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Zwischen Schule und Hochschule Von Abiturienten und Studenten | APuZ 31/1963 | bpb.de

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APuZ 31/1963 Artikel 1 Zwischen Schule und Hochschule Von Abiturienten und Studenten

Zwischen Schule und Hochschule Von Abiturienten und Studenten

Richard Wisser

Sprüche geleiten und begleiten den Menschen, vornehmlich den jungen Menschen, auf seinem Weg. Manche haben es an sich, zu hohe Anforderungen zu stellen, andere beinhalten nichts weiter als Belanglosigkeiten. Nicht allen folgt der jeweilige Mensch, nicht alle entsprechen seinem Wesen. Hinzu kommt, daß heute der Mensch oft allergisch gegenüber Spruchweisheiten ist, so daß mit Recht die Redewendung „mach'keine Sprüche" das Unechte, Steife und Gestelzte bloßstellt, das der allzu sonoren Formel eignet. Und doch kann ein aufschlußreiches Motto Klarheit und Weitsicht verschaffen und das nötige Richtungsbewußtsein vermitteln, und dies gerade an den Wendepunkten und in den Übergangszeiten des individuellen Lebens.

In einem besonderen Sinne befindet sich der Abiturient nach Abschluß seines Examens in einem Zwischenzustand, der merkwürdigerweise, vielleicht weil er meist nur als kurzfristiger Übergang empfunden wird, viel zu wenig Beachtung findet, obwohl er einen entscheidenden Abschnitt beschließt und einen nicht minder entscheidenden einleitet. Wenn man die „Höhere" Schule lediglich als eine Vorbereitung für die „Hoch" -Schule betrachtet, steht man leicht in der Gefahr, die unterschiedlichen Formen beider „Einrichtungen" zu verwischen. Sie aber sind es gerade, mit denen die jungen Studenten zuerst und oft recht unvorbereitet konfrontiert werden. Sie sollen deshalb zu Nutz und Frommen der Abiturienten und jungen Studenten im folgenden berücksichtigt und zum Bewußtsein erhoben werden.

Vielleicht enthält ein Leitspruch, der von dem bedeutenden, wenn auch nicht immer leicht zu deutenden Philosophen Ernst Bloch stammt, einen für unser Thema aufschlußreichen Kurzgedankengang. Er findet sich am Beginn eines von Blochs Merk-Büchern, das den kennzeichnenden Titel „Spuren" trägt, und ist mehr als ein sentimentaler Vers fürs Poesiealbum, mehr als eine gespreizte Notiz ins Stammbuch. Er lautet: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst"

Dieses Motto ist — mit einem Wortspiel, aber mit Bedacht gesagt — ein „Spurenelement", eine für des Menschen geistiges Sein und Werden wesentliche, lebensnotwendige Einsicht. Dieses Kennwort rafft und strafft das Werden des geistigen Lebens in die Spannkraft einer fruchtbaren Formel zusammen. Es konzentriert und komprimiert die entscheidenden Phasen unserer menschlichen Entwicklung, die, wie der Pädagoge Ballaufs richtig gesehen hat, eigentlich ein Prozeß zunehmender „Verwicklung" mit Wesen, Dingen und Mitmenschen ist in einen bemerkenswerten Spruch. Er kann deshalb, recht genutzt, nicht nur als Losungswort dienen, durch das Menschen sich einander als Menschen in ihrem Menschsein zu erkennen geben, im Werdegang ihrer Menschlichkeit. Er eignet sich auch als Leitspruch für die rechte Art und Weise, die ihr ferneres Streben haben muß. Spricht er doch nicht nur von dem Einzel-Ich, dem inselhaften, vereinsamten Standpunkt, sondern zugleich auch vom Wir, dem umfassenden Horizont, alles in allem also vom Menschen, der über sein „Ich selbst" hinausgelangt ist, vom wesentlichen Menschen, von der „Menschheit", wie man früher gesagt hat, von des Menschen Bestimmung. „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst“.

In einem ersten Sinne verstanden kennzeichnet dieses Motto treffend aber auch die Rolle der Abiturienten, die zwischen Schule und Hochschule in einer kurzen Zeitspanne stehen, in der für das spätere Leben mitunter entscheidende Weichen gestellt werden. Darüber hinaus charakterisiert er jedoch auch die Rolle der Universität, die für den Abiturienten noch Neuland ist, jedoch schon bald neue verpflichtende Erfahrungen eröffnen wird. Das Motto spricht gewissermaßen in den Zwischen-Zustand, in den Abstand hinein und erinnert die Aufgaben, die bewältigt werden müssen.

den entweder das zu die Abiturienten, Zuerst Abitur gerade glücklich hinter sich gebracht haben oder es bedrohlich nahe vor sich wissen.

Sie alle sind, wie man recht anschaulich sagt, den Kinderschuhen entwachsen, d. h., sie betonen die Eigenständigkeit. Sie möchten sich respektiert sehen und verteidigen sich in zunehmendem Maße gegen die, wie es manchem von ihnen vorkommen mag, diktatorischen Übergriffe der Schule, mit einem Wort: Sie sind selbständig geworden. In mannigfacher Hinsicht sind sie auf ihr „Ich" gestoßen, sind sie sich „selbst" begegnet, haben sie ihr „Ich-selbst“ entdeckt. Eines der stärksten Interessen ist nach den psychologischen Gesetzen der Lebensalter-Entwicklung, die meist noch ohne ihr Wissen, gewissermaßen hinter ihrem Rücken abläuft, für sie das Erlebnis dieses Ich, das sie in der verschiedensten Weise umkreisen: dem sie schmeicheln, das sie tadeln, das sie lieben, dessen sie sich schämen, das sie bewundern, das sie verachten, in das sie verliebt sind, an dem sie leiden, das ihnen das interessanteste aller Rätsel ist, über dem sie brüten, das sie endlich — ausgebrütet haben.

Vielleicht haben aber diese Abiturienten schon in dem mitunter tumultuarischen Widerspiel von Anziehung und Zuneigung zu ihrem Ich auf der einen sowie Abstoßung und Abweisung dieses ihres Ich auf der anderen Seite die grundwichtige Erfahrung und Entdeckung gemacht, daß es in diesem Kampf um ihr „Ich" zwar um sie und doch zugleich um mehr geht: nicht nur um das, was sie sind, sondern zugleich um das, was sie sein sollen und wollen. Zwar sind sie meist bestrebt, um jeden Preis sie selbst zu sein. Aber vielleicht erkennen sie doch gerade durch diesen Drang hindurch, daß sie sich noch nicht „haben", daß sie noch nicht angekommen sind, mit einem Wort: daß ihr „Ich" unterwegs ist zu ihrem Ich.

In diese entscheidende Phase der Entwicklung, in der der junge Mensch zum selbst-bewußten Entdecker gereift ist, fällt nun für ihn das Ende der Schulzeit, dessen dokumentarischer und zugleich alptraumartiger Abschluß für ihn das Abitur gewesen ist und — bleiben wird. Bereits die Lehrer haben versucht, sei es mit Hilfe des Schülers, sei es anscheinend gegen ihn, ihm beizubringen, daß es nicht nur darauf ankommt, daß er sich gewissermaßen lediglich reaktionär als „ich bin" empfindet, sondern daß es gilt, sich aktiv in die Hand zu bekommen, daß er, wie es das Wort Ernst Blochs ausdrückt, sich „haben" lernen muß.

Der junge Mensch — und dies gilt nicht nur für ihn — soll nicht nur als selbstversessenes Ich auf sich beharren, sondern zu seinem Selbst in Beziehung treten, Stellung zu ihm nehmen, die kritische Distanz erlernen. „Haben" bedeutet ja nicht nur, daß man über sich, stets einsatzbereit, „verfugen" kann, sondern auch, daß der Mensch in ein sachliches, gerechtes Verhältnis zu sich selbst getreten ist, das nicht vorlaut jeweils das Ich vor die Sache stellt.

