Vor einem Jahr wurde der Öffentlichkeit erstmals ein umfassender Bericht über die rechtsradikalen und antisemitischen Bestrebungen in der Bundesrepublik vorgelegt, der im In-und Ausland starke Resonanz gefunden hat. Dieser Bericht hat dazu beigetragen, die Wachsamkeit der demokratischen Kräfte gegenüber rechtsradikalen Bestrebungen zu schärfen und gleichzeitig irrige Vorstellungen über Ausmaß und Einfluß dieser Kräfte zu berichtigen. Seine Wirkung auf die rechtsradikalen Kräfte selbst hat gezeigt, daß durch eine Offenlegung ihrer zahlenmäßigen Schwäche und organisatorischen Zerrissenheit die Zerfallserscheinungen in diesen Gruppen erheblich beschleunigt werden.
Auch im vergangenen Jahr wurden — wie im letzten Erfahrungsbericht angekündigt — die gegen die freitheitliche demokratische Grundordnung gerichteten Bestrebungen rechtkradikaler Kräfte keinen Tag aus den Augen gelassen. Wenn trotzdem nach der Veröffentlichung des letzten Erfahrungsberichtes Stimmen laut wurden, die vermuteten, das Problem des Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik werde von der Bundesregierung damit als erledigt betrachtet, so zeigt die vorliegende Untersuchung, daß dies nicht zutrifft. Nach wie vor haben die Staatsschutzbehörden in unbeirrbarer Kleinarbeit auch die geringfügigen Anhaltspunkte zusammengetragen, die auf ein Fortleben derartiger Bestrebungen hindeuten. Der folgende Bericht gibt einen Überblick über das gesamte Material und die daraus gezogenen Schlüsse. Dabei wird nicht verkannt, daß in der Bevölkerung der Bundesrepublik auch rechtsradikale Neigungen schlummern können, die keinen Niederschlag in den Mitglieder-zahlen rechtsextremer Gruppen oder dem Stimmenanteil nationalistischer Parteien bei Wahlen finden. Ihretwegen verdienen die Auflageziffern und die Tendenz rechtsradikaler Verlagserzeugnisse besondere Aufmerksamkeit.
SKIZZE 3 TATMOTIVE OER URHEBER NAZISTISCHER UND ANTISEMITISCHER
SKIZZE 3 TATMOTIVE OER URHEBER NAZISTISCHER UND ANTISEMITISCHER
Auch im Jahre 1962 unterlagen Stärke, Aktivität und Wirkungsmöglichkeiten rechtsradikaler Bestrebungen im Bundesgebiet besonderen Einflüssen des Zeitgeschehens.
Die von diesen Kräften immer wieder vorausgesagten Erschütterungen der deutschen Nationalwirtschaft als Folgen einer angeblich verfehlten Wirtschafts-, Währungs-und Sozialpolitik der Bundesregierung blieben aus. Alle ihre Bemühungen, die politische Entwicklung agitatorisch für sich zu nützen, hatten keinen nennenswerten Erfolg. Nationalistische Neutralitätsparolen fanden bei der deutschen Bevölkerung vor dem Hintergrund der Bedrohung Berlins, der entschlossenen Haltung der USA während der Kuba-Krise und angesichts der Aggression Rotchinas auf das bündnisfreie Indien kein nennenswertes Echo.
So entfielen bei den Landtagswahlen in Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein auf rechtsradikale Parteien nur noch 0, 1 bis 0, 4 Prozent der Stimmen. Diese nahezu einhellige Ablehnung rechts-extremer Tendenzen durch den deutschen Wähler konnte nicht ohne Rückwirkungen auf die Träger dieser Anschauungen bleiben. Darüber hinaus hatten auch die im Jahre 1962 in Großbritannien, Belgien, Frankreich, Italien, Argentinien und der Schweiz getroffenen Maßnahmen gegen den internationalen Faschismus Auswirkungen auf entsprechende Bestrebungen im Bundesgebiet.
Zu welchen Ergebnissen diese Entwicklung im Gesamtbereich rechtsextrem orientierter Gruppen geführt hat, ist nachstehend untersucht und mit dem Erkenntnisstand des Jahres 1961 verglichen worden.
I. Träger rechtsradikaler Tendenzen im Bundesgebiet
INHALT I. Träger rechtsradikaler Tendenzen im Bundesgebiet II. Argumentation, Parolen III. Rechtswidrige Einzelvorfälle IV. Die Auswirkungen des internationalen Faschismus im Bundesgebiet V. Staatliche Abwehrmaßnahmen VI. Zusammenfassung
INHALT I. Träger rechtsradikaler Tendenzen im Bundesgebiet II. Argumentation, Parolen III. Rechtswidrige Einzelvorfälle IV. Die Auswirkungen des internationalen Faschismus im Bundesgebiet V. Staatliche Abwehrmaßnahmen VI. Zusammenfassung
a) Gesamtstärke des organisierten Rechtsradikalismus Der letzte Erfahrungsbericht über Entwick lungstendenzen im Bereich des Rechtsradika lismus hob die organisatorische Zersplitte rung und die fortschreitenden Mitgliederver luste dieser Gruppen im Jahre 1961 hervoi Seine Veröffentlichung hat der Neigung rechtsextremer Funktionäre, aus Propaganda-gründen überhöhte Gefolgschaftszahlen zu behaupten, entgegengewirkt und zugleich eine realistischere Lagebeurteilung in diesen Kreisen. bewirkt. Von einigen neugegründeten rechtsradikalen Gruppen sowie von kommunistischer Seite werden jedoch nach wie vor grob irreführende Stärkeziffern verbreitet.
Nach den Erkenntnissen der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder schreitet die Zersplitterung des organisierten Rechtsradikalismus fort; einher geht damit ein weiterer Schwund der Mitgliederzahlen. Folgende Zahlen lassen dies erkennen:
In diesen Zahlen sind Doppel-und Mehrfach-Mitgliedschaften enthalten. Bei vorsichtiger Schätzung dürfte daher ein Abzug von 8 bis 10 Prozent von der Gesamtzahl (27 600) gerechtfertigt sein. b) Parteien Die im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) bestehenden 15 rechtsradikalen Splitterparteien, von denen acht im abgelaufenen Jahre erstmalig auftraten, haben sich intensiv um die Werbung neuer Mitglieder bemüht. Die größeren von ihnen rückten diese Bemühungen zeitweilig sogar in den Vordergrund ihrer Parteiarbeit. Um so bemerkenswerter ist es, daß die Mitgliederzahlen im Jahre 1962 trotzdem insgesamt um mindestens 800 sanken.
Von den verbliebenen ca. 11 500 Parteimitgliedern leisteten etwa 2 800 im abgelaufenen Jahre keine Beitragszahlungen mehr. Als Folge davon betrug der Anteil des Beitrags-4 aufkommens an den auf 220 000, — DM geschätzten Jahreseinkünften der rechtsradikalen Parteien mit ca. 70 000, — DM nur noch ein knappes Drittel, während es sich bei ca. 120 000, — DM um Spenden besonders aktiver Mitglieder und eines kleinen Kreises vermögender Förderer, bei den restlichen 30 000, — DM vorwiegend um Einnahmen aus dem Vertrieb parteieigener Publikationen handelt.
Unter dem Eindruck dieser Tatsachen mehren sich die Stimmen kritischer Selbsteinschätzung. In Gesprächen und Verlautbarungen beklagten die Parteiorganisationen, daß die „Geltungssucht und Zwietracht kleiner Geister", die sich zu Führerpersönlichkeiten berufen fühlen, die „programmatische Verhaftung an unfruchtbare Reminiszenzen und Komplexe", die „Verwirtschaftung hoher Spendenbeträge im Verlauf einfältiger Propagandaaktionen" und die Pflege von „Schutzreservaten für alte Kämpfer und deren Eleven in den eigenen Reihen" allmählich auf immer größere Kreise abstoßend wirken. Angesichts dieses „Teufelskreises sektiererischer Isolierung" sei es so gut wie ausgeschlossen, noch aus der „Ecke der Hoffnungslosigkeit" herauszukommen, zumal es das nationale Lager nur mehr als „wohlgehütete Fiktion" gebe und der Zerfall der bestehenden Gruppen laufend fortschreite. c) Jugend-und S t u d e n t e n o r g a n i s a t i o n e n Die beiden größten rechtsradikalen Jugendorganisationen („Bund Vaterländischer Jugend" und „Bund Heimattreuer Jugend") sind infolge staatlicher Verbotsmaßnahmen in vier unbedeutende Rest-und Nachfolgegruppen zerfallen und damit praktisch erloschen. Drei weitere Bünde erlagen dem Mitgliederschwund. Mit zusammen 995 Mitgliedern — gegenüber 2 100 im Jahre 1961 — haben die rechtsradikalen Jugend-und Studentenorganisationen den tiefsten Stand seit Ende des Krieges erreicht. Lediglich vier von ihnen erreichen die Zahl von 100 Mitgliedern oder überschreiten sie geringfügig.
