, daß sich Brauchitsch wider besseres Wissen so verhalten hat.
Der Verfall der militärischen Selbstachtung wird besonders deutlich, wenn man die Maßstäbe, an denen das Verhalten der obersten militärischen Führer gemessen werden muß, den lapidaren Feststellungen Becks entnimmt:
„Was der Chef des Generalstabes lehrt, dar-nach muß er auch handeln. Ein Zwiespalt zwischen Worten und Handeln wäre für ihn tödlich und von verderblicher Wirkung auf den Generalstab. Sieht er sich daher vor eine Lage gestellt, die nach gewissenhafter Prüfung subjektiv nur diesen Ausweg für ihn lassen würde — ganz einerlei, daß seine Auffassung objektiv falsch sein kann —, so muß er im Interesse des Generalstabs seinen Platz räumen. Zweifel an seiner Geradlinigkeit sind ausgeschlossen." Die Sätze spielen den klaren Geist und die klare Sprache des Generalstabs wider, dessen Leitung nach Becks Rücktritt auf Halder überging, der führend an der Vorbereitung von Staatsstreichplänen in Verbindung mit Männern des Auswärtigen Amts vor Beginn des Krieges beteiligt war und der sich doch nicht durch das geistige Format seines Vorgängers auszeichnete. Er genoß hohe Achtung im Generalstab, aber es war auch nicht mehr als Achtung, die dem integren Manne und dem militärischen Fachmann entgegengebracht wurde.
Im Zusamenhang dieser Betrachtungen sollen nicht die Aktionen des militärischen Widerstandes bis zum 20. Juli beschrieben werden. Daß ein „Zwiespalt zwischen Worten und Handeln“ tödlich für den Chef des Generalstabs und „von verderblicher Wirkung auf den Generalstab" selbst wäre, beschrieb eine Gesinnung, die sicherlich den von Beck vertretenen Prinzipien einer überlieferten Generalstabsausbildung zugrunde lag, aber diese Maxime entsprach kaum noch der Situation, vor der sich der Generalstab in der wachsenden Auseinandersetzung mit Hitlers Kriegs-führung gestellt sah. Beck selbst rückte in das Zentrum einer Verschwörung, die sich auf Mittel und Wege eines Widerstandes angewiesen sah, auf die ihn die Welt, in der er groß geworden war, nicht vorbereitet hatte. In der Literatur über den Widerstand ist oftmals die Neigung spürbar, Becks Verhalten durch gelegentlich besonders akzentuierte Hinweise auf seine Abstammung aus einer bürgerlichen rheinischen Familie zu erläutern. Er ist zutreffend beschrieben worden als „eine der seltenen Erscheinungen, in welchen sich die universale Bildung und europäische Weite des 18. Jahrhunderts mit den wesentlichen Prinzipien preußischer Tradition verband“.
Unter Becks hessischen Vorfahren überwiegen die Offiziere, und nur sein Vater war ein Industrieller.
