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Die Entwicklungshilfe des Ostblocks | APuZ 52/1961 | bpb.de

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APuZ 52/1961 Die Entwicklungshilfe des Ostblocks

Die Entwicklungshilfe des Ostblocks

Johannes Maass

I. „Uhuru Leo"

Voraussetzungen Technical Assistance Programe Handels-und Wirtschaftsabkommen Die Kapitalhilfe Militärhilfe des Ostblocks Technische Hilfe Wissenschaft und Kultur Kontakt-Organisationen Public-Relations Inhalt I. „Uhuru Leo" II. Der Kommunismus und die Entwicklungsländer III. Der Kampf um die eine Milliarde Menschen IV. System der Entwicklungshilfe des Ostblocks

In Berlin — kurze Zeit vor dem Gewaltakt des 13. August — rufen ein paar Schritte vom Bahnhof Friedrichstraße entfernt große Plakate zum Besuch einer Dokumentar-Ausstellung über die jungen Völker und Staaten, den „Neokolonialismus" der kapitalistischen und die „brüderliche Hilfe“ der sozialistischen Staaten. „Die Zeit trägt einen roten Stern“, „Der neue Tag begann“, „Freiheit und Unabhängigkeit für alle Völker“ sind die anderen Parolen, wie auch gerade die der Agitprop-Gruppe des ZK der SED für diesen Monat. Der Cicerone, Student der Leipziger Karl-Marx-Universität, wie er mir sofort kund und zu wissen tut, ereifert sich, dem Besucher nicht nur seinen Standard-Vortrag über solche „Themata“ eloquent herunterzuraspeln, sondern ihm auch eine „Solidaritätsmarke" für eine Mark („kann auch in Westgeld bezahlt werden") aufzudrängen, der Ertrag kommt, wie er beteuert, ganz und gar den vom Kapitalismus ausgepowerten jungen Staaten und den in ihrer Freiheit unterdrückten Völkern'zugute. Ich verbeiße mir naheliegende vergleichende Fragen und nehme die kleine Broschüre entgegen, die vorn mit einem strahlenden Farbigen und hinten mit einem nicht weniger strahlenden Walter Ulbricht geziert ist. „Uhuru Leo!“ ruft er mir schwungvoll zu. Ich bin geneigt, das für ein Klanggebilde der neuen sächsischen Kanzlei-sprache der Zone zu halten und frage verdutzt: „Wie bitte?“; worauf er mich halb bedauernd, halb markig aufklärt, daß „Uhuru Leo“ auf »afrikanisch" bedeute: „Freiheit jetzt!“ „Eine ausgezeichnete Losung hier!“ erwidere ich und versuche meiner eigenen Wiederholung solch ermunternden Axioms einen betont linksrheinischen Tonfall zu geben. Darauf wende ich mich von diesem enragierten kolonialisierten Entko-Ionisator ab und den Ausstellungsobjekten zu. „Verdammte dieser Erden" heißt nach einem alten . Sozialistenhymnus („Wacht auf. Verdammte dieser Erden!“) der erste Teil der Ausstellung. „Hier sehen Sie die imperialistischen Zwingherrn auf der Höhe ihrer Macht!“ steht da, und das wird ausgiebig bebildert und beziffert, vom Sklavenhandel über den Frühkolonialismus und Buschkriege bis zum überlebensgroßen Konterfei des neuen Märtyrers Lumumba. Damit ja der überall in der Zone erforderliche innerdeutsche Bezug nicht fehle, müssen der behäbige Staatssekretär des Kaiserlichen Kolonialamtes, Dernburg, Adolf Hitler und Eugen Gerstenmaier nebeneinander als Kronzeugen unveränderten westdeutschen Imperialismus in Afrika in effigie herhalten, während „umgekehrt die Vertreter der Deutschen Demokratischen Republik als Sendboten des Friedens, als wahre Brüder, als uneigennützige Freunde und Helfer in diesen Ländern begrüßt werden“. — „Die Bonner Imperialisten wittern fette Profite!“, „Die SPD-und DGB-Führer mit von der Partie!" künden Leitsprüche, wohingegen Walter Ulbricht in persuasiver Bonhomie mit afrikanischen und asiatischen Staatsmännern, Gewerkschafsboß Warnke in jovialem Umgang mit farbigen Kindern, und Volkskammerpräses Dieckmann in traulichem Geplauder mit dem kubanischen „barbado“ Che Guevara zu erblicken sind. „Es rettet uns kein höh’res Wesen“ („kein Gott, kein Kaiser, kein Tribun!“ heißt es wohl weiter) nennt sich die zweite Abteilung. In ihr werden — reichlich verworren zwar, scheint mir — die Unentrinnbarkeit der ökonomischen Entwicklung und die Zwangsläufigkeit des marxistischen Prozesses dargetan. Es wird munter „dialektisch gesprungen“ — „bis zur Identität der sich anschließenden Gegensätze“, wie Diamat-Meister Lenin das glättete. Starker Toback zwar für die Söhne des Äquators, aber damit wird alles erklärt, auch Mißerfolge und zugeknöpfte Taschen. Der Missionär, der große Banknoten in Brevier oder Bibel, und der Lehrer, der Aktien im Schulpult für dem Monopolkapitalismus beschaffte Arbeitssklaven sammelt, der kurzschnurrbärtige, whisky-vertilgende Kolonialoffizier mit der Elefanten-Peitsche, der roh-stoff-schachernde Wallstreet-Jobber und ähnliche Figuren aus dem Kolonialbilderbuch des Ostens bevölkern die dogmatische Szenerie, um Verelendungstheorie und Kapitalkonzentration anschaulich zu machen. „Diese Welt wird unser sein!“ wird dann die dritte Abteilung überschrieben. Das ist nun schon eine massive Kampfansage und eine Herausforderung des Westens. „Wo die Imperialisten bestrebt sind, die jungen Nationalstaaten zu ersticken, da beweist sich der proletarische Internationalismus der sozialistischen Länder durch die Tat!" ... „So leisten die sozialistischen Staaten einen riesigen Beitrag, damit die jungen Völker rasch weiter voranschreiten", heißt es. In großen Bildtafeln, Tabellen, Statistiken, Planziffern, großen Fotos von schon erbauten oder im Bau befindlichen Werken, Stau-dämmen, Schulen, Instituten, Straßen, Stadien und Kliniken wird dann dargetan, wie großzügig, uneigennützig und umfassend die materielle und ideelle Hilfe der Ostblockstaaten für die Entwicklungsländer ist; wohingegen, wie alldort zu ersehen, die Aufwendungen der kapitalistischen Länder nur ein Trick verschleierter Profitgier, neuer Zwingherrschaft und des Mißbrauchs der jungen Völker gegen den einzig erlösenden und befreienden Kommunismus und die friedliche Koexistenz sind. „Uhuru Leo!“ grüßt mich beim Herausgehen, fast vertraulich schon, der Karl-Marx-Adept. Ich glaube, er hätte sich vor lauter rotem Entwicklungseifer am liebsten das Gesicht geschwärzt.

II. Der Kommunismus und die Entwicklungsländer

Indien VAR /Ägypten und Syrien Indonesien Afghanistan Irak Kuba Äthiopien Argentinien Ceylon Guinea Jemen Nepal Ghana Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill.

Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill. Dollar Mill.

Dollar 810 727 484 210 167 128 111 108 61 60 57 40 40

Wir wollten versuchen, anhand dieser —sicherlich primitiven — Schaustellung die Klischee-Vorstellung zu zeigen, die der Kommunismus von und in den jungen Staaten, von seiner und des Westens Hilfe bei sich selbst und bei den jungen Völkern verankern möchte. Eine solche Holzhammer-Ausstellung sieht, wie hundertfach berichtet und ihr Erfolg registriert, in Peking, Djakarta, Lagos oder Montevideo kaum anders aus. Es ist sozusagen die Spielart für den Hausgebrauch des kleinen Mannes. Auf einer höheren Ebene nimmt eine fleißige Publizistik das Schema der Auseinandersetzung mit der westlichen Entwicklungshilfe auf. Wie weit sie auch in die politische Praxis übergegangen sind, zeigte, wenn auch nicht ganz in der roten Preis-und Tonlage, die Anfang des Jahres zu Ende gegangene Konferenz der Panafrikaner in Kairo. Diese Klischee-Vorstellung ist Teil und vorweggenommenes Ergebnis einer, wie immer in der Geschichte des Kommunismus, politischen, ideologischen und wissenschaftlichen Formung der Denkund Handlungsschemen von oben bis unten. Sie liefert die gutgemischten Leitbilder für den Weltkommunismus, die in ihrer breiten Stereotypie seit je eine der wirksamsten Waffen der Weltrevolution waren. Zwar verblüfft immer wieder das Vertrackte des dogmatischen Unterbaus (oder des Überbaus), die angeblich unabänderlichen und unentrinnbaren Grundgesetze des marxistischen ökonomischen Lehrgebäudes als unverletzt zu unterschieben, aber schon der geniale Umbieger Lenin hatte die Oktoberrevolution in einem vorindustriellen Staat vorexerziert. Auch eine andere, entscheidende Wende des Kommunismus stand wenig im Einklang mit der strikten Lehre, als Stalin bei der Verkündung des ersten „Fünf-Jahre-Planes" die Forderung vom „Aufbau des Sozialismus in einem Lande“ aufstellte mit der These, daß die technische Rückständigkeit der UdSSR „kein unüberwindliches Hindernis für die Errichtung der vollen sozialistischen Gesellschaft" bilde, eine These, die später für viele Entwicklungsländer große Bedeutung gewinnen sollte. Damals aber, zu Stalins Zeiten, gehörte zu ihren Folgen die Abschließung der UdSSR, die Mißtrauensvorhänge aus Eisen, Bambus und Papier, die Legende und Furcht vor „Kapitalistischer Einkreisung“.

Bis zum Tode Stalins lag die Taktik des Kommunismus und der kommunistischen Parteien in der asiatischen Welt noch ganz auf dieser, dann von der Komintern ausgebauten Methode. In der Tat schienen auch nach dem Kriege die Erfolge überwältigend: China war ein kommunistischer Staat, der Kommunismus schien überall in Asien im Vordringen, die Sowjetunion trug das Banner der nationalen und sozialen Befreiung. Das emotionale Rezept für die jungen Völker war einfach und griffig: die westliche Welt, vor allem die USA, mit dem Kapitalismus schlechthin, mit seinen vergangenen, aber nicht vergessenen Missetaten zu identifizieren, mit Krieg, nationaler Unterdrückung, mit Kolonialismus, mit Imperialismus, mit skrupelloser und systematischer Ausbeutung und Rassendiskriminierung — den Kommunismus aber im Bewußtsein der Armen und Enterbten mit nationaler und menschlicher Emanzipation, mit nationalem industriellem Fortschritt, der auch für die rückständigsten Völker möglich sein werde, mit dem unmittelbaren Sieg über die Armut gleichzusetzen. „Die Stärke dieser Dialektik wurzelt darin, daß sie den rückständigen Völkern keine dritte Wahl läßt“ (Bruckberger). War nicht zudem die Sowjetunion sichtbar und gleichrangig neben den USA zur Weltmacht geworden, neben denen die anderen Mächte zur Sekonde-Garni-tur herabsanken? Was brauchte es mehr zu dieser schicksalhaft gegebenen Entwicklung? Die Heranbildung entschlossener Führungskräfte und Kader, die Gewinnung einer sich emanzipieren-den Intelligenz und Jugend, die Propagierung nationaler und sozialer Maximalforderungen schienen ausreichende Stationen des Weges. Mao, Tschou En-lai, Ho Tschi-minh mögen hier als Prototypen stehen: es ist hinreichend bekannt, mit welch mangelnder praktischer Unterstützung Moskau Maos Marsch zur Macht begleitete. Alle Aktivität der nationalen kommunistischen Parteien in den jungen Völkern mußte der Vorbereitung einer „revolutionären Situation“ im Lande gelten. Das geschichtliche Vorbild der Oktober-Revolution lieferte gut verwendbare Stützen: Frieden, Landnahme der Besitzlosen, Selbstbestimmung der Völker, selbst bis zur Lostrennung — das war die Leninsche Formel, sie erwies sich auch brauchbar gegen den Kolonialismus. Das theoretische Arsenal von der Krisentheorie, der Polarisierung des Reichtums und des Elends durch den Kapitalismus wurde in die Überzeugung umgeschlagen, die rückständigen Völker könnten ihre wirtschaftlichen Probleme niemals im Rahmen des kapitalistischen Systems lösen. Gerade die Blüte des Kapitalismus in der letzten Epoche wurde mit der These zurückgewiesen, daß das kapitalistische System seinem natürlichen Untergang nur durch die fortgesetzte Ausbeutung der Kolonialvölker entrinne. Kurzum, bis zum Ende der Stalin-Epoche und ganz besonders im Sog des noch uneingedämmten kommunistischen Vordringens nach 1945 galt für Moskau die ökonomisch-soziale Entwicklung der jungen Völker nur als nationales Problem der Länder selbst, das zwangsläufig bis zur „revolutionären Situation" heranreifen mußte; das politische Problem schien hinreichend durch die kommunistischen Parteien, geschulte Kader und sonstige „Transmissions-Riemen“ von fortschrittlichen Krypto-Organisationen gelöst, zumal wenn die im Kampf um nationale Befreiung gegebene Verbindung mit bürgerlichen oder gar halb-feudalen Kräften auseinanderfiel, und sich das Klassen-und Massen-Problem mit aller Schärfe stellte. Der Prozeß der staatlichen, politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Emanzipation auf mehreren Kontinenten mußte in einer solchen Breite zu einer Vielzahl von totalen Krisen führen. Was gab es denn in einer offensichtlich auseinanderfallenden, desorganisierten Welt, der Auflösung fast aller bisherigen Ordnungen und Bindungen, bei der ungeduldigen Eruption der jungen Völker, bei schier unlösbaren wirtschaftlichen Problemen unter stürmischen Übergängen (vom Esel zum Flugzeug, vom Holzpflug zum Traktor), beim abrupten Wechsel von Primitiv-Wirtschaft zur Produktionsgesellschaft, aber einer unüberbrückbaren Kluft zwischen Produktion und Bedarf, bei unverhüllter Armut und schiefer Besitzverteilung — was gab es denn da schon für eine andere Lösung, als die des Klassenkampfes? Auf der einen Seite gab es die internationale proletarische Solidarität, die siegreiche Sowjetunion, den Erfolg der Rotchinesen, auf der anderen Seite die Vergangenheit, das Absinken und die Lethargie des Westens. So waren es vor allem zwei entscheidende Aspekte, die die jungen Völker motorisierten:

Hatten nicht die Sowjetunion (und zum Teil auch China) bewiesen, daß der Prozeß der Industrialisierung, der wie ein magischer Stern greifbaren Reichtum für alle verhieß, von einem rückständigen Land zur modernen Produktions-und Konsumgesellschaft in einer einzigen Generation möglich sei? Die alten Industrie-Völker hatten dazu deren vier oder fünf gebraucht, ihre heutigen Wachstumsraten schienen langsam. Welche Perspektive, Revolution zu machen und den Erfolg der allheilbringenden Industrialisierung noch selbst zu erleben!

Und:

Die einzigen Atombomben der Menschheitsgeschichte waren — wahrscheinlich ohne Not — von Weißen auf Farbige geworfen wor-den — ein Ereignis von ungeheurer Tragweite für die farbige Welt und die Rassenkluft. Diese weiße westliche Welt war die Welt des Kolonialismus und imperialistischen Kapitalismus schlechthin, sie war der Feind des Kommunismus und der Gleichberechtigung aller Menschen und einer gleichmäßigen Verteilung der Güter der Welt.

Das Massen-, Klassen-und Rasse n -K a m p f -R e z e p t schien dem Kommunismus in dieser Periode unfehlbar für die jungen Völker.

