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Stalin und die Machtergreifung Hitlers | APuZ 10/1964 | bpb.de

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APuZ 10/1964 Artikel 1 Rußland und die Bolschewisierung der deutschen Kommunisten Stalin und die Machtergreifung Hitlers Deutschland, Polen und die Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg

Stalin und die Machtergreifung Hitlers

Georg von Rauch

Am Nadimittag des 30. Januar 1933 herrschte, wie die englische Zeitschrift Survey nach einem Augenzeugenbericht wiedergibt in den Räumen der Prawda-Redaktion in Moskau eine erregte Stimmung. Die einen waren der Ansicht, Hindenburg werde niemals die deutsche Regierung einem Gefreiten anvertrauen, die anderen glaubten trotz alledem mit einer Kanzlerschaft Hitlers rechnen zu müssen. Als einer der Redakteure, W. G. Knorin, der mit dem Chefredakteur L. S. Mechlis befreundet war und als Mitglied des Zentralkomitees der KPdSU und Leiter der Mitteleuropa-Sektion der Komintern über sehr gute Verbindungen zu höchsten Parteistellen verfügte, den Raum betrat, machte er einen ruhigen und gesammelten Eindruck. Es sei kein Grund zur Panik, sagte er offensichtlich auf höhere Weisung, die deutsche Bourgeoisie werde niemals einen Teil ihrer Macht an Hitler abtreten, die Reichs-wehr werde eine nationalsozialistische Diktatur nicht dulden.

Am nächsten Morgen lagen die Nachrichten über die vollzogene Machtergreifung Hitlers vor. Hatte Stalin mit ihr gerechnet? Hatte er sie begünstigt? Haben seine Weisungen an die KPD mit dazu beigetragen, Hitler in den Sattel zu heben? „Stalin tat ab 1931 alles, um die Kampfkraft der KPD systematisch zu schwächen und auf diese Weise eine kommunistische Revolution zu verhindern", schreibt Margarete Buber-Neumann in ihren Aufzeichnungen und Botschaftsrat Gustav Hilger berichtet in seinen Erinnerungen, Außenkommissar Litwinow habe ihm gegenüber nach dem 30. Januar geäußert: „Was geht es uns an, wenn ihr eure Kommunisten erschießt?“

Es ist bekannt, daß von den fünfzig führenden deutschen Kommunisten der Weimarer Republik zweiundzwanzig eines gewaltsamen Todes gestorben sind; von diesen zweiundzwanzig fielen sieben dem Naziterror zum Opfer, elf der „Tschistka" Stalins Aus diesen statistischen Angaben ergibt sich freilich noch keine Interessengemeinschaft zwischen Stalin und Hitler; aber es geht um mehr als um die Frage nach dem Schicksal der deutschen Kommunisten, es geht um das Schicksal Deutschlands im Krisenjahr 1932 und um die Funktion der deutsch-sowjetischen Beziehungen am Vorabend der Machtergreifung Hitlers.

Wenn wir aus der Teilrevision des sowjetischen Geschichtsbildes der Stalinzeit Aufschluß für diese Zusammenhänge erwarten, werden wir enttäuscht. Man weiß, es sind Vorwürfe laut geworden, die Stalins Deutschland-politik im Jahr 1941, am Vorabend des deutschen Überfalls, betreffen Seine Deutschlandpolitik im Jahr 1932 ist bisher nicht kritisiert worden; die Rehabilitierung Hans Kippenbergers, des Leiters des Militärapparates der KPD vor 1933, ist ein zu mageres Symptom, um von einer Revision zu sprechen Betrachten wir zunächst die Entwicklung des Verhältnisses nach 1918.deutsch-sowjetischen An ihm läßt sich, genauso wie bei anderen bilateralen Beziehungen mit Moskau, die Zweigleisigkeit der sowjetischen Außenpolitik deutlich erkennen. Hatte 1922 der Vertrag von Rapallo die staatlich-politischen Beziehungen normalisiert, die wirtschaftlichen Beziehungen und den diplomatischen Verkehr anlaufen lassen, so scheute sich Moskau schon ein knappes Jahr darauf nicht, die chaotischen Zustände, die sich aus dem Ruhrkampf von 1923 ergaben, für seine Zwecke zu nutzen: In der ersten Hälfte des Jahres unter führender Beteiligung Karl Radeks im Zeichen eines nationalistischen Widerstandskurses, in der zweiten Hälfte — im Namen Sinowjews und Trotzkis und im Zeichen eines revolutionären Umsturzes, eines „deutschen Oktobers“, der von Sachsen-Thüringen aus seinen Anfang nehmen sollte Es ist bekannt, daß der kommunistische Umsturzplan scheiterte: Nicht nur dank der Entschlossenheit der Reichsregierung und des Reichspräsidenten Ebert, sich der Reichswehr als eines Instruments der demokratischen Ordnung zu bedienen, sondern auch dank der Besonnenheit der Mehrheit der deutschen Arbeiterschaft, die sich — wie in der entscheidenden Versammlung in Chemnitz — den Moskauer Parolen versagte.

Nach 1923 liefen die deutsch-sowjetischen Beziehungen wieder in ruhigeren Bahnen; der Berliner Vertrag von 1926 nahm die Linie von Rapallo wieder auf und die Außenpolitik schien zwischen West und Ost ausbalanciert, während die inneren Verhältnisse sich mehr oder weniger normalisierten. Im Schatten des sowjetischen Machtkampfes war dem deutschen Kommunismus ein gewisser Spielraum gegeben, seine wechselnden Rivalitäten linker und rechter Flügel auszufechten und sich in Grüppchen und Fraktionen zu zersplittern. Dann zog die Weltwirtschaftskrise auf und ließ die Zahl der deutschen Arbeitslosen auf sechs Millionen hinaufschwellen. Mit ca. zwei weiteren Millionen nichtangemeldeter Erwerbsloser lebte ein Drittel der deutschen Gesamtbevölkerung von unzulänglichen Unterstützungen, während viele noch unter den Folgen der Inflation litten. Sah das nicht nach einer Bestätigung der kommunistischen Verelendungstheorie aus? Die Zahlen der Wahlstimmen der KPD, die sich wieder fester organisierte, schnellten von einer Reichstagswahl zur anderen empor: die Abgeordnetensitze kletterten von 54 (1928) auf 77 (1930) hinauf, um 1932 im Juli 89 und im November 100 zu erreichen. Bei den Reichspräsidentenwahlen im März 1932 erhielt Ernst Thälmann fünf Millionen Stimmen, nicht nur die klassenbewußter Proletarier, sondern auch vieler verzweifelter, unorganisierter Erwerbsloser. Aber wenn 1932 tatsächlich der Eindruck einer revolutionären Situation entstand, so brauchten keineswegs die Kommunisten die Nutznießer zu sein. Auch der NSDAP war seit 1930 der Einbruch in die Massen des verarmten Mittelstandes, des Kleinbürgertums und der Bauern gelungen; im Juli 1932 erhöhte sich die Zahl ihrer Reichstagsmandate von 105 auf 230.

Hier setzt die Frage nach der Reaktion Moskaus auf diese Veränderung der deutschen Verhältnisse ein. Unter den verschiedenen Maßnahmen, die man ergreifen konnte, lag die Begünstigung einer Einheitsfront der Arbeiterbewegung zur Abwendung einer Machtergreifung Hitlers am nächsten.

Obwohl noch immer mit einer Reihe von verschiedenen Faktoren des Weltkommunismus gerechnet werden konnte, liefen die Entscheidungen zu der Zeit doch letzten Endes schon im Kreml bei Stalin zusammen, der nach der Ausschaltung von Links-und Rechtsopposition Parteiführung, Sowjetregierung und Kommunistische Internationale repräsentierte. Stalin hatte 1923, wie aus seinem Brief zur deutschen Frage an Sinowjew und Bucharin vom Juli/August hervorgeht, vor einer revolutionären Aktion in Deutschland gewarnt Einige Jahre lang hatte sich die KPD einer gewissen Selbständigkeit erfreuen können, nach den Rechten waren die Linken zum Zuge gelangt. Dann griff, etwa seit 1926, Stalin auch hier zu, um seinen Favoriten Ernst Thälmann nach vorn zu schieben.