Die rechtsradikalen Jugendorganisationen bieten weder soziologisch noch in den Ursachen und im Außmaß ihrer politischen Radikalisierung ein einheitliches Bild. Annähernd 200 fanatische Hintermänner, Funktionäre und Aktivisten sind bemüht, sich durch Presseannoncen, Abwerbung, Ausnutzung privater Bekanntschaften und Vorspiegelung rein jugendpflegerischer Ziele eine Gefolgschaft zu verschaffen. Wie der bereits erörterte Rückgang der Mitgliederzahlen auf knapp tausend zeigt, sind diese Bemühungen ohne nennenswerte Erfolge geblieben. Die personelle Zusammensetzung der Organisationen wechselt infolge häufiger Ein-und Austritte erheblich. Viele Jugendliche fühlen sich schon nach flüchtigem Kontakt von dem „Dienstbetrieb" der rechtsradikalen Jugendgruppen abgestoßen. Bei längerer Mitgliedschaft wirkt sich jedoch häufig der Einfluß der Funktionäre auf die politische Willensbildung ihrer jugendlichen Anhänger aus.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat die in eigener Zuständigkeit gesammelten und im Zuge einschlägiger Verbots-und Strafverfahren im Jahre 1962 angefallenen Informationen über den politisch-weltanschaulichen Standort von 250 Mitgliedern verbotener rechtsradikaler Jugendgruppen zusammengestellt und verglichen. Die Untersuchung läßt folgende Rückschlüsse auf die vorherrschenden Gründe für den Eintritt und Verbleib in rechtsextremen Jugendorganisationen zu: a) In 29 Prozent der Fälle deuten politische Selbstzeugnisse und sonstige konkrete Anhaltspunkte auf eine bereits weitgehend fixierte verfassungsfeindliche Einstellung der Betroffenen hin. Zu dieser Gruppe von 72 führenden Funktionären und Aktivisten gehören: 8 Jugendführer im Alter zwischen 35 und 45 Jahren, die der Hitlerjugend und dem Jungvolk entstammen und sich seither mehr oder weniger offen zum Nationalsozialismus bekennen.
Im Verlauf der gegen sie anhängigen Strafverfahren wurden vier von ihnen gerichts-ärztlich als stimmungslabile, vorwiegend vom Gefühl beeinflußte verschwommene Persönlichkeiten mit fanatischen Zügen und Anzeichen einer neurotischen Geltungssucht beurteilt. 9 Söhne aus noch heute nationalsozialistisch eingestellten Familien, denen die NS-Ideologie nach dem Krieg anhand der entsprechenden Literatur im Elternhaus nahegebracht worden ist. Sie sind jetzt zwischen 20 und 30 Jahre alt. Zwei von ihnen haben sich als Hakenkreuzschmierer betätigt.
21 Kinder aus Familien, die nach 1945 im Zusammenhang mit Entnazifizierungs-oder Internierungsmaßnahmen durch Wohnungs-oder Arbeitsplatzverlust, zeitweilige Verweigerung von Versorgungsbezügen aus politischen Gründen oder infolge von Strafverfolgungs-maßnahmen gegen die Väter wegen des Verdachts von Straftaten während der NS-Zeit in Schwierigkeiten gerieten. Diese Gruppe ressentimentgeladener, jetzt 18-bis 25jähriger Funktionäre unterliegt starken staatsoppositionellen und antisemitischen Impulsen.
20 Funktionäre im Alter von 18 bis 25 Jahren, deren Eltern sich gleichfalls aktiv in rechtsradikalen Organisationen betätigen.
8 Personen der gleichen Altersgruppe, die gegen den erklärten Willen ihrer Eltern durch Freunde zum Eintritt veranlaßt wurden und sich im Verlaufe ihrer Mitgliedschaft die radikale Überzeugung der Rädelsführer zu eigen machten. Dies führte zum Teil zu schweren Zerwürfnissen mit den Vätern und zum völligen Bruch mit dem Elternhaus.
6 Aktivisten mit sozial-oppositionellen Neigungen als Folge von Erziehungs-oder Charaktermängeln oder zerrütteter häuslicher Verhältnisse. In zwei Fällen waren die Väter wegen Trunksucht entmündigt. Diese Jugendlichen sind vielfach arbeitsscheu oder vorbestraft. b) 71 Prozent der erfaßten Jugendlichen waren funktionslose Mitglieder mit je nach Alter, Herkunft, Intelligenz und Kritikfähigkeit unterschiedlicher Aufnahmebereitschaft für die verfassungsfeindlichen Vorstellungen der Verbandsführung. Von diesen 178 Mitgliedern legten 22 nach sichergestellten Dokumenten Wert darauf, daß ihre Zugehörigkeit zu rechtsradikalen Jugendorganisationen den Eltern, Arbeitgebern oder Lehr-und Ausbildungsstätten verborgen blieb. In den restlichen Fällen, in denen das Elternhaus die Mitgliedschaft billigte, halten sich politische, durch die rechtsradikale Orientierung der Eltern bedingte, und unpolitische Eintrittsgründe annähernd die Waage. Als vorwiegend unpolitische Anschlußmotive wurden Schulfreundschaften, Freude an Ferienfahrten und der Wunsch alleinstehender Mütter nach militärisch straffer Freizeitgestaltung für ihre heranwachsenden Söhne ermittelt. Bemerkenswert ist, daß inzwischen mehrere Anhänger verbotener rechtsradikaler Jugendorganisationen während der Erfüllung ihrer Wehrpflicht von ihren früheren nationalistischen Vorstellungen entschieden abgerückt sind. d) Sonstige rechtsradikale Organisationen Die Anhängerschaft rechtsextremer Vereinigungen ging im Verlauf des Jahres 1962 von 20 800 auf ca. 14 900 zurück, während sich ihre organisatorische Zersplitterung im gleichen Zeitraum auch hier vergrößerte. Diese Entwicklung ist noch im Fluß. Sie hat die einzelnen Gruppen je nach den Zielen, die sie in den Vordergrund ihrer Arbeit rücken, in unterschiedlicher Weise betroffen.
Im Bereich der Arbeitskreise und Vereine mit rein politischer Zielsetzung wurden die meisten Neugründungen beobachtet. Bei Jahresende bestanden 34 Organisationen dieser Art, die zum Teil starke Anzeichen antidemokratischer Ausrichtung aufweisen. Sie verfügen jetzt mit etwa 2 400 Mitgliedern über eine Anhängerschaft, die zwar die Vereinszugehörigkeit häufig wechselt, dem organisierten Rechtsradikalismus aber seit längerer Zeit überzeugt angehört. Fälle einer gleichzeitigen Mitgliedschaft in einer der rechtsradikalen Parteien sind hier häufig.
Neun weitere rechtsradikale Gruppen befassen sich vorwiegend mit Kultur-, Weltanschauungs-und Volkstumspflege in nationalistischer Sicht. Sie haben insgesamt annähernd die gleiche Stärke wie die vorgenannten Arbeitskreise und Vereinigungen (ca. 2 200).
Bei drei Organisationen handelt es sich um Interessenverbände mit stetig abbröckelnder Gefolgschaft, die Versorgungs-und Entschädigungswünsche verschiedener Personengruppen aus der NS-Zeit, darunter der „Entnazifizierungsgeschädigten" vertreten. Seit 1959 büßten sie zwei Drittel ihrer Mitgliedschaft ein. Die noch vorhandenen ca. 10 300 Mitglieder können nach den Erfahrungen der Verfassungsschutzbehörden nur zum Teil mit dem rechtsradikalen Kurs der Verbandsaktivisten identifiziert werden. e) Publizistik Die Gesamtauflage der rechtsradikalen Zeitungen, Zeitschriften und Informationsdienste ist im Gegensatz zur rückläufigen Entwicklung des organisierten Rechtsradikalismus gestiegen. Sie betrug im Jahre 1959 etwa 129 500 Stück, erreichte zwei Jahre später 160 300 Exemplare und ist inzwischen auf 191 700 gestiegen. Diese Zahlen beziehen sich auf die gedruckten Exemplare je Auflage. Nach den Erfahrungen der Verfassungsschutzämter ist die tatsächliche Verbreitung der rechtsradikalen Presseorgane im Bundesgebiet jedoch um etwa zehn Prozent niedriger zu veranschlagen, da mindestens in diesem Umfang Auslandsabonnenten und nicht absetzbare Restbestände berücksichtigt werden müssen. Wie die Übersicht zeigt, ist der Absatz rechtsextremer Presseorgane weniger im Bereich des organisierten Rechtsradikalismus als vielmehr bei den freien Verlagen gestiegen. Diese Tendenz dürfte vor allem darauf beruhen, daß die Organe der freien Verlage nicht ohne weiteres als rechtsextrem erkennbar sind, sondern den Anschein erwecken, „Sachwalter eines gesunden Nationalempfindens" zu sein. Gemessen an den Millionen-Auflagen der deutschen Presse ist die Verbreitung rechtsextremer Periodika nach wie vor verhältnismäßig gering, obwohl zu den genannten 49 in der Bundesrepublik erscheinenden noch weitere 57 aus dem Ausland eingeschleust werden (vergl. Teil IV c 1 dieses Berichtes). Zu einer Tageszeitung haben es die rechtsradikalen Kreise im Bundesgebiet auch 1962 nicht gebracht. Im ganzen gesehen wird die Zunahme der Gesamtauflage um rund 30 000 Exemplare im wesentlichen durch die entsprechend starke Auflagenerhöhung einer einzigen Zeitung bewirkt. Als Nebenfolge staatlicher Verbotsmaßnahmen gegen rechtsextreme verfassungsfeindliche Vereinigungen haben seit 1. Januar 1961 sieben organisationsgebundene Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von 45 000 Exemplaren ihr Erscheinen einstellen müssen. Gering sind die Auswirkungen rechtsradikaler Flugblattaktionen.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat im Jahre 1962 13 Neuerscheinungen nationalistischer Buchverlage erfaßt, die Anhaltspunkte für antisemitische oder antidemokratische Tendenzen aufwiesen. Gegen den Autor der unter dem Pseudonym William Bleibtreu erschienenen Hetzschrift „Kleine Charakteristik des jüdischen Volkes" sowie in mehreren weiteren Fällen sind inzwischen Ermittlungsverfahren mit dem Ziel einer Bestrafung der Herausgeber und der gerichtlichen Einziehung der Schriften eingeleitet worden. f) Veranstaltungsund V e r s a m m 1 u n g s t ä t i g k e i t Die rechtsradikale Veranstaltungs-und Versammlungstätigkeit ist rege. Sie erfaßt jedoch im wesentlichen einen gleichbleibend kleinen Kreis aktiver Mitglieder, soweit das Vortragsthema nicht — abseits von den politischen Forderungen dieser Gruppen — von allgemeinem Interesse ist und aus diesem Grunde weitere Kreise anzieht. In dem Bestreben, sich größere Offentlichkeitswirkung zu verschaffen, sind die rechtsradikalen Organisationen in zunehmendem Maße dazu übergegangen, Diskussions-und Gastredner auf Veranstaltungen von Landsmannschaften, Soldaten-, Traditions-und Vertriebenenverbänden sowie beruflichen, insbesondere landwirtschaftlichen Gruppen zu entsenden, wobei zum Teil die politische Bindung der Redner verschwiegen wird. Sichtbare Erfolge dieser Methode zeichnen sich nicht ab. Dem organisierten Rechtsradikalismus ist es bisher auch nicht gelungen, auf die genannten Gruppen durch Infiltration nachhaltig mit dem Ziele einer politischen Radikalisierung einzuwirken. g) Der nichtorganisierte Rechtsradikalismus Die Masse der nichtorganisierten Anhänger rechtsradikaler Überzeugungen hält sich vorsichtig zurück; ihre zahlenmäßige Stärke ist nicht bekannt und auch kaum feststellbar. Anhaltspunkte bieten jedoch einmal die Abonnentenzahlen rechtsradikaler Presseerzeugnisse nach Abzug des Mitgliederbestandes der nationalistischen Organisationen. Auch der bei den Wahlen zu den verschiedenen Vertretungskörperschaften in den letzten Jahren auf rechtsradikale Parteien entfallende Anteil von weniger als ein Prozent der abgegebenen Stimmen läßt Schlüsse auf die Stärke des nichtorganisierten Rechtsradikalismus zu. Die Staatsschutzorgane im Bundesgebiet beobachten in diesem Bereich 1 500 bis 2 000 Aktivisten, die außerhalb der bestehenden rechtsradikalen Gruppen operieren. Aus diesem Kreise sind im Jahre 1962 20 Gründer und Repräsentanten anhangloser „Einmann-Organisationen“, etwa 100 Urheber nazistischer oder antisemitischer Schmier-und Störaktionen, annähernd gleich viele publizistisch tätige Einzelgänger und Sektierer sowie 200 bis 250 Aktivisten verbotener rechtsradikaler Gruppen durch Aufrechterhaltung politischer Kontakte untereinander in Erscheinung getreten.