III. Der Kampf um die eine Milliarde Menschen

Indien: 1955: 1957: 1959: 1960: VAR: 1957: 1958: 1958: 1960: I. Abschnitt Assuan-Staudamm II. Abschnitt Assuan-Staudamm Hilfe beim Bau des Hüttenwerks Bhilai Zum Bau von 5 Industriewerken (je eines für Schwermaschinenbau, Bergbau-Ausrüstung, Wärmekraftwerk, Glaserzeugung, Kohleverarbeitung) Zur Herstellung medizinischer Geräte und von Medikamenten und ähnlichen ehern. Produkten Zum Aufbau von verschiedenen Industriewerken im Rahmen des dritten indischen Fünf-Jahres-Plans Zum Aufbau einer Erdöl-Raffinerie in Barauni Zusätzliche Hilfe für einige Projekte des dritten indischen Fünf-Jahres-Plans • Syrien: Euphrat-Staudamm und Kraftwerk, zwei Eisenbahn-linien, Bewässerungsanlagen, Düngemittel-Werk (alles erst in Planung, z. T. nicht zustandegekommen und von anderen Staaten übernommen, wie der Bundesrepublik) Ägypten: Zum Bau von rd. 100 Objekten, darunter 12 für Maschinen-und Hüttenbau, 12 für Erdöl-und andere Chemie, sodann für Nahrungsmittel-, Textilien-, Schiffsbau-und Werkzeug-Produktionen, ferner 15 Studienzentren etc. 550 Mill. 500 Mill. 80 Mill. 1500 Mill. 100 500 Mill. 615 700 400 900 Mill. Mill. Mill. Mill. Rubel Rubel Rubel Rubel Rubel Rubel Rubel Rubel Rubel Mill. Rubel

Das historische Verdienst, die Situation einer zerfallenden Welt in Europa, Asien und Afrika noch rechtzeitig erkannt und den Mut zu revolutionärer Umkehr gefunden zu haben, gebührt dem amerikanischen Volk. Mit der nüchternen Kühnheit, mit der sie die wirkliche, die industrielle Revolution unserer modernen Gesellschaft vollzogen hatten, unternahmen es die Amerikaner, den Menschen und Kontinenten „en defaillance“, neue Horizonte, „neue Grenzen" (mit einem alten Pionier-Ausdrudc, der in die jüngste Politik übernommen wurde) zu öffnen, neue Hoffnungen zu geben und erhebliche Opfer dafür zu bringen — bislang ungeahnte Vorgänge in der Geschichte. Der MarshallPlan war ein neuer Anfang für ein dezimiertes und zerrüttetes Europa. Die Truman-Doktrin (so in Punkt IV des Regierungsprogramms bei Beginn der zweiten Präsidentschaft vom 20. Januar 1949): „Wir müssen ein kühnes Programm aufstellen, um die Segnungen unserer Wirtschaft und Technik für die Erschließung der unterentwickelten Weltgegenden zu verwenden", wurde zum Wendepunkt neuer Entwicklung. Es waren gerade Männer der heutigen Kennedy-Administration, die die frühere Kolonialwelt Asiens und Afrikas in diese „new frontiers“ einbezogen, Rusk und Fosdik, Chester Bowles („Ideas, Peoples und Peaces"), Steveson („Call to Greatness") und andere. Sie riefen die amerikanische Nation auf, nicht die Rolle des Unterdrückers, sondern des Beschützers der Freiheitsbewegung der kolonialen Völker aufzunehmen. „Die USA sind ja die erste frudtt der antikolonialen Revolution gewesen!“ . . . „Die einzige Möglidikeit, Ideen zu besiegen, besteht darin, bessere Ideen zu haben!“ Die Möglichkeiten wurden und waren begründet: „Die typische Veränderung der industriellen Ordnung ist Expansion, die Entwicklung neuer Natur-kräfte, neuer Produkte, neuer Märkte aus der Wirtschaft selbst heraus. Daß solche Expansion möglich ist, bedeutet die große Entdeckung der industriellen Revolution" (Peter F. Drucker: The New Society-Anatomy of the Industrial Order"). Dagegen war der enge Malthusianismus durch Verelendung des Karl Marx, selbst in seiner Umstülpung durch Lenin, nur ein kleinhandwerklicher Ladenhüter einer vergangenen Epoche, in dem frühe Pauperisierung Voraussetzung einer Heilslehre für die unaufhörlich wachsende Welt bildete, die sich in praxi nur als retardierender Austausch einer „Neuen herrschenden Klasse" genau so kolonialistisch-diktatorialen Zuschnitts gegen eine alte feudal-imperialistische erwies. Die neue kapitalistische Wirklichkeit hatte den marxistischen Wahn entblößt; die Proletarier waren nicht Leichenträger der industriellen Gesellschaft geworden, sondern ihre Teilhaber und Nutznießer. Aus diesen Grundgedanken erwuchs die umfassende amerikanische Entwicklungshilfe für die wirtschaftlich schwachen, jungen Länder, die um die (hoffentlich glücklichere) zweite Hälfte unseres XX. Jahrhunderts eingesetzt wurde und dem Isolationismus und nationalen Egoismus das Epitaph schrieb. Man hat sie später (mit Bezug auf eine Rede Eisenhowers) als „Kampf um die eine Milliarde Menschen" bezeichnet. Ihr geistiger und ideologischer Fond war nicht a priori antithetisch gegen den Kommunismus gerichtet, er beruhte auf christlichen, moralischen und humanitären Pfeilern der Verantwortung vor Gott und den Menschen. Nicht das „Sein" bestimmte das „Bewußtsein", sondern das sittlich gebundene Bewußtsein sollte das Sein lebenswert gestalten. Die Peripetien dieser westlichen Entwicklungshilfe zu beschreiben, ist hier nicht der Ort. Wir werden jedoch auf die sich notwendig am Ende des ersten Dezenniums herausschälenden Erkenntnisse und Revisionen zurückkommen müssen.

Die Sowjets nahmen anfangs diese geistige und materielle Offensive des Westens in den Entwicklungsländern auf die leichte Schulter und begnügten sich — in ihr, ihnen unfehlbar dünkendes Rassen-, Klassen-und Massen-Kampfrezept verstrickt —die ersten Hilfeleisungen der Amerikaner als Ausfluß des schlechten Gewissens des Kapitalismus oder als neue raffinierte Tricks imperialistischer Ausbeutung abzutun. „Eine neue Form für das altkolonialistische Gespann: Soldat, Kaufmann, Missionar, wobei der Missionar zu einem Gelehrten geworden ist, der mit pseudo-wissenschaftlichen Methoden die Durchsetzung der kolonialistischen Ziele der imperialistischen Mächte fördern soll", heißt es in der einschlägigen sowjetischen Publizistik. Während das propagandistische Klischee also unverändert blieb, bemerkten die Sowjets und wohl eher noch die wendigen und in jener Welt kundigen Chinesen, daß es mit den altbackenen Slogans und abgestandenen Broschüren allein nicht mehr getan war, daß der Kampf um die eine Milliarde Menschen ein gefährliches Gesicht annahm. Das „Containment“ wurde ein umfassender politischer, militärischer, wirtschaftlicher und geistiger Vorgang einer sich verjüngenden und erstarkenden westlichen Welt, durchdrang mit den Ideen der Partnerschaft und Interdependenz die Kontinente, wurde wirksam in materieller Hilfe und praktischer Organisation. Die Erfolgssträhne des Ostens, schließlich vor allem durch die Lethargie des Westens zu erklären, riß ab, um bisher trotz Terror und Bluff noch keine praktische Anknüpfung zu finden. Die mühsame Gesundung und wirtschaftliche Konsolidierung vieler junger Länder verstärkte sich durch die einsetzende Wirtschaftshilfe des Westens und ihre Einbeziehung in die Märkte.

Der Ostblock hatte dem zunächst wenig anderes entgegenzusetzen, als ideologisch-propagandistische Endsieg-Parolen. Handelsbeziehungen zwischen der Sowjetunion, den Ostblockstaaten und den Entwicklungsländern (in der russischen Diktion: „slaboraswitje stranij“ = schwachentwickelte Länder) waren praktisch unerheblich, Vorhänge aller Konsistenz trennten die sozialistischen Länder von der freien und nichtgebundenen Welt. Ansätze zu wirtschaftlichem Wettbewerb gab es kaum. Offensichtlich schien überdies die Schwäche der sowjetischen, satellitischen und chinesischen Wirtschaft, die beiden letzten noch auf den Taschen der ersten liegend. Für den Korea-Krieg und die enorme Rüstung waren strapazierende Summen ausgeworfen. Die Konsumgüter-Erzeugung war bis zur untersten Stufe gedrosselt, der Lebensstandard kläglich. Stalins Tod fällt mit der wachsenden Erkenntnis der Sowjets zusammen, daß die bisherige Politik, die bis dahin geübte Methode ideologischen Kampfes ohne Engagement, wenn nicht heißer Aggression an einigen Brennpunkten, eines hegemonialen Isolationismus, der sich und das sozialistische Lager von der Weltentwicklung ausschloß, einer gründlichen abgestuften Revision bedurften. Die Chinesen machten mit ihrem stürmischen Maximal-kurs die Sache nicht leichter; wie den Sansculotten schien ihnen Expansion nach außen das sicherste Mittel, um die inneren Kalamitäten zu überwinden. Es gehörte keine besondere Weit-sicht dazu, um zu erkennen, daß im Kampf um die eine Milliarde Menschen unaufhaltsam Boden verlorenging. Die Revision der kommunistischen Taktik war ein umfassender, wenn auch langsamer, sich erst heute klärender Vorgang. „Friedliche Koexistenz", Umstülpung der „These von der Unvermeidbarkeit von Kriegen", eine wenig marxistische, sondern eher amerikanische (bis auf die Freiheit, wohlverstanden) Produktionsreform, eine Umschichtung von Schule und Universität (die beide in den Produktionsprozeß einbezogen werden und beträchtliche Arbeitsreserven mobilisieren), die wirtschaftliche Koordinierung des Ostblocks im Comecon unter Aufgabe des starren zentralistischen Dirigismus von Moskau her sind nur einige Aspekte. Ihr Kontrapunkt ist die uneingestandene Erkenntnis, daß der ökonomische Prozeß der Welt nicht Halt macht an noch so großen Binnenwirtschaften, Mauern und Vorhängen, daß er sich nicht nach marxistischen Buchweisheiten vollzieht, sondern daß man an ihm teilhaben muß, ihn mitbestimmen muß, wenn man im Kampf um die eine Milliarde Menschen bestehen muß. Und sogleich wird die propagandistische, wenn auch noch so irreale Maximalforderung aufgestellt: der westliche Lebensstandard wird in Kürze nicht nur erreicht, sondern übertrumpft. Das Neue Kommunistische Manifest geht mit Verheißungen freigebiger und großsprecherischer um, als Süchtige mit Besserungsversprechungen. Die materiellen und technischen Hilfsquellen des sozialistischen Lagers würden auch reichlich für die jungen Völker fließen. Allerorten werden die Vorschuß-Lorbeerbäume intensiv begossen. Sputniks, Raketen, Astronauten und wenn nötig Superbomben ersetzen die ewigen Gestirne natürlichen Ablaufs. /Der denkwürdige XX. Parteitag der KPdSU, der das Stalinbild verbrennt, beendet auch die erste Phase der kommunistischen Taktik in den Entwicklungsländern. Die „friedliche Koexistenz zwischen kapitalistischen und sozialistischen Ländern“ klingt auf, eine unverhohlene Augenwischerei doppelbödiger Taktik, die Hinfälligkeit der These von der Unvermeidbarkeit der Kriege wird hervorgeholt — Voraussetzungen einer veränderten Konzeption der Weltwirtschaft. Auf dem XXL Parteitag (1959) wird Chruschtschow „als Grundproblem des Sieben-Jahr-Plans“ das Problem des maximalen Zeitgewinns im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Kapitalismus bezeichnen. Direkt werden auf dem XX. Parteitag die zunächst wichtigen Entwicklungsländer einbezogen (Punkt 3 des außen-politischen Programms): „Unermüdlich die Bande der Freundschaft und der Zusammenarbeit mit Indien, mit Burma, Indonesien, Afghanistan, Ägypten, Syrien und mit anderen Staaten festigen, die auf der Position des Friedens stehen“. Die Stoßrichtung ist schon gegeben; gefallen ist Stalins Schema von der Aufteilung der Welt in sozialistisches und kapitalistisches Lager, vom Aufbau des Sozialismus in einem Land; der Weg war frei für die Koexistenzoffensive in den Ent-

wicklungsländern, für die Materialschlacht in Asien und Afrika um die eine Milliarde Menschen. Die aggressive Dynamik erforderte, das Gesetz des Handelns sich nicht diktieren zu lassen, neben der politischen und ideologischen Front auch die wirtschaftliche zu beziehen. Man muß den Vorgang richtig verstehen, und schon gar nicht nach der Weise, wie unsere politischen Feuilletonisten Moskauer Parteitage zu beschreiben pflegen. Die Revision des Kommunismus nach Stalins Tod war nicht etwa jene, wie sie etwa den polnischen und ungarischen Tauwettlern und einer „schwebenden“ Intelligenz als zwangsläufiger Prozeß des Kommunismus vor-flattert, eine Humanisierung, Liberalisierung und Entkrampfung des Machtapparates, eine Demokratisierung der monolithischen Partei-diktatur durch moralische Auslese, individuelle Aufweichung oder geistige Emanzipation. Das waren bürgerliche Zwangsvorstellungen und philosophische Kaminträumereien, eine Reaktion gegen manche Erscheinungsformen des sturen Stalinismus. So etwas war den Maschinisten und Technikern der Macht sowieso ein Greuel, das mit Stumpf und Stil ausgerottet werden mußte, und das höchstens von liberalen Spinnern im Westen als zwangsläufiger Prozeß des „Fortschritts“ hochgespielt wurde. Man sehe sich daraufhin das Jubiläumsmanifest der kommunistischen Parteien vom November 1957 an oder habile Manipulatoren der Machttechnik, wie Gomulka und Kadar. Die Revision des Kommunismus war viel tiefer, weitgreifender. Sie war die Anpassung an eine immer mehr zusammenhängende, sich ausweitende, kaum mehr zu separierende moderne Welt, die Adaptation an eine weltverflochtene Industriegesellschaft — eine Konsequenz, wenn man es genau betrachtet, der modernen amerikanischen Revolution, deren Methoden zwar man zuließ, nicht aber ihre Gesellschafts-und Machtkonstruktur. Natürlich dachte man nicht daran zuzugestehen, daß gleichermaßen der alte Marxismus wie der alte Kapitalismus mausetot waren. Solche griffigen Klischees werden so leicht nicht über Bord geworfen. Außerdem konnte man dem Übergang vom Aufbau des Sozialismus in einem Land oder einem zusammenhängenden Block zur Weltwirtschaft den dogmenträchtigen Namen des Über-gang vom Sozialismus zum Kommunismus geben: an solchen vielschichtigen und schemenhaften Differenzierungen können sich der untere und mittlere Agitpropapparat und die Publizistik berauschen. Koexistenz heißt also neben der altgewohnten frontalen Aggression auch elastische Expansion mit auswechselbaren Methoden. „Koexistenz ist sowohl Kampf als auch Zusammenarbeit!“, heißt es in einer Anweisung des Parteiaktivs.

Die Entwicklungsländer standen im Kraftfeld dieser neuen Taktik, sie waren sogar ihr wichtigstes Objekt. Wir müssen heute einen beträchtlichen Erfolg der Koexistenz-Taktik und der kommunistischen Strategie in den Entwicklungsländern konstatieren. Konnte Foster Dulles noch anfangs den Neutralismus als unmoralisch kategorisieren, erleichterte die Starre der stalinistischen Zeit noch Alternativen zwischen freier und kommunistischer Welt, bedeutete die materielle Hilfe des Westens zunächst noch Verflechtung von militärischen und politischen Bindungen durch Stützung militanter diktatorialer Regime, so wandelte sich das allmählich. Es gelang den Kommunisten, die Investitionen und Interventionen der USA als fragwürdig zu diskriminieren, soziale und politische Unterschiede zu verwischen und zu verschieben. Die Welt der Neutralen, der „non-committed nations“ — und sie ist im wesentlichen die Welt der Entwicklungsländer — wurde ein Politikum ersten Ranges, ein bedeutender Machtfaktor, der freilich seinerseits aus dem Zwang zur Rivalität der beiden Systeme, in den wirtschaftlichen Hilfe-leistungen nicht nachzulassen, und mit einer unverhüllten Spielerei auf beiden Ebenen außerordentliche Leistungen erwirken konnte. Man hat sie einmal als „Differential-Rente" bezeichnet — sicherlich nicht ohne Grund. Eine Zäsur bedeutet hier die Belgrader Konferenz der Neutralen. Sie bewies mit besorgniserregender Deutlichkeit, daß die Entwicklungshilfe des Westens, immerhin mit gewichtigen Opfern der eigenen Volkswirtschaften erbracht, unter dem Großteil der Entwicklungsländer — gewiß gilt das nicht für alle schlechthin — kaum eine „wohlwollende Neutralität“ oder eine enthaltsame Neutralität, geschweige denn eine Freundschaft herbeigeführt hatten, sondern weit eher ein Zurückweichen gegenüber dem unverhüllten sowjetischen Druck. Die andere Seite der friedlichen Koexistenz der Sowjets wirkte sich aus, schon untermalt von den Detonationen ein wenig später ausgelöster Megasuperbomben. Es unterliegt keinem Zweifel, daß eine umfassende Revision der westlichen Entwicklungshilfe die Folge sein wird. Auch der XXII. Parteitag des Oktober 1961 stand unsichtbar unter dem Zeichen der Strategie des Kommunismus in den Entwicklungsländern. Das dogmatische Verdikt der Albanesen sollte den Anspruch der Chinesen und anderer potentieller Diversanten treffen, gleichberechtigt weltweite Politik zu betreiben, sich nicht dem bis in die kleinste Praxis gehenden Hegemonialprinzip der Sowjetunion zu beugen. Die Chinesen bestehen schon lange auf der Forderung, ihnen die führende Rolle in der farbigen Welt und ganz besonders in Asien zu überlassen. Sie vermeinen, daß Koexistenz schon ganz und gar im kommunistischen Binnenverhältnis Geltung haben muß, und daß — hier liegt der dogmatische Streit in nuce — die Verfälschung der Weltrevolution im sowjetrussischen Imperialismus und neuen Kolonialismus verhängnisvolle Auswirkungen haben muß. Die Unterschiede der sowjetrussischen und chinesischen Konzeption der Entwicklungshilfe sind dann auch beträchtlich. Die vehementen Attacken auf längst bedeutungslose dogmatische Integralisten war nur der scharfe Warnschuß für alle Verfechter eines anderen, als des großrussischen Kurses, deren Opposition stärker sein muß, als angenommen.