Das Bild des militärischen Widerstandes, dessen geistiges Haupt bis zur letzten Stunde Generaloberst Bede geblieben ist, wird erst vollständig, wenn man sich nicht nur seiner Verbindungen zur bürgerlichen Opposition, sondern auch zu den Führern der deutschen Arbeiterbewegung erinnert. Nicht nur die Mittwochsgesellschaft, auf der sich Gelehrte, Politiker und vor allem der ehemalige Chef des Generalstabs zu Vorträgen und Aussprachen trafen, war ein charakteristischer Treffpunkt der Gegner des Regimes, sondern auch die Fabrik, die der ehemalige Holzschnitzer und sozialdemokratische hessische Innenminister Wilhelm Leuschner nach Entlassung aus der Haft gegründet hatte. Zu den Besuchern dieser Fabrik gehörte auch der ehemalige Chef des Generalstabs, der sich hinter einer dunklen Brille zu tarnen suchte. Ein anderer Treffpunkt der Verschwörung war die Schöneberger Kohlenhandlung, in die Julius Leber nach jahrelanger qualvoller Haft als Mitinhaber eingetreten war. Namen können in dieser Betrachtung gleichsam nur stellvertretende Bedeutung haben. Leber gehört wohl zu den militantesten Demokraten der Weimarer Republik, der die innere Auseinandersetzung mit den Gründen ihres Scheiterns am konsequentesten und am leidenschaftlichsten durchgeführt hatte. Seine Begegnung und innere Übereinstimmung mit Graf Stauffenberg, auf die noch zurückzukommen sein wird, haben im Rahmen des deutschen Widerstandes einen geradezu symbolischen Sinn. Wesentlicher noch als die Verzweiflung der „Zivilisten" über das Zaudern und über die Unentschlossenheit der Generäle war die Tatsache, daß Repräsentanten der deutschen Arbeiterbewegung wie der Armee zueinander fanden und das Erlebnis hatten, in einer gemeinsamen Froni zu stehen. Indem sie eine „Tatgemeinschatt" bildeten, holten sie gewissermaßen — wenn auch in noch so kleinen Kreisen — eine Verständigung nach, die in der Republik von Weimar aus Gründen, die nicht nur auf der einen Seite zu suchen sind, nicht zustande gekommen war. Am Anfang solcher Begegnung standen wieder praktische Erwägungen. Nachdem manche Arbeiterführer am Anfang des Krieges noch geglaubt haben mochten, daß ein Volksaufstand das Regime stürzen könne, erkannten sie sehr rasch, daß der Umsturz nur von denen durchgeführt werden könnte, die über einen militärischen Befehlsapparat verfügten. In der praktischen Zusammenarbeit, die der Vorbereitung des Umsturzes diente, stellte sich — bei allen Unterscheidungen — eine Gemeinsamkeit der sittlichen Überzeugungen heraus. Diese Gemeinsamkeit der moralischen Übereinstimmung bildet den Kern des gesamten deutschen Widerstandes und kann auch nicht verdunkelt werden durch noch so heftige Auseinandersetzungen über die künftige Gestaltung des deutschen Reiches. Wenn man sich zu ausführlich mit solchen Meinungsverschiedenheiten, um deren Klärung sich eine kritische Forschung selbstverständlich bemühen muß, beschäftigt, gewinnt man ein verzerrtes Bild vom deutschen Widerstand In einem bestimmten Teil der Literatur der Weimarer Republik hat oftmals die Formel „Preußentum und Sozialismus" eine Rolle gespielt, die im Grunde inhaltslos geblieben ist. Es soll nicht etwa eine neue Stilisierung dieses Begriffspaares versucht werden, sondern es soll einfach zum Ausdruck gebracht werden, daß sich in der Verschwörung Menschen zusammenfanden, die sowohl der Arbeiterbewegung als auch einer militärisch-aristokratischen Tradition entstammten.
Bevor Umfang und Inhalt dieser politisch-sittlichen Gemeinschaft, die letztlich tief in christlichen Glaubensüberzeugungen wurzelte, abschließend noch etwas näher beschrieben wird, muß der Weg angedeutet werden, den jüngere Generalstabsoffiziere zurückgelegt haben, um sich an die Spitze des Widerstandes zu setzen oder um der Motor zu werden, der die entscheidende Tat vorbereitete und auslöste. Damit soll aber nicht ein allzu einfacher Gegensatz zwischen älterer und jüngerer Generation behauptet werden.
