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Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939 | APuZ 48/1962 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 48/1962 Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939 Politik und Zeitgeschichte

Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939

GOTTHOLD RHODE

Einleitung

Die Tschechoslowakei von 1918 bis 1939

Inhalt

Am 10. März 1948 besiegelte der Prager Fenstersturz des Außenministers Jan Masaryk die endgültige Machtübernahme der Kommunisten in der Tschechoslowakischen Republik. Jedem, der bisher noch an die Möglichkeit eines „Mittelweges" zwischen Demokratie und Kommunismus und an begrenzte Ziele sowjetischer Außenpolitik geglaubt hatte, wurde damit klar, daß Stalins erstes Ziel, die absolute Herrschaft in Osteuropa, nunmehr erreicht war und daß mit weiteren Vorstößen einer aggressiven sowjetischen Außenpolitik gerechnet werden mußte Fast genau neun Jahre vorher, am 15. März 1939, zeigte der Einmarsch der deutschen Truppen in Prag, daß es Hitler nicht nur um die Revision des Vertrages von Versailles ging, sondern daß er die Beherrschung Ostmitteleuropas anstrebte, und daß entgegen seinen früheren Beteuerungen mit weiteren Vorstößen seiner aggressiven Außenpolitik gerechnet werden mußte. 1948 war die Tschechoslowakische Republik das letzte Land Ostmitteleuropas, das eine eindeutig kommunistische Herrschaft auf sich nehmen mußte, 19 39 war sie umgekehrt das erste Land, das vor Hitler kapitulieren mußte. Beide Male machte ihr Schicksal Epoche und beendete und eröffnete entscheidende Perioden europäischer Geschichte.

In den zwei Jahrzehnten zwischen den beiden Weltkriegen war die Tschechoslowakei der am weitesten entwickelte und reichste unter den Nachfolgestaaten Österreich-Ungarns, das Musterbeispiel für das durch den Zusammenbruch der Mittelmächte und die Pariser Vorortverträge geschaffene „Neue Europa" Ihr Schicksal in diesen zwanzig entscheidungsreichen Jahren europäischer Geschichte, die für die deutsche Rückschau allzu sehr lediglich unter den Überschriften „Weimar“ und „Hitler" stehen, ist deshalb nicht nur für Tschechen, Slowaken und „Sudetendeutsche" die unmittelbar Betroffenen, von Bedeutung, sondern für die Entwicklung ganz Europas. Vor allem aber muß es jeder kennen, der die Entwicklung Mitteleuropas und Osteuropas verstehen will, denn beiden gehörte und gehört die Tschechoslowakei an.

In dieser Doppelheit, in der einzigartigen geographischen Gestalt dieses Staates, die sich in Europa nur mit der von Norwegen vergleichen läßt, in dem Bemühen, mehrere geographisch, ethnisch, historisch und kulturell völlig verschiedene Gebiete fest miteinander zu verbinden, treten bereits einige unter den vielfachen Problemen der Geschichte der Tschechoslowakei zutage. Von ihrer Entstehung bis zu ihrer Auflösung hat die Tschechoslowakische Republik sowohl unter ihren Staatsbürgern wie außerhalb ihrer Grenzen begeisterte Befürworter und unbedingte Gegner gefunden, während die Existenz anderer Staaten, die ebenfalls am Ende des Ersten Weltkrieges erstmals ins Leben traten, kaum ein Für und Wider hervorrief. Es ist deshalb weit schwieriger, die Geschichte der Tschechoslowakei in den Jahren zwischen den Weltkriegen zu schreiben, als die Finnlands oder Lettlands, weil zahlreiche Ereignisse von den Zeitgenossen mit völlig anderen Augen gesehen werden. Dabei spielen nicht nur die nationalen Unterschiede zwischen Tschechen und Deutschen, Slowaken und Tschechen, Magyaren und Ukrainern eine Rolle, sondern häufig mehr noch die zwischen Katholiken und Protestanten (in der Slowakei), Gläubigen und Freigeistern, Konservativen und Sozialisten, Russophilen und Westlern.

Die folgende notwendigerweise knappe auf Information bedachte Darstellung kann auf die zahllosen Differenzen nicht im einzelnen ein-gehen. Ihre Aufgabe kann es ebenso wenig sein, diesen Staat, seine Begründer und Leiter, zu glorifizieren, wie den Widersinn und die Zwangsläufigkeit einer negativen Entwicklung zu beweisen Sie kann lediglich Tatsachen und Zusammenhänge darstellen, soweit sie sich aus den zugänglichen gedruckten Quellen erschließen lassen, ohne sie von Fall zu Fall abzuwägen und zu beurteilen. Sie wird allerdings dort, wo Programm und Ausführung, offizielle Geschichtslegenden verschiedener Observanz und Tatsachen und Verhältnisse einander deutlich widersprechen, nicht vermeiden, auf diese Diskrepanzen hinzuweisen. Das geschieht nicht, um darzutun, daß auch geschichtliche Persönlichkeiten, denen die Mitwelt wie die Nachwelt ihre Größe bescheinigt hat, nicht frei von Irrtum und Schuld sind, sondern um der Erkenntnis der geschichtlichen Wirklichkeit zu dienen Diese Wirklichkeit liegt aber weder in der These, daß die Tschechoslowakei der Zwischenkriegsjahre ein Musterland demokratischen Wollens und Handelns war, dessen Auseinanderbrechen allein die Böswilligkeit der Nachbarn und eines Teils seiner Bürger verschuldete, noch, daß sie ein künstlicher Zwangsstaat, ein neues „Gefängnis der Völker" war, dessen Auflösung aus innerer Notwendigkeit erfolgte, noch schließlich in der heutigen kommunistischen Geschichtslegende, daß sie ein ganz besonderer Hort der Bourgeoisie, der besitzenden Klassen, des „sowjetfeindlichen Imperialismus" gewesen sei.

Die Entwicklung der Tschechoslowakei ist zu einem Teil durch die Vorgeschichte ihrer Entstehung bedingt, durch die Aktionen und Vorstellungen vor allem tschechischer Politiker in Böhmen und Mähren und im Ausland während des Ersten Weltkrieges. Unsere Darstellung kann deshalb nicht mit dem 28. Oktober 1918, mit der Proklamation der Unabhängigkeit, einsetzen, sondern muß nach einem kurzen Blick auf die geographischen, ethnographischen und politischen Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg zunächst die Bestrebungen zur Bildung dieses Staates behandeln.

I. Geographische, ethnographische und politische Verhältnisse vor dem Ersten Weltkrieg

Das rund 140 000 km2 umfassende spätere Staatsgebiet der Tschechoslowakei bildete im Jahre 1914 in keiner Beziehung eine Einheit.

Geographisch setzte es sich aus drei großen Landschaften zusammen: dem ein unregelmäßiges Viereck bildenden zwischen Sudeten, Erzgebirge. Böhmerwald und der Böhmisch-Mährisehen Höhe eingebetteten böhmischen Becken (rund 5 2 000 km2), dem Mäkrisdi-sdilesisdten Durchgangsland zwischen den niedrigen Gebirgen der böhmisch-mährischen Höhen, der Kleinen und Weißen Karpathen, zwischen dem Gesenke und den Tälern der oberen Oder und oberen Weichsel im Norden und dem Wiener Becken im Süden (rund 27 000 km2) und einem ganz unregelmäßigen Ausschnitt aus der Panno-nisdted Tiefebene mit ihrer Bergumrandung, den Karpathen, und mit dem slowakischen Bergland (rund 62 000 km2). Während trotz der äußerlichen Abgeschlossenheit des böhmischen Beckens „alle Wasser Böhmens nach Deutschland“, in die Nordsee, fließen, strebt der namengebende Hauptfluß Mährens, die Morava, zur Donau, die beiden Teile ÖsterreichischSchlesien aber gehören über Oder und Weichsel zum Einzugsgebiet der Ostsee. Bergland und Tiefebene im Osten sind wieder allein Einzugs-gebiet der Donau, der Kamm der Karpathen ist Wasserscheide zur Ostsee. Dieser geographischen Dreiteilung in zwei strukturell und kulturell mitteleuropäische, in sich geschlossene Großlandschaften und einem geographisch unbegründeten Ausschnitt aus einer südosteuropäischen Großlandschaft entsprach eine politische Zweiteilung in die zur österreichischen Reichshälfte (die erst 1916 offiziell „Österreich“ genannt wurde) gehörenden historischen Länder, die Kronländer Böhmen (Hauptstadt Prag), Mähren (Hauptstadt Brünn, rund 22 000 km2) und Schlesien (Hauptstadt Troppau, rund 5 000 km ) und die Landesteile Ungarns, die weder historisch noch verwaltungsmäßig eine Einheit bildeten, kein Zentrum und keine natürlichen oder kulturellen Grenzen zu anderen Gebieten Ungarns hatten.

Der Schwerpunkt der beiden so ungleichen Teile lag nicht nur politisch und kulturell, sondern auch bevölkerungsmäßig in den „historischen Ländern" Sie zählten (bei der Volkszählung vom 15. 2. 1921) zusammen fast genau 10 Millionen Einwohner, also rund 74 °/o der Gesamteinwohnerzahl von 13, 6 Millionen, bei einem Flächenanteil von 5 5 °/o, während die zu Ungarn gehörenden Gebiete nur 3, 6 Millionen Einwohner hatten, also wenig mehr als ein Viertel der Gesamteinwohnerzahl stellten.

In den drei „historischen Ländern“ standen einander zwei große Volksgruppen gegenüber, Tschechen und Deutsche, seit Jahrhunderten durch die Verzahnung der geschlossenen Siedelgebiete, durch Zusammenleben in den großen Städten und einigen Mischgebieten eng miteinander verbunden, jetzt durch den Sprachen-und Nationalitätenstreit des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts voneinander getrennt, sich aber nicht etwa in unversöhnlicher Feindschaft bekämpfend. In Schlesien war der Dualismus zweier Völker durch das Hinzutreten der Polen und der sich weder den Polen noch den Tschechen voll zurechnenden Sdtlonsaken aufgelöst und abgemildert. Die Ergebnisse der österreichischen Volkszählung von 1910 sind während des Krieges von tschechischen Politikern heftig kritisiert und als unrichtig dargestellt worden.

Die Ergebnisse der in der Tschechoslowakei durchgeführten Volkszählungen von 1921 und 1931 zeigten aber, daß diese Vorwürfe unberechtigt waren und daß die österreichische Statistik das Bild durchaus nicht zugunsten des deutschen Bevölkerungsteiles verändert hatte.

Im wichtigsten der drei Länder, in Böhmen, bildeten nach der Volkszählung von 1910 die Tschechen 63, 2 °/o, die Deutschen 36, 8 °/o der knapp 6’/« Millionen zählenden Bevölkerung, in Mähren war das Verhältnis 71, 8 ’/o zu 27, 7 °/o bei 2, 6 Millionen Einwohnern, in Schlesien bildeten die Tschechen mit nur 24, 3 °/o eine Minderheit gegenüber 43, 9 °/o Deutschen und 31, 7 % Polen unter den knapp 750 000 Einwohnern

Die drei Kronländer waren nicht nur historische, sondern auch politische Einheiten mit eigener Landesverwaltung, Landesbeamten und Landtag. An der Spitze der Landesverwaltung stand der vom Kaiser ernannte, meist dem böhmischen und mährischen Hochadel entstammende Statthalter. In der Landesverwaltung befanden sich ganz überwiegend dem Lande selbst entstammende Beamte, wobei der tschechische Bevölkerungsanteil wesentlich stärker berücksichtigt war als der deutsche. Da Beamte tschechischer Nationalität auch in den Wiener Zentralbehörden sehr zahlreich vertreten waren, und zwar doppelt so stark wie die Polen, da außerdem mehrfach tschechische Minister der Regierung angehörten, konnte von einer bewußten Zurücksetzung des Tschechentums in den Kronländern und in der Gesamtmonarchie nicht gesprochen werden.

Auch im Gesamtparlament, dem Reichsrat, zu dem seit der Wahlreform von 1907 nach dem allgemeinen gleichen Wahlrecht gewählt wurde, waren die tschechischen Parteien mit 108 von 516 Sitzen stark vertreten und hatten die Möglichkeit, ihre Wünsche, Beschwerden und Anschauungen durch ihre gewählten Vertreter deutlich vorzutragen. Die tschechischen Politiker in Böhmen mit Ausnahme der Sozialisten wollten aber grundsätzlich mehr, nämlich den Zusammenschluß aller drei Länder der „Wenzelskrone" auf Grund des „böhmischen Staatsrechts" zu einem selbständigen Sondergebilde innerhalb der Monarchie, das mit dem übrigen Österreich in ähnlicher Form verbunden sein sollte wie das Königreich Ungarn, und die völlige Gleichberechtigung der tschechischen mit der deutschen Sprache in allen drei Kronländern. Das stieß auf den Widerstand der Deutschen in Böhmen, die in den überwiegend und teilweise rein deutsch besiedelten Gebieten nur die deutsche Sprache gelten lassen wollten und die Schaffung rein deutschsprachiger, rein tschechischsprachiger und gemischtsprachiger Verwaltungseinheiten vorschlugen. Die Aufteilung schien aber den tschechischen Politikern, die die Tschechen als die eigentliche einheimische Bevölkerung, die Deutschen nur als Fremdlinge und Immigranten ansahen, als mit der historischen Tradition Böhmens und mit dem Erstgeburtsrecht des tschechischen Volkes innerhalb des ganzen Landes unvereinbar. Der Sprachen-streit in Böhmen, der einen Höhepunkt erreicht hatte, als Ministerpräsident Badeni (ein Pole aus Galizien) im April 1897 verfügte, daß sämtliche Beamten in Böhmen und Mähren ab 1901 beider Sprachen mächtig sein sollten (die Verordnung wurde 1899 wieder aufgehoben), konnte bis zum Ausbruch des Weltkrieges nicht beendet werden, obwohl seit 1909 eine gemischte parlamentarische Kommission an der Schaffung eines beide Seiten befriedigenden Ausgleichs arbeiteten. In Mähren dagegen, wo beide Bevölkerungsteile in größerer Vermischung der Siedlungsgebiete enger zusammenlebten, war es gelungen, diesen Ausgleich durch vier miteinander zusammenhängende Gesetze vom 27. November 1905 zu erreichen. Die Schaffung eines Nationalkatasters, wodurch in jedem Gebiet zwei Wahlkreise gewissermaßen übereinander lagen, bewirkte, daß jeder Bevölkerungsanteil sicher sein konnte, eine festgelegte Zahl Abgeordneter im Landtag zu haben und keine Majorisierung in Sprachenfragen zu fürchten brauchte; durch die Sonderung der Schulbehörden nach Nationalitäten wurde eine Germanisierung und Tschechisierung in der Schule verhindert. im Landtag zu haben und keine Majorisierung in Sprachenfragen zu fürchten brauchte; durch die Sonderung der Schulbehörden nach Nationalitäten wurde eine Germanisierung und Tschechisierung in der Schule verhindert.

Auch im kulturellen Leben hatte die tschechische Bevölkerung der Kronländer ein weitgehendes nationales Eigenleben entwickeln können, das sich nicht nur auf den privaten Bereich zu beschränken brauchte. Neben den beiden tschechischen Technischen Hochschulen in Prag und Brünn stand seit der Teilung der ehrwürdigen Carolina im Jahre 1882 die tschechische Karls-Universität, und außer über ein ausgedehntes Volksschulwesen verfügten die Tschechen in den drei Ländern im Jahre 1914 über 74 Gymnasien und 4 3 Realschulen

Neben den zeitweilig zwölf tschechischen politischen Parteien, unter denen die national-radikalen Jungtschechen (Kramär), die unbedingt das „Staatsrecht" verfechtenden Nationalsozialisten (Klof), die Agrarier (vehla), die Sozialisten (Soukup) und die katholische tschechische Volkspartei (rmek) die bedeutendsten waren, während die Partei des späteren Staats-präsidenten Masaryk, die antiklerikalen Realisten, nur zwei (1907) bzw ein (19 11). Mandat erringen konnte, standen zahlreiche auch politisch tätige Vereinigungen, vor allem der Turnverband, der „Sokol", mit seinem Führer Scheiner.

Alle Parteien und die Presse wirkten zur Wahrung der nationalen Belange seit der Jahrhundertwende in einem tschechischen Nationalrat (Närodni Rada esk) zusammen, die neben der Verwirklichung des böhmischen Staatsrechts auch die „Information des Auslandes über die tschechische Nation“ zum Ziel hatte. Hier wurde vor allem auch die enge Verbindung mit dem russischen Nationalismus ermöglicht.