Rückschauend aber auf den XX. Parteitag der KPdSU, der die neue Taktik des Kommunismus in der Welt einleitete, muß man feststellen, daß die große Revision beträchtliche Opfer erforderte und in einer Periode großer innerer Schwierigkeiten und einer wirtschaftlichen Depression erfolgte, wie das die Erfolglosigkeit und Vertagung der Viel-Jahrespläne zeigte. Aber sicherlich gehört auch das zu den wirklichen Gründen der Revision. Nur durch wirtschaftliche Expansion konnte auch die innerwirtschaftliche und politische Stagnation überwunden werden. Heraus aus der Defensive in die politische, wirtschaftliche und revidierte ideologische Offensive in der „Schlacht um die eine Milliarde Menschen“, war fortan die Devise.

IV. System der Entwicklungshilfe des Ostblocks

Voraussetzungen

Ebenso langsam wie der Entschluß der Kommunisten zur Änderung der Taktik in den Entwicklungsländern herangereift war, so schwer-fällig war anfangs die praktische Durchführung, von einigen Schaustücken abgesehen. Denn über allem stand die Erkenntnis, daß Entwicklungshilfe oder Entwicklungspolitik eine Frage der Menschen war. Der Grundzug der östlichen Entwicklungshilfe ist immer und vorab die . Produktion von fachkundigem, psychologisch erfahrenem und wendigem Personal in breitestem Ausmaß, in Größenordnungen, an die der Westen auch nicht entfernt heranreicht.

Davon war anfangs nicht viel da. Die Schar von ideologischen Berufsrevolutionären, über die Moskau in allen Ländern verfügte, verstand zwar manches von utopischer marxistisch-ökonomischer Zukunft des Landes, wenig aber von wirtschaftlicher Praxis der Gegenwart. Auch war gewaltsamer sofortiger Umsturz, wenn überhaupt erreichbar, weltpolitisch problematisch, wahrscheinlich auch von kurzer Dauer, natürlicherweise nicht mehr die ausschließliche Losung des Tages, sondern sogar die Stützung, die wirtschaftliche Hilfe für manche als faul erkannte Systeme. Wenn früher ins Feld geführt worden war, daß der Kommunismus in Ländern am Rande oder unterhalb des Existenzminimums die besten Chancen habe, so mußte nun sogar das Wirtschaftssystem solcher Länder saniert werden, dem Kommunismus dort mit kommunistischer Hilfe ein Stück Nährboden entzogen werden. Regierungen bürgerlicher, nationalistischer, halbfeudalistischer oder militärdiktatoria-ler Provenienz erfuhren wirtschaftliche Hilfe. Gerade Staaten, die die kommunistische Partei verboten oder bekämpften, wie Ägypten und Indien, wurden am großzügisten wirtschaftlich unterstützt. Sicherlich ist die sowjetische Entwicklungshilfe niemals von militär-oder machtpolitischen Erwägungen isoliert zu sehen, d. h. sie gilt nur Staaten, die potentiell das „Lager des Friedens“ verstärken. Zum Ideologisch-Ökonomischen dürfte aber die Erkenntnis der Kommunisten gelten, daß unter Umständen erst eine über die Primitiv-Wirtschaft hinausgehende „Umbruchs-Industrialisierung“ mit Lösung traditioneller gesellschaftlicher oder religiöser Bindungen, wachsender Bevölkerungsfluktuation und Entwurzelung das geeignete Klima der revolutionären Situation schafft, und daß den herrschenden Regimen nur der Charakter schwacher Übergangsformen zukommt. Die geschulten Berufstechniker des Rassen-, Klassen-und Massenkampfes in den einzelnen Ländern blieben gewissermaßen in Reserve, in der Sappe tätig, für die Entwicklungshilfe-Taktik höchstens propagandistisch gut verwendbar. Eine weitere Schwierigkeit war, daß die faktisch seit der OktoberRevolution praktizierte Xenophobie und Ab-schließung der Sowjetunion von der anderen Welt einen fühlbaren Mangel an Auslandskenntnis und Auslandskennern bedingt hatte. Es galt also vorab, Menschen, Menschen und noch einmal Menschen für die Tätigkeit mit und in den Entwicklungsländern heranzubilden. Wir können auf Schritt und Tritt verfolgen, daß alle Aktionen der Sowjets und der Ostblöckler in den Entwicklungsländern die Nebenaufgabe haben, in einem die Einzelsache oft unsinnig übersteigenden Rahmen Experten heranzuziehen, daß für die Vorverhandlung, die Verhandlung, das Studium oder die Vorbereitung selbst kleinerer Projekte Delegationen über Delegationen, Kommissionen über Kommissionen, Sachverständige über Sachverständige ausgeschickt werden, die das schon an und für sich zähflüssige und mißtrauische Verhandeln der Sowjets nicht zur ungetrübten Freude der Beteiligten machen. Allerdings vergessen die Sowjets auch später nicht, die entstandenen Kosten auf die des eigentlichen Projektes aufzuschlagen, — ein ganz probates Verfahren. Ein großes Kontingent von. Beratern, Technikern und anderen Sachverständigen stand aus der ersten Zeit der Wirtschaftsumformung der Satellitenstaaten nach 1945 zur Verfügung; sie bedurften gewissermaßen nur noch einer zusätzlichen Schulung für die Entwicklungsländer. Am bedeutendsten aber war das Aufgebot von Sachverständigen und im Umgang mit Asiaten erfahrenen Organisatoren aus der Zeit der Mitwirkung an der wirtschaftlichen Neuordnung Chinas. Das Menschenreservoir aus den mohamedanischen, turkmenischen und mongolischen Grenzgebieten der Sowjetunion garantierte wichtige Affinitäten bei der Arbeit in entsprechenden Ländern. Für alle sie wurde ein breites Ausbildungsverfahren in Bewegung gesetzt, auf das wir später noch zu sprechen kommen. Die bislang marxistisch-parteilich ausgerichteten Ausbildungsstätten traten gegenüber denen der Heranbildung von Spezialisten für technische und wirtschaftliche Ausbildung in den Hintergrund. Asien-und Afrika-Forschung wurden in einem unvorstellbar großzügigen Ausmaß dotiert und von gewissen dogmatischen Bindungen befreit. Zahlreiche Institute gingen an eine detaillierte Ausbildung von Kräften für die Arbeit in den Entwicklungslän- Sprachlich, kulturell, wirtschaftlich, geschichtlich, soziologisch und technisch geschulte Kräfte wurden — zuerst noch etwas überstürzt, aber doch ausreichend brauchbar — sofort in ziemlicher Anzahl herangebildet. Wenn also gleich von Anfang an das ganze Schwergewicht der Entwicklungsarbeit der Sowjets auf der Heranbildung eines großen Menschenpotentials lag — im Gegensatz zur Entwicklungshilfe des Westens —, so setzte die wirtschaftliche Aktivität, auch schon aus Mangel an Kapital, der Sowjets in den Entwicklungsländern nur zögernd ein, orientierte sich an westlichen Vorbildern und Fehlern. Bemerkenswert bleibt sogar, daß die Entwicklungshilfe des Ostens im großen und ganzen keinen eigenen Stil entfaltet hat, wenn man einmal von der propagandistischen Virtuosität absieht, sondern sich an die in der Weltwirtschaft praktizierenden Methoden gehalten hat, ja die klassischen Modalitäten oft konventionell handhabt.

Von ganz entscheidender Bedeutung aber ist bei der Entwicklungshilfe des Ostblocks, daß die verschiedenen Wege wie Handelsabkommen, Kapitalhilfe, technische und wissenschaftliche Hilfe, militärische Hilfe und Ausbildungsaustausch immer in organischem Zusammenhang stehen, einander ergänzen und bedingen, daß sie insgesamt von einer übergeordneten und ordnenden Konzeption getragen sind. Die gemeinsame Koordinierung in der Comecon — wenn auch, wie der ganze Apparat der Comecon, im Satellitenraum langsam und schwerfällig anlaufend — gibt der Entwicklungshilfe des Ostens im Prinzip bereits eine Konzentration, von der der Westen noch weit entfernt ist, wie die vielfältigen Organisationen und ihre Beratungen dieses Jahres (Londoner Tagung im Frühjahr, Wiener Tagung der Bretton-Woods-Institute im September, Pariser Beratungen für Initiativgruppen, Konferenz in Ponta del Este, „Euro-Afrikanische Parlamentarier-Konferenz“ etc.) zeigen. Die Voraussetzungslosigkeit der östlichen Entwicklungshilfe ist ebenso eine Mär, wie die vom Osten verbreitete einer zielstrebigen, auf Neokolonialismus und politische Bindung herauslaufenden westlichen Entwicklungshilfe. Dazu ist sie bislang viel zu zerfahren gewesen.

Technical Assistance Programe

Aus dem späteren Rahmen fällt zunächst noch der erste Schritt der Sowjets in der Entwicklungs-hilfe heraus. Es scheint, als ob er den Hauptzweck hatte, die Methoden des Hilfssystems überhaupt erst einmal zu studieren, die ersten Fachleute heranzubilden und die ersten Wege zu bahnen. Ende 1953 erklärten sich die Sowjets nach wiederholten Weigerungen bereit, am „Technical Assistance Programe" der LINO mitzuarbeiten, das — so begründeten sie die vorhergehenden Absagen — nur den kapitalistidem. sehen Monopolen den Zugang zur Wirtschaft unterentwickelten Länder öffnen solle. Aber auch noch nach der prinzipiellen Beitrittserklärung waren die Sowjets nur mühsam dazu zu bewegen, die Beiträge zu leisten und sich an die Regeln dieses multilateralen Hilfsprogramms zu halten, die keine Auflagen über die Verwendung zulassen, soweit sie nicht von den UN bestimmt sind. Im Verlauf der folgenden Jahre traten dann auch die anderen in der UNO vertretenen Ostblockstaaten dem Technical Assistance Com-mittee, der Weisungsorganisation des Techni-

nischen Beistands-Programmes, bei. Jedoch hielten sich die Leistungen des Ostblocks für diese gemeinsame Entwicklungshilfe in bescheidenem Rahmen. Insgesamt erreichten sie in den Jahren 1953 bis 1959 den Betrag von etwas über -neun Millionen Dollar, gegenüber einer Leistung •von rund 100 Millionen Dollar der USA allein, der Frankreichs von rund 10 Millionen Dollar oder der Indiens von über drei Millionen Dollar. Aber selbst bei den durdh diese multilaterale EntwidklungshilFe verwirklichten Projekten — zumeist allgemeinnützlichen oder ausbilden-den Charakters — bemühten sich die Sowjets, ihren praktischen, schließlich nur zum geringen Teil von 'ihnen mitfinanzierten Beitrag über Gebühr herauszustellen, so als ob es sich um eine vollfinanzierte bilaterale Hilfe handele, so beim Bau des polytechnischen Instituts in Bombay, das auch in manchen sowjetischen Ausstellungen als sowjetischer Beitrag aufgeführt wird. Durch Mittel des Technical Assistance Programe wurden ganz besonders einige Seminare in den Ostblockstaaten ermöglicht, so für Geologen, Bergbau-Ingenieure, . Agronomen und Wasserwirtschaftler in der UdSSR, für Forst-fachleute in der CSSR und andere mehr.

Handels-und Wirtschaftsabkommen

Der erste Weg der Sowjetunion zur Wirtschaft der Entwicklungsländer Führte über klassische Handelsbeziehungen auf der Grundlage bilateraler Wirtschaftsund Handelsabkommen.

Die Außenhandelsbeziehungen der UdSSR hielten sich vor dem Zweiten Weltkrieg in den knappen Grenzen dringend benötigter Investitionsgüter im Austausch einiger Rohstoffe. Der Außenhandel der UdSSR wird für 1937 mit 780 Millionen Dollar beziffert; mit rund drei Milliarden Dollar ist der Außenhandel der osteuropäischen Staaten des Ostblocks zu veranschlagen, der Chinas mit etwa 1, 2 Milliarden Dollars. Der Handelsaustausch der'Sowjetunion mit den Entwicklungsländern und den jungen Staaten war auch bis zu den ersten fünfziger Jahren minimal, der der osteuropäischen Satelliten fast zum Erliegen gekommen, der Chinas zusammengeschrumpft.

Von 1953 an hat dann die Sowjetunion, bald gefolgt von den anderen Ostblockstaaten, eine Reihe von Handelsabkommen mit den meisten Entwicklungsländern geschlossen. Die Ausweitung des Welthandels und die Erkenntnis, sich von ihm nicht ungestraft ausschließen zu können, die Überlegung, daß bei einem Überangebot von Rohstoffen auf dem Weltmarkt einige von ihnen weit günstiger importiert als im Lande produziert werden konnten, und der Wille, wirtschaftlich in den Entwicklungsländern Fuß zu fassen, trugen zu dieser handelspolitischen Aktivität bei. In den meisten Ländern fiel der Abschluß eines Handels-oder Wirtschaftsabkommens mit einer geschickt genutzten Absatzkrise der Erzeugnisse aus den Monokulturen ihrer Volkswirtschaft zusammen — ein gutes Entree für hilfreiche Zusammenarbeit. In der Folge konnte die Handelsabkommenpolitik des Ostens des öfteren zu einer regelrechten Störung der Märkte ausgebaut werden. So stellt der SEATO-Bericht für 1959 fest, daß durch die gezielte Warenauswahl, die ohne reale Kosterikalkulation erfolge, die lokalen Märkte des SEATO-Gebietes teilweise in Verwirrung gebracht worden seien. „Die Offensive mit Hilfe von Handels-und Hilfsabkommen, die früher stark vorangetrieben wurde“, heißt es weiter in diesem Bericht, „hat Sich in wirtschaftliche Durchdringung verwandelt. Im Falle des kommunistischen China ist der zunehmende Export von Fabrikgütern und Rohmaterial nur teilweise auf die Notwendigkeit, Außenhandel zu treiben, zurückzuführen. Es handelt sich um den eindeutigen Versuch, den Handel zu stören".

Die wichtigsten bilateralen Handelsabkommen der Sowjets waren folgende: Mit Indien (1953), Ägypten (1954). Burma und Syrien (1955), Pakistan und Indonesien (1956), Kambodscha, Tunesien, Marokko (1957); Abkommen mit Afghanistan, ebenso ältere mit der Türkei und dem Iran, wurden erweitert. In Lateinamerika wurden die ersten Abkommen mit Argentinien (1953) und 'Uruguay (1955) geschlossen, in letzter Zeit folgten Kuba und Brasilien (1959), in anderer Form Mexiko, Chile und Kolumbien. In Afrika wurden sofort nach Entstehung der neuen Staaten mit diesen Handelsabkommen geschlossen, darunter einige (so Guinea und Ghana) mit besonders gezielter Wirkung. Überall zogen die anderen Ostblockstaaten nach, wenn sie nicht sogar die Handelsinteressen der Sowjetunion dort wahrnahmen, wo diese nicht vertreten war (so bis 1959 in Brasilien) oder andere Gründe diese erschwerten.

Es ist natürlich barer Unsinn, diese Handelsabkommen als ganz und gar neuartig hinzustellen, wie das in der Lesart des Ostens geschieht. So versucht das (stellvertretend hier für viele andere) A. S. Kodaschenko in „Der Wettbewerb der zwei Systeme und die schwach entwickelten Länder" (Moskau 1960): „Die von den Ländern des Sozialismus zu den schwachentwickelten Länder hergestellten internationalen Wirtschaftsbeziehungen sind prinzipiell neue, in der Geschichte bisher unbekannte Beziehungen. Sie beruhen auf dem Leninschen Prinzip der friedlichen Koexistenz von Staaten mit verschiedener sozialökonomischer Ordnung und unterscheiden sich grundlegend von den räuberischen außenwirtschaftlichen Beziehungen des Kapitalismus. Die unterschiedlichen Prinzipien, auf denen die außenwirtschaftlichen Beziehungen des Sozialismus und des Kapitalismus beruhen, spiegeln die antagonistischen Gegensätze ihrer sozialen Natur wieder". . . „Die schwach-entwickelten Länder können ihre Beziehungen auf der Grundlage der bekannten fünf Prinzipien der friedlichen Koexistenz entwickeln, wie sie von der Volksrepublik China und der Republik Indien verkündet wurden und 195 5 auf der Bandung-Konferenz bei den Völkern des Ostens große Anerkennung fanden. Diese Prinzipien 'beinhalten die gegenseitige Achtung der territorialen Integrität und Souveränität, den Verzicht auf Aggression, gegenseitige Nichteinmischung in innere Angelegenheiten und gegenseitigen Vorteil ohne den für die imperialistischen Mächte so kennzeichnenden politischen, wirtschaftlichen und finanziellen Druck“. . . „Bekanntlich war die Hauptursache für die unbedeutende Entwicklung des Handels der schwach-entwickelten Länder mit der UdSSR vor dem Zweiten Weltkrieg die politische Abhängigkeit dieser Länder von den imperialistischen Mächten“. . . „Die schwachentwickelten Länder sind an umfassenden Handelsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern interessiert, da die krisenfeste Entwicklung der sozialistischen Wirtschaft einen weiten und ständig wachsenden Markt Für ihre traditionellen Exportwaren schafft“ . . . " Handelsbeziehungen mit den sozialistischen Ländern sichern den schwachentwickelten Ländern den garantierten Absatz ihrer Exportwaren und schaffen einen stabilen, keinen Konjunkturschwankungen unterworfenen Markt. Die Planwirtschaft der sozialistischen Länder ermöglicht den Abschluß langfristiger Handelsabkommen mit genauer Fixierung der Lieferbedingungen, des Volumens, der Fristen, der Preise usw. Damit wird jene weitgehende Labilität beseitigt, der infolge des zyklischen Charakters der kapitalistischen Reproduktion in der Nachfrage und in der Preisentwicklung für Exportgüter der schwachentwickelten Länder besteht. Das ist besonders wichtig, da sich für den Außenmarkt ein Zustand chronischer Überproduktion von Rohstoffen und Lebensmitteln aus unterentwickelten Ländern herausgebildet hat. Die Außenhandelsbeziehungen mit sozialistischen Ländern erlauben es bereits jetzt, die negativen Auswirkungen der Krisen auf die Wirtschaft der Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas zu mildem. . Wir haben die langatmige Darstellung zitiert, weil sie den Tenor der Begleit-Propaganda wiedergibt, die um die kleinsten dieser Abkommen lauthals verbreitet wird.