Mit der Niederwerfung der sogenannten rechten Opposition in der Sowjetunion im Jahre 1929 steuerte der Kreml einen harten, ultralinken Kurs gegen jede Zusammenarbeit nicht nur mit den verschiedenen kommunistischen Splittergruppen, sondern auch mit den demokratischen Sozialisten, die als „Sozialfaschisten''geschmäht wurden. Auch in Deutschland, wo noch im Sommer 1923 Koalitionen mit der SPD angestrebt und zum Teil, wie in Sachsen und Thüringen, auch erreicht wurden, wird die SPD nach den blutigen Zusammenstößen in Berlin im Mai 1929 zum Hauptfeind, zur „Partei des Arbeiterverrats und Arbeitermordes", wie der XII. Parteitag der KPD formulierte Auf dem 11. Plenum des EKKI (Exekutivkomitee der Kommunistischen Internationale) im März/April 1931 sagte Dimitrij S. Manuilskij, der schon 1924 und 1928 den Auftrag gehabt hatte, sich in Berlin um die Einordnung der KPD auf die Generallinie Moskaus zu bemühen und nach dem Ausscheiden Bucharins zwar nicht sein Nachfolger als Vorsitzender, aber der maßgebendste Funktionär der Komintern geworden war es sei nicht wahr, wenn die SPD behaupte, der Hauptfeind des Arbeitertums sei der Faschismus; damit betrüge sie nur die Massen Die SPD sei, heißt es weiter in den Resolutionen des Plenums, die „aktivste deutsche Partei bei der Vorbereitung eines Angriffs auf die Sowjetunion": eine Kennzeichnung, die daraus resultierte, daß man hinter jeder Zusammenarbeit zwischen Deutschland und den Westmächten eine aggressive Haltung gegen die Sowjetunion erblickte und die SPD in der Tat die Notwendigkeit einer Verständigungspolitik gegenüber den Siegermächten von Versailles betonte Im November desselben Jahres definierte Knorin: „Man kann gegen den Faschismus nur kämpfen, indem man einen Vernichtungskampf gegen die SPD, gegen die Sozialdemokratie, führt."

Auch Ernst Thälmann hatte sich, wie zu erwarten war, auf diese Linie festgelegt. Er stellte in seinen Reden die These vom „Sozialfaschismus als Waffenträger der faschistischen Diktatur" heraus und wetterte aufs schärfste gegen die sogenannten „Versöhnler", die die „faschistischen Tendenzen innerhalb der Sozialdemokratie leugneten". Die Auseinandersetzung mit der Sozialdemokratie sollte sich, so verlangte er 1930, nicht am Verhandlungstisch, sondern in Massenaktionen abspielen Das war die Taktik der „Einheitsfront von unten". Am 19. Februar 1932 sprach er von einer weitgehenden gegenseitigen Annäherung zwischen der SPD und NSDAP „auf der Linie der Faschisierung"; den Hauptstoß müsse die kommunistische Strategie aber gegen die Sozialdemokratie richten Herbert Wehner berichtet in seinen ungedruckten Erinnerungen, ein von Knorin 1932 eingetroffenes Telegramm vom EKKI-Sekretariat, von dem die Parteiöffentlichkeit und die Funktionäre bis auf eine verschwindend kleine Zahl bekamen, im Politbüro nichts zu wissen habe die Verschärfung des Kampfes gegenüber der Sozialdemokratie ausdrücklich verlangt

Gelegentlich der erwähnten Plenarsitzung des EKKI war Heinz Neumann von Stalin empfangen worden. Neumann hatte in den letzten Jahren eine wachsende Rolle in der KPD zu spielen begonnen und gehört mit Thälmann und Remmele zu der Troika, in deren Hand die Führung der Partei lag. Stalin wußte beide, sowohl den ihm ergebenen unkomplizierten Thälmann als auch den auf seine persönliche Karriere bedachten, unruhigen Neumann für seine Zwecke zu verwenden, häufig, indem er sie gegeneinander ausspielte. Neumanns Vorzug war seine gute Beherrschung des Russischen.

Im Verhalten gegenüber der wachsenden Macht des Nationalsozialismus ließ er sich von der bis dahin in der KPD mehr oder weniger unangefochtenen Kampfformel „Schlagt die Faschisten, wo ihr sie trefft!" leiten. Jetzt wurde Neumann von Stalin zur Rede gestellt wegen seiner „links-sektierischen Massen-politik", nicht zum mindesten wegen des von ihm kurz zuvor befürworteten Zusammengehens mit der SPD in Thüringen, wo gemeinsam ein Mißtrauensvotum gegen den nationalsozialistischen Innenminister Frick eingebracht worden war. Ende des Jahres hatte Stalin wieder ein Gespräch mit Neumann. Neumann versuchte, seine Politik mit der zunehmenden Bedrohung durch den Nationalsozialismus zu rechtfertigen. Hier unterbrach ihn Stalin mit den Worten: „Glauben Sie nicht auch, daß, falls in Deutschlands die Nationalsozialisten zur Macht kommen, sie so ausschließlich mit dem Westen beschäftigt sein würden, daß wir in Ruhe den Sozialismus aufbauen können?“

Wenn diese Worte authentisch wiedergegeben sind — Margarete Buber-Neumann will sie von ihrem Mann gleich nach seiner Rückkehr aus Moskau so gehört haben werfen —, sie ein deutliches Licht auf Stalins Betrachtung der Weltlage, die in gewisser Weise die Situation von 1939 bei Ausbruch des zweiten Weltkrieges vorwegnahm. Hitlers Machtergreifung erschien für Moskau als die beste Garantie gegen eine gemeinsame Aktion des Westens und Deutschlands gegen die Sowjetunion, das Schreckgespenst, das sich beim Eintritt Deutschlands in den Völkerbund drohend erhoben hatte und durch einen besonderen Sanktionsparagraphen gekannt werden mußte.

Daß das Zentralkomitee der KPD Ende 1931 Anweisungen vom EKKI aus Moskau erhielt, von seiner „terroristischen Linie" abzugehen, geht auch aus dokumentarischen Unterlagen des Berliner Polizeipräsidiums hervor. Als Grund wird hier die Verschärfung der außenpolitischen Lage in Fernost angegeben Im Januar 1932 erstattete das Zentralkomitee der KPD, vertreten durch Thälmann, Remmele und Pieck, dem Präsidium des EKKI in Moskau Bericht über die Lage in Deutschland. Hierbei gab sich Manuilskij ausgesprochen optimistisch: Der Nationalsozialismus sei eine Art Vorspann für die proletarische Diktatur, da er die SPD und die Gewerkschaften zertrümmern werde; die Masse der Arbeiter werde sich dann der Führung der KPD anvertrauen. Remmele stimmte ihm zu: Man müsse mit der Tatsache rechnen, daß die Macht in die Hände des „offenen" Faschismus übergehe, womit die NSDAP im Gegensatz zu dem ebenfallsmit dem Ausdruck faschistisch gekennzeichneten Regierungssystem der Gegenwart gemeint war. Es sei daher, fügte er hinzu, notwendig, im Augenblick „Gewehr bei Fuß" zu stehen

Seit dem letzten Gespräch mit Stalin sank Neumanns Stern; er wurde im Frühjahr 1932 seiner Funktion enthoben und im Oktober des Jahres auf der III. Parteikonferenz der KPD aus der Parteiführung wegen der „zersetzenden Tätigkeit" seiner Gruppe entfernt. Ihm wurde vorgeworfen, den Faschismus unterschätzt und bei Abschwächung des prinzipiellen Kampfes gegen die SPD-Führung die zentrale Bedeutung der „Einheitsfronttaktik von unten“ übersehen zu haben

Wenn Neumann vorgeworfen wurde, den Nationalsozialismus unterschätzt zu haben, so kann für den rückblickenden Betrachter dieser Vorwurf Thälmann ebensogut treffen: auch er hatte am 19. Februar 1932 vor einer „Überschätzung des Hitlerfaschismus" gewarnt Der Nationalsozialismus ist unterschätzt worden, nicht nur von Neumann auf dem einen und von Thälmann auf dem anderen Flügel, sondern auch in Moskau. Von Wilhelm Pieck war freilich kein Eingeständnis dieses Fehlers zu erwarten — ebensowenig wie eine objektive Kennzeichnung der verschiedenen Meinungen innerhalb der KPD —, wenn er 1953 rückblickend feststellte: „Die deutschen Kommunisten wären im Jahr 1932 weit lieber gegen die Nationalsozialisten als gegen die SPD aufgetreten", aber der Geist der KPD-Führung sei zu der Zeit sektiererisch gewesen Was heißt hier sektiererisch? Die scharfen Kampf-parolen gegen die SPD kamen aus Moskau; hier war der Kurs gegen die „Sozialfaschisten" schon seit Jahren festgelegt. Wenn die deutschen Kommunisten lieber gegen die Nationalsozialisten als gegen die Sozialdemokraten aufgetreten wären, so hätten sie sich gegen Moskau auflehnen müssen. Aber wollten sie denn das überhaupt?