Deshalb tritt gerade jetzt die unabdingliche Frage nach der Wahl des Berufes auf. Gewiß, „in Wirklichkeit ist und bleibt ein großer Unterschied zwischen dem Beruf, den einer hat, und dem, wozu einer Beruf hat" Aber die Berulsentscheidung setzt bereits voraus, daß der junge Mensch zu seinen Stärken und zu seinen Schwächen in ein Verhältnis getreten ist. Er mag sich noch nicht im Griff haben, aber er ist bereit, sich zur Verfügung zu stellen.

In einem Zeitpunkt, in welchem dem jungen Menschen gewissermaßen auch als äußerer Ausdruck der inneren Reife vom Bürgerlichen Gesetzbuch und vom Strafgesetzbuch neue Rechte, aber auch neue Pflichten zugemessen werden, in einem Augenblick, in welchem — man beachte das aufschlußreiche und anschauliche Wort — die „Haftpflicht" der Eltern erlischt und der junge Mensch für sein Tun und Treiben voll verantwortlich wird, in einem Augenblick, in welchem er erkennen muß, daß er nicht mehr nur antworten, sondern verantworten, d. h. für seine Antwort einzustehen hat, gilt es, seinen Blick von der Erfahrung des „Ich bin", von der Selbstbetrachtung weg auf die Sachen, Aufgaben und Berufe zu lenken. Diese werden von der Welt und dem Leben an ihn herangetragen. In ihnen muß der junge Mensch sich bewähren, um erst dadurch in Wahrheit er selbst zu werden, und das heißt: „Sachwalter" und „Mitmensch", der Dinge, Wesen und Menschen „sein" läßt, sie freisetzt, nicht aber sich an ihre Stelle setzt „Kein Mensch", sagt der bedeutende deutsche Existenzphilosoph Karl Jaspers, „kann von sich wissen, was er ist und wozu er fähig ist. Er muß es versuchen" Auch ein gesundes Auge schielt keineswegs stets nach sich selber, sondern richtet den Blick auf die Sachen. Es sieht „die Sache, keineswegs aber sieht es sich"

Der Beruf bringt nicht nur ein sachliches Ziel in Sicht. Er nötigt zugleich den jungen Menschen auch zu einer neuen Einstellung sich selbst gegenüber. Denn wenn das Bewußtsein, ein personales Selbst zu sein und „ich bin" sagen zu können, auch von einem ungeheueren Gefühl begleitet ist, das sich mit ständig wachsender Kraft und Herrlichkeit in dem jungen Menschen weitet und breitet, so ist es ihm doch zugleich dabei nicht recht geheuer. Er verspürt die Unsicherheit, das Schwinden der Geborgenheit, das Tumultuarische und Chaotische der Gründe und Abgründe in ihm selbst und entdeckt zu seiner Überraschung, daß er sich noch nicht in der Gewalt, noch nicht in der Hand „hat". Er erfährt zwar die Macht des: „Ich bin" und wird doch zugleich zu dem Eingeständnis seiner Ohnmacht gedrängt: „Aber ich habe mich nicht". Die Berufswahl bringt ihn in gewissem Sinne zu sich.

Welches ist nun zweitens die Rolle der Universität, für die sich die Abiturienten bereit machen oder schon bereit halten? Die Universität rechnet mit ihnen als mit selbständig gewordenen, verantwortungs-und selbstbewußten Menschen, die, wie man mit einem sehr treffenden Ausdruck sagen kann, „mündig" geworden sind. Sie weiß aber zugleich, daß sie noch nicht alle die vielen in ihnen schlummernden Möglichkeiten, Fähigkeiten und Begabungen erprobt und erkannt haben, daß sie sich noch nicht „haben". Die Universität nimmt sie daher so, wie sie zu ihr kommen, als einzelne auf, um sie aber in einer ganz neuen Form der In-Eins-Wendung, in der sog. universitas, einer Idee zu unterstellen, die niemals von einem Ich allein und ebensowenig von den Vielen, die philister-haft ihr ganzes Leben hindurch nur Ich bleiben, verwirklicht werden kann, sondern einzig und allein in der gemeinschaftlichen Besonnenheit des Wir. Wenn das Losungswort von Ernst Bloch in einem besonderen Sinne auf die Abiturienten zutrifft — und es vermag dies —, dann sollten diese, die bisher gesagt haben: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht", in die Universität eintreten mit der Gesinnung: „Darum werden wir erst".

Noch aber ist die Universität gewissermaßen die große Unbekannte in ihrem Leben. Wir möchten daher im folgenden erstens den Unterschied zwischen der Struktur des Universitätslebens und den vertrauten Formen der Schule in einigen groben, kontrastierenden Zügen kennzeichnen. Anschließend werden wir unter dem dabei sich ergebenden Gesichts-’ punkt der „akademischen Freiheit" zweitens zu prüfen haben, was es mit der Idee der Universität auf sich hat. Ob die Universität dem Abiturienten allerdings wirklich die alma mater, die „nährende Mutter", werden wird oder ob es nur zu einem flüchtigen Flirt mit ihr reicht, ob die Universität ihm Berufs-oder Lebens-Schule werden wird, ob er der Universität nur den „Aspekt des Fortkommens, des Einkommens, des Auskommens" abgewinnt oder ob die Universität ihm zur echten Fortbildung, zur fortwährenden Bildung gereicht, wird zu einem guten Teil von ihm abhängen. Von besonderer Bedeutung ist aber, daß er sich kein falsches, ihn später enttäuschendes Bild von der Universität macht. Gerade der Philosoph, der ja der Sophia, der Weisheit also, in der Haltung der philia, der Liebe, begegnet, der demnach in einem echten Liebesverhältnis zu seiner Wissenschaft steht, weiß darum, zu was enttäuschte Liebe alles fähig ist. Kein Wunder, daß er „aufklären" möchte.

I.

Welches sind nun die neuen Formen des Universitätslebens, die dem Abiturienten bevorstehen und mit denen er sich vertraut machen muß, wenn er die Schule verlassen hat und die Hochschule besuchen möchte? Der einfachste Weg, eine gewisse Übersicht und erste Einsicht zu vermitteln, ist wohl der, auf den Unterschied zu den von der Schule her gewohnten Strukturen durch die ganz allgemeine Feststellung aufmerksam zu machen:

alles, was in der Schule gewissermaßen hinter dem Rücken des Schülers und hinter den Kulissen vor sich geht, spielt sich in der Universität vor den Augen des Studenten und durch sein bewußtes Zutun ab. In der Schule kommt alles auf den Schüler zu. In der Universität entscheidet der Student, was ihm zukommen soll. In der Schule nimmt man das Gebotene hin, ohne viel zu fragen, wo es herkommt und warum gerade dies geboten wird und geboten ist. In der Universität gibt es nur wenig im strengen Sinne des Wortes Gebotenes oder Verbotenes. Hier wird eine Fülle dargeboten, angesichts deren man wählen darf. In der Schule wird der Stundenplan vorgeschrieben. In der Universität stellt ihn sich der Student selbst zusammen. In der Schule beschwingen Noten und Strafen das Lernen. In der Universität treiben Gründe und Einsichten das Studium vorwärts. In der Schule untersteht der junge Mensch dem strengen Gesetz des Lernen-Müssens. Die Universität setzt ihn in die Freiheit des Lernen-Wollens. In der Schule lernt man Wissen auswendig. In der Universität lernt man gewissermaßen inwendig, hat man den Sinn des Gelernten zu begreifen. In der Schule gilt es, Rede und Antwort zu stehen; denn das Abverlangte läßt sich wörtlich wiedergeben, weil es Abfragbares ist. In der Universität gilt es, das Schweigen zu lernen, solange das Infragestellen noch keine Antwort erlaubt; denn dem Wort schaden am meisten die Wörter. Man kann diesen Unterschied auch so ausdrücken: in der Schule wird man abgefragt, in der Universität lernt man fragen. In der Schule müssen zu bestimmten Aufgaben die bereits feststehenden Lösungen gesucht werden. In der Universität müssen bald aus bestimmten Losungen neue Aufgaben ermittelt weiden. In der Schule gibt man weniger acht als Obacht, und zwar auf den Lehrer. In der Universität fordert naturgemäß die Sache die Aufmerksamkeit, und der Lehrer verdient in dem Maße Achtung, als er sie zum Sprechen bringt. Fast kann man auf dem'Hintergrund der hier natürlich etwas überscharf herausgearbeiteten Formen der Schule diejenigen der Universität als die „ganz anderen" bezeichnen.