Zweifellos ist daran richtig, daß der Ausschluß großer Wirtschaftsräume vom Welthandel, wie ihn die Sowjetunion praktisch seit 1917 praktiziert hatte, erheblich zur Minderung des Welt-konsums beigetragen hat, die Wiedereinbeziehung zu einer Steigerung. Die These von den einseitigen, zwangsläufigen und zyklischen Krisen hat solange einen hohlen Klang, als die sozialistische Planwirtschaft sie, wie die Krisen der Vorkriegszeit und des Nachkrieges (Hunger-katastrophe 1925/26 in der Sowjetunion, Produktionskrise Polens 1952 bis 1956, Versor-

gungskrise der Sowjetzone 1960/61, Erzeugungs-

katastrephe Chinas 1958/59/60 zeigen, viel hektischer durchläuft, auch wenn man sie als Struktur-Änderungskrisen bezeichnet. Die Gesundung der Stabilisierung des Weltmarktes der Rohstoffe ist sicherlich eine der vorrangigen Aufgaben jeder Entwicklungshilfe; kaum aber zu erreichen, wenn man seine örtlichen Überschüsse andererorts wieder auf den Weltmarkt zu fragwürdigen Preisen wirft, weil man gar nicht die Absicht hat, den Birrnenkonsum zu steigern.

In der Praxis sind die bilateralen Abkommen im großen und ganzen konventioneller Art. Die kleinen und großen Mikojans handeln dabei ziemlich zähe und armenisch. Grundlage ist im allgemeinen ein Clearing-Prinzip nach angeblichen Weltmarktpreisen mit festgelegter, ziemlich rigoros gehandhabter Swingspanne. Dies eigentlich primitive Tauschsystem hat dann auch zu mannigfaltigen Scherereien geführt, die einerseits im diktierten Austauschkurs (z. B. Kautschuk gegen Reis) begründet waren, andererseits Waren aus solchen „im Prinzip neuartigen" Abkommen auf dem Weltmarkt im Drittgeschäft unter wenig erfreulichem Drude auf den Absatz der Erzeuger wieder auftauchen ließen, wie bei der ägyptischen Baumwolle. Die Warenlisten sichern in der Regel keine freie Wahl der Güter aus den Ostblockstaaten, sondern oft gerade nicht verwendbare und zumeist preislich nicht mehr konkurrenzfähige Posten. Keineswegs ist aber vor allem die oben angeführte Kontinuität oder der Schutz vor Labilität zu finden. „Die sowjetische Außenhandelsstatistik gibt Aufschluß über geradezu hektische Sprünge im Export oder Import der Sowjetunion mit den Entwicklungsländern" (Billerbeck). Die Außenhandelsstatistiken der westlichen Industrieländer weisen einen wesentlich kontinuierlichen und zumeist steigenden Austausch auf. Das Volumen der sowjetischen oder anderen Ostblock-Verträge wird oft nicht erfüllt oder ist der Natur der Sache nach gar nicht erfüllbar, wie ägyptische, burmesische, argentinische und neuerdings auch kubanische Erfahrungen zeigen, die sich nach einiger Zeit beträchtlichen, schlecht realisierbaren Guthaben im Osten gegenübersehen. Auch die Zahl der geschlossenen Abkommen täusdit: der Ostblockhandel zeigt die Tendenz zu ausgesprochener Schwerpunktbildung, die politisch oder propagandistisch bedangt ist.

1958 entfielen rund 314 des Außenhandels der UdSSR mit Entwicklungsländern auf nur ihrer fünf, fast die Hälfte auf Indien und die damalige VAR. Dasselbe Bild ergibt sich für den Außenhandel Chinas, von dem 4/a mit Ceylon, Indonesien, Malaya, Pakistan und der VAR abgewickelt wurden, und, ebenso für die anderen Ostblockstaaten. Die Tschechoslowakei nimmt bei ihrer alten Exporttradition zunehmend eine besondere Stellung ein. Die der Sowjetzone hat lange nicht das Vorkriegsvolumen des Exports in die Entwicklungsländer aufzuweisen, das ihr Gebiet im früheren Reich tätigte, zudem verschönt sie ihre Außenhandel saktivität hauptsächlich mit spezieller Werbung gegen die Bundesrepublik, nicht ohne aber mit den tracitfomel-

len Warenzeichen und neuen Nacharbeiten die Verwechslung mit der Bundesrepublik auszu-nutzem. Diese Schwerpunktbildung hat die gleichen Rückwirkungen auf die betroffenen Entwicklungsländer: er spielt dort in einigen Fäl-len eine dominierende Rolle. So betreffen die Außenhandelsumsätze Afghanistans mit dem Ostblock rund die Hälfte, die der VAR 40 °/o des Exports und" 30 °/o des Imports — bei andern Ländern allerdings erheblich weniger. Als ein nicht zu unterschätzender Vorteil erwiesen sich bei diesen bilateralen Handelsbeziehungen mit den Entwicklungsländern die zentralen Handelsorganisationen der Ostblockstaaten mit nur wenigen Außenhandelsstellen und zentralen staatlichen Handelsvertretungen. Eine steigende Koordinierung und Integration des gesamten Ostblockhandels im Comecon — sicherlich bis jetzt noch etwas zerfahren — macht sich jedoch schon in der Schwerpunktbildung, der Marktaufteilung und der Konzentration auf einige Waren-kategorien bei einem Abnehmer-oder Lieferstaat bemerkbar, die sich — welch klassisches Beispiel'kapitalistischer Kartelle und Monopole! — in Preisdrude und Konkurrenzabrede äußern.

Das Volumen der Warenumsätze aus diesen Handelsabkommen betrug für die Sowjetunion:

1955 = 104 Mill. Rubel 1956 = 1, 66 Mrd. Rubel 1957 = 2, 70 Mrd. Rubel 1958-= 3, 11 Mrd. Rubel 1959» = 3, 18 Mrd, Rubel bei einem Außenhandelsumsatz der UdSSR, den der sowjetische Außenhandelsminister Patolit-schew im Mai 1961 auf 42 Milliarden Rubel bezifferte. Bei einem Verrechnungskurs von 4: 1. für den damaligen RubeL (über dessen Problematik manches zu sagen wäre) sind das in den letztgenannten Jahren rd. 750 Milhonen Dollar. Die Warenumsätze der osteuropäischen Staaten mit den Entwicklungsrändern dürften auf derselben Höhe liegen,, die Chinas auf etwas mehr als der Hälfte, zusammen also rund zwei Milliarden DoHar. Zum Vergleich: der Export der Bundesrepublik in die Ostblockländer (einschließlich dem des Interzonenhandels) betrug 1959 rund 3 Milliarden Mark = 750 Millionen Dollar, dagegen überstieg der Export der Bundesrepublik in die Entwicklungsländer die gesamten Umsätze des Ostblocks mit ihnen um etwa 10(750 Millionen Dollar nach Lateinamerika, rd. 400 Millionen Dollar in Entwicklungsländer in Afrika, rd. 1 Milliarde Dollar in solche Asiens, zusammen also etwa 2, 2 Milliarden. Dollar bei einer bundesdeutschen Gesamtausfuhr von über 10 Milliarden, Dollar), Der sowjetrussische Außenhandelsumsatz mit seinen ebenfalls rund 10 Milliarden Dollar oder 42 Milliarden Rubel gliedert sich in eine Einfuhr von 20, 3 Milliarden Rubel und eine Ausfuhr von 21, 7 Milliarden Rubel.

Das nicht überall bedeutende, wenn auch mancherorts ausweitungsfähige Volumen aus diesen Handelsabkommen des Ostblocks mit den Entwicklungsländern ist hier also nicht der entscheidende Faktor. Wichtig war für die Sowjets und die anderen Ostblockstaaten dies: Über den Weg der Handelsabkommen hat der Osten zu vielen Entwicklungsländern Zugang gefunden, hat dort Fuß gefaßt. In vielen Fällen wurden Absatzkrisen, geschickt einbezogen; in Uruguay konnte die Schlagzeile des „EI Populär“ lauten: „Der sozialistische Markt rettete unsere Wirtschaftvor dem Zusammenbruch“. Die Handelsabkommen haben — prapagandistisch vielfältig ausgenutzt und: politisch hachgespielt — die Ostblacklämder in vielen Ländern gut eingeführt sie in einigen Ländern mit Monokulturen bei Weltmarktüberangebot und rückläufigen Welt-marktpreisen; zu wichtigen Partnern gemacht. Sie haben die Lefstungsfähigkeit des Ostblocks, wenn auch nicht immer überzeugend und, in bedeutenden Zahlen, in gewissem Umfang demonstriert. Ihr plötzliches Ausfallen könnte schwere Krisen hervorrufen. Vor allem aber waren die Handelsbeziehungen ein Weg zur Klima-Verbesserung, wenn nicht sogar der Weg zur Wiederherstellung abgebrochener politischer Beziehungen, wie bei Brasilien. Sodann haben die Handelsabkommen den Sowjets und den Ostblockländern die Möglichkeit geboten, einen großen Stab von Experten in den Handelsmissionen zu beschäftigen, für spätere Aufgaben heranzubilden, ihnen die wohlgenutzte Gelegenheit zu politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kontakten in erheblicherem Umfang, als es eine diplomatische Mission selbst sowjetischen Umfangs tun kann. Eine nicht nur mit den Problemen des Landes, sondern auch in praxi mit den Methoden und Maßnahmen 1 der westlichen Wirtschaftsbeziehungen und der westlichen Entwicklungshilfe vertraute Sachverständigenschicht stand also-zur Verfügung, als dann der Osten seine anderen Aktionen im Kampf um die eine Milliarde Menschen einsetzte.

Die Kapitalhilte

Im sichtbaren. Mittelpunkt des Ostens wie des Westens stehen die verschiedenen Formen der Kapital-, Finanz-oder Kredithilfe. Über das Volumen der östlichen Kapitalhilfe bestehen in der öffentlichen Meinung des Westens, vor allem in der wohlpräparierten Meinung der Entwicklungsländer, vom der des Ostens ganz zu schweigen, manche abwegigen Vorstellungen. Nehmen wir deshalb eine präzise Zahl vorweg, um die Größenordnung zwischen der finanziellen Entwicklungshilfe des Westens und des Ostens zu charakterisieren:

Die Kapitalhilfe des Ostblocks an Entwick-Iungsänder beträgt seit ihrem Beginn 1953 bis Ende 1960 rund drei Millianden US-Dal-lar, von denen effektiv bis dahin rund 1, = 750 Millionen. Dollar gezahlt worden sind. Die Kapitalhilfe der USA. allein betrug in den letzten: Etatsjahren rund! zwei Milliarden pro Jahr; die Leistungen sämtlicher OECD-Mitglieder an Entwicklungsländer betrugen in den Jahren 1956-1959 27, 3 Milliarden. Dollar.

Freilich gilt für diese Bilanz auch das Wort des US-Senators Green nach einer Reise durch die Entwicklungsländer: „Das, was die Amerikaner tatsächlich geben, erweckt nicht den zehnten Teil von Be-geisterung von dem, was die Sowjets versprechen." Die Wirtschaftsoder Kapitalhilfe des Ostens, deren Hauptträger die Sowjetunion zu 4/5 ist, muß zunächst als untrennbares Element der gesamten Entwicklungshilfe-Politik oder der Politik der Sowjets zu den Entwicklungsländern überhaupt gesehen werden. Sie ist weder von den Handelsabkommen, weder von der militärischen und der politischen, noch von der technischen oder kulturellen Hilfe zu isolieren. In vielen Fällen ist sogar die Kapitalhilfe ein Bestandteil des Handelsabkommens. Im großen und ganzen bestehen die Kapitalhilfen der Sowjetunion in der Gewährung von Krediten für meist determinierte Projekte oder begrenzte Vorhaben, selbst wenn sie in einem Mehrjahresplan figurieren. Die Laufzeit beträgt im allgemeinen 12 Jahre, der Zinssatz 21/2 pro anno. Auch hier tritt die Schwerpunktbildung klar zu Tage: die „Schlüsselländer" (Indien, VAR, Indonesien, Afghanistan, Irak, neuerdings auch Kuba und Ghana) erhielten mehr als dieser Hilfen — und im Vergleich mit dem Westen rangiert die USA-Hilfe allein für diese Länder, obwohl wertmäßig höher, nur mit 1/5 in der amerikanischen Gesamtbilanz auf diesem Feld.

In der Ostblockpropaganda sieht die sowjetische und andere östliche Finanzhilfe solchermaßen aus: „Eines der wichtigsten Ziele der von den imperialistischen Mächten zur Verfügung gestellten Finanzhilfen ist das wirtschaftliche Eindringen der Monopole dieser Mächte in die schwachentwickelten Länder. Die Grundlage dieser zur Verfügung gestellten Hilfen ist im allgemeinen die Investierung ausländischen Privatkapitals, freies Verfügungsrecht über Gewinne usw. Die kapitalistischen Länder, die an der Errichtung von Unternehmen in denschwachentwickelten Ländern beteiligt sind, sichern sich meist große Aktienpakete dieser Unternehmungen und ziehen Gewinne aus der Ausbeutung der dort beschäftigten Arbeiter. Den sozialistischen Staaten ist eine solche Praxis fremd. Ihre Wirtschaftsordnung schließt die Kapitalausfuhr aus. Wenn die sozialistischen Staaten den schwach-entwickelten Ländern Unternehmungen aufbauen, so beanspruchen sie weder ganz noch teilweise eine Gewinnbeteiligung. Die Kredite, die sie den schwachentwickelten Ländern zur Verfügung stellen, haben nichts zu tun mit Kapital-ausfuhr, noch mit besonderen Vorrechten hinsichtlich der Verzinsung oder der Kapitaltilgungsfrist. In der Regel stellen die sozialistischen Länder Kredite zu 21/2 ’/o für die Laufzeit von gewöhnlich 12 Jahren zur Verfügung. Sofern diese Kredite für Produktionszwecke ausgenutzt werden, haben die wirtschaftlich schwach entwickelten Länder die Möglichkeit, in dieser Zeit die Unternehmen, die mit Hilfe dieser Kredite erbaut wurden, in Betrieb zu nehmen und aus diesen Unternehmungen Gewinne zu erzielen, deren Summierung die Höhe der gewährten Kredite bedeutend übersteigt. Die Westmächte und deren Firmen hingegen erheben auf die gewährten Kredite 6— 7 % jährlich, oft sogar mehr, wobei die Abdeckungsfrist ihrer Kredite kürzer gehalten ist. Sehr wichtig ist, daß die sozialistischen Länder für die Abdeckung der Kredite nicht Devisen fordern, an denen die schwachentwickelten Länder einen ständigen Mangel haben, sondern daß sie zur Rückzahlung der Kredite Waren des traditionellen Exports dieser Länder entgegennehmen. Dies ermöglicht nicht nur den Ländern, ihre Devisenschwierigkeiten zu mildern, sondern trägt auch zur Lösung des Absatzproblems ihrer Erzeugnisse bei. Die Gesamtsumme der Kredite der sozialistischen Staaten an die schwachentwickelten Länder erhöht sich ständig. Die Errichtung von Industrie-Unternehmen mit diesen Krediten ist ein wichtiger Teil des Programms der Industrialisierung der jungen nationalen Staaten.“ (W. Schszetinin in „Woprosy Ekonomikij“ /Wirtschafts-Probleme/Moskau 1960/6.)