II. Argumentation, Parolen
Org. Art Parteien Jugendorganisationen sonst. Organisationen freie Verlage insgesamt Org Zahl 31 12. 59 8 18 35 25 86 Org Zahl 31. 12. 61 9 13 40 24 86 seither neu aufgetreten 8 9 12 8 37 seither erloschen 2 3 6 — 11 Org. Zahl 31. 12. 62 15 19 46 32 112 Die organisatorische Zersplitterung des Rechtsradikalismus
Org. Art Parteien Jugendorganisationen sonst. Organisationen freie Verlage insgesamt Org Zahl 31 12. 59 8 18 35 25 86 Org Zahl 31. 12. 61 9 13 40 24 86 seither neu aufgetreten 8 9 12 8 37 seither erloschen 2 3 6 — 11 Org. Zahl 31. 12. 62 15 19 46 32 112 Die organisatorische Zersplitterung des Rechtsradikalismus
a) Ideologische Parolen Im Bereich der Ideologie boten die Äußerungen des deutschen Rechtsradikalismus das bekannte Bild einer im Grundsätzlichen einheitlichen Tendenz. Sehr oft erschöpften sich die Aussagen dieser Kreise in ablehnender Kritik an politischen Einrichtungen der Bundesrepublik und der Politik der staatstragenden Kräfte in Bund und Ländern.
Mit eigenen Vorstellungen — wenn auch oft recht unbestimmter Art — traten die rechtsradikalen Organisationen und die rechtsextreme Publizistik hauptsächlich zu Themen hervor, denen seit Jahren ihr besonderes Interesse gehört. 1. Staats-und verfassungspolitische Leitbilder Die nationalsozialistische Staatsanschauung wird von den organisierten Trägern rechtsradikaler Bestrebungen in der Regel nicht mehr offen als Vorbild anerkannt, wenn auch gelegentlich Teile der NS-Ideologie übernommen werden.
Eine Ausnahme bildeten die „Schillerjugend", deren Führer 1962 wegen Rädelsführerschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation zu Gefängnisstrafen verurteilt wurden, und die im Jahre 1962 verbotene Jugendorganisation „Bund Vaterländischer Jugend" (BVJ). Das Landgericht Dortmund hat in dem Urteil gegen die Führer der „Schillerjugend" ausgeführt, daß „die Angeklagten bestrebt waren, der Staatsidee des Nationalsozialismus zur Wiedergeburt zu verhelfen" Der BVJ glorifizierte das „Dritte Reich", das „als Garant unserer Freiheit die verantwortungsfähigen jungen Kräfte unseres Volkes anzog, ihnen unsere politische Aufgabe zum Bewußtsein kommen ließ und deshalb die Besten erbittert für dieses Reich kämpfen ließ." Für die Wiedererrichtung dieses Reiches wollte der BVJ kämpfen.
Die Mehrzahl der nationalistischen Gruppen streitet demgegenüber ab, antidemokratische Tendenzen zu verfolqen. Hierbei handelt es sich in der Regel um ein Lippenbekenntnis, das aus Furcht vor staatlichen Maßnahmen abgelegt wird. Einschränkende Hinweise auf den „undemokratischen" Charakter der Bundesrepublik machen allzuoft deutlich, welchen Wert derartige „Bekenntnisse zu einer eigenständigen deutschen Demokratie"
besitzen.
Sehr verbreitet ist der Wunsch nach einem ständisch gegliederten Staatswesen.
Sehr schwierigen und weittragenden Problemen, zu denen die Meinungen völlig auseinandergehen, sehen sich die deutschen Nationalisten durch die zunehmende europäische Verflechtung ausgesetzt.
Noch uneinheitlich sind die Stellungnahmen der bedeutenderen rechtsradikalen Gruppen zur Staatsform des zukünftigen Europas. Die Mehrzahl von ihnen tritt für ein „Europa der Vaterländer" ein. Sie versprechen sich davon eine möglichst weitgehende national-staatliche Eigenständigkeit, unter der die nationalen Werte und Eigenheiten bewahrt und vor allem die „Gefahren der Rassenmischung" abgewendet werden könnten. Diese Auffassung wird auch von verschiedenen ausländischen nationalistischen Parteien vertreten. In einer „gemeinsamen Erklärung der nationalen Kräfte Europas" stellten sich diese Kreise „als eine europäische Gemeinschaft des Blutes und des Geistes" vor, deren Ziel die Bildung eines „Bundes Europäischer Nationen" sei.
Die meisten nationalistischen Organisationen stimmen jedoch darin überein, daß die Wiedervereinigung Deutschlands durch die Bildung einer „Europäischen Poli Ischen Union" gefährdet und deshalb eine europäische Integration von der vorherigen Lösung dieses wichtigsten deutschen Problems abhängig sei. 2. Antisemitismus, Rassedenken, Kulturpolitik Die Tätigkeit der Staatsschutz-und Strafverfolgungsbehörden hat dazu geführt, daß innerhalb des organisierten Rechtsradikalismus antisemitische Tendenzen nur noch selten unverhüllt zutage treten. Auch bei den nicht-organisierten Einzelgängern ist vermutlich aus den gleichen Gründen ein ständiger Rückgang antisemitischer Aktionen zu verzeichnen (vgl. Teil III d dieses Berichtes). Doch sollte diese Entwicklung nicht zu generellen Schlußfolgerungen verleiten. Zweifellos geht die Abnahme des in der Öffentlichkeit bemerkbaren Antisemitismus in der Regel nicht auf einen Gesinnungswandel seiner Anhänger zurück. Jedoch zeigen sich Fortschritte in dem Bemühen um ihre Isolierung. Nur bei einzelnen Organisationen tritt der Antisemitismus noch offen zutage. So verschickten „Einzelkämpfer" der verbotenen Ludendorff-Bewegung an ihre Gesinnungsfreunde Ausarbeitungen, die sich gegen die jüdischen Mitbürger als „Feinde der Reichsgründung 1871 — Feinde der Wiedervereinigung heute" wandten. Besonders stark ist der gruppeninterne Antisemitismus innerhalb des „Bundes Vaterländischer Jugend" bis zum Verbot dieser Vereinigung gewesen.
Im Gegensatz zur innerdeutschen Entwicklung nahmen die vom Ausland in die Bundesrepublik verschickten antisemitischen Schriften erheblich zu. Manche von ihnen wiesen nach Aufmachung und Inhalt Ähnlichkeiten mit der NS-Zeitschrift „Der Stürmer" auf.
Mit dem Argument, die christliche Glaubenslehre sei „aus ernsten Gründen für uns unheilvoll", weil sie „die seelenmörderische Kluft aufreißt zwischen Heilslehre und Rasse-erbgut im Unterbewußtsein und Glauben, besonders zwischen Rassecharakter und moralischen Wertungen", schlägt die von dem ehemaligen Organisator der verbotenen Ludendorff-Bewegung, Karg von Bebenburg, herausgegebene Monatsschrift „Mensch und Maß" eine Brücke von antichristlichen Parolen zu dem unter den Ludendorff-Anhängern weiterhin herrschenden Rassedenken.
Von rassischen Überlegungen am stärksten bestimmt ist die „Gesellschaft für Erbgesundheitspflege", die den „biologischen Hochverrat unserer Zeit als schändlichste Ehrlosigkeit" ansieht („Im Anfang war der Bauer", Rundschreiben des 1. Vorsitzenden aus dem Jahre 1962). Diese Gesellschaft wendet sich dagegen, „daß heute überall das Kranke und Schwache über Gebühr gehegt und gepflegt wird" („Bestrebungen und Ziele”, Winter-sonnenwende 1961/62) und verficht trotz der von ihr anerkannten „Verfehlungen des Dritten Reiches auf diesem Gebiet" die „Gesunderhaltung des Volkskörpers".