Der Name des Grafen Stauffenberg ist schon gefallen, und ein Gedenken des 20. Juli lenkt den Blick der Nachwelt immer wieder auf diese Gestalt von hoher Begabung, leidenschaftlichem Temperament und kühnem Willen. Er war der Mittelpunkt seiner Kameraden und wurde von seinen Vorgesetzten respektiert. Jene Generalstabsoffiziere, die seiner Generation angehörten und mit ihm im OKH zusammenarbeiteten, waren nach mannigfachen Bekenntnissen bereit, sich ihm unterzuordnen Er war ein passionierter Soldat und pflegte die militärischen Umgangsformen doch nur in sehr lässiger Weise. Nachdem das Attentat gescheitert war, bemerkte der Chef des Stabes eines in Rußland kämpfenden Panzerkorps, der ehemalige Chef der Organisationsabteilung — es handelt sich um den jetzigen Generalleutnant Müller-Hillebrand — zu einem Reserveoffizier, Stauffenberg sei der unvergleichliche und bemerkenswerteste Mensch und Offizier, der ihm je in seinem Leben begegnet sei. Eine solche Äußerung zu jenem Zeitpunkt nach dem Scheitern des Attentats, als sich in Deutschland der Schrekken und die Furcht noch mehr steigerten, war der Ausdruck einer tapferen Gesinnung Er sprach die Meinung aus. die sehr viele Offiziere des OKH über Graf Stauffenberg hegten. Gewiß kann einem solchen Manne nur mit Vorsicht repräsentative Bedeutung für seine Umgebung zugeschrieben werden, aber die Stationen, die ihn zum aktiven Widerstand führten, sind gleichwohl charakteristisch. Es mag biographisch sicherlich interessant sein, die Frage zu klären, ob Stauffenberg am Tage der Machtergreifung, am 30. Januar 1933, als Offizier des Bamberger Reiterregiments an der Spitze eines begeisterten Demonstrationszuges marschiert sei. Es ist manches Einleuchtende gegen diese Form der mündlichen Überlieferung eingewendet worden. Belangvoller ist indessen die Frage, wie Stauffenberg, dessen Stellung zum Nationalsozialismus sicherlich anfänglich zwischen Neutralität, Ablehnung bestimmter Erscheinungsformen und sachlicher Anerkennung errungener Erfolge schwankte, zum aktiven Gegner geworden ist. Es besteht kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß der 1907 geborene Soldat und Generalstabsoffizier an der Freude über die militärischen Leistungen und Erfolge der ersten Feldzüge seinen selbstverständlichen Anteil hatte. Die Offiziere dieser Schicht, aus denen Stauffenberg so herausragte, haben — ohne die nationalsozialistische Weltanschauung zu bejahen und ohne in ihrer verhältnismäßigen Abgeschlossenheit die Wirklichkeit des totalen Staates zu kennen — mit Hingabe und Leidenschaft an der Erringung eines deutschen Sieges gearbeitet, den Beck für unerreichbar hielt, über das konkrete Erlebnis der Krieg-führung Hitlers gelangten sie allmählich zum Anschluß an den Widerstand, der sich lange vor ihrem Auftreten gruppiert hatte und an dessen Spitze Beck stand, dessen Schule sie sich verpflichtet fühlten. Dem Verständnis dieser Widerstandskämpfer aus an Gehorsam gebundener militärischer Tradition dient es nicht, wenn man ihren Kampf von vornherein aus grundsätzlichen Erwägungen, Überzeugungen und Prinzipien ableiten wollte. Sie hatten auf ihrem Sektor erst ihre besonderen Erfahrungen zu machen, bis sie zu einer Einsicht gelangten, die sie innerlich in die Reihe des politischen Widerstandes einordnete und bis sie die religiös sittliche Entscheidung gegen den totalen Staat fällten.