All das bewirkte, daß das tschechische Volk im Jahre des Kriegsausbruchs nicht nur über eine ganze Anzahl politischer Führer mit weitreichenden parlamentarischen Erfahrungen, sondern auch über eine breite, politisch bewußte und aktive Bildungsschicht und über einen ausgedehnten gut ausgebildeten Beamtenapparat verfügte, dessen Angehörige den deutschen Beamten aufgrund ihrer Zweisprachigkeit häufig überlegen waren

Völlig abweichend waren indessen die Verhältnisse in den slowakisch besiedelten Teilen Ungarns, die weder eine Landesverwaltung noch einen Landtag, noch Beamte hatten, die in der slowakischen Sprache amtieren durften. Infolge der scharfen Madjarisierungspolitik im ungarischen Reichsteil hatten die Slowaken seit 1875 überhaupt keine Gymnasien oder Mittelschulen, von einer Universität ganz zu schweigen, selbst die große Mehrheit der Volksschulen im slowakischen Siedlungsgebiet war rein madjarisch, und auch an den wenigen Schulen, die slowakischen Unterricht hatten, mußte bis zu 18 Wochenstunden Madjarisch gelehrt werden.

Die Mehrheitsverhältnisse rechtfertigten dieses völlige Vorherrschen des Madjarischen als Amts-und Bildungssprache absolut nicht, denn nach der Volkszählung von 1910 bekannten sich nur knapp 31 °/o der Bevölkerung des späteren Landesteils Slowakei als Madjaren, im späteren Landesteil Karpathoruthenien nur knapp 30%, während die Slowaken im ersteren knapp 5 8%, die Ruthenen im letzteren etwas über 56% ausmachten, wobei noch die starke promadjarische Beeinflussung bei der Volkszählung zu berücksichtigen ist. Neben diesen drei Nationalitäten spielten die Deutschen in der Zips und in der mittleren Slowakei zwar zahlenmäßig eine geringe (knapp 7% in der späteren Slowakei) kulturell und wirtschaftlich als städtische Bevölkerung aber eine bedeutende Rolle.

Das politische Leben der Slowaken stand seit den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts unter dem harten Druck der Madjarisierung und behördlichen Bevormundung und konnte sich nur langsam entwickeln. Wichtigste Parteien waren die Slowakische Nationalpartei und die im Sommer 1913 von dem katholischen Geistlichen A. Hlinka gegründete betont christliche Slowakische Volkspartei, zu der auch der Parlamentsabgeordnete F. Juriga gehörte. Der Anteil der Slowaken im ungarischen Parlament entsprach bei weitem nicht ihrer Volkszahl von 2 Millionen. 1905 waren sie nur durch 2 Abgeordnete vertreten, darunter Milan Hodza, von 1906 bis 1910 durch sieben, im letzten, 1910 gewählten Parlament aber wieder nur durch drei. Neben Hlinka, der eine slowakische Autonomie anstrebte und gefühlsmäßig eher zu den ebenfalls katholischen Polen als zu den religiös indifferenten Tschechen neigte, standen als jüngere und wandlungsfähigere Politiker Milan Hodza und Vävro robr, die für enge Zusammenarbeit mit dem größeren tschechischen Volk eintraten.

Weit mehr als im tschechischen Volk, das der katholischen Kirche nur geringen Raum im politischen und kulturellen Leben einräumte, spielte im politischen Leben der Slowaken die Frage der Konfession eine Rolle. Dabei trat die katholische Mehrheit von über 70% mehr für die Eigenständigkeit der Slowaken ein und war prohabsburgisch, während die protestantische Minderheit von weniger als 20%, die aber meist den gebildeten Schichten angehörten, enges Zusammengehen mit den Tschechen befürwortete. Von der zeitweilig besonders großen Härte des ungarischen Drucks gegenüber allen slowakischen nationalen Bestrebungen zeugten die Schüsse der ungarischen Polizei in Cernova, durch die im Oktober 1907 13 slowakische Demonstranten getötet und über 60 verletzt wurden. Durch sie wurde die Welt daraf aufmerksam, daß es neben der tschechischen Frage auch eine slowakische Frage gab

II. Die Vorbereitung der Gründung der Tschechoslowakei während des Ersten Weltkrieges. Masaryk, Kramär, Benes

Daß der tschechoslowakische Staat am Ende des Ersten Weltkrieges aus beiden Teilen der zerbrechenden Monarchie entstehen, rasch Anerkennung finden und Gestalt gewinnen konnte, ist neben dem Kriegsverlauf und dem wachsenden Interesse der Alliierten an der Auflösung Österreich-Ungarns und der größtmög-liehen Schwächung Deutschlands vor allem dem Wirken einiger tschechischer Politiker im Ausland und in der Heimat zuzuschreiben, unter denen vor allem Thomas G. Masaryk, sein Mit-arbeiter Edvard Benes und sein Gegenspieler Karel Kram hervorragen. Eine Schilderung ihrer Biographie bis zum Kriegsausbruch muß deshalb der Darstellung ihres Wirkens im Kriege vorangestellt werden.

Thomas G. Masaryk der große alte Mann der Tschechoslowakei, war 18 50 in Göding (Hodonin) in Mähren als Sohn eines Kutschers und einer Köchin geboren, konnte aber trotz dieser Herkunft aus ganz kleinen Verhältnissen bei seiner hohen Begabung in Brünn und Wien das Gymnasium besuchen und in Wien und Leipzig Philosophie und Literatur studieren. Seine durchaus westliche Einstellung wurde durch die Ehe mit der Amerikanerin Charlotte Garrigue unterstrichen, deren Namen er seinem Namen als Mittelnamen einfügte. Diese Ehe ermöglichte ihm seine wissenschaftliche Tätigkeit, die zunächst ganz auf dem Gebiet der Philosophie und Soziologie lag, und erleichterte die Verbindungen zur angelsächsischen Welt. Seit 1878 Privatdozent in Wien, wurde er 1882 Extraordinarius an der neugegründeten tschechischen Universität in Prag und begann nun, tschechisch zu schreiben. Neben der Lehrtätigkeit stand eine umfangreiche publizistische Wirksamkeit sowohl als Herausgeber der Zeitschrift „Athenäum" wie als Mitarbeiter an Tageszeitungen. Er trat dabei durchaus kritisch gegenüber einem engen Nationalismus auf und erwarb sich durch sein mutiges Auftreten gegen die Echtheit der immer noch als nationales Symbol geltenden Königinhofer Handschrift viel Feindschaft

Weit mehr kritischer Denker und Volksbildner als Philosoph und nach seinem Austritt aus der katholischen Kirche einem allgemeinen Humanitätsideal zuneigend sah er in der Demokratie und im Humanismus der Böhmischen Brüder ideale Lebensformen und blieb der all-slawischen prorussischen Schwärmerei seiner Landsleute gegenüber stets skeptisch. In seinem großen, zuerst in Deutsch erschienenen Hauptwerk „Rußland und Europa. Studien über die geistigen Strömungen in Rußland“ (2 Bände, Jena 1913) setzte er sich kritisch mit dem pan-slawischen Gedankengut auseinander Obwohl eher Einzelgänger als mitreißender Politiker, genoß er in den Kreisen der Intellektuellen große Autorität und hatte durch seine Schriften und Auslandsreisen auch gute Verbindungen zu englischen und französischen Gelehrten und Publizisten, die an der tschechischen Frage interessiert waren, vor allem zu dem Historiker R. W. Seton-Watson, dem Wiener Korrespondenten und späteren Leiter der außenpolitischen Abteilung der „Times" Wickham Steed und zu Erneste Denis, dem Autor von „La Boheme depuis la Montagne Blanche“. Österreich gegenüber bekannte er sich in seinen Schriften „Die tschechische Frage“ (1895) und „Palackys Idee des böhmischen Volkes“ (1899) Palacky folgend zum Gedanken der unbedingten Erhaltung des Gesamtstaates im eigenen Interesse der Tschechen. An den Arbeiten des tschechischen Nationalrats beteiligte er sich nicht.

Sein ehrgeiziger und weit mehr auf die politische Bühne drängender Gegenspieler Karel Kramäf 1860 in Hochstadt an der Iser nahe der preußischen Grenze geboren, entstammte dem wohlhabenden Bürgertum. Sein Studium der Volkswirtschaft, zeitweilig als Schüler Adolf Wagners in Berlin, konnte er in Muße an deutschen Universitäten, in Paris und London betreiben. Seine nach umfangreichen Studien entstandene erste Schrift galt dem böhmischen Staatsrecht, für dessen Verwirklichung er sich lebhaft einsetzte. Während Masaryk sein erstes Abgeordnetenmandat als Vertreter der Jung-tschechen nach zwei Jahren niedergelegt hatte und nach 1907 als Abgeordneter der Realisten im Reichsrat mehr Einzelgänger blieb, war Kramäf im Reichsrat außerordentlich tätig, wurde 1897 Vizepräsident und blieb auch dann der bedeutendste Sprecher der Tschechen in Wien, als seine Partei, die Jungtschechen, bei den ersten Wahlen nach dem allgemeinen Wahlrecht 1 907 erheblich zurückgegangen war.

Als Verehrer Rußlands und mit einer sehr vermögenden Frau aus russischem Hochadel verheiratet, war er Vorkämpfer des Neoslawismus, organisierte den Prager panslawischen Kongreß von 1908 und war davor und danach häufig in Rußland. Der Möglichkeit der Erhaltung Österreichs stand er zunehmend skeptisch gegenüber, war aber überzeugter Monarchist und hoffte auf die Hilfe des großen slawischen Bruders im Osten.

Im Gegensatz zu diesen beiden anerkannten in ganz Österreich bekannten Führern des tschechischen Volkes war Edvard Benes, 1884 in Kozlany bei Kralowitz als Sohn eines Häuslers geboren, bei Kriegsbeginn noch völlig unbekannt. Als Student in Prag war er Schüler Masaryks, studierte in Paris und Dijon und sprach sich in seiner 1908 erschienenen Dissertation „Das österreichische Problem und die tschechische Frage" noch eindeutig für die Notwendigkeit der Erhaltung der Donaumonarchie in föderativer Form aus. Auch ihm brachte die Ehe mit einer vermögenden Frau weitgehende materielle Unabhängigkeit, so daß er sich philosophischen und soziologischen Studien widmen und seit 1912 als Privatdozent für Soziologie an der tschechischen Universität in Prag lehren konnte. Waren Masaryk und Kramäf ganz mit dem deutschen geistigen Leben verbunden, so war er schon durch sein Studium weit stärker von französischem und englischem Denken beeinflußt und hatte eine lebhafte Abneigung gegen Deutschland, in dem er vor allem die Auswirkung des Militarismus und die Bestrebungen der Alldeutschen fürchtete.

Bei Kriegsbeginn war die Masse des tschechischen Volkes zwar keineswegs kriegsbegeistert, begannen aber auch keinen aktiven Kampf gegen den Bestand der Monarchie, sondern nahm eine abwartende Haltung ein. Weitgehende Sympathien waren auf Seiten Rußlands, wo der Sokolführer Dr. Scheiner und der Parteiführer der Nationalsozialistischen Partei Klofäc noch in den letzten Monaten vor Kriegsausbruch gewesen waren, ohne vom russischen Außenminister Sazonow allerdings viel Ermutigendes zu hören. Die Russophilen rechneten trotzdem mit dem Siege Rußlands und der Errichtung eines Königreichs Böhmen unter einem russischen Großfürsten. Diese Hoffnungen waren so lebhaft, daß selbst der Skeptiker Masaryk in seinen ersten Gesprächen mit Seton-Watson im Oktober 1914 in Holland mit einer Besetzung des ganzen Gebietes durch russische Armeen und mit der Schaffung eines tschechoslowakischen Königreichs rechnete, an dessen Spitze er nur lieber einen dänischen oder belgischen Prinzen gesehen hätte (mit Rücksicht auf die Deutschen in Böhmen) als einen russischen Großfürsten. Die spätere Karpatho-Ukraine sollte nach seiner Meinung unmittelbar an Rußland kommen. Masaryk hat diese von Seton-Watson erst nach seinem Tode berichteten prorussischen und monarchistischen Vorstellungen in seinen Memoiren vollständig übergangen und betont vielmehr erneut seine Skepsis gegenüber Ruß-land.

Die Hoffnungen auf Rußland begannen erst schwächer zu werden, als der Durchbruch von Tarnow-Gorlice im Mai 1915 die Aussichten auf ein weiteres Vordringen russischer Truppen schwinden ließ. Kurz darauf hatte der Verrat von zwei Bataillonen des Prager Hausregiments Nr. 28, die am 23. 4. am Duklapaß zu den Russen übergelaufen waren, gezeigt, wie weit die russophilen Sympathien gehen konnten und hatte die deutsche und madjarische Öffentlichkeit sehr erregt. Dieser und einige andere Fälle von Überlaufen zum Feinde bei tschechischen Truppen dürfen allerdings nicht vergessen lassen, daß die große Masse der rund 900 000 in der österreichisch-ungarischen Armee dienenden Tschechen dem Fahneneid treu geblieben ist.

Für die Beurteilung der Haltung der meisten tschechischen Politiker, die in der Heimat verblieben, ergeben sich große Schwierigkeiten aus der Tatsache, daß Landesverrat und sogar Hoffnung auf den Zusammenbruch der Monarchie nach dem Umsturz von 1918 als Verdienst, Loyalität gegenüber der Krone aber als Negativum erschienen. Die gleichen Politiker, die während des Krieges alle Vorwürfe des Landesverrates entrüstet abwiesen und Ergebenheitserklärungen unterzeichneten, haben nach gewiesen. Es ist gewiß billig und allzu einfach, derartige Wandlungen der Haltung als Charakterfehler oder gar Nationalfehler hervorzuheben, wie es häufig geschehen ist. Angehörige eines kleinen Volkes im Machtbereich eines stärkeren haben oft gar keine andere Möglichkeit als die der Tarnung und der Doppelzüngigkeit. Man muß demgegenüber aber auch die Haltung eines auf Selbsterhaltung bedachten Staates verstehen und darf nicht, kaum daß man selbst die Konspiration hinter sich gebracht hat, dem Gegner nun seinerseits Konspiration als moralischen Fehler vorwerfen. Das häufige Messen des Verhaltens zum Staat mit zweierlei Maß, je nachdem, auf welcher Seite man jeweils stand, hat das Verständnis der tschechischen wie der deutschen Haltung beiderseits unendlich erschwert.

Besonders wichtig für die künftige Staats-gründung war, daß zwei politische Aktionen des Tschechentums miteinander parallel liefen und einander trotz nicht unerheblicher Gegensätze ergänzten. Dabei wäre es freilich falsch anzunehmen, daß die Akteure von Anfang an das schließlich erreichte Ziel der Staatsbildung in den in Saint Germain erreichten Grenzen vor Augen hatten und im westlichen Ausland, in Rußland und in der Heimat ein Spiel mit verteilten Rollen spielten, da die Zuneigung zur Demokratie und zur westlichen Welt, dort die Verehrung für das Russentum und die Monarchie und hier schließlich bis wenige Monate vor dem Zusammenbruch eine bedingte Loyalität zum Habsburgerreich betonend. Vielmehr bestand das Geheimnis des etwa 1915 durchaus nicht vorauszusehenden Erfolges der tschechischen Politiker in der geschickten und raschen Anpassung an die sich jeweils ergebende neue Situation, in der oft skrupellosen Herausstellung jeweils der Grundsätze, die dem Ziel der Staats-bildung dienen konnten, auch wenn sie einander widersprachen, wie es am eklatantesten bei der Heranziehung des Grundsatzes der historischen Einheit für Böhmen und Mähren, dagegen des Grundsatzes der Selbstbestimmung der Nationalitäten bei der Bildung der Slowakei der Fall war.

Die glühende Liebe zur eigenen Nation ließ dabei Masaryk wie Benes recht weit von den bisher hervorgehobenen Idealen der Humanität, der demokratischen Freiheit und allgemeinen Gerechtigkeit abweichen, wenn es sich um das als erste Richtschnur angesehene Interesse des tschechischen Volkes handelte.