Anders als dies propagierte Klischee sieht natürlich die Wirklichkeit aus. Gleichwohl bleibt es eine außerordentliche Tatsache, die in ihrer Tragweite voll erkannt werden muß, daß die Sowjets, und in einem geringeren Grade die Chinesen und einige Satelliten in einer Periode wirtschaftlicher Schwierigkeiten, tiefgreifender Umstellungen und politischer Kalamitäten eine Finanzhilfe aufgebracht haben, deren Summen für ihre eigene Volkswirtschaft durchaus ins Gewicht fallen. Wenn heute im Westen die Forderung erhoben wird, ein Prozent des Brutto-sozialproduktes für Entwicklungsaufgaben bereitzustellen, so dürfte ein solcher Satz für die Sowjets annähernd zutreffen. Wir beziehen hier freilich alle Unsicherheitsfaktoren der Berechnung ein und schließen die Parteitags-oder Manifest-Großsprecherei aus. Wenn das Bruttosozialprodukt der UdSSR (für 1959) mit etwa 1200 Milliarden Rubel veranschlagt werden kann — auch das ist bei sowjetischen Zahlen eine unsichere Größe! —, so ergäbe das beim damaligen offiziellen Dollar-Rubel-Kurs von 1: 4 rund 300 Milliarden Dollar. Der Kurs ist sicherlich manipuliert — der Touristenkurs steht auf 1: 10 —, bei Vergleichen nach den wichtigsten Warenkategorien, Rohstoffen und Dienstleistungen anderer Volkswirtschaften würde man etwa auf einen Umrechnungskurs von 1: 6 kommen, also ein Sozialprodukt von etwa 200 Millionen Dollar, auch dies eine erstaunliche Leistung neben dem USA-Bruttosozialprodukt von grob 500 Millionen Dollar. Mit Erfassung aller Entwicklungshilfe-Leistungen dürfte der sowjetische Beitrag den Satz von einem Prozent bereits leicht übersteigen. Das valutarische Vergleichsmoment bei der Finanz-und Kredithilfe ist wenig scharf zu erfassen, da Verrechnungen in Guthaben, Sachlieferungen, Investitionen, Dienst-und Ausbildungsleistungen auf der einen Seite und Lieferungen von Rohstoffen und Landesprodukten oder Leistungen in Landeswährung auf der anderen Seite wenig präzise Werte ergeben. Der Elastizitätsfaktor bei diesen komplizierten Berechnungen und eine oftmals überhöhte Bewertung zu Lasten des angeblich Begünstigten führen dann auch zu problematischen Werten für die Zinssätze.

Eines der stärksten Argumente der Sowjets in ihrer Propaganda ist, wie wir sahen, der niedrige — der „politische“ — Zinssatz von 21/2°/0 pro anno. Er wird ganz besonders bei Einzel-projekten in den Vordergrund geschoben, so z. B. bei den drei Stahlwerksprojekten Indiens: Bhilai (sowjetrussisch) Durgapa (britisch) und Rourkela (Bundesrepublik). Die sowjetische Darstellung behauptet, Bhilai habe 1, 3 Millionen Rupien, Rourkela 1, 7 und Durgapa 1, 4 Millionen Rupien bei etwa gleicher Leistung gekostet; der sowjetische Kredit aber nur 21/2 °/o gegenüber 5— 6% für den englischen und sogar 10— 11 % für den bundesdeutschen Kredit (— unsere Aufgabe hier ist nicht, vergleichende Analysen zu erstellen, sondern die sowjetische Systematik aufzuzeigen). Bei der allgemeinen Gegenüberstellung der Kredite wird von den Sowjets immer wieder darauf verwiesen, daß die Kredite der Weltbank, die bis jetzt rd. 3, 5 Milliarden Dollar an Krediten vergab, nach Weltmarkt-Zinssätzen vergeben würden, also 4— 5 °/o, die USA Import-Export-Bank etwa gleiche Sätze, der „Development Loan Fund“ lege für gewinnbringende“ Investitionen dreieinhalb Prozent fest. In der Tat drehten sich die Diskussionen der Weltbank-Vertreter und ihrer Neben-oder Unter-Institute in Wien stark um diese Fragen, auf deren Problematik noch zurückzukommen sein wird. Auch die lange Laufzeit von 12 Jahren im Schnitt wird von den Sowjets gegenüber der meist kürzeren der westlichen Kredite entsprechend hervorgehoben. Jedoch stehen dem auch andere Beobachtungen entgegen: Die Kredite der Satellitenstaaten, besonders der Tschechoslowakei, legen ungefähr die gleichen Zinssätze, wie der Weltbank, zugrunde. Zudem werden die optischen Vorteile meist durch sowjetische Praktiken mehr als ausgeglichen: einmal ein sehr eigenwilliges Preis-diktat — so war Indonesien gezwungen, sowjetische Mehrzweckfahrzeuge zum Preise von 4000 Dollar zu kaufen, während bessere amerikanische nur um 3000 Dollar, japanische sogar nur um 2500 Dollar loco indonesischer Hafen gekostet hätten — oder die Lieferung von Getreide minderer Qualität zu überhöhten Preisen. •Dazu kommt, daß die ganz beträchtlichen Kosten für Entsendung von Spezialisten die zahlreichen Kommissionen und Delegationen zur Prüfung auf die Kreditleistung angerechnet werden — sie sollen in einem Falle Syriens fast 6°/o der Gesamtsumme ausgemacht haben —, eine Methode, die, wie bereits geschildert, der Heranbildung oder Produktion von vielen Sachverständigen dient, die sich auch über die Kontrolle während der weiteren Laufzeit erstreckt.

Das Tableau der abgeschlossenen, d. h. zugesagten, aber noch nicht voll effektuierten Finanz-oder Kredithilfen, die seit 195 3 von den Ostblockländern getätigt wurden, sieht für Ende Oktober 1960 folgendermaßen aus:

Sowjetunion 2500 Mill. Dollar Tschechoslowakei 245 Mill. Dollar VR China 175 Mill. Dollar Polen 80 Mill. Dollar Sowjetzone 31 Mill. Dollar Rumänien 12 Mill. Dollar Ungarn 8 Mill. Dollar Diese „Rubel-Offensive" verteilt sich auf folgende Länder:

Von diesen rund 3 Milliarden Dollar von 1953— 1960 sind nach Berechnungen von Sachverständigen und Angaben der einzelnen Länder bis Ende 1960 nicht mehr als 750 Millionen Dollar, also etwa ein Viertel, tatsächlich geleistet worden. Das kommt daher, daß die Planungen, sodann die einzelnen Phasen sich über mehrere Jahre erstrecken, so z. B. beim Assuan-Stau-dämm, der Kredithilfe beim indischen 3-und 5Jahresplan usw. Zur Kenntlichmachung der Zweckbestimmung seien hier kurz die Haupt-posten für Indien und die damalige VAR, die wichtigsten Schwerpunkte der Ostblockhilfe, auf-geführt:

Das sind über die Hälfte der sowjetischen Kredithilfen von insgesamt rund 10 Milliarden Rubeln bis zu diesem Zeitpunkt. In der Auswahl fällt die besonders attraktive Wirkung des ersten Stahlwerkes in Indien und des Assuan-Staudammes auf. S. Skatschkow, der Vorsitzende des Staatlichen Komitees des Ministerrates der UdSSR für Außenhandelsbeziehungen, der die Entwicklungshilfe dirigierenden Stelle, hat unter der Devise: „Oberstes Prinzip — Uneigennützige Hilfe für junge Nationalstaaten" in der „Ekonomitscheskaja Gazeta" die Zahl der mit Hilfe der UdSSR erbauten Industriebetriebe und Objekte in insgesamt 20 schwachentwickelten Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas auf „ungefähr“ 350 beziffert, „die erstrangige Bedeutung für die Schaffung der Grundlagen der wirtschaftlichen Unabhängigkeit dieser Länder besitzen“. Wenn die Moskauer Zeitschrift „Außenhandel“ letztlich die Zahl der Projekte, die die Sowjetunion in Entwicklungsländern und Ländern des sozialistischen Lagers mit 907 insgesamt berechnete, so erhellt freilich daraus, daß das Schwergewicht der sowjetischen Unterstützung noch immer bei den Ostblockstaaten liegt vor allem auf Rotchina *). Skatschkow nennt weiter an spektakulären Projekten, die mit Hilfe der Sowjetunion errichtet wurden: In Afghanistan das größte Getreidekombinat Asiens in Kabul; in Indonesien den Bau zweier Hüttenwerke auf Java und Borneo (mit Kapazitäten von 100 000 und 250 000 Tonnen Stahl jährlich); im Irak den Bau der Eisenbahnlinie Bagdad—Basra; in Guinea ein staatlicher Reis-großbetrieb von 7 500 Hektar; in Ghana das Großkraftwerk am Schwarzen Volta; auf Kuba ein Stahl-und Hüttenwerk mit einer Kapazität von 200 — 250 000 Tonnen Stahl und ein Erdölverarbeitungswerk von 1 Million Tonnen im Jahr u. a. — Die vielfach widerspruchsvollen Zahlen, die im Westen und besonders in den Entwicklungsländern selbst über die Höhe der sowjetischen Kredithilfen im Umlauf sind, lassen sich zumeist auf die Summierung der Zahlen aus Vorverhandlungen, Teil-verhandlungen, Einzelposten, Wiederholungen etc. zurückführen: es bleibt bei den genannten Zahlen, die von Skatschkow bestätigt werden; es bleibt dabei, daß von ihrer Summe nur rund 1/4 effektiv geleistet worden sind. So mußte Anfang des Jahres die VAR bestätigen, daß die tatsächlich von der Bundesrepublik Deutschland geleisteten Entwicklungshilfe-Zahlungen über denen der Sowjetunion lagen. Außerdem dürfte heute bereits weit mehr als die Hälfte der westlichen Entwicklungshilfen unentgeltlich sein.

Während die sowjetrussischen Kredite bis auf kleinere, hier nicht besonders erfaßte Gratis-aktionen, wie Sender, Stadien und einige Institute, grundsätzlich rückzahlbar sind, ja die Modalitäten der Rückzahlung den günstigen Ausgleich für den „politischen Zins“ gewähren, sind die Finanzhilfen der VR China zum Teil zinslos oder ganz minimal verzinst oder zum Teil überhaupt nicht rückzahlbar. China bezieht mit einer solchen Hilfepolitik die Linie der integralen kommunistischen Solidarität; es beweist in der Praxis, daß es sich der sowjetrussischen Hegemonie, was Asien anbetrifft, nicht fügen will und es als seine Domäne betrachtet. China hatte in den ersten Jahren seines sozialistischen Aufbaus sowjetische Kredite von insgesamt 5 1/2 Milliarden Rubeln erhalten, von denen nach rotchinesischen Verlautbarungen bereits ansehnliche Tilgungen erfolgt sein sollen. Heute tritt China bereits als Geldgeber auf; es mag dahingestellt bleiben, inwieweit es sich dabei um Summen handelt, die besser der Linderung chinesischen Hungers oder chinesischer Volks-not dienen könnten. Außer ganz erheblichen Schulderlässen für Nord-Korea und Nordvietnam, die zum größten Teil Hilfeleistungen wäh rend der jeweiligen Kämpfe erfassen, ließ China beiden beträchtliche Hilfe angedeihen, obwohl beide trotz starken wirtschaftlichen Engagemants Chinas politisch von der Sowjetunion dominiert werden. Erstaunlich hoch aber ist die andere Wirtschaftshilfe Chinas in Asien. Nepal erhielt 1956 erstmals über drei Jahre verteilt eine Spende von 60 Millionen Rupien, und ebenso als Spende für die Jahre 1960— 1962 100 Millionen Rupien, bei beiden 1/3 in bar und 2/3 in Ausrüstungen und Dienstleistungen. Ceylon erhielt 1957 ein Geschenk von 75 Millionen Ceyl. -Rupien zur Entwicklung seiner Kautsdinkplantagen, im folgenden Jahr einen Kredit von 50 Millionen CeyE. -Rupien zum Ankauf von Ausrüstungsmaterial, der erst von 1961 ab in zehn Jahresraten rückzahlbar ist. fndonesien erhielt 1957 einen Warenkredit von 15 Millionen Dollar, 1958 einen weiteren von 48 Millionen Schweizer Franken, 1959 wurde ein weiterer Kredit von 30 Millionen Dollar gewährt, der mit 21/2 % Zinsen über 15 Jahre verteilt in Waren zurückzuzahlen ist. Kambodscha erhielt 1956 ein Geschenk von 800 Millionen Riel (ist rund 100 Millionen DM), dazu eine Radiostation, zwei große Krankenhäuser und einige Schulen. Burma erhielt 195 8 eine Anleihe von 20 Millionen Kyats (rd. 15 Millionen DM), zu 21/2 °o in Waren rückzahlbar; größer noch war die zinsfreie Wirtschaftshilfe von 30 Millionen Pfund Sterling, die zwischen 1970 und 1980 mit zehn Jahresraten in Waren oder Drittwährung zurückzuzahlen ist. Dazu kommen Kredite an Guinea (100 Millionen Rubel zinsfrei), Kuba 240 Millionen Rubel zinsfrei gleichzeitig eine jährliche Zuckerabmahme von 500 000 Tonnen).

Die propagandistische Wirkung der chinesischen Hilfen ist in Asien natürlich besonders groß, und dabei schlägt natürlich die schnelle Emanzipation aus dem „Kolonialismus“ und die rasche Industrialisierung zu Buch. An der Hilfe-leistung für Indien ist China nicht beteiligt, ja die Rivalität beider beim wirtschaftlichen und industriellen Aufbau stellt sozusagen ein passionierendes Schauspiel für die asiatischen Völker dar, auf dessen Ausgang sie gebannt harren und starren. Der Vorschlag Walter Lippmanns, die Entwicklungshilfe für Indien zu einer Mon-

stre-Anstrengung der USA zu intensivieren und China zu überrunden, enthält sicherlich eine gute Portion zweckmäßiger Überlegung, wenn er nicht unter dem Handikap litte, daß Mao mit seinen BTau-Bedrillten und Rot-GedrilIten sich ganz andere Sprünge leisten kann, als Nehru mit Rücksicht auf viele volkspsychologische und kultische Faktoren in Indien überhaupt nur in Erwägung ziehen kann.

Die anderen Ostblockstaaten treten in der finanziellen Entwickkungshilfe naturgemäß schwächer hervor. Hervorragend bleibt immerhin der Anteil der Tschechoslowakei, die ihren Beitrag zur Entwicklungshilfe (aller Sparten, also nicht nur die Kapitalhilfe) für Ende 1960 mit 600 Millionen Dollars beziffert, wovon rund die Hälfte auf Finanzkredite entfallen dürften, ein Betrag, der sich sehen lassen kann.

Der Rest fällt wahrscheinlich auf Waffenlieferungskredite. Die alte Export-Tradition der böhmischen Maschinen-Industrie spielt dabei eine Rolle; gerade in Afrika ist die tschechoslowakische Initiative sehr bemerkbar, wenn auch dazu zu bemerken ist, daß das rötliche Afrika meist tschechoslowakisch bewaffnet ist.

Rumänien nimmt mit Krediten und Planungen an Erdölschürfungen in Indien und Afghanistan teil, Polen mit solchen für Schiffsbau in Indonesien, Zementfabriken und Zuckerraffinerien in Indien, beim Brückenbau in der VAR, Ungarn an Werken der Lebensmittelverarbeitung. Die Zinssätze sind hier übrigens durchaus westlich mit 5— 6 •/« pro anno. Die Sowjetzone endlich ist mit rund 30 Millionen Dollar an Projekten in Indien, Ägypten und Afrika beteiligt, wovon, wie schon gesagt, ein ziemlicher Teil dem Nebenprodukt antibundesrepublikanischer Propaganda dient.

Es zeichnen sich Tendenzen an, daß die Entwicklungshilfe des Ostblocks eine gewisse Konzentration durch den „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe" (Comecon) erfährt; auch der Prozeß der Standardisierung und gemeinschaftlicher Normen macht im Ostblock sichtbare Fortschritte. Noch ist die Taktik des Ostblocks in den Entwicklungsländern nicht soweit; selbst mit der Konvertibilität von Guthaben innerhalb des Ostblocks hapert es sehr, jedoch künden die „Woprossi Ekonomikij" eine solche als bevorstehend an.

Sicherlich stehen wir heute vor der Notwendigkeit eines radikalen Umdenkens für die finanzielle Entwicklungshilfe. Keineswegs hat der Westen Besorgnisse vor einem Lizitierungsver-fahren, das die Aufwendungen der westlichen Volkswirtschaften immer mehr in die Höhe schraubt, wenn auch in weitem Abstand der Osten folgen müßte. Man hat das Bild von der „amerikanischen Versteigerung" gebraucht, bei der ohne Rücksicht auf alle bisherigen — und schon bezahlten — Gebote der letzte Einsatz den Zuschlag einbringt. Das Argument, daß der Westen als Nachfolger der alten Kolonialherrn sozusagen eine Art Wiedergutmachung alter Versäumnisse durch erhöhte finanzielle Leistungen schuldig sei, daß es sich eigentlich um Außenstände handle, stammt vor allem aus der kommunistischen Propaganda-Küche, wenngleich es primitive Wirkung hat. Fest steht, daß, wenn die westlichen Länder ein Prozent des Brutto-Sozialproduktes für finanzielle Entwicklungshilfe aufbringen, der Osten auf lange Jahrzehnte hinaus im Hintertreffen bleiben muß. Hier aber liegt das Problem nicht.