Wer macht sich als Schüler schon seine Gedanken darüber, warum ihm ein besonderer Stoff vorgesetzt wird? Und wenn es auch Rebellion gibt, so schwingt sich diese doch selten zu belangvolleren Höhen auf als zu den verbreiteten Vorwürfen gegenüber den Eltern: warum muß ich eigentlich diese „blöde" Mathematik oder diese „vertrockneten" Alten Sprachen lernen, die ich im Leben — von dem der Schüler meist auf Grund einer vielfach recht mühsamen, aber ins Gemüt reichenden Lektüre von Kafka bis Sartre keine ausgesprochen meisterhafte Vorstellung hat — nicht „brauchen" werde. Oder man rebelliert gegen die „ollen" Klassiker, die von den Problemen unserer Zeit nicht die mindeste Ahnung haben! Gewiß, die Schule ist nicht unschuldig an dem, was man die „Verschulung" unserer großartigen Weltliteratur genannt hat, wofür ein erschreckendes Beispiel etwa die mitunter geübte „Verschulung Schillers" ist Als Schüler schaut man selten hinter die Kulissen, entdeckt meist nicht das Berechtigte oder Unberechtigte, sondern absolviert. Als Schüler muß man, ob man es sich eingesteht oder nicht, meist recht kurz an der Leine gehen, was für viele eine Last, für manchen aber auch die Gewähr dafür ist, daß er überhaupt vorwärts kommt.

Als Student hat man plötzlich über eine Menge Dinge zu entscheiden. Hatte man früher einen Stoff zu „schlucken" und eine Schulrichtung hinzunehmen, so wird man jetzt gefragt, was man studieren will. Angesichts einer fast unübersehbaren Vielzahl von Berufen und Fachkombinationen gilt es, zu entscheiden und auszuwählen. Und selbst wenn mannigfache Bedingungen an der Entscheidung mitwirken, seien es eigenes Talent oder Tradition des Elternhauses, seien es sonstige Umwelteinflüsse — niemand entscheidet sich ja gewissermaßen aus dem hohlen Bauch —, so ist einzig der Student selbst und niemand anderes es, der die Konsequenzen dieser Entscheidung, und das heißt nicht mehr und nicht weniger als sein späteres Leben zu verantworten hat. Für den Studierenden gibt es keinen vorgeplanten Stundenablauf. Er steht vielmehr immer erneut vor dem „Schwarzen Brett" mit den Anschlägen aller angebotenen Vorlesungen und Übungen, und es befällt ihn angesichts des, wie es ihm vorkommen mag, Überangebots von Spezialthemen und grund-sätzlichen Erörterungen, ein Schwindelgefühl, das bei manchem mitunter in eine ausgesprochene Wissenschaftsfeindlichkeit um-schlägt. Als Student muß man alles selbst in die Hand nehmen und ohne die strenge Führung eines autoritativ anmutenden Lehrerkollegiums eigenhändig „planen"

Bald dämmert das Bewußtsein herauf, daß es schwierig ist, mit Ziel und Verstand zu studieren. Mancher neue Student sucht dann nach einem Strohhalm, an den er sich klammern kann. Vielleicht wird er seinen besonderen Begabungen und Neigungen folgen und möglicherweise bald erschrecken, wenn er gerade dadurch die größten Enttäuschungen erleben wird. Im Studium der deutschen Literatur etwa sieht er noch heute die Erfüllung seiner Wünsche und findet sich plötzlich in einem trockenen Kursus für Althochdeutsch wieder. Oder: jener, den es danach drängt, die Rätsel der menschlichen Seele zu erforschen, wird vielleicht bald schon über statistischen Untersuchungen brüten und durch Prozentzahlen etwas gänzlich belanglos Scheinendes, etwa: wieviel Prozent der Vierzehn-jährigen siebenstellige Zahlen behalten können, in welcher Zeit und wie lange, zu beweisen haben. Es wird seine Zeit dauern, bis er, wie Eduard Spranger einmal treffend gesagt hat, erkannt hat, daß er zwar das Ziel wollte, aber nicht den Weg Der Student hat aber diesen Weg nicht nur durchzustehen, sondern seinen Sinn zu erkennen. Der Schüler nimmt von Klasse zu Klasse zu an Kenntnissen. Der Student bemerkt von Semester zu Semester mehr seine Lücken.

Und noch ein Unterschied ist wesentlich, ja wird in den ersten Semestern besonders intensiv erlebt. Der Schüler lebt in der Gemeinschaft einer Schulklasse, ohne die sein Tageslauf undenkbar ist, die in Streit und Versöhnung einen Klassengeist entwickelt, der den jungen Menschen mehr Form gibt, als sie selbst es bemerken. Für den Studenten kommt mit Sicherheit die Stunde, da er sich inmitten der unübersehbaren Masse anderer Studierender hilflos einsam und allein fühlen wird sich zurück -und nach der Klassengemeinschaft sehnt oder in der ihm die vielgelästerten studentischen Verbindungen plötzlich in einem anderen Licht erscheinen werden. Und wenn auch die ursprünglichste und echteste, allerdings zugegebenermaßen die am schwersten zu verwirklichende „‘Verbindung" diejenige mit der Idee der Universität selbst ist, mancher wird vielleicht gerade in den Studentenverbindungen das finden, was ihm fehlt. Als Student muß man auf die Schulfreundschaften verzichten lernen, von denen der Schüler es sich gar nicht anders vorstellen kann, als daß sie ein Leben dauern. Wohl studiert man auch später zusammen. Aber viele werden im Kolleg vielleicht nur den Kollegen vom Fach, den Fachkollegen, kennen lernen oder den geschätzten Sachverständigen, mit dem man fachlich-sachlich verkehrt, ohne die Kameradschaft und Freundschaft, die in der Schule selbstverständlich gewesen ist, mit gleicher Intensität und Leidenschaft noch erleben zu können.

Als Schüler hatte man obendrein seine Lehrer. Als Student erfährt man, daß die Professoren ihre Schüler haben. Mancher wird die ungeheuere Wirkung der Persönlichkeitsbezogenheit der Universität in der Person eines Professoren, dem er nahekommt, verspüren. Mancher aber wird erst im Examen mit „seinen" Professoren die ersten persönlichen Worte wechseln. Als Student erfährt man bald, daß man wenigstens ein Semester drangeben muß, um sich zu orientieren, selbst wenn man noch so gut beraten oder eingewiesen würde. Man wird mit dem Wagnis des Studiums konfrontiert und muß seinen Mut zusammennehmen, wenn man sich auf das Abenteuer des Geistes einlassen will. Der Student ist, selbst in den ersten Semestern an einer technischen Hochschule, die ja meist einen, dem schulischen Ausbildungsgang wesentlich stärker entsprechenden Charakter haben, mehr oder weniger ausgeliefert und zwar dem, was immer noch, wenn auch von Jahr zu Jahr, und dies besonders in manchen Fakultäten, weniger spürbar, die Wurzel der deutschen Universität ist: der sogenannten akademischen Freiheit.

