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„Errungenschaften" Zur Geschichte eines Schlagwortes unserer Zeit | APuZ 37/1961 | bpb.de

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APuZ 37/1961 „Errungenschaften" Zur Geschichte eines Schlagwortes unserer Zeit

„Errungenschaften" Zur Geschichte eines Schlagwortes unserer Zeit

MATTHIAS/SCHIERBAUM

Als Chruschtschow im Sommer 1955 die Rückreise von der Genfer Gipfelkonferenz in Ostberlin unterbrach, um demonstrativ die unveränderte Haltung der Sowjetunion zur Frage der deutschen Wiedervereinigung zu bekunden, berief er sich auf die Errungenschaften der Bevölkerung in der ,, Deutschen Demokratischen Republik", die nicht angetastet werden dürften. Diese Argumentation, die Molotow auf der zweiten Genfer Konferenz im Herbst des gleichen Jahres übernahm, fand ein überwältigendes Echo in der Propaganda des SED-Regimes. Dadurch wurde auch in der Bundesrepublik die Aufmerksamkeit auf das jenseits der Elbe unablässig bemühte Schlagwort gelenkt, das seither seinen Platz in der gesamtdeutschen Diskussion behauptet hat. Dieser Sachverhalt gab den unmittelbaren Anlaß für die Entstehung dieser Untersuchung, die von anderen Voraussetzungen ausgeht als die Zeitungsartikel, Zeitschriftenbeiträge und Broschüren, in denen sich die westdeutsche Publizistik mit den Errungenschaften auseinandergesetzt hat.

Die Untersuchung vernachlässigt bewußt die als Errungenschaften bezeichneten, teils realen, teils imaginären Größen auf ihren materiellen Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen. Sie glaubt das verantworten zu können, als zahlreiche Spezialarbeiten über die wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse in Mitteldeutschland vorliegen. Notwendiger erschien vielmehr eine unbefangene Analyse der ideologischen, politischen und psychologischen Funktionen des Schlagwortes zu sein, die auf anderer Ebene eine Widerlegung der Propagandathesen des SED-Regimes einschließt.

Eine solche Untersuchung kann den begriffs-und wirkungsgeschichtlichen Unterbau nicht entbehren. Deshalb werden hier geschichtliche Darstellung und Funktionsanalyse miteinander vereinigt, um in der Verfolgung dieses Zieles zugleich das Bezugssystem aufzudecken, das die Absichten und psychologischen Möglichkeiten der Errungenschaftspropaganda der SED in ihrer wirklichen Größenordnung sichtbar macht.

Die Untersuchung (von der in der letzten Ausgabe der Beilage die Kapitel VII u. VIII veröffentlicht wurden, und von der in dieser Ausgabe die Kapitel IX u. X erscheinen) zeigt, wie der alte juristische terminus technicus des 19. Jahrhunderts eine neue Bedeutung gewinnt, die den Begriff zu einem Attribut des Fortschrittsdenkens macht. Der politische, der technisch-wissenschaftliche und der soziale Fortschritt bemächtigen sich seit der Revolution von 1848 nacheinander des Modewortes Errungenschaften. In der Sowjetunion entwickelte sich das Schlagwort seit den Revolutionen des Jahres 1917 zu einem Schlüsselbegriff der kommunistischen Vulgärdialektik und zu einem planmäßig eingesetzten Hilfsmittel totalitärer Menschenführung. In dieser Eigenschaft wurden die Errungenschaften nach dem zweiten Weltkrieg im Zuge der Übertragung des sowjetischen Vorbildes auf die sogenannten Volksdemokratien ebenso wie in die übrigen Satellitenstaaten auch in die deutsche Sowjetzone exportiert.

Auf dem ganzen Weg, den die Untersuchung abschreitet, bleibt der moderne Errungenschaftsbegriff unablösbar an den übergreifenden Begriff des Fortschritts gebunden. Dabei wird deutlich, daß das Schicksal des Errungenschaftsbegriffes im bolschewistischen Bereich in mancher Hinsicht der Entwicklung ähnelt, die er im deutschen Fortschrittsdenken des 19. Jahrhunderts erfahren hat. Wie in der Sprache der deutschen Revolution von 1848 drücken die Errungenschaften auch im ursprünglichen Sprachgebrauch des revolutionären Bolschewismus den Inbegriff politischer Freiheit aus. Die begriffsgeschichtliche Analyse vermag zu zeigen, wie die Errungenschaften, deren wesentlicher Inhalt ursprünglich Freiheit heißt, in der marxistisch-leninistischen Spielart des Fortschrittsdenkens immer mehr von ihrer freiheitlichen Substanz einbüßen, wie sie in diesem Denken den Platz der Freiheit usurpieren und zu einem Surrogat der Freiheit werden.

Errungenschaften, sowjetische Deutschlandpolitik und Wiedervereinigungskonzeption der SED

Durch die Genfer Konferenz vom Juli 195 5, die im Zeichen einer sich ankündigenden allgemeinen Entspannung der Weltlage zustandegekommen war, wurde die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands erneut auf die T vgesOrdnung gesetzt. Wenn auch die Verhandlungen zwischen den Regierungschefs der vier Mächte kein greifbares Ergebnis brachten, so waren doch die von ihnen beschlossenen Richtlinien für die Außenminister, die im Herbst, wiederum in Genf, zusammentreten sollten, um die Beratungen fortzuführen, derart formuliert, daß für die Lösung der deutschen Frage alle Möglichkeiten offen blieben.

Aber nur allzu schnell stellte sich heraus, wie wenig von sowjetischer Seite daran gedacht wurde, einzulenken oder ein für alle Teile tragbares Kompromiß anzustreben. Der sowjetische Parteichef Chruschtschow wartete nicht einmal ab, bis er die im Zeichen einer sich ankündigenden allgemeinen Entspannung der Weltlage zustandegekommen war, wurde die Frage der Wiedervereinigung Deutschlands erneut auf die T vgesOrdnung gesetzt. Wenn auch die Verhandlungen zwischen den Regierungschefs der vier Mächte kein greifbares Ergebnis brachten, so waren doch die von ihnen beschlossenen Richtlinien für die Außenminister, die im Herbst, wiederum in Genf, zusammentreten sollten, um die Beratungen fortzuführen, derart formuliert, daß für die Lösung der deutschen Frage alle Möglichkeiten offen blieben.

Aber nur allzu schnell stellte sich heraus, wie wenig von sowjetischer Seite daran gedacht wurde, einzulenken oder ein für alle Teile tragbares Kompromiß anzustreben. Der sowjetische Parteichef Chruschtschow wartete nicht einmal ab, bis er wieder in Moskau eingetroffen war, sondern benutzte die Rückreise von Genf zu einem demonstrativen Besuch in Ost-Berlin, um gerade hier zu verkünden, daß die Sowjetunion nicht gesonnen sei, ihren alten Kurs in der Deutschlandfrage ernsthaft zu überprüfen. Er beruhigte das durch die — in die Richtlinien für die Außenminister aufgenommene — Formel von der „Wiedervereinigung Deutschlands durch freie Wahlen“ aufgeschreckte Ulbricht-Regime mit der Versicherung, daß diese Frage „nicht auf Kosten der Deutschen Demokratischen Republik" gelöst werden dürfe und schob dabei die Interessen der mitteldeutschen „Werktäti-gen“ in den Vordergrund, die „sich nicht mit einem Standpunkt einverstanden erklären“ könnten, der „nur die Interessen der westlichen Ländergruppierungen zuungunsten der Deutschen Demokratischen Republik" berücksichtige. „Können die Werktätigen in der Deutschen Demokratischen Republik“, so fragte er rhetorisch, „auf die Beseitigung aller ihrer politischen und sozialen Errungenschaften, auf die Beseitigung aller ihrer demokratischen Umgestaltungen eingehen?“ Und er nahm die Antwort der „Werktätigen", denen es nie gestattet worden war und auch in Zukunft nie gestattet werden sollte, ihre Stimme in freien Wahlen zur Geltung zu bringen, vorweg, indem er betonte: „Wir sind überzeugt, daß sich die Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik niemals einverstanden erklären werden, einen solchen Weg zu gehen.“ 1)

Die hervorragende politische Bedeutung der Äußerungen Chruschtschows in Ost-Berlin wird dadurch unterstrichen, daß sich Ministerpräsident Bulganin in seinem Bericht über die Genfer Konferenz vor dem Obersten Sowjet in Moskau Anfang August 195 5 ebenfalls auf die „Errungenschaften der Werktätigen“ in Mitteldeutsch-land berief, um die Stellung der Sowjetunion zur deutschen Frage zu begründen 2). Es handelte sich also, wie auch das Echo in der sowjetischen Publizistik 3) zeigt, ohne jeden Zweifel um eine offizielle Sprachregelung, der eine ganz bestimmte Aufgabe zugedacht war, die sich unschwer umschreiben läßt.

Die Zweistaatentheorie

Der primär durch machtpolitische Motive bestimmte Wille der sowjetischen Staatsführung, die vorgeschobene mitteldeutsche Bastion nicht preiszugeben, erhielt durch den Hinweis auf die Errungenschaften nicht nur eine ideologische, sondern auch eine quasidemokratische Legitimation. Denn auf dem Umwege über die Errungenschaften machten sich die Sowjets zum Dolmetsch der gar nicht gefragten und zum Schweigen verurteilten „Werktätigen“ in Mitteldeutschland, deren Interessen bei einem „mechanischen Zusammenschluß der beiden Teile Deutschlands, die sich in verschiedenen Richtungen entwickeln" (das soll heißen: bei einem durch freie Wahlen zustandekommenden Zusammenschluß), nicht gewahrt werden könnten 4). Dieser Gedankengang hatte zugleich den Zweck, die Zweistaatentheorie 5), die sowohl den sowjetischen wie den sowjetzonalen Instanzen die staatsrechtlichen Argumente für ihre praktischen Vorschläge lieferte, moralisch zu untermauern. Der innere Zusammenhang zwischen der von Chruschtschow eingeleiteten ideologischen Aktion und der Erweiterung der sowjetzonalen Scheinsouveränität durch den am 20. September in Moskau unterzeichneten „Vertrag über die Beziehungen zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und der Sowjetunion“ die beide zur Vorbereitung des sowjetischen Auftretens auf der Außenministerkonferenz im Herbst dienten, ist nicht zu verkennen. Wenn wir uns der Reaktion der SED auf die sowjetische Sprachregelung zuwenden, so ist zunächst daran zu erinnern, daß damit nur ein Ton angeschlagen wurde, der dem sowjetzonalen Propagandaapparat längst vertraut war. Seit die Einheitspartei begonnen hatte, die Errungenschaften des Sowjetzonenregimes zu verherrlichen, hatte auch das Schlagwort in ihrer gesamtdeutschen Ideologie und in ihrer gesamtdeutschen Propaganda eine Rolle gespielt Je mehr die Errungenschaften in den Vordergrund der Propaganda getreten waren, desto sichtbarer war diese Rolle geworden. Auch nach dem 17. Juni 1953 hatte das Regime nicht davon abgelassen, von der gesamtdeutschen Bedeutung seiner Errungenschaften zu sprechen; und Ulbricht hatte zumindest so getan, als ob er sich von ihnen eine werbende Wirkung auf die Bevölkerung der Bundesrepublik verspreche Selbst in die Präambel des im Frühjahr 1954 angenommenen Parteistatuts der SED waren die „demokratischen Errungenschaften“ des „werktätigen Volkes“ der Sowjetzone als vorweggenommene Strukturelemente eines künftigen Gesamtdeutschland im Sinne der SED eingegangen. Gegenüber solchen weitreichenden Konsequenzen erscheinen die Stellungnahme Chruschtschows am 26. Juli 1955 in Berlin und die anschließenden auf den gleichen Tenor gestimmten sowjetischen Äußerungen der Folgezeit noch gemäßigt. Der Akzentunterschied, der sich hier zeigt, sollte sich in der Periode zwischen den beiden Genfer Konferenzen von 1955 noch verdeutlichen. Nach wie vor, aber mit einer Intensität, die ihre bisherige Errungenschaftspropaganda weit in den Schatten stellte, bediente sich die SED der Errungenschaften, um dem „Deutschland von gestern“ das „Deutschland von morgen“ gegenüberzustellen, das bereits heute „in der Deutschen Demokratischen Republik feste Gestalt angenommen" habe Sie begnügte sich nicht damit, wie Chruschtschow es getan hatte, die Erhaltung der sowjetzonalen Errungenschaften zu fordern, sondern bezeichnete die Veränderung der Verhältnisse in Westdeutschland als Vorbedingung der Wiedervereinigung. Nur auf diesem Wege, so betonte der damalige Propagandachef der Zonenregierung, Gerhart Eisler, in einem Artikel unter der Über-schrift: „Sechs Jahre Deutsche Demokratische Republik, die Errungenschaften der ganzen deutschen Arbeiterklasse und Nation", könne „aus dem fortschrittlichen Arbeiter-und Bauernstaat der Deutschen Demokratischen Republik und dem reaktionären westdeutschen Staat der Bundesrepublik wieder ... ein deutscher Staat mit einer gesamtdeutschen Regierung“ werden Nichts anderes besagen auch die Entschließung der 25. Tagung des Zentralkomitees der SED über „Die neue Lage und die Politik der SED“ vom 27. 10. 1955 und die einige Tage später von der Zonenregierung veröffentlichte Adresse „an das deutsche Volk“ und „an die Genfer Konferenz der Außenminister der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, der Vereinigten Staaten von Amerika, des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland, der Republik Frankreich“, die einen ganzen Katalog der Errungenschaften enthält, deren sich das SED-Regime rühmt

Errungenschaften als Kriterien des Fortschritts

Wenn es in der Entschließung vom 27. Oktober heißt, daß Verhandlungen zwischen den beiden Teilen Deutschlands keineswegs ergebnislos zu verlaufen brauchen, insofern sie nur „auf der Grundlage der Gleichberechtigung und der Achtung der beiderseitigen Interessen“ geführt würden und dadurch „keinerlei Beeinträchtigung der Errungenschaften der Werktätigen in der DDR“ erfolge, so lehnt sich zwar das Zentralkomitee mit dieser Formulierung eng an die relativ zurückhaltende Diktion der sowjetischen Sprachregelung an. Jedoch schnell genug schiebt sich in der Entschließung wieder der dynamische gesamtdeutsche Anspruch in den Vordergrund, den die SED ideologisch auf die Errungenschaften als Kriterien des Fortschritts gründet: „Ein friedliches und demokratisches Deutschland kann nicht durch einen mechanischen und formalen Vorgang, durch einen einfachen juristischen Akt entstehen, sondern kann und wird nur das Ergebnis des gemeinsamen Kampfes der Mehrheit unseres Volkes gegen die Kräfte des Militarismus sein ...