Es zeichnet sich die große Gefahr an, daß das Gläubiger-Schuldner-Verhältnis zwischen den Industrieländern und den Entwicklungsländern zu einem solchen Mißverhältnis führen kann, daß aufs neue daraus Abhängigkeit und in der Folge blanker Haß entstehen könnte. In der Tat muß die indische Volkswirtschaft im dritten Fünf-Jahres-Plan (1961— 1966) rund 20°/, der für die Verwirklichung des Plans erwarteteten fremden Devisenhilfe für den äußeren Schuldendienst aufbringen, fast 5 Milliarden Rupien von insgesamt 25 Milliarden Rupien. Auch wenn der 1958 entstandene „Indien-Klub" die Hälfte des Devisenbedarfs dafür zugesagt hat — es war ein Paradefall für Vergleiche zwischen westlicher und östlicher Kapitalhilfe, da die Sowjets noch nicht einmal ihre Kreditverpflichtungen von 1957 voll erfüllt haben —, so sind das keine Dauermittel. Die Wiener Tagung der Bretton-Woods-Institute im September 1961 stand ganz im Zeichen dieser Problematik. Der Weltbank-Gouverneur Black stellte fest, daß die Verschuldung der Entwicklungsländer einen Grad erreicht habe, der kommerzielle Hilfskredite bereits an Transferschwierigkeiten scheitern lasse; er sprach sich weiter für einen völligen Zinsverzicht aus. Noch härter ging der scheidende Präsident der IFC (International Finance Corporation), Gardner, mit der bisherigen Entwicklungshilfe ins Gericht. Weniger auf die Höhe der Finanzhilfe komme es an, als auf die erzielte Wirkung; zudem werde die Zusammenarbeit zwischen Geld-Geber und -Nehmer immer schwieriger. Nicht wichtig sei es, Auslandshilfe in großem Umfang zu kontraktieren, schon gar nicht, sich in ihrem Ausmaß danach zu richten, wieviel andere zur Verfügung stellten, sondern auch die eigenen, oft beträchtlichen Mittel der jungen Länder erfolgreich einzusetzen. Geld allein bedeute noch keine Garantie wirtschaftlichen Fortkommens. Die Reserven Asiens Afrikas und Lateinamerikas seien nicht geringer als die Europas oder Nordamerikas. Vier Forderungen erhob Gardner für die Entwicklungshilfe: 1. es müsse im begünstigten Entwicklungsland ein angemessener Grad von Gesetz und Ordnung herrschen, also eine regierungsfähige, kontinuierliche Regierung; 2. die öffentliche Verwaltung dürfe nicht korrupt sein und die finanzielle Hilfe nicht auf dunklen Kanälen in falsche Hände kommen; 3.der Plan der wirtschaftlichen Entwicklung des betreffenden Landes müsse alle Wirtschaftszweige angemessen berücksichtigen und 4. man müsse sich von Illusionen befreien, daß eine verstaatlichte Wirtschaft schon die Bürgschaft für ökonomische Fortschritte bringe. — Wie nicht anders zu erwarten, richteten sich gegen Gardner die Schimpfkanonaden des Ostens und der kaum mehr getarnten Helfershelfer bei den jungen Staaten: Indonesien drohte mit Austritt aus der Weltbank. Auf ähnlichem Gebiet bewegte sich auch die übrige westliche Publizistik: Durch die bisherige finanzielle Entwicklungshilfe sei — sichtbar im Gefolge der sowjetischen und chinesischen Industrialisierungsformel! — die Industrialisierung mancher Länder unangemessen vorangetrieben worden, ohne eine organische Gesundung der Infrastruktur herbeizuführen. Gerade dadurch seien schwierige Strukturprobleme aufgetreten, die die Berechtigung des bisherigen Systems überhaupt in Frage stellten. Es seien Fremdkörper entstanden, die jeder sinnvollen Funktion entbehrten. Was sollten einige hochindustrielle, verfeinerte, automatisierte Unternehmen inmitten von „Barfüßlern", die dann unbeteiligt blieben. Solche vielleicht spektakulären Unternehmungen ohne Breitenausdehnungen bildeten höchstens den neuen Nährboden für den Kommunismus, besonders wenn sie hier fremde Kapitalinteressen mit denen feudalistischer oder absolutistischer verbänden. Die Industrialisierung sei kein Allheilmittel, selbst in der Sowjetunion sei sie mit dem Hungertod von Millionen und mit permanentem Mangel von zwei oder drei Generationen bezahlt worden, und auch China biete kein notwendigerweise ermunterndes Beispiel. Nicht ohne weiteres führe die Hypertrophie der industriellen Entwicklung zur sozialen Gesundung, sondern viel wahrscheinlicher zur ungesunden anfangskapitalistischen Stufe, weder stünde die industrielle Entwicklung vor der sozialen, noch umge-kehrt. Die Vernachlässigung der landwirtschaft-liehen und kleinhandwerklichen Entfaltung würde sich immer wieder rächen. Alles in allem sei das bisherige System der westlichen Entwicklungshilfe denkbar geeignet gewesen, dem Kommunismus Vorschub zu leisten. Belgrad liefere den noch fehlenden politischen Beweis. . Warnend klangen die Worte US-Staatssekretärs Herter vom 18. 11. 1960, als er die finanziellen Leistungen des Westens und des Ostens (er nannte für die wirtschaftliche und militärische Hilfe des Ostblocks von 1955 bis November 1960 den Betrag von 4, 6 Milliarden Dollar, für die des Westens 70 Milliarden Dollar) verglich und den Schluß zog: „Der bemerkenswerte Fortschritt, den der Sowjetblock in den letzten Jahren in den jungen Staaten gemacht hat, ist ein Faktor, der in dieser gespaltenen und gespannten Welt nüchtern und realistisch betrachtet werden muß. Wenn die Entwicklungsländer den Schluß ziehen, daß sie unter Regierungssystemen, die auf der persönlichen Freiheit beruhen, keinen Fortschritt machen können, könnten sie der vernebelnden Anziehungskraft des Ostens zum Opfer fallen und die totalitäre Route einschlagen".

Viel einfacher, massiver, drohender und siegessicherer sah die Bilanz des Ostens über die wirtschaftliche Hilfe des Westens aus, und sie wird auch weiterhin den Grundstode der östlichen Begleitmusik bilden: Im großen Referat Chruschtschows vor dem XXII. Parteitag heißt es: „Natürlich kann von selbstloser Hilfe für die schwachentwickelten Länder seitens der imperialistischen Länder keine Rede sein. Die Monopole können nicht auf ihre Superprofite verzichten". „Sie erwarteten, man werde in diesen Ländern Gebete zum Himmel schicken, man werde denjenigen danken, die ihnen ein paar Dollar hinwerfen. Statt dessen bekamen die amerikanischen Imperialisten an ihre Adresse gerichtete Verwünschungen zu hören. Und warum? Weil die USA im Grunde genommen klägliche Almosen aus den gewaltigen Summen verteilen, die sie aus den schwachentwickelten Ländern herauspumpen. In der Tat — von 1946 bis 1959 zogen die USA für jeden Dollar ihrer Investitionen aus all diesen schwachentwickelten Ländern Profite von zweieinhalb Dollar. Nah Berechnungen sowjetischer Ökonomen pumpen die Monopole der USA und der anderen west-lichen Länder aus den schwachentwickelten Länder jährlich 20 Milliarden Dollar heraus. Wenn das Hilfe genannt wird, was will man dann als Ausplünderung bezeichnen? Plünderern dankt man jedoch nicht, man verflucht sie“.

Militärhilfe des Ostblocks

Nicht zu übersehen — weil auch immer im inneren Zusammenhang mit der politischen, wirtschaftlichen und ideologischen Planung der Sowjets stehend — ist bei den materiellen Leistungen des Ostblocks in den Entwicklungsländern die militärische Hilfe der Sowjets, dessen Träger für den Ostblock sie fast ausschließlich sind. Auf den Vergleich mit der USA-Militär-hilfe braucht hier nicht besonders eingegangen zu werden, da diese prinzipiell geschenkweise erfolgt. Anders die sowjetische Militärhilfe. Sie besteht im allgemeinen in der kreditierten Lieferung von Waffen und anderem Rüstungsmaterial; selbst die Kosten für Ausbildung, Austausch und militärische Beratung werden zu Buch geschlagen. Die Sowjets betonen allerdings geflissentlich, daß ihre militärische Hilfe im Gegensatz zur amerikanischen keine militärischen oder politischen Verpflichtungen bedinge, sondern „Friedensfreunden" und Neutralen gewährt werde. „Eine solche mächtige Front, die den Willen und Stärke von zwei Dritteln der Menschheit vertritt, kann die imperialistischen Aggressoren zum Rückzug zwingen“ hat Chruschtschow Kreis und Zweckbestimmung der sowjetischen Unterstützungspolitik auf dem XXII. Parteitag abgegrenzt. Die Begünstigten der sowjetischen Militärhilfe sind dementsprechend bislang: die VAR (Ägypten und Syrien, wobei die neue Konstellation Syriens noch unklar ist), Afghanistan, Indonesien, der Jemen, der Irak, sodann einige neue afrikanische Staaten, wobei sich besonders die CSSR als prompt und lieferfähig erweist. Die Zahlen über die bisher geleistete Militärhilfe der UdSSR sind schwer zu kontrollieren. Amerikanische Schätzungen bewegen sich bei Summen von 800 Millionen Dollar, einer Summe also, die der bisher effektiven Finanzhilfe gleichkommt und weiteren Krediten gleicher Höhe. Im Prinzip stellt die sowjetische Militärhilfe eine Lieferung von Rüstungsmaterial im weitesten Sinne auf Kredit dar, im Grunde also ein Handelsabkommen mit Ziel und bestimmten Warenkategorien, hier Waffen. Die Fristen sind bei diesen Abkommen wesentlich kürzer als bei der Finanzhilfe, wie verlautet, im Schnitt 5 Jahre. Wenn bei der VAR von einem solchen Abkommen für 5 Jahre über 300 Millionen Dollar gesprochen wird, so bedeutet das ein jährliches Abtragen durch Rohstofflieferungen von 60 Millionen Dollar. Dazu soll noch eine Verpflichtung Syriens von 20 Millionen Dollar jährlich für Waffenlieferungen kommen. Ähnliches gilt im Verhältnis zu Afghanistan, das für 50 Millionen Dollar Rüstungsmaterial erhalten haben soll, der Irak und Indonesien sollen für 200 Millionen Dollar in der Kreide für Rüstungsmaterial stehen. Mit anderen Worten: bei den kurzen Konditionen und Fristen ergeben sich außerordentlich hohe Lieferverpflichtungen von Rohstoffen an die Sowjetunion, die einen beträchtlichen Teil des normalen Exports dieser Länder binden. Das zeigte sich bereits bei Ägypten, dessen Baumwollüberschüsse für die Abzahlung einer Rüstungsbeihilfe zum Schaden des Baumwollpreises auf den Weltmarkt geworfen werden mußten. In jedem Fall wird ein beträchtliches sowjetisches Guthaben geschaffen. Über die Qualität und den Wert des gelieferten Materials gehen die Urteile sehr auseinander: das schwere Material scheint nur bedingt verwendbar zu sein, so im Falle Afghanistan; dort ist nach Beobachtungen zwar schweres Material überreichlich vorhanden, wenn auch nicht neuen Datums, es hapert aber an leichten Waffen, ja sogar an Gewehren und auch an ganz primitiven Ausrüstungsstücken, wie Gerät und Uniformen. Auf der anderen Seite wird die Bedeutung der Militärs als der staatslenkenden Schicht in den meisten dieser Länder in Anschlag gebracht werden müssen. So ergibt sich hier über die Militärhilfe eine starke persönliche und politische Bindung und Berührung, besonders durch Instrukteure, Ausbilder und Experten aus der UdSSR und durch in die UdSSR geschickte Kursisten. In starkem Maße treten in den letzten Jahren die Tschechen mit langfristig kreditierten Waffenlieferungen auf; so stammt der größte Teil der Waffen in den jungen afrikanischen Staaten aus der CSSR.

Technische Hilfe

Unter technischer Hilfe in Entwicklungsländern wird — ausgehend vom „Technical Assistance Programe“ der UNO — eine Beratungstätigkeit verstanden, die Entsendung von Experten, die Mitwirkung bei oder die Erstellung von Gutachten für größere und kleinere Planungen, die Ausarbeitung von Plänen zum Ausbau von Teilwirtschaftszweigen bis zur Mitarbeit an Vieljahresplänen für ganze Volkswirtschaften; weiter die Errichtung von technisch-wissenschaftlichen Vorbereitungsstätten. Bei der Planwirtschaft des Ostens mit einer langjährigen Tradition in einem staatskapitalistischen und dirigistischen System liegt hier eine besondere Domäne des Ostens.

Hier konnten die Sowjets und die Satelliten auf einen reichen Erfahrungsschatz zurückgreifen, den sie nach 1945 bei der schnellen Industrialisierung einzelner Ostblockstaaten in Ost-und Südosteuropa, sodann in China auf diesem Gebiet gewonnen hatten. Sie konnten auf diese Weise Elemente und Voraussetzungen einiger Volkswirtschaften viel besser psychologisch erfassen und ansprechen, die die Experten des Westens schon hinter sich gelassen hatten und als überwunden annahmen. Hier erwies sich die Rentabilitätsprüfung im modernen Kapitalssinne eher als ein Hemmschuh für die westlichen Experten, und es wird in der Tat umstritten sein, ob ein im Lande erstelltes Industrieerzeugnis zu einem den Weltmarktpreis übersteigenden Gestehungspreis nicht in der Binnenwirtschaft seine Vorteile hat Das Automobil in der Ostblock-industrie ist ein Beweis dafür: Es wird heute im allgemeinen — selbst in der Sowjetunion — zu einem Preis hergestellt, der, auf die Entloh-nung eines Facharbeiters bezogen, überhaupt nicht vertretbar wäre. Die westlichen Experten vergessen oft — ganz natürlich —, daß die Kinderkrankheiten und das erste Stadium der industriellen Produktionen durchaus ähnliche Fehlentwicklungen durchlaufen mußten. Ein wenig varierter Staatskapitalismus lenkt überdies das Wirtschaftssystem der meisten dieser Länder. Die Fähigkeit der Sowjets zur Improvisation, die oft einer Bedenkenlosigkeit gegenüber reiferen Argumenten gleichkommt, entspricht oftmals viel eher der Anschauungsweise der Entwicklungländer, als die ausgewogenen und komplizierten Methoden der westlichen Experten. Auch die westliche Produktionsgesellschaft ist aus tausenderlei Fehlinvestitionen und anorganischen Spekulationen erwachsen; das unerbittliche Gesetz der unterliegenden wirtschaftlichen Fehlkalkulation hat die Auslese der modernen Industriegesellschaft geprägt. Die Verluste hatte der einzelne zu tragen. Der Sozialismus der Planwirtschaft will sie von vorneherein ausschalten. Die Entwicklungsländer wollen zwar sicherlich Fehlinvestitionen vermeiden, können aber im Rahmen von Gesamtplanungen und staatskapitalistischen Erwägungen Anfangsverluste in Kauf nehmen. Berechnungen für Alabama oder Duisburg treffen für indische Provinzen oder Äthiopien durchaus nicht zu. Die „gelenkte Demokratie" einiger Entwicklungsländer, wenn wir schon ihre am meisten fortgeschrittene Staatsform annehmen, kann sich letztlich auch wohl kaum die oft mörderische Konkurrenz von Kapitalbildungen und Pressure-Groups des Westens erlauben, deren Interessen auszugleichen, Wesensmerkmal der reifen westlichen Demokratie ist. Das Rezept der „teuer bezahlten Erfahrung" kann selbst mutatis mutandis nicht überall appliziert werden. Das Argument, daß die jetzigen Vorteile der modernen Industriegesellschaft des Westens teuer erkauft worden sind, mit dem Schweiß, den Tränen und dem Hunger von Arbeitern, Frauen, Kaufleuten. Erfindern und „Kapitalisten" (— wie natürlich auch in der Sowjetunion die aus dem Boden gestampfte Schwerindustrie durch den jahrelangen Hunger der breiten Massen genährt worden ist —), ein solches Argument klingt wenig erfreulich in farbigen Ohren. Viel überzeugender wirkt da die kommunistische Variante, daß die Ausbeutung durch den Kolonialismus den westlichen Wohlstand und den Rückstand der Entwicklungsländer bedingt habe, und daß daraus eine fortgesetzte Schuld des Westens resultiere.