Daß der Generalstab des Heeres nicht so führen konnte, wie es die Kriegslage erforderte, stand ohne Zweifel am Anfang der soeben angedeuteten Erfahrungen. Die unklare und bewußt ungeordnet gebliebene Spitzengliederung der Wehrmacht trug ebenfalls nicht unerheblich dazu bei, die Kluft zwischen dem Generalstab des Heeres und dem Führerhauptquartier zu vertiefen. Es liegt mir daran, diese. formalen organisatorischen Schwierigkeiten — die sich allerdings tief in der Krieg-führung auswirkten — hervorzuheben, um die immer wieder auftretende Spannung zwischen OKH und OKW deutlich zu machen. Diese Spannung war geeignet, geradezu einen Konflikt vorzubereiten. Es sollte immer wieder betont werden, daß der grundsätzlichen Opposition praktische Einsichten in die Unzulänglichkeiten einer Gesamtführung vorausgingen. Dazu gehörte auch die Erfahrung, wie die Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten behandelt wurde. Im Vordergrund stand zunächst die Besorgnis, daß eine Ausbeutung oder gar eine Mißhandlung der Bevölkerung in den besetzten Gebieten nicht den Bedürfnissen der militärischen Führung entsprachen. Die Sorge um die Nachschubwege und um die Befriedung der rückwärtigen Heeresgebiete wie des Operationsgebietes stand sicherlich im Mittelpunkt der Sorgen und Überlegungen des Generalquartiermeisters, der für diese Dinge verantwortlich war. Das sollte so deutlich ausgesprochen werden, gerade um die Entfaltung und Ausbreitung des Widerstandes auf dem militärischen Sektor verständlich zu machen. Und doch waren von Anfang an auch ganz andere Motive wirkungsvoll. Es war nicht nur etwa militärisches Sachdenken, das seit Beginn des Krieges immer wieder zu Auseinandersetzungen mit den sogenannten „Führeranweisungen" geführt hat. Es bestand von Anfang an auch das Gefühl der Verantwortung für die Bevölkerung in den eroberten Gebieten. Daß man sich in den schriftlichen Eingaben, in den unermüdlichen Auseinandersetzungen mit den Stellen des Führer-hauptquartiers über die Behandlung der Zivilbevölkerung nicht sogenannter humanitärer Motive bediente, sondern sich vor allem auf die Kriegsnotwendigkeiten und auf die Interessen der Kriegführung berief, das ist selbstverständlich. Solche Schriftstücke dürfen deshalb ebensowenig „zu wörtlich" gelesen werden wie etwa bestimmte Teile der Korrespondenz des Auswärtigen Amtes. Ganz deutlich wird das etwa an der Form des Einspruchs des Generalquartiermeisters gegen die Judenerschießungen. Er konnte sich selbstverständlich — wollte er im Amt bleiben und von der aktiven Vorbereitung eines Umsturzes nicht ausgeschaltet werden — nicht auf ewiges Menschenrecht berufen, sondern mußte vielmehr im Rahmen seines Ressorts auf die Notwendigkeit hinweisen, daß die Arbeitskraft der Bevölkerung erhalten bleibe und daß eine Ausrottung der jüdischen Bevölkerung die Versorgung der Truppe mit Winterkleidung ernstlich gefährde. Solche Begründung klingt nachträglich sehr „opportunistisch" oder „realpolitisch", aber unter dem Druck des Augenblicks und in der Not der Situation wär überhaupt kein anderes Argumentieren möglich. Der Generalquartiermeister, General Wagner, der seit langem an der Vorbereitung der VerB schwörung führenden Anteil hatte, war auf die Anwendung solcher Mittel angewiesen. In seiner Persönlichkeit kommt das besondere Dilemma des Generalstabs zum Ausdruck. Er hatte wie kein anderer im Oberkommando genaue Kenntnis von den Greueln, die täglich und auf höchste Weisung hin in den besetzten Gebieten verübt wurden. Ihm unterstand die Abteilung Kriegsverwaltung, dessen Chef Schmidt von Altenstadt eng mit Stauffenberg im Generalstab zusammenarbeitete. Diese Abteilung bekam nicht nur durch die SD-Berichte, sondern auf mannigfachen 'Wegen sehr genaue Nachrichten über die Praxis der deutschen Besetzung. Während die Operationsabteilung ihre Arbeit der Vorbereitung und der Führung der Operationen widmete, hatte der Generalquartiermeister den Verkehr mit den zivilen Reichsstellen