Die Träger rechtsradikaler Bestrebungen nehmen gewöhnlich für sich in Anspruch, „deutsch, europäisch und weltoffen" zu denken. Dennoch sind die Vorstellungen vieler rechtsextremer Gruppen über Inhalt und Ziel deutscher Kulturpolitik allein darauf gerichtet, die ererbte „deutschbewußte" Lebens-und Denkweise vor „Überfremdung" zu bewahren und die Gültigkeit der „deutschen Leitbilder" zu erhalten. Den in der Bundesrepublik herrschenden Kräften wird demgegenüber vorgeworfen, auf dem Gebiet des Erziehungswesens eine „Verdummungspolitik" zu betreiben. Es wird beklagt, daß die Vertreter der „nationalen" Kulturrichtung in ihrem Vaterland bereits als „Parias" behandelt würden. b) Argumente in der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit 1. Die NS-Zeit Von rechtsradikaler Seite wird häufig der Versuch unternommen, einzelne Grundsätze oder Maßnahmen des NS-Regimes zu rechtfertigen. Sehr viel kleiner ist jedoch die Gruppe überzeugter Neonazisten, die die NS-Zeit ohne wesentliche Einschränkungen bejahen; zu ihnen gehören etwa die Gründer der „Schillerjugend".
Ein ähnlich positives Verhältnis zum Nationalsozialismus besaßen einige führende Funktionäre des im Sommer 1962 verbotenen „Bundes Vaterländischer Jugend", dessen Dienstpläne für die Jahre 1961 und 1962 die Dienstanweisungen der ehemaligen „Hitlerjugend" zum Vorbild hatten. Der ehemalige Bundesgeschäftsführer des „BVJ" führte eine sogenannte „Schwarze Kartei", die Namen bekannter Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit Hinweisen über ihre „nationale“ Zuverlässigkeit enthielt. 2. Kriegsschuld Das Thema Kriegsschuld behandeln nationalistische Gruppen vorwiegend vom Gesichtspunkt des Nachweises einer ausländischen Mit-oder Alleinschuld. Dabei werden Tatsachen, die gegen eine Rechtfertigung des NS-Regimes sprechen, unterdrückt oder nicht zur Kenntnis genommen. Manchen Gruppen dient die Auseinandersetzung um die Kriegsschuld als Anlaß, demokratische Politiker als schlechte Sachwalter der nationalen deutschen Interessen zu verleumden. Mit den in letzter Zeit veröffentlichten Untersuchungen des englischen Historikers Taylor („Die Ursprünge des zweiten Weltkrieges") und des amerikanischen Historikers Hoggan („Der erzwungene Krieg — Die Ursachen und Urheber des zweiten Weltkrieges") glauben die deutschen Rechtsradikalen die Argumente dafür zu besitzen, das deutsche Volk „von den Fesseln der zweiten Kriegsschuldlüge" zu befreien.
Dieser Aufgabe widmeten sich in besonderem Maße mehrere örtliche „Disskusionskreise — Kriegsursachen — Kriegsschuld", die, von parteipolitisch „neutralen" Personen geleitet, den Eindruck historischer Objektivität erwecken wollen. Auch andere rechtsradikale Organisationen suchen die Schuld am zweiten Weltkrieg in erster Linie bei den ehemaligen Kriegsgegnern. c) Parolen aus Anlaß politisch b e -deutsamerEreignisse Wichtige politische Ereignisse des Jahres 1962 gaben dem deutschen Rechtsradikalismus Gelegenheit, zu aktuellen Fragen — meist internationalen Charakters — in der Öffentlichkeit Stellung zu beziehen. 1. Internationales Zeitgeschehen Viele rechtsradikale Gruppen in der Bundesrepublik wurden von der allgemeinen Sympathie, der General de Gaulle bei seinem Besuch in Deutschland begegnete, miterfaßt. Das ist nicht zuletzt eine Folge der vom französischen Staatspräsidenten verfolgten Politik des „Europa der Vaterländer", die den Vorstellungen der Nationalisten näherliegt als die von ihnen völlig abgelehnte europäische Integration.
Hingegen bezeichnete ein rechtsextremes Blatt den Gast aus Frankreich als „neuen Napoleon", der seine „Ostprovinz inspizierte".
Die Stimmen rechtsradikaler Kreise zur KubaKrise waren demgegenüber weniger zahlreich. Eine rechtsradikale Partei führte den Ursprung dieses Konflikts auf Fehler der westlichen Politik, vornehmlich der USA, zurück. Kuba könnte zu einem „Symbol" werden für die „Überheblichkeit" des Westens, wie für die „Unfähigkeit seines Geistes, staatsfördernde Aufbauarbeit" zu leisten. Eine andere nationalistische Gruppe bezeichnete das Verhalten des amerikanischen Präsidenten im Kuba-Konflikt als „Wahlmanöver" und „Flucht nach vorne", die das für Ministerpräsident Chruschtschow positive Ergebnis der unaufhaltsamen Kapitulation der Amerikaner in Berlin zur Folge haben werde. Chruschtschow habe sich durch sein Nachgeben überdies als „uneigennütziger Friedenspolitiker" erwiesen. Eine neutralistische Zeitschrift charakterisierte die von den USA gegen Kuba verhängte Blockade als „aggressiven Gewaltakt und völkerrechtlich gesetzlose Piraterie".
Für die Haltung der Bundesregierung, die den USA sofort ihre Solidarität versichert habe, gebe es „nur zwei Worte: dumm und zur Verantwortung unfähig". 2. Berlinkrise und Wiedervereinigungspolitik Die Empörung über die kommunistischen Maßnahmen am 13. August 1961 in Berlin ist zunächst von nationalistischen Gruppen weitgehend geteilt worden. Mit zunehmendem zeitlichen Abstand wurde jedoch die Errichtung der Mauer immer häufiger als eine Folge des völligen „Versagens Bonns" und der Politik der Bundesregierung bezeichnet.
Als politisches Rezept für eine isolierte Lösung des Berlin-Problems wurden verschiedentlich die von anderer Seite in die Diskussion gebrachten Vorschläge aufgegriffen, Berlin unter UNO-Verwaltung zu stellen oder aber Gesamt-Berlin (einschließlich des Ost-sektors) den Status einer freien Stadt zu verleihen. Während frühere Vorschläge der Nationalisten zur deutschen Wiedervereinigung nur selten ein Gespräch mit den Machthabern der Sowjetzone vorsahen, sind die Befürworter einer derartigen Zusammenarbeit in jüngster Zeit immer zahlreicher geworden. Diese Kreise propagieren eine „neutrale Konföderation beider deutscher Staaten ohne Bindung an Ost oder West". 3. Wirtschaftspolitik Die lebhaften Diskussionen in der deutschen Landwirtschaft über die Auswirkungen der EWG boten den rechtsradikalen Gruppen Gelegenheit, mit eigenen Argumenten gegen den Gemeinsamen (Agrar-) Markt hervorzutreten. Eine rechtsradikale Gruppe setzte sich für die „Erhaltung der Grundlagen selbständiger Ernährung" ein und regte an, die „Reichsnährstandsordnung" der NS-Zeit wiedereinzuführen. Auch den anderen wirtschaftlichen Integralionsmaßnahmen begegnen die rechtsextremen Gruppen wegen der damit verbundenen Einschränkung der nationalen Unabhängigkeit mit entschiedener Ablehnung. Die Gefahr der „Überfremdung der deutschen Wirtschaft" ist ein in diesen Kreisen besonders häufig gebrauchtes Argument. 4. Strafverfahren wegen NS-Verbrechen Zu den laufenden Strafverfahren wegen Verbrechen in der NS-Zeit nimmt der Rechtsradikalikmus grundsätzlich nur dann Stellung, wenn er glaubt, daß Anhaltspunkte für eine Kritik gegeben sind, die sich in seinem Sinne propagandistisch verwerten läßt. Um so lebhafter wendet er sich gegen alle in-und ausländischen Stimmen, die eine kritischere Auseinandersetzung mit unserer politischen Vergangenheit fordern.
III. Rechtswidrige Einzelvorfälle
Org. Art Parteien Jugendorganisationen sonstige Organisationen freie Verlage (außer techn. Hilfskräften) insgesamt Mitgl Zahl 31 12 59 ca. ca. ca. ca. ca. 17 200 2 300 36 500 200 56 200 Mitgl. Zahl 31 12 61 ca. ca. ca. ca. ca. 12 300 2 100 20 800 200 35 400 ca. ca. ca. ca. — Verluste im Jahre 1962 800 1 100 5 900 7 800 Mitgl. Zahl 31 12 62 ca. ca. ca. ca. 11 500 1 000 14 900 200 ca. 27 600 Die Mitgliederverluste rechtsradikaler Organisationen
Org. Art Parteien Jugendorganisationen sonstige Organisationen freie Verlage (außer techn. Hilfskräften) insgesamt Mitgl Zahl 31 12 59 ca. ca. ca. ca. ca. 17 200 2 300 36 500 200 56 200 Mitgl. Zahl 31 12 61 ca. ca. ca. ca. ca. 12 300 2 100 20 800 200 35 400 ca. ca. ca. ca. — Verluste im Jahre 1962 800 1 100 5 900 7 800 Mitgl. Zahl 31 12 62 ca. ca. ca. ca. 11 500 1 000 14 900 200 ca. 27 600 Die Mitgliederverluste rechtsradikaler Organisationen
a) Fortführung verbotener Tätigkeit Die Beobachtung des weiteren politischen Wirkens der Rädelsführer und Hintermänner verbotener rechtsextremer Gruppen hat erkennen lassen, daß sie verhältnismäßig häufig versuchten, Teile ihrer Anhängerschaft in Nachfolgeorganisationen zu überführen oder die politische Arbeit mit einer Minderheit vertrauenswürdiger Aktivisten heimlich fortzusetzen. Diese Bemühungen sind bisher im allgemeinen ohne Erfolg geblieben. Bei den erst kürzlich aufgelösten rechtsradikalen Jugendverbänden zeichnet sich schon jetzt das Scheitern entsprechender Versuche ab. b) Geheimbündelei Konkrete Anhaltspunkte für die Existenz funktionsfähiger Terror-und Widerstandsgruppen deutscher Rechtsextremisten im Bundesgebiet haben sich im Jahre 1962 nicht ergeben, obwohl die Staatschutzorgane jeder ersichtlichen Spur, die in diese Richtung wies, nachgegangen sind.