Die „Technische Hilfe" ist also im Großen und Ganzen ein menschliches Problem, qualitativ und quantitativ. Hier haben die Sowjets, die Satelliten und die Chinesen dem Westen vielfach überlegene Methoden aufzuweisen gehabt. Schon in der Zahl: Wir sahen, daß die Sowjets bei Handelsverträgen, Finanzverhandlungen und Kreditabkommen überall das Bestreben hatten, neben den Verträgen Experten, Kenner der Nationalwirtschaften und Sachverständige für die sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Zusammenhänge am ständig überzogenen Band zu „produzieren". Sicherlich trägt dazu der gelenkte Staat bei, der nicht nur auf ausreichendes freies Menschenmaterial zurückgreifen kann, sondern auch Aufstiegsmöglichkeiten in Fülle im Rahmen seiner vielfältigen Außenorganisationen mit reichlich übersetztem Stellenplan bieten kann. Ganz anders im Westen: wissenschaftliche Assistenten der Hochschulen oder Extraordinarien haben Bedenken, einem Ruf in Entwicklungsländer zu folgen, weil sie in dieser Zeit von der Aufstiegsliste der Fakultäten verschwinden. Ingenieure, Techniker, Chemiker und Ärzte ziehen im Zeichen der Vollbeschäftigung die sichere und materiell mehr lohnende Aufstiegsmöglichkeit in der heimatlichen Industrie oder vergleichsweisen Sparten vor. Eine zeitraubende Spezialausbildung in der Sprache und den Gegebenheiten des betreffenden Entwicklungslandes findet kaum einen Ausgleich gegenüber den bequemen Chancen in der Heimat. Das geht hinunter bis in die einfachen Sparten der Techniker, Werkmeister, Facharbeiter und des Hilfspersonals. Es bereitet einer deutschen Firma fast unüberwindbare Schwierigkeiten, das Personal eines Entwicklungsprojektes komplett aufzustellen. Trennung von der Familie, mangelnde Elastizität, sich umstellen auf ein anderes Klima, eine andere Küche etc. sind entscheidende Hindernisse. Dazu sind die westlichen Techniker in den Entwicklungsländern manchmal von einer verblüffenden Unbeholfenheit, die aus ihrem Perfektionismus herrührt. Die Kunst des Behelfs ist ihnen einfach abhanden gekommen. Sie setzen Methoden einer überfeinerten Materialprüfung, einer komplizierten Analyse und einer hypertrophierten Systematik voraus, die in der westlichen Welt gang und gäbe sind. Es ist beispielsweise schwer für einen Autotechniker des Westens, sich auf die Methoden der Anfangszeit des Automobilismus in der Werkstätte umzustellen, Gehör oder primitive Prüfungsmethoden wieder zu entdecken. Es werden Kostenunterschiede in der Planung einzelner Projekte von 1: 8 zwischen Ostblockexperten und westlichen Fachleuten registriert. Bei einem industriell-landwirtschaftlichen Projekt in der VAR waren in der westlichen Planung Anlagen einer erst in zwanzig Jahren zu erwartenden Kapazität zugrundegelegt, Autostraßen im Bereich des Werksgeländes, ohne Fortsetzung in die Gegend, für einen westlich starken Verkehr, Werkswohnungen mit westlichem Zuschnitt und entsprechender Größe, komplizierte Bewässerungsund Klimaanlagen, maschinelle Automatisationseinrichtungen usw.) sie ließen, abgesehen von der Preisfrage, den wichtigsten biologischen Produktionsfaktor des Landes, die menschliche Arbeit fast völlig außer Acht.

Psychologisch kommt in vielen Ländern dazu, daß die westlichen Techniker oder der ganze technische Stab beispielsweise eines größeren Industrieprojektes in ihrem Lebenszuschnitt die zwar wohlverständlichen Maßstäbe ihres eigenen Landes als selbstverständlich voraussetzen, einen geläufigen Lebensstandard, der notgedrungen die Erinnerung an früheren Kolonialismus hervorruft und ihn in der Tat auch oft kopiert. Die Sowjets schicken anspruchslose Burschen in anspruchslose Länder. Da der Lebensstandard der Sowjets und der anderen sozialistischen Staaten in der Praxis trotz allen geduldigen Papiers, auf dem seine Höhe oder gar sein Überflügeln des westlichen verzeichnet sind, weit unter dem der westlichen Länder liegt, ist es für den Osttechniker nicht einmal ein großes Opfer, sich im Lebensstil bescheiden zu zeigen. Auch für die Methoden der Arbeit gilt ähnliches: der westliche Techniker oder Werkmeister ist in der Praxis einfach daran gewöhnt, von seinem Mitarbeiter ein beachtliches Maß an Disziplin, Fertigkeit, Werktreue, Zeit-und Materialökonomie vorauszusetzen; wenn sie nicht da sind, wird er ungeduldig, begibt sich auf den Plan des sturen Befehls. Die Techniker des Ostens der mittleren und unteren Sparten haben da ein, ebenfalls aus ihrer Erfahrung verständliches, sicheres Mittel der Geduld, oft sogar östlicher Passivität. „Das Morgenland fängt da an, wo es heißt: morgen, morgen!“, das ist eine Metaphe voller Lebensweisheit in vielen Landstrichen, und manches geht auch wohl besser mit dieser Methode als mit der Komplikation durch psychologischen Sand in den Maschinen.

Der Ostblock hatte schon rechtzeitig erkannt, daß Arbeit in der technischen Hilfe gründliche Spezialausbildung und reichhaltiges gutes Menschenmaterial voraussetzt. Zunächst bestehen in den Oststaaten durch Stipendien, Förderung der Hoch-und Fachschulbildung ganz andere Reservoirs der Auswahl und Auslese als im Westen.

Die Arbeit im Ausland gilt im Osten als eine ganz besondere Auszeichnung, die der Karriere so etwas wie einen Ehrengrad verleiht. Meistens ist auch das Leben für den Sowjetmenschen, abgesehen vom Lebensstandard, in den anderen Ländern weitaus angenehmer als im Inland. Er ist herausgehoben aus der grauen Masse des sowjetischen Alltags, befreit auch von der ermüdenden politischen Praxis. Keineswegs ist der sowjetische Techniker im Ausland heute ein wohlfeiler kommunistischer Propagandist a priori: diesen Fehler haben die Ostleute schon abgestellt; aber als Vertreter seines Systems, dessen Überlegenheit er mit der Muttermilch eingesogen hat. Bevorzugter seiner Auswahl und immer Kontrollierter in der Gemeinsamkeit ist seine stumme Propaganda laut genug. Die beiden staatlichen Organisationen „Technoexport“ und „Technopromexport“, denen ein wichtiger Teil der technischen Hilfe im Zusammenhang mit dem Außenhandel untersteht, sind mustergültig in der Heranziehung einer sehr breiten Schicht von auslandskundigen und auslands-freudigen Technikern. Dagegen sind die Ausländsabteilungen der westlichen Großfirmen, denen ja im wesentlichen die Gestellung von Fachleuten für die Technische Entwicklungshilfe obliegt, bescheidene Kindergärten, die meist nur auf dem Spezialgebiet ihrer Industrie ein paar Leute heranziehen können. Die Stellung des deutschen Auslandskaufmanns oder Auslands-technikers ist problematisch: Selten gewährt ihm die diplomatische Vertretung volle politische oder gesellschaftliche Unterstützung, weil sie — auch das erscheint uns leider noch oft natürlich — die Dinge unter privatkapitalistischem Nenner sieht. Da sind die Sowjets anders auf Draht. „Alle abgeschlossenen Vereinbarungen über technischen Beistand an die schwach entwickelten Länder seitens der Sowjetunion“, führte Skatschkow, Vorsitzender des Staatlichen Komitees des Ministerrats der UdSSR für Auslandsbeziehungen und der für die Entwicklungshilfe zuständige Mann, Anfang dieses Jahres aus, „beinhalten auch die Beteiligung der UdSSR an der Beteiligung von nationalen Kadern für die Betriebe, die in diesen Ländern gebaut werden. Praktisch beginnt diese Beteiligung an der Ausbildung von Fachleuten bereits mit den Vor-und Untersuchungsarbeiten für den Bau dieses oder jenes Objekts und wird später im Verlauf der Projektierung von Objekten und der Prüfung dieser Entwürfe sowie auch während des Baues und bei der Montage der Betriebsausrüstung fortgesetzt. Mit Hilfe der Sowjetunion werden im Irak, in der Vereinigten Arabischen Republik, in Afghanistan und in Guinea mehr als vierzig Lehrzentren errichtet, die auch mit sowjetischen Lehrmitteln und Ausrüstungsgegenständen ausgestattet sind. Hier unterrichten sowjetische Fachkräfte. Hier werden Fachleute für die Metallindustrie, für Betriebe der Energieerzeugung, Baggerführer, Traktoristen, Fachkräfte für Flugwesen, Seefahrt, Kraftverkehr und andere Wirtschaftszweige geschult.“ . . . „Heute sind in Bhilai über 700 indische Ingenieure und Facharbeiter, die in der Sowjetunion ein Betriebspraktikum absolviert haben, erfolgreich tätig. Während der Bau-und Montage-arbeiten sind mit Hilfe sowjetischer Fachkräfte einige tausend indische Fachkräfte ausgebildet worden". Gerade der Fall Bhilai ist hier besonders instruktiv: Schon vor und während der Inbetriebnahme wurde das sowjetische Personal ausgewechselt, das schon mehr als reichlich zur Verfügung stand. Es wurde (neben dem indischen) ein sowjetisches technisches Personal für ähnliche Aufgaben herangezogen, das für die dreifache Kapazität ausreichte, und das einen Ausbilderstab für einige neue Betriebe ausmachte. Im Gegensatz zur langen und sehr sorgfältigen, manchmal viel zu komplizierten Ausbildung des deutschen Diplomingenieurs in Dingen, die er nach dem Studium gar nicht mehr verwendet, ist die sowjetische Ingenieurausbildung kurz und spezialisiert; sie beläßt die Lehre und Forschung auf höherer Ebene der Akademie.

Die Schätzungen über das für die technische Hilfe des Ostblocks zur Verfügung stehende Menschenmaterial gehen natürlicherweise stark auseinander. Man wird nach Vergleich der Schätzungen und der ihnen zugrunde liegenden Maßstäbe nicht fehlgehen, wenn man rund 10 000 östliche Fachleute auf der höheren Ebene, etwa ebensoviel auf der mittleren und etwa 20 000 auf den unteren Ebenen annimmt, — zusammen also rund 40 000. Das sind Zahlen, die für den Westen ebenso unerreichbar erscheinen wie die finanziellen Leistungen des Westens für den Osten. Der Westen hat dem noch wenig Analoges entgegenzusetzen. Er hat Firmenvertreter, Sachverständige auf Zeit, Techniker und Spezialisten, die die Arbeit in den Entwick-lungsländern als vorübergehende, nicht immer erfreuliche Strapaze ansehen. Eine Koordinierung darin besitzt er schon gar nicht. Im Rourkela-Projekt wurde nicht einmal gemeinsam geplant. Das Kennedysche Freiwilligenkorps hätte — als eine Art nationaler oder internationale Aufgabe, als einen Ehrendienst für die Zukunft — größere Bedeutung gewinnen können, wenn es nicht von Anfang an den Stempel eines gewissen Snobismus getragen hätte, das was ausgerechnet am wenigsten am Platz war. Der Osten verfügt über ein breites Menschenmaterial in der technischen Hilfe, das anpassungsfähig, psychologisch wirksam und unkompliziert arbeitet. Es ist sicherlich nicht übertrieben, festzustellen, daß der Osten durch seine Methoden und Menschen der technischen Hilfe dem Westen in den Entwicklungsländern weitaus überlegen ist und so manche Dollar-Milliarden wettmacht.

Wissenschaft und Kultur

Nicht also Geld und materielle Hilfsmittel allein werden das Gewicht der Entwicklungshilfe bestimmen, sondern viel eher die Menschen. Sie in ausreichendem Maße zur Verfügung stellen zu können, wird wesentlich von der Schul-, Fach-und Hochschulbildung der Staaten abhängen. Eine Binsenwahrheit, daß die Sowjets und die anderen sozialistischen Staaten auf dem besten Wege sind, hier den Wettbewerb mit dem Westen schon jetzt erfolgreich aufzunehmen. Auf der „Ersten Allunionskonferenz der sowjetischen Universitäten" im Juli 1961 nannte der sowjetische Minister für das Hoch-und Fachschulwesen W. P. Jeljutin in seinem Referat folgende Zahlen: „In den Jahren der Sowjetmacht sind 4, 8 Millionen junge Spezialisten auf Hochschulen ausgebildet worden“. „Gegenwärtig studieren an den Hochschulen der Sowjetmacht 2 400 000 Studenten, das sind mehr als doppelt soviel wie an den Hochschulen aller kapitalistischer Länder Europas zusammen". . . „In der Volkswirtschaft stehen zur Zeit 3, 6 Millionen Menschen mit Hochschulbildung, darunter 1, 4 Millionen Lehrer und Absolventen von Kulturfakultäten, 400 000 Ärzte; besondere Aufmerksamkeit gilt der Ausbildung von Ingenieuren und technischen Kadern: waren 1928 in der Volkswirtschaft 47 000 Diplomingenieure tätig, so jetzt 1 116 000 Ingenieure. Heute sind in unserer Volkswirtschaft mehr als doppelt soviel Diplom-Ingenieure tätig, als in den USA. Bedeutend ist auch die Zahl der Spezialisten mit höherer wissenschaftlicher Agrar-Ausbildung, es gibt ihrer bei uns mehr als 240 OOO"... „Vor der Revolution gab es in Kasachstan, Usbekistan, Kirgisien, Tadschikistan und Turkmenien keine Hochschulen. Gegenwärtig werden in diesen Republiken ungefähr 240 000 Studenten ausgebildet. Auf 10 000 Einwohner in diesen Republiken entfallen 92 Hochschulstudenten; in Frankreich zählen wii auf 10 000 Einwohner nur 40 Studenten, in Italien 34, in Westdeutschland 31 (die Zahl ist veraltet: es sind heute 42! der Vers.) Immerhin. Das ist ein gewaltiges Reservoir, aus dem geschöpft werden kann, und von der runden Viertelmillion Studenten der letztgenannten Universitäten werden einige Tausend sehr assimilierungsfähig in Asien arbeiten können. Wir wollen hier nicht auf die graduellen Unterschiede der Hochschulausbildung hüben und drüben eingehen, über die manches zu sagen wäre, wobei, wie schon an anderer Stelle gesagt, eine der wichtigsten Aufgaben der deutschen Universität, die Verbindung von Lehre und Forschung, in der Sowjetunion der Akademie überlassen ist, dort allerdings in hervorragender Auslese. Es leuchtet aber ein, daß die meisten dieser Hochschulabsolventen für die Arbeit in den Entwicklungsländern gut geeignet sind, da durch die sowjetische Hochschulreform von 1958 „Die Verbindung von Schule mit dem praktischen Leben auf allen Stufen" der sowjetische Student während der ganzen Zeit seines Studiums mit Praxis, Produktion und den Menschen in der Arbeit verbunden bleibt. Es bedarf meistens nur eines kurzen Zusatzstudiums. Betont muß noch einmal werden, daß für sie alle die Arbeit im Ausland eine besondere Ehre und fast die Gewißheit schnellen Aufstiegs bedeutet. Neben der Fachausbildung dem für die Arbeit in den Entwicklungsländern bestimmten Menschen für spezielle Länderkunde zu vermitteln, war seit den ersten fünfziger Jahren Bestreben der sowjetischen Institute und Hochschulen. Die Asienforschung, obwohl bis dahin schon auf hohen Niveau, wurde nach dem XX. Parteitag mit außerordentlich hohen Mitteln ausgestattet, und 1959 hat auch das „Afrika-Institut“ seine Arbeit in sehr breitem Rahmen ausgenommen. Die Orientalistik wird heute nicht nur von den Instituten für Orientkunde bei der Akademie der Wissenschaften und an den Universitäten von Moskau und Leningrad betrieben, sondern auch an den Instituten der Akademien von Usbekistan und Aserbeidschan, Grusien, Kasachstan, Tschadschikistan, Armenien und den Universitäten aller sowjetischen Ostrepubliken. Auf neuer Grundlage entwickelte sich die Afrikanistik. Außer zwei Zeitschriften „Probleme der Orientkunde“ und „Der gegenwärtige Orient“ erscheinen eine bedeutende Zahl periodischer Veröffentlichungen. . . „Es ist kennzeichnend, daß allein der Spezialverlag für Orientliteratur jeden 2. bis 3. Tag eine Orientalisten-Arbeit herausbringt" („Probleme der Orientkunde 4/1959 nach K. Müller). Aus demselben Bericht ist zu entnehmen, daß im neuen SiebenjahresPlan kein Entwicklungsland für die Untersuchung seiner Geschichte, seiner wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse vergessen ist. Allein 50 Wissenschaftler leiten nach diesem Arbeitsplan verschiedene Forschungsteams der Ostkunde. In der Zeit von Januar 195 8 bis September 1959 sind in den Instituten der UdSSR, ohne die Veröffentlichungen des Instituts für Orientalistik und anderer Stellen, die sich mit Orientalistik und Afrikanistik befassen, insge-samt 650 Beiträge (ohne Zeitungsartikel) über Probleme der Entwicklungsländer (China nicht eingerechnet) in der UdSSR veröffentlicht worden (nach demselben Bericht).

Besonderen Rang unter den Bildungsinstituten der Sowjetunion, die auf eine Wirkung in den Entwicklungsländern ausgerichtet sind, nimmt die vor einem Jahr, am 1. 10. 1960 in Moskau auf Chruschtschows Initiative gegründete „Völkerfreundschafts-Universität“ ein, er kommt auch schon durch die Ernennung Prof. Dr. Sergeij Wassliljewitsch Rumanzjews zu ihrem Rektor zum Ausdruck, der 1955 Minister für Hochschulbildung und Minister für Hoch-und Fachschulwesen war. Sie ist für 4 000 Studenten aus den Entwicklungsländern gedacht und umfaßt alle Fakultäten. Das Studium ist kostenlos, dem Studierenden werden Stipendien, freie Gemeinschaftswohnung und sonstige Betreuung gewährt. Die Universität übernimmt die Reisekosten vom Heimatland nach Moskau und zurück. Rektor Rumanzjew teilte Mitte November mit, daß sich um die 500 Plätze des ersten Semesters 43 500 (!) Studenten aus aller Welt beworben hätten. Das erste Semester begann dann mit 650 Studenten aus 65 Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, für die nicht weniger als 160 Lehrkräfte zur Verfügung standen. Im zweiten Semester waren es bereits über 1 000 Studenten.