aufrechtzuerhalten und bekam auf diese Weise mehr als andere Abteilungen des Generalstabs eine umfassende Kenntnis von der Politik der Ausrottung in den besetzten Gebieten. Das innere Dilemma des Generalquartiermeisters wird erst recht deutlich, wenn man die damals von nur sehr wenigen Mitarbeitern erkannte Doppelaufgabe seines Tuns bedenkt. Er arbeitete hingebungsvoll an der Versorgung der Ostfront, deren Durchführung vor diesem Kriege von kaum einem Offizier mit normaler Kriegsakademieausbildung hätte vorausgeahnt werden können. Und er stellte zugleich seinen Apparat mit mannigfachen Beziehungen der Vorbereitung des Umsturzes, den ein Mann wie Wagner aus fachlichen und patriotischen Gründen für unvermeidlich hielt, zur Verfügung. Ein Mann wie Professor Jessen, der so maßgeblich an der künftigen Gestaltung eines vom Nationalsozialismus gereinigten Deutschlands arbeitete, hätte überhaupt nicht die Möglichkeit zum geheimen Wirken erhalten, wenn ihm nicht vom Generalquartiermeister die Leitung der Passierscheinhauptstelle übertragen worden wäre. Ihre Bedeutung lag darin, Reisen der Verschwörer in die besetzten Gebiete zu ermöglichen.
Wir stoßen vor in den Bereich der prinzipiellen Erwägungen, in dem sich die militärischen Verschwörer mit der zivilen Opposition schließlich begegnen sollten, wenn wir an die Reaktion des Generalquartiermeisters auf das Wirken der SS im damaligen Generalgouvernement erinnern. Und es bezieht sich bereits auf eine künftige Auseinandersetzung mit der SS, wenn sich der Schreiber dieser Zeilen eines Befehls an einen Reserveoffizier erinnert, nicht nur alle Übergriffe der SS-Ver12 bände auf den Kompentenzbereich des Heeres, sondern auch alle bekanntgewordenen Greueltaten der SS sorgfältig zu registrieren. Dieser Befehl erinnert an die Anordnung Graf Stauffenbergs im Jahre 1941, die Berichterstattung über die Zusammenstöße zwischen Heer und SS nicht zu vernachlässigen. Hitler war durchaus im Recht, von einem „Geist in Zossen" zu sprechen, der der nationalsozialistischen Weltanschauung und Führung so entgegengesetzt war. Die Männer des Generalstabs — soweit sie an diesem noch in der Vorbereitung befindlichen Widerstand überhaupt beteiligt waren — konnten in ihrer Situation der Sympathie und auch des Schutzes des Chefs des Generalstabs durchaus sicher sein, aber sie spürten doch den Mangel einer mitreißenden Kraft durch den von allen geachteten Generaloberst Halder. Der Chef des Generalstabs mochte sich wohl auf die resignierende Feststellung beschränken, daß es noch so weit kommen werde, daß der Chef des Reichssicherheitshauptamtes oder der Reichsführer der SS den Oberbefehlshaber des Heeres in Gewahrsam nehmen werde.
An dieser Stelle darf allerdings nicht unterschlagen werden, daß die sogenannten Vereinbarungen des Oberkommandos des Heeres mit Himmler in der Vorbereitung des Rußlandfeldzuges nicht unerheblich zu einer Selbsttäuschung des Heeres beigetragen haben. Danach sollte nämlich die SS — sinngemäß — besondere Aufgaben in eigener Verantwortlichkeit durchführen. Diese besonderen Aufgaben waren ein Teil der nationalsozialistischen Ausrottungspolitik, und es ist bezeichnend, daß nur ein Feldmarschall im Verlauf des Rußlandfeldzuges, Feldmarschall von Bock, als Oberbefehlshaber einer Heeresgruppe gegen die Konsequenzen dieses Befehls protestierte, indem er die Unteilbarkeit seiner Verantwortung im Felde feststellte, die von niemandem geschmälert werden könne. Zu den Selbsttäuschungen gehörte auch die Hinnahme des berüchtigten Kommissarbefehls, gegen den die Abteilung Rechtswesen im OKH schwere Bedenken erhoben hatte. Es gehört allerdings auch zur Form des Widerstandes, wenn dieser Befehl nicht ohne Kommentar oder von anderen hohen Dienststellen überhaupt nicht weitergegeben wurde. Daß man sich bei seiner Erläuterung durch das OKH auf die Gefährdung der Disziplin in der Truppe berief, ist wieder selbstverständlich, wenn man daran denkt, etwas erreichen zu wollen.