In drei Fällen riefen inländische rechtsradikale Pamphletisten zu illegalen Aktionen auf. Sie erweckten den Anschein, als gingen ihre Flugzettel und Briefsendungen von geheimen Widerstandsgruppen aus. Inzwischen haben sich diese angeblichen „Geheimbünde" als Phantasieprodukte der Flugschriftenverfasser herausgestellt. Die in West-Berlin durch Auf -rufe der genannten Art hervorgetretene „Deutsche Befreiungsfront" kann als bezeichnendes Beispiel für diese Fälle gelten, nachdem ihr alleiniger Repräsentant ermittelt worden ist. Das gleiche gilt für die „Deutsche Freiheitslegion". Unter diesem Impressum ließen drei Arbeiter in West-Berlin Flugblätter drucken, die sie beiderseits der Mauer in Berlin ausstreuten. Ähnliche Erscheinungen sind im Bereich des internationalen Faschismus anzutreffen (vgl. hierzu Teil IV b dieses Berichtes). c) Rechtswidrige nationalistische Aktionen im Bereich der Ostemigration
Die seit langer Zeit anhaltenden Spannungen zwischen kroatischen und serbischen Emigranten haben sich im Jahre 1962 weiter verschärft und zu tätlichen Auseinandersetzungen an verschiedenen Orten im Bundesgebiet geführt. Die schwersten Schlägereien, bei denen es zahlreiche Verletzte gab, ereigneten sich Anfang Januar 1962 im Ausländerlager Zirndorf bei Nürnberg, als Kroaten serbische Lagerinsassen tätlich angriffen. Am 29. November 1962 drangen Emigranten mit Sprengkörpern in das Gebäude der jugoslawischen Handelsmission in Mehlem ein und verletzten den Hausmeister tödlich. Der größte Teil der 24 unmittelbar nach dem Anschlag festgenommenen Attentäter gehört der nationalistischen „Kroatischen-Kreuzer-Brüderschaft" an. 1 Innerhalb der rumänischen Emigration verbreitete unter der Bezeichnung OSAR (Kommandantur der Abteilungen für die nationale Befreiung) eine unbekannte Gruppe Flugschriften, mit denen sie nach dem Vorbild der französischen Terrororganisation OAS zu Umsturzhandlungen gegen das kommunistische Regime in Rumänien aufrief.
Der Herausgeber der Zeitschrift der nationalistischen ungarischen „Pfeilkreuzler", Geza Alföldi, wurde am 2. 4. 1962 durch das Landgericht München I wegen Verbi eitung verfassungsfeindlicher Schriften (§ 93 StGB) zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Ihm wurde die Ausübung des Berufs als Herausgeber, Verleger und Redakteur von Schriften für fünf Jahre untersagt. Das Urteil ist jedoch noch nicht rechtskräftig. d) Nazistische und antisemitische Vorfälle Die nazistischen und antisemitischen Vorkommnisse sind im Vergleich zu den Vorjahren stark zurückgegangen. Im Jahre 1962 hat das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Grund von Mitteilungen der Strafverfolgungsbehörden und der Landesämter für Verfassungsschutz nur 205 Fälle der genannten Art im Bundesgebiet einschließlich Berlin (West) erfaßt, während 1961 noch 389, im Jahre 1960 sogar insgesamt 1 206 Fälle gezählt wurden. Der Verlauf dieser bemerkenswerten Entwicklung ist in Skizze 1 (Tatzeitenstatistik) dargestellt. Das dort verarbeitete Material umfaßt auch Taten, die bisher nicht aufgeklärt werden konnten, sowie Unfughandlungen von Kindern und geistesgestörten Tätern, soweit der äußere Sachverhalt nazistische oder antisemitische Merkmale erkennen ließ.
Nach wie vor sind Berlin, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen an erster Stelle betroffen. Auf die übrigen Länder entfiel-nur etwa ein Drittel der Gesamtzahl. Nach ihren äußeren Begehungsformen lassen sich die Vorfälle unter Berücksichtigung der drei bereits erörterten Aufrufe zur Geheimbündelei wie folgt gruppieren: (vgl. Skizze 2) 1. Friedhofsschändungen In sechs Fällen wurden Beschädigungen jüdischer Friedhöfe gemeldet. Sie lösten intensive Ermittlungen aus. Erkennbar politischen Hintergrund hatte die im August 1962 verübte Schändung des Friedhofes in Celle, wo die Kapellen-und Friedhofsmauern mit Hakenkreuzen und antisemitischen Parolen beschmiert wurden. Die Tat ist noch nicht aufgeklärt. Zwei Monate darauf stürzte ein entwichener Fürsorgezögling gemeinsam mit einem jugendlichen Mittäter zahlreiche Grabsteine auf dem jüdischen Friedhof in Krefeld um. Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich in Moers. Bei den übrigen Fällen handelt es sich um Unfughandlungen spielender Kinder auf Friedhöfen, die zum Teil seit Jahrzehnten nicht mehr benutzt werden. 2. Bedrohung, Beleidigung und Mißhandlung politischer Gegner und jüdischer Mitbürger Während in den vergangenen Jahren die Schmieraktionen den größten Anteil der Vorfälle ausmachten, sind jetzt Bedrohungen und Beleidigungen zahlenmäßig mit 75 Meldungen an die erste Stelle gerückt.
In 28 Fällen wurden jüdische Mitbürger, darunter zahlreiche Vertreter jüdischer Kultusgemeinden durch anonyme Telefonanrufe oder Briefe belästigt. Zweimal haben nationalistische Motive zu Tätlichkeiten geführt. Den restlichen 45 Fällen liegen antisemitische Äußerungen im Rahmen privater Auseinandersetzungen oder unter Alkoholeinfluß zugrunde. 3. Schmieraktionen Erfaßt wurden 62 Hakenkreuzschmierereien und ähnliche Delikte. Ihr äußeres Tatbild wies nicht ausnahmslos auf nazistische oder antisemitische Motive der Täter hin. Offensichtlich bezweckten vier Fälle eine antifaschistische Demonstration. So wurden in Borstel (Niedersachsen) Fenster, hinter denen sich Plakate der Deutschen Reichspartei befanden, mit Hakenkreuzen versehen. Ein spanischer Gastarbeiter beschmierte im Juli 1962 auf gleiche Weise das Gebäude des spanischen Generalkonsulats in Hamburg, um gegen das in seiner Heimat herrschende Regierungs-System zu protestieren.
Die schwerwiegendsten Schmierereien wurden an christlichen Kirchen verübt. In der Nacht zum 2. Juli 1962 besudelten unbekannte Täter in der katholischen Ölbergkapelle zu Oberstaufen (Bayern) eine Christusfigur und die Altardecke mit Hakenkreuzen, obszönen Zeichnungen und antisemitischen Parolen. Nazistische Symbole und Losungen wurden auch an evangelischen Kirchen in Stuttgart und Blomberg (Nordrhein-Westfalen) sowie im Innern neuerbauter Kirchen in Hildesheim und Hamm bei Marl festgestellt. 4. Flugschriften und Plakataktionen Bei den in dieser Gruppe zusammengefaßten 29 Vorkommnissen handelt es sich fast ausschließlich um die Zusendung nationalistischer oder antisemitischer Hetzschriften an Ministerien, ausländische Missionen, Zeitungsredaktionen und prominente Politiker. Als Urheber dieser Pamphlete wurden zumeist Personen ermittelt, die an einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit leiden oder psychopathische Züge aufweisen. Einige Fälle betreffen das Verteilen von Flugblättern und das Anbringen primitiver Plakate mit nationalistischen Parolen in der Öffentlichkeit. 5. Sonstige Störaktionen 30 Unfughandlungen bestanden im Singen von nationalsozialistischen Liedern und vor-12 wiegend antisemitischen Wirtshausgesprächen. Sie waren zumeist von unmäßigem Alkoholgenuß begleitet. e) DieTäterundihreBeweggründe 1.
Soziologische Feststellungen Annähernd die Hälfte der bisher ermittelten 119 Urheber nazistischer und antisemitischer Vorkommnisse des Jahres 1962 ist jünger als 30 Jahre und kennt damit den Nationalsozialismus nicht mehr aus eigenem bewußten Erleben. Ähnlich hoch war der Anteil der Jung-täter auch bei den Schmier-und Störaktionen in den Vorjahren. Die Altersschichtung im einzelnen ergibt sich aus folgender Übersicht:
Die im Jahre 1962 ermittelten Täter entstammen als Gelegenheitsarbeiter, Lehrlinge, Rentner, kaufmännische Angestellte und Angehörige sonstiger unselbständiger Berufe fast ausnahmslos sozial schlecht gestellten Bevölkerungsschichten. 41 von ihnen zeigen Anzeichen einer sozialoppositionellen Haltung, die in kriminellen Jugendentgleisungen, häufigen Vorstrafen, arbeitsscheuer Lebensweise oder Berufslosigkeit mehr oder weniger deutlich zum Ausdruck kommt. Das Strafregister eines Hilfsarbeiters, der in München nazistische Reden führte, wies 33 Vorstrafen-Vermerke auf. In 12 Fällen verübten Geisteskranke nazistische oder antisemitische Handlungen. Sie litten an Altersschwachsinn oder paranoider Schizophrenie. So erwiesen sich die in erheblichem Umfang an Gerichte, Ministerien und ausländische Missionen versandten Rundschreiben mit Briefkopf „Freie Nation, Soziale Arbeiterpartei Deutschland" als Machwerke eines gemeingefährlichen Schizophrenen, der inzwischen wieder ergriffen und in eine Heil-und Pflegeanstalt eingewiesen wurde. 11 Täter gehören rechtsradikalen Organisationen an. Die übrigen sind vor der Tat politisch noch nicht in Erscheinung getreten. 2. Die Tatmotive Die Analyse der Tatmotive stößt auf größere Schwierigkeiten als in den Vorjahren.