Die tschechische Auslandsaktion Bereits im Herbst 1914 entstanden in Prag um Masaryk die Anfänge einer kleinen konspirativen Gruppe, die sich später Maffia nannte und im Frühjahr 1915 festere Gestalt gewann Neben einer Aufklärungs-und Propagandatätigkeit bei den Alliierten setzte sie sich die Übermittlung militärischer und politischer Nachrichten ins Ausland zum Ziel. Diese zweifellos landesverräterrische, während des Krieges abgestrittene Tätigkeit war durch die Gewinnung verschiedener tschechischer Beamten in wichtigen Behörden, vor allem durch den tschechischen Diener des österreichischen Innenministers Heinold möglich. Im Oktober 1914 traf sich Masaryk im neutralen Holland mit Seton-Watson und entwickelte diesem die oben erwähnten Vorstellungen, die von einem gleichzeitigen Memorandum, das Kram über den russischen Journalisten Svatkovskij ans Petersburger Außenministerium gelangen ließ, erheblich abwichen, denn Kram schlug sogar die Bildung eines slawischen Großreiches unter dem Zepter des Zaren vor. Mitte Dezember 1914 ging Masaryk, dessen Tätigkeit Benes finanziell sichern konnte, endgültig ins Ausland und baute zunächst in Genf eine Propaganda-und Nachrichtenzentrale auf, die in Prag von Benes vertreten wurde. Die Propaganda in Rußland sollte der von Kram und Scheiner mit reichlichen Mitteln versehene Agrarier-Abgeordnete Dürich übernehmen, der aber zunächst nach Frankreich ging, in die Vereinigten Staaten wurde Benes’s Bruder Vojta gesandt, wo er vor allem der Austrophilie entgegentrat.

Die lebhafte Tätigkeit der Maffia, die bald auch die ersten im Ausland gedruckten tschechischen Zeitungen (z. B. „Nation Tcheque“) in Böhmen verbreiten konnte, erfuhr einen Rückschlag, als im Mai und Juli 1915 drei prominente Mitglieder, Kram, der jungtschechische Abgeordnete Dr. Rasin und der Sokolführer Scheiner wegen Landesverrats verhaftet wurden. Nach einem großes Aufsehen erregenden Prozeß wurden Kramar und Rasin am 3. Juni 1916 zum Tode verurteilt, im Januar 1917 jedoch zu Kerkerhaft begnadigt und schon im Februar 1917 aufgrund einer Amnestie freigelassen. Obwohl die Verhaftungen sich nicht auf die „Maffia“ bezogen, waren sie doch eine Warnung für Benes, der Anfang September 1915 ebenfalls in die Schweiz ging. Das Bestreben der Auslandaktion war nun, den Alliierten die Zerschlagung Österreich-Ungarns und die Schaffung eines tschechischen Staates als Barriere gegen den deutschen „Drang nach Osten“ dar-zutun, zu zeigen, daß die Alliierten am tschechischen Volk einen wertvollen Verbündeten hätten, und die Vorstellung auszuräumen, daß die Beschäftigung mit der tschechischen Frage im wesentlichen eine Angelegenheit der Russen sei. Letzteres schien besonders nötig, seit die russischen Niederlagen im Sommer 1915 die russische Front nach Osten zurückweichen ließen.

Zur Koordinierung und Organisation dieser Tätigkeit gründeten Masaryk und Benes im November 1915 das Tschechische Auslandskomitee, dem auch zwei seit langem im Ausland lebende Slowaken, der Astronom und französische Fliegeroffizier Stefanik und der Amerika-Slowake Osusky angehörten. Die Arbeit in England übernahm Masaryk selbst, da er dort durch eine Professur für slawische Fragen am King’s College in London seit Herbst 1915 eine feste Position hatte. Der Antrittsvorlesung über das Problem der kleinen Völker in der europäischen Krise am 19. 10. 1915 präsidierte der Unterstaatssekretär des Äußeren Lord Cecil, wodurch die bisher kaum bekannte tschechische Auslandsaktion als politisch bedeutend abgestempelt wurde. In Paris wirkte Bene, der Anfang 1916 in einem Vortrag an der Sorbonne das Losungswort „Detruisez l’Autriche-Hongrie" ausgab, da dieses nur Helfershelfer Deutschlands bei dessen Plänen zur Beherrschung ganz Südosteuropas und Vorderasiens und Hort des Militarismus und der Reaktion sei, wohingegen der zu gründende tschechische Staat demokratisch, fortschrittlich und von Natur Gegner jedes Pangermanismus sein werde. Dieser wurde von Benes als die eigentliche Gefahr für Europa, der Panslawismus dagegen als nicht realisierbare Träumerei dargestellt. Im Februar 1916 wurde das Auslandskomitee in den Tschechoslowakischen Nationalrat (Conseil National des Pays Tcheques) mit Masaryk als Vorsitzendem, Dürich als Stellvertreter und Benes als Generalsekretär umgewandelt. Nachdem so eine Zentrale, die Keimzelle der späteren Regierung, geschaffen war, schien es besonders wichtig, auch eine bewaffnete Macht zur Verfügung zu haben, deren Einsatz für die Alliierten mehr als nur symbolische Bedeutung haben und so die Stellung des Nationalkomitees stärken konnte. In Westeuropa gab es nur so kleine Gruppen von Auslandstschechen, daß keine nennenswerten Freiwilligenformationen zu bilden waren. Nur in Rußland war die Zahl der Auslandstschechen und bald auch der Kriegsgefangenen groß genug, daß eine bedeutendere Truppe aufgestellt werden konnte. Eine erste Legion, die „Druzina“, war schon 1914 aus Tschechen russischer Staatsbürgerschaft entstanden, seit 1915 traten auch Kriegsgefangene in sie ein, doch war erst zu Beginn des Jahres 1916 Regimentsstärke erreicht, die russischen Militärbehörden waren der tschechischen Formation gegenüber skeptisch und setzten sie nicht als geschlossene kämpfende Truppe, sondern als Kundschafter und Propagandisten ein. Streitigkeiten zwischen den einzelnen tschechischen Organisationen in Rußland, Meinungsverschieden-heiten zwischen den z. T.der Orthodoxie zuneigenden Russophilen und den „Westlern" und die Unfähigkeit des nach langem Hin und Her im Juni 1916 als Beauftragter des Nationalkomitees nach Rußland entsandten Abgeordneten Dürich ließen die tschechischen Truppen nur langsam wachsen. Dürichs Mission endete schließlich mit seiner Zustimmung zur Annexion Böhmens durch Rußland und der Bildung eines konkurrierenden Nationalrats in Petersburg mit Dürich als Vorsitzendem zu Beginn des Jahres 1917.

Der Umschwung im Entscheidungsjahr 1917

Nicht zuletzt wegen dieses Gegensatzes zwischen den „Westlern" und den vor allem in England mit viel Mißtrauen betrachteten pan-slawischen und häufig antisemitischen Russophilen war die Lage für den Nationalrat und sein Ziel der Zerschlagung Österreich-Ungarns nicht günstig. Die alliierten Niederlagen des Jahres 1916, das völlige Scheitern Rumäniens, das Friedensangebot der Mittelmächte vom 12. Dezember 1916 und die Desavouierung der Arbeit des Nationalrats durch den Verband der tschechischen Fraktionen im Reichsrat, das „Desaveu" vom 31. Januar 1917 ließen bei den Alliierten das Ziel einer Aufspaltung Österreichs in eine Gruppe von Kleinstaaten als sehr problematisch erscheinen. Zwar hatte Benes durch seine Verbindung zu Philippe Berthelot, dem Generalsekretär im französischen Außenministerium, erreicht, daß in der alliierten Antwortnote an Wilson vom 10. 1. 1917 neben der Befreiung der Slawen auch die der Tschechoslowaken als Kriegsziel angeführt wurde, obwohl das eine Tautologie war, aber es blieb offen, was unter „Befreiung“ zu verstehen sei, denn gleichzeitig hatte Benes hören müssen, daß man sich auch andere Lösungen vorbehalten müsse.

Die erste russische Revolution und der Kriegseintritt Amerikas gaben jedoch die Möglichkeit, die tschechische Auslandsarbeit an den Stellen zu aktivieren, die sich als entscheidend erweisen sollten. Der Sturz des Zaren und seiner Regierung raubten Dürich und der russophil-konservativen Richtung den Rückhalt und ließen die Bedenken gegen die Bildung einer eigenen Armee langsam zurücktreten. Masaryk fand in dem neuen Außenminister Miljukov, seinem Bekannten, dem er am 18. 3. 1917 ein programmatisches Telegramm sandte, eine starke Stütze.

Dürichs Nationalrat wurde Ende März 1917 aufgelöst, die tschechischen Organisationen in Rußland erkannten Masaryk als alleinigen Führer an, und im Mai begann die Bildung einer eigenständigen tschechoslowakischen Armee nach voraufgegangenen Musterungen in den Gefangenenlagern. Zu gleicher Zeit, im Mai 1917, kam Masaryk nach Rußland, wo er bis März 1918 blieb und trotz Kerenskijs zeitweiligem Widerstand den Ausbau und die Erhaltung der Armee organisieren konnte. Ein erster weithin sichtbarer Erfolg war die Teilnahme der tschechoslowakischen Brigade an der Kerenskij-Offensive im Juni/Juli 1917 und die Erringung eines örtlichen Sieges bei Zborw in Galizien am 3. Juli. Bis zum Ausbruch der Oktoberrevolution war ein ganzes Korps formiert und ein zweites im Entstehen — zusammen über 30 000 Mann, zuletzt über 50 000, konzentriert um Kiew. Sie sollten, nachdem der Waffenstillstand des bolschewistischen Rußlands mit den Mittel-mächten keinen Kampf mehr zuließ, nach Frankreich transportiert werden, wo Clemenceau ihren Einsatz dringend wünschte und politisch zu honorieren versprach.

Sie haben bekanntlich den Boden Frankreichs während der Kampfhandlungen nur zu einem ganz kleinen Teil erreicht, sondern haben, nachdem Masaryk sie Anfang Februar 1918 zu einem Teil der tschechoslowakischen Armee in Frankreich erklärt und durch ein Abkommen von dem neuen Oberbefehlshaber Murarev im Februar 1918 das Zugeständnis des Abtransportes nach Frankreich erreicht hatte, die abenteuerliche „Anabasis“ durch Sibirien bis in den Fernen Osten angetreten. Sie sind größtenteils erst im Laufe des Jahres 1920 nach Europa gekommen. Die Legionen in Rußland konnten somit die Entstehung des tschechoslowakischen Staates nicht, wie geplant, unmittelbar fördern. Mittelbar taten sie es erheblich, da ihr Kampf gegen die Rote Armee die bislang in Amerika weithin unbekannten Tschechen gerade in den entscheidenden Sommermonaten des Jahres 1918 bekannt und populär machte. Für die Geschichte des jungen Staates waren die abenteuerlichen Geschicke der Legion in Rußland von großer Bedeutung, weil sich um sie die für ein Gefühl der Anhänglichkeit an den Staat so notwendige patriotische Legende ranken konnte, die bei dem passiven Widerstand in der Heimat und bei den Desertionen keinen rechten Anhaltspunkt hatte. Aus den Legionären wurde in verklärender Rüdeschau eine Schar politisch bewußter Helden, deren Anwesenheit jeden Staatsfeiertag krönen konnte, während Darstellungen von konservativ-russischer Seite in ihnen nur egoistische und sich dem Kampf entziehende plündernde Landsknechte sah, und die kommunistische Geschichtsschreibung sie zu Handlangern des westeuropäischen Interventionismus und Imperialismus stempelte — alle gewiß gleichmäßig falsch vereinfachend

Aus den Legionen in Rußland sind außerdem zahlreiche führende Persönlichkeiten des tschechoslowakischen Staates hervorgegangen, und zwar verschiedenster politischer Richtungen, so der Begründer der Kommunistischen Partei Muna, der rechtsradikale „General“ Gajda, Führer der tschechischen Faschisten, General Syrovy, Ministerpräsident der „Sudetenkrise“, und Zdenek Fierlinger, Moskauer Gesandter der Exilregierung und Ministerpräsident der ersten Regierung der neuen Tschechoslowakei 1945/46. In mancher Hinsicht den deutschen Freikorps zu vergleichen, sind die Legionen für die tschechoslowakische Geschichte doch noch ungleich bedeutsamer als diese für die Geschichte der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus.

Wesentlich weniger dramatisch, aber politisch entscheidend wichtig waren die Schicksale der zunächst sehr kleinen tschechischen Legion in Frankreich, der aber Poincare am 19. Dezember 1917 den Status einer selbständigen Armee gab, nachdem Masaryk in Petersburg mit dem damals dort weilenden französischen Bewaffnungsminister A. Thomas im Jahre 1917 die Entsendung von 30 000 Mann nach Frankreich vereinbart hatte und im November tatsächlich etwas über 1 000 Mann (über Murmansk) eingetroffen waren. Die „Armee“ brachte es nur auf die Stärke einer Brigade, durch sie wurde der tschechoslowakische Nationalrat aber zu einer kriegführenden Macht und konnte damit die internationale Anerkennung vorantreiben.

In den Vereinigten Staaten hatte der Kriegseintritt zwar die Werbung von Freiwilligen unter den Amerikatschechen ermöglicht, diese brachte aber trotz Stefaniks Bemühungen nur minimale Erfolge. Noch zu Beginn des Jahres 1918 war Wilson nicht für die Schaffung eines tschechoslowakischen Staates, denn in Punkt 10 der am 8. Januar 1918 verkündeten 14 Punkte ist lediglich von „bester Gelegenheit zu autonomer Entwicklung“ für die Völker Österreich-Ungarns die Rede. Hier konnte aber Masaryk, trotz seines Alters von bewunderungswürdiger Elastizität, nach seinem Eintreffen in Chicago im Mai 1918 zunächst die tschechischen Organisationen in den Vereinigten Staaten aktivieren und Wilson in Memoranden und Verhandlungen von der Notwendigkeit der Schaffung eines selbständigen tschechoslowakischen Staates überzeugen. Den tschechischen Standpunkt legte er der amerikanischen Öffentlichkeit in der in Rußland und auf der Überfahrt entstandenen Kampfschrift „The New Europe" dar.

Er erreichte, daß die amerikanische Regierung, die schon am 29. Mai 1918 die Entschließung des in Rom tagenden Kongresses der unterdrückten Völker Österreich-Ungarns über das Recht jedes Volkes, sich als staatliche Einheit zu konstituieren, gebilligt hatte, am 28. Juni 1918 ausdrücklich erklärte, daß „alle Völker slawischer Rasse vom österreichischen Joch vollkommen befreit werden müssen". Gleichzeitig, am 29. Juni 1918 konnte Benes in Paris im Zusammenhang mit dem ersten Fronteinsatz des ersten Regiments der selbständigen tschechoslowakischen Armee die Anerkennung des Nationalrats „als höchstes Organ, das die sämtlichen Interessen der Nation verwaltet und als erster Grundstein der künftigen tschechoslowakischen Regierung“ durch den französischen Außenminister Pichon durchsetzen.

Wenige Wochen später, am 9. August 1918, folgte Großbritannien diesem Schritt mit einer Deklaration des Außenministers Balfour, die die Tschechoslowaken als alliierte Nation, die drei Armeen (die dritte wurde zur Zeit aus Kriegsgefangenen in Italien gebildet und erreichte eine Stärke von 20000 Mann) als einheitliche alliierte Armee und das Nationalkomitee als höchstes Organ anerkannte. Als diese Erklärung am 3. September 1918 noch durch eine Konvention Großbritanniens mit dem Nationalrat ergänzt worden war und die Vereinigten Staaten am gleichen Tage den Nationalrat als de facto-Regierung und einen formellen Kriegszustand zwischen diesem und Deutschland und Österreich-Ungam anerkannte, hatte die Auslandsaktion ihr wesentliches Ziel erreicht. Wesentlich früher als im Falle der anderen nach dem ersten Weltkrieg entstandenen Staaten Ostmitteleuropas galt der künftige Staat als kriegführend, und seine internationale Anerkennung war gesichert.