Wenn man von der, wie der Abiturient es wohl zuerst empfinden wird, Unfreiheit der schulischen oder häuslichen Zucht und ihrer Erzwingbarkeit auf angelegten Ordnung herkommt, erfährt man diese akademische Freiheit anfangs ohne Zweifel als eine Befreiung von Fesseln, die man in zunehmendem Maße verspürt hat und die einem doch in zunehmendem Maße von den Pädagogen bereits gelockert worden sind. Aber mancher wird sich, allein auf sich gestellt, wie er nun einmal in den ersten Semestern an einer deutschen Uni-versität mehr oder weniger ist, vielleicht bald wieder nach einer Ordnung sehnen, die ihm Halt gegeben und seinem Streben ein wohlüberlegtes stufenweises Fortschreiten ermöglicht hat.

Inbegriff alles dessen, was die Universität in ihrer reinen Form von der Schule unterscheidet, ist die „akademische Freiheit“. Was ist darunter zu verstehen? Wir haben es bereits in den äußeren Zügen angedeutet: freie Wahl des Faches und freie Wahl der Stunden, d. h. die sogenannte Lernfreiheit, sowie freie Wahl der Professoren und freie Wahl der Universität, d. h. die sogenannte Freizügigkeit. Gewiß stellen sich diesen Freiheiten mannigfache Widerstände in den Weg. Manche Fächer sind dem Studenten wegen derzeitiger Überfüllung der Studienplätze durch den numerus clausus verschlossen. Manche Universität ist wegen des Massenandranges nicht sofort zugänglich. An manche Professoren kommt der Student we-gen eigener Schüchternheit oder mißlicher sonstiger Umstände nicht heran Obendrein liegen in verschiedenen Fachrichtungen bereits heute fachschulähnliche Verhältnisse vor, so daß von der ursprünglichen akademischen Freiheit nur das Flair, nicht das Air übriggeblieben ist. Uber das Detail und die Fehlform zu sprechen, ist aber hier nicht unsere Aufgabe. Wir möchten Grundsätzliches erörtern.

Der große deutsche Philosoph Johann Gottlieb Fichte, dessen 200. Geburtstag wir vor kurzem gefeiert haben, hat über die „akademische Freiheit" nicht nur Wesentliches gesagt, er hat auch zu ihrer Verwirklichung an der deutschen Universität beigetragen. Der häufige Gebrauch dieses heute meist zum Schlagwort degenerierten Losungswortes steht aber im umgekehrten Verhältnis zu seiner oft undurchdachten Verwendung. Meist will man mit ihm nur etwas bezwecken, jedoch keinen Sinn ausfindig machen. Aber schon Fichte hat gewußt, daß es leichter ist „in Polemik oder in Satire auszuarten", als die eigentliche Würde der akademischen Freiheit kenntlich zu machen Fichte ist der Auffassung, daß eine historische Betrachtung zeigen kann, daß mit dem Wort akademisch nicht nur „der Studierende auf der Akademie im Gegensatz mit dem Schüler" gedacht worden ist (56; 401), sondern daß der vieldeutige Be-griff der akademischen Freiheit sogar „aus der Nichtachtung des Standes der Studierenden" entstanden sei (65, -410).

Doch wie dem auch sei, Fichte sieht in seiner philosophischen Untersuchung sehr richtig, daß die akademische Freiheit nur von ihrer äußerlichsten Seite aus betrachtet als „Befreiung vom Schulzwange und von aller Aufsicht der Lehrer über die Sittlichkeit, den Fleiß und die wissenschaftlichen Fortschritte der Studierenden" erscheint (57; 402). Es muß schon schlecht bestellt sein mit einem Studenten, der sich durch die Gleichgültigkeit der Universitätslehrer gegenüber seiner menschlichen Würde und seiner wissenschaftlichen Vervollkommfessor, nung noch geehrt fühlt und gar für etwas kämpft, was eher zu seinem Unheil als zu seinem Heil ist. Akademische Freiheit meint ganz im Gegenteil, daß der Mangel an fremder Aufsicht den Studenten, oder besser gesagt, den Studierenden, zwingt, „sich selber in desto strengere Aufsicht" zu nehmen (58; 403).

Fichte findet das erlösende und die Dinge ins rechte Licht rückende Wort: akademische Freiheit, das ist „die Freiheit aus eigenem Entschlusse das Anständige und Zweckmäßige zu tun" (idem). Dort, wo kein Naturgesetz mit blinder Gewalt den Menschen zwingt, dort, wo kein vom Menschen erlassenes Gesetz bei Strafe befiehlt, das Geforderte zu tun, dort, wo keine Notdurft den Menschen dazu treibt, Kompromisse einzugehen und sich dem Diktat äußerer Umstände zu beugen, dort erst entfaltet sich die akademische Freiheit und gibt sich selbst ihr Gesetz. Aus der akademischen Freiheit wird daher in einem für den einzelnen und für jeden mit nicht geringen Schmerzen verbundenen Ringen das Neue geboren, das Gesetz des lebendigen Geistes, oder, wie Fichte es in seiner leidenschaftlichen Weise ausdrückt, ein Gesetz „den künftigen Geschlechtern, welches man in der Gegenwart oder in der Vergangenheit vergebens suchen würde" (61; 406). Wie auch könnte der Studierende dazu fähig und befähigt werden, der Welt eine neue geistige Gestalt zu geben, wenn er überall auf Schritt und Tritt von Gesetzen gegängelt würde, die ihm ununterbrochen und kodifiziert auferlegen, was er zu tun und was er zu lassen hat? Wir mögen über Fichtes Freiheitsbegriff denken, was wir wollen, wir sollten — und das gerade angesichts der heute üblich gewordenen Verdrehung und Mißdeutung des Freiheitsbegriffes — wenigstens die Größe eines Satzes verspüren wie den: „Der Mensch darf kein vernünftiges Wesen wider seinen Willen tugendhaft oder weise oder glücklich machen" Fichte lehnt für den in akademischer Freiheit Studierenden und damit für den Menschen als solchen, denn der wesentliche Mensch ist ihm der in Freiheit den Mitmenschen freimachende Mensch, jede Form der Versklavung ab, die in vielfacher Abwandlung, aber immer nach dem gleichen Prinzip verfährt: und willst Du nicht mein Bruder sein, dann schlag’ ich Dir den Schädel ein. Je subtiler dieses Prinzip verschleiert und je feinsinniger es getarnt wird, um so gefährlicher ist es. Akademische Freiheit ist also eine Freiheit, die sich vor dem Mißbrauch und der Willkür ebenso hütet, wie vor der leichtfertigen Bindung an Mächte, die diese Freiheit auf die Dauer beschneiden, beschränken oder gar unmöglich machen. „Was auch immer andere über akademische Freiheit denken mögen, der würdig Studierende für seine Person nimmt sie in dem rechten Sinne, als ein Mittel, sich selbst raten zu lernen, wo kein anderer über ihn wacht, sich selbst antreiben zu lernen, wo es keinen äußeren Antrieb mehr gibt, und so für seinen künftigen hohen Beruf sich zu stärken und zu befestigen" (66; 411). Und nicht nur Fichte ist es, der allen Gefahren des Mißbrauchs zum Trotz diese akademische Freiheit fordert, die ja ihrem Wesen nach nichts anderes als das Selbständigwerden des mündigen Menschen und damit höchstes Verantwortungsbewußtsein für Dinge, Wesen und Mitmenschen meint. Einen philosophisch gereinigten und vorbildlichen Sinn des Wortes vom „Akademiker" zielt auch der bekannte Münsteraner Philosoph und Pädagoge Josef Pieper an, indem er ein vom Dünkel einer pharisäischen und philisterhaften Minderwertigkeit zur Aufwertung der eigenen Insuffizienz mißbrauchtes Wort in seiner wesentlichen Bedeutung wieder kenntlich macht. Pieper versteht unter dem Begriff des Akademischen nicht eine überholte Auffassung von der Notwendigkeit, bestimmten Gesellschaftsschichten ein Bildungsprivileg oder eine anderen unzugängliche Quelle ihres Sozial-prestiges zu bewahren. Akademiker sein, ist keine soziologische, sondern eine ethische Qualität, die, das hatte ja schon Sokrates entdeckt, jeder sozialen Schicht eignen kann. Die oft gerügte Exklusivität des Akademikers, die akademische Haltung, unterscheidet sich zwar von den Vielen, der Masse und Menge, aber nicht aus Eigendünkel. Sie ist wohlgemerkt nicht gegen die Vielen gerichtet. Sie wächst vielmehr aus der Erkenntnis, daß dem Menschen in der Menge nicht dadurch „geholfen" werden kann, daß man seine Lebensform und seine Welt einfach akzeptiert, sondern nur dadurch, daß man ihn als geistiges Wesen beim Wort nimmt und ihn das tief Ungenügende des Durchschnittsdaseins erfahren lehrt Durch die akademische Frei-heit, die eine hohe Verpflichtung und kein Freibrief für Unschickliches, Unregelmäßiges, Unerlaubtes ist, soll der Studierende für seine sokratische Mission befähigt werden, mit, in und durch seinen Beruf selbst frei zu werden, indem er Sachen und Mitmenschen auf das hin freigibt, was sie „sind".