Als sich das Oberkommando des Heeres — das heißt genauer eine Elite von Offizieren in diesem Oberkommando — gegen Eingriffe in die vollziehende Gewalt wehrte und als es gegen Mißhandlungen der Zivilbevölkerung durch die SS protestierte, hat es sich bei solchen Protesten allerdings nicht nur um eine Wahrnehmung sogenannter militärischer Belange gehandelt. Es kam — wenn auch nur bei einzelnen Offizieren— eine Gesinnung zum Durchbruch, die vollkommen frei von den Fesseln taktischer Überlegungen war oder sogar frei wurde von den Bindungen an einen sich grundsätzlich von selbst verstehenden militärischen Gehorsam. Am radikalsten hat dem Abscheu über die nationalsozialistische Barbarei der spätere Chef der Organisationsabteilung, Generalmajor Helmuth Stiess, während des Polenfeldzuges in einem Brief an seine Frau Ausdruck gegeben, in dem er schrieb: „Ich schäme mich, ein Deutscher zu sein.“ Noch bezeichnender wirkt solche Gesinnung, wenn sie bei einem unbekannt gebliebenen Generalstabsanwärter und hoch dekorierten Frontoffizier beobachtet werden konnte, als er nämlich auf einem der Rückzüge in Rußland seine Empörung — ohne Furcht vor Denunziation — darüber äußerte, daß „wir räuberisch in dieses Land eingebrochen seien“.
Stauffenberg wurde noch tiefer mit der Fragwürdigkeit des angeblichen Kreuzzuges gegen das bolschewistische Rußland vertraut, als die nicht vorausgesehene Aufgabe der sogenannten „landeseigenen Verbände" so groß wurde, daß sie nicht mehr allein vom Generalquartiermeister, sondern von der Organisationsabteilung und von der Operationsabteilung bearbeitet wurde. Die Aufstellung und der Einsatz solcher Verbände, die lange Zeit gegen den Willen Hitlers in einem zähen Kleinkampf durchgesetzt werden mußten, wurden eine Herzensangelegenheit Stauffenbergs und seiner Gesinnungsfreunde. Dieser Kampf gegen die Weisungen des OKW, in dem Becks denkwürdige Sätze über die notwendige Überein-stimmung von „Worten und Handeln" längst überholt waren, gehört zu den erregenden Kapiteln in der Geschichte des Generalstabs während des Rußlandfeldzuges. Indem die Chancen, die solche Verbände der deutschen Kriegführung im Osten boten, hervorgehoben werden, soll nicht etwa eine neue Legende gefördert werden, als ob dieser Krieg von dem isolierten Deutschen Reich je hätte gewonnen werden können. Daß aber Menschen aus den Kriegsgefangenenlagern und aus den verschiedenen Nationalitäten bereit waren, gegen eine Diktatur zu kämpfen — ohne indes zu jenem Zeitpunkt zu begreifen, daß sie einer neuen Fremdherrschaft ausgeliefert wurden —. gehört zu dem bewegenden Erlebnis Stauffenbergs und seiner Freunde, das ihren Horizont über den Bereich des rein Militärischen hinaus bedeutend erweiterte. Es wäre indes vollkommen falsch, wollte man — wozu in einem allerdings nur geringen Teil der Literatur über den Widerstand eine Neigung spürbar ist — von sollen „Osterfahrungen" her auf eine Sympathie mit einer sogenannten „Ost'lösung“, das heißt auf den Wunsch nach einer Anlehnung an die Sowjetunion schließen. Im Gegenteil — das Erlebnis der Freiheitssehnsucht unterdrückter