In einem solchen Deutschland wird das Rad der Geschichte nicht zurückgedreht werden, müssen die Errungenschaften der Werktätigen in der DDR fest verankert sein ...

Der Kampf um das einige, demokratische, friedliebende Deutschland beginnt heute damit, daß das werktätige Volk in der DDR die Errungenschaften seines friedlichen Aufbaus bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus durch neue Errungenschaften mehrt...

Die Fragen der Gestaltung des wiedervereinigten Deutschlands sind nicht Fragen, die erst später in einer gesamtdeutschen Nationalversammlung zur Entscheidung stehen, sondern Fragen, über die bereits heute . .. Entscheidungen gefällt werden.

Die DDR ist der rechtmäßige deutsche Staat, von dessen Erfolgen die Sicherung des Friedens und ein glückliches Leben des deutschen Volkes abhängen ...

Mit der Schaffung des volkseigenen Sektors in der Wirtschaft begannen die ökonomischen Gesetze des Kapitalismus ihre Wirkung zu verlieren, und die ökonomischen Gesetze des Sozialismus begannen zu wirken. Von der DDR geht der Fortschritt aus.

Die DDR ist der einzige souveräne deutsche Staat, in dem das wirtschaftliche und politische Leben nicht von ausländischen Monopolen kontrolliert und beeinflußt wird. Von der DDR geht die nationale Souveränität Deutschlands aus ...

Die DDR ist eine durch nichts aus der Welt zu schaffende Tatsache von großer historischer Bedeutung ... Ihre Existenz und ihre Festigung bilden auch eine grundlegende Voraussetzung für die Schaffung eines einheitlichen, friedlichen und demokratischen Deutschland des Volkes . . .

Das wichtigste Instrument zum Aufbau des Sozialismus, zur Organisierung des wirtschaftlichen und kulturellen Aufbaus, zur Erziehung der Massen für die aktive Mitarbeit des Sozialismus und zur Verteidigung der Errungenschaften der Arbeiter-und Bauernmacht ist der Staat ...

Es ist Aufgabe der SED, den ideologischen Kampf mit den reaktionären imperialistischen Ideologien zu führen, deren gefährlichste Brutstätte Westdeutschland ist. Auf der Grundlage der Lehre von Märx, Engels, Lenin und Stalin gilt es, in der DDR zu beweisen, daß die Arbeiter-und Bauemmacht eine höhere Form der Demokratie ist, die den Entwicklungsbedingungen in Deutschland entspricht ...“

Die Adresse der Zonenregierung zur Außenministerkonferenz ist auf die gleiche Tendenz zugespitzt. Sie erklärt eine Wiedervereinigung durch freie gesamtdeutsche Wahlen für solange als unmöglich, als die in der Bundesrepublik herrschenden Militaristen und Kapitalisten beabsichtigten, auf diesem Wege, den seinerzeit auch Hitler gegangen sei, „alle sozialen Errungenschaften der Werktätigen in der Deutschen Demokratischen Republik“ zu beseitigen. Es sei aber nicht nur „selbstverständlich, daß keine Wiedervereinigung Deutschlands möglich ist, die auf Kosten der sozialen, politischen und kulturellen Errungenschaften der werktätigen Menschen in der Deutschen Demokratischen Republik gehen würde“, sondern darüber hinaus müsse im künftigen einheitlichen Deutschland „garantiert sein, daß die demokratischen und sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse und aller Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik . .. sich frei entwickeln" könnten. Schon jetzt, behauptet die Zonenregierung weiter, gebe es auch in Westdeutschland „zahlreiche fortschrittliche Gewerkschaftler und Politiker“, die „ähnliche soziale und demokratische Errungenschaften" forderten, „wie sie in der Deutschen Demokratischen Republik seit langem bestehen“, und entwickelt auf Grund dieser fragwürdigen Legitimation einen Wiedervereinigungsplan, der die Übertragung der sowjetzonalen Errungenschaften auf die Bundesrepublik zum Inhalt hat.

Molotow auf der zweiten Genfer Konferenz

Wenn nach diesem sowjetzonalen Vorspiel auch Molotow die Errungenschaften auf der zweiten Genfer Konferenz in den Mittelpunkt seiner Argumentation stellte, so wird dadurch die Bedeutung, die ihnen für die ideologische Rechtfertigung der sowjetischen Deutschland-politik beizumessen ist, nachdrücklich unterstrichen. Insbesondere griff Molotow, genauso wie es die zitierte Adresse der Zonenregierung getan hatte, auf die Errungenschaften zurück, um die Ablehnung freier gesamtdeutscher Wahlen zu begründen: „Schließlich könnte eine mechanische Zusammenfügung der beiden Teile Deutschlands mittels sogenannter .freier Wahlen'... zur Verletzung der Lebensinteressen der Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik führen. Damit kann man nicht einverstanden sein. Man kann sich selbstverständlich nicht damit einverstanden erklären, daß den Werktätigen der DDR die Fabriken und Werke, der Boden und die Bodenschätze genommen werden ...

Was die Vorschläge anbelangt, die hier von den drei Westmächten unterbreitet wurden, so führen sie faktisch zum Wiedererstehen eines imperialistischen Deutschlands, das heißt zur Ausdehnung der Pariser Verträge auf ganz Deutschland, zur Wiederherstellung der Herrschaft der großen Monopole, der Junker und Militaristen in ganz Deutschland, zur Beseitigung der demokratischen und sozialen Umgestaltungen und Freiheiten, die die Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik errungen haben.“ 14 Wenn er sich im übrigen darauf beschränkte, in nüchterner Wiederholung der Berliner Formel Chruschtschows vom 26. Juli zu erklären, daß die Einheit Deutschlands „nicht auf Kosten der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften der Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik" wiederhergestellt werden könne, und überdies ausdrücklich hinzufügte: „Man soll der Deutschen Bundesrepublik etwas Unannehmbares nicht aufzwingen, man darf aber das gleiche ebenfalls nicht in bezug auf die Deutsche Demokratische Republik tun" so wird wiederum der charakteristische Akzent-unterschied zwischen den Äußerungen von sowjetischer und von sowjetzonaler Seite sichtbar, auf den bereits hingewiesen wurde.

Man sollte jedoch die Tragweite dieses Sachverhalts nicht überschätzen. Wie wenig angebracht das wäre, wird am besten durch Chru-schtschows eigenes Zeugnis belegt. Hätte er doch kurz vorher, am 19. September, vor den in Moskau weilenden Vertretern der Sowjetzonenrepublik einen Kommentar zur sowjetischen Deutschlandpolitik gegeben, der an De September, vor den in Moskau weilenden Vertretern der Sowjetzonenrepublik einen Kommentar zur sowjetischen Deutschlandpolitik gegeben, der an Deutlichkeit nichts zu wünschen ließ. Für die Politik der Zonenregierung, so hatte er betont, komme es in erster Linie darauf an, daß sich „die erzielten Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik mehren“. Und in diesem Zusammenhang hatte er die Aufgabe, die vor dem deutschen Volke stehe und zu deren erfolgreicher Lösung die Sowjetunion immer bereit sei, mit allen Kräften beizutragen, beschworen, nämlich: „die Wiedervereinigung des deutschen Volkes in einem einheitlichen, deutschen, friedliebenden, demokratischen Staat". Er hatte es auch nicht versäumt, in aller Bescheidenheit — „als Kommunist und als Sekretär des Zentral-komitees der Kommunistischen Partei der Sowjetunion ..., ohne meinen Standpunkt allen Anwesenden aufzudrängen" — darauf hinzu-weisen, daß ein Staat mit derartigen Eigenschaften nur ein Staat nach dem Modell der Sowjetunion sein könne, die sich den Aufbau des Kommunismus zum Ziel gesetzt habe: „Wenn alle Völker einen solchen Weg der Entwicklung beschreiten würden, so würde dies nicht nur die Möglichkeit von Kriegen, sondern auch jeglicher bewaffneter Konflikte ausschließen.“ Insofern entspreche auch der „Aufbau des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik ...den Interessen aller Werktätigen Deutschlands. Viele Arbeiter, die in den Reihen der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands, der Christlich-Demokratischen Union Deutschlands und anderer Parteien stehen, werden danach streben, zum Aufbau eines sozialistischen deutschen Staates beizutragen. Der Kampf für den Sozialismus, für den Aufbau eines sozialistischen deutschen Staates, ist natürlich eine innere Angelegenheit der deutschen Arbeiterklasse, des deutschen Volkes selbst." 17)

Spiel mit verteilten Rollen

Hier zeigt sich deutlich, daß die relative Zurückhaltung in den Äußerungen von sowjetischer Seite (nach denen es angeblich nichts als eine eigene „innere Angelegenheit“ des deutschen Volkes ist, endlich seinen wirklichen „Interessen" gemäß zu handeln und ein wiedervereinigtes Gesamtdeutschland nach dem Geschmack der Sowjetunion zu schaffen) und das propagandistische Vorpreschen der SED bewußt aufeinander abgestimmt sind. Es handelt sich um ein Spiel mit verteilten Rollen, in dem SED und Zonenregierung als innerdeutsche Instanzen den Part des Wortführers übernommen haben, während sich die Sowjetunion in der Rolle des uneigennützigen Freundes und Helfers gefällt. Das ändert jedoch nichts daran, daß die sowjetischen Stellungnahmen zur Lösung der Deutschlandfrage nur eine einzige logische Konsequenz zulassen und weit davon entfernt sind, dem deutschen Volk eine Wahl zwischen verschiedenen Möglichkeiten einzuräumen. Diesen Eindruck vermitteln auch die von Molotow auf der Außenministerkonferenz vorgebrachten Vorschläge, aus denen, wie der englische Außenminister Macmillan entgegnete, nur die „brutale Tatsache“ hervorgehe, „daß für die Sowjetregierung die einzig annehmbare Garantie für die Wiedervereinigung Deutschlands die Bolschewisierung des ganzen Landes ist.“ 18)

So zwingend der von Macmillan gezogene Schluß erscheint, so wenig rechtfertigt er die Annahme, daß die Sowjetregierung im Herbst 1955 die Bolschewisierung Gesamtdeutschlands als in kurzer Frist zu verwirklichendes Nahziel betrachtete. Für den Augenblick kam es ihr wahrscheinlich nur darauf an, ihr akutes Desinteresse an der Wiedervereinigung zu bekräftigen. Ob sie in den vorangegangenen Jahren jemals ernsthaft mit dem Gedanken gespielt hatte, die Sowjetzone als Kompensationsobjekt zu benutzen und sie unter gewissen Bedingungen freizugeben, ist eine Frage, auf die es keine zuverlässige Antwort gibt. Die ideologische Leitlinie der sowjetischen Deutschlandpolitik spricht zweifellos dagegen, während man aus ihren taktischen Wendungen auch positive Anzeichen für das zeitweilige Bestehen einer derartigen Möglichkeit ablesen könnte. Das eine ist jedoch genau so wenig beweiskräftig wie das andere. Es läßt sich auch kaum eindeutig entscheiden, wie weit das Inkrafttreten der Pariser Verträge und der Anschluß der Bundesrepublik an die NATO die sowjetische Politik tatsächlich beeinflußt haben. Fest steht nur, daß die Sowjetunion bereitwillig den Anlaß ergriff, um mit der vorgeschobenen Begründung, sie könne niemals einen Abbau der Errungenschaften in Mitteldeutschland zulassen, propagandistisch wirksam zu bekunden, daß die Zugehörigkeit Mitteldeutschlands zum Sowjetblock nunmehr als unwiderruflich feststehendes Faktum angesehen werden müsse, mit dem bei allen künftigen Verhandlungen zu rechnen sei. Wenn sich die Sowjetunion gleichzeitig bemühte, das Verhältnis zur Bundesrepublik zu „normalisieren", und diplomatische Beziehungen zu ihr aufnahm, liegt darin kein Widerspruch zu dieser Haltung. Ging doch die sowjetische Taktik dahin, die Bundesrepublik Deutschland und den abhängigen mitteldeutschen Satellitenstaat als zwei gleichrangige Subjekte des Völkerrechts hinzustellen 19). Daß die Sowjetunion die Formel von der Unveräußerlichkeit der sowjetzonalen Errungenschaften zur Rechtfertigung dieser Taktik heranzog und sie gerade jetzt zum offiziellen ideologischen Leitmotiv ihrer Deutschlandpolitik erhob, verdient um so größere Beachtung, als sie damit nicht nur ihr gegenwärtiges Interesse an der Aufrechterhaltung des bestehenden Zustandes der Teilung Deutschlands bekannte, sondern gleichzeitig die „fortschrittliche“ gesamtdeutsche Mission des SED-Staates unterstrich.

Existenzangst des Ulbricht-Regimes

Der Einfluß der sowjetischen Sprachregelung auf die sowjetzonale Errungenschaftspropaganda kann nicht hoch genug eingeschätzt werden, auch wenn sie sich inhaltlich kaum veränderte. Aber sie erreichte in den Monaten zwischen den beiden Genfer Konferenzen des Jahres 1955 ein auch für die Verhältnisse innerhalb der kommunistischen Welt ungewöhnliches Ausmaß und wurde in der Folgezeit in unverminderter Stärke fortgesetzt. Zwar hatte die SED bereits vorher ihren gesamtdeutschen Anspruch auf die Er-rungenschaften gestützt, jedoch erst durch diese hektische Übersteigerung wurden sie zum unübersehbaren, zur Auseinandersetzung herausfordernden Mittelpunkt der von der Einheitspartei propagierten Wiedervereinigungskonzeption. Lauter denn jemals zuvor bestritt die SED das Recht der aus freien Wahlen hervorgegangenen Volksvertretung der Bundesrepublik und der ihr verantwortlichen parlamentarischen Regierung, im Namen des ganzen deutschen Volkes zu sprechen, und maßte sich selbst dieses Recht an, indem sie sich auf die fragwürdige Legitimation berief, die ihr die Errungenschaften des Regimes verliehen, in denen die den Gesetzen des Fortschritts entsprechende endgültige Lösung der deutschen Frage schon beschlossen sei. In diesem Sinne begrüßte das „Neue Deutschland" das Ende der Genfer Außenministerkonferenz mit dem Jubelruf: „Genf hat ergeben: Es steht nicht die Frage, welche Errungenschaften der DDR erhalten bleiben. Alle Errungenschaften unserer Werktätigen sind unantastbar. Es geht darum, daß in Westdeutschland die Macht der Militaristen gebrochen werden muß und die demokratischen Kräfte des Volkes den Lauf der Dinge selbst gestalten müssen. Nur auf diesem Wege kann ein einiges, friedliches, demokratisches Deutschland errichtet werden.“

Wenige Tage später hieß es in dem offiziellen Organ der SED, die deutsche Frage sei bereits „zur Hälfte gelöst, nämlich in der DDR“, zur anderen Hälfte jedoch, nämlich in Westdeutschland noch ungelöst. Erlaube man dem westdeutschen „Militarismus", sich auf ganz Deutschland auszudehnen, so würde dadurch „auch die bisherige Teillösung rückgängig“ gemacht. Aber so betont das Blatt befriedigt, der „Wind der Geschichte bläst von Berlin nach Bonn und nicht umgekehrt"

Das Bemerkenswerteste an diesen sowjetzonalen Pressestimmen ist nicht ihre unverhohlene Aggressivität, sondern die Genugtuung über das Scheitern der Genfer Verhandlungen. Hinter dem Triumph der SED steht das Gefühl, wieder einmal davongekommen und der Gefahr einer Lösung des Deutschlandsproblems durch gesamtdeutsche Wahlen entgangen zu sein. In der Errungenschaftspropaganda des Ulbricht-Regimes, deren Aufgabe von Anfang an nicht zuletzt darin bestand, die durch den Vergleich mit der westdeutschen Entwicklung noch gesteigerte Unzufriedenheit der Bevölkerung propagandistisch zu übertäuben, hatte immer die Existenzangst des sich seiner inneren Schwäche und seiner totalen Abhängigkeit von den Moskauer Machthabern nur zu gut bewußten sowjetzonalen Herrschaftsapparats mitgeschwungen. Mit der Konferenz der Regierungschefs im Juli 195 5 erreichte diese Existenzangst ihren Höhepunkt.