II.

Damit sind wir beim zweiten Teil unserer Überlegungen angelangt. Bringen wir zunächst das bisher Gesagte auf eine Formel. Es hat sich herausgestellt, daß die Frage: was erwarte „ich" von der Universität? bei näherer Betrachtung sich in die andere, wesentlichere verwandeln muß: was erwartet die „Universität" von mir? Dadurch werden die Verhältnisse wieder ins rechte Lot gebracht, daß gefragt wird: bin ich in der Tat fähig zu all dem, was dort von mir verlangt wird? Gewiß, die Universität gibt es nicht! Es gibt nur Universitäten und Hochschulen, die mitunter nach recht verschiedenen Prinzipien geordnet sind. Man denke etwa nur an die mittelalterliche Universitas magistrorum et scholarum oder an das englische College-System oder an den französischen Fachschul-Typ Aber nicht um die Spielarten soll es uns hier zu tun sein, sondern um die Idee der deutschen Universität.

Wer von den heftigen Kämpfen um die soge-nannte Hochschulreform Notiz genommen hat, weiß, daß auch und gerade diese Idee erbittert umstritten ist. Vielleicht wird sogar der eine oder andere Abiturient und Student, dem es nur darum zu tun ist, möglichst bald in die von ihm selbst oder von seinen Eltern gewünschte finanzielle Unabhängigkeit zu kommen, es nicht einmal bedauern, daß die deutsche Universität immer stärker ihre Eigenständigkeit und akademische Freiheit verliert und sich unter dem Druck äußerer Einflüsse zur Fachschule hin entwickelt. Man hält heute vielfach das Erwerbsleben für die angemessene Weise, das Leben zu erwerben. Manch einer wird vielleicht sogar im Bestreben des sogenannten Studium generale, das den „ersten Semestern" allgemeinbildende Vorlesungen zur Pflicht macht, um dadurch der Spezialisierung und Versachlichung entgegenzuwirken (an sich eine problematische Sache, weil die Verhältnisse hierbei nicht grundsätzlich genug angepackt werden und man zwar beim geringsten Widerstand, den „ersten Semestern", ansetzt, aber gerade dadurch eigentlich unlogisch vorgeht; denn statt diese im wesentlichen noch unspezialisierten Semester, im erfahrungsgemäß doch recht blinden Vertrauen darauf, daß „es hält", zu bereden, müßte man bei den „höheren Semestern" einhaken, die sich als Spezialisten fühlen und es oft inzwischen wirklich geworden sind), einen unerträglichen Zwang erblicken, der ihn Zeit kostet und damit, denn time is money, den möglichst bald ersehnten Erwerb verzögert. Vielleicht wird mancher in völliger Verkennung des Wesens akademischer Freiheit sogar gegen die Auflage, etwas um seiner selbst willen zu treiben und vom Zweck-und Nutzungsgesichtspunkt absehen zu lernen, ausgerechnet im Namen der akademischen Freiheit zu Felde ziehen. Vielleicht wird aber auch der eine oder andere erkennen, daß der Nutzen des Ertrags-und Konsumdenkens anderer Art ist als die Nutzung der akademischen Freiheit, durch die sich — wie Fichte einsehbar gemacht hat — nicht nur ein echtes Berufsethos, sondern ein wirkungsvolles Menschheitsethos entwickeln soll. vergnügen, auf das sorgfältigste abzusondern. Alle Zeit, die er diesen letztem widmete, würde er seinem künftigen Berufe zu entziehen glauben und sich diesen Raub nie vergeben ... Jede Erweiterung seiner Brotwissenschaft beunruhigt ihn, weil sie ihm neue Arbeit zusendet oder die vergangene unnütz macht; jede wichtige Neuerung schreckt ihn auf, denn sie zerbricht die alte Schulform, die er sich so mühsam zu eigen machte, sie setzt ihn in Gefahr, die ganze Arbeit seines vorigen Lebens zu verlieren. .. Darum kein unversöhnlicherer Feind, kein neidischerer Amtsgehilfe, kein bereitwilligerer Ketzermacher als der Brotgelehrte. Je weniger seine Kenntnisse durch sich selbst ihn belohnen, desto größere Vergeltung heischt er von außen ... Beklagenswerter Mensch . .., der im Reiche der vollkommensten Freiheit eine Sklavenseele mit sich herumträgt! ... Noch beklagenswerter aber ist der junge Mann von Genie, dessen natürlich schöner Gang ... auf diesen traurigen Abweg verlenkt wird ... Bald wird seine Berufswissenschaft als ein Stückwerk ihn anekeln ... Er fühlt sich abgeschnitten, herausgerissen aus dem Zusammenhang der Dinge, weil er unterlassen hat, seine Tätigkeit an das große Ganze der Welt anzuschließen ...

Wie anders verhält sich der philosophische Kopf! — Ebenso sorgfältig, als der Brotgelehrte seine Wissenschaft von allen übrigen absondert, bestrebt sich jener, ihr Gebiet zu erweitern und ihren Bund mit den übrigen wieder herzustellen — herzustellen sage ich, denn nur der abstrahierende Verstand hat jene Grenzen gemacht, hat jene Wissenschaften voneinander geschieden. Wo der Brotgelehrte trennt, vereinigt der philosophische Geist. Frühe hat er sich überzeugt, daß im Gebiete des Verstandes, wie in der Sinnenwelt, alles ineinander greife, und sein reger Trieb nach Übereinstimmung kann sich mit Bruchstücken nicht begnügen ... Neue Entdeckungen im Kreise seiner Tätigkeit, die den Brot-gelehrten niederschlagen, entzücken den philosophischen Geist ... Für ihn arbeiten alle Köpfe — alle Köpfe arbeiten gegen den Brot-gelehrten. Jener weiß alles, was um ihn geschieht und gedacht wird, in sein Eigentum zu verwandeln — zwischen denkenden Köpfen gilt eine innige Gemeinschaft aller Güter des Geistes; was einer im Reich der Wahrheit erwirkt, hat er allen erworben . .. Nicht was er treibt, sondern wie er das, was er treibt, behandelt, unterscheidet den philosophischen Geist. Wo er auch stehe und wirke, er steht immer im Mittelpunkt des Ganzen ...“

Wohl sollte es keinem Zweifel unterliegen, daß das klassisch-deutsche Ideal einer allseitigen „Bildung" in „Einsamkeit und Freiheit", wie es der Soziologe Helmut Schelsky mit Recht kritisiert hat trotz aller Versuche nach außen zu wirken, zu ausschließlich von der inneren „Persönlichkeit“ beeindruckt ist. Angesichts der Erfordernisse der modernen Arbeitswelt wurde offenbar, daß hier zu einseitig — wie der im vergangenen Jahre verstorbene Nestor der deutschen Philosophie Theodor Litt es einmal ausgedrückt hat —, „einer Bildung unter der Glasglocke der Innerlichkeit das Wort" geredet wurde Aber, wer wollte gerade heute die Augen davor verschließen, daß wir in einem immer'weiter fortschreitenden Prozeß verwickelt sind, in welchem die „kalte Indifferenz" der Technik und Naturwissenschaft unserer Tage in die Gefahr bringt, den Menschen über der Sache zu vergessen?