Während die „Schmierwelle" des Jahres 1960 zum überwiegenden Teil ein massenpsychologisch bedingtes Phänomen von Unfughandlungen ohne politischen Hintergrund war und die politisch motivierten Taten dann mit dem Abebben der Schmierwelle bis Ende 1961 überwogen, beginnen seither die zahlenmäßig weiter absinkenden Entgleisungen zum Betätigungsfeld einiger weniger Außenseiter zu werden, die persönliche Rechnungen begleichen, allgemein asozialen Regungen folgen oder sich über ihre Beweggründe ausschweigen.
Unter Berücksichtigung dieses Gesamteindrucks gliedern sich die im Jahre 1962 ermittelten Täter in folgende Gruppen (vgl. Skizze 3): 27 politische Überzeugungstäter, darunter mehrere unbelehrbare Nationalsozialisten und rechtsradikale Aktivisten (23%), 45 politische Affekt-und Rauschtäter, darunter zahlreiche Fälle mit allgemein asozialem Hintergrund (38%), 30 Jungtäter, deren Unfughandlungen auf Geltungssucht, Übermut oder aggressiven Tätigkeitsdrang zurückzuführen sind (25%), 12 geisteskranke Sektierer (10%), 5 strafunmündige Kinder (4%). f) Einflüsse verfassungswidriger Kräfte 1. Steuerung aus dem Sowjetblock Auf einen Einfluß sowjetzonaler Stellen weisen inhaltlich gleichlautende Hetzschriften eines in der Bundesrepublik nicht bestehenden „Bundes für die deutsch-völkische Erneuerung" hin, die Anfang November 1962 nacheinander von Koblenz, Frankfurt/M. und Wiesbaden aus durch die Post versandt wurden. Sie waren an die jüdischen Kultusgemeinden in Aachen, Bielefeld, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, Essen, Frankfurt/M., Gelsenkirchen, Hagen, Hannover, Kassel, Kiel, Köln, Koblenz, Mainz, Mönchengladbach, Mülheim/Ruhr, München, Münster und Wuppertal sowie an die Landesverbände der isra14 elitischen Kultusgemeinden in Bayern und Hessen und an den Zentralrat der Juden in Düsseldorf gerichtet. In diesen Briefsendungen wurden die jüdischen Bürger als „Fremdkörper im deutschen Volksleben" geschmäht und für „vogelfrei" erklärt. Der Inhalt war außerdem darauf abgestellt, antikommunistische Bestrebungen im Bundesgebiet in den Augen der Empfänger zugleich als weitgehend antisemitisch orientiert hinzustellen. Ähnlich antisemitisch oder nazistisch aufgemachte Flugschriften verbreiteten Agenten des Sowjetblocks bereits im Jahre 1960 unter der Bezeichnung „Nationaler Reinigungsbund" sowie im Mai 1961 namens einer fiktiven SS-Untergrundorganisation. Ende 1962 beauftragte das sowjetzonale Ministerium für Staatssicherheit einen vorbestraften Arbeiter aus Oranienburg, nationalistisch eingestellte Jugendliche in West-Berlin zu Anschlägen gegen die Mauer zu veranlassen.
Einzelmeldungen über die Einladung verfassungsfeindlich eingestellter Aktivisten des „Nationalen Lagers" zum Besuch der Sowjetzone weisen darauf hin, daß das SBZ-Regime auch auf diesem Wege versucht, Einfluß auf die im Abklingen befindliche Schmier-und Störtätigkeit nationalistischer Kreise im Bundesgebiet zu gewinnen, und daraus propagandistischen Nutzen zu ziehen.
Zuverlässigen Informationen aus letzterer Zeit zufolge befassen sich auch die Sabotage-abteilungen der Nachrichtendienste des Sowjetblocks im Bundesgebiet mit geheimen Operationen, die antisemitischen und nationalistischen Anstrich haben. 2. Steuerung durch rechtsradikale Gruppen Die bisher angefallenen Unterlagen lassen nicht den Schluß zu, daß eine der im Jahre 1962 begangenen nazistischen oder antisemitischen Taten durch rechtsradikale Organisationen gesteuert worden ist. Es steht jedoch fest, daß die meisten nationalistischen Überzeugungstäter eifrige Leser der rechtsextremen und antisemitischen Publizistik waren. Versuche des internationalen Faschismus, antikommunistische und antidemokratische Terroraktionen im Bundesgebiet auszulösen, sind fehlgeschlagen, wie sich aus dem folgenden Teil des Berichtes ergibt.
IV. Auswirkungen des internationalen Faschismus im Bundesgebiet
Nähere Einzelheiten ergibt die folgende Übersicht: Org. Art Parteien Jugendorganisationen Sonstige Organisationen freie Verlage insgesamt Zahl der Periodika am 1. 1. 1962 7 12 16 11 46 seither erloschen 2 6 3 1 12 seither neu aufgetreten 11 3 — 1 15 Zahl der Periodika am 31. 12. 1962 16 9 13 11 49 Gesamt-auflage am 1. 1. 1962 28 900 6 100 47 300 78 000 160 300 Gesamt-auflage am 31. 12. 1962 33 150 4 650 37 950 115 950 191 700
Nähere Einzelheiten ergibt die folgende Übersicht: Org. Art Parteien Jugendorganisationen Sonstige Organisationen freie Verlage insgesamt Zahl der Periodika am 1. 1. 1962 7 12 16 11 46 seither erloschen 2 6 3 1 12 seither neu aufgetreten 11 3 — 1 15 Zahl der Periodika am 31. 12. 1962 16 9 13 11 49 Gesamt-auflage am 1. 1. 1962 28 900 6 100 47 300 78 000 160 300 Gesamt-auflage am 31. 12. 1962 33 150 4 650 37 950 115 950 191 700
Nach dem übereinstimmenden Urteil in-und ausländischer Fachkreise hat sich die Lage der betont übernational arbeitenden Gruppen ausländischer Faschisten im Vergleich zum Vorjahre erheblich geändert.
Im Januar 1962 schränkte Belgien die Wirkungsmöglichkeiten der „Mouvement d'Action Civique" (MAC) durch polizeiliche und gerichtliche Maßnahmen erheblich ein. Wenige Monate darauf sahen sich die zuständigen britischen Stellen mehrfach zum Einschreiten gegen Veranstaltungen Sir Oswald Mosleys und Colin Jordans genötigt.
Gleichzeitig wurden aus nahezu allen übrigen europäischen Staaten Maßnahmen gegen Angehörige des internationalen Faschismus bekannt. In Schweden verloren die Kreise durch den Tod des Industriellen Carlberg einen ihrer finanzstärksten Förderer. Diese Ereignisse wirkten der zunehmenden Aktivität des internationalen Faschismus entgegen, lösten im Ausland Anhängerverluste und organisatorische Wandlungen aus und veranlaßten einzelne Gruppen zur Herausgabe konspirativer Arbeitsrichtlinien und programmatischer Verlautbarungen, in denen das Bemühen um eine Annäherung der Standpunkte immer deutlicher zutage tritt. Hierdurch soll zugleich auch die Schwäche der einzelnen nationalen Gruppen überwunden werden.
Diese Entwicklung hat sich auf die Operationen des internationalen Faschismus im Bundesgebiet nachhaltig ausgewirkt. a) Zweiggründungen auf deutschem Boden Die deutsche Sektion der „Europäischen Neuordnung" (ENO) ist seit dem Verbot ihrer Tagung in Kassel vom 9. 7. 1961 nicht mehr in Erscheinung getreten. Das gleiche gilt für den „Arbeitsring Deutscher Gemeinschaften zur Pflege und Erneuerung von Art und Gesittung" (ARDG) seit einem Tagungsverbot vom 17. 3. 1962 sowie für die „Arbeitsgemeinschaft Nationaler Kreise", einer Zweiggliederung des „Northern European Ring" (NER). Im Oktober 1962 löste die deutsche Sektion „Junges Europa" ihre Verbindung zur Zentrale in Brüssel; einige wenige Mitglieder schlossen sich der Europa-Union als Jugendgruppe an. Zu der von dem Leiter der „British Union Movement", Sir Oswald Mosley, angestrebten Gründung einer „Nationalen Partei Europas" ist es bisher trotz mehrfacher Gespräche zwischen Vertretern rechtsextremistischer Parteien aus Großbritannien, Belgien, Italien, Frankreich und der Bundesrepublik nicht gekommen. Damit ist von den bisher bekannten Zweig-gründungen des internationalen Faschismus im Bundesgebiet lediglich die „Deutsche Soziale Bewegung" (DSB) als deutsches Glied der „Europäischen Sozialen Bewegung" (ESB) des Schweden Per Engdahl, Malmö, übrig geblieben. Sie führte Ende März 1962 unter Beteiligung ausländischer Referenten ihre Jahres-versammlung in Darmstadt durch und veranstaltete anschließend mäßig besuchte Vortragsabende an verschiedenen Orten der Bundesrepublik. b) Untergrundtätigkeit internationaler faschistischer Gruppen Nach dem Fehlschlag der seit Kriegsende unternommenen Versuche des intenationalen Faschismus, der Verwirklichung seiner Ziele durch öffentlich betriebene Zweiggründungen in anderen Länder näherzukommen, häufen sich die Anzeichen für eine verstärkte Aktivität dieser Kreise in anonym und konspirativen Betätigungsformen.