Chruschtschows Berliner Besuch unmittelbar nach Abschluß der Konferenz minderte wohl die Furcht der höchsten SED-Funktionäre, unter Umständen den Interessen der sowjetischen Realpolitik geopfert zu werden, brachte sie jedoch keineswegs zum Verschwinden. Daraus erklärt sich auch die krampfhafte Hypertrophierung, die jetzt zum Kennzeichen der Errungenschaftspropaganda in der Zone wurde. Die Art, in der sich das Ulbricht-Regime sowohl in seiner Propaganda als in seinen offiziellen Verlautbarungen auf die sowjetische Sprachregelung einstellte, zeigt zwar einerseits, wie geflissentlich sie sich als gefügiges Instrument der sowjetischen Deutschlandpolitik zu bewähren trachtete. Andererseits jedoch drückt sich in ihr auch das Eigengewicht des SED-Apparates aus, der an der Aufrechterhaltung des sowjetischen Protektorats in Mitteldeutschland viel unmittelbarer interessiert war als die Sowjetunion selbst und nichts, was in seinen Kräften stand, versäumen wollte, um sie an die von ihr übernommene Garantie der Errungenschaften so fest wie möglich zu binden.

Aggressiver Kern des Errungenschaftsbegriffs

Diese Diagnose ist durch die seitherige Entwicklung vielfach bestätigt worden; und immer wieder hat sich dabei die ambivalente Natur der Errungenschaften enthüllt, die der Verteidigungsideologie des sowjetischen Separatstaates das Rüdegrat geben, aber gleichzeitig niemals ihren aggressiven Kern verleugnen. Ein interessantes Beispiel dafür, wie die Agitatoren der SED im kleinen Kreise, in dem es dem einzelnen unmöglich ist, ihnen auzuweichen, ihre Argumente an den Mann zu bringen versuchen, bietet ein Bericht der „Ostsee-Zeitung“ vom 2. Januar 1957 über eine Aussprache zwischen Mitgliedern der SED-Stadtleitung Rostock und Ingenieuren der Neptunwerft. Im Verlauf dieser Aussprache, die im Rahmen einer groß-angelegten Agitationskampagne stattfand, deren Ziel es war, nach den blutigen Ereignissen in Ungarn, „das Vertrauen der Massen zur Partei zu festigen", bemerkte ein Ingenieur, daß „eine solche Äußerung von Professor Gerhart Eisler: . Wenn die reaktionären Kräfte in Westdeutschland ihre Hundeschnauze in unseren Garten stecken, dann werden sie eins drauf bekommen“', nicht dazu beitrage, die von der SED propagierte „Annäherung der beiden deutschen Staaten“ zu fördern. Darauf wurde geantwortet, die „reaktionären Kräfte" in Westdeutschland hätten die ungarische „Konterrevolution" mit allen Mitteln unterstützt, um die Arbeiter-und Bauern-Macht" zu stürzen; und sie würden alles versuchen, auch in der Sowjetzone Provokationen auszulösen und den Aufbau zu stören: „Diese Menschen, die dazu beigetragen haben, daß in Ungarn viele Arbeiterfunktionäre bestialisch ermordet wurden, wollen das gleiche auch bei uns. Die Worte Gerhart Eislers verstehen unsere Arbeiter und sie ziehen die richtigen Schlußfolgerungen daraus, daß es darum geht, unsere Errungenschaften zu schützen. Es ist immer richtig, die harte Sprache des Klassenkampfes zu sprechen, denn mit Konterrevolutionären und Faschisten kann es niemals eine Versöhnung geben.“

Als ein anderer Teilnehmer des Aussprache-abends einwarf, die westdeutsche SPD habe doch erklärt, sie wolle sich dafür einsetzen, daß die Errungenschaften in der DDR erhalten bleiben", und daran die Frage anschloß: „Wie ist das nun, sind bei einem Wahlsieg der SPD die Voraussetzungen zur Wiedervereinigung Deutschlands gegeben?“, erwiderte der Agitator: „Mit einem Wahlsieg der SPD sind die Voraussetzungen zur Wiedervereinigung Deutschlands noch nicht gegeben. Entscheidend dafür ist die demokratische Entwicklung in Westdeutschland. Das heißt, daß man die Macht der Monopolisten, Junker und Militaristen in Westdeutschland brechen muß, um eine demokratische Ordnung zu garantieren.“

Auf diese gängige, dem Reglement entsprechende Formel, die das ganze, nur unvollkommen verschlüsselte Programm der Übertragung der sowjetzonalen Errungenschaften auf die Bundesrepublik enthält, reagierte ein Zwischenrufer mit dem lapidaren Satz, den die „OstseeZeitung“ unkommentiert wiedergibt: „Dann werden sich wohl unsere Kinder erst mit der Wiedervereinigung Deutschlands beschäftigen können.“

Damit könnte man es bewenden lassen und sich mit der Feststellung begnügen, der ironische Zwischenrufer habe den Inhalt des Wiedervereinigungsprogramms der Machthaber und Nutznießer des SED-Staates, nämlich: die Wiedervereinigung zu verhindern, in der rechten Weise begriffen. Allein es wäre gefährlich, die mehr oder minder offen propagierte Konsequenz der sowjetzonalen Errungenschaftsideologie, daß die einzige Alternative zur Teilung die Sowjetisierung Gesamtdeutschlands sei, ausschließlich negativ zu interpretieren. Zwar läßt sich der aggressive Tenor der gesamtdeutschen Propaganda der SED weitgehend mit Hilfe der psychologischen Faustregel erklären, daß der Angriff die beste Verteidigung ist. Ging und geht doch die Taktik der führenden Männer der Einheits-partei darauf hinaus, die Wiedervereinigung von vornherein an Vorbedingungen zu knüpfen, mit denen sich die politischen Kräfte in der Bundesrepublik niemals abfinden könnten. Aber das politische Gewicht der Wiedervereinigungskonzeption der SED wird nicht durch ihr Eigeninteresse bestimmt, das sich im wesentlichen auf die Konservierung der Teilung und die Festigung ihrer Herrschaft in Mitteldeutschland beschränkt, sondern durch die Machtstellung und die Ziele der Sowjetunion, die sich immer wieder mit dem Ulbricht-Regime solidarisch erklärt hat. Das braucht nicht zu besagen, daß die phantastisch anmutenden Vorstellungen der SED von der Struktur eines wiedervereinigten Deutschland die letzten Ziele der sowjetischen Deutschlandpolitik enthüllen, zwingt jedoch dazu, damit zu rechnen, zumal die Sowjetunion an ihrem weltrevolutionären Anspruch unverändert festhält. sei, um die Söhne der Arbeiter und Bauern für die ehrenvolle Erfüllung ihrer patriotischen Pflichten in den bewaffneten Streitkräften der DDR zu gewinnen", so wird dadurch indirekt bestätigt, daß der anhaltenden intensiven Errungenschaftspropaganda, die die Kluft zwischen dem unablässig fordernden Regime und der duldenden Bevölkerung künstlich überbrücken sollte, noch immer der gewünschte Erfolg versagt geblieben war

Chruschtschows Sendungsbewußtsein

Besonders Chruschtschow, der aus den Diadochenkämpfen nach Stalins Tod als Sieger hervorgegangen ist, hat das internationale Sendungsbewußtsein der Sowjetunion als Vorkämpferin eines neuen Weltzeitalters wiederholt mit dem Pathos einer aus elementaren Quellen gespeisten, säkularen Glaubensgewißheit zum Ausdruck gebracht. So betonte er, als er anläßlich des V. Parteitages der SED im Juli 1958 in der Sowjetzonenrepublik weilte, auf einer Kundgebung in Halle: „Während jetzt nur die DDR sozialistisch ist, wird, das glauben wir, eine Zeit kommen, in der ganz Deutschland den sozialistischen Weg einschlagen wird — und nicht nur Deutschland, sondern auch die ganze Welt wird diesen Weg gehen!“

Dabei werde es keines Krieges bedürfen, um den Sieg des Sozialismus über den Kapitalismus herbeizuführen; die Streitkräfte des Sowjet-blödes hätten nur den Zweck, „Freiheit und Unabhängigkeit der Völker unserer Länder und ihre Errungenschaften vor den Anschlägen der Feinde zu schützen". Es gehe vielmehr darum, den Kapitalismus im „friedlichen Wettbewerb“ zu überwinden. Schon jetzt seien „der Wille der Arbeiterklasse und die Weisheit der kommunistischen Bewegung“ für die ganze Welt in den sowjetischen Sputniks sichtbar geworden, denen die Amerikaner bisher nur „drei Pampelmusen-Satelliten" entgegenzusetzen hätten, die um ein Hunderfaches kleiner seien als der dritte sowjetische Erdtrabant 28). Über die naive Identifizierung des technischen mit dem politischen Fo Über die naive Identifizierung des technischen mit dem politischen Fortschritt und über die maßlosen Hoffnungen, die Chruschtschow an einen sowjetischen Teilerfolg knüpft, braucht an dieser Stelle kein Wort verloren zu werden. Aber es kann nicht übersehen werden, mit welcher Selbstverständlichkeit der sowjetische Parteichef in einer offenbar unvorbereiteten und durch keinerlei diplomatische Rücksichten beeinflußten Rede die endliche Lösung der deutschen Frage im sowjetkommunistischen Sinn prophezeit.

Auch der Abschnitt, mit dem sich der Parteitagsbeschluß für den seit Anfang 1957 von der SED verfochtenen Vorschlag „auf Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten“ als den „einzig realen Weg“ zur Wiedervereinigung einsetzt, könnte bei oberflächlicher Betrachtung als Zeugnis für eine vorwiegend defensive Grundeinstellung gewertet werden. Jedoch bei genauer Überprüfung erweist sich die Behauptung, daß dieser Vorschlag „nicht mit Vorbedingungen verbunden" sei und weder von der Bundesrepublik noch von der Sowjetzonenrepublik „die Preisgabe der Grundlagen des staatlichen und gesellschaftlichen Systems" fordere, als unglaubwürdig: „Die Meinungsverschiedenheiten in prinzipiellen Fragen brauchen kein Hindernis der Zusammenarbeit zu sein. Das um so weniger, als die SED im Zusammenhang mit dem Vorschlag der Bildung einer Konföderation der beiden deutschen Staaten ausdrücklich betonte, daß die sozialistischen Errungenschaften in der DDR mit allen Mitteln gesichert werden, daß wir jedoch unter den Verhältnissen in Westdeutschland die Schaffung einer bürgerlich-demokraisehen Ordnung, die auf imperialistische Bestrebungen und Forderungen verzichtet, als den realen Weg zur Sicherung des Friedens und zur Wiedervereinigung betrachten.“

Neue Selbstsicherheit der SED

Im übrigen diente die offenherzige Rede Chruschtschows bei seinem Besuch in Halle und ebenso sein Auftreten während des folgenden Parteitags unverkennbar dem Zweck, nachdrücklich zu unterstreichen, in welch einem hohen Kurs die Staatspartei der Sowjetzone bei der Moskauer Zentrale stehe. Diese Auszeichnung der SED war keineswegs eine leere, unverbindliche Demonstration, sondern eine Anerkennung für die Zuverlässigkeit, die von der Einheitspartei in der schweren Herbstkrise des Jahres 1956 bewiesen worden war, als die polnischen und ungarischen Ereignisse das Satellitenreich in den Grundfesten erschütterten. Hatte das Ulbricht-Regime 1955 noch vor der Möglichkeit gezittert — ob zu Recht oder zu Unrecht bleibe dahingestellt — von der Sowjetunion als Kompensationsobjekt benutzt und preisgegeben zu werden, so fühlte es sich jetzt dieser Furcht ledig. Zwar war es ihm trotz aller Anstrengungen und aller Propaganda nicht gelungen, den Haß, das Mißtrauen und die Gleichgültigkeit der mitteldeutschen Bevölkerung zu überwinden; aber seiner Protektoren glaubte er endlich sicher sein zu dürfen. Daraus resultierte die neue Selbstsicherheit des Regimes, die auch in den Reden und Beschlüssen des V. Parteitages vom Juli 1958 zum Ausdruck kam: „Die DDR und ihre sozialistischen Errungenschaften", erklärte der Parteitag, „werden niemals ein Objekt des Schachers sein. Fest verbunden mit der Sowjetunion und dem ganzen sozialistischen Lager sind die Arbeiter-und Bauernmacht des deutschen Volkes und ihre sozialistischen Errungenschaften für immer unantastbar.“

Wenn es in dem zitierten Beschluß „über den Kampf um den Frieden, für den Sieg des Sozialismus, für die nationale Wiedergeburt Deutschlands als friedliebender, demokratischer Staat“ 27) weiter hieß, daß es notwendig sei, „mehr als bisher den Arbeitern die Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung gegenüber dem kapitalistischen System in Westdeutschland zum Bewußtsein zu bringen“, und daß von allen Parteiorganisationen „eine breite Aufklärungsarbeit über die Notwendigkeit des Schutzes der Republik und der sozialistischen Errungenschaften durchzuführen

„Volksdemokratische" Lösung der deutschen Frage

Denn Sicherung der Errungenschaften bedeutet in der Terminologie des Systems keineswegs Stillstand, sondern „maximale Stärkung der Deutschen Demokratischen Republik“ durch weitere „Fortschritte auf dem Wege zum Sozialismus", die wiederum einer „fortschrittlichen Lösung der deutschen Frage“ dienen sollen. Eine „fortschrittliche“ Lösung aber ist für die SED mit einer volksdemokratischen Lösung der deutschen Frage identisch; und was sie mit dem harmlos klingenden Begriff einer „bürgerlichdemokratischen Ordnung“ bezeichnet, die in der Bundesrepublik (deren „militaristisch-klerikalen diktatorischen Charakter“ es zu entlarven gelte) geschaffen werden müsse, ist nach dem in den Satellitenstaaten vorexerzierten Schema der kommunistischen Machtergreifung eine notwendige Zwischenstufe auf dem Wege zur Volksdemokratie und zum Arbeiter-und-Bauern-Staat.