So verpönt die Taktik einer „Einheitsfront von oben" war, so ist es ungeachtet der von Thälmann ausgegebenen Richtlinien doch mehrfach zu einer Fühlungnahme zwischen den Partei-führungen gekommen. Im November 1931 haben Gespräche zwischen KPD-Führern und dem Sozialdemokraten R. Breitscheid stattgefunden. Am 9. Juli 1932 gelang es, 20 sozialdemokratische Funktionäre zu einer Aussprache mit Vertretern des kommunistischen Zentralkomitees zu versammeln und eine Diskussion über die Frage: „Wie schaffen wir die rote Einheitsfront?" abzuhalten Zur selben Zeit ist es auf Vorschlag der kommunistischen Bezirks-leitung Berlin-Brandenburg zu gemeinsamen Demonstrationen mit Sozialdemokraten gekommen. Schließlich könnte auch auf Unterredungen des Reichsbannerführers Holtermann mit Willy Münzenberg wegen gemeinsamer Schutzmaßnahmen hingewiesen werden 24).

Im Anschluß an den Staatsstreich des Reichskanzlers von Papen gegen die preußische Regierung am 20. Juli 1932 trat die KPD an die SPD-Führung mit der Aufforderung heran, gemeinsam den Generalstreik zu proklamieren. Diese lehnte freilich im Einklang mit den Gewerkschaften den Vorschlag ab. Man tat es im Vertrauen auf die Reichstagswahlen vom 31. Juli, die allerdings keineswegs den gewünschten Erfolg, sondern eine Verdoppelung der Stimmenzahl der NSDAP brachte. Der allein von der KPD ausgehende Appell zum Generalstreik stieß unter diesen Umständen auf schwachen Widerhall. Die mangelnde Bereitschaft der sozialdemokratischen Führung, auf den Appell zum Generalstreik einzugehen, hatte allerdings noch andere Gründe. Wenn es hier und dort zu einer Fühlungnahme „von oben" kam, so lief parallel dazu die kommunistische Agitation in den Massen mit ihrer ausgeprägten Spitze gegen die SPD-Führung auf vollen Touren; sie ging darauf aus, die Arbeiterschaft gegen die SPD-Führung aufzuwiegeln.

Unter diesen Umständen Juli, die allerdings keineswegs den gewünschten Erfolg, sondern eine Verdoppelung der Stimmenzahl der NSDAP brachte. Der allein von der KPD ausgehende Appell zum Generalstreik stieß unter diesen Umständen auf schwachen Widerhall. Die mangelnde Bereitschaft der sozialdemokratischen Führung, auf den Appell zum Generalstreik einzugehen, hatte allerdings noch andere Gründe. Wenn es hier und dort zu einer Fühlungnahme „von oben" kam, so lief parallel dazu die kommunistische Agitation in den Massen mit ihrer ausgeprägten Spitze gegen die SPD-Führung auf vollen Touren; sie ging darauf aus, die Arbeiterschaft gegen die SPD-Führung aufzuwiegeln.

Unter diesen Umständen mußte ein Zusammengehen mit der KPD höchst fragwürdig erscheinen. Und man war überzeugt, daß die Preis-gabe der Verbindung zu den demokratischen Mittelstandsparteien der Weimarer Koalition Hitler den Vormarsch zur Macht nur erleichtern würde 25). Wenn eine in Moskau 1935 herausgegebene Materialiensammlung lapidarisch formuliert: „Die Sozialdemokratie tat auch weiterhin alles, um die Bildung der Einheitsfront zu verhindern" 26), und eine neuere geschichtliche Darstellung davon spricht, die KPD sei 1932 energisch für eine Einheitsfront eingetreten und habe versucht, eine antifaschistische Massenbewegung aufzuziehen 27), so wird hier wie dort durch den Verzicht auf eine notwendige Differenzierung des Begriffs Einheitsfront die Wahrheit vernebelt und im besten Falle nur eine Teilwahrheit geboten. Bei einer derartigen Sicht der Dinge darf dann auch die Formulierung nicht verwundern, der Widerstand der SPD und des ADGB gegen eine Einheitsfront — auch hier ohne jede nähere Kennzeichnung! — sei die Ursache für die Machtergreifung des Nationalsozialismus gewesen 28)! Innerhalb der SPD-Führung wird man gewußt haben, woher die maßgebenden Direktiven kamen. So ist es zu verstehen, wenn Friedrich Stampfer vom „Vorwärts" sich im Herbst des Jahres an den sowjetischen Bot-sciafter in Berlin, L. M. Chintschuk, wandte, um mit ihm die Situation zu klären. Aber auch diese Gespräche blieben ohne Ergebnis und wurden im Januar 1933 abgebrochen 29).

Die Kehrseite dieses Verhaltens war die Fehleinschätzung der NSDAP. In den zwanziger Jahren hatte man Hitlers Bewegung in Moskau nicht ernst genommen. Stärkere Beachtung findet sie erst seit den Reichstagswahlen 1930.

Auf der schon erwähnten Plenarsitzung des EKKI im März/April 1931 wurde die NSDAP als eine „kleinbürgerliche Bewegung im Dienste der deutschen Bourgeoisie“ bezeichnet 30). Aber schon jetzt sah Stalin das Militär als die eigentlich entscheidende Kraft in Deutschland an; er hat auch im Hinblick auf die Machtergreifung Hitlers gemeint, die Wehrmacht werde den maßgebenden Faktor darstellen. Von der Wehrmacht versprach er sich das Fortwirken der traditionellen Rußlandfreundschaft auf der Linie der von Seeckt eingeleiteten Zusammenarbeit 31).

Eine eigentümliche Beachtung scheint Stalin im Rahmen dieser Konzeption General Schleicher geschenkt zu haben. Der Berliner Botschafter Chintschuk lenkte Stalins Aufmerksamkeit auf ihn: er und die Reichswehr hätten den Schlüssel zur Macht in der Hand. Ein so kenntnisreicher Beobachter der Hintergründe der bolschewistischen Politik wie Boris Nikolajewskij verzeichnet sogar das Gerücht, Stalin habe Kontakte zu Schleicher ausgenommen und ihm geraten, mit Hitler zusammenzuarbeiten:

Hitler sei ein talentierter Agitator und könne nützlich sein Auf derselben Linie würde Stalins Kennzeichnung Hitlers als „eines Mordskerls" liegen, die 1932 im Beisein von Heinz Neumann gefallen sein soll

Wenn Hitler demnach einerseits als Exponent deutscher militärischer Kreise begriffen wurde, so billigte man der NSDAP auf der anderen Seite auch nicht mehr als einen Funktionswert zu, wenn man in ihr nach den Worten von Manuilskij bloß einen „Vorspann der Diktatur des Proletariats" erblickte, der dem Kommunismus den Dienst erweisen würde, die SPD und die Gewerkschaften zu zertrümmern. Hier zeigten sich deutlich die Grenzen des doktri-nären Schematismus der kommunistischen Mentalität; im Rahmen des herkömmlichen dualistisch-manichäischen Freund-Feind-Schemas war die Erkenntnisschärfe für das Aufkommen neuer gesellschaftlicher Phänomene getrübt. Wenn in den dreißiger Jahren im kommunistischen Lager jemand die wirkliche Gefahr des Nationalsozialismus erkannte, dann war es nicht Stalin, sondern Trotzkij, der große Abtrünnige. Er forderte, wie die Biographie von Isaak Deutscher nachweist, von 1930 an unablässig die Einheitsfront zwischen SPD und KPD und schlug Alarm in zahlreichen Artikeln der Presse

In diesem Zusammenhang sei auf einen zeitgenössischen Bericht hingewiesen, der mit der der Tagespresse gegenüber notwendigen Vorsicht benutzt werden muß. Auch wenn er im einzelnen an Präzision zu wünschen übrig läßt, entstammt er doch einem Organ, das sowohl um gute Informationsquellen bemüht war, als auch durch die Person seines Herausgebers frei vom Verdacht bloßer Sensationsmacherei sein dürfte. Es handelt sich um die in München von Dr. Fritz Gerlich herausgegebene Wochenzeitung »Der gerade Weg". Gerlich lehnte nicht nur den Kommunismus ab, sondern war zugleich auch einer der unerschrockensten publizistischen Gegner Hitlers; am 24. Juli 1932 forderte er die Absetzung Hindenburgs durch Volksentscheid, weil der Reichspräsident ihm keine Garantie für die Erhaltung der Demokratie mehr darzustellen schien, worauf sein Blatt zeitweise verboten wurde. Im Juli 1934 ist Gerlich im Zusammenhang mit der Aktion gegen Röhm und Schleicher ermordet worden.