Ausländische faschistische Gruppen haben versucht, im Bundesgebiet Untergrundbewegungen ins Leben zu rufen oder deren Existenz aus Propagandagründen vorzutäuschen. Diese Bemühungen fanden bisher jedoch im deutschen Staatsgebiet keinen Partner, abgesehen von Einzelgängern, die sich an Zusammenkünften internationaler Faschisten beteiligen oder ausländischen Auftraggebern Ubersetzungsdienste leisten. Folgende Einzelerkenntnisse charakterisieren die Lage: 1. Europäischer Faschismus Unter den europäischen Gruppen des internationalen Faschismus entfaltet vor allem die rechtsradikale Europa-Bewegung des Leiters von „Mouvement d'Action Civique", von Jean Thiriart, eine auf die Herstellung konspirativer Kontakte im Bundesgebiet abgestellte Initiative. Thiriart selbst reiste zu diesem Zweck mehrfach aus Belgien in die Bundesrepublik ein Mit dem gleichen Anliegen traten auch österreichische, italienische und französische Gesinnungsfreunde Thiriarts in Erscheinung. Das von ihm veröffentlichte „Europäische Manifest" enthält verfassungsfeindliche Tendenzen. Seine Schrift „La Revolution Nationale Europeenne" schmäht die freiheitlich demokratische Grundordnung der europäischen Staaten und fordert die Errichtung eines von den USA politisch unabhängigen europäischen Zentralstaates als „dritte weltpolitische Macht". Gemeinsames Symbol dieser militant nationalistischen Gruppe, die mit den Resten der französischen Terrororganisation OAS sympathisiert, ist das Keltenkreuz.
In der Zeit von Juli bis November 1962 gingen einigen rechtsradikalen Aktivisten hektographierte Rundschreiben einer angeblichen „Geheimen Befreiungsfront" zu. Die unter dem Titel „Die Dritte Macht" erscheinenden Publikationen setzten sich für die Ziele der OAS ein, forderten zum Umsturz der demokratischen Ordnung im Bundesgebiet auf und versuchten, die Empfänger gegen die deutschen Staatsschutzbehörden aufzuwiegeln. Es wurde der Anschein erweckt, als stünde hinter dem Organ eine festgefügte innerdeutsche Untergrundgruppe. Im Oktober 1962 forderte der Herausgeber des Pamphlets einen ausgewählten Kreis ihm ansprechbar erscheinender Personen auf, Flugschriften dieser „Geheimen Befreiungsfront" nachts auf Straßen und Plätzen auszustreuen. Dieser Aufforderung ist im Bundesgebiet niemand nachgekommen. Die Empfänger lieferten vielmehr die ihnen zugesandten Schriften bei Polizeidienststellen ab, soweit sie sie nicht selbst vernichteten.
Die in dieser Sache bisher gewonnenen Erkenntnisse weisen auf Urheber im Ausland hin. 2. Außereuopäische Gruppen Anfang August 1962 wurde anläßlich der Arbeitstagung des „Northern European Ring" auf der Farm Temple-Guiting die „World Union of National Socialists" (WUNS) gegründet. Sie setzt sich für die Vernichtung des „jüdisch kommunistischen Apparates" ein und bekennt sich offen zur Ideologie des Nationalsozialismus. Ihre Führer sind der britische Nationalsozialist Colin Jordan und der Chef der „American Nazi Party", Lincoln Rockwell, in dessen Händen insbesondere die Propaganda-arbeit der neuen Organisation liegt. Rockwell hat in den Arbeitsanweisungen der WUNS der Wahrheit zuwider die Existenz einer „Ersten Nationalsozialistischen Deutschen Hun18 dertschaft" behauptet, die angeblich im politischen Untergrund der Bundesrepublik für die Ziele seiner Organisation tätig ist. Tatsächlich handelt es sich insoweit um eine propagandistische Erfindung.
Im Herbst 1962 gingen deutschen Empfängern auf dem Postwege aus den USA programmatische Verlautbarungen dieser fiktiven deutschen Untergrundgruppen sowie deutschsprachige Flugblätter zu, die Hakenkreuze trugen und die „Wiederkehr der Nationalsozialisten in Deuschland" ankündigten.
Ein „Nationalsozialistischer Jugendbund" aus Karibib (Südwestafrika) bemüht deutsche sich, Jugendgruppen auf seine antisemitischen und nazistischen Ziele zu verpflichten. Sein Leiter operierte mit frei erfundenen Zahlen über angeblich angeschlossene Organisationen und geheime Mitarbeiter im Bundesgebiet.
Nicht verkannt wird, daß neben diesen vordergründigen Versuchen zur Belebung geheimbündlerischer rechtsextremer Zusammenschlüsse im Bundesgebiet Anzeichen für ernsthaftere internationale Bestrebungen in dieser Richtung vorliegen. Es zeigt sich, daß unter den antidemokratischen Nationalisten des In-und Auslandes vielfältige Verbindungen bestehen, mit deren Hilfe gelegentlich aktuelle Schwierigkeiten überwunden, internationale Vorhaben geplant und propagandistische Aktionen koordiniert werden. c) Publizistische Einflüsse des internationalen Faschismus 1. Ausländische Presseerzeugnisse Eine nicht unerhebliche Einwirkung ausländischer faschistischer Gruppen besteht darin, Propagandamateiial auf dem Postwege in die Bundesrepublik zu senden.
Im Jahre 1962 wurden mindestens 57 periodisch erscheinende Presseorgane und Informationsdienste dieser Gruppen in unbekannter Auflage an Empfänger im Bundesgebiet verschickt, darunter mehere deutschsprachige Blätter. Außerdem wurden 32 einschlägige Flugschriftaktionen im Bundesgebiet erkannt. Diese überwiegend antisemitischen Presseerzeugnisse kamen aus Belgien, Frankreich, Holland, Italien, Österreich, der Schweiz, Portugal, Schweden, Dänemark, Großbritannien, den USA, Brasilien und Argentinien.
Fast alle Publikationen der „American Nazi Party" sind darauf abgestellt, die nationalsozialistischen Maßnahmen gegen die Juden zu rechtfertigen. Ein in Stockholm wohnender Pamphletist verbreitete Hetzschriften unter der Bezeichnung „NSDAP Landesleitung Norden". 2. Inländische Veröffentlichungen Seit 1951 bedient sich der internationale Faschismus der in Coburg erscheinenden Monatsschrift „Nation Europa", um seine staats-und verfassungspolitischen Vorstellungen den etwa 7 000 in-und ausländischen Abonnenten dieses Blattes nahezubringen. In „Nation Europa" sind u. a. Vertreter der „Europäischen Sozialen Bewegung" mit Sitz in Schweden und der „British Union Movement" Sir Oswald Mosleys mehrfach zu Wort gekommen. Andere rechtsradikale Organe werben für die Ziele der verschiedenen Richtungen des internationalen Faschismus in weniger offener Form. d) Rückwirkungen auf das Ausland Die persönlichen und publizistischen Verbindungen rechtsextremer Kreise mit Vertretern des internationalen Faschismus verursachen politische Wirkungen nicht nur im Bundesgebiet, sondern werden auch im Ausland kritisch gewertet. Dies gilt sowohl für die gelegentliche Teilnahme rechtsradikaler Aktivisten an öffentlichen Veranstaltungen und geheimen Zusammenkünften ausländischer faschistischer Gruppen als auch für die publizistische Mitarbeit deutscher Rechtsextremisten in Presseorganen des Auslands-Faschismus. Hinzu kommen, daß die rechtsextreme Presse des In-und Auslandes in regem Informationsaustausch steht und mehrere rechtsextreme Zeitungen und Zeitschriften über einen ausländischen Bezieher-kreis verfügen. Der Informationsdienst des im Bundesgebiet jetzt nahezu anhanglosen „Kameradschaftsrings Nationaler Jugendverbände"
(KNJ) — „Der Trommler" — wird laufend auch nach Österreich verschickt.
Seit etwa einem Jahr sind die Regierungen der europäischen Staaten — wie auch die Bundesregierung — in verstärktem Maße dazu übergegangen, sich gegen die unerwünschte politische Reisetätigkeit internationaler Faschisten durch Einreiseverbote zu schützen. Von solchen Maßnahmen der anderen europäischen Staaten wurden auch mehrere deutsche Staatsangehörige betroffen.
V. Staatliche Maßnahmen gegen Träger verfassungsfeindlicher Bestrebungen
500------450 — 400------3 50 -300-----250 200------150 100------50—I 30 DAT: ACHSE KÖLNER INITIALFALL 25. 12. 59 ANTISEMITISCHE U. NAZISTISCHE VORKOMMNISSE 1959 -1962 MAM n A SON I J F MAM JAS 1959 1960 — 348 FÄLLE--------------1------------1206 FÄLLE — (TATZEITEN-STATISTIK) ZEICHENERKLÄRUNG: OBERE LINIE: VORKOMMNISSE EINSCHLIESSLICH KINDERTATEN. UNTERE LI NIE: VORFÄLLE OHNE KINDERTATEN. BEGINN DES EICHMANNPROZESSES (APRIL 61) JFMA Mn 1961 -----------389 FÄLLE -SKIZZE 1 3FMAM 3 AS 1962 ------------205 FÄLLE-
500------450 — 400------3 50 -300-----250 200------150 100------50—I 30 DAT: ACHSE KÖLNER INITIALFALL 25. 12. 59 ANTISEMITISCHE U. NAZISTISCHE VORKOMMNISSE 1959 -1962 MAM n A SON I J F MAM JAS 1959 1960 — 348 FÄLLE--------------1------------1206 FÄLLE — (TATZEITEN-STATISTIK) ZEICHENERKLÄRUNG: OBERE LINIE: VORKOMMNISSE EINSCHLIESSLICH KINDERTATEN. UNTERE LI NIE: VORFÄLLE OHNE KINDERTATEN. BEGINN DES EICHMANNPROZESSES (APRIL 61) JFMA Mn 1961 -----------389 FÄLLE -SKIZZE 1 3FMAM 3 AS 1962 ------------205 FÄLLE-
a) Straf-und Einziehungsverfahren Im Jahre 1962 sind 54 Urteile wegen Straftaten aus rechtsradikalen oder antisemitischen Motiven rechtskräftig geworden, davon 14 wegen Verwendung verbotener politischer Kennzeichen und Volksverhetzung (§§ 96 a, 130 StGB). Hinzu kommen 29 Urteile, die noch nicht rechtskräftig sind. Der im Vergleich zum Vorjahre (90 rechtskräftige Urteile) erhebliche Rückgang ist auf ein Nachlassen der Straftaten sowie darauf zurückzuführen, daß die Gerichte bei Jugendtaten oft Erziehungsmaßregeln für ausreichend halten oder Bagatellsachen ohne politischen Hintergrund öfter als bisher wegen Geringfügigkeit eingestellt haben. Dagegen wurden gegen politische Überzeugungstäter vielfach härtere Strafen verhängt, so daß das Strafmaß im Durchschnitt jetzt wesentlich höher liegt als im Vorjahr.