Eine derartige „bürgerlich-demokratische Ordnung" bedingt nach Auffassung der SED zumindest „die Überführung der Schlüsselindustrie in Volkseigentum, eine demokratische Bodenreform und eine Schulreform“ also tiefgreifende Eingriffe in die soziale und gesellschaftliche Struktur, über deren Zweckmäßigkeit man sehr verschiedener Ansicht sein kann. Entscheidend ist jedoch, daß diese Maßnahmen für die Einheitspartei nur als Bestandteile eines eingleisigen, dogmatisch festgelegten Prozesses der fortschreitenden Sowjetisierung denkbar sind; „Unsere Partei“, so betont ein Artikel des „Neuen Deutschland“ zum V. Parteitag, „löste die längst fällige Aufgabe und führte die bürgerlich-demokratische Revolution mit der Bodenreform, der demokratischen Schulreform, der Verjagung der Kriegsverbrecher aus ihren Positionen im Staatsapparat zu Ende. Getreu den Leninschen Lehren vom Hinüberwachsen der bürgerlich-demokratischen in die sozialistische Revolution leitete sie unmittelbar auch diesen Prozeß des Hinüberwachsens ein. Enteignung der Kriegsverbrecher, Entwicklung des volkseigenen Sektors, allmähliche Schaffung einer Staatsmacht der Arbeiter und Bauern im Prozeß des Kampfes, der Auseinandersetzung mit reaktionären Kräften, im Prozeß des Weitertreibens der Revolution — das waren Etappen zum Arbeiter-und Bauernstaat, einem Staat, der erfolgreich die Funktionen der Diktatur des Proletariats ausübt.

Dieser erste deutsche Arbeiter-und Bauernstaat gehört zu den größten Errungenschaften des deutschen Volkes. Er ist heute das Hauptinstrument unseres sozialistischen Aufbaus, der Garant der friedlichen Zukunft des ganzen deutschen Volkes Unsere sich in den Partei hat ...

vergangenen Jahren als die einzige Kraft erwiesen, die in der Lage ist, die Führung der Nation zu übernehmen ... Die einheitlich, fest auf dem Marxismus-Leninismus fußende revolutionäre Kampfpartei, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, ist die Errungenschaft der ganzen deutschen Arbeiterklasse und des ganzen deutschen Volkes.“

Zwar kann es keinen Zweifel darüber geben, daß die SED ihre Verdienste übertreibt und daß sie aus eigener Kraft niemals in der Lage gewesen wäre, sich zu behaupten, geschweige denn auf dem Gebiet der Sowjetzone eine Volks-demokratie zu errichten. Aber gerade die Tatsache, daß die Sowjetzonenrepublik keine Schöpfung des deutschen Volkes ist, sondern das Werk der sowjetischen Besatzungsmacht, sichert der gesamtdeutschen Konzeption der SED eine Beachtung, die sie an sich nicht verdiente. Nicht zufällig findet sich in der sowjetischen Note an die Zonenregierung zur Berliner Frage vom 27. 11. 1958 der Satz: „Ein überzeugender Beweis der Überlegenheit der sozialistischen Ordnung sind auch die großen Errungenschaften des Sowjetvolkes, des treuen Freundes und Verbündeten der Deutschen Demokratischen Republik“

Die Deutschlandkonzeption der SU

Hinter der gesamtdeutschen Konzeption der SED steht die Deutschlandkonzeption der Sowjetunion, die Chruschtschow offenherziger als je zuvor in seiner Rede auf der sogenannten „Gesamtdeutschen Arbeiterkonferenz“ in Leipzig am 27. März 1959 vorgetragen hat. In dieser Rede, in der die Gleichsetzung von Wiedervereinigung und Sowjetisierung mit besonderer Eindringlichkeit unterstrichen wird, heißt es u. a.: „Die Bevölkerung der Erde beträgt 2, 5 Milliarden Menschen, und die Deutschen sind rund 80 Millionen. Die Frage der Bewegung der Gesellschaft zum Kommunismus berührt alle Völker der Welt. Die deutsche Frage berührt aber hauptsächlich Deutschland. Selbstverständlich ist das eine dringende, wichtige Frage. Wir sind für die Einheit Deutschlands, und das deutsche Volk braucht die Einheit. Aber können die Völker der Welt ohne Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten bestehen? Sie können es und können ganz gut existieren. Können die Deutschen ohne Wiedervereinigung leben, Sie können es und können sogar gut leben ...

Die Sowjetunion, die Sowjetmenschen haben sich stets für die Einheit Deutschlands eingesetzt und tun das auch jetzt... Wie aber, auf welcher Grundlage soll die Wiedervereinigung Deutschlands verwirklicht werden? Wir sind nicht für irgendeine Wiedervereinigung. Und Sie stimmen, wie ich denke, dem zu, daß man an die Frage der Wiedervereinigung vor allem vom Klassenstandpunkt herangehen muß ...

Was ist die Wiedervereinigung Deutschlands unter den gegenwärtigen Bedingungen des Bestehens von zwei deutschen Staaten? Auf welcher Grundlage kann sie verwirklicht werden? Diejenigen, die die Interessen der Arbeiterklasse zum Ausdruck bringen, können nicht einmal den Gedanken daran zulassen, daß durch eine Wiedervereinigung Deutschlands die Arbeiter und Bauern der Deutschen Demokratischen Republik, die einen Arbeiter-und-Bauern-Staat geschaffen haben und erfolgreich den Sozialismus aufbauen, alle ihre Errungenschaften verlie-ren und sich damit einverstanden erklärten, wie früher unter den Bedingungen des kapitalistischen Jochs zu leben.

Wenn wir einer Wiedervereinigung Deutschlands auf kapitalistischer Grundlage zustimmen würden, so würde ein solches Verhalten, Genossen, uns Arbeiter in den Augen der künftigen Generation entehren. Man würde von uns sagen: . Unsere Großväter und unsere Väter haben also, geblendet durch nationalistische Anschauungen, jedes Klassengefühl verloren; sie haben aufgehört, die Interessen ihrer Klasse zu verteidigen und haben sich mit der Liquidierung der sozialistischen Errungenschaften abgefunden. ‘ Können wir etwa so handeln? Natürlich nichts...

Wir wurden nicht geboren und leben nicht dazu, um dem Kapitalismus Platz zu machen. Wir müssen uns fest an die Prinzipien des proletarischen Internationalismus halten ... Man kann die Frage so stellen: Warum könnte man nicht Deutschland wiedervereinigen, indem man die kapitalistische Ordnung in Westdeutschland beseitigt und dort die Macht der Arbeiterklasse aufrichtet? Das ist aber jetzt völlig unreal. Aber noch unrealer ist es, Illusionen über die Beseitigung der sozialistischen Errungenschaften der DDR, über die Beseitigung der Macht der Arbeiter und Bauern zu hegen .. .

Wenn die Klasse der Kapitalisten ihre Klasseninteressen verteidigt, warum können dann wir Arbeiter nicht unsere Klasseninteressen erkennen und verteidigen. Wir müssen mit allen Kräften die Interessen der Werktätigen und ihre Errungenschaften verteidigen ...

In Gesprächen mit Vertretern der kapitalistischen Welt hörte ich hin und wieder solche Äußerungen: Wollen Sie denn ganz Deutschland Walter Ulbricht unterstellen ... Ich begrüße es, daß mein Freund, der Genosse Ulbricht, einen so festen Charakter hat und die Interessen der Arbeiterklasse, die Interessen des ganzen deutschen Volkes so entschieden verteidigt... In diesem Falle klingt das Geschimpfe des Kapitalisten wie Lob, wie eine Belohnung für Beharrlichkeit und Mut. Idi erinnere mich auch, daß die kapitalistischen Führer wiederholt erklärt haben, sie hielten es für unzulässig, daß Otto Grotewohl an der Spitze des ganzen deutschen Staates stünde. Ich bin aber der Ansicht, dies wäre nicht schlecht, sondern sogar sehr gut.

Wenn aber das Volk in Westdeutschland dazu jetzt noch nicht bereit ist, so soll man nichts übereilen. Mögen vorläufig zwei Staaten bestehen: die Deutsche Demokratische Republik — der Staat der Arbeiter und Bauern — und das kapitalistische Westdeutschland. Zwischen diesen beiden Staaten muß man friedliche Wettbewerbe ins Leben rufen. Der Arbeiter in Westdeutschland erhält heute sicherlich noch etwas mehr, aber der . Honigmond'neigt sich schon seinem Ende zu. In Westdeutschland beginnt sich immer mehr eine kapitalistische Lähmung zu entwickeln — Krisenerscheinungen, die zur Einschränkung der Produktion und dazu führen, daß Fabriken stillgelegt und Gruben geschlossen, die Arbeiter aber auf die Straße geworfen werden.

Freunde! Solange unser Herz in der Brust schlägt, werden wir immer unserer Arbeiterklasse, dem Arbeitsvolk treu sein, wir werden immer den Kampf für ihre Freiheit und ihr Glück, für den Triumph der Lehre des Marxismus-Leninismus, für den Aufbau der kommunistischen Gesellschaft führen!

Es lebe die proletarische Solidarität!

Es lebe die Arbeiterklasse Deutschlands!

Es lebe der Klassenkampf der Arbeiterklasse, der die Völker von den kapitalistischen Fesseln befreien und eine Welt aufbauen wird, wo die Produktionsmittel Gemeineigentum sein, wo sie dem ganzen Volk gehören werden, wo mithin die Ausbeutung des Menschen durch den Menschen beseitigt wird, wo alle Menschen Brüder sein werden.

Das wird der Kommunismus sein!“

Die Errungenschaften im Bewußtsein der Bevölkerung der SBZ

Wollte man der Propaganda der SED Glauben schenken, so hätte das kommunistische Regime in Mitteldeutschland so viele und so große „Errungenschaften“ auf allen Gebieten des gesellschaftlichen Lebens aufzuweisen, daß man sich kaum ein besseres Los wünschen könnte, als im Lande Ulbrichts leben zu dürfen. Daß dieses Idealbild in schroffem Gegensatz zu den Realitäten des Alltags steht, die das Schicksal der Menschen in der Zone bestimmen, ist auch für den nicht zu übersehen, der sich scheut, alle von der SED geschaffenen Einrichtungen in Bausch und Bogen zu verdammen. Der 17. Juni 1953 hat auch dem wohlwollendsten Beobachter klar gemacht, daß die große Mehrheit der mitteldeutschen Bevölkerung das ihr auferlegte Regime als Fremdherrschaft empfindet; und die bis zum 13. August anhaltende Massenflucht aus der Sowjetzonenrepublik beweist am besten, daß sich an dieser Grundeinstellung bis heute nichts geändert hat. Da aber die Sprache der Tatsachen nicht zu überhören und durch keine noch so intensive und lautstarke Propaganda zu übertönen ist, scheint auch die Antwort auf die Frage, welche Rolle die vielgepriesenen Errungenschaften im Bewußtsein der Zonenbevölkerung spielen, auf der Hand zu liegen.

Die sich wie selbstverständlich aufdrängende Vermutung, daß die Errungenschaftspropaganda der SED von vornherein zur Wirkungslosigkeit verurteilt sei, rechnet jedoch nicht mit den spezifischen Beeinflussungsmöglichkeiten, über die ein moderner totalitärer Staat dank seines Propaganda-und seines Organisationsmonopols, die nicht voneinander zu trennen sind, verfügt. Diese Möglichkeiten dürfen auch dort nicht unterschätzt werden, wo die inneren Abwehrkräfte der betroffenen Bevölkerungen so stark sind wie in der deutschen Sowjetzone und in den kulturell und wirtschaftlich hochentwickelten ostmitteleuropäischen Ländern unter sowjetischer Oberherrschaft, für die das oktroyierte volksdemokratische System in erster Linie geistige Unfreiheit und materielle Entbehrungen bedeutet.

Das totalitäre Regime bezieht auch den widerstrebenden oder indifferenten Durchschnittsbürger in eine alle Lebensbereiche durchdringende Organisationsmaschinerie ein und unterwirft ihn einer Vielzahl von neuen „sozialen Zwängen“, deren Wirksamkeit durch die relative Abschließung von der Außenwelt und die ständige einseitige propagandistische Beeinflussung gesteigert wird. Selbst der überzeugte politische Gegner muß sich aus Gründen der Selbsterhaltung in seinen sozialen Gepflogenheiten an die Normen der totalitären Ordnung anpassen und eine „soziale Schutzfarbe“ anlegen So verstrickt er sich unvermeidlich in ein Netz gesellschaftlicher und politischer Bindungen, die ihn zumindest äußerlich an das Regime fesseln. Sollte er sich gedrängt fühlen, seinen Unmut öffentlich zu äußern, kann er es nur in der Sprache und mit der Logik des Systems tun, dessen fortschrittlicher Charakter als unbestreitbare Denkvoraussetzung zu gelten hat, auch wenn es die Kritik an einzelnen Mängeln und Unvollkommenheiten gestattet. Mit dem Fortschreiten des Anpassungsprozesses entsteht wohl oder übel ein gefährliches doppeltes Bewußtsein, das die Fähigkeit zu unbefangener Selbst-und Umweltkritik beeinträchtigt. Mag auch die Ablehnung des Regimes weiterhin im politischen Selbstbewußtsein dominieren, so werden doch im steigendem Maße Elemente der offiziellen Ideologie unkontrolliert und unreflektiert übernommen.

Nur ein Teilerfolg der Propaganda

Wie verfehlt es wäre, die vielschichtige und durch immanente Widersprüche geprägte Bewußtseinsstruktur der Menschen in der Sowjetzone von westlichen Klischeevorstellungen her zu beurteilen, wird durch eine Reihe von sozialpsychologischen Untersuchungen aus jüngster Zeit über die Arbeiterschaft in der volkseigenen Industrie der SBZ die Angestellten in der SBZ und die jugendlichen Zonenflüchtlinge erhärtet. Diese Untersuchungen, für die das infratest-Institut verantwortlich zeichnet, gehen der Frage nach den Auswirkungen der Errungenschaftspropaganda mit besonderer Sorgfalt nach. Liegen ihnen auch ausschließlich Flüchtlingsbefragungen zugrunde, so verbürgt doch die weitgehend angewandte Methode des Tiefeninterviews, die über differenziertere Möglichkeiten verfügt als die übliche Meinungsforschung und manche ihrer Fehlerquellen ausschaltet, daß die Ergebnisse trotz der relativ geringen Zahl der Befragten als genügend repräsentativ angesehen werden dürfen, um zuverlässige Rückschlüsse auf die Bewußtseinslage der betreffenden Bevölkerungsgruppen in Mitteldeutschland zu erlauben. Das gilt um so mehr, als die ausgesprochenen, bewußt politisch reflektierenden Antikommunisten nur eine Minderheit der Befragten ausmachen.