Gerlich veröffentlichte am 24. Januar 1932 einen Bericht aus Moskau von einer Plenarsitzung des EKKI, die er irrtümlicherweise auf den Dezember 1931 datiert. In der Auseinandersetzung mit Thälmann habe Manuilskij die Meinung vertreten, der Hauptfeind der KPD sei nicht Hitler, aber auch nicht die SPD als solche, sondern die Front Brüning-Severing-Hindenburg. „Hitler lassen wir seinen Weg gehen und nutzen alles aus, was uns sein Sieg über den bürgerlichen Staatsapparat geben wird. Hitler wird den sozialdemokratischen Polizeiapparat zertrümmern.“ Er spiele die Rolle des General Kornilows im Rußland des Jahres 1917 „In dem gegenwärtigen Abschnitt der Entwicklung der deutschen Revolution ist Hitler der unzweifelhafteste, wenn auch unbewußte Bundesgenosse der kommunistischen Weltrevolutionsbestrebungen.“

In Gerlichs Bericht mögen sich sowohl Informamationen über das 11. Plenum vom Frühjahr 1931 als auch neueste Meldungen über den schon stattgefundenen Besuch des Zentralkomitees der KPD in Moskau, von dem oben die Rede war, widerspiegeln. Das Thema der Bundesgenossenschaft mit dem Faschismus hat übrigens Manuilskij tatsächlich etwas später, auf dem 12. Plenum im September 1932, angeschlagen — allerdings in einem anderen Sinne. Er stellte die „Bundesgenossenschaft" als Konsequenz opportunistischer Ansichten in der KPD dar, daß die Massenstreikbewegung keinen Sinn habe. Dann bliebe nichts anderes übrig, als sich auf den Krieg und auf den Faschismus als Bundesgenossen (kak sojuznikov) zu orientieren!“ Derartige schädliche Ansichten, sagte er, müßten überwunden werden In praxi führte aber die Schärfe, mit der auch Manuilskij die SPD in dieser Rede attackierte, zu einem Zustand, den Ruth Fischer meint, wenn sie am Ende ihres Rückblicks auf die Jahre vor 1933 schreibt: „Das Anti-Nazi-Lager war ... mitten durchgespalten, gespalten durch die von Stalin geschmiedete Axt, die Axt, die die Bezeichnung Sozialfaschimus trug, wodurch die kommunistische Hälfte des Anti-Nazi-Lagers zu einem getarnten Bundesgenossen Hitlers wurde.“

Im übrigen liefert auch die kommunistische Presse des Jahres 1932 eine Fülle von Belegen für die Schärfe der Kampfstellung des „linken Kurses“ gegen die Sozialdemokratie, aber auch für die agitatorische Verwischung der Unterschiede und Gegensätze zwischen ihr, den deutschnationalen Kreisen und der NSDAP. So heißt es z. B. in der Internationalen Presse-korrespondenz (Inprekorr), dem offiziellen Organ der Komintern, am 28. Januar 1932: Der Hauptangriff der revolutionären Politik müsse gegen die wichtigste soziale Festung der Bourgeoisie, die Sozialdemokratie, gerichtet werden; die Mehrheit des Proletariats könne nur nach Vernichtung der Sozialdemokratischen Partei für den Kommunismus gewonnen werden. Zwischen Karl Severing, Hindenburg und Hitler könne kein Unterschied gesehen werden. Und im April führte W. G. Knorin in der Inprekorr aus, die Sozialdemokratie halte die Arbeiter vom Kampf gegen die Bourgeoisie zurück. Sie helfe der Bourgeoisie und sei deshalb der Hauptgegner der arbeitenden Klasse. „Bevor sie nicht endgültig zerschlagen ist, kann die Bourgeoisie nicht gestürztwerden.“ Hinterher war es für Manuilskij nicht schwer, zu behaupten die SPD hätte schon 1928, als sie noch ein maßgebendes Gewicht in der Reichsregierung hatte, die Führer der NSDAP verhaften lassen sollen; auch in der preußischen Regierung, die sie bis zum 20. Juli in der Hand hatte, sei sie nicht energisch genug gegen die Faschisten vorgegangen. Die KPD dagegen habe 1932 nichts tun können, da eine echte revolutionäre Situation nicht bestand!

Hand in Hand mit der Agitation gegen die Sozialdemokratie gingen Versuche, die kommunistische Leserschaft über die NSDAP aufzuklären. Hierbei rächte sich freilich die schon seit jeher übliche Terminologie, unter Vermeidung des Ausdrucks „Nationalsozialismus“ immer nur allgemein vom „Faschismus" zu sprechen und diesen zudem nicht genügend zu differenzieren. Auf diese Weise mußte jede Aufklärung letzten Endes zu einer Vernebelung gegenüber den tatsächlichen Realitäten des politischen und Parteilebens führen. Wie schon die Verwendung der Vokabel „Sozialfaschismus" dazu beitrug, die Grenzen des Begriffs „Faschismus" zu verwischen, so hat die Kennzeichnung der Präsidialdemokratie der Ära Brünings und Papens als „faschistische Diktatur" ebenfalls dazu beigetragen, die

Wachsamkeit gegenüber einer Machtergreifung Hitlers zu schwächen.

„Die Herrschaft der Regierung Papen — Schleicher in Deutschland, die mit Hilfe der Reichswehr, des Stahlhelms und der Nationalsozialisten errichtet wurde, für die die Sozialdemokratie und das Zentrum den Weg gebahnt haben, stellt eine Form der faschistischen Diktatur dar": So hieß es in der Resolution der III. Parteikonferenz der KPD im Oktober 1932 Und genauso formulierte die Prawda am 11. Oktober in ihrem Leitartikel: „Die heutige Regierung in Deutschland stellt eine der Formen der faschistischen Diktatur dar. Trotz alledem hat die Begründung der faschistischen Diktatur keine Verstärkung, sondern eine Schwächung der deutschen Bourgeoisie zur Folge.“ Und am 31. Oktober hieß es hier: Die Sozialdemokraten legten den Weg für eine weitere Faschisierung Deutschlands ...frei, indem sie die Tatsache einer faschistischen Diktatur in Gestalt der Regierung Papens leugnen ... Der Nationalsozialismus sei zwar die stärkste Massenbewegung des Faschismus, doch nur ein Teil der faschistischen Front. „Die faschistische Diktatur ist nicht nur die Machtergreifung Hitlers, wie das die Sozialdemokraten behaupten." Es ist ersichtlich, daß bei einer derartigen Betrachtung die jenseits des bestehenden Regimes lauernde Gefahr des Nationalsozialismus gar nicht in ihrem vollen Gewicht erkannt werden konnte. Es steht in keinem grundsätzlichen Widerspruch zu diesen Parolen, wenn die deutsche kommunistische Presse, insbesondere die „Rote Fahne", noch zu Beginn des Jahres 1932 sich eines überaus forschen und optimistischen Tones befleißigte und immer wieder politische Massenstreiks und außerparlamentarische Massenaktionen verlangte, oder wenn der Moskauer „Bolschewik" noch am 31. Juli 1932 feststellte, die KPD befinde sich am Vorabend der Eroberung der Macht Man kann hierin ein typisches Beispiel für das kommunistische „Zwiedenken“ erkennen. Bei aller Ermunterung, die der KPD noch bis in den Herbst 1932 hinein, ja sogar noch über denJanuar 1933 hinaus, zuteil wurde, wird die Öffentlichkeit gleichzeitig schon auf die Möglichkeit eines vollen Durchbruchs des „Faschismus“ hingewiesen, ohne daß aus dieser Berichterstattung deutlich werden konnte, welche grundlegend neuen und andersartigen Kräfte mit Hitler zur Macht gelangten

Wenn auf der einen Seite eine proletarische Einheitsfront gegen Hitler durch eine derartige Auslegung der Situation unmöglich gemacht wurde, so schimmert auf der anderen Seite immer wieder in unmißverständlicher Weise eine gewisse makabre Affinität zwischen Rechts-und Linksradikalismus durch. Zu Berührungen beider Extreme ist es in der Weimarer Zeit zweimal gekommen: zunächst während des Ruhrkampfes Anfang 1923 im soge-nannten Schlageter-Kurs Radeks und danach zu Beginn der dreißiger Jahre, eingeleitet durch gemeinsame Obstruktionen im Reichstag anläßlich des Kampfes um den Young-Plan, als sich extreme Linke und extreme Rechte einig waren in der Ablehnung der Erfüllungspolitik und jeder Annäherung Deutschlands an die Westmächte. Der ganze zwielichtige Komplex der „linken Leute von rechts“ gehört hinzu; wenn Ernst Niekisch und der „Widerstandskreis", der Lenin verherrlichte und mit Cäsar verglich, eine deutsch-russische Schicksalsgemeinschaft gegen die „brüchige abendländische Welt" propagierte, wenn der „Tatkreis“ in seltsamer Weise mit deutsch-bolschewistischen Gemeinsamkeiten kokettierte und wenn der „Völkische Beobachter“ 1928 lobende Worte für Stalin fand und ihn einen „mutigen Diktator“ nannte — so entspricht dem ein Angebot der kommunistischen „Welt am Abend“ an Goebbels und Otto Strasser, in einer Sondernummer einen Beitrag zu veröffentlichen