Es erschien nun nicht mehr nötig, nach kurzfristigen Kompromißlösungen mit der österreichischen Regierung zu suchen oder etwa einen bewaffneten Aufstand zu entfachen, der in den Augen der Entente möglicherweise als probolschewistisch gedeutet werden konnte. Benes schickte am 11. 9. über die Schweiz einen langen Bericht in die Heimat, in der er vor jeder Verhandlung mit Österreich warnt, aber auch erklärt: „Sie dürfen aber nicht zulassen, daß ein Aufstand oder die Revolution aufflammt, solange wir Ihnen nicht von hier aus das Zeichen dazu geben.“ Mit der endgültigen Niederlage der Mittelmächte und dem Zeitpunkt der „Aktion“ rechnete er erst im Frühjahr 1919

Diese Botschaft ging nicht mehr nur an die Mitglieder der „Maffia", sondern an den Nationalausschuß (Närodni vybor), der am 13. Juli 1918 unter dem Eindruck der in der Heimat bekanntgewordenen offiziellen Anerkennung des Pariser Nationalrats als dessen Entsprechung in Prag gebildet worden war, um „alle geistigen, moralischen und materiellen Kräfte der Nation“ zur Erreichung der Selbstbestimmung in „einem selbständigen demokratischen tschechoslowakischen Staat“ zusammenzufassen. In ihm waren die tschechischen Parteien nach dem Schlüssel ihrer Stimmen bei den letzten Reichstagswahlen von 1911 vertreten, Agrarier und Sozialdemokraten hatten also das Über-gewicht, ganz im Gegensatz zu dem Pariser Nationalkomitee. Obwohl der Nationalausschuß „tschechoslowakisch" hieß, war in ihm kein Slowake vertreten. Vorsitzender wurde Kramär, Vizevorsitzende vehla (Agrarier) und Klofäc (Nationalsozialist), Geschäftsführer Fr. Soukup (Sozialdemokrat). Der Nationalausschuß stand grundsätzlich auch auf dem Standpunkt der vollen Selbständigkeit nach dem Auseinander-fall Österreich-Ungarns und bereitete unter der organisatorischen Leitung vehlas den Übergang der Staatsgewalt durch Beratung von Gesetzen und Aufstellung von örtlichen Behörden vor, bemühte sich auch vorsorglich um ausreichende Lebensmittelversorgung der tschechischen Gebiete. Eine gewisse Konkurrenz zum Pariser Nationalausschuß, dessen Mitglieder ja nicht gewählt waren, konnte nicht ausbleiben. Da den Vertretern der beiden sozialistischen Parteien der Einfluß der konservativen Kräfte in beiden Organen zu stark schien, schlossen sie sich am 6. September 1918 zum „Sozialistischen Rat“ zusammen, der nicht im absoluten Gegensatz zum Nationalausschuß stand, aber die sozialen Forderungen rascher als dieser vorantreiben wollte.

III. Die Staatsbildung im Oktober 1918 Das Problem der Staatsgrenzen und der Selbstbestimmung

Anfang Oktober 1918 bestand in den drei Organen der tschechischen Politik, in denen die Slowaken zunächst nur dem Namen nach oder nicht durch gewählte Vertreter repräsentiert wurden, Einigkeit darüber, daß der selbständige tschechoslowakische Staat eine Republik ohne Zusammenhang mit der Habsburger Monarchie oder mit Rußland werden würde. Alle Vorstellungen aus der Zeit des Kriegsbeginns waren mit der russischen Revolution verschwunden, und eine föderative Umgestaltung des Habsburger Reiches erschien den tschechischen Politikern ebenfalls unmöglich. Über den Weg in die Republik bestanden abweichende Meinungen. Während Masaryk und Benes den Nachdruck auf die diplomatischen Verhandlungen legten, wollte der Nationalausschuß den Weg der Staatsbildung von innen heraus gehen, die beiden sozialistischen Parteien aber wollten mit der staatlichen auch eine soziale Umgestaltung verbinden und den Umsturz revolutionär herbeiführen. Ein Versuch dazu wurde am 1. Oktober 1918 gemacht. Der Nationalausschuß hatte für diesen Tag Kundgebungen gegen die Lebensmittel-ausfuhr aus den tschechischen Gebieten beschlossen. Der sozialistische Rat plante eine Erweiterung der Demonstrationen durch Streiks und durch die Ausrufung der Republik, für die auch die deutsche Arbeiterschaft Böhmens gewonnen werden sollte. Dieser Plan wurde aber von rechtsstehenden Mitgliedern des Nationalausschusses, vor allem von dem (1923 ermordeten) Dr. Rasin an die Militärbehörden verraten, so daß er nur in einigen kleinen Orten ausgeführt werden konnte, wo aber kurz danach die entfernten österreichischen Hoheitszeichen wieder angebracht wurden. Dieser mißglückte Putsch des 1. Oktober hat die Beziehungen zwischen Sozialisten und Bürgerlicher im neuen Staat nicht unerheblich beeinflußt, zumal an diesem Tage bei den Reden zur Ausrufung der „freien tschechoslowakischen Republik“ auch die bürgerlichen Parteien scharf angegriffen wurden und Sympathien für den Bolschewismus zur Geltung kamen. Am gleichen 14. Oktober 1918, einem Sonntag, als der durch das deutsche Verhandlungsangebot vom 5. Oktober begonnene Notenwechsel mit dem Präsidenten Wilson zeigte, daß die Prognose vom Zusammenbruch erst im Frühjahr 1919 falsch sei, andererseits aber angenommen werden konnte, daß Österreich-Ungarn in Sonderverhandlungen vielleicht doch noch erhalten werden könne, entschloß sich Benes in Paris selbständig zur Proklamation des Nationalrats als Provisorische Regierung mit Masaryk als Ministerpräsident und Finanzminister, ihm selbst als Außenminister, Stefanik als Kriegsminister. Dabei konnte er sich wohl auf vorausgegangene Erklärungen der Vertreter des esk Svaz, Stanek und Zahradnik, über die Anerkennung des Nationalrats durch die Heimat und über die bevorste-hende Lösung der Tschechen von ÖsterreichUngarn, nicht aber auf einen eigentlichen Auftrag berufen. Die Anerkennung durch die französische Regierung folgte unverzüglich, die Großbritanniens und Italiens wenige Tage später. Die von Masaryk verfaßte Deklaration der Unabhängigkeit wurde am 19. Oktober mit dem Datum des Vortages von Paris aus publiziert. Sie enthielt die Forderung auf Böhmen, Mähren und Schlesien und auf das „Recht, uns mit unseren slowakischen Brüdern in der Slowakei“ zu verbinden, wobei entgegen der historischen Wirklichkeit behauptet wurde, sie sei »ein Teil unseres nationalen Staates“ gewesen und erst „vor fünfzig Jahren dem ungarischen Staat der Magyaren einverleibt“ worden. Die Deklaration bekannte sich zum „Ideal der modernen Demokratie“ und nahm die Wilsonsehen Grundsätze der Selbstbestimmung an, die allerdings nicht ausdrücklich formuliert wurden, während sonst das historische Recht und das Naturrecht in Anspruch genommen wurden

Obwohl mit diesen Verlautbarungen entscheidende Schritte für die Staatsbildung getan waren und Masaryk persönlich, Seton-Watson folgend, sich auf den Standpunkt stellte, daß der neue Staat rechtlich mit dem 15. Oktober, der Anerkennung der Provisorischen Regierung durch die französische Regierung zu bestehen begonnen hatte galt späterhin doch der 28. Oktober, der Tag des Umsturzes in Prag, als der Beginn der Tschechoslowakischen Republik. Er wurde auch als Nationalfeiertag begangen. Dieser Auseinandersetzung und der Hervorhebung des tatsächlichen Umbruches im Land selbst gegenüber der von wenigen Köpfen getragenen mehr deklamatorischen Auslandsaktion lagen mehr als nur rechtstheoretische Erwägungen zugrunde. Hier fanden persönliche Gegensätze zwischen Kram und Masaryk, Benes und vehla und Parteigegensätze ihren Ausdruck.

Für Prag war wichtiger als die Deklaration Masaryks die vom gleichen Tage, dem 18. Oktober, datierte Antwortnote Wilsons an die österreichische Regierung in der Punkt 10 der 14 Punkte praktisch widerrufen und weit mehr als eine Autonomie für die Völker der Monarchie verlangt wurde.

Unmittelbare Folge dieser Note war der Rücktritt der österreichischen Regierung Hussarek mit dem Außenminister Graf Burian und die Bildung eines neuen Kabinetts durch den liberalen Professor Heinrich Lammasch, der im Sinne des Manifestes Kaiser Karls vom 16. Oktober über den beabsichtigten Umbau der Monarchie in einen Bundesstaat mit den parlamentarischen Vertretern der Nation verhandelte, obwohl sich der Prager Nationalausschuß am 19. Oktober gegen das Manifest ausgesprochen hatte. Mit Zustimmung des Kaisers und Lammaschs reisten am Oktober acht führende Mitglieder des Nationalausschusses, unter ihnen Kramäf, Klofäc und Stanek, nach Genf, um dort mit Benes über Regierungsbildung und Machtübernahme aus den Händen der Österreichischen Monarchie zu verhandeln, obwohl nach den scharfen Worten der Proklamation und der dort verkündeten Absetzung der Habsburger niemand mehr ernsthaft an eine Verwirklichung des Umbaus in der Art, wie sie dem Kaiser vorschwebte, glauben konnte 24a).

Infolge der Auflösungserscheinungen in der Armee wandte sich in den gleichen Tagen das Kriegsministerium an die in allen Ländern der Monarchie entstandenen Nationalausschüsse mit der Bitte, bei der Umwandlung der Armee mitzuwirken. Dies Eingeständnis der Schwäche auch beim Militär war für die in Prag verbliebenen Mitglieder des Nationalausschusses, vor allem den Vizepräsidenten vehla und den Abgeordneten Rasin das Signal zu raschem Handeln. Sie übernahmen am Morgen des 28. Oktober die für die Verpflegung entscheidend wichtige Getreideverkehrsanstalt ohne Widerstand in die Verwaltung des Nationalausschusses. Da gleichzeitig auch der Text der Antwortnote des neuen Außenministers Graf Julius Andrässy bekannt wurde, in der Wilsons Forderungen vom 18. Oktober angenommen wurden, verlangte der Nationalausschuß in der Statthalterei auch die Übernahme der gesamten Landesverwaltung, die ohne besondere Schwierigkeiten gelang, zumal der Statthalter Graf Coudenhove in Wien und sein Vertreter Kosina Tscheche war. Obwohl die Verhandlungen mit den Militärbehörden nicht ebenso reibungslos verliefen, konnten die erregten Volksmengen doch die österreichischen Hoheitszeichen überall beseitigen und Kundgebungen für die Selbständigkeit veranstalten.

Der Nationalausschuß proklamierte daraufhin die Staatsbildung durch die Annahme eines von Rasin entworfenen Gesetzes 25), das verkündete:

„Der selbständige tschechoslowakische Staat ist ins Leben getreten“, die Frage der Staatsform noch offenließ und den Nationalausschuß zum „Vollstrecker der staatlichen Souveränität“ erklärte. In den tschechisch besiedelten Gebieten vollzog sich die Übernahme der Staatsgewalt durch die Organe des Nationalausschusses an den beiden folgenden Tagen, ein Gegenumsturzversuch der Prager Militärbehörden konnte in der Nacht vom 29. zum 30. 10. im Keime erstickt werden, da der größte Teil der Soldaten sich als Vertreter der neuen Nationalarmeen fühlte oder einfach nach Hause strebten. Vorläufiger Befehlshaber der sich aus der alten Armee herauslösenden Truppen wurde der Sokolführer Dr. Scheiner.

Die Staatsbildung hatte sich somit überraschend leicht und unblutig durchführen lassen, wobei der Schwerpunkt aus dem Ausland eindeutig nach Prag verlagert worden war und das amtierende Präsidium des Nationalrats — vehla, Rain, Soukup und der Nationalsozialist Stfibrny —, die „Männer des 28. Oktober", zweifellos ein gewisses Übergewicht über die Führer der Auslandsaktion erreicht hatten. Das wirkte sich auch auf die Verhandlungen in Genf aus, in der Benes das Präsidium der ersten Regierung Kramäf zusichern mußte.

Während Masaryk noch finanzielle Verhandlungen in Washington führte und Benes am 1. 11. aus Genf nach Paris zurückkehrte, die „Provisorische Regierung“ somit praktisch nicht aktionsfähig war, wirkte der weit stärker revolutionär gestimmte Nationalausschuß in Prag mit Svehla und ab 5. 11. wieder mit dem aus Genf zurückgekehrten Kramäf an der Spitze gleichzeitig als Exekutive und Legislative und erließ zwischen dem 28. Oktober und 14. November siebzehn für die spätere Entwicklung wichtige Gesetze. So wurde bestimmt, daß die erste gesetzgebende Körperschaft die „Revolutionäre Nationalversammlung“ sein sollte, die durch Erweiterung des Nationalausschusses nach dem Parteienschlüssel des Wahlergebnisses von 1911 gebildet wurde, wozu noch eine Anzahl von Abgeordneten für die Slowakei kooptiert wurden. Für die Deutschen, Polen, Ungarn und Ruthenen war kein Platz vorgesehen, obwohl ihre Siedelgebiete ja in den neuen Staat einbezogen werden sollten. Am 14. November trat diese Nationalversammlung zur Wahl von Staatspräsident und Regierung und zum Beschluß einer vorläufigen Verfassung zusammen.

Vorher war aber in den turbulenten Tagen des Zusammenbruches der Monarchie die Frage der Staatsgrenzen möglichst durch vollendete Tatsachen und vor den Entscheidungen einer Friedenskonferenz zu lösen. Hier ergaben sich vor allem drei Probleme: der Anschluß der Slowaken und die Herauslösung ihrer Gebiete aus dem ungarischen Staat, die Ausdehnung der Staatsgewalt auch auf die deutschen Gebiete Böhmens, Mährens und Schlesiens und die Auseinandersetzung mit dem neu entstehenden Polen um den Ostteil von Österreichisch-Schlesien.

Der Anschluß der Slowaken Die politischen Aktionen der Slowaken während des Weltkrieges waren wesentlich bescheidener als die der tschechischen Politiker. Kein prominenter slowakischer Politiker war zur Durchführung der slowakischen Wünsche ins Ausland gegangen, es gab deshalb auch nur lose Verbindungen zwischen den slowakischen Politikern in der Heimat, den an der tschechischen Aktion beteiligten einzelnen Slowaken wie tefnk und Osusky und der einflußreichen Organisation der Slowaken in den Vereinigten Staaten, der Slowakischen Liga. Nur eine kleine Gruppe hoffte auf eine völlig unabhängige Slowakei, die überwiegende Mehrzahl erstrebte den Zusammenschluß mit den Tschechen, wobei den Slowaken aber weitgehende Autonomie gewährt werden sollte. In diesem »dien der Slowakischen Liga in den Vereinigten Staaten und dem Tschechischen Nationalverband in Cleveland/Ohio ein Abkommen geschlossen, in dem der Slowakei in dem zu bildenden Bundesstaat völlige Autonomie, eigenes Parlament, eigene Verwaltung und die slowakische Staats-sprache zugesichert wurden

Erst nach dem Bekanntwerden der 14 Punkte Wilsons entschlossen sich auch die Slowaken in der Heimat zu einer feierlichen Willens-kundgebung auf einer Volksversammlung in dem kleinen Ort St. Niklas in Liptau (Lipt. Sv. Mikulas) und nahmen am 1. Mai eine Resolution an, in der das Recht auf Selbstbestimmung „auch des ungarischen Zweiges des tschechoslowakischen Stammes“ gefordert wurde. Auch Hlinka sprach sich auf einer am 24. Mai in St. Martin stattfindenden Beratung slowakischer Politiker eindeutig für die „tschechoslowakische Orientierung“ aus. Der Vorsitzende der Nationalpartei Matu Dula wurde beauftragt, die Prager Politiker darüber zu unterrichten, daß die slowakischen Parteien für die Beteiligung an einem aus den Kronländern und der Slowakei bestehenden Staat einträten.