Von den Tätern wurden rechtskräftig verurteilt: 37 zu Freiheitsstrafen (68, 5%), darunter eine Zuchthausstrafe von 6 Jahren und 5 Verurteilungen zu 1 Jahr Gefängnis und mehr, 13 zu Geldstrafen (24, 1%), 4 zu Freizeitarrest oder Jugendstrafen nach dem Jugendgerichtsgesetz (7, 4%).
Mehrere Schriften, in denen nationalistische oder antisemitische Tendenzen zum Ausdruck kamen, oder die geeignet waren, verfassungsfeindliche Bestrebungen zu fördern, wurden durch Gerichtsbeschluß beschlagnahmt oder eingezogen. Hier sind zu nennen das Buch „Die Geschichte des Rabbi Geldstein in Berlin" von Georgette Goldstein-Laczkö, herausgegeben vom Heos-Verlag, Tübingen, das mit Beschluß des Amtsgerichts Berlin-Tiergarten vom 10. Januar 1962 beschlagnahmt wurde, und das im Schild-Verlag, München, erschienene Buch „Israel — Traum und Wirklichkeit" des ehern. Universitätsprofessors Dr. Franz Josef Scheidl, Wien, das nach dem Beschlagnahmebeschluß des Amtsgerichts München vom 22. Januar 1962 geeignet ist. die Bevölkerung zum Haß gegen das Judentum aufzustacheln. Von seiner Gesamtauflage von 4 000 Exemplaren wurden 2 361 Stück sichergestellt. Das Landgericht München I hat dieses Buch mit Beschluß vom 7. November 1962 als staatsgefährdende Schrift eingezogen. Gleichfalls eingezogen wurde das Buch Ludendorffs „Vernichtung der Freimaurerei durch Enthüllung ihrer Geheimnisse" durch Urteil des Landgerichts München I vom 18. Juli 1962. Die Revision des Einziehungsbeteiligten Karg von Bebenburg gegen dieses Urteil hat der Bundesgerichtshof durch Beschluß vom 25. Oktober 1962 als unbegründet verworfen. b) Verbote, Auflösungen, sonstige V erwaltungsmaßnahmen Staatliche Verbotsmaßnahmen richteten sich 1962 hauptsächlich gegen rechtsradikale Jugendorganisationen. Der zahlenmäßig stärkste nationalistische Jugendbund, der „Bund Vaterländischer Jugend" (BVJ), wurde am 17. Juli 1962 in den Ländern Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein, in denen er über organisierte Gruppen verfügte, als gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes verbotene Vereinigung mit allen Untergliederungen aufgelöst. Die Fortführung des „ Vaterländischen Jugend-Verlags"
(VJV), die Herstellung und der Vertrieb von Druckerzeugnissen sowie die Bildung von Nachfolge-und Ersatzorganisationen wurden untersagt. In Hamburg hat der Bund gegen das Verbot Widerspruch eingelegt. In den übrigen Bundesländern ist das Verbot rechtskräftig geworden.
Die Auflösung der Gruppen des „Bundes Nationaler Studenten" (BNS) im Regierungsbezirk Köln ist nach -Zurücknahme der Anfechtungsklage durch Einstellung des Verwaltungsstreitverfahrens am 12. Juni 1962 rechtskräftig geworden. Die Auflösungsverfügungen haben außerdem in Bayern sowie den Regierungsbezirken Münster und Hildesheim Rechtskraft erlangt.
Gegen zwei weitere Jugendverbände, den „Bund Heimattreuer Jugend" (BHJ), Nürnberg, und die „Wiking-Jugend" (WJ), Köln, ergingen am 26. Februar 1962 bzw. 29. Oktober 1962 Entscheidungen des Bundesministers des Innern, nach denen das Verbot des Tragens gleichartiger Kleidungsstücke (§ 3 Abs. 1 Versammlungsgesetz) auch für die Mitglieder dieser Bünde gilt. Da die Uniform erfahrungsgemäß ein werbewirksames Attribut der nationalistischen Jugendor-ganisationen ist, verlieren die betroffenen Gruppen durch diese Entscheidungen an Anziehungskraft auf die Jugend. Anlaß zu Versammlungsverboten bestand demgegenüber nur in wenigen Fällen.
In die Grenzüberwachungslisten der Bundesrepublik sind bis jetzt 41 ausländische Faschisten, gegen die Einreiseverbot verfügt oder sonstige Überwachungsmaßnahmen angeordnet worden sind, ausgenommen worden. c) Politische Bildung In der Überzeugung, daß der wirksamste Beitrag zur Abwehr des verfassungsfeindlichen Gedankenguts des Rechtsradikalismus in der Erziehung der Staatsbürger, insbesondere der Jugend, zu verantwortungsbewußtem, demokratischen Denken und Handeln und in der Aufklärung über Wesen und Gefahren totalitärer Ideologien liegt, haben sich Presse, Rundfunk und Fernsehen in verstärktem Maße dieses Themas angenommen. Daneben leisten Parteien und Gewerkschaften, Kirchen, Schulen und andere Einrichtungen wirksame politische Bildungsarbeit. Hervorgehoben zu werden verdient der Beschluß der Kultusminister-Konferenz vom 5. Juli 1962, der Richtlinien für die Behandlung des Totalitarismus im Unterricht aller Schulen sowie für die Gemeinschaftskunde in den Oberklassen der Gymnasien aufgestellt hat. Gegenüber den rechtsradikalen Kriegsschuldthesen und der Tendenz dieser Gruppen zur Verherrlichung des nationalsozialistischen Regimes kommt der Förderung und Verbreitung von Zeugnissen aus dieser Zeit und von wissenschaftlichen Arbeiten über sie besondere Bedeutung zu. Mehrere öffentliche und private Einrichtungen, wie z. B. das „Institut für Zeitgeschichte" und die „Bundeszentrale für Heimat-dienst“, widmen sich besonders dieser Aufgabe.
VI. Zusammenfassung
Alter Täter im 1960 Kinder bis zu 14 Jahren Jugendliche bis zu 20 Jahren 20— 30jährige 30— 40jährige 40— 50jährige 50— 60jährige über 60jährige insgesamt 79 217 304 178 153 96 56 1 083 Täter im Jahre 1961 17 59 76 61 43 30 17 303 Täter im ins-Jahre 1962 gesamt 5 16 31 21 19 20 7 119 101 292 411 260 215 146 80 1 505
Alter Täter im 1960 Kinder bis zu 14 Jahren Jugendliche bis zu 20 Jahren 20— 30jährige 30— 40jährige 40— 50jährige 50— 60jährige über 60jährige insgesamt 79 217 304 178 153 96 56 1 083 Täter im Jahre 1961 17 59 76 61 43 30 17 303 Täter im ins-Jahre 1962 gesamt 5 16 31 21 19 20 7 119 101 292 411 260 215 146 80 1 505
a) Der Rechtsradikalismus in der Bundesrepublik befindet sich nach wie vor in einem Zustand fortschreitender Zersplitterung und Vereinsamung. Er ist sich dessen in zunehmendem Maße bewußt geworden. Die Mitgliederzahlen der rechtsextremen Gruppen und Grüppchen sind insgesamt weiterhin stark zurückgegangen. b) Die rechtsradikale Publizistik hat sich demgegenüber verstärkt. In ihr tritt die ideologische Werbung hinter verstärkten Bemühungen zurück, das demokratische Staatswertgefühl der Bevölkerung mit einer polemischen Deutung der wichtigen Fragen und Ereignisse der Tagespolitik und der politischen Vergangenheit aufzuweichen. c) In Erkenntnis der Aussichtslosigkeit ihrer Bemühungen, im politischen Leben der Bundesrepublik in absehbarer Zeit Bedeutung zu gewinnen, ist eine Kerngruppe rechtsextremer Aktivisten und internationaler Faschisten zu verfassungsfeindlichem Verhalten mit konspirativen Mitteln übergegangen. Diese Bemühungen sind bisher über entsprechende Versuche nicht hinausgekommen. Organisatorisch nicht gebundene Teile der Bevölkerung neigen noch nationalistischen Vorstellungen zu oder versuchen, ihre politische Vergangenheit zu rechtfertigen; dies hat bisher jedoch weder nennenswert bei den Wahlen noch erkennbar in anderen Wirkungsfeldern der politischen Kräfte und Strömungen einen Niederschlag gefunden. d) Im ganzen gesehen ist der Rechtsradikalismus im Bundesgebiet unter den gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine akute Gefahr für die verfassungsmäßige Ordnung. Seine Tätigkeit erfordert jedoch auch in Zukunft eingehende Beobachtung. Trotz des geringen innenpolitischen Gewichts der rechtsradikalen Kräfte stellt allein schon ihr mehr oder weniger offenes Eintreten für den Nationalsozialismus nicht nur eine Herausforderung des deutschen Volkes dar, sondern beeinträchtigt auch die Glaubwürdigkeit der Bundesrepublik und ihre Stellung in der freien Welt.