Im Juli 1931 sagte die KPD ihren Wählern an, für das Plebiszit der NSDAP und der Deutschnationalen vom kommenden August gegen die preußische Regierung zu stimmen Bedenken des Zentralkomitees gegen diese Frontenbildung wurden von Heinz Neumann, zweifellos im Einvernehmen mit dem EKKI, mit dem vielsagenden Hinweis zerstreut, Hitler könne sehr wohl als „Eisbrecher der Revolution'fungieren Bei diesem Volksentscheid konnten immerhin zweieinhalb bis drei Millionen kommunistische Stimmen gezählt werden

Und so fehlt es auch 1932 nicht an derartigen gemeinsamen Aktionen. Uber Heinz Neumanns Unterredung mit Stalin hat seine Frau in ihren Erinnerungen berichtet; was sie verschweigt, ist, daß Neumanns Taktik gegenüber dem Nationalsozialismus sich keineswegs mit der simplen, oben zitierten aggressiven Parole erschöpfte. Neumann glaubte, wie O. K. Flechtheim sich ausdrückt, den Nationalsozialismus nicht nur mit der Peitsche, sondern auch mit Zuckerbrot bändigen zu können, das heißt, er versuchte schon vor 1930, durch Verwendung einer nationalistischen Phraseologie in die Reihen der NSDAP einzubrechen bzw. sie zu manipulieren Es fragt sich, ob das nach 1930 noch möglich war; hieraus ergibt sich eine gewisse Berechtigung für den offiziellen Vorwurf der KPD gegen ihn, er habe die NSDAP — auf seine Weise — unterschätzt. Aber auch die offizielle KPD-Führung, der Neumann ab Oktober 1932 nicht mehr angehörte, hat zu Ausgang des Jahres Interesse an einer gemeinsamen Aktion mit der NSDAP gezeigt. Der Berliner Verkehrsarbeiterstreik im November 1932 kam durch Zusammenarbeit zwischen der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) und der Nationalsozialistischen Betriebszellen-Organisation (NSBO) zustande, und zwar gegen den Wunsch der sozialdemokratischen Gewerkschaftsleitung des ADGB. Man kann in dieser Aktion das Resultat der auf dem 12. Plenum des EKKI im September 1932 beschlossenen endgültigen Absage an die „terroristische Parole“ von einst erkennen. Was man bezweckte, war ein Einbruch in die von der NSDAP beherrschten Massen, um die „antikapitalistischen Elemente“ anzusprechen.. Es war eine Einheitsfront von unten angestrebt worden, die von der Arbeiterschaft freilich als unnatürlich empfunden wurde. Ein Erfolg wurde nicht erzielt. Nach fünf Tagen bereits mußte der Streik abgebrochen werden

Im Grunde hatte der Staatsstreich Papens gegen die preußische Regierung am 20. Juli bereits die Wende dargestellt, von der an die KPD auf verlorenem Posten stand. Die damals ausgegebenen Generalstreikparolen hatten, wie dargelegt wurde, ebensowenig Resonanz in der Bevölkerung gefunden wie die von Hans Kippenberger als Leiter des militärischen Apparats in Form von Waffenbeschaffung, Zersetzungsagitation in Polizei und Reichswehr und Organisation von Kampfgruppen forcierten Vorbereitungen für einen bewaffneten Aufstand. Das 12. Plenum des EKKI bestätigte im September 1932 die bisherige Linie des Kampfes gegen die Sozialdemokratie Daß die NSDAP in den Novemberwahlen einen leichten Rückschlag erlebte, wurde als Niederlage und entscheidende Wende gedeutet. Man glaubte darin eine Bestätigung früherer Beobachtungen zu erhalten, wie sie Radek am 2. August in der Iswestija und Manuilskij in einem Referat vor der Moskauer Parteiorganisation über das 12. Plenum des EKKI in den ersten Novembertagen bekanntgegeben hatten: der Nationalsozialismus befinde sich bereits im Stadium der Zerstörung I So ließ man in Moskau, während Deutschland die kurze Phase der Regierung Schleicher durchmachte, den Dingen ihren Lauf. Am Ende der weiteren Entwicklung stand der 30. Januar 1933. Es war ein schwacher Trost, wenn Radek am 15. Februar 1933 schrieb: „Eine Partei, die 6 Millionen Stimmen hat und aufs tiefste mit der Geschichte der deutschen Arbeiterklasse verbunden ist, kann nicht einfach vom Bilanzbogen der Geschichte abgesetzt werden!" Nun, Radeks Stern war schon längst im Sinken; die Bilanzen wurden von Stalin geführt, und in seinem Kontobuch stellte die KPD einen wesentlich 51 belangloseren Posten dar. Schon 1939 ist Franz Borkenau zu der Überzeugung gekommen, daß Stalin zwar Hitlers Triumph in Deutschland nicht herbeigesehnt habe, aber er habe ebenso auch nichts getan, um ihn zu verhindern George F. Kennan fügt, indem er diese Ansicht übernimmt, hinzu: „Niemand kann, glaube ich, Stalins Verantwortung für das Versagen der Weimarer Republik in ihrer dunkelsten Stunde ableugnen.“

Welche Motive veranlaßten Stalin, den Dingen in Deutschland ihren Lauf zu lassen und keinen Versuch zu machen, eine Machtergreifung Hitlers zu verhindern? Wir werden zwei Motivgruppen unterscheiden müssen: eine innerpolitische und eine außenpolitische.

Die Sowjetunion befand sich 1932 in einer schweren Krise. Stalin hatte im Zuge seines Machtkampfes zwischen 1924 und 1928 die Links-und anschließend die Rechtsopposition überrundet und auf diese Weise seine Position zu Beginn der dreißiger Jahre gefestigt. Dann stürzte er allerdings das Land durch die forcierte Zwangskollektivierung, durch die Vernichtung der Kulaken in eine schwere wirtschaftliche und soziale Krise, die zur zweiten großen Hungersnot der sowjetischen Ära führte und in ihren Konsequenzen zu einer politischen Vertrauenkrise ausartete. Diese spielte selbst in die höchsten Parteigremien hinein. Ende September 1932 wurde eine Denkschrift aus Parteikreisen, die Stalins Absetzung verlangte, im Plenum des Zentral-komitees verhandelt; in der Roten Armee war die Stimmung schlecht. Im November 1932 erfaßte die Unruhe bereits Stalins engeren Familienkreis und führte zum Selbstmord seiner Frau Nadeschda

Auf diesem Hintergründe mußten sich die Erwartungen auf einen Sieg des Kommunismus in Deutschland, auf ein „Sowjetdeutschland", für das sich vorzubereiten die „Kommunistische Internationale“ am 15. Dezember 1932 empfahl mit beklemmenden Vorstellungen von einer Verlagerung des Schwergewichts der kommunistischen Weltbewegung von Moskau nach Berlin verbinden. Lenin hatte 1918/19 mit einer derartigen Möglichkeit gerechnet, indem er sie mit durchaus 55 positiven Erwartungen für die allgemeine weltrevolutionäre Entwicklung verband. Stalin mußte eine derartige Konsequenz in der derzeitigen Phase der sowjetischen Entwicklung, die durch seine These vom „Sozialismus in einem Lande“ bestimmt wurde, perhorreszieren. Margarete Buber-Neumann hat es, wenn auch allzu pointiert, ausgesprochen: „Stalin dürfte ein sozialistisch-kommunistisches Deutschland gefürchtet haben. Da er annahm, daß die Kommunisten dann an die Macht kämen, fürchtete er, daß dann die Sektion der Komintern um der industriellen Stärke Deutschlands willen der sowjetrussischen Vormachtstellung gefährlich werden könnte.“

Man kann in der Tat davon ausgehen, daß die Sowjetunion in der Phase des Aufbaus des „Sozialismus in einem Lande“ dringend an einem Wirtschaftsaustausch mit Deutschland interessiert war. Dieser war in den Jahren nach 1926 in steigendem Maß intensiviert worden und hatte während der Weltwirtschaftskrise zwischen 1929 und 1932 eine weitere Ausweitung erfahren Ein Nachlassen deutscher Industrieimporte hätte eine empfindliche Einbuße für Stalins Industrialisierungsprogramm bedeutet. Mußte er nicht unter diesen Umständen an einer Erhaltung der deutschen wirtschaftlichen und politischen Stabilität interessiert sein und aus diesem Grunde das Experiment eines kommunistisch regierten Deutschlands fürchten

Die zweite Motivgruppe umfaßt außenpolitische Überlegungen. Seit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zu England im Jahr 1927, die erst 1929 wieder ausgenommen wurden, wurde in Moskau die Psychose einer erneuten Intervention, eines Überfalls der kapitalistischen Mächte auf die Sowjetunion lebendig. Da gleichzeitig am Ende der zwanziger Jahre in Fernost die japanische Aggression auf dem asiatischen Festlande einsetzte und zu Grenzkonflikten mit der Sowjetunion führte, verdichtete sich die Vorstellung einer Gefahr von außen zu der einer regelrechten Einkreisung von West und Ost. So realistisch derjapanische Expansionismus gesehenwerden mußte, so irreal war die Furcht vor gleichzeitigen feindlichen Aktionen seitens der Westmächte in Europa. Es gehörte aber seit jeher zu den charakteristischen Symptomen des sowjetischen Herrschaftssystems, daß man aus der Fiktion einer äußeren Bedrohung eine Rechtfertigung des terroristischen Regimes im Innern ableitete.