Obgleich von vornherein alles nur Denkbare getan wurde, um die Gefahr einer prowestlichen Verzerrung der Ergebnisse zu vermeiden, mag es zunächst überraschen, wenn sich aus den zitierten Flüchtlingsbefragungen übereinstimmend ergibt, daß das Standardschlagwort von den Errungenschaften sowohl den Arbeitern als auch den Angestellten wie den aus den verschiedensten Berufen kommenden Jugendlichen nicht nur geläufig ist, sondern daß sie es durchweg mit positiv bewerteten Inhalten verbinden. Die Tragweite dieses Sachverhalts sollte allerdings genau so wenig über-wie unterschätzt werden. Denn wenn es auf der einen Seite auch nicht übersehen werden kann, daß die Errungenschaften im Bewußtsein der berücksichtigten Bevölkerungsgruppen weit vorn liegen, so zeigt sich andererseits nicht minder eindeutig, daß alle bisherigen Erfolge der Errungenschaftspropaganda, so erstaunlich sie auch anmuten, nur begrenzte Teilerfolge sind, und daß diese Propaganda, gemessen an der ihr gestellten Aufgabe, gerade in den für das Regime entscheidenden Punkten versagt hat.

Diese in sich widerspruchsvolle Antwort auf unsere Ausgangsfrage wird erst dann verständlich, wenn man den diffusen Begriff der Errungenschaften inhaltlich differenziert, wie es die zugrunde gelegten sozialpsychologischen Untersuchungen getan haben, die durch eine von dem gleichen Institut (infratest) durchgeführte Analyse der „Berichterstattung über die . Errungenschaften'“ in der sowjetzonalen Presse glücklich ergänzt werden.

Ein Ulbricht-Interview

Die Schwierigkeiten einer solchen Differenzierung liegen auf der Hand. Ein gutes Beispiel für die inhaltliche Unbestimmtheit und Konturenlosigkeit des Begriffes, die schon in anderem Zusammenhang hervorgehoben wurde, bietet ein Ulbricht-Interview, das „Der Spiegel" im September 1957 veröffentlichte:

Chruschtschow, so trumpfte Ulbricht auf, habe »ganz klar ausgesprochen, wie die Lage ist: Die Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik werden verteidigt gegen jeden Angriff. Das heißt, die Adenauerpolitik ist offenkundig zum Scheitern verurteilt. . . .“

Wenig später sprach er dann von den „sozialistischen Errungenschaften", die „doch kein Hindernis der Wiedervereinigung" seien, um auf die unvermeidliche Frage des Spiegel-Redakteurs: „Was sind die sozialistischen Errungenschaften?" herauszusprudeln: „Entschuldigen Sie, in Westdeutschland haben Sie Kapitalismus und bei uns ist Sozialismus. Ich habe nicht die Frage gestellt, daß sie als Voraussetzung der Verhandlungen den Kapitalismus abschaffen, ergo haben Sie kein Recht, die Frage zu stellen, die sozialistischen Errungenschaften sollen beeinträchtigt werden."

Auch auf die nochmalige Frage: „Was sind das für sozialistische Errungenschaften, konkret.

Herr Ulbricht?“ kam keine klare Antwort, sondern Ulbricht begnügte sich mit dem unverbindlichen Satz: „Das sind alle Errungenschaften, die hier im Interesse des Volkes erreicht sind, alle Errungenschaften."

Erst die Bitte um „ein paar Stichworte“ förderte einen wirren Katalog zutage: „Alle Errungenschaften, die es hier gibt, zum Beispiel, das sind die Rechte des Volkes, wie sie in der Verfassung festgelegt sind, das ist die Mitwirkung des Volkes an der Leitung des Staates, was nur hier in der Deutschen Demokratischen Republik der Fall ist, das sind die Arbeiterrechte, das sind die Rechte der Gewerkschaften, das sind die Rechte der Bauern. Das ist die Bodenreform, das sind die Volkseigenen Betriebe, das ist die Sozialversicherung, das ist die Schulreform . . .“

An dieser Stelle warf der Spiegel-Redakteur ein: „Die Lebensmittelkarten, die Verstaatlichung des Handels . . .“, worauf sich Ulbricht vernehmen ließ: „Der Großhandel ist verstaatlicht, im Kleinhandel gibt es Privathandel bei uns. Das heißt, alle sozialistischen Errungenschaften werden wir verteidigen.“

Abgeleitete und Grunderrungenschaften

Das Zurückweichen vor einer klaren Definition ist genau so charakteristisch wie das bunte Sammelsurium der schließlich von Ulbricht namhaft gemachten Errungenschaften. Sucht man nach einem verbindlichen, für alle Errungenschaften charakteristischen Kriterium, so bleibt nur ihre Fortschrittlichkeit im Sinne des Regimes, die in den meisten Fällen gar nicht ausdrücklich hervorgehoben, sondern als selbstverständlich vorausgesetzt wird. Jedoch hebt sich aus der kaum überschaubaren Vielzahl der greifbaren und imaginären Größen, die in der Propagandasprache der Sowjetzone regelmäßig, häufig oder gelegentlich als Errungenschaften be-zeichnet werden, unverkennbareine Gruppe ab, die sich durch ihr besonderes ideologisches Gewicht auszeichnet. Es handelt sich um diejenigen Errungenschaften, die nach der offiziellen Ideologie für die kommunistische Herrschaft in der SBZ strukturbestimmend sind. Alle als fortschrittlich deklarierten Einzelmaßnahmen, -leistungen und -erfolge erscheinen demgegenüber als Errungenschaften zweiten Grades, die sich zwangsläufig aus den grundlegenden primären Errungenschaften ergeben. So rechtfertigt sich die von den infratest-Studien vorgenommene inhaltliche Unterscheidung zwischen Grunderrungenschaften und von diesen abgeleiteten Errungenschaften Zu den Grunderrungenschaften sind zunächst die Schaffung der volkseigenen Industrie, die Bodenreform und die sogenannte Brechung des Bildungsmonopols zu zählen, also die fundamentalen Eingriffe der Besatzungsmacht in die soziale Struktur der Zone, die von 1948/49 ab in immer stärkerem Maße als Errungenschaften der antifaschistisch-demokratischen Ordnung oder einfach als demokratische Errungenschaften, später — etwa ab 1952/53 — auch als sozialistische Errungenschaften oder Errungenschaften des Arbeiter-und Bauernstaates herausgestellt wurden und ein Dauerthema der sowjetzonalen Propaganda geblieben sind. In den letzten Jahren ist allerdings die kommunistische Herrschaft selbst zur meistgenannten Grunderrungenschaft geworden, die uns in verschiedenen terminologischen Variationen begegnet, am häufigsten als Einführung der Arbeiter-und Bauern.. acht oder des Sozialismus in der SBZ. Auch die Errungenschaften Einheit der Arbeiterklasse und marxistisch-leninistische Partei, die in der ideologischen Rangordnung noch höher stehen, gehören hierher: „Die größte Errungenschaft, gewissermaßen die Mutter aller Dinge, ist erstens die Einheit der Arbeiterklasse und die marxistisch-lenini-stische Partei. Zweitens die Arbeiter-und-Bauern-Macht, drittens der Aufbau des Sozialismus. Ohne Einheit der Arbeiterklasse und marxistisch-leninistische Partei keine Arbeiter-und-Bauern-Macht, ohne Partei und Staatsmacht kein Aufbau des Sozialismus.“ Die abgeleiteten Errungenschaften umfassen nach der Definition der infratest-Studien, „eine große Anzahl von zusätzlich geschaffenen, bereits oder auch nur vorgefundenen und einfach beibehaltenen (geistig usurpierten) Sozialleistungen“ Selbst wenn man den Begriff der „Sozialleistungen“ sehr großzügig auslegt, erscheint diese Interpretation zu eng. Außerdem wären auch die von der Propaganda herausgestellten Errungenschaften auf den verschiedensten Lebensgebieten, seien sie politischer, wirtschaftlicher, technischer, wissenschaftlicher oder kultureller Natur, die nach der sowjetzonalen Staatsideologie als zwangsläufige Resultate des herrschenden Systems der Arbeiter-und Bauernmacht angesehen werden sollen, zu den abgeleiteten Errungenschaften zu rechnen. Es ist allerdings unverkennbar, daß die Sozialleistungen im Vergleich zu den übrigen abgeleiteten Errungenschaften eine dominierende Rolle in der Errungenschaftspropaganda spielen und neben den Grunderrungenschaften ihren zweiten Schwerpunkt bilden. Diese sozialen Errungenschaften werden überall dort betont, wo sie unmittelbar oder mittelbar dem Streben nach Ausweitung der Produktion nutzbar gemacht werden können. Das gilt auch für die „Fürsorge für Freizeit und Erholung“, gleichviel ob es sich dabei um materielle Vergünstigungen wie beispielsweise Erholungsaufenthalte in Ferienheimen oder um kulturelle Förderungs-und Betreuungsmaßnahmen handelt. Ist es doch die erklärte Aufgabe dieser „Fürsorge", den Menschen wieder zu machen und seine arbeitsfähig Leistungen zu steigern: „Die Errungenschaften auf kulturellem Gebiet", so besagt ein dem „Neuen Deutschland“ entnommenes Zitat, „heben die Arbeitslust der Werktätigen und stei-gern somit die Produktion“ Dieser Satz bezeugt einmal mehr, daß die sozialen Errungenschaften, im weitesten Sinne des Wortes verstanden, keineswegs als humanitärer Selbstzweck gedacht sind und „den Menschen“ dienen sollen, wie die offizielle Propaganda unentwegt behauptet, sondern daß das Regime die wirklichen und vermeintlichen Vergünstigungen, die es der Bevölkerung gewährt, als unentbehrliche Hilfsmittel für die Manipulierung der menschlichen Kräfte und Fähigkeiten benutzt

Sozialleistungen als Wegbereiter der Ideologie

Die Propaganda beschränkt sich jedoch nicht darauf, den „Werktätigen" vor Augen zu führen, was alles das Regime für sie tue, um dadurch ihre Einsatzbereitschaft und ihren Arbeitselan zu heben. Ihr letztes Ziel ist die völlige Identifizierung des Einzelnen mit dem System. Wie sehr sich die Propagierung der Errungenschaften dieser ideologischen Aufgabe unterordnet, zeigt die infratest-Presseanalyse. Sie weist nach, daß die abgeleiteten sozialen Errungenschaften von den sowjetzonalen Zeitungen planmäßig im Zusammenhang mit den Grunderrungenschaften genannt werden, so daß beide Kategorien ständig als kausal miteinander verknüpft in Erscheinung treten Die Propaganda ist also offensichtlich darauf angelegt, auf dem Wege über die abgeleiteten Errungenschaften der Bevölkerung die Grunderrungenschaften schmackhafter zu machen. Das heißt mit anderen Worten: mit Hilfe der propagandistisch aufgebauschten Sozialleistungen soll den Menschen die Überzeugung von der Richtigkeit der Grundprinzipien des Regimes ins Bewußtsein gehämmert und ins Unterbewußtsein infiltriert werden. Sie sollen jede soziale Vergünstigung und jeden persönlichen Vorteil automatisch auf das herrschende System zurückführen; und umgekehrt soll ihnen kein anderer Weg zur Verbesserung ihrer Lage gangbar erscheinen als der ihnen durch das System und seine ideologischen „Perspektiven“ verbindlich vorgezeichnete: „In einem NATO-Deutschland wären all die vielen Errungenschaften unmöglich, die wir uns geschaffen haben“, betont das „Neue Deutschland"

Eine andere SED-Zeitung weist die These zurück: . . Wir machen mit der Bildung der Volksarmee das gleiche wie drüben; die wollen doch auch nur ihre Errungenschaften verteidigen.'Das erklärten kürzlich einige Kolleginnen . . . während einer Aussprache über die neuesten Beschlüsse unserer Volkskammer. Diese Kolleginnen . . . scheinen sich . . . über den Begriff , Errungenschaften’ bisher wenig Gedanken gemacht zu haben . . . Können die Kolleginnen nachweisen, daß in Westdeutschland durch Enteignung der Großgrundbesitzer auch nur ein Landarbeiter oder landarmer Bauer kostenlos Land, Vieh und sogar einen Hof erhalten hat? Wurde im Bonner Staat die Macht der Monopol-herren und Rüstungsindustriellen gebrochen und haben jetzt die Arbeiter über die Produktion und die Verwendung des Gewinnes zu bestimmen? Kann in Westdeutschland jedes begabte Kind, unabhängig vom Geldbeutel der Eltern, studieren und später verantwortungsvolle Funktionen im Staat einnehmen? Gibt es in Westdeutschland für Millionen Kinder frohe Ferientage und stehen den erholungssuchenden Werktätigen die besten Häuser in den schönsten Gegenden für wenig Geld zur Verfügung?

Das sind nur einige Fragen der Gegenwart. Noch klarer wird der Begriff . Errungenschaften', wenn wir die Perspektiven des ost-und westdeutschen Staates gegenüberstellen. In der DDR übt die Arbeiterklasse im festen Bündnis mit der werktätigen Bauernschaft und der fortschrittlichen Intelligenz die Staatsmacht aus. Das ist überhaupt die größte Errungenschaft der deutschen Geschichte. Diese Tatsache allein sollte genügen, um zu beweisen, daß unsere Politik nur eine Politik des Friedens und der Völkerverständigung sein kann. In unserem Staat gibt es keine Monopolherren, die an Kriegen verdienen. Die Armee eines Arbeiter-und Bauern-staates kann darum nur dem Schutz der Errungenschaften der Werktätigen und der Erhaltung des Friedens dienen.

Die Perspektive des Bonner Staates ist dagegen eine gänzlich andere. Volksfeindliche Kräfte, die schon an zwei Weltkriegen verdient haben und ihre Wirtschaft durch eine Krise größten Ausmaßes gefährdet sehen, führen den westdeutschen Staat immer mehr auf den Weg des Krieges. Und eine von diesen Kräften aufgestellte, finanzierte und unter amerikanischem Befehl stehende Armee soll . Errungenschaften'verteidigen? . . . Der NATO-Söldner kämpft nicht für die Errungenschaften des deutschen Volkes, sondern für die Profitinteressen des Monopolkapitals. Mehr noch, er soll streikende westdeutsche Arbeiter niederknüppeln und den Völkern der Sowjetunion und der Volksdemokratie die hart erkämpften Errungenschaften entreißen. Wie die Geschichte seit 1917 lehrt, steht er damit auf verlorenem Posten . . ."