Trotzdem ist es nicht mehr zeitgemäß, die eine Wissenschaftsart gegen die andere aus-zuspielen und Genie und Fleiß auf die Frage zu verwenden, ob den Geisteswissenschaften oder den Naturwissenschaften der höhere Bildungswert zuzuerkennen ist. Forscher von beiden Seiten haben überzeugend nachgewiesen, daß nicht nur etwa die Alten Sprachen, sondern in bedeutsamer Weise etwa auch die Mathematik den Menschen zu „bilden"

verstehen Heute kommt es auf etwas anderes an. Nachdem wir im Zeitalter der Diktatur mit erschütternder Eindringlichkeit erfahren mußten, daß es in beiden Wissenschaftsbereichen an Gelehrten keinen Mangel hatte, die sich gegen die primitivsten Gesetze der Menschlichkeit vergangen haben, tritt das Problem der Idee der Universität in der denkbar konkretesten Form als das Problem des Menschen ans Licht.

Gerade die feinsinnigsten Geisteswissenschaftler waren in der Hitler-Diktatur den größten Anfechtungen ausgesetzt und haben in der primitivsten aller bisherigen Ideologien Kraft und Größe aufzuweisen unternommen. Gerade die verbissensten Forscher haben sich, etwa als KZ-Ärzte, am maßlosesten gegen die Menschlichkeit vergangen, indem sie Menschen wie Versuchskaninchen „verbrauchten". Auch Fachleute können Rohlinge sein, auch Kenner Barbaren. Heute dagegen zeigt die ethische Diskussion, beispielsweise der an der Entwicklung der Atombombe beteiligten Forscher, daß in der Wissenschaft wieder das Gewissen entdeckt worden ist, für das bis-lang allein die Theologen noch einige Aufmerksamkeit erübrigten. Heute geht es nicht um den Vorrang der Geistes-Wissenschaften oder aber der Natur-Forschung, sondern um die Geist-Natur des Menschen, ja, um des Menschen Sein oder Nichtmehr-Sein. Vielleicht rückt gerade diese abschließende Betrachtung etwas in den Blick, was angesichts des Streites der Fakultäten, angesichts der nicht wegzuleugnenden, vielbeklagten, aber hingenommenen Zerrissenheit der Universität in viele einzelne, untereinander durch nichts als die gleiche formale Bezeichnung „Universität" noch zusammengehaltene Fachschafts-Teams, über alle tiefen Klüfte und selbstaufgeworfenen Barrikaden hinweg ein gemeinsames Band zu knüpfen vermag. Wir meinen: den Menschen. Blaise Pascal, dessen 300. Todestages wir uns im vergangenen Jahr erinnert haben, hat in dem berühmten Fragment 72 seiner „Pensees" einen Gedanken ausgesprochen, der gut verdeutlicht, worauf wir hinauswollen. „Die Teile der Welt stehen alle derart in Zusammenhang, sind so eins mit dem andern verflochten, daß ich es für unmöglich halte, einen ohne den andern und ohne das Ganze zu verstehen... Der Mensch steht in Beziehung zu allem, was er kennt. Er braucht Raum, den er erfüllt, Zeit, um zu dauern, Bewegung, um zu leben, Elemente, die ihn aufbauen, Wärme und Nahrung, die ihn nährt, Luft, um zu atmen; er sieht das Licht, er fühlt die Körper; kurz, alles ist ihm verbunden. Folglich müßte man, um den Menschen zu verstehen, notwendig wissen, weshalb er zum Leben Luft braucht; um die Luft zu begreifen, müßte man wissen, woher sie in dieser Beziehung zum Leben des Menschen steht, usw. Die Flamme brennt nicht ohne die Luft; also um eines zu kennen, muß man das andere kennen. Da folglich jegliches Ding verursacht und verursachend ist, bedingt und bedingend, mittelbar und unmittelbar, da alle durch ein natürliches, unfaßbares Band verbunden sind, das das Entfernteste und Verschiedenste umschlingt, halte ich weder für möglich, die Teile zu kennen, ohne daß man das Ganze kenne, noch für möglich, daß man das Ganze kenne, ohne daß man im einzelnen die Teile kenne"

Die Quintessenz dieses Gedankenganges ist: alle Wissenschaften, nicht nur die Geisteswissenschaften, genau so gut auch die Naturwissenschaften, müssen mithelfen, wenn es darum geht, an der Lösung der alle Wissenschaften beschäftigenden Frage mitzuarbeiten: was ist der Mensch? Sie müssen aber zugleich erkennen, daß der Mensch es ist, der, in der Mitte stehend, sie zueinander in Beziehung setzt, und nicht, was wissenschaftlicher Fachegoismus oder Überheblichkeit mancher philosophischen Richtungen vermeinte, ausgerechnet die eigene Meinung über den Menschen absolut gesetzt werden kann. In einer Zeit, in der das Denken des Philosophen Karl Marx die Menschheit in zwei unvereinbar scheinende Welten auseinandergerissen hat, deren jede auf Grund der Forschungen der Natur-wissenschaftler in der Lage ist, dem Anders-denkenden das Lebenslicht auszublasen, sollte die Universität sich auf ihre Mission besinnen und in einer Welt der potentiellen und aktuellen Unmenschlichkeit und des menschlichen Unwesens die Einheit der Wissenschaft neu erfahrbar machen, und zwar vom Wesen und der Würde des Menschen aus Theodor Litt hat einmal darauf aufmerksam gemacht, daß eigentlich alle Wissenschaften den Drang verspüren, von ihren Positionen aus zu der Frage: Was ist der Mensch? Stellung zu nehmen. Der Mensch bildet in der Tat den Kreuzungspunkt der gesamten wissenschaftlichen Arbeit und, selbst wenn man einen Strauß von Antworten erhalten würde, so man den verschiedenen Fakultäten und Abteilungen, Universitäten und Hochschulen die Frage nach dem Menschen vorlegt, es würde offenbar werden, daß es keine wissenschaftliche Methode gibt, die nicht in irgendeinem Sinn und Maß an der Erforschung des „Menschen" beteiligt ist In einer Welt, in der die Atomphysiker angesichts der möglichen Konsequenzen ihrer wissenschaftlichen Entdeckungen gewissermaßen über dem Fürchten wieder das Beten gelernt haben und in der die Theologen im Vertrauen auf die Wirklichkeit ihres erneuerten Glaubens endlich das Fürchten vor der Wissenschaft verlernt haben und sich der wissenschaftlichen Forschung ebenfalls mit Aufmerksamkeit widmen, sollte es an der Zeit sein, dem Auseinanderbrechen und dem fortschreitenden Verfall der Universitäten und Fakultäten, von der Einheitlichkeit des Menschen aus zu wehren, selbst wenn die Verwicklungen seines Wesens manches Problem stellen. Nicht zu Unrecht hat der Wiener Pädagoge Richard Schwarz festgestellt, daß die uns geläufig gewordene Form der modernen Universität heute nicht mehr der Ort ist, „an dem die großen Entscheidungen fallen, von wo aus kritisch und mahnend zu den Gefahren unserer Zeit das Wort ergriffen und zu konstruktiven Ideen der Mut genommen wird“ Aber, wie soll die Universität dies leisten, wenn sie gezwungen wird, sich der Faktizität des nachneuzeitlichen Getriebes und Gedröhns und den sog. gesellschaftspolitischen Notverordnungen unterzuordnen? Man ist unredlich, wenn man die Universität zwingt, sich dem Mittelmaß und seinen Bedürfnissen anzupassen und ihr dann ihre Wirkungslosigkeit, ihr Versagen, ihre Schwäche vorwirft...