Bereits auf dem XVI. Parteikongreß der KPdSU im Juni 1930 hatte Stalin in seinem Rechenschaftsbericht ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Bourgeoisie einen Ausweg aus der Wirtschaftskrise einerseits durch Errichtung einer faschistischen Diktatur, andererseits durch die Entfesselung des Krieges suchen werde „Die Welt treibt in einen imperialistischen Weltkrieg ..., eine Neuverteilung der Welt steht vor der Tür“, schrieb die Inprekorr am 10. März 1932 und am 27. August hieß es in der „Prawda“: „Wir befinden uns in einem Übergangsstadium zu einer neuen Kriegs-und Revolutionsepoche___ der Kapitalismus hat ein katastrophales Stadium erreicht, eine Phase heftiger Klassenkämpfe und Versuche, die Welt durch den Krieg neu zu verteilen.“ Am 6. Oktober 1932 wurden Japan und Frankreich als die wichtigsten Kriegshetzer bezeichnet und in der offiziellen Verlautbarung des 12. Plenums des EKKI hieß es: „Die imperialistischen Mächte und vor allem die Imperialisten Frankreichs und Japans scheuen keine Mühe, um den antisowjetischen Block zu erweitern und zu stärken, um dem Stützpunkt der proletarischen Weltrevolution, nämlich der UdSSR, einen entscheidenden militärischen Schlag zu versetzen ... Unter der Führung Frankreichs, Polens, Rumäniens und der baltischen Staaten werden direkte Vorbereitungen für eine Intervention gegen die UdSSR getroffen."

Mußte nicht unter diesen Umständen Hitler mit seiner Agitation gegen Versailles Stalin die bessere Garantie gegen eine gemeinsame Front Deutschlands mit dem Westen bieten als die Weimarer Republik? Konnte man nicht erwarten, daß eine von Hitler angestrebte Aufrüstung ein verstärktes Gewicht des Militärs in Deutschland nach sich ziehen würde, das, wie man zu wissen glaubte, schon immer Anhänger einer deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit gewesen war? Und mußte nicht Hitlers Machtergreifung zugleich die Chancen eines Konflikts mit England und Frankreich verstärken? Diese Konzeption spiegelt sich in sehr bezeichnender Weise in einem Gespräch, das Erich Wollenberg, ein führendes Mitglied der KPD 1932 in Moskau mit Stalin geführt hat. Die deutsche Frage, sagte Stalin, dürfe nicht allein aus der deutschen Innenpolitik beurteilt werden, sondern nur im Zusammenhang der internationalen Interessen der kommunistischen Bewegung. Auf Wollenbergs Einwand, Hitlers Machtergreifung könne den militärischen Angriff auf die Sowjetunion bedeuten, erwiderte Stalin hintergründig: ein Krieg sei ohnehin unvermeidlich! Als Wollen-berg darauf erwiderte, eine kommunistische Revolution in Deutschland könnte doch einen derartigen Krieg verhindern, habe Stalin die Unterhaltung abgebrochen

Es ist nicht daran zu zweifeln, daß Stalin Lenins These von der Unvermeidbarkeit von Kriegen zwischen der bürgerlichen und der sowjetischen Welt voll und ganz akzeptierte. Mit der veränderten Bedeutung, die jedoch die Sowjetunion im Rahmen der weltrevolutio-nären Erwartungen gewonnen hatte, und mit dem Aufkommen des Faschismus bekam auch die Frage nach der Unvermeidbarkeit von Kriegen einen anderen Akzent. Neben der Furcht vor dem imperialistischen Angriffskrieg gegen die Sowjetunion stand die Hoffnung auf einen kriegerischen Zusammenstoß innerhalb der bürgerlichen Welt. „Ein Krieg ist unvermeidlich" — konnte sich gerade auf die Erwartung beziehen, daß die Aktivität Hitlers im Sinne einer Revision des Versailler Vertrages nach Westen gelenkt würde und zu militärischen Auseinandersetzungen mit den Westmächten führte.

Wenn auf diese Weise sowohl die deutschen als auch die westlichen Kräfte absorbiert würden, so wäre im Ergebnis der Westen als Gesamtheit geschwächt. Diese Überlegungen standen freilich unter der Voraussetzung, Hitler selbst werde sich nicht lange halten können: wenn er nicht schon durch innere Schwierigkeiten, deren er nicht Herr würde, zu Fall kommen werde, so durch den im Westen entfesselten Krieg, Dann wäre der Weg freigelegt für den Kommunismus, in einigen Jahren, in denen die Sowjetunion sich so weit gefestigt haben würde, daß Moskau der Primat der Vorrangstellung nicht mehr streitig gemacht werden konnte.

Unsere Untersuchung ist am Ende angelangt. Es wären nur noch zwei Fragen zu klären. Wäre die von Moskau verhinderte Einheitsfront der Linken das wirksame Mittel zur Verhinderung der nationalsozialistischen Machtergreifung gewesen, und ferner: wie lange währte die Fehleinschätzung Hitlers, die noch am 30. Januar den Kurs des Kreml bestimmt hatte?

Die erste Frage ist keine müßige Spekulation. Sie ist von grundlegender Bedeutung für die Frage nach dem Sein oder Nichtsein der deutschen Demokratie; sie kann dazu beitragen, die Vielfalt der politischen Kräfte und Möglichkeiten, die das Jahr vor der Machtergreifung in sich barg, richtig einzuschätzen und gegeneinander abzuwägen. Um ihre Beantwortung haben sich in den letzten Jahren maßgebende Forschungen von Bracher, Matthias-Morsey, Bahne u. a. verdient gemacht Es ist nicht zu übersehen, daß jede Volksfront im eigentlichen Sinn dieses Schlagworts die Gefahr in sich barg, zu einer „sozialistischen Einheitsfront" in der Art der SED zu werden, die Gefahr, daß sich die kommunistischen als die radikaleren Kräfte durchsetzten, so daß statt einer braunen Diktatur eine rote die Konsequenz gewesen wäre. Zweifellos wäre ein ungefährlicheres Gegengewicht gegen Hitler eine breite demokratische Front auf der Grundlage der Weimarer Koalition gewesen. Diese war aber 1930 zerbrochen und die SPD in ihrer Führung zu schwach und innerhalb des Mittelstandes noch immer zu Unrecht als Bürgerschreck verschrien, um Rückgrat und Angelpunkt einer demokratischen Front zu bilden. Natürlich muß auch die Möglichkeit erörtert werden, ob die Demokratie durch einen Staatsstreich gerettet werden konnte. Hierbei ist weniger an Papens Absichten, die auf einer zu schmalen legalen und sozialen Basis fußten, zu denken, als an Schleicher mit seinem Plan einer Brücke zwischen Militär und Gewerkschaften. Es war freilich eine für die deutschen Verhältnisse allzu ungewöhnliche Konstruktion, der die Voraussetzungen für eine Realisierung fehlten, zu anstößig wie für die eine, so auch für die andere Seite. Immerhin wird deutlich, daß die Weimarer Republik nicht an Versailles und Moskau allein zerbrochen ist, wie auch Otto Braun formuliert hat, sondern im Grunde an der inneren Widersprüchlichkeit und Unvereinbarkeit zwischen nationalem und demokratischem Denken: ein unglückliches Erbe der stecken-gebliebenen 1848er Revolution. Daß Moskau aber mit seiner spezifischen Manipulierung der KPD einen beträchtlichen Schuldanteil am Zusammenbruch der deutschen Demokratie trägt, dürfte feststehen.

Für unsere Zusammenhänge ist die andere Frage relevanter: Wie lange währte die Unterbewertung Hitlers und seines Regimes? Wenn am 30. Januar 1933 die Schockwirkung, die man vielleicht erwartet hatte, ausblieb, so stellte sie sich um so deutlicher ein Jahr darauf, nach dem Abschluß desHitler-PilsudskiPakts im Januar 1934, ein. Der weitere Verlauf des Jahres mit der Liquidierung Röhms und Schleichers und der Übernahme der Reichs-präsidentschaft offenbarte die Festigung der inneren Machtstellung der nationalsozialistischen Diktatur; die Illusion, Hitler als bloßes Werkzeug der Bourgeoisie und des Militärs zu begreifen, verflog. Das Dritte Reich stellte nicht — wie erwartet — eine Chance, sondern eine Bedrohung dar. Dieser konnte man auf zweierlei Art begegnen entweder durch die kollektive Sicherheitspolitik mit den Westmächten einschließlich der ab 1934 neu propagierten Volksfronttaktik oder durch ein Kriegsbündnis mit Hitler unter Aufteilung Osteuropas. Stalin hat beide Wege nacheinander beschritten.