Auf der gleichen Linie liegt die Stellungnahme der „Jungen Welt“ zu einem Leserbrief, in dem die Frage gestellt wird: „Haben aber die Arbeiter in Westdeutschland nicht auch Errungenschaften, indem sie nach dem Kriege die Industrie schnell wieder aufbauten? Muß man das nicht anerkennen"? — Niemand zweifle daran, lautet die Antwort des FDJ-Organs, „daß in Westdeutschland nach dem Kriege viele Industriewerke neu aufgebaut wurden, ja, daß sehr moderne Betriebe der Schwer-und Leichtindustrie restauriert bzw. neu geschaffen wurden. Niemand zweifle auch daran, daß ihr Aufbau vor allem von den deutschen Arbeitern, durch ihr Geschieh und ihre Fähigkeiten, vollbracht wurde. Es wird niemand geben, der die Leistungsmöglichkeiten der Arbeiterklasse in Westdeutschland nicht anerkennt. Doch leider sind ihre Leistungen nicht zugleich ihre Errungenschaften.

Was bezeichnen wir als Errungenschaften der Arbeiter und Bauern, die ihnen nützlich sind und ihnen dienen? Unsere grundlegende Errungenschaft in der DDR besteht darin, daß bei uns die Arbeiter und Bauern regieren. Sie können das aber nur, weil sie alle jene, die sie bis 1945 um die Früchte ihrer Arbeit brachten, entmachteten. Deshalb bezeichnen wir die Brechung der Herrschaft der Monopolherren, Junker und Militaristen als unsere größte Errungenschaft. Sie ist die Voraussetzung für alle weiteren Errungenschaften der Werktätigen unserer Republik, die sich von Tag zu Tag mehren. Und weil wir selber die Herren unserer Arbeit sind, verfügen wir heute über solche großartigen Ergebnisse unserer Arbeit, wie das Gesetz zur Förderung der Jugend, wie über ein in Deutschland noch nie dagewesenes System der Sozialversicherung, über Erholungsmöglichkeiten für die Werktätigen, von denen die westdeutschen Arbeiter voller Anerkennung sprechen. So ließen sich noch viele dieser Errungenschaften anführen, die heute für uns schon zu einer Selbstverständlichkeit geworden sind.

Die westdeutschen Arbeiter können jedoch noch mehr Fabriken bauen, sie können noch mehr schuften, aber niemals werden sie über solche Errungenschaften verfügen, wie wir sie haben, wenn sie nicht den Schritt zur Beseitigung der Monopolherren und Junker tun.. ,“

Immunisierungsversuche gegenüber der Bundesrepublik

Es wäre müßig, sich mit den zum größten Teil absurden Behauptungen, die in diesen Zitaten ausgestellt werden, im einzelnen ausauseinanderzusetzen. In unserem Zusammenhang interessieren die Ziele und die Steuertechnik der Errungenschaftspropaganda, die sich hier besonders deutlich enthüllen. Wie sich einmal mehr zeigt, ist ihre auch für die Verhältnisse des Ostblocks außerordentliche Intensität aus der Konkurrenzsituation zu Westdeutschland und dem verzweifelten Bestreben, die Bevölkerung gegen die Anziehungskraft der Bundesrepublik ideologisch immun zu machen, zu erklären. Vor allem aber ist die psychologische Absicht der Propaganda, die abgeleitete Errungenschaften und Grunderrungenschaften in der oben skizzierten Weise miteinander verquickt, unverkennbar. Sie will die Grenze zwischen ihnen so verwischen, daß die Angesprochenen nicht mehr in der Lage sind, zwischen ihren eigenen Interessen und den des Systems zu unterscheiden, und die ihnen suggerierte Auffassung, daß es unabhängig von der Entwicklung zum Kommunismus überhaupt keine Errungenschaften und damit keinen Fortschritt geben kann, schließlich als selbstverständlich in sich aufnehmen. Von hier aus gesehen, erscheint es auch nicht zufällig, daß der Errungenschaftsbegriff häufig in-haltlich sehr unbestimmt gebraucht wird und daß die Propagandasprache dazu neigt, die Termini soziale Errungenschaften und sozialistische Errungenschaften als Synonyme zu behandeln. Denn mit dem einen ist immer zugleich das andere gemeint. Die Grundprinzipien des sich selbst als sozialistisch ausgebenden Systems sollen ebenso als sozial, als im Interesse der Bevölkerung liegend, erscheinen, wie die sozialen Maßnahmen und Einrichtungen, die es seinem Wirken zuschreibt, als systemgebunden sozialistisch empfunden werden sollen. Eine soziale Einrichtung gewinnt nicht durch ihren objektiven materiellen Inhalt den Rang einer Errungenschaft, sondern dadurch, daß sie von der parteioffiziellen Ideologie als funktionelles Glied in den vulgärdialektisch verstandenen Prozeß des Fortschritts zum Kommunismus einbezogen wird. In der Dynamik dieses Prozesses steht jede einzelne Errungenschaft für alle Errungenschaften; die Errungenschaften der Gegenwart stehen für die Errungenschaften der Zukunft; als vorweggenommene Zukunft bergen sie die Gewißheit des von der Ideologie verheißenen Endziels, das seinerseits erst dem Gegenwärtigen seinen Sinn und seine Bedeutung verleiht.

Postulierung der Einheit des Fortschritts

Ein Beispiel für diese Art Dialektik gibt die Gewerkschaftszeitung „Tribüne", wenn sie sich zu der Behauptung versteigt: „In der DDR lebt der Arbeiter heute schon besser!“ — nämlich als in der Bundesrepublik, dabei jedoch unumwunden eingesteht, daß der Lebensstandard der Zonenarbeiter diese Behauptung nicht rechtfertige. Denn nicht der Lebensstandard sei „das wichtigste, das entscheidende Kriterium für die Frage, wo der Arbeiter besser“ lebe, sondern: „Das ist die Frage der Macht. Bei uns hat die Arbeiterklasse im Bündnis mit den werktätigen Bauern und den anderen werktätigen Schichten die politische Macht in ihren Händen. Das ist der Hebel, mit dem die Arbeiterschaft in der DDR Berge versetzen kann. Darin liegt die unumstößliche Gewißheit, daß wir sagen können, wenn wir jetzt dies oder jenes in der Volkswirtschaft verändern, dann werden wir 1961 alles erreicht haben. In Westdeutschland regiert die Vergangenheit, die kapitalistische Ausbeutung, die Krise, der Krieg. Daß dort gegenwärtig mehr schöne Autos her-umfahren, beweist keinesfalls das Gegenteil, Vom Charakter der gesellschaftlichen Ordnung aus gesehen, sitzen wir alle im neuzeitlichen Automobil. Dort drüben aber sitzen sie in einer altmodischen Postkutsche. . . ."

Weil das herrschende System dafür bürgt, daß die Arbeiter in der Zone eines guten Tages einmal unweigerlich einen höheren Lebensstandard erlangen werden als die in der Bundesrepublik, leben sie in Wirklichkeit heute schon besser, auch wenn der äußere Schein dem widerspricht, lautet also, kurz zusammengefaßt, diese paradoxe Argumentation, durch die alle materiellen Erfolge der westdeutschen Arbeiter als belanglos beiseite geschoben werden. Umgekehrt bezeugt jede noch so geringfügige soziale Errungenschaft in der SBZ — nicht anders als die entscheidende Tatsache der Existenz des sogenannten „Arbeiter-und Bauernstaates" — für die kommunistische Ideologie die Richtigkeit ihres Kernsatzes von der Einheit von Theorie und Praxis, der die widerstrebenden Interessen von Parteiapparat und Bevölkerung zur Deckung bringen soll, indem er die Einheit des Fortschritts postuliert.

Das ist den Ausführungen der infratestPresseanalyse über „. Theorie und Praxis'als Aufteilungsgrund“ entgegenzuhalten, in denen die Grunderrungenschaften als „. theoretisch'zugrundeliegende . Errungenschaften'“ und die abgeleiteten Errungenschaften als „Errungenschaften der Praxis“ angesprochen werden. Zeichnen sich auch die Grunderrungenschaften, wie oben ausgeführt, gegenüber den abgeleiteten Errungenschaften generell durch ihr größeres ideologisches Gewicht aus, so ist es doch das charakteristische Merkmal aller Errungenschaften, sofern wir diesen Begriff in Einklang mit der kommunistischen Ideologie interpretieren, daß sie, wenn auch verschieden akzentuiert, das Moment der Praxis und das theoretisch-ideologische Moment auf besondere Weise in sich vereinigen und miteinander verknüpfen. Sobald irgendeine soziale Maßnahme als Errungenschaft bezeichnet und propagiert wird, tritt sie aus dem Bereich der bloßen Praxis heraus. Die „Einheit von Theorie und Praxis“ besagt für die Errungenschaften nichts anderes, als daß die kommunistische Ideologie keine Möglichkeit bietet, die Scheidung von Grunderrungens(haften und abgeleiteten Errungenschaften zu untermauern, die gerade aus einer ideologisch nicht vorbelasteten Analyse gewonnen wird. Aber auch dabei läßt sich nicht verkennen, daß die Übergänge fließend sind, wenn sich auch die beiden Gruppen im ganzen deutlich voneinander abheben. Das sei hier durch ein extremes Beispiel illustriert. Wenn das ZK der SED in seiner Erklärung vom 22. 3. 1956 zu den Ergebnissen des XX. Parteitages der KPdSU betont: „Alle Erfolge und Errungenschaften, die die fortschrittliche Menschheit in den letzten Jahren und Jahrzehnten erreicht und erkämpft hat, wurden nur möglich durch unermeßliche Opfer und Anstrengungen, die das Sowjetvolk und seine Partei für die Sache der Menschheit gebracht haben und heute noch bringen“ so erscheinen aus dieser Perspektive alle sowjetzonalen Errungenschaften einschließlich des Arbeiter-und Bauern-staates“ selbst als von den sowjetischen Errungenschaften abgeleitet. Das ändert jedoch nichts an der methodischen Fruchtbarkeit der von infratest eingeführten Unterscheidung von zwei Gruppen von Errungenschaften, die sich aus der agitatorischen und propagandistischen Praxis des Systems zwangsläufig ergibt.

Propagandistische Aneignung fremder Leistungen

Eine andere Frage ist es allerdings, ob diese beiden Gruppen ausreichen, den ganzen Bereich der Errungenschaften, wie ihn die Sprache des Systems umgrenzt, zu decken. Gibt es doch eine Vielzahl von Leistungen wissenschaftlicher, technischer, wirtschaftlicher, kultureller oder auch politisch-historischer Natur, die das Regime als Errungenschaften bezeichnet, an deren Zustande-kommen jedoch der junge sowjetzonale „Arbeiter-und Bauernstaat“ schon aus geschichtlichen Gründen keinen Anteil gehabt haben kann. Es handelt sich um Leistungen, die als fortschrittlich anerkannt werden, weil der SED-Staat sie in seinem Sinne und für seine Zwecke auszunutzen versucht, so daß man hier vielleicht von instrumentalen Errungenschaften sprechen könnte. Bei eingehender Prüfung erweist sich jedoch der Unterschied zwischen dieser Gruppe von bereits vorgefundenen Errungenschaften und den abgeleiteten Errungenschaften als irrelevant. Was oben für die Sozialleistungen bereits angedeutet wurde, gilt allgemein. Bereits vorgefundene Leistungen — gleichgültig auf welchem Gebiet und aus welchem historischen Zeitabschnitt — können nach Belieben und nach Bedarf ideologisch usurpiert und durch diesen Prozeß der geistigen Aneignung de facto in abgeleitete Errungenschaften verwandelt werden

Wo immer die kommunistische Propaganda von Errungenschaften spricht, geht es ihr im letzten darum, durch sich gleichsam instinktiv einstellende Gefühls-und Gedankenreaktionen die Vorstellung von der Einheit des Fortschritts auszulösen, in der das Regime seine Legitimation sucht. Die dabei angewandte ständige Verquickung der abgeleiteten Errungenschaften mit den Grunderrungenschaften legt den Gedanken nahe, daß hier der Versuch gemacht sein könnte, die Lehre Pawlows vom „bedingten Reflex“ praktisch anzuwenden und in den Dienst der totalitären Propaganda zu stellen

Gemessen an diesen weitreichenden Zielen, sind die Erfolge der Errungenschaftspropaganda bisher bescheiden geblieben. Obgleich die Propaganda die Grunderrungenschaften nicht weniger häufig nennt als die abgeleiteten Errungenschaften und obgleich die Propagierung der abgeleiteten Errungenschaften von vornherein darauf abgestellt ist, die Richtigkeit der Grundprinzipien des kommunistischen Herrschaftssystems zu erhärten, haben die Grunderrungenschaften im Bewußtsein der Bevölkerung nur wenig Resonanz gefunden.

Persönliche Vorteile bestimmen das Bild

So berichten die von infratest befragten Arbeiter auf die Frage hin, was unter den Errungenschaften des Sowjetzonenregimes zu verstehen sei, fast ausnahmslos über Einrichtungen, die ihnen selbst, ihrer Familie oder ihren Arbeitskollegen offenbar einmal unmittelbar zugute gekommen waren, ohne die Grunderrungenschaften überhaupt zu erwähnen. Die Nennungen berücksichtigen eine bunte Fülle aller nur möglichen und denkbaren Sozialleistungen, angefangen von der „Verbesserung der Toiletten und Waschanlagen“ über die Grünanlagen auf dem Betriebsgelände bis zu den „Nachtsanatorien“ der Betriebe, in denen leicht erkrankte Arbeiter nachts ärztlich betreut und versorgt werden, damit sie am nächsten Tage wieder an ihre Arbeit gehen können. Nur eine kleine Gruppe wiederholt Propagandathesen wie „allgemeine Gleichheit“, „Gleichberechtigung der Frau“ oder „besserer Lebensstandard“. Selbst die HO-Läden, das Kino und das Fußballtoto werden vereinzelt unter die Errungenschaften gerechnet.