Völker hat dem eigenen Freiheitsgedanken Leben und Tiefe gegeben. Und die Gespräche mit Julius Leber oder die Verbindungen mit Mitgliedern des Kreisauer Kreises haben diese Freiheitsidee mit politischem Inhalt erfüllt. Es bleibt aber wichtig, daß Stauffenberg bereits vor solchen Begegnungen und vor seinem Einrücken in das Zentrum der Opposition, als er noch auf seinem Posten in der Organisationsabteilung um eine Stärkung der Ostfront rang, seine Bereitschaft zum Attentat bekannte. Als sich das Hauptquartier im Herbst 1942 noch in Winniza befand und als im kleinen Kreise von Offizieren, die mit „Widerstand" gar nichts zu tun hatten, einer von ihnen meinte, dem Führer müsse doch endlich „die Wahrheit“ gesagt werden, antwortete Stauffenberg spontan: „Es kommt nicht darauf an, ihm die Wahrheit zu sagen, sondern es kommt darauf an, ihn umzubringen, und ich bin dazu bereit." Gerade weil diese Äußerung zu jenem Zeitpunkt ohne Verbindung mit dem ja bereits ausgedehnten Netz des Widerstandes gefallen war, erscheint sie besonders aufschlußreich — und zwar selbstverständlich vor allem für Stauffenberg, aber auch für den kleinen Kreis, in dem er so sprechen konnte.
Es sollte versucht werden, das Wachstum, die innere Entwicklung des Widerstandsgedankens im militärischen Bereiche darzustellen.
Diese Darstellung soll nicht dadurch vervollständigt und abgeschlossen werden, indem der Weg bis zum Attentat und seinem Scheitern beschrieben wird. Dieses Scheitern gehört zum deutschen Verhängnis in der Epoche des nationalsozialistischen Herrschaftssystems. Der militärische Widerstand erreichte erst dann seinen Höhepunkt und auch seine innere Vollendung, als die Männer des Widerstandes auch ohne Aussicht auf sogenannten Erfolg — den sie leidenschaftlich erzielen wollten — zum Opfer bereit waren. Henning von Tresckow, der in der Heeresgruppe Mitte die Durchführung eines Attentats vorzubereiten versucht hatte, gab dem Opfergedanken, der die gesamte deutsche Opposition erfüllte, reinen Ausdruck, als er, nur noch gehalten durch die christliche Glaubensgewißheit, sagte: „Wenn einst Gott Abraham verheißen hat, er werde Sodom nicht verderben, wenn auch nur zehn Gerechte darin seien, so hoffe ich, daß Gott auch Deutschland um unsertwillen nicht verderben wird. Niemand von uns kann über seinen Tod Klage führen. Wer in unseren Kreis getreten ist, hat damit das Nessushemd angezogen. Der sittliche Wert eines Menschen beginnt erst dort, wo er bereit ist, für seine Überzeugung sein Leben hinzugeben.“ Die militärischen Widerstandskämpfer gegen Hitler haben die echte soldatische Tradition, die von sittlich verantwortungsbewußten und von denkenden Soldaten getragen und fortgesetzt wird, nicht zerstört, sondern wiederhergestellt. Sie haben nicht etwa in „Frontfremdheit" oder gar im Gegensatz zur Front, wo in einem mißbrauchten Idealismus gelitten und gestorben wurde, gehandelt, sondern sie haben vielmehr die Tat und den Umsturz in tiefer Verbundenheit mit der aussichtslos kämpfenden Front und im Mitgefühl mit dem eigenen Volke und aus sittlichem Verantwortungsbewußtsein vorbereitet.