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Parlament, Volksmassen und Revolution | APuZ 18/1962 | bpb.de

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APuZ 18/1962 Parlament, Volksmassen und Revolution Friedliche Entwicklung der sozialistischen Revolution

Parlament, Volksmassen und Revolution

. Wie das Parlament bei Übergang zum Sozialismus eine revolutionäre Rolle spielen kann“ und „Die Rolle der Volksmassen“ sind die Überschriften von zwei Kapiteln der Studie Jan Kozaks „über den möglichen Übergang zum Sozialismus mit Hilfe des revolutionären Gebrauchs des Parlaments und die tschechoslowakische Erfahrung“. Seine Arbeit war Gegenstand einer Diskussion auf der theoretischen Lehrerkonferenz der Prager Parteiuniversität. Jan Kozak ist Mitglied des Sekretariats der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei. Da es für die freie Welt außerordentlich wichtig ist, sich eingehend mit der kommunistischen Taktik zu befassen, hat es das Independent Information Centre in London unternommen, dieses Dokument, herausgegeben von Josef Josten, in englischer Übersetzung zu verbreiten. Der hier veröffentlichten Fassung liegt diese englische Übersetzung zugrunde. — Überschriften und Kursivdruck vom Herausgeber.

Abbildung 1

Einführung Im Jahre 1948 geriet die Tschechoslowakei, allgemein als erfolgreichste der mitteleuropäischen parlamentarischen Demokratien in der Zeit zwischen den beiden Kriegen angesehen, nach sechs Jahren nationalsozialistischer Unterdrückung und Besetzung und einer darauf folgenden ziemlich kurzen Periode der Freiheit unter die Ein-Parteien-Diktatur der Kommunisten, die von der Sowjetunion unterstützt wurden und die über das damals rührige Kominform vorgingen.

Die erste Reaktion des Westens auf die Ereignisse in Prag war eine Drei-Mächte-Erklärung, die diese Entwicklung verurteilte. Die Frage, wie es möglich war, in etwa einer Woche eine parlamentarische Regierungsform mit einer nichtkommunistischen, auf demokratischen Grundsätzen stehenden Mehrheit (leider mußte die nichtkommunistische Mehrheit in der Koalitionsregierung einen kommunistischen Innenminister in Kauf nehmen, der Dr. Benesch im Frühjahr 1945 in Moskau aufgezwungen worden war) zu stürzen, wurde von der Außenwelt im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen gestellt. Da die UdSSR eine Untersuchung fürchtete, wandte sie das erste Doppelveto in der Geschichte der Vereinten Nationen an. Der Staatsstreich von Prag ist dadurch bis heute nicht untersucht worden.

Im Laufe der Zeit verloren wir den Gang der Dinge im Fall Prag aus den Augen. Als der Griff der Prager Kommunisten fester wurde, gaben sie von Zeit zu Zeit ihre Berichte über den Hintergrund des Staatsstreiches frei. Schritt für Schritt ließen sie den Vorwand konstitutioneller Veränderungen fallen, so daß wir nun das Zeugnis eines kommunistischen „Parlamentariers" vor uns haben, der offen von „dem möglichen Übergang zum Sozialismus“ (sprich Kommunismus) „mittels des revolutionären Gebrauchs des Parlaments“ und von „der Rolle der Volksmassen“ bei der Verfolgung ihrer revolutionären Ziele spricht. Mit anderen Worten: seine Abhandlung ist als Anleitung für jeden gedacht, der eine Verschwörung gegen irgendeine wirklich demokratische Regierung plant, die auch nach der Lektion von Prag noch töricht genug wäre, ihre parlamentarische Verfahrensweise kommunistischer Subversion auszusetzen. Tatsächlich wurde der Inhalt dieser Abhandlung vom Verfasser zuerst auf einer theoretischen Lehrerkonferenz in der politischen Universität der Kommunistischen Partei in Prag mitgeteilt.

Bevor ich auf gewisse bezeichnende Enthüllungen in diesem Dokument aufmerksam mache, muß ich ein Wort über den Weg sagen, auf dem es in unsere Hände gelangte.