Dabei soll die Völkerfreundschaftsuniversität nicht das übliche und bisherige Ausländerstudium in der Sowjetunion an sich ziehen, sondern dieses, besonders soweit es als Studentenaustausch in Kulturabkommen festgelegt ist, bleibt den verschiedenen Universitäten erhalten. Die Zahl dieser ausländischen Studenten hat Hochschulminister Jeljutin mit 12 000 angegeben.

Sowjetische Kulturabkommen bestehen seit einigen Jahren mit den meisten Entwicklungsländern, und sie werden, wie berichtet wird, mit besonderer Intensivität abgewickelt und erweitert. Sie sehen den Austausch von Wissenschaftlern, Dozenten, Studenten, Fachschülern, Künstlern und Sportlern vor, ferner den von Büchern, Filmen, Radio-und Fernseh-Programmen. Der Ausbildung von Praktikanten gilt eine besondere Sorge: Allein für den Irak besteht eine Vereinbarung zur Ausbildung von 4 000 (!) Fachkräften der Landwirtschaft in der Sowjetunion. In ganz hervorragendem Ausmaß hat sich die UdSSR bei ihrem technischen Hilfsprogramm auf die Errichtung von Schulen, Bildungsinstituten, Polytechniken und Lehrzentren bemüht, ebenso um die Organisation von Seminaren und Kursen, sei es in der Sowjetunion, sei es unter sowjetischen Kräften in den einzelnen Ländern. Hier ist das Polytechnikum in Bombay und ganz besonders in Guinea zu erwähnen, das mit 1500 Studenten ein bedeutungsvolles panafrikanisches Zentrum wird, eine technische Hochschule in Ambon (Indonesien), 15 Studienzentren in der VAR, einer Gewerkschaftsakademie in Conakry und andere.

Auch die anderen Ostblockstaaten folgen auf diesen Pfaden. Eine Schulreform nach sowjetischem Muster ist in ihnen allen durchgeführt worden, die wie diese die Verbindung zwischen

Schule und Produktion auf allen Stufen reglementiert. Auch hier gibt es in der gegenüber der Vorkriegszeit stark vergrößerten Zahl von Studierenden eine ziemliche Reserve für spätere Auslandstätige (so hat Polen mit 30 Millionen Staatsbürgern rund 175 000 Studierende, gegenüber 215 000 Studenten auf 53 Millionen Bewohner der Bundesrepublik). Die Universitäten tragen späterer Arbeit ihrer Studenten in Entwicklungsländern durchaus Rechnung, ebenso wie sie sich bemühen, Studenten aus Entwicklungsländern große Möglichkeiten zu bieten. Hier sei nur kurz erinnert an das Institut für Ausländerstudium an der Leipziger Karl-Marx-Universität, dem in diesem Jahre der Name Herders gegeben wurde. Dort studieren jetzt rund 500 Studenten, vor allem aus afrikanischen Ländern. Der stellvertretende Hochschulminister Tschersitz hat vor kurzem bekannt gegeben, daß jeder Student aus afrikanischen Entwicklungsländern auf eine jährliche Hilfe von 10 000 Ostmark rechnen könne, wenn er in der Zone studiere. Erwähnenswert ist weiter das „Institut für Wirtschaftsstudien" in Prag, das für den Ostblock die Tradition der Wiener Wirtschaftsakademie aufnehmen soll. In Budapest besteht eine Gewerkschaftshochschule des Weltgewerkschaftsbundes zur Ausbildung von Gewerkschaftsfunktionären aus Afrika. In Kuba soll in Kürze eine große Hochschule für Studenten aus den lateinamerikanischen Ländern von der Sowjetunion errichtet werden.

Es liegt auf der Hand, daß das breite Bildungssystem des Ostblocks sich nicht nur in erheblichem Umfang der Spezial-Ausbildung später in den Entwicklungsländern Tätiger, sondern auch der wissenschaftlichen Arbeit und Vertie-fung der Kenntnisse über Probleme der Entwicklungsländer angenommen hat. Die Sowjetunion allein hat auf diesem Gebiet riesige Investitionen vorgenommen, neben denen sich die des Westens mehr als kläglich ausnehmen. Eine sinnvolle Verwendung der großen Kapitalien, die die westlichen Länder für die Entwicklungshilfe aufwenden, würde in erster Linie bedingen, im eigenen Land ausreichende und aussichtsreiche Möglichkeiten des Hoch-und Fachschulstudiums für die spätere Arbeit in den Entwicklungsländern zu schaffen, für Studenten aus Entwicklungsländern großzügige, ihnen aber auch angepaßte Einrichtungen zu erstellen, endlich in den Entwicklungsländern selbst mit Bildungsstätten aufzutreten. Nur so könnten sie einigermaßen auf dem Gebiet bestehen, auf das der Osten seine Kräfte zielstrebig konzentriert, Menschen, ausgebildete Menschen in Hülle und Fülle für und in den Entwicklungsländern zur Verfügung zu haben.

Das gilt insbesondere für die Bundesrepublik Deutschland: Nicht nur in den dirigierten Blättern des Ostblocks, sondern auch des öfteren in den Zeitungen der freien Entwicklungsländer kann man die hämische Feststellung finden, daß das einst für seine Schulen aller Art berühmte Deutschland „heute nicht imstande sei, seine Bildungsfragen zu lösen“; „Deutschlandhatzwar das Wirtschaftswunder auf die Beine gestellt, aber zu einer Reform seiner veralteten und engen Hochschulen hat es noch keine Kraft gefunden. Das ist besonders für uns in Lateinamerika schmerzlich, in dessen Staaten viele hervorragende Männer ihre Universitätsbildung deutschen Hochschulen verdanken“ — so „El Mundo“ in Buenos Aires.

Kontakt-Organisationen

Für die Wirkung der östlichen Entwicklungshilfe und die Gegenwirkung gegen die des Westens sind in den Entwicklungsländern von unschätzbarer Bedeutung die verschiedenen Kontakt-Organisationen, die mit kommunistischer Hilfe entstanden sind. Sie sind nicht kommunistisch im eigentlichen Sinne, sondern geben sich zumeist national und vor allem antikolonialistisch, wenn sie auch vielfach kommunistisch durchsetzt sind. Hier wäre besonders die „Solidaritätsbewegung der Völker Asiens und Afrikas“ zu nennen, die vor der Bandung-Konferenz 195 5 entstanden, zu erheblicher Wirkung kam, als Nasser ihr 1957 Unterstützung zusagte. Ihre Konferenz 1958 in Kairo versammelte bereits 500 Delegierte aus mehr als 40 afrikanischen und asiatischen Staaten. Im kommunistischen Orbit stehen dann Organisationen wie die der „Panafrikanischen Jugendbewegung“, ein Anhängsel des (kommunistischen) Weltjugendbundes, die ihren ersten „Panafrikanischen Jugendfestival“ noch in diesem Winter in Conakry abhalten will, und zwar als Einweihung des von den Sowjets geschenkten 25 000 Menschen fassenden Stadions. Sodann sind in dieser breiten Skala eine „Frauenliga Asiens und Afrikas", eine „Aktionsgemeinschaft der Schriftsteller und Journalisten Asiens und Afrikas“ und ähnliche Organisationen vorhanden. Die kommunistische Internationale hat sich seit ihrer Gründung immer solcher krypto-kommunistischer oder in bestimmten Dingen gelenkter Gebilde bedient, das hat sich auch nach Liquidierung der Komintern und Kominform nicht geändert. Ihre Aufgabe in der Entwicklungshilfe-Politik besteht vor allem darin, die westliche Entwicklungshilfe zu diskreditieren, sie nach den bewährten Schemen „Neokolonialismus“, „Imperialismus“, „Monopolkapitalismus“ der sowjetischen Propaganda suspekt zu machen, der östlichen aber jenen uneigennützigen und zukunftsträchtigen Anstrich zu geben, der von den Sowjets gewünscht wird. Wenn man den „Panafrikanischen Kongreß" in Kairo zu Anfang dieses Jahres verfolgt hat, mußte man eingestehen, daß sie dabei mehr als erfolgreich waren. Ähnlich wirkt in dieser Richtung für die Entwicklungshilfe ein altes Instrument der Sowjets, die gegenseitigen Gesellschaften, so die „Gesellschaft für indisch-sowjetische Freundschaft", die „Gesellschaft für Freundschaft und kulturelle Beziehungen der Sowjetunion zu den Ländern des arabischen Ostens", die „Gesellschaft für Freundschaft mit den Ländern Afrikas", die „Russisch-mexikanische Gesellschaft" und ähnliche in den meisten Ländern, ergänzt durch ähnliche der Ostblockstaaten, die sich auch um die zahlreiche Emigration aus diesen Ländern bemühen. Ihre Rolle liegt vor allem in der Ermöglichung gesellschaftlicher Kontakte für die sowjetischen Experten, der Orientierung über wesentliche Vorgänge in Politik und Wirtschaft, so natürlich über alle mit den Entwicklungshilfen zusammenhängenden Problemen, der Förderung sowjetischer Projekte und der allgemeinen Public-Relations des Ostblocks. Da sie zahlenmäßig nicht gering sind, dem Snobismus und dem Geltungsbedürfnis vieler Leute entgegenkommen, von den sowjetischen Botschaften oder den Missionen der anderen Ostblockländer stark gefördert werden, ist ihre Einwirkung nicht gering, vor allem eine der besten Informationsquellen über Dinge der Entwicklungshilfe. Man vergleiche sie nicht mit unseren „deutsch-. . . ischen Gesellschaften“, in denen sich ein paar Interessenvertreter gelangweilt verlustieren.

Sehr wesentliche Bedeutung dürfte in den Entwicklungsländern schon heute und noch viel mehr den Gewerkschaften zukommen, als den Vertretern des Produktionsmittels Arbeit: hier haben die Sowjets die „Transmissions-riemen-Funktion"

der Gewerkschaften sehr sorgsam vorbereitet. Mit ihnen wird auch der Widerpart gegen westliche Bindungen durch die Entwicklungshilfe in einigen Ländern Afrikas aufgebaut. Im Afrika südlich der Sahara ist keine nationale Bourgeoisie vorhanden, wie es sie z. T. in Asien gab, auch sonst haben sich keine Besitzklassen herausbilden können; die Gewerkschaften allein (in einigen Fällen mit gewisser Tradition aus der Abhängigkeitszeit) werden also ein entscheidender politischer und wirtschaftlicher Faktor sein, das sie das wertvollste Produktionspotential, die Facharbeit kontrollieren, das in dem sich entwickelnden Staatskapitalismus und seiner Verfügungsgewalt über Bodenschätze und Rohstoffe den Ausschlag geben werde. Sie sind dort auch wohl die einzige Schicht mit politischer Willensbildungskraft; die Verbundenheit mancher Führer in Afrika mit den Gewerkschaften gibt dafür den stärksten Hinweis. Sicherlich nehmen die Sowjets auch an, daß z. B. Sekou Toures Pläne einer panafrika-kanischen Gewerkschaftsunion eines Tages zwangsläufig in den klassenkämpferischen kommunistischen Weg münden. Das Rezept, den Westen in der Entwicklungshilfe vorläufig zu erpressen, ihn in der Weltpolitik zu sabotieren und sich zum kaum noch getarnten Vorkämpfer Moskaus zu machen, befolgen gerade die auf den Schultern der Gewerkschaften zur Macht gekommenen Führer Afrikas am gelehrigsten. Ghana und Guinea stehen dann allerdings auch im Mittelpunkt sowjetischer Entwicklungsanstrengungen, wozu neben Anlagen und Schulen auch ein 100 kw-Sender als Geschenk der Sowjetunion gehören und eine panafrikanische Gewerkschaftsakademie.

Public-Relations

Bei allen Kategorien der östlichen Entwicklungshilfe fiel bereits auf, daß sie immer auf Wirkung hinzielten, ja daß der beabsichtigte Effekt fast ihr Bestandteil war. In der Tat liegt wohl die Öffentlichkeitsarbeit, die „public relations“ -Bemühungen des Ostblocks in der Entwicklungshilfe und den Entwicklungsländern um Längen voraus, während die des Westens großen Rückstand aufweisen.

Die Presse-Referate der sowjetischen Botschaften und anderen Missionen der Ostblockstaaten sind fast ohne Ausnahme in den Entwicklungsländern stärker besetzt, als die der westlichen Presse-Abteilungen zusammen. Es liegt auf der Hand, daß die Presse und der Buchdruck des freien Westens manchmal eigenwillige Blüten treibt. Die Sowjets sorgen schon dafür, daß sie publik werden; das war zum Beispiel der Fall bei einer westdeutschen Veröffentlichung einer Illustrierten über Indien, wo sich der Berichterstatter (ein angesehener Schweizer übrigens) wenig zuversichtlich über die Fähigkeiten der Inder geäußert hatte, Entwicklungshilfe sinnvoll zu verwenden. Bei der purifizierten Propaganda des Ostens kommt dergleichen wohl kaum vor. Es wäre zu simpel, die Öffentlichkeitsarbeit der Ostblöckler in den Entwicklungsländern als politisch-kommunistische Propaganda schlechthin abzutun. Das ist sie keineswegs allein. Sie umfaßt alle Lebensbereiche und Interessen, wenngleich sie natürlich ihre stärksten Argumente aus sozialen Lebensbereichen, nationalen Komplexen und antikolonialen Ressentiments bezieht. Man vergleiche einmal die östlichen Sendungen für die Entwicklungsländer mit denen des Westens, und man ermißt die tragische Reichweite: leider schlagen die Sendungen aus der Bundesrepublik oder ihre Bänder für Entwicklungsländer alle traurigen Rekorde. Die Publikationen der Sowjets für die Entwicklungsländer sind sicherlich manchmal primitiv im Text, und nicht aufwendig ausgestattet. Ein Bericht eines parlamentarischen Gremiums des Bundestages beziffert die Zahl der von den Sowjets in den Entwicklungsländern verbreiteten Bücher auf vierzig Millionen Bände jährlich! Dazu kommt ein eifriger Filmdienst: auch hier eine, leider nicht ergötzliche, westdeutsche Variante: in einer afrikanischen Hauptstadt veranstaltete eine offiziöse bundesdeutsche Stelle eine Art „Werbeabend" für Entwicklungshilfe; als lustige Untermalung bot sie den Film „Quax, der Bruchpilot“ dar. Rundfunksender gehören zu den gern gewählten Geschenken der Sowjetunion: so der 100 kw-Sender in Conakry, einer in Djakarta, ein anderer in Afghanistan; auch Druckereien gehören dazu, so eine im Irak und eine Schulbuchdruckerei in Indien. Das Stadion für den panafrikanischen Jugendfestival wurde bereits erwähnt. Sicherlich wird die Arbeit der Sowjets durch den Linksdrall vieler junger Intellektueller in Zeitungen, Zeitschriften, Sendern und Kulturinstitutionen erleichtert, und sicherlich wird hier auch viel nachgeholfen. Im Vergleich zu der westlichen Kapitalhilfe sind die Ausgaben des Ostens für ihre public rela-tions-Arbeit sicher „kleine Fische“, die Fischlein des Westens aber sind noch winziger, magerer und unscheinbarer, so unbegreiflich das auch scheint. Die Erfolge der Öffentlichkeitsarbeit der Ostblockstaaten in den Entwicklungsländern zu leugnen, wäre ebenso verderblich, wie zu verkennen, daß mit gar nicht so großen Mitteln vom Westen, mit gutem Willen, Takt und psychologischer Einfühlung, Erhebliches und Nützliches getan werden könnte. Die Bilanz des Senators Green vom Ein-Zehntel-Effekt der westlichen gegenüber der östlichen Entwicklungshilfe beruht nicht zuletzt auf dem Versagen in der Öffentlichkeitsarbeit in und für die Entwicklungsländer.

Politik und Zeitgeschichte

AUS DEM INHALT DER NÄCHSTEN BEILAGEN:

Joseph M. Bochenski: „Sowjetologie"

R. Bogatsch: „Hitler und die Kriegführung im Mittelmeerraum"

Ludwig Dehio: „Deutschland und das Epochenjahr 1945"

Hans-Jürgen Eitner: „Mao Tse-tungs Kriegsphilosophie"

Romano Guardini: „Der Glaube in unserer Zeit“

Jens Hacker: „Osteuropa-Forschung in der Schweiz"

Hans Kohn: „Die Idee des Nationalismus"

Helmut Krausnick: „Unser Weg in die Katastrophe von 1945“

Frederic Lilge: „Makarenko"

Carl Günther Schweitzer: „Hat die Weltgeschichte einen Sinn?"

Karl Seidelmann: „Der Generationsprotest der Jugend-bewegung in gegenwärtiger Betrachtung"

Karl C. Thalheim: „Die Wachstumsproblematik der Sowjetwirtschaft"

Egmont Zechlin: „Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche" (IV. Teil)

Franz Theodor Zölch: „China in Tibet"

Fussnoten

Weitere Inhalte