Fast gleichzeitig unterzeichnete die Slowakishe Liga in Pittsburg am 30. Mai 1918 ein neues Abkommen mit den tschechischen Vertretern, das später als „Pittsburger Vertrag“ berühmt werden sollte. In diesem Abkommen, an dessen Abschluß Masaryk selbst beteiligt war und das er am 30. Juni 1918 unterzeichnete, wurde ausdrücklich erklärt: „Die Slowakei wird ihre eigene Verwaltung, ihr Parlament und ihre Gerichte haben. Das Slowakische wird die amtliche Sprache in der Schule, den Ämtern und überhaupt im öffentlichen Leben sein." Mai 1918 ein neues Abkommen mit den tschechischen Vertretern, das später als „Pittsburger Vertrag“ berühmt werden sollte. In diesem Abkommen, an dessen Abschluß Masaryk selbst beteiligt war und das er am 30. Juni 1918 unterzeichnete, wurde ausdrücklich erklärt: „Die Slowakei wird ihre eigene Verwaltung, ihr Parlament und ihre Gerichte haben. Das Slowakische wird die amtliche Sprache in der Schule, den Ämtern und überhaupt im öffentlichen Leben sein." 27)

In den entscheidenden Oktobertagen bildete sich erst spät, am 16. Oktober, ein slowakischer Nationalrat unter M. Dula, der aber keine einheitliche Stellungnahme über die Zukunft der Slowakei herausgab. So forderte zwar ein Mitglied, der Abgeordnete F. Juriga, am 19. Oktober im ungarischen Parlament die volle Selbstbestimmung auch für die Slowakei und kündigte die Entsendung einer slowakischen Delegation zur künftigen Friedenskonferenz an, dagegen reiste ein anderes, der gerade aus der Haft entlassene V. robr, am 26. Oktober nah Prag und beteiligte sich dort als Vertreter der Slowaken am Umsturz, unterzeichnete auch die Gesetze und Verlautbarungen des National-ausschusses.Erst am 30. Oktober trat der zu einer Volksversammlung erweiterte Nationalrat in St. Martin (am Ture Sv. Martin) zusammen, um gegen die madjarische Ablehnung des slowakischen Selbstbestimmungsrechtes zu protestieren. Die dort beschlossene Deklaration, deren Original verloren ging, gab Anlaß zu umfangreichen Streitigkeiten, weil sie von dem erst spät aus Budapest mit neuen Nachrichten eintreffenden Milan Hodza um entscheidende Sätze über die geforderte Autonomie eigenmächtig gekürzt wurde. Unzweifelhaft enthielt die Deklaration aber den auch von Hlinka unterzeichneten Satz: „Die slowakische Nation ist ein Teil der sprachlich wie kulturell und historisch einheitlichen tschechoslowakischen Nation“, wo-mit den Zentralisierungswünschen natürlich Vorschub geleistet wurde.

Mit der Erklärung von St. Martin war jedoch noch nicht der Übergang der Staatsgewalt verbunden, für die die Slowaken auch keine geeigneten Organe hatten. Auf Anordnung Masaryks wurde am 2. November mit der Besetzung der slowakischen Gebiete begonnen, zunächst durch kleine Polizeieinheiten, dann durch die sich bildenden bzw. aus Italien eintreffenden tschechischen Truppen, und am 4. November wurde mit Srobär als Vorsitzendem eine Regierung für die Slowakei gebildet: sie nahm ihren Sitz in Tyrnau (Trnava). Bald kam es aber zu heftigen Kämpfen um den Besitz der Slowakei, die erst im Juni 1919 abgeschlossen werden sollten.

Die Selbständigkeitsbestrebungen der Deutschen in Böhmen und die Besetzung der deutschen Gebiete Die tschechischen Politiker hatten keinen Zweifel darüber gelassen, daß sie für den neuen Staat die Kronländer in ihren historischen Grenzen und nicht nur das ethnographisch tschechische Gebiet wünschten. Die Deutschen in Böhmen hatten gegenüber allen Eigenstaatsund Autonomiebestrebungen stets die Trennung in zwei Gebiete gewünscht, die sich aufgrund der ziemlich scharfen Sprachgrenze in Böhmen einigermaßen klar durchführen ließ, die freilich bei dem engen geographischen Zusammenhang ganz Böhmens nicht zur Trennung in zwei einander feindlich gegenüberstehende Staatsgebiete werden konnte. In Mähren und in mehreren Gebieten Böhmens war bei einer Trennung außerdem die Schaffung gemischtsprachiger Bezirke unerläßlich, wie sie der Gesetzentwurf über die Einrichtung von Kreisregierungen vom Jahre 1909 vorgesehen hatte.

Nach der Verkündung des kaiserlichen Manifestes vom 16. Oktober über die Umwandlung Österreichs in einen Bundesstaat und der Bildung einer deutsch-österreichischen Nationalversammlung erschien es den in der Deutschböhmischen Vereinigung zusammengeschlossenen deutschen Reichstagsabgeordneten aus Böhmen unerläßlich, die Errichtung einer Provinz Deutsch-Böhmen voranzutreiben. Am 23. Oktober wurde in Wien ein Ausschuß gebildet, der die notwendigen Vorarbeiten leistete, doch wurde die deutsch-böhmische Landesversammlung erst für den 4. November einberufen, so daß die Prager Vorfälle der Ausrufung der Provinz Deutschböhmen vorausgingen. Sie erfolgte unter dem Eindruck der Nachrichten aus Prag erst am 29. Oktober in Wien, Deutsch-Böhmen wurde zur „eigenberechtigten Provinz des Staates Deutsch-Österreich" erklärt. Gleichzeitig wurde eine Landesregierung mit dem deutsch-radikalen Abgeordneten Raphael Pacher als Vorsitzendem, der bald darauf durch den parteilosen Abgeordneten Rudolf Lodgman von Auen ersetzt wurde, dem Sozialdemokraten Josef Seliger und dem Agrarier Wilhelm Maixner als Stellvertreter gebildet. Am folgenden Tage erklärten die deutschen Abgeordneten Schlesiens und Nordmährens das von ihnen vertretene Gebiet als Provinz „Sudetenland“ gleichfalls zu einer Provinz von Deutsch-Österreich und wählten zum Landeshauptmann Dr. R. Freissler. Die Abgeordneten der unmittelbar an Ober-und Niederösterreich grenzenden deutschen Siedelgebiete proklamierten am 3. November die Kreise „Böhmerwaldgau" und „Deutschsüdmähren" und deren Anschluß an die österreichischen Nachbarländer.

Sitz der Landesregierung für Deutschböhmen wurde Reichenberg, für „Sudetenland“ Troppau’ 28). Der Sozialdemokrat Josef Seliger versuchte am 4. November mit Mitgliedern des Nationalausschusses über das künftige Verhältnis der beiden Landesteile zu verhandeln, um Post-und Bahnverkehr, Versorgung usw. sicherzustellen. Er stieß bei den Soziali ten Soukup und Nemec auf gewisses Verständnis, bei dem Jungtschechen (nunmehr Nationaldemokraten) Dr. Rasin aber auf schroffste . Ablehnung. Für ihn gab es kein Deutschböhmen, sondern nur einen rebellierenden Volksteil, und ein: „mit Rebellen verhandelt man nicht“ 29).

Das klang merkwürdig aus dem Mund eines Mannes, der erst eine Woche vorher selbst führend an einer — allerdings, wie sich der tschechische Historiker Pekar ironisch ausdrückte, „amtlich genehmigten" — Revolution beteiligt hatte. Der tschechische Sozialist R. Bechyne hat dieses Wort ein Jahr später als „irreparablen Fehler“ bezeichnet, durch das „unser Verhältnis zu den Deutschen vergiftet“ wurde . Da zwei Prinzipien hier einander kraß gegenüberstanden, konnten keine weiteren Verhandlungen geführt werden; der Nationalausschuß und nach ihm die Regierung Kramäf begannen alsbald die militärische Besetzung der deutschen Gebiete vorzubereiten, der die deutschen Landesregierungen wenig entgegenstellen konnten, nachdem ihnen weder von Berlin noch von der inzwischen gebildeten kommunistisch betonten sächsischen Landesregierung in Dresden Hilfe zugesagt worden war. Die in geringer Zahl vorhandenen deutschen Truppen hatten kaum Kampfesmut, und die neugebildete deutschböhmische Volkswehr fand wenig Zulauf. So konnte die Ende November mit nur drei tschechischen Regimentern begonnene gewaltsame Besetzung der deutschen Gebiete in knapp drei Wochen ohne größere Kampfhandlungen beendet werden. Nur im Kohlengebiet kam es bei Brüx am 27. 11. zu Schießereien. Am 9. 12. war Karlsbad, am 14. Reichenberg, am 16. Eger, am 18. Troppau besetzt.

Die deutsch-österreichische Nationalversammlung beschloß am 22. 11. ein Gesetz, das die Angliederung aller deutschen Gebiete, sogar einschließlich der Sprachinseln, vorsah, konnte aber gegen den tschechischen Vormarsch nur protestieren und am 13. 12. eine Volksabstimmung verlangen, die zuerst von Frankreich, später von den anderen Alliierten abgelehnt wurde.

Noch vor Jahresende 1918 waren die gesamten deutsch besiedelten Gebiete mithin gewaltsam in den neuen Staat einbezogen worden, es galt nun, diese Lösung auch bei der Friedenskonferenz durchzusetzen. Dies schien aussichtsreich in Nordböhmen, Nordmähren und Schlesien, die ja keine Verbindung mit Österreich hatten und deren Anschluß an das Deutsche Reich die Alliierten keinesfalls zugestanden hätten, weniger in Südmähren, dessen Zusammenschluß mit Niederösterreich leicht durchführbar war und auch geographisch und verkehrsmäßig auf keinerlei Schwierigkeiten stieß.

Die deutsch-böhmische Landesregierung ging nach der Besetzung Reichenbergs nach Wien und versuchte von dort, auch außenpolitisch zu wirken. Die Mitglieder der sudetenländischen Landesregierung blieben zunächst in Troppau, gingen aber später ebenfalls nach Wien, da in Troppau keine Wirkungsmöglichkeit blieb. Die Abgeordneten der deutschen Gebiete blieben auch nach der Besetzung in der deutsch-österreichischen Nationalversammlung. Gleich in den ersten Wochen seines Bestehens wurde so das künftige Zusammenleben durch die Tatsache belastet, daß die gesamte deutsche Bevölkerung Böhmens, Mährens und Schlesiens ge-waltsam in einen Staat hineingenommen wurde, der sich als tschechoslowakischer Nationalstaat verstnd und in seinen Verlautbarungen betont antideutsch war. Der zunächst in tiefer Resignation verharrenden deutschen Bevölkerung der Kronländer war schwer zuzumuten, daß sie sich in einem Staat heimisch fühlte, der ihr da» Recht der Selbstbestimmung auch dort versagte, wo seine Anwendung seinen berechtigten Interessen keinen Schaden gebracht, die Atmosphäre vielmehr entgiftet hätte.

Erste Auseinandersetzung mit Polen um Ostschlesien Auch der polnischen Bevölkerung gegenüber stellte sich der junge Staat auf dem Standpunkt der historischen Grenzen, was seine außenpolitische Stellung mehr erschwerte als das Vorgehen in den deutschen Gebieten, handelte es sich, doch bei dem eben entstehenden polnischen Staat auch um einen Alliierten, gegen den die Erfüllung einer historischen Mission nicht in Anspruch genommen werden konnte wie gegenüber Deutschland.

In Ostschlesien hatten die Bezirke Bielitz, Freistadt und Teschen nach der Volkszählung von 1910 klare polnische Mehrheiten von 77, 6’/o, 63, 5 0/0 und 76, 8’/o. Dabei waren allerdings die in der Volkszählung nicht berücksichtigten Schlonsaken den Polen zugerechnet, was ihrer Einstellung nicht durchweg entsprach. Die Tschechen hatten aber in den Bezirken Bielitz und Teschen nur kleine Minderheiten von 0, 8 °/o und 6, 2 ’/o, in der zu fast 8 5’/o deutschen Stadt Bielitz waren sie überhaupt nicht vertreten, lediglich in Freistadt bildeten sie 23, 7’/o. Schon auf dem ersten All-slawischen Kongreß in Prag im Mai 1848 waren Gegensätze zwischen Polen und Tschechen wegen der Zugehörigkeit dieser Gebiete aufgebrochen; auf einer im Mai 1918 abgehaltenen polnisch-tschechischen Besprechung war zwar vereinbart worden, daß das ganze ehemalige Herzogtum Teschen vorerst dem tschechischen Staat angehören sollte, doch wurden diese Vereinbarungen im Augenblick der Staatsbildung sofort umgestoßen. In Teschen entstand am 29. 10. ein polnischer Nationalrat unter Pastor Michejda, in Schlesisch-Ostrau ein tschechischer Nationalrat. Zur Unterstützung des polnischen Rates rückten polnische Truppen von Galizien her in den Ostteil des Herzogtums ein, und beide Räte schlossen am 5. November ein Abkommen, durch das die Bezirke Bielitz und Teschen vorläufig den Polen, der Bezirk Friede den Tschechen überlassen, der Bezirk Freistadt aber geteilt werden sollte’ Polnische Truppen besetzten auch Teile der ungarischen Komitate Arwa und Zips, in denen einige Gemeinden polnisch waren.

Der Grundsatz der historischen Grenzen, der gegen die Deutschen mit aller Entschiedenheit verfochten wurde, war damit von den Polen erfolgreich durchbrochen worden. An der Wiege des jungen Staates stand damit aber nicht nur ein Gegensatz zu den bisher bestimmenden Völkern der Donaumonarchie, zu Deutschen und Madjaren, sondern auch zu dem Tschechen und Slowaken sprachlich nächststehenden Volk, den Polen.

IV. Von der Staatsbildung zu den Friedensverträgen von St. Germain und Trianon 1918-1920

Gegenüber allen anderen neu entstehenden Staaten Ostmitteleuropas hatte die Tschechoslowakei einen gewissen Vorsprung; Sie hatte in den Tagen des Zusammenbruches der Mittelmächte, als die neuen Regierungen der anderen Staaten sich erst unter Schwierigkeiten bildeten und noch keine internationale Anerkennung hatten, bereits eine von den alliierten Hauptmächten anerkannte Regierung, eine Legislative und einen eingespielten Beamtenapparat und war schon vor Zusammentritt der Friedenskonferenz durch ihren international bekannten und erfahrenen Außenminister in Paris vertreten. Ihr Gebiet war auch nicht durch den Krieg verwüstet oder nur in Mitleidenschaft gezogen worden und die Ernährungslage war, die deutschen industriellen Gebiete ausgenommen, weit günstiger als in Österreich und Deutschland. Sie hatte mithin für die ersten Jahre ihrer Existenz weit günstigere Voraussetzungen als etwa die vom Bolschewismus bedrohten kleinen baltischen Staaten un. konnte sich ruhiger entwickeln, zumal sie alliierter Hilfe in ihren Kämpfen gegen Ungarn gewiß sein konnte. Wenn trotzdem eine längere Zeitspanne zwischen der Staatsbildung und den ersten allgemeinen Wahlen verging als in den anderen Staaten mit ungünstigeren Bedingungen, so lag das an dem Bestreben der führenden tschechischen Politiker, die Grundlagen des Staates allein, ohne Mitwirkung der anderen das Staatsgebiet bewohnenden Völker, zu schaffen und ihn nicht, wie es Benes in Paris sagte, zu einer osteuropäischen Schweiz, sondern doch zu einem spezifisch tschechoslowakischen Staat zu machen. Die Sympathien, die der neue Staat sowohl in Frankreich wie in England hatte (im Gegensatz etwa zu dem in England mit Mißtrauen betrachteten Polen) ermöglichten es ihm in der gleichen Zeit, alle territorialen Forderungen ohne Volksabstimmungen durchzusetzen und trotz militärischer Mißerfolge gegen das revolutionäre Ungarn äußerst günstige Grenzen diesem gegenüber zu erhalten.

Während die anderen Staaten sich erst mit Mühe von den Vorwürfen reinigen mußten, allzu revolutionär oder reaktionär, gegebenenfalls auch germanophil zu sein, genoß die Tschechoslowakei dank ihrer führenden Männer schon in den ersten Jahren ihrer Existenz den Ruf, demokratisch, liberal und ein zuverlässiger Bundesgenosse der Alliierten gegen jede Reaktion zu sein, so daß sie auf dieser Grundlage schon 1920 zu einem entscheidenden Faktor in Ostmitteleuropa wurde. Staatsaufbau und Verfassung Der Nationalausschuß (Narodni vybor) hatte den Staat proklamiert und die ersten Gesetze erlassen. An seine Stelle trat nach weniger als drei Wochen die von ihm eingesetzte „Revolutionäre Nationalversammlung“, ein nach dem Parteischlüssel erweiterter Nationalausschuß mit zunächst 256, ab März 1919 270 Mitgliedern.