Es ist an der Zeit, zu überdenken, wie weit wir den Prozeß der Geschäfte und Gemächte treiben wollen. Machen wir Schluß mit der Anpassung der Universität an unsere „Ansprüche", die ihren „Anspruch" nicht mehr wahrhaben wollen. Fragen wir lieber aus einer aufs Ganze und damit auch auf unsere Gesellschaft gerichteten Veranwortung: was erwartet die Universität ihrer Menschheits-Idee nach von mir als Mensch? Versuchen wir nicht, der Universität eine beschränkte, besonderen Zwecken dienende Organisation aufzudrängen. Zum Grundcharakter der deutschen Universität gehört, das hat der Nestor der deutschen Pädagogik Eduard Spranger klar ausgesprochen, das „Unorganisierte", denn „das Schöpferische, Neue, der Entdecker-geist fügt sich nicht in Formen, die im voraus fertig sind" Starren wir nicht auf vorübergehende, zeitbedingte Anpassungsformen des Universitätsbetriebes, sondern fühlen wir den Blick der Idee der Universität auf uns gerichtet. Fühlen wir uns aber zugleich für das weitere Schicksal der Universität mitverantwortlich; denn Kriterium der Realitätsgebundenheit unseres Studierens in der Universität ist, daß wir für sie Verantwortung empfinden. Der Spruch Ernst Blochs, von dem wir ausgegangen sind: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst", spricht nicht nur von den Stufen der Entwicklung, in welcher wir Vorläufiges mit der Zeit und durch das Hinzutreten von äußerer Hilfe überholen und hinter uns lassen, von der Zwischenzeit zwischen Schule und Hochschule. Er spricht auch in einem sehr strengen Sinne von einem Prozeß, der sich in einem jeden von uns, ob er nun jung oder alt ist, ständig aufs neue wiederholt. Er gibt uns nicht nur einen Hinweis auf die Zukunft, sondern läßt uns auch das Wesensgesetz jeder echten Gegenwart erkennen, in der wir immer erneut sagen müssen: „Ich bin. Aber ich habe mich nicht. Darum werden wir erst".

Gerade für den Abiturienten und jungen Studenten aber hat die Zukunft begonnen. Er sollte jedoch nie über allem Fortschritt und Vorwärtskommen vergessen, sich ab und zu grundsätzlich zu fragen: sitze ich nicht etwa im falschen Zug? Es ist ja nicht allein wichtig, vorwärts zu kommen, sondern wir müssen ankommen, und zwar am richtigen Ziel ankommen. Und noch eines sollte man nie vergessen: es ist nicht erwünscht, daß eine schlechte Zukunft auf uns zu kommt, sondern daß es die rechte ist. Wenn der Abiturient in diesem Geiste in das Leben der Universität eintritt, dann wird der „lebendige Geist", den der Philosoph Karl Jaspers als die Idee der Universität erkannt hat gerade durch den Studenten wieder wahrhaft lebendig werden, und der Zug ins Ideale, der zum Wesen des Akademischen gehört, wird über alle Unmenschlichkeit triumphieren.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Ernst Bloch, Spuren. Neue erweiterte Ausgabe, 1962, 7.

  2. Theodor Ballaufs, Systematische Pädagogik, 1962, 46f

  3. Eduard Spranger, Psychologie des Jungendalters, 1924. 230.

  4. Theodor Ballauffs „systematische Pädagogik" versucht, im Sinne dieses ontologisch verstandenen Grundsatzes, über Wille und Selbst, Reflexivität und Subjektivität, Selbstherrlichkeit und Persönlichkeit hinauszukommen und die geheime Kehre der „Bildung“, die alles als „unser Werk“ haben möchte, in Richtung auf das Sein von Sachen, Wesen und Mitmenschen zu überwinden, und zwar durch Ausgang vom „Denken". Vgl. vom gleichen Vers., Erwachsenenbildung. Sinn und Grenzen, 1958. In ähnlichem Sinne bemüht sich, von Ballaufs angeregt, Klaus Schaller, Die Krise der humanistischen Pädagogik (und der kirchliche Unterricht. Eine pädagogische Skizze, 1961) darzustellen und „Sachlichkeit und Mitmenschlichkeit" als den Sinn von Bildung heute zu erweisen, 87- 95.

  5. Karl Jaspers, Die Idee der Universität, 1946, 96.

  6. Johann Gottlieb Fichte, Uber das Wesen des Gelehrten und seine Erscheinungen im Gebiete der Freiheit (Fichtes Werke, ed. Fritz Medicus), 5. Bd., 33; Gesamtausgabe (ed. I. H. Fichte) VI, 378.

  7. Richard Schwarz, Studium generale als Problem des Wissens und der Bildung. Ein Beitrag zur geistigen Situation der Hochschulen, in Vjschr. f. wiss. Pädag., Jg. 29, 1953, H. 4 und Jg. 30, 1954, H. 1, S. 4. Vom gleichen Vers, vgl.: Wissenschaft und Bildung, 1957. Zur Erläuterung der Ausdrücke vgl. Johannes Erich Heyde, Die akademischen Grundbegriffe und ihre Herkunft, in: Humanismus und Technik, 1962, 77— 80.

  8. Erich Weniger, Bildsamkeit und Bildungserbe in unserer Zeit, in: Erziehung zur Menschlichkeit. Die Bildung im Umbruch der Zeit. Festschrift für Eduard Spranger zum 75. Geburtstag, hrsg. von H. Walter Bähr, Theodor Litt, Nikolaus Louvaris, Hans Wenke, 1957, 334.

  9. über den Wert des Planens siehe: Josef Dolch, Einige Gedanken über Planung als Hilfe und Hemmung, in: Welt und Schule — Ztschr. f. Unterr. u. Erz., H. 8/1962, 337— 348.