Aber die überwiegende Mehrzahl der Antworten bezieht sich unmittelbar auf Sozialeinrichtungen in des Wortes eigentlicher Bedeutung, wobei die berufliche und betriebliche Fürsorge klar dominiert. „Am häufigsten wurden Kindergärten, Kinderkrippen und -horte im Betrieb genannt, dann folgen Erholungsheime, Kurheime und Sanatorien für die Arbeiter, auch Lohnausgleich bei Krankheit wird sehr häufig gelobt, wie überhaupt die Krankenversicherung (SVK) sehr oft genannt wird. Als nächste in der Rangordnung liegen die FDGB-Urlaubsheime und der Feriendienst, dem gleich die Kinder-ferienplätze folgen. Alle anderen Nennungen verteilen sich in breiter Skala über eine erstaunliche Fülle von Einrichtungen.“

Die Ergebnisse der Studien über die Angestellten und die jugendlichen Flüchtlinge aus der SBZ modifizieren dieses Bild, ohne es jedoch entscheidend zu verändern. Im Gegensatz zu den Arbeitern, von denen ausschließlich abgeleitete Errungenschaften genannt wurden, verweist allerdings in beiden Fällen jeweils eine sehr geringe Minderheit bei der Beantwortung der Frage nach den Errungenschaften des Sowjetzonenregimes auf Grunderrungenschaften. Und auf die den Angestellten zusätzlich gestellte Frage, was nicht sie selbst, sondern die — nicht näher definierten — „Funktionäre“ als Errungenschaften zu bezeichnen und zu propagieren pflegten, schreibt sogar die Mehrzahl der Befragten, die auf diese Weise zu reflektierten und durch keinerlei Rücksichten auf ihre augenblickliche Situation im Notaufnahmeverfahren beeinflußten Äußerungen provoziert werden sollten, den „Funktionären“ zutreffend Grunderrungenschaften zu, und zwar größtenteils im Zusammenhang mit abgeleiteten Errungenschaften. Im übrigen stehen auch bei den Angestellten die abgeleiteten sozialen Errungenschaften eindeutig im Vordergrund des Bewußtseins, wenn auch die absolute Zahl der Nennungen und die An-zahl der im einzelnen als Errungenschaften angeführten verschiedenen Einrichtungen kleiner ist als bei den Arbeitern und bei den Jugendlichen. Bezeichnenderweise fehlen in dem sich aus den Antworten der Angestellten ergebenden Katalog solche Einrichtungen wie Schwerarbeiterzulage, Nachtsanatorien, Unfallschutz usw., die nur für Arbeiter, aber nicht für Angestellte von praktischem Interesse sind Umgekehrt stehen Beihilfen und Stipendien, die von den in der Arbeiterstudie erfaßten älteren Arbeitern überhaupt nicht erwähnt wurden, bei den Jugendlichen mit Abstand an erster Stelle. „Immer wieder taucht im Verlaufe des Interviews der Hinweis auf dieses Gebiet der ostzonalen Sozialleistungen auf, die manche Jugendliche zu dem Schluß kommen lassen: . Dort drüben hat man mehr für uns getan'.“ An zweiter Stelle nennen die Jugendlichen „bereits die Sportunterstützung, den Sportplatzbau etc. Auch hier wird im Verlaufe des Interviews der Gegensatz zu den Zuständen in der Bundesrepublik betont, wo der Sport . ziemlich teuer'sei“

Bei einem Vergleich der drei Befragungen zeigt sich also die durchgehende Tendenz, daß Errungenschaften und soziale Leistungen meist synonym gebraucht werden und daß jeweils die selbsterlebten, selbsterfahrenen Einzelvorteile das Bild bestimmen. Diese sozialen Errungenschaften werden punktuell, losgelöst aus den politischen Zusammenhängen, in die sie von der Propaganda gestellt werden, beurteilt und wirken daher auch nicht meinungsbestimmend für das Verhältnis zum sogenannten Arbeiter-und Bauernstaat und seinen politischen Grundprinzipien. Aus der Tatsache, daß die abgeleiteten sozialen Errungenschaften von den Befragten allgemein anerkannt und bejaht werden, während gleichzeitig die Grunderrungenschaften in ihrem Bewußtsein so gut wie keine Rolle spielen und der Arbeiter-und Bauernstaat fast einhellig abgelehnt wird, läßt sich schließen, daß die Gleichschaltung des Denkens im kommunistischen Sinn bei der Sowjetzonenbevölkerung noch in den Anfängen steckt Es zeigt sich einmal mehr, daß nicht schon die dauernde Wiederholung einer Propagandathese ihren Erfolg verbürgt, sondern daß weitgehend die vorgegebene Motiviation der Angesprochenen über ihre Resonanz entscheidet. So können die Ergebnisse der Befragungen als Maßstab dafür dienen, wo die wirklichen Interessen der mitteldeutschen Bevölkerung liegen

Vergleichsmaßstäbe fehlen

Diese Analyse der Befragungsergebnisse sollte jedoch nicht dazu verführen, die Resonanz, die die abgeleiteten sozialen Errungenschaften bei der Bevölkerung der Sowjetzone gefunden haben und die als „schlechthin optimale Wirkung einer Propaganda auf den anzusprechendenMenschenkreis“ beurteilt werden muß, in ihrer Bedeutung zu unterschätzen und als unwesentlich beiseite zu schieben. Dieser Erfolg verdient um so ernstere Beachtung, als der überwiegende Teil der Befragten solche Errungenschaften bei der Wiedervereinigung übernommen sehen möchte und sich vielfach die positive Einschätzung bestimmter Einrichtungen kausal mit einer Kritik am Fehlen derartiger Förderungsmaßnahmen in der Bundesrepublik verknüpft

Dieses Phänomen ist vor allem aus dem Mangel an Information über parallele Einrichtungen in der Bundesrepublik zu erklären, die hier großenteils so selbstverständlich sind, daß kein Mensch Aufhebens von ihnen macht. Charakteristisch ist es auch, daß Angestellte — darunter betonte „Antikommunisten" — bei Gesprächen über Vor-und Nachteile der Staatsbetriebe gegenüber Privatbetrieben ihre Ansicht vornehmlich auf die wenigen, meist unbedeutenden, noch in Privathand befindlichen Betriebe der Sowjetzone stützen, jedoch über die Wirtschaft in der Bundesrepublik nur unklare Vorstellungen besaßen. Genau so fehlt es weitgehend an Vergleichsmaßstäben auf dem Gebiet der Sozialeinrichtungen, so daß planmäßige sachliche Aufklärung dringend erforderlich scheint

Weit am Ziel vorbei würde jedoch eine Gegenpropaganda schießen, die versuchen wollte, die sozialen Förderungsmaßnahmen in der Zone zu bagatellisieren oder gar hinwegzudiskutieren. Damit wäre nur das Gegenteil des Beabsichtigten zu erreichen; sind doch die Menschen in der SBZ, und besonders die Arbeiter Propagandathesen gegenüber, die sie glauben, im eigenen Lebensbereich überprüfen zu können, außerordentlich kritisch eingestellt Gerade weil sie noch immer unter vielfachen materiellen Entbehrungen zu leiden haben, sollte man ihnen das, was ihnen ihre Lage erleichtert, nicht schmälern; sie würden sich nur als arme Verwandte behandelt fühlen und schon aus Trotz und verletztem Stolz näher an das ihnen aufgezwungene Regime heranrücken. Weil ihre Wünsche notgedrungen so „leibnah“ sind, müssen sie die zahlreichen Sonderleistungen schätzen; aber diese Sonderleistungen können solange ihr Verhältnis zum Regime nicht ausschlaggebend beeinflussen, als sich der „Arbeiter- und Bauernstaat" nicht in der Lage sieht, ihre Lebensbedürfnisse zu befriedigen und sich alles andere dem Kampf um die Existenzsicherung unterzuordnen hat. Die These, daß zuerst der Plan, dann die Sicherung der eigenen Existenz komme, kann bei diesen Menschen in einer sozialen Grenzsituation nur Abneigung erwekken.

So erklärt sich der paradoxe Sachverhalt, daß die sich aus den Lebensbedingungen der Zone zwangsläufig ergebene materialistische Grundeinstellung, die den sozialen Errungenschaften im Bewußtsein der Bevölkerung einen so hervorragenden Platz einräumt, die gleiche Bevölkerung gegen die Propagierung der Grunderrungenschaften, die eine Identifizierung des einzelnen mit dem „Arbeiter-und Bauernstaat" und seinen fundamentalen ideologischen Leitsätzen heischen, bisher fast immun gemacht hat. Sollte jedoch einmal „in der SBZ ein industrieller Normalkonsum die soziale Grenzsituation der Arbeiterschaft" und der übrigen Bevölkerungsschichten, soweit ihre Lebensbedingungen vergleichbar sind, ablösen, würde dadurch eine völlig neue Ausgangslage geschaffen werden

Einbrüche in das Bewußtseinsgefüge

Hat sich auch die Bevölkerung bisher weitgehend der Ideologie verschlossen, so sind doch schon Einbrüche in das Bewußtseinsgefüge erfolgt, die auf die Dauer zu Befürchtungen Anlaß geben könnten. Das gilt in besonderem Maße für die Angestellten, die dem ideologischen Druck viel weniger ausweichen können als die Arbeiter. Für die Angestellten ist Opportunismus weithin „zur Lebensnotwendigkeit“ geworden. „Ob gehobener, ob kleiner Angestellter — in irgendeiner Form muß er sich in der Sowjetzone der Einheitspartei stellen. Er muß es um so mehr, je mehr Verantwortung er trägt. Es gibt für ihn nur die Alternative zwischen opportunistischer Scheinüberzeugung und innerem Bekenntnis zum Kommunismus, wenn er in Stellung und Funktion verbleiben will.“ Dabei fällt erschwerend ins Gewicht, daß der Durchschnittsangestellte „im Grunde seines Herzens nicht mehr an eine reale, greifbare und absehbare Chance für die Wiedervereinigung“ glaubt. So sieht er sich auf sich selbst gestellt und dem Ansturm der kommunistischen Ideologie ausgesetzt, dem er, da er kein Ende dieses Zustandes abzusehen vermag, eines guten Tages so oder so — „als Konformist oder als Überzeugter" — erliegen muß, es sei denn, er verzichtet auf seinen Beruf

Die Angestellten sind nur der extreme Fall eines viel allgemeineren Phänomens. Das innere Aufbäumen gegen den Zwang beruht in der SBZ gemeinhin nicht auf gefestigten und reflektierten politischen Überzeugungen, sondern auf dumpfen Emotionen. Für verhältnismäßig viele der befragten Jugendlichen, die sich im übrigen ideologisch als erstaunlich gering im Sinne des DIAMAT beeinflußt erwiesen, gehören die neuen industriellen und argrarischen Betriebsformen schon zu den Selbstverständlichkeiten des Alltags, sind also bereits „institutionalisiert“ Fast die Hälfte der jugendlichen Arbeiter — gegenüber etwa 40 % aller befragten Jugendlichen — tritt grundsätzlich für Verstaatlichung zumindest der Großbetriebe in irgendeiner Form ein; und bei der Arbeiterstudie und der Angestelltenstudie ergeben sich sogar noch etwas höhere Sätze Trotzdem fühlt sich kaum jemand als „Mitbesitzer“, und die Praxis der Zone wird allgemein verworfen; darum wird Sozialisierung auch nicht als Errungenschaft genannt. So zeigt sich ein starker sozialistischer Trend, wohl verbunden mit unklaren antikommunistischen Affekten, aber nicht abgestützt durch gefestigte freiheitlich-sozialistische oder oppositionell-kommunistische Konzeptionen.

Das alles gehört in ein Gesamtbild, das, unterhalb der Schwelle der Meinungsbildung durch ein in sich widerspruchvolles Konglomerat westlicher und östlicher Wertvorstellungen bestimmt, einerseits eine eindeutige gefühlsmäßige Hin-neigung zu westlichen Lebensformen, andererseits eine im Kern apolitische Grundhaltung sichtbar macht. Diese apolitische Haltung ist es, die sich als größter Aktivposten des Zonenregimes erweisen könnte, das die Ideologie, deren Aufnahme bisher hartnäckig verweigert worden ist, „durch die Hintertür" in das Bewußtsein der Menschen einzuschleusen versucht. Nichts anderes ist der Zweck der Errungenschaftspropaganda, deren außerordentliche Intensität darauf hindeutet, daß sie auf sehr lange Sicht arbeitet. Dabei wird der Bürger der Zone keineswegs nur durch die Presse und die Agitation in den politischen Pflichtveranstaltungen mit dem Schlagwort bombardiert. Um das zu illustrieren, sei hier nur erwähnt, daß der junge Mann, der freiwillig in die Nationale Volksarmee eintritt, sich ebenso verpflichtet, die „sozialistischen Errungenschaften der Werktätigen der DDR“ zu schützen wie Brautleute, die das „Sozialistische Ehegelöbnis" ablegen, zu beteuern haben, „mit gemeinsamer tätiger Kraft“ diese Errungenschaften mehren zu wollen

Elementare Freiheitsbedürfnisse bleiben

Die Wirkungen der Errungenschaftspropaganda und die Grenzen, die sie bisher vergeblich zu überwinden suchte, werden besonders deutlich, wenn man sich vergegenwärtigt, daß die sozialen Errungenschaften der Zone in den Aussagen der befragten Jugendlichen ständig als Gegengewicht zur „Freiheit" und zum „hohen Lebensstandard" Westdeutschlands auftreten. Die sowjetzonalen Jugendförderungsmaßnahmen haben trotz der großen Rolle, die sie im Bewußtsein der Jugendlichen spielen, von denen nebenbei gesagt zwei Drittel keine derartigen Maßnahmen in der Bundesrepublik zu nennen wußten, das Sendungsbewußtsein der jungen Menschen nicht in dem von den Machthabern erhofften Maß zu wecken vermocht. Ihre Idealvorstellungen gehen durchweg in die Richtung: „Freiheit plus Betreuung“, wobei „Freiheit“ für sie keine Ideologie und nicht die Vorstellung eines idealen politischen Zustandes bedeutet, sondern einfach „alltägliches, immanentes Lebensgefühl“. Wie wenig ihnen die Freiheit als abstrakte, abgelöste politische Idee besagt, zeigen die Antworten auf die Frage: „Gibt es eine Idee, für die Sie sich einsetzen könnten?", zu der sich nur 39 ’/o der Befragten äußerten. Mit nur 2 °/o aller Nennungen stand hier die „Freiheit" zusammen mit den „Vereinigten Staaten von Europa" und „Religiösen Gemeinschaften“ ganz am Schluß, nach „Wiedervereinigung" (12 ®/o), „Sport“ (7 ’/o), „Vernichtung des Kommunismus“ (4 °/o), „Frieden“ und „Gemeinschaften" (je 3 °/o)

Damit zeichnet sich das Feld der Entscheidungen ab: es liegt in der Spannung zwischen den Polen der sozialen" Errungenschaften und eines unreflektierten, nicht durchpolitisierten, elementaren Freiheitsbedürfnisses. So wichtig es ist, den Menschen in der Zone das wahrheitsgetreue Bild vom Lebensstandard und von den sozialen Leistungen in Westdeutschland zu geben, das ihnen die Zonenpresse systematisch vorenhält, so wenig wäre der Sache gedient, wenn man die Auseinandersetzung mit der Errungenschaftspropaganda auf diese eine Seite beschränken würde. Gewiß sollte die Bundesrepublik nicht davor zurückscheuen, sich durch einzelne Maßnahmen in der Zone auch an eigene Versäumnisse erinnern zu lassen; aber selbst wenn manches drüben besser geregelt sein sollte, ist das verhältnismäßig nebensächlich. Daß nicht darauf verzichtet werden kann, den Verzerrungen der SED-Propaganda einen streng sachlichen Vergleich zwischen den Lebensbedingungen der arbeitenden Bevölkerung in der Bundesrepublik und in der Zone entgegenzustellen, versteht sich von selbst. Aber nicht minder wichtig dürfte es sein, der mitteldeutschen Bevölkerung Aufschluß darüber zu geben, welche Funktion die SED der Errungenschaftspropaganda zugewiesen hat.