Sie wurde erst im Mai 1920 durch das aus den Wahlen vom 18. 4. 1920 hervorgegangene erste Parlament ersetzt. Die am 29. Februar 1920 beschlossene Verfassung und zahlreiche entscheidende Gesetze entstanden mithin nicht in einer gewählten Körperschaft, was den berechtigten Widerspruch der Deutschen, Madjaren und Polen hervorrief, die in der Revolutionären Nationalversammlung überhaupt nicht vertreten waren. Sie hatte vielmehr einen ausgeprägt tschechisch-nationalen Charakter, denn auch die Slowaken waren nicht ihrer Volks-zahl und vor allem nicht ihrer Einstellung entsprechend vertreten. Unter den 256 Abgeordneten der ersten Monate gehörten nur 41 dem Slowakischen Klub an, das Verhältnis von Tschechen zu Slowaken war also etwa 5 zu 1, und auch, als nach der Vergrößerung der Versammlung auf 270 Abgeordnete im März 1919 der Slowakische Klub 53 Mitglieder zählte, war das Verhältnis noch 4 zu 1, während das Verhältnis der Volkszahl knapp 3, 5 zu 1 betrug Der slowakische Klub war außerdem nicht rein slowakisch; zu ihm zählten auch E. Bene? und Masaryks Tochter Alice Schließlich entsprach die Zusammensetzung des Slowakischen Klubs nicht den konfessionellen Verhältnissen unter den Slowaken, die für die politische Haltung, wie oben Seite 8 erwähnt, von großer Bedeutung waren. Drei Viertel der slowakischen Abgeordneten waren nämlich Protestanten, obwohl der protestantische Bevölkerungsanteil weniger als 200/0 betrug, und die slowakischen Katholiken betonten darüber hinaus, daß sie nur 4 Abgeordnete als ihre wahren Vertreter betrachten könnten (unter ihnen Hlinka und Juriga). Die tschechische Mehrheit der Nationalversammlung war in 6 Klubs gegliedert von denen die Agrarier mit 5 5 und die Sozialdemokraten mit erst 5 3, später 55 Sitzen die bedeutendsten waren. Von den alten tschechischen Parteien waren die der Alttschechen, Jungtschechen und Realisten verschwunden, die beiden ersten bildeten nun mit Teilen der dritten die Nationaldemokratische Partei. Die Partei Masaryks und Bene's konnte ihnen also keinen parlamentarischen Rückhalt mehr geben, so daß sich Bene? entschloß, der nationalsozialistischen Partei beizutreten.

Da die (katholische) tschechoslowakische Volkspartei und die Sozialdemokraten in der Revolutionären Nationalversammlung weit schwächer waren als im ersten gewählten Parlament, war die Revolutionäre Nationalversammlung wenig auf Ausgleich eingestellt, sondern betont tschechisch-national. Eine echte Opposition gab es zunächst nicht, da mit Ausnahme der bedeutungslosen Fortschrittspartei alle Parteien an der ersten Regierung beteiligt wurden, wenn auch im Falle der Volkspartei nur durch einen Minister ohne Portefeuille.

Die RNV arbeitete zunächst mit einer von dem Sozialdemokraten Dr. Meissner entworfenen und vom Nationalausschuß angenommenen Provisorischen Verfassung, die die Stellung der Legislative sehr stark machte. Diese hatte den Staatspräsidenten und die Regierung zu wählen, deren Rechte möglichst eingeschränkt wurden. Sogar die Zahl der Regierungsmitglieder, (die nach dem ersten Entwurf nicht einmal „Minister“ heißen sollten), wurde durch die Provisorische Verfassung auf 17 begrenzt, und der Präsident sollte weder das Parlament auflösen noch ein Veto gegen seine Beschlüsse einlegen können. Auf Drängen Masaryks wurde die Provisorische Verfassung im Mai 1919 zugunsten der Stellung des Präsidenten abgeändert, die endgültige Verfassung gab dem Präsidenten dann wesentlich mehr Bedeutung.

Auf der ersten Sitzung der RNV am 14. 11.

wurde die am 28. 10. noch offen gelassene Frage der Staatsform durch die Proklamierung der Republik und die Absetzung der Habsburger geklärt und Masaryk einstimmng zum ersten Präsidenten gewählt. Die Zusammensetzung der gleichzeitig gewählten ersten Regierung 35a) mit Kramäf als Ministerpräsidenten entsprach nicht ganz den Genfer Vereinbarungen zwischen Bene?

und den Heimatpolitikern, sondern nahm auf die Parteien Rücksicht. So wurde nicht der wie Masaryk und Bene? aus der Realistenpartei kommende Dr. mal, das Haupt der „Maffia“

seit 1915, Innenminister, sondern der die stärkste Partei vertretende Agrarier vehla, der sich als einer der fähigsten tschechischen Politiker bewähren sollte. In der Regierung Kram war die Rechte mit den 6 Ministerien der Na.

tionaldemokraten und Nationalsozialisten stark vertreten, was das Verhältnis zu den anderen Völkern stark beeinflußte. Den Deutschen wurde das in Genf für sie vorgesehene Ministerium nicht angeboten, es war allerdings auch kaum Aussicht gewesen, daß ein Vertreter der deutschen Parteien, die ja durchweg die Trennung anstrebten, ein solches Angebot angenommen hätten. Die Slowaken konnten sich durch den seit Jahren im Ausland lebenden Kriegsminister Stefanik und durch den Gesundheitsminister Srobär nicht als wirklich vertreten betrachten.

Die Revolutionäre Nationalversammlung und die beiden ersten Regierungen Kram und Tusar ließen keinen Zweifel darüber, daß der neue Staat parlamentarisch, demokratisch, zentralistisch, fortschrittlich, antifeudal und tschechoslowakisch sein sollte. Schon in den ersten Sitzungen wurden der Adel und alle nichtakademischen Titel und Orden abgeschafft, dagegen der Achtstundentag eingeführt, am 16. 4. 1919 aller Grundbesitz von mehr als 250 ha oder mehr als 150 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche beschlagnahmt. Für den nationalen Charakter war wichtiger als viele Parlamentsreden die Botschaft Masaryks vom 22. 12. 1918, nach einem triumphalen Einzug in Prag als Präsident, in der es zwar hieß: „Demokratie ist nicht Herrschaft, sondern Arbeit zur Sicherung der Gerechtigkeit. Gerechtigkeit ist die Mathematik der Humanität“, in der aber auch erklärt wurde: „Das von den Deutschen bewohnte Gebiet ist unser und wird unser bleiben. Wir haben unseren Staat geschaffen, wir haben ihn erhalten, wir bauen ihn nun neu.“ Die staatsrechtliche Stellung der Deutschen, „die ursprünglich als Immigranten und Kolonisten ins Land kamen“, werde durch diese Tatsache bestimmt. Als die deutschen Sozialdemokraten mit Josef Seliger sich nach dem Friedensvertrag von Saint Germain mit dem neuen Staat abzufinden begannen und Vorschläge für seinen föderativen Aufbau nach national abgegrenzten Bezirken machten, stieß das auf absoluten Widerspruch aller tschechischen Parteien.

In diesem Sinne parlamentarischen und zentralistischen Aufbaus waren auch die am 29. 2. 1920 angenommene Verfassung und das Sprachengesetz vom gleichen Tage gehalten Die Legislative wurde von zwei Kammern, Abgeordnetenhaus und Senat gebildet.'Da sich aber letzterer vom Abgeordnetenhaus nur durch die geringere Zahl der Mitglieder (150 zu 300) und das höhere aktive und passive Wahlalter, nicht aber strukturell unterschied, hatte er keine rechte Funktion und wurde zu einer „erlauchten Pensionsanstalt"

Zu beiden Kammern wurde nach dem gleichen allgemeinen und direkten Wahlrecht gewählt, die Parlamentssitze nach dem Proporz verteilt, so daß die Entstehung zahlreicher Par-teien begünstigt wurde. Der von beiden Kammern auf 7 Jahre und nur einmal wiederwählbare Präsident erhielt wesentlich weitergehende Rechte als in der Provisorischen Verfassung, vor allem das der Berufung und Abberufung der Regierung und der Zusammenstellung des Kabinetts, hatte aber dem Parlament gegenüber nur ein aufschiebendes Veto und keine Gesetzesinitiative, auch keine Möglichkeit, aufgrund eines Notstandsparagraphen das Parlament weitgehend von der Mitwirkung an der Regierungsbildung auszuschalten. Da die Regierung dem Parlament verantwortlich war und im Fall eines Mißtrauensvotums zurücktreten mußte, konnte der Präsident beim Nichtzustandekommen von Koalitionen lediglich Beamtenkabinette bilden und deren Duldung durch das Parlament erwirken.

Diese im wesentlichen französischen und englischen Vorbildern folgende Form der parlamentarischen Demokratie, die in sämtlichen anderen Staaten Ostmitteleuropas scheiterte und durch autoritäre Staatsformen verschiedener Art und Abstufung ersetzt wurde, hat sich in der Tschechoslowakei als einzigem Staat Ostmitteleuropas ohne entscheidende Störungen praktizieren lassen.

Trotz aller aus den nationalen und sozialen Spannungen erwachsenden inneren Schwierigkeiten ist die Staatsform erhalten geblieben und der Staat nicht durch gewaltsame Umstürze und Staatsstreiche erschüttert worden. Diese in Ost-mitteleuropa einzigartige Bewährung der parlamentarischen Demokratie mag u. a.der großen Autorität des Präsidenten Masaryk, der erheblichen parlamentarischen Erfahrung der tschechischen und deutschen Politiker und auch einer in der Tschechoslowakei stärker als etwa in Polen oder Jugoslawien zu beobachtenden Neigung zu Kompromissen zuzuschreiben sein.

Weit mehr Unwillen als die Annahme der ja tatsächlich liberalen Verfassung durch eine nicht gewählte Körperschaft bei Deutschen und nationalen Slowaken erweckte der Beschluß des Sprachengesetzes am gleichen Tage. Es erklärte eine gar nicht existierende Sprache, die „tschechoslowakische Sprache“ zur „offiziellen staatlichen Sprache“, wozu erläutert werden mußte, daß unter der tschechoslowakischen Sprache die Sprache zu verstehen sei, die „die tschechoslowakische Nation, Tschechen und Slowaken'sprächen, in den Kronländem also die Tschechische, in der Slowakei das Slowakische.

Zweisprachigkeit der Behörden und Gerichte wurde nur dort zugelassen, wo die sprachlichen Minderheiten bei der letzten Volkszählung mindestens 20 °/o der Einwohner des Verwaltungsoder Gerichtsbezirks bildeten. Da die tschechische Bevölkerung in zahlreichen Bezirken weit weniger als 20% ausmachte, alle Behörden aber selbstverständlich auch hier zweisprachig amtierten, war das Tschechische deutlich bevorzugt. Die Gemeinden konnten ihre Geschäftssprache selbst bestimmen, mußten aber die Staatssprache wählen, wenn deren Angehörige die relative Mehrheit hatten (also etwa in dreisprachigen Gebieten) und eine Minderheitssprache, wenn deren Angehörige die absolute Mehrheit hatten. Minderheitenschulen mußten errichtet und erhalten werden, wenn mindestens 40 schulpflichtige Kinder der betreffenden Minderheit im Schulbezirk lebten.

Es war klar, daß es bei diesen Bestimmungen, die im wesentlichen den Grundsätzen des Minderheitenschutzvertrages folgten, weitgehend auf die Abgrenzung der Verwaltungs-, Gerichts-und Schulbezirke ankam, wollte man den Prozentsatz der Anderssprachigen unter 20 und die Kinderzahl unter 40 drücken und so die Alleinherrschaft der „offiziellen staatlichen Sprache" erreichen. Es war ein Vorteil für die Deutschen in Böhmen und Schlesien, daß sie in geschlossen deutschen Gebieten siedelten, wo derartige Praktiken nur an der Sprachgrenze erfolgreich sein konnten. Ungünstiger war es in Mähren und der Slowakei und auch in den madjarischen Gebieten.

Trotz einer liberalen die Menschen-und Bürgerrechte stützenden Verfassung war es bei dem spezifisch tschechischen Gepräge, das der Staat in den ersten Jahren des Staatsaufbaus erhielt, für Deutsche, Madjaren und Polen schwierig, sich als voll gleichberechtigte Bürger zu fühlen und sich positiv am Staatsleben zu beteiligen.

Die Festlegung der Staatsgrenzen Kampf gegen Polen und Ungarn Nach der Besetzung der deutschen Gebiete und der Ablehnung des österreichischen Antrags auf Volksabstimmung bestand wenig Aussicht, daß die „historischen Grenzen“ auf der Friedenskonferenz nach ethnographischen Gesichtspunkten zugunsten der Deutschen verändert werden würden. Das von Außenminister Benes der Friedenskonferenz vorgelegte, wegen seiner Fälschungen berühmt gewordene Memorandum Nr. 3 über die notwendige Einbeziehung der deutschen Gebiete hat die Entschlüsse der Konferenz kaum noch umzustimmen brauchen. Die in Wien tagende deutsch-böhmische Landesversammlung sandte der Weimarer Nationalversammlung zu ihrem Zusammentritt zwar ein die Hoffnung auf Vereinigung ausdrückendes Grußtelegramm, das freundlich beantwortet wurde, alle nach Berlin gerichteten Hilfegesuche erfuhren aber Ablehnung. Am Tage des Zusammentritts der österreichischen Nationalversammlung, am 4. März 1919, veranstalteten die Deutschen Böhmens in allen Städten Protestkundgebungen, um die Friedenskonferenz auf sich aufmerksam zu machen. Tschechisches Militär schoß aber in Kaaden, Karlsbad, Eger, Mies und Sternberg auf die Demonstranten. 52 Tote und 84 Verwundete waren zu beklagen. Eine Änderung in der Einstellung der Friedenskonferenz wurde weder durch die Proteste noch durch die Blutopfer erreicht, der Vertrag von St. Germain gab vielmehr ganz Böhmen und Mähren an die Tschechoslowakei und fügte noch knapp 200 km* vom niederösterreichischen Gebiet hinzu (Felds-berg und Weitra), um verkehrspolitische Forderungen der Tschechoslowakei zu erfüllen. Der Frieden von Versailles gab der Tschechoslowakei außerdem 330 km* an Reichsgebiet, das sog.

Hultschiner Ländchen südlich von Ratibor, und zwar aufgrund der sonst nicht als relevant an-gesehenen ethnographischen Verhältnisse. Mit Ausnahme des geplanten Korridors, der Jugoslawien und die Tschechoslowakei durch das Burgenland miteinander verbinden und gleichzeitig Österreich und Ungarn voneinander trennen sollte (Punkt 5 im Memorandum Nr. 2), der Ansprüche auf die Grafschaft Glatz (Memorandum Nr. 9) und auf den Anschluß der Lausitz oder wenigstens die Schaffung einer Republik Lausitz (Memorandum Nr. 7), die aber wohl alle nicht mit vollem Ernst erhoben wurden, wurden die Forderungen der von Kram und Benes geführten tschechischen Delegation auf der Friedenskonferenz gegenüber Österreich und dem Deutschen Reich erfüllt. Gleichzeitig mit dem Vertrag von St. Germain mußte die Tschechoslowakei den Minderheitenschutz-vertrag unterzeichnen, dessen Bestimmungen teilweise modifiziert in das schon erwähnte Sprachengesetz übernommen wurden

Wesentlich mehr Schwierigkeiten bereitete Grenzziehung gegen Polen und Ungarn, die beide nicht bereit waren, die tschechischen Forderungen kampflos zu akzeptieren. Im Tesche-ner Gebiet hatte das Abkommen vom 5. November 1918 nur kurzen Bestand. Die polnische Regierung begann, nachdem ein Versöhnungsversuch Pilsudskis im Dezember gescheitert war, im Januar 1919 in dem von Polen besetzten Gebiet mit Aushebungen und bereitete die am 26. Januar abzuhaltenden Parlamentswahlen auch für das Teschener Schlesien vor. Di® tschechische Regierung begnügte sich daraufhin nicht mit einer Protestnote, sondern ließ am 23. Januar tschechische Truppen in das von schwachen polnischen Verbänden besetzte Gebiet einmarschieren, die zunächst Oderberg und Teschen besetzten. In dem dadurch ausbrechenden polnisch-tschechischen Krieg von 7 Tagen drängten die tsechischen Truppen unter Oberstleutnant Snejdarek die Polen bis an die Weich-sei zurück, mußten aber am 30. 1. bei Skotschau eine Niederlage hinnehmen. Alliierten Bemühungen gelang am gleichen Tage der Abschluß eines Waffenstillstandes, dem am 3. Februar 1919 eine von den Vertretern der vier Hauptmächte, Benes und dem polnischen Delegierten Dmowski in Paris unterzeichnete vorläufige Vereinbarung folgte, aufgrund deren jede Gewaltanwendung unterbunden wurde. Die tschechischen Truppen räumten zwar den größten Teil des von ihnen besetzten Gebietes, doch kam die wirtschaftlich und strategisch wichtige Bahn Oderberg-Kaschau in tschechische Verwaltung. Eine internationale Kontrollkommission, die noch im Februar eintraf, sollte künftige Konflikte unmöglich machen, bis die Friedenskonferenz die Streitfrage entschied. Da bei Verhandlungen in Krakau im Juli 1919 keine Einigung zwischen der polnischen und der tschechischen Regierung erzielt werden konnte, beschloß der Oberste Rat am 22. 9. 1919 im gesamten strittigen Gebiet eine Volksabstimmung unter internationaler Kontrolle durchzuführen, die auch auf Teile der Distrikte Zips und Arwa ausgedehnt werden sollte. Die Ende Januar 1920 eintreffende Abstimmungskommission konnte jedoch angesichts ständiger Unruhen und Streiks die Abstimmung nicht durchführen