Aber Stalins politische • Bemühungen liefen nicht erst im Sommer 1939 doppelgleisig. Es fehlt auch in den Jahren zwischen 1933 und 1939 nicht an Hinweisen, Gesprächen und Fühlern; von den ersteren ist Stalins Rede auf dem XVII. Parteikongreß der KPdSU am 26. Januar 1934 bisher zu wenig beachtet worden. Sie malt mit kräftigen Farben, durchaus im Einklang mit den offiziellen Verlautbarungen von 1932, die Gefahr eines Krieges an die Wand, um anschließend anzudeuten, wenn Hitler Position gegen den Westen nehmen würde, sei eine Zusammenarbeit möglich

Stalins Verhalten in der deutschen Frage des Jahres 1932 mit der Fehleinschätzung Hitlers und, damit gekoppelt, der Preisgabe der KPD, deren Führer nacheinander von Gestapo und GPU liquidiert wurden, hat im übrigen auch einen innersowjetischen Aspekt. Er hat nicht unwesentlich beigetragen zur vollen Ausprägung der hochstalinistischen Phase der sowjetischen Geschichte. Stalin beschritt mit dem Jahr 1934 die letzte, blutigste Etappe seines Weges zur Macht, und es liegt alle Veranlassung vor, von einem strukturellen Zusammenhang zwischen der Ermordung Röhms und Schleichers auf der einen und Kirows auf der anderen Seite — im Dezember 1934 — zu sprechen. Stalin sicherte in den Jahren danach seine Diktatur durch Säuberungsprozesse, in deren Protokollen die Beziehungen zu Deutschland als Anklagepunkt eine eigentümlich zwielichtige Rolle spielen. Es war ein weiteres Zeugnis für die innere Affinität der beiden Regime, wenn die Diktion des sowjetischen Anklägers Wyschinskij von Roland Freisler in Hitlers Schauprozeß gegen die Opposition des 20. Juli 1944 kopiert wurde.

Die Machtergreifung Hitlers hat in ihren Konsequenzen für den Stalinismus nicht unwesentlich zur endgültigen Wandlung der Sowjetunion zu einem sowjet-patriotischen Nationalbolschewismus beigetragen, der Hitlers Aggressionsziele im Sinne eines eigenen imperialistischen Expansionsprogramm zu nutzen wußte und unter dessen Vorzeichen die Weltrevolution über die Katastrophen des zweiten Weltkrieges hinweg durch territoriale Eroberungen mehr Gelände gewann als je zuvor.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Interview with an Ex-Insider. Moscow-Berlin 1933, IV Survey. A Journal of Soviet and East European Studies, Nr. 44/45, Oct. 1962: Russia and Germany, S. 153 ff.

  2. M Buber-Neumann, Von Potsdam nach Moskau. Stationen eines Irrweges, Stuttgart 1957.

  3. G Hilgei, Wir und der Kreml. Deutsch-russische Beziehungen 1918— 1941 Berlin 1955, S 243

  4. Hermann Weber, Die Parteitage der KPD und SED. Aus Politik und Zeitgeschichte, Beilage zur Wochenzeitung DAS PARLAMENT, B 2/63, 9. Januar 1963, S. 19 ff. Vgl. H. Weber, Der deutsche Kommunismus. Dokumente. Köln 1963.

  5. Etwa in Chruschtschows Geheimrede vom 25. 2. 1956 auf dem XX. Parteikongreß, Ostprobleme 1956/Nr. 25— 26, S. 881 ff.; Voprosy Istorii, 1961 Nr. 1, S. 40, oder Krasnaja Svezda 14. 2. 1962.

  6. H. Weber, Aus Politik und Zeitgeschichte, a. a. O„ S. 19.

  7. Vgl. dazu G. v. Rauch, Lenin und die verpaßte Revolution. The Annals of the Ukrainian Academy of Arts and Sciences in U. S. Vol IX, 1961, Nr. 1— 2, S. 26 ff.

  8. Erwähnt in J. W. Stalin, Socinenija, Bd. 10, S 61 ff. Eine deutsche Übersetzung bei A. Thalheimer, 1923: Eine verpaßte Revolution? 1931, S. 31. Vgl. E. H. Carr, A History of Russia. The Interregnum 1923— 1924. London 1954, S. 187.

  9. Weber, Dokumente, S. 102 ff.

  10. Ruth Fischer schreibt über ihn, er habe „die deutschen Genossen wie eine Bande allzu begeisterter und lästiger Jungen, die sich ständig in Erwachsenenprobleme einmischten", behandelt. R. Fischer, Stalin und der deutsche Kommunismus, Frankfurt 1948, S. 479. Vgl. dazu B. Nikolajewskij, Der Wahn heiligt die Mittel. Ostprobleme, 1957, Nr. 5, S. 148/149.

  11. Nadi Babette Gross, Die Volksfrontpolitik in den 30er Jahren Aus Politik und Zeitgeschichte, B 43/62, 24. 10. 1962, S. 523 ff.

  12. Nach H. Seton-Watson, Von Lenin bis Malenkov Bolschewistische Strategie München 1955, S 101 Vgl Vocnnaja opasnost'i zadaci Kominterna. Stenograficeskij oteet; XI. Plenuma EKKI, Moskwa 1931

  13. Nach H. Weber, Aus Politik und Zeitgeschichte, v. 9. 1. 1963, S. 11.

  14. E. Thälmann, Reden und Aufsätze zur deutschen Arbeiterbewegung Bd 2, Berlin 1956, zit. nach Weber, Dokumente, S 188 ff

  15. Ibid S 85. Vgl auch Thälmanns Ausführungen im Inprekorr vom 14 6. 1932 1t. Weber. Dokumente S 194

  16. Nach dem dankenswerterweise zur Verfügung gestellten Manuskript: Herbert Wehner, Notizen 1946 S. 17. W. Knorins kleine Schrift (zusammen mit O. Pjatnizki), Beiträge zur Geschichte der Kommunistischen Internationale, Moskau -Leningrad 1934, ist unergiebig

  17. M Buber-Neumann, a a O.. S 283 ff.

  18. Grzesinski-Archiv, Dokumente 1389 und 1390, Polizeiberichte vom 23. und 28. 11. 1931 (Internationaal Institut voor Sociale Geschiedenis, Amsterdam). Den Hinweis verdanke ich, ebenso wie die Beschaffung der in Anm. 11, 35 und 36 genannten Unterlagen, Herrn Peer Lange.

  19. O. K. Flechtheim, Die Kommunistische Partei Deutschlands in der Weimarer Republik, Offenbach a. M. 1948, S. 166. Daß Thälmann sich bei diesem Gespräch „resigniert" gezeigt habe (Flechtheim S. 166), steht im Gegensatz zu seinen Reden und seinem Verhalten bis zum 30. Januar 1933, das weniger Resignation als Unfähigkeit, die Gefahren der nahenden Machtergreifung Hitlers zu erkennen, zeigt.

  20. Resolution der Parteikonferenz über das 12. Plenum des EKKI, abgedr. bei Flechtheim, S. 285 ff.

  21. Weber, Dokumente, S. 157.

  22. Lt. S. T. Possony, Jahrhundert des Aufruhrs. Die kommunistische Technik der Weltrevolution. München 1956. S 224.

  23. Flechtheim, a a O.. S 179 24) B Gross, a a O S 524

  24. W. G. Kriwitsky, Ich war Stalins Agent, Amsterdam 1940, S. 21 ff

  25. Nach Ostprobleme 1957, Nr. 5, S 149.

  26. Buber-Neumann, a a. O., S. 317.

  27. I. Deutscher, Trotzki, Bd. 1— 3, Stuttgart 1962/1963. Vgl. Siegfried Bahne, Der Trotzkismus in Deutschland 1931— 1933. Ein Beitrag zur Geschichte der KPD und der Komintern. Heidelberg 1958, Diss. Maschschr., besonders S. 92 ff. und 113 ff., und neuerdings Heinz Brahm, Trotzkijs Aufrufe gegen Hitler 1930— 1933, Jahrbücher für Geschichte Ost-europas, 1963, Heft 4. Wenig beachtet wurde bisher eine kleine Splittergruppe des deutschen Kommunismus, die in gewissem Sinne die Linie von Rosa Luxemburg weiterführte und 1932 die Politik der Komintern scharf kritisierte. Es waren die soge-nannten „Roten Kämpfer", die damals deutlich erkannten, daß die Hoffnungen vieler deutscher Kommunisten, „Rußland werde den deutschen Arbeitern zu Hilfe kommen, wenn sie vom Faschismus überrannt würden", illusionär waren. Hierüber die Dokumentation: Die Roten Kämpfer, Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte, 1959, Heft 4, S. 450.