  10. Spranger. 253.

  11. vgl.den Bericht über eigene Erfahrungen: Frank Thieß, Studentische Freiheit, in: Mainzer Allgemeine Zeitung, Feuilleton 31. 10. 1962: „Zwischen Professoren und Studenten, die sich untereinander kaum dem Namen nach kannten, be-stand eine Respektkluft, über die nur eiserne Streber hinwegzuturnen vermochten; sie saßen blaßwangig in den Proseminarien und schrieben alles mit, was die Gottheit vom Katheder verkündete. Hier erlebte ich zum erstenmal das, was ich später den Schaltergeist nannte: wir standen vergleichsweise in einer Schlange, und wenn einer so weit war, daß er sich Auge in Auge vor dem Lehrer befand, sah dieser in ihm einen unter Tausenden, den er möglichst rasch und genau abfertigen mußte. Den meisten Kommilitonen war dieser Schaltergeist vertraut, ja sie träumten davon, möglichst bald selbst hinter dem Schalter sitzen zu können ... Ich bewunderte ihn (gemeint ist der Historiker Delbrück) hemmungslos, aber als ich ihn einmal anzusprechen wagte, erschrak er über das fremde Kindergesicht, lächelte verbindlich und sah, während er anwortete, über mich hinweg in die Ferne der Jahrtausende ..." Sehr instruktiv sind auch die sechs öffentlichen Reden Friedrich Nietzsches, über die Zukunft unserer Bildungsanstalten, in: Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hrgb. von Karl Schlechta, 2., durchgesehene Auflage 1960. Band III, 252 f.: „Wenn ein Ausländer unser Universitätswesen kennenlernen will, so fragt er zuerst mit Nachdruck: . Wie hängt bei euch der Student mit der Universität zusammen?'Wir antworten: . Durch das Ohr, als Hörer'. Der Ausländer erstaunt. , Nur durch das Ohr?'fragt er nochmals. Nur durch das Ohr', antworten wir nochmals. Der Student hört. Wenn er spricht, wenn er sieht, wenn er gesellig ist, wenn er Künste treibt, kurz, wenn er lebt, ist er selbständig, das heißt unabhängig von der Bildungsanstalt .. . Häufig liest der Pro während er spricht. Im allgemeinen will er möglichst viele solche Hörer haben, in der Not begnügt er sich mit wenigen, fast nie mit einem. Ein redender Mund und sehr viele Ohren, mit halbsovielen schreibenden Händen — das ist der äußerliche akademische Apparat, das ist die in Tätigkeit gesetzte Bildungsmaschine der Universität. Im übrigen ist der Inhaber dieses Mundes von den Besitzern der vielen Ohren getrennt und unabhängig: und diese doppelte Selbständigkeit preist man mit Hochgefühl als . akademische Freiheit’ *.

  12. Fichte, siehe Anm. 6. Sechste Vorlesung, über die akademische Freiheit. 5. Bd., 55— 66; VI, 400— 411; (56, 401).

  13. Fichte, Einige Vorlesungen über die Bestimmung des Gelehrten. Edit. Medicus 1. Bd., 21 j GA VI, 309.

  14. Josef Pieper, Was heißt akademisch? oder: Der Funktionär und der Sophist, in: Hochland, 43 Jg., 1950/51, 421— 443.

  15. Helmut Coing, über die Ziele des Universitätsstudiums. Vier Smmatrikulationsreden. Frankfurter Universitätsreden. H. 19, 1958. Kurt Zierold, über die zweifache Aufgabe der wissenschaftlichen Hochschulen und das dreifache Ziel des Hochschulunterrichts, in: Universitätszeitung, Februar 1962, 3— 6.

  16. Friedrich v. Schiller, Sämtliche Werke, 2. Bd., Leipzig-Wien. „Was heißt und zu welchem Ende studiert man Universalgeschichte? Eine akademische Antrittsrede, 951 ff.

  17. Helmut Schelsky, Einsamkeit und Freiheit. Zur sozialen Idee der deutschen Universität, 1960. Trotz der „Allbekanntheit“ der von Wilhelm von Humboldt konzipierten Idee der Universität „scheint mir ihre eine Hälfte fast völlig vergessen zu sein, nämlich der soziale Vorstellungsgehalt, der mit ihr verknüpft ist" (7). Die „Freiheit der Wissenschaft besteht vor allem darin, sie und damit das Leben der Professoren und Studenten vom unmittelbaren Zusammenhang mit der Welt des praktischen sozialen und beruflichen Handelns, sei es in Staat oder Wirtschaft, zu lösen" (24) Schelsky zeichnet schwarz auf weiß, wenn er andeutet, „daß hinter der . hilfreichen Einsamkeit', die Humboldt der Universität als Grundprinzip zuschreibt, daß hinter Fichtes Wissenschaftskaserne die institutionelle Grundidee abendländischer Bildung steht: das Kloster" (25) Zu Wilhelm v. Humboldt aber auch: Eduard Spranger, Wilhelm von Humboldt und die Reform des Bildungswesens. Unveränderte Neuausgabe des 1910 erschienenen Buches, allerdings mit Zusätzen, 1960.

  18. Theodor Litt, Das Bildungsideal der deutschen Klassik und die moderne Arbeitswelt, 1955, 140. (Heft 15 der Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimaldienst). Hellmuth Becker, Quantität und Qualität. Grundfragen der Bildungspolitik, 1962, betont, daß zur „Bildung" heute gehören: Zuverlässigkeit, Mobilität, Weltverständnis.

  19. Litt, 76, 140.

  20. Aus der zahlreichen Literatur sei herausgegriffen und verwiesen auf: Eduard Spranger, Erich Haag, Der Sinn des altsprachlichen Gymnasiums in der Gegenwart, 1960, und Heinrich Scholz, Bildungswerte der Mathematik, in: Erziehung zur Menschlichkeit (vgl. Anm. 14), 119— 124, sowie Kurt Strunz, Pädagogische Psychologie des mathematischen Denkens, 4., stark erweiterte Auflage 1962. Interessant ist auch: Martin Wagenschein, Die pädagogische Dimension der Physik, 1962, der sowohl der „Entstehung der Physik im Menschen" als auch der „Bildung des Menschen im Physikunterricht" Rechnung trägt

  21. Blaise Pascal, über die Religion und über einige andere Gegenstände (Pensees). übertr. u. hrgb. von Ewald Wasmuth, 1948, 47 f.

  22. Vgl. Otto Friedrich Bollnow, Das Schicksal der Menschlichkeit in unserer Zeit, in: Die Herausforderung des Pädagogen durch die heutige Zeit. Hrgb. von Luise Besser, Erika Hoffmann, Minnie Stahl, Frieda Sopp, 1962; Otto Friedrich Bollnow, Maß und Vermessenheit des Menschen. Philosophische Aufsätze. Neue Folge, 1962. In einer ausgezeichneten und fast vergleichslosen Weise ist Otto Friedrich Bollnow unserer Zeit, die aus gutem Grund zu den Hoch-Ethiken keinen direkten Zugang mehr hat, durch sein lebendiges Erfassen der Gegenwartsfragen des sittlichen Lebens entgegengekommen. Er hat mit vielen seiner Schriften in besonderem Maße zur Bestandsaufnahme der Voraussetzungen für eine lebendige, gewissermaßen von unten aufzubauende Sittlichkeit beigetragen: Einfache Sittlichkeit. Kleine philosophische Aufsätze, 1947, 1962 3; Wesen und Wandel der Tugenden, 1958.

  23. Theodor Litt, Die Sonderstellung des Menschen im Reich des Lebendigen, in: Geistige Gestalten und Probleme. Eduard Spranger zum 60. Geburtstag, 1942, 217.

  24. Richard Schwarz, Freiheit und Verantwortung des Hochschullehrers, in: Salzburger Nachrichten, 9. 12. 1961.

  25. Eduard Spranger, Gedanken zur Daseinsgestaltung. Hrgb. von H. Walter Bähr, 1954, 154 f.

  26. Karl Jaspers, Vom lebendigen Geist der Universität und vom Studieren. Zwei Vorträge von Karl Jaspers und Fritz Ernst, 1946 8 Vgl auch: Karl Jaspers und Kurt Rossmann, Die Idee der Universität tür die gegenwärtige Situation entworfen von K. J. und K. R., 1961.

Weitere Inhalte

Richard Wisser, Dr. phil., wiss. Assistent am Philosophischen Seminar I der Universität Mainz; geb. 5. Januar 1927 in Worms. Veröffentlichungen u. a.: „Jaspers als Blickpunkt für neue Einsichten" (mit A. Sahm), 1952; „Sinn und Sein. Ein philosophisches Symposion" (Hrsg.), 1960; Aufsätze in deutschen und ausländischen Sammelbänden, Lexika und wissenschaftlichen Zeitschriften.