Ohnehin sah man ihr tschechischerseits mit Besorgnis entgegen, weil kein günstiges Ergebnis für die Tschechoslowakei erwartet werden konnte. Während des polnisch-sowjetischen Krieges mußte sich die polnische Regierung auf der Konferenz von Spa am 10. Juli 1920 mit allen Entscheidungen des Obersten Rates, auch in der Teschener Frage, einverstanden erklären, und nunmehr erfolgte eine rasche, für das bedrängte Polen allerdings ungünstige Lösung der Streitfrage durch einen Entscheid der Botschafterkonferenz in Paris vom 28. Juli, nachdem auf der Konferenz von Spa am 11. 7. beschlossen worden war, den Beschluß über die Abstimmung aufzuheben. Nach Anhörung Bene’s und des polnischen Außenministerk Patek wurde das Gebiet etwa im Sinne früherer Vorschläge von Benes so geteilt, daß das Flüßchen Olsa die Grenze bildete und die Tschechoslowakei nicht nur die. Bahnlinie Oderberg-Kaschau, sondern auch die wertvollen Kohlevorkommen von Karwin erhielt. Die Stadt Teschen wurde durch die neue Grenze ebenfalls geteilt. Der größere Teil kam an Polen, der kleinere, in dem aber der Bahnhof und die städtischen Werke lagen, an die Tschechoslowakei Etwa 140 000 Polen und Schlonsaken kamen damit unter tschechische Herrschaft, während im Polen zugesprochenen Gebiet fast gar keine Tschechen wohnten. Obwohl auch die nichttschechische Bevölkerung, vor allem die deutsche, aus wirtschaftlichen Gründen den Anschluß an die wirtschaftlich gesündere Tschechoslowakei dem an das von den Nachkriegskämpfen benachteiligte Polen vorzog, empfanden die polnischen Politiker die Teilung als schreiende Ungerechtigkeit, zumal sie in einer Zeit erfolgte, in der Polen durch den Vormarsch der Roten Armee auf höchste bedroht war. Demgegenüber war es ein geringer Trost für Polen, daß es in der Zips und in Arwa 27 Dörfer mit etwa 30 000 Einwohnern aus der ungarischen Erbmasse erhielt. Die endgültige Grenzfestlegung in der Tatra zog sich bei beiderseitigen Ansprüchen und Vorwürfen noch bis zum Jahre 1924 hin, und das Verhältnis der beiden Staaten war ernstlich getrübt

Handelte es sich beim „Herzogtum Teschen“ um ein relativ kleines Gebiet von rund 2 220 km 2 mit 435 000 Einwohnern, das freilich große wirtschaftliche und verkehrsmäßige Bedeutung hatte und vor allem im Westteil dicht besiedelt war, so ging es gegenüber Ungarn um die ganze Slowakei. Allerdings konnte die Regierung hier noch mehr als gegenüber Polen des alliierten Beistandes sicher sein.

Wenige Tage nach dem Beginn der tschechischen Besetzung der Slowakei mobilisierte die ungarische Regierung Karolyi fünf Jahrgänge, protestierte am 11. November 1918 gegen den tschechischen Einmarsch und ließ die geräumten Gebiete wieder besetzen. Schon am 13. November war Tyrnau wieder in ungarischer Hand, und am 15. wurde in St. Martin am Ture sogar der Vorsitzende des slowakischen Nationalrats, M. Dula, verhaftet.

Verhandlungen, die Milan Hodza als tschechoslowakischer Vertreter in Budapest führte, verliefen zunächst ungünstig, brachten aber unter dem Druck der französischen Militärmission in Budapest (Obstlt. Vix) zunächst (6. 12.) den Rückgang der Ungarn auf eine Preßburg und Kaschau noch bei Ungarn lassende Linie, um die Jahreswende 1918/19 aber nach erneuten Forderungen der Alliierten den Abzug auch aus diesen Städten. Das am Neujahrstag 1919 besetzte Preßburg, das nur eine slowakische Minderheit hatte, wurde trotzdem und trotz seiner Randlage Landeshauptstadt der Slowakei, aus Kaschau mußte die Regierung der dort kurzfristig ausgerufenen „Ostslowakischen Republik" nach Ungarn flüchten. Bis zum 20. Januar 1919 war die teilweise mit aus Italien kommenden Legionären durchgeführte zweite Besetzung beendet, die aber noch nicht endgültig war.

Die ungarische Räteregierung unter Garbai und Bela Kun, die am 21. Märez proklamiert wurde, nachdem Karolyi als Staatspräsident und die Regierung Berinkey aus Protest gegen die neuen Demarkationslinien gegenüber Rumänien zurückgetreten waren, begann am 19. Mai, während die Rumänen von Osten angriffen, der Vormarsch in die Slowakei. Wie im November 1918 hatten die ungarischen Truppen rasche Erfolge, nahmen Kaschau und große Teile der Mittelslowakei wieder ein und erreichten Anfang Juni in der Tatra die polnische Grenze. Zum zweiten Mal wurde in Kaschau eine „Ostslowakische Republik“ ausgerufen, nunmehr als Räterepublik.

Die tschechischen Truppen, schlecht ausgerüstet und wegen der am 15. Juni abzuhaltenden Gemeindewahlen durch kommunistische Agitatoren beeinflußt, leisteten nur geringen Widerstand. Sie begannen erst mit einer Gegenoffensive, als unter dem französischen General Pelle strengere Disziplin und höhere Rationen eingeführt wurden. Trotzdem brachten nicht sie, sondern auch jetzt erst die Alliierten die Wendung. Ein Ultimatum Clemenceau’s vom 13. Juni wurde von der ungarischen Regierung angesichts der katastrophalen Gesamtlage der Räteregierung am folgenden Tage angenommen, gleichzeitig hörten die Feindseligkeiten auf. Im Laufe des Juli konnte das von den Ungarn geräumte Gebiet zum dritten Mal und nun endgültig besetzt werden.

Dadurch war aber die Slowakei noch nicht befriedet, denn während der Kämpfe und danach regten sich die nationalen Kräfte in der Slowakei, die weitgehende Autonomie verlangten. Hlinka, der im Dezember 1918 seine Slowakische Volkspartei wiedergegründet hatte, ging in scharfe Opposition zu Srobär und reiste, da die Forderung auf eine eigne slowakische Vertretung auf der Friedenskonferenz nicht erfüllt wurde, illegeal über Polen mit einem polnischen Paß Ende August 1919 nach Paris. Er fand aber dort bei dem polnischen Ministerpräsidenten Paderewski nicht die erhoffte Unterstützung und wurde von der Polizei ausgewiesen. Während der radikalere Autonomist Jehlicka nach Ungarn ging, um von dort weiter für die slowakische Autonomie oder sogar Selbständigkeit zu wirken, kehrte der des Hochverrats bezichtigte und um sein Mandat gebrachte Hlinka Ende September wieder in sein Rosenberger Pfarramt zurück. Bei der von ihm trotzig provozierten Verhaftung am 11. 10. gab es lebhafte Demonstrationen und Unruhen. Ein Prozeß wurde ihm jedoch nicht gemacht, nach fünfmonatiger Haft und Internierung konnte er triumphal in die Heimat zurückkehren. Die slowakische Autonomiebewegung hatte damit trotz des Fehlschlags, den Hlinka in Paris erlitten hatte, deutlich ihre Stärke demonstriert. Dennoch sah die Verfassung vom 29. Februar 1920 keinerlei Sonder-bestimmungen für die Slowakei vor.

Im Friedensvertrag von Trianon (4. Juni 1920) konnte die Tschechoslowakei nicht alles erreichen, was Bene? im Memorandum Nr. 5 gefordert hatte, das die Slowakei auf einen Umfang von 58 647 km 2 bringen und die Grenze bis unmittelbar an Miskolc heran über das Matra-und Bükk-Gebirge führen wollte. Die Grenzführung am Hauptarm der Donau, durch die die rein madjarische Schütt-Insel zur Slowakei kam. gab der Slowakei immerhin ein Gebiet von 49 021 km mit knapp 3 Millionen Einwohnern, unter ihnen fast 640 000 Madjaren, während in dem verkleinerten Ungarn nur wenig über 140 000 Slowaken verblieben Diese für Ungarn äußerst ungünstige und das Selbstbestimmungsrecht ebenfalls völlig außer acht lassende Grenzziehung forderte den immer wiederholten Protest Ungarns heraus, das damit zum scharfen Gegner des tschechoslowakischen Staates wurde.

Der Anschluß Karpatho-Rutheniens Der Friedensvertrag von Trianon gab der Tschechoslowakei mit den Komitaten Marmaros, Llgocsa, Bereg und Ung bzw. Teilen von ihnen noch we 021 km mit knapp 3 Millionen Einwohnern, unter ihnen fast 640 000 Madjaren, während in dem verkleinerten Ungarn nur wenig über 140 000 Slowaken verblieben 45). Diese für Ungarn äußerst ungünstige und das Selbstbestimmungsrecht ebenfalls völlig außer acht lassende Grenzziehung forderte den immer wiederholten Protest Ungarns heraus, das damit zum scharfen Gegner des tschechoslowakischen Staates wurde.

Der Anschluß Karpatho-Rutheniens Der Friedensvertrag von Trianon gab der Tschechoslowakei mit den Komitaten Marmaros, Llgocsa, Bereg und Ung bzw. Teilen von ihnen noch weitere 12 617 km 2 aus der ungarischen Erbmasse. Dieses wirtschaftlich und kulturell zurückgebliebene Gebiet wurde überwiegend von griechisch-katholischen und orthodoxen Ukrainern bewohnt, die sich aber nur zum Teil mit den galizischen Ukrainern nördlich der Karpathen verbunden fühlten und Ukrainer nannten, sondern den kaum politischen Selbständigkeitsanspruch einschließenden Namen Ruthenen bevorzugten. Nach Masaryks Vorstellungen sollte dieses auch von russischen Imperialisten geforderte Karpatho-„Rußland" dem russischen Reich angegliedert werden (s. o.). Der Ausbruch der russischen Revolution machte diese Pläne hinfällig, und bald nach seiner Ankunft in Amerika setzte Masaryk sich mit den Vertretern der dortigen ungarländischen Ruthenen in Verbindung, deren Zahl und Bedeutung wegen der starken Auswanderung erheblich war.

Die Ausgewanderten waren auch in weit höherem Maße politisch bewußt als die in der Heimat Gebliebenen, die während der ganzen Kriegszeit keinerlei Organisationen bildeten oder überhaupt nur Selbständigkeitsregungen zeigten 46). Ein am 23. Juli 1918 in Homestead (Pennsylv.) tagender Nationalrat unter dem späteren Gouverneur Dr. Zatkovic beschloß, daß die „subkarpathischen Ruthenen" entweder ihre Selbständigkeit erhalten oder, falls dies unmöglich wäre, „sich mit ihren Brüdern in Galizien vereinigen, oder, falls auch dies nicht möglich wäre, Autonomie erhalten sollten". Am 25. Oktober 1918 verhandelte Masaryk mit atkovi 47), der die Ruthenen in der von Masaryk in Philadelphia gegründeten Mitteleuropäischen Union vertrat, über den Anschluß der ruthenischen Gebiete an die Tschechoslowakei, als deren Ministerpräsident Masaryk seit dem 18. Oktober auftreten konnte. Er machte dabei Zusagen über die Autonomie, die Grundlage eines weiteren Beschlusses des am 19. 11. 1918 in Scranton (Pennsylv.) tagenden Nationalrates wurden. Durch diesen schlossen sich „die subkarpathischen Ruthenen mit dem weitestgehenden autonomen Rechte als Staat auf föderativer Grundlage der Tschechoslowakei" an, zeigten dabei aber auch erheblichen Expansionsdrang, indem sie insgesamt zehn Komitate als künftig zu ihrem Lande gehörig nannten, damit die Grenzen bis weit in die Mittelslowakei (einschließlich der Zips!) und an das Bükk-Gebirge ausdehnend 48). Eine anschließend unter den Amerika-Ruthenen durchgeführte Abstimmung soll 67 °/o für den Anschluß an die Tschechoslowakei, 28 % für den an die gerade gebildete und mit Polen um ihre Existenz ringende Westukraine und nur 1 ’/o für das Verbleiben bei Ungarn ergeben haben.

In der Heimat bildeten sich erst nach dem kaiserlichen Manifest vom 16. 10. 1918 Nationalräte, von denen der in dem überwiegend slowakischen Presov (Eperjes) tagende für den Anschluß an die Tschechoslowakei, sein Gegenstück in dem überwiegend ungarischen Uzhorod (Ungvar) aber für das Verbleiben bei Ungarn war. Die ungarische Regierung Karolyi erfüllte die Autonomiewünsche des letzteren durch ein Gesetz vom 25. 12. 1918, durch das aus den vier Komitaten Marmaros, Ugocsa, Bereg und Ung ein autonomes Territorium „Russka Kraina“ gebildet wurde. Minister für dieses Gebiet wurde der madjarisierte Ruthene Orest Szabo 49), doch erhielt dieses von Benes weitgehend übernommene Gesetz kaum praktische Wirksamkeit, weil schon im Januar 1919 tschechische Truppen bis an den Ung-Fluß vordrangen, während rumänische Truppen den Ostteil besetzten. Kurzfristig waren Mitte Januar auch ukrainische Truppen in Huszt an der oberen Theiss, woraufhin ein dort gebildeter Nationalrat sich für den Anschluß an die Ukraine erklärte. Zur entscheidenden Person wurde in diesem Meinungsstreit einer dünnen politisch bewußten Schicht der Amerikaner Dr. atkovi, der im Februar in Paris eine Generalkommission bildete, die ihre Anschlußwünsche der Konferenz vorlegte. Vom März bis Mai 1919 konnte er die verschiedenen Gruppen zu einem einigen Nationalrat vereinen, der am 15. Mai, nicht unbeeinflußt durch die ungarische Revolution, unter Vorsitz des Priesters Voloyn in Uzhorod eine Entschließung über den Anschluß faßte. Sie wurde von einer 112 Köpfe starken Delegation Masaryk überbracht und enthielt weitgehende zum Teil widersprüchlich formulierte Bedingungen In Paris legte Benes am 17. Mai eine Denkschrift vor, die sich weitgehend an das ungarische Gesetz vom 25. 12. anschloß und den Karpathoruthenen einen eigenen Landtag mit gesetzgebender Gewalt in Fragen der Sprache, Schule und Religion zubilligte. Die karpathoruthenische Autonomie wurde schließlich Teil des am 10. 9. 1919 von den Hauptmächten mit der Tschechoslowakei geschlossenen Minderheitenschutzvertrages, Artikel 10— 13, und wurde auch als § 3 in die Verfassung ausgenommen. Danach sollte Karpathorußland (Podkarpatskä Rus) ein autonomes Gebiet mit eigenem Landtag werden. Eine Verwirklichung dieser völkerrechtlich festgelegten Autonomie ist aber nicht erfolgt. Es wurde lediglich am 7. 11. 1919 ein „Generalstatut" im Kabinett beschlossen, das durch Regierungsverordnung vom 26. 4. 1920 abgeändert wurde, also ohne Mitwirkung von Nationalrat und Nationalversammlung zustande kam. Die Grenzen des einem Gouverneur und einem teilweise von den Gemeindevertretern zu wählenden Gubernialrat unterstellten Gebietes wurde weit im Osten am Ungtal gezogen, so daß über 8 5 000 Ruthenen noch in die Slowakei einbezogen wurden. Erster Gouverneur wurde Dr. atkovi, sein Nachfolger nach längerer Pause im Dezember 1923 der einstige Vorsitzende des Nationalrats von Presov, A. Beskid. Da keine Ausführungsbestimmungen erlassen wurden, trat nicht einmal der Gubernialrat ins Leben, so daß das Gebiet praktisch weitgehend von tschechischen Beamten verwaltet wurde. Die Nichtgewährung der Autonomie wurde mit der kulturellen und politischen Unreife der ruthenischen Bevölkerung entschuldigt hatte aber u. a. zur Folge, daß die Karpathoruthenen dem Staat zu-mindest gleichgültig gegenüberstanden und teilweise politischem Radikalismus zuneigten

Die Friedensverträge hatten dem neuen Staat Grenzen gegeben, durch die er ein dem alten Österreich ähnlicher Nationalitätenstaat wurde, obwohl er von der staatstragenden tschechischen Bevölkerung als tschechischer Nationalstaat und nicht als Osteuropäische Schweiz verstanden wurde. Dadurch wurde die außenpolitische Stellung weitgehend festgelegt. Die innere Entwicklung wurde nur zum Teil durch die beiden wichtigsten Nationalitätenfragen, die deutsche und die slowakische, bestimmt. Daneben standen die Auseinandersetzungen zwischen Bürgerlichen und Sozialisten, von denen sich alsbald die Kommunisten abspalteten, und zwischen Katholiken und Romfeinden. (wird fortgesetzt)

Fussnoten

Fußnoten

  1. . Das neue Europa* hieß eine der wichtigsten r°Propagandaschriften des späteren Staatspräsiden en Thomas G Masaryk, freilich mit dem einschränenden Untertitel: Der slawische Standpunkt. Deutsche Ausgabe: Berlin, 1922.