  28. Ein seit Lenin häufig herangezogener Vergleich; Trotzkij hat ihn in seiner Polemik benutzt; auch Remmele in einer Rede in Treptow am 16. 6. 1932.

  29. Der gerade Weg. Deutsche Zeitung für Wahrheit und Recht. München, 24. 1. 1932, Nr. 4, S. 1— 2. Vgl. über F. Gerlich: Prophetien wider das Dritte Reich. Aus den Schriften des Dr. Fritz Gerlich und des Paters J. Naab, gesammelt von J. Steiner. München 1946.

  30. XII. Plenum EKKI. Stenograficeskij otcet. Moskau 1933 t. 1, S. 165.

  31. Fischer, a. a. O. S. 795— 796.

  32. Inprekorr vom 28. 1. 1932, 3. 3. 1932, 14. 1. 1932, 24 3. 1932, 21 4. 1932, 1t. S. T. Possony, S. 229— 231.

  33. Auf dem XVII Parteikongreß in Moskau, Januar 1934 Das Gesamtprotokoll des Kongresses ist noch nicht veröffentlicht. Stalins Rede s. Socinenija, Bd. 13, S 282— 379 Vgl. dazu B. Nikolajewskij in Ostprobleme, 1957, Nr. 5, S. 149 ff.

  34. Weber, Dokumente, S 160.

  35. Prawda, 11. 10. 1932, S. 1.

  36. Prawda, 31. 10. 1932, S. 1.

  37. Bolschewik, 31. 7. 1932.

  38. Inmitten der undifferenzierten Verwendung des Schlagworts „faschistisch“ fällt eine Schlagzeile: „Die Hitlerleute streben nach einer maßgebenden Rolle in der Regierung“ in der Iswestija vom 6. 8 1932 auf; sie könnte von Radek formuliert sein, dessen Beiträge in der Zeitung bisweilen den Versuch andeuten, die Position Hitlers als eines „Führers der kleinbürgerlichen Massen“, der nur eine sehr unzuverlässige Stütze der Bourgeoisie darstelle, zu begreifen.

  39. Vgl. J. Schüddekopf, Linke Leute von rechts. Die nationalrevolutionären Minderheiten und der Kommunismus in der Weimarer Republik. Stuttgart 1960. Sogar nach dem 30. Januar 1933 ist diese Linie, vielleicht auf Veranlassung Radeks, keinesfalls sogleich verlassen worden: am 14. Januar 1934 veröffentlichte die Moskauer Iswestija einen längeren Auszug aus einem Aufsatz von Graf Emst Reventlow im „Reichswart" über die deutsch-sowjetischen Beziehungen. Es war ungewöhnlich, wenn einer deutschen Pressestimme in einem der führenden sowjetischen Parteiorgane eine derartige Beachtung geschenkt wurde.

  40. Vgl. Weber, Dokumente, S. 152 ff. (Thälmanns Rede vom 24. 7. 1931 zum „roten Volksentscheid").

  41. Nach B. Nikolajewskij, Ostprobleme, 1957, Nr. 5, S. 149. Vgl. auch B. Gross a. a. O„ S. 524, die von einer direkten Anordnung Stalins spricht.

  42. B Gross, a. a. O., S. 524, Vgl. auch H. Prinz Löwenstein, The Tragedy of a Nation. London 1934.

  43. Flechtheim, a. a. O., S. 173.

  44. Flechtheim S. 181/182. Vgl. dazu Die Kommunistische Internationale vor dem VII. Kongreß. Materialien. Moskau-Leningrad 1935, S. 123, W. Ulbricht, Zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, Berlin 1953, Bd. 1 S. 647, und XII. Plenum EKKI. Stenograficeskij oteet. Moskau 1933, t. 1, S. 112.

  45. Vgl.den Auszug aus den Beschlüssen bei Weber, Dokumente, S. 245 ff.

  46. Iswestija 1. c., S. 2, und Prawda, 2. 11. 1932, S. 2— 3.

  47. In seinem Artikel: Novyje etapy fasizacii Germanii im Bolschewik vom 15. 2. 1933.

  48. F. Borkenau, World Communism. New York 1939.

  49. G. F. Kennan, Russia and the West under Lenin and Stalin. London 1961, S. 291.

  50. Hierüber s. G. v. Rauch, Geschichte des bolschewistischen Rußland. Wiesbaden 1955, S. 302, wo auch weitere Literaturhinweise gegeben sind.

  51. Weber, Dokumente, S. 110 ff.

  52. Buber-Neumann, a. a. O., S. 285. Wenn in einer 1961 bei Cotta in Stuttgart herausgegebenen Brief-sammlung (Briefe zur Weltgeschichte) ein Brief Stalins an A. Thalheimer vom 7. 12 1923 veröffentlicht wird, in dem Stalin eine genau entgegengesetzte Meinung vertritt, die auch im Gegensatz zu seinem in Anm. 8 zitierten Schreiben steht, so kann an der Fälschung eines derartigen, angeblich aus der Roten Fahne (7. 11. 1923!) stammenden Dokuments, kaum Zweifel bestehen.

  53. Rauch, a. a. O„ S. 269.

  54. Der Meinung ist auch M. Beloff, 1. c. S. 60/61: " It is also possible that the Russian leaders ... would not indeed have welcomed a full-scale Communist upheaval which would interfere with the delicate and important commercial relationships between the two countries."

  55. Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion. Kurzer Lehrgang, Berlin 1947, S. 407.

  56. Possony, a a. O„ S 227.

  57. Prawda, 27 8 1932

  58. Possony, a. a. O„ S 227.

  59. Ibid. S. 227— 228.

  60. Erich Wollenbergs 1952 erschienenes Buch Der Apparat (Bonn o. J.) gibt einen tiefen Einblick in die revolutionäre Aktivität der KPD im Jahre 1923 und darüber hinaus.

  61. Nach Possony, a. a. O., S. 225. Possony verweist zugleich auch noch auf ein weiteres Zeugnis, dessen Aussage mit einiger Vorsicht heranzuziehen ist. Dr. Karl Wittfogel habe im Sommer 1932 in Moskau Gespräche mit „prominenten zweitrangigen (I)" Kominternführern geführt, die ihm versichert hätten, Hitler werde und müsse an die Macht kommen, auch wenn 20 000 der besten Arbeiterführer in Deutschland dabei ums Leben kommen ... „Das war die große Linie der Komintern, Hitler an die Macht zu bringen, nicht weil sie ihn liebten (I); das taten sie nicht. Aber sie glaubten, daß durch ihn ihre große Sache ins Rollen kommen würde . . . Ich glaubte zuerst, die russischen Kommunisten seien einfach dumm. Allmählich wurde mir aber klar, daß es sich hier um einen weitläufigen strategischen Plan handelte, der darauf abzielte, einen der größten Kriege der Neuzeit ins Rollen zu bringen. Es dauerte zwar einige Jahre, aber 1939 führte dieser Plan zum Erfolg." So primitiv hier manche Erkenntnis formuliert wird, was z. T.der verwendeten Quelle der „Hearings" der verschiedenen Komitees des Amerikanischen Kongresses zuzuschreiben ist, so deutlich wird doch auch bei dieser Aussage die Funktion, die Hitlers Machtergreifung im Rahmen der weltrevolutionären Planung der Komintern zugewiesen wurde, sichtbar.

  62. K. D. Bracher, Die Auflösung der Weimarer Republik, Stuttgart 1955; E. Matthias-Morsey, Das Ende der Parteien 1933. Düsseldorf 1960. S. Bahne, s. o. Vgl. W. Conze, Die Krise des Parteienstaates in Deutschland. Historische Zeitschrift 1954, S. 47 ff.; K. D. Erdmann, Die Geschichte der Weimarer Republik als Problem der Wissenschaft. Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 1955, S. 1 ff.

  63. Stalin, Soinenija Bd 13 S 292 294 und 302 ff.

Weitere Inhalte

Georg von Rauch, Dr. phil., o. Professor für Osteuropäische Geschichte an der Universität Kiel, geb. 13. August 1904 in Pleskau. Veröffentlichungen u. a.: Geschichte des bolschewistischen Rußland, Wiesbaden 1955; Lenin. Die Grundlegung des Sowjetsystems, Göttingen 1957; Machtkämpfe und soziale Wandlungen in der Sowjetunion 1923 bis 1961, Stuttgart 1963.