Im Herbst 1957 wurde die jährliche Konferenz der Interparlamentarischen Union in London abgehalten. Anwesend waren auch Delegationen aus Mitgliedstaater hinter dem eisernen Vorhang. Von ihnen hörten wir die üblichen Versicherungen über die Legalität und den parlamentarischen Charakter ihrer Regierungsformen. Kurz danach wurde ein Mitglied des Oberhauses auf eine Nachricht im tschechoslowakischen kommunistischen Parteiorgan Rude prävo aufmerksam gemacht, in dem die Urheberschaft des uns vorliegenden Berichtes einem tschechoslowakischen Parlamentarier zugeschrieben wurde. Das betreffende Oberhausmitglied schrieb sofort nach Prag an den Leiter der tschechoslowakischen Delegation der Interparlamentarischen Union, Dr. Frantisek Berak, und bat um ein Exemplar der in dem Parteiorgan angekündigten Veröffentlichung. Gleichzeitig wurde das Buch über eine kommunistische Buch-handlung in London und einen Kommissionär in Deutschland bestellt. Einige Wochen später kam eine kurze Antwort. Die (eben veröffentlichte) Broschüre war „vergriffen". Erst vor einigen Wochen gelang es durch reinen Zufall, ein Exemplar zu beschaffen. Der Wert dieses Dokumentes liegt in der detaillierten Beschreibung und Erklärung dieser oder jener taktischen Maßnahme im kommunistischen Machtstreben. Die Kommunisten unterstützten die parlamentarische Verfahrensweise, weil es zum Zwecke des Sturzes der demokratischen Regierungsform nötig war, das Parlament in ein Instrument „zur weiteren Entwicklung und Konsolidierung der Revolution .. umzuwandeln. Sie traten in eine „Koalitionsregierung" ein, weil es „das Hauptmerkmal der Teilnahme an dieser Regierung war, auch nicht für einen Augenblick die Ausführung eines kompletten sozialistischen Staatsstreiches aus den Augen zu verlieren". Sie beherrschten die Technik, wie eine revolutionäre Minderheit die demokratische Mehrheit „ mit zahlenmäßiger Überlegenheit in den entscheidenden Machtorganen" überlisten, zerschlagen und schließlich entmachten kann, so daß diese demokratische Mehrheit plötzlich nicht mehr in der Lage ist, die kommunistische Revolution aufzuhalten.

Die zahllosen Einzelheiten des Revolutionshandwerks, die in diesem Dokument so stolz beschrieben werden, machen es nicht nur : u einer faszinierenden politischen Lektüre, sondern vor allem zu einem wichtigen politischen Lehrstück.

Es gibt wenigstens drei gewichtige Gründe, die Veröffentlichung dieses Dokumentes willkommen zu heißen: 1. Wir besitzen nun in Form eines authentischen kommunistischen Dokumentes die Bestätigung, daß es immer noch zur kommunistischen Technik gehört, das normale demokratische parlamentarische System als erste Stufe auf der Leiter zum revolutionären Sturz des normalen demokratischen — auf einer nichtkommunistischen Mehrheit beruhenden — Staatsapparates zu benutzen. 2 Die gleiche Technik wird gegenüber politischen Parteien, besonders den Arbeiter-oder sozialdemokratischen Parteien und ihren soge-nannten linken Flügeln, angewandt. Das erkannte der verstorbene Aneurin Bevan sehr deutlich, als er in der Einführung zu einer Broschüre über das Schicksal der sozialdemokratischen Parteien hinter dem Eisernen Vorhang schrieb: , „Die kommunistische Partei ist der geschworene Erzfeind der sozialistischen und demokratischen Parteien. Wenn sie sich mit ihnen verbündet, so tut sie das nur, um ihre Zerstörung vorzubereiten". (Dennis Healy, M. P„ Der Vorhang fällt. London 1951.) Wie das zu erreichen ist, wird in diesem Dokument ausführlich dargestellt. 3. Die Technik der kommunistischen Revolution ist seit der kommunistischen Machtübernahme in Prag (wenn es ratsam und möglich erschien, ohne Krieg) mit wechselndem Erfolg in verschiedenen Ländern ausprobiert worden. Sie wird ständig verbessert und den örtlichen Bedingungen in neuen Zielgebieten angepaßt, wie es dem Dokument vorschwebt. Diese Ziele finden sich heutzutage größtenteils in Lateinamerika, Südasien, im Mittleren und Nahen Osten und in Afrika, vor allem unter den Nationen, die vor kurzem ihre Unabhängigkeit erlangt haben, und wir können sicher sein, daß die Kommunisten in allen diesen Gebieten eifrig nach den Prager Erfahrungen vorgehen.

Der Zweck dieser Übersetzung ist es, zu warnen und darauf hinzuweisen, was von denjenigen zu erwarten ist, die in ihren eigenen Ländern für die internationale kommunistische Verschwörung gegen die parlamentarische Demokratie arbeiten.

Es wird sich zeigen, daß der kommunistische Totalitarismus und Imperialismus große Ähnlichkeit mit dem Faschismus hat. Sogar die „Diktatur des Proletariats" ist ein Betrug, denn es handelt sich in Wirklichkeit um die Diktatur des Sekretariats der Kommunistischen Partei.

London, im Januar 1961 Morrison of Lambeth

Fussnoten

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