Deutsches Zentralarchiv Potsdam Reichskanzlei Nr. 2476, Bl. 46-53
Die Septemberdenkschrift Bethmann Hollwegs (Konzept) 1) An den Staatssekretär des Innern Kgl. Staatsminister Herrn Dr. Delbrück Berlin. Eigenhändig. e(x) o(fficio) RK 160 G. H. Ganz geheim.
Großes Hauptquartier, 9. Sept. 14.
Euer Excellenz übersende ich in der Anlage eine vorläufige
Es käme nun darauf an, im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt
Sollten Eure Excellenz der Ansicht sein, daß es — bei der Eigenart unserer an Ressortgesichtspunkten zähe festhaltenden Beamten, von denen nicht alle imstande sein werden, sich plötzlich einer neuen und weiteren Perspektive zuzuwenden — sich empfiehlt, die erst in zweiter Linie beteiligten Ressorts nur in Einzelfragen gutachtlich zu hören, so wäre ich meinerseits mit einem solchen Verfahren einverstanden, in dem Bewußtsein, daß der Hauptteil der Aufgabe am besten in Ihrer persönlichen Initiative und Führung liegt.
S. M.der Kaiser kommt immer von neuem auf den Gedanken zurück, daß eventuell von Belgien und Frankreich zu annektierende Gebietsteile evacuiert und mit Militärkolonien in der Form von Landzuwendungen an verdiente Unteroffiziere und Mannschaften besiedelt werden müßten. Ich verkenne nicht, daß dieser Gedanke viel Bestechendes hat, in der Ausführung aber wohl großen Schwierigkeiten begegnen wird. Immerhin wäre zu überlegen, ob sich nicht eine Formel finden läßt, in der eine solche Expropr[i]ierung in dem Präliminarfrieden dem besiegten Staate 'n gewissem Umfang
Schlußformel
Rk.
[Paraphe Riezlers] 8 9 2) Unterstaatssekretär Zimmermann Berlin Ganz geheim.
Großes Hauptquartier, 9. Sept. 14.
Euer pp. lasse ich in der Anlage ein Schreiben, das ich heute an Excellenz Delbrück gerichtet habe, zu Ihrer persönlichen Information zugehen.
Rk.
i. m.
gez. v. Bethmann Hollweg [Paraphe Riezlers] 9 9.
Zu Rk. 160 G. H.
Das allgemeine Ziel des Krieges:
Sicherung des Deutschen Reiches nach West und Ost auf erdenkliche Zeit. Zu diesem Zweck muß Frankreich so geschwächt werden, daß es als Großmacht nicht neu erstehen kann, Rußland von der deutschen Grenze nach Möglichkeit abgedrängt und seine Herrschaft über die nichtrussischen Vasallenvöiker gebrochen werden.
Die Ziele des Krieges im einzelnen:
1. Frankreich. Von den militärischen Stellen zu beurteilen, ob die Abtretung von Beifort, des Westabhangs der Vogesen, die Schleifung der Festungen, die Abtretung des Küstenstrichs von Dünkirchen bis Boulogne
In jedem Falle abzutreten, weil für die Erzgewinnung unserer Industrie nötig, das Erzbecken von Briey.
Ferner eine in Raten zahlbare Kriegsentschädigung; sie muß so hoch sein, daß Frankreich nicht imstande ist, in den nächsten 15— 20 Jahren erhebliche Mittel für Rüstungen aufzuwenden.
Des weiteren: ein Handelsvertrag, der Frankreich in wirtschaftliche Abhängigkeit von Deutschland bringt, es zu unserem Exportland macht und uns ermöglicht, den englischen Handel in Frankreich auszuschalten. Dieser Handelsvertrag muß uns finanzielle und industrielle Bewegungsfreiheit in Frankreich schaffen — so, daß deutsche Unternehmungen nicht mehr anders als französische behandelt werden können.
2. Belgien. Angliederung von Lüttich und Verviers an Preußen, eines Grenzstrichs der Provinz Luxemburg an Luxemburg.
Zweifelhaft bleibt, ob Antwerpen mit einer Verbindung nach Lüttich gleichfalls zu annektieren ist.
Gleichviel, jedenfalls muß ganz Belgien, wenn es auch als Staat äußerlich bestehen bleibt, zu einem Vasallenstaat herabsinken, in etwa militärisch wichtigen Hafenplätzen ein Besatzungsrecht zugestehen, seine Küste militärisch zur Verfügung stellen, wirtschaftlich zu einer deutschen Provinz werden. Bei einer solchen Lösung, die die Vorteile der Annexion, nicht aber ihre innerpolitisch nicht zu beseitigenden Nachteile hat, kann franz. Flandern mit Dünkirchen, Calais und Boulogne, mit großenteils flämischer Bevölkerung diesem veränderten Belgien ohne Gefahr angegliedert werden. Den militärischen Wert dieser Position England gegenüber werden die zuständigen Stellen zu beurteilen haben.
3. Luxemburg wird deutscher Bundesstaat und erhält einen Streifen aus der jetzt belgischen Provinz Luxemburg und eventuell die Ecke von Longwy.
4. Es ist zu erreichen die Gründung eines mitteleuropäischen Wirtschaftsverbandes durch gemeinsame Zollabmachungen, unter Einschluß von Frankreich, Belgien, Holland, Dänemark, Österreich-Ungarn, Polen und eventuell Italien, Schweden und Norwegen. Dieser Verband, wohl
5. Die Frage der kolonialen Erwerbungen, unter denen in erster Linie die Schaffung eines zusammenhängenden mittelafrikanischen Kolonialreichs anzustreben ist, desgleichen die Rußland gegenüber zu erreichenden Ziele werden später geprüft.Als Grundlage der mit Frankreich und Belgien zu treffenden wirtschaftlichen Abmachungen ist eine kurze provisorische, für einen eventuellen Präliminarfrieden geeignete Formel zu finden.
6. [Nachtrag] 9) Holland. Es wird zu erwägen sein, durch welche Mittel und Maßnahmen Holland in ein engeres Verhältnis zu dem Deutschen Reiche gebracht werden kann.
Dies engere Verhältnis müßte bei der Eigenart der Holländer von jedem Gefühl des Zwanges für sie frei sein, an dem Gang des holländischen Lebens nichts ändern, i
Dies engere Verhältnis müßte bei der Eigenart der Holländer von jedem Gefühl des Zwanges für sie frei sein, an dem Gang des holländischen Lebens nichts ändern, ihnen auch keine veränderten militärischen Pflichten bringen, Holland also äußerlich unabhängig belassen, innerlich aber in Abhängigkeit von uns bringen. Vielleicht