  2. Wir verwenden hier diesen erst in den dreißiger Jahren üblich gewordenen Sammelbegriff, weil er heute allgemein für die Gesamtheit der aus der Tschechoslowakei vertriebenen Deutschen und von diesen gebraucht wird In Wirklichkeit konnte nur ein Teil des stammlich sehr verschiedenartigen Deutschtums in Böhmen, Mähren, Schlesien in Preßburg, der Zips und der Mittel-slowakei als . sudetendeutsch* bezeichnet werden.

  3. Im Text werden nur runde angenäherte Zahlen gegeben. Die Größe der einzelnen Landesteile änderte sich durch Grenzänderungen in den Friedensverträgen, jedoch nur. geringfügig, genaue Angaben in den Tabellen (s. Teil II). über die Grundlagen informiert am raschesten: Hugo Hassinger: Die Tschechoslowakei, Ein geographisches, politisches und wirtschaftliches Handbuch Wien, Leipzig, München (1925) und der Zusatzband I, 2 zum großen tschechischen Konversationslexikon, dem Ottus Slovnik Naucny, redigiert von B. Nemec, Prag 1931. Stichwort Ceskoslovenskä republika.

  4. Vor allem in der Pariser Friedenskonferenz von dem Außenminister E Benes vorgelegten Memoire III, in dem wahrheitswidrcg behauptet wird, daß die nach der österreichischen Statistik angegebene Zahl der Deutschen in Böhmen um 800 000 bis 1 Million vermindert werden müsse und daß die Deutschen in Mähren und Schlesien überhaupt kein Problem bildeten. Wiedergabe des Memoire 111 in deutscher Übersetzung bei H Hassinger, Die Tschechoslowakei, im Anhang XI (mit kritischen Bemerkungen) und bei Hermann Raschhofer: Die tschechoslowakischen Denkschriften für die Friedenskonferenz von Paris 1919/1920. Berlin 1937, 2 Ausl 1938, in französischem Text und in deutscher Übersetzung.

  5. Osterreichische Statistik, Neue Folge 1, Ergebnisse der Volkszählung vom 31. 12. 1910, Wien 1912, S 111, 113 und 114 Die Prozentzahlen beziehen sich nur auf die österreichischen Staatsbürger. Etwas abweichende Zahlen bei Hassinger, Tschechoslowakei, Tabelle S 147 Die dort angegebenen Zahlen für Schlesien: 32, 1 »/o Tsch., 43, 7°/Dt und 21, 7’/• Polen beziehen sich auf Schlesien in den Grenzen von 1921 (ohne das Teschener Schlesien). Siehe auch A. Bohmann: Bevölkerungsbewegungen in Böhmen mit besonderer Berücksichtigung der nationalen Verhältnisse. München 19. 58 S 82, und bei W Winkler: Statistisches Handbuch des gesamten Deutschtums, Wien 1927, S. 70/71.

  6. Karl Gottfried Hugeimann: Das Nationalitätenrecht des alten Österreich Wien/Leipzig 1934, S. 375, 400 und 413.

  7. Zur Frage des Sprachenstreits in Böhmen und der Stellung der Tschechen im Habsburger Reich siehe außer dem Anm 6 genannten Werk v K G. Hugeimann: Alfred Fischel Das österreichische Sprachenrecht, 2 Auflage, Brünn 1910 A. Frhr v C z e d i k : Zur Geschichte der k k. Österreichischen Ministerien 1861— 1916, Wien-Teschen-Leipzig 1917— 20. Hermann Münch: Böhmische Tragödie Das Schicksal Mitteleuropas im Lichte der tschechischen Frage. Braunschweig 1949, Wenzel Ja k sch : Europas Weg nach Potsdam, Schuld und Schicksal im Donauraum. Stuttgart (1958) Teil 1.

  8. Uber die Verhältnisse im slowakischen Gebiet vor 1914 s Th. Capek : The Slovaks of Hungary, New York 1906, E. Denis: Les Slovaques, Paris 1917. V Chb: A. Hlinka. ivot a politika (tschech.) Prag 1934. K. S i d o r : A. Hlinka 1864 bis 1926 (slow.) Preßburg 1934. Größere deutsche Arbeiten gibt es nicht.

  9. Eine große wissenschaftliche kritische Biographie fehlt noch. Das umfangreiche, noch zur Zeit seiner Präsidentschaft erschienene Schrifttum ist naturgemäß stark panegyrisch, so daß das Sammelwerk: Masaryk, Staatsmann und Denker, Prag 1930, oder K. Capeks halb autobiographisches . Masaryk erzählt sein Leben“, Berlin o. J. (1936) und die beiden großen, nur in tschechischer Sprache erschienenen Werke von J. Herben, 3 Bde., 1926/27 und Z. Nejedly, 5 Bde., 1930— 37. Wichtig: J. Hofbauer: Der große alte Mann. Preßburg 1938. Dort Wortlaut von Reden.

  10. Audi für ihn fehlt noch eine große wissenschaftlich kritische Biographie. Eine 1918 in mehreren Auflagen erschienene Schrift von Friedrich W i c h 11 : Kramäf, der Anstifter des Weltkrieges, ist rein polemisch, tschechische Schriften von K. K r o f t a 1930, Zd. V. Tobolka, Sis behandeln nur Abschnitte seines Lebens.

  11. A. W. Seton-Watson: Masaryk in England, Cambridge 1943. Das kleine Buch enthält außerordentlich wertvolle Mitteilungen über die wirklichen Meinungen und Vorschläge Masaryks, die in seiner eigenen Erinnerung oft in anderem Licht erscheinen

  12. Die Weltrevolution. Erinnerungen und Betrachtungen, Berlin 1925.

  13. Noch eingehender als um Masaryk wird die propagandistische und konspirative Tätigkeit in den Memoiren von Benes beschrieben. Am umfangreichsten die tschechische Ausgabe Svtov välka a nae revoluce, 3 Bde., Prag 1927— 31, mit zahlreichen Dokumenten. Nur ein Teil von ihnen befindet sich auch in der deutschen Ausgabe: Der Aufstand der Nationen, Berlin 1928; am knappsten die englische: My War Memoirs, London 1928. Die französische Ausgabe Souvenirs de Guerre et de Revolution ist eine vollständige Übersetzung der Bände 1 und II der tschechischen Version.

  14. Dazu die eine Anfrage deutscher Abgeordneter im Reichsrat mit Belegen wiedergebende Broschüre: Das Verhalten der Tschechen im Weltkrieg. 2. Ausl. Wien 1918. S auch P. Moli sch: Vom Kampf der Tschechen um ihren Staat. Wien und Leipzig 1929.

  15. Milan Stefanik, 1880 als Pfarrersohn geboren, hatte als hervorragender Astronom mehrere große Auslandsreisen gemacht. Als Freiwilliger in der französischen Armee stieg er während des Krieges vom Leutnant bis zum General auf, verunglückte aber am 4. 5. 1919 tödlich bei Preßburg, als er in die Heimat zurückkehrte.

  16. Die Erklärung war von den drei Mitgliedern des Präsidiums der „esk Svaz* Smeral (Sozialist) Stanek (Agrarier) und Mastalka (Jungtscheche) unterzeichnet, verwahrte sich gegen die „Intervention der Reichsfeinde'und hoffte auf Erfüllung aller tschechischen Wünsche unter dem Zepter der Habsburger.

  17. Die tschechischsprachige Literatur über die Legionen ist äußerst umfangreich. Neben einem von A. Zeman 1926— 28 herausgegebenen vier-bändigen Sammelwerk sind vor allem die Gemeinschaftsarbeit von F. Steidler. J. Bohäc, F. Bednarik: Die tschechoslow. Legionen im Weltkrieg, 1928, die von J. Werst adt redigierte Zeitschrift „Unsere Revolution" und die militär-wissenschaftlichen Studien von J. Kl ec anda zu nennen. Memoiren und Aufsätze erschienen alljährlich in großer Zahl, allein 1933/34 67 Titel. Trotzdem gibt es keine befriedigende wissenschaftliche Darstellung. In deutscher Sprache ist die Schrift des weißrussischen Generals K. W. Sakh a r o v : Die tschechischen Legionen in Sibirien, Berlin 1930, einseitig polemisch ablehnend Heroisierend Fr. Steidler: Die tschechoslowaki-sche Bewegung in Rußland, 1923; um ruhigere Beurteilung bemüht sich M. Klante: Von der Wolga zum Amur, Die tschechische Legion und der russische Bürgerkrieg, 1931. Dagegen wieder M. Spahn und K. W. Sakharov: Die Wahrheit über die tschechische Legion im Weißen Sibirien. Berlin 1932. Bezeichnend für die neue schar! ablehnende Schilderung der neuen tschechischen Geschichtsschreibung ist VI. Vävra: Klamnä cesta; pfiprava a vznik protisovetskeho vystoupeni csl. legii. (Der trügerische Weg; Vorbereitung und Entstehung des antisowjetischen Vorgehens der tschechoslowakischen Legionen) Prag 1958. An den einander kraß gegenüberstehenden Urteilen läßt sich die Bedeutung der Legionen für Staatsidee und Geschichtsbild der Tschechoslowakei besonders deutlich ablesen.

  18. Engl, und franz. Ausgabe Washington 1918, tschechische Ausgabe Prag 1920, deutsche (teilweise veränderte) Ausgabe Berlin 1922. In ihr gibt er übrigens die Volkszahl der Tschechen und Slowaken mit 10 Millionen wesentlich zu hoch (1921 waren es erst 8, 75 Mill.), die der künftigen Minderheiten zu niedrig an.

  19. Deutscher Wortlaut des Schreibens bei Beiss : Aufstand, S. 499.

  20. Wortlaut der Botschaft in deutscher Übertragung bei Benes: Aufstand, S. 566— 569.

  21. Auszugsweiser Text bei Beneä, Aufstand, S. 596/97.

  22. Masaryk schildert in der . Weltrevolution" S. 307/308 zwar das Zustandekommen der Deklaration, sagt aber nichts Näheres über ihren Inhalt, wohl wegen der in ihr enthaltenen offensichtlichen Widersprüche.

  23. . Weltrevolution', S. 403.

  24. Unterzeichnet von Staatssekretär R. Lansing, deutsche Wiedergabe bei B e n e 5 : Aufstand S. 600.

  25. Wortlaut bei Benes: Aufstand, S. 639/40.

  26. über die Slowaken im Jahre 1918 unterrichten außer den inAnm. 8 genannten Werken in knapper Form: J. H. M i k u s : La Slovaquie dans le drame de l'Europe. Paris (1955) S. 28/39. F. Hrusovs k y : Geschichte der Slowakei. Preßburg o. J., S. 142— 156 und Michael S c h w a r z : Die Slowakei; der jüngste Staat Europas Leipzig (1939) S. 34— 45, alle vom slowakisch-nationalen Standpunkt aus.

  27. Masaryk selbst hat dieses Abkommen in der „Weltrevolution”, S. 233/34 als relativ unbedeutend hingestellt, ihm vor allem jede Geltung für die Staatswirklichkeit abgesprochen, da es nur eine lokale Vereinbarung zwischen den Tschechen und Slowaken Amerikas gewesen und „zur Beruhigung einer kleinen slowakischen Fraktion“ geschlossen worden sei. Wenn es sich auch nicht um einen formellen Vertrag mit staatsrechtlichen Folgen handetlte, so war doch deutlich ein Versprechen gegeben, dem man sich nicht mit juristischen Ausdeutungsversuchen entziehen konnte.

  28. Rede am 18. 12. 1919, wiedergegeben bei H. K 1 e p e t a f : Seit 1918 ..., Mährisch-Ostrau (1937), S. 100.

  29. über den Teschener Konflikt: K. Witt: Die Teschener Frage. Berlin 1935.

  30. Über die Zusammenhänge und Tätigkeit derersten Parlamente findet sich reiches Material in dem Sammelwerk: Narodni shromäzdeni republiky ceskoslovenske v prevem desitileti (Die Nationalversammlung der tschechoslowakischen Republik im ersten Jahrzehnt), Prag 1928.

  31. Masaryk war zwar der Sohn eines Slowaken und einer mährischen Tschechin und betonte gelegentlich seine slowakische Herkunft, so in „Weltrevolution“ S. 235: „Durch Herkunft und Tradition Slowak, fühle ich slowakisch, und habe für die Slowakei stets nicht nur geschwärmt, sondern gearbeitet“, doch galt er bei den national bewußten Slowaken nicht als einer der Ihrigen, und seine Tochter konnte schon gar nicht als Slowakin angesehen werden.

  32. K. S i d o r : A. Hlinka, S. 327/28

  33. Zur parteimäßigen Zusammensetzung siehe die Tafel „Parlamente und Wahlergebnisse Teil II).

  34. Alle grundlegenden Gesetze bei Leo E p -stein: Studien-Ausgabe der Verfassungsgesetze der Tschechoslowakischen Republik. Reichenberg 1923.

  35. Peroutka, Budovani statu, S. 1496.

  36. Benes begründet in . Aufstand der Nationen" S. 688 die „sachlichen Fehler" mit der Eile der Abfassung und dem Fehlen von Unterlagen.

  37. S. dazu Kurt Rabl: St. Germain und da» sudetendeutsche Selbstbestimmungsredlt. In: Dai östliche Deutschland. Würzburg (1959) S. 885— 930.

  38. Benes hatte am 14. 4. 1919 vorgeschlagen, daß nur der Bezirk Bielitz an Polen kommen sollte, was die Polen ablehnten.

  39. Documents on British Foreign Policy, 1919— 1939, Serie I, Bd. 1, S 760— 764. (An dem häufig angegebenen 27. Sept wurde die Teschener Frage gar nicht diskutiert.)

  40. Zahlreiche Berichte über die Zustände im Abstimmungsgebiet in Documents on British Foreign Policy 1919— 1939, Serie I, Bd. 10, S. 654— 719.

  41. Die Teschen-Deklaration in: Publications oi the Permanent Court of International Justice, Series C, Acts and Documents Nr. 4, 4 Session, Leyden 1924, S 128— 136.

  42. Eine zusammenhängende Darstellung vom tschechischen Standpunkt bei F. J Vondracek: The foreign policy of Czechoslovakia 1918— 1935. New York 1937. Die Kämpfe vom Januar 1919 werden dort zu „Scharmützeln“ verharmlost.

  43. Im Memorandum Nr. 5 hatte Benes behauptet, daß selbst bei der von ihm geforderten Grenze noch 483 014 (!) Tschechoslowaken bei Ungarn verbleiben würden.

  44. Jäszi S 197 Jäszi war selbst Nationalitäten-minister der Regierung Karolyi.

  45. Auszugsweiser Wortlaut bei Epstein, S. 92/93. Gleich in Artikel 1 war verlangt, daß die Ruthenen „innerhalb der tschechoslowakischen Republik einen unabhängigen Staat" bilden sollten

  46. So V. J. S c h m e 1 a y : Die nationale Frage seit dem Weltkrieg, in dem offiziösen Sammelwerk: Die tschechoslowakische Republik. Prag 1937, Bd. 2, S. 62.

  47. 1935 erzielten die Kommunisten 25, 6 •/», die Autonomisten und Ungarn zusammen 25, 9 •/• der Stimmen in Karpatho-Ruthenlen, 51, 5 •/• waren also strikt gegen die Regierungskoalition.

Weitere Inhalte

Gotthold Rhode, Dr. phll., geb. 28. I 1916, o. Universitätsprofessor, Direktor des Instituts für Osteuropakunde der Universität Mainz.