Wenn die Menschen drüben die Sozialeinrichtungen, soweit sie ihnen wirklich zugute kommen und ihnen materielle Erleichterungen bringen, schätzen, ist ihnen das nicht zu verdenken. Aber sie sollten immer wissen, daß die Bundesrepublik, auch wenn sie kein Idealstaat ist, sich nicht im „Wirtschaftswunder" erschöpft, und daß die Kommunisten, selbst wenn es ihnen gelänge, ihren Separatstaat wirklich in ein Paradies der „sozialen Errungenschaften“ zu verwandeln, nicht von dem Versuch ablassen könnten, den elementaren Freiheitsdrang zu ersticken.

Dokumentation

SED und die deutsche Wiedervereinigung

„Millionen deutscher Arbeiter stellen heute die Frage: , Wie soll das neue Deutschland aussehen? ’ Unsere Antwort lautet:

Das neue Deutschland soll ein demokratisches Deutchland sein, in welchem die Macht der Monopolherren, Junker und Großgrundbesitzer, die Macht der Militaristen für immer gebrochen sein wird. Es wird ein Deutschland sein, in welchem die Arbeiterklasse in Staat und Wirtschaft entscheidend mitbestimmt, ein Deutschland ohne Betriebsverfassungsgesetz und Personalvertretungsgesetz. In diesem demokratischen Deutschland wird es keine amerikanischen Ausbeutungsmethoden, keine Massenarbeitslosigkeit, wohl . aber eine Vollbeschäftigung und das Recht auf Arbeit, wird es gleichen Lohn für gleiche Arbeit und für die Jugend das Recht auf gute Berufsausbildung und gute Entwicklungsmöglichkeiten geben.

Wenn also viele westdeutsche Arbeiter fragen: Sind die Errungenschaften der Deutschen Demokratischen Republik auch im Westen unseres Vaterlandes möglich? Dann antworten wir: Ja, sie sind möglich — durch die Aktionseinheit der Arbeiterklasse können sie errungen werden." Neues Deutschland, 16. 6. 1955 (H.

Warnke). „Natürlich wird unter den Arbeitern Westdeutschlands viel über das künftige Deutschland gesprochen. Mehr und mehr wird aber offen dazu Stellung genommen und unter bewußter Einbeziehung der durch die deutsche Arbeiterklasse erkämpften politischen, ökonomischen und sozialen Errungenschaften in der DDR.“

Berliner Zeitung, 20. 8. 1955. „Wie kann aus dem fortschrittlichen Arbeiter-und Bauern-Staat, der Deutschen Demokratischen Republik, und dem reaktionären westdeutschen Staat, der Bundesrepublik, wieder ein Deutschland, ein deutscher Staat mit einer gesamtdeutschen Regierung werden? Zweifellos nicht so, daß die westdeutschen Großkapitalisten, Junker und Militaristen ihre Macht über ganz Deutschland ausdehnen. Zweifellos auch nicht so, daß die westdeutschen Großkapitalisten unsere volkseigenen Betriebe rauben und die Junker unseren Bauern das Land wieder wegnehmen, das sie durch die Bodenreform erhalten haben. Auch werden wir niemals gestatten, daß die westdeutschen Militaristen unsere Jugend in ihre Hitler-armee pressen. Wir werden es auch niemals zulassen, daß all unsere fortschrittlichen Gesetze, Verordnungen und Einrichtungen beseitigt, daß unsere Arbeiter-und Bauernmacht zerschlagen und an ihre Stelle die Macht des reaktionären und konterrevolutionären westdeutschen Kapitalistenstaates errichtet wird. . . . Und da gibt es auch keinen soge-nannten Mittelweg. Da kann nicht jede Seite einen Pflock zurückstecken ... Es kann keine gesamtdeutsche Regierung geben, die sowohl arbeiter-freundlich als auch arbeiterfeindlich, die sowohl für den Krieg als auch für den Frieden ist. Nicht die Reaktion wird den Fortschritt besiegen, sondern umgekehrt.

Das ist das Gesetz der Entwicklung und die Hauptlehre des 20. Jahrhunderts. In Westdeutschland müssen die Verhältnisse geändert und eine Neuorientierung in der Politik herbeigeführt werden.“

Notizbuch des Agitators, Heft 19/1955, S. 16 ff. (G. Eisler, Sechs Jahre Deutsche Demokratische Republik, Die Errungenschaften der deutschen Arbeiterklasse und Nation). „Die Deutsche Demokratische Republik ist der einzige rechtmäßige deutsche Staat, . , . weil dieser Staat von den Arbeitern, den werktätigen Bauern und der schaffenden Intelligenz aufgebaut wurde und der geschichtlichen Entwicklung in Deutschland entspricht.“

Notizbuch des Agitators, Heft 20/1955, S. 21. »Die Existenz der Deutschen Demokratischen Republik ist eine reale Tatsache, und ihre Errungenschaften sind das Vorbild für die demokratische Umgestaltung in Westdeutschland und Werstberlin.“

Notizbuch des Agitators, Heft 21/1955, S. 3. die Menschen der Deutschen Republik, sind auf „Wir, Demokratischen der Gewinnerseite, weil bei uns die stärksten Bataillone stehen. Denn dies ist das Jahrhundert der Abrechnung mit den Kriegstreibern und das Jahrhundert des imperialistischen Untergangs und damit das Jahrhundert, in dem ein ganzes Deutschland entsteht, dessen Gesicht die siegreichen Arbeiter und Bauern im Bunde mit den Intellektuellen formen werden.“

Neues Deutschland, 1. 12. 1955 (A. Norden auf der Tagung des Zentral-verbandes der deutschen Presse am 26. November 1955). „Wenn man also ehrlich an das Thema der Neugestaltung Deutschlands herangehen will, so muß man sich für eine Veränderung der Lage in Westdeutschland einsetzen. Im Osten Deutschlands, in der Deutschen Demokratischen Republik, sind die jahrzehntelangen Forderungen der Arbeiter verwirklicht. Hier schafft die Arbeiterklasse im Bündnis mit den Bauern und den anderen Schichten an der Neugestaltung, am Aufbau des Sozialismus . . . Obwohl klar ist, daß man über eine Neugestaltung Deutschlands nicht diskutieren kann, ohne die Erfahrungen der DDR zu berücksichtigen, versucht man, vor der DDR einen eisernen Vorhang herunterzulassen. Das wirkt gerade so, als wenn man in einem muffigen Zimmer über die Vorteile der frischen Luft diskutiert, es aber strikt ablehnt, in den Garten zu gehen, weil dort zu viel frische Luft ist.“

Neues Deutschland, 30. 12. 1955. „Ja, es gibt bei uns noch Ärger über Unzulänglichkeiten des Alltags. Aber dafür haben sich die Werktätigen der DDR durch ihre Errungenschaften Anspruch auf die geistige Führung der deutschen Sache erworben. Das ist die Proportion. Die DDR ist der Staat der deutschen Zukunft. Sie ist geographisch der kleinere Teil Deutschlands. Politisch, geistig und moralisch ist sie das stärkere Deutschland, das neue Deutschland.“

Berliner Zeitung, 31. 12. 1955 (Die Errungenschaften). „Die Arbeiterklasse in der Deutschen Demokratischen Republik hat .. . für ganz Deutschland gezeigt, was eine einige Arbeiterklasse vermag. Besonders für Westdeutschland gelten die Worte unseres alten Kampf-liedes: , Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun '. . . Wenn einmal in Westdeutschland die Macht der Militaristen und Faschisten gebrochen ist, dann wird es leichter gehen als in der Deutschen Demokratischen Republik, denn inzwischen haben die besten Vertreter der Arbeiterklasse gelernt, die Wirtschaft, die großen Betriebe und den Staatsapparat zu leiten. Wir haben genügend Fachleute und bilden noch mehr aus, um den westdeutschen Freunden, wenn es notwendig ist, zu helfen.

Die Zeit ist gekommen, in unserem Volke das große Zukunftshoffen lebendig zu mähen. Der große Nationaldichter Deutschlands, Johann Wolfgang Goethe, sagt im . Faust': , Ein Sumpf zieht am Gebirge hin, verpestet alles schon Errungene; Den faulen Pfuhl auch abzuzieh'n, Das wär'das Höchsterrungene’ . . .“

Protokoll der 3. Parteikonferenz der SED, S. 203 f. (W. Ulbricht am 24. 3. 1956). „Wir stehen . . . vor der Tatsache, daß ein Teil unseres Volkes die politische und ökonomische Freiheit erlangt hat, während der andere noch in den Fesseln des Kapitalismus beharrt. Es ist klar, daß ein solcher Zustand nicht von langer Dauer sein kann. Das geschichtlich Neue und Höhere, was sich mit dem Aufbau des Sozialismus durch die geschichtsbildende Rolle der Arbeiter-und Bauern-Maht bei uns durchsetzt, muß sich mit derselben geschichtlichen Notwendigkeit auch bei dem anderen Teil des deutschen Volkes und damit in ganz Deutschland durchsetzen."

Protokoll der 3. Parteikonferenz der SED, S. 654 (O. Grotewohl am 28. 3. 1956). „Ihr stärkster Eindrude, versicherten die britishen Gäste, die auf Einladung der Ständigen Delegation der Internationalen Konferenz zur friedlichen Lösung der deutshen Frage die DDR bereist hatten, sei „der allgemeine industrielle und soziale Fortshritt, der jedem große Anerkennung für jene abzwingt, die für diese Entwicklung verantwortlich sind'. Obwohl bei einer kommenden Wiedervereinigung Deutshlands gewisse Konzessionen gemäht werden müßten, stellten die britishen Politiker fest, dürften die großen Errungenshaften der DDR, wie das Volkseigentum an den entsheidenden Industrien und die sozialen Fortshritte, niht aufgegeben werden. , Das würde sonst einem Verrat an der Sahe der Arbeiter gleichkommen", hob William Owen hervor, der ein leitender Funktionär der Northumberland-Bergarbeitergewerkshaft ist.“

Vorwärts (Montags-Ausgabe Neues Deutschland), 9. 4. 1956 (Errungenschaften der DDR vorbildlich für ganz Deutschland). „Ih erhielt eine Kur im Nahtsanatorium des Martin-Hoop-Werkes.

Mir und allen Kollegen wird hier etwas geboten, was der Arbeiter nie zuvor erleben konnte: eine gute ärztlihe Betreuung, Bäder aller Art, Massagen, Bestrahlung sowie reihlihe und erstklassige Verpflegung und peinlihe Sauberkeit des ganzen Heimes. Dazu kommt noh die kulturelle Betreuung durh die Kulturgruppen des Werkes, der Fernsehapparat, Veranstaltung von Vorträgen, die Funkanlage im Hause, die Bibliothek, das Lesezimmer sowie Spielzimmer. Dies alles ist dazu angetan, daß der Kumpel wirklih Erholung und Entspannung findet.

Wenn ih im Gästebuh des Heimes die Eintragungen vieler westdeutsher Arbeiterdelegationen lese, dann muß ih an die nordwestdeutshen Metallarbeiter denken, die seit Wohen in einem großen Streik stehen. Dort kämpfen die Arbeiter besonders um eine bessere gesundheitlihe Betreuung, während bei uns die gesetzlihen Bestimmungen für den Gesundheitsshutz shon seit Jahren vorbildlich sind.

Manhe unserer Kumpel nehmen vieles als selbstverständlich hin und vergessen dabei, daß unsere westdeutschen Brüder noh um ihre elementarsten Rehte, um das Mitbestimmungsreht kämpfen müssen. An eine solh großzügige Betreuung in einem Betriebsnahtsanatorium, wie es unsere Regierung für uns hier geshaffen hat, können sie drüben gar niht denken.

Meiner Meinung nah müssen wir immer mehr westdeutshe Kollegen zu uns einladen und ihnen die Errungenshaften unserer Arbeiter-und Bauernmaht zeigen. Dann werden sie begreifen, wie schnöde sie von der Adenauerclique betrogen werden, wenn diese gegen unsere Deutshe Demokratishe Republik hetzt. Dann werden sie erkennen, daß der Antikommunismus eine Phrase ist, die die Kriegstreiber benutzen, um wieder im Trüben nah noh größeren Profiten fishen zu können.

Das wird ihnen aber diesmal niht gelingen. Wir arbeitenden Menshen müssen jetzt wahsam sein. Wir müssen — gestützt auf unsere Errungenshaften — die Aktionseinheit der shaffenden Menshen in ganz Deutshland erreihen. Wenn es uns gelingt, daß sih die Arbeiter-und Gewerkshaftsführer aus Ost und West zu gemeinsamem Handeln zusammenfinden, dann ist der Tag niht mehr fern, wo Adenauer und seine fashistishen Helfershelfer in Westdeutshland abtreten müssen; und dann werden wir ein friedlihes, demokratishes Deutshland aufbauen. Dann werden die Errungenshaften unseres Arbeiter-und Bauernstaates Vorbilder sein, wenn unser ganzes deutshes Volk den Sozialismus errihten wird.

Diese Gedanken erfüllen uns alle, die wir in dem herrlihen Naht-sanatorium des Martin-Hoop-Werkes zur Kur waren. Darum unterstützen wir unsere Regierung am besten, wenn wir all unsere Kraft für die Erfüllung und Überfüllung unserer Produktionsaufgaben einsetzen. Wir werden so zur Stärkung und Festigung unserer Republik beitragen und sie in die Lage versetzen, ihren Kampf um die Einigung unseres Vaterlandes mit Erfolg weiterzuführen.

Max Müller, Mülsen Sankt Jacob, Martin-Hoop-Siedlung 3 59.“

Neues Deutschland, 25. 1. 1957 (Wie soll das einheitliche Deutschland aussehen. Unsere Errungenschaften — Vorbild für ganz Deutschland). „In der Bundesrepublik stehen . . . in der Verfassung das Recht auf Arbeit, das Recht der freien Meinungsäußerung, das Recht auf Erholung und Versorgung bei Krankheit usw. Die Bonner Wirklichkeit ist aber vom Wortlaut der Gesetze weit entfernt: Polizeiknüppel gegen Arbeiter und Patrioten, Verbot politischer Meinungsäußerungen, soweit es sich um fortschrittliches Ideengut handelt, Rentenbetrug, unzureichende Versorgung der Arbeiter im Krankheitsfall usw. Nur durch den hartnäckigen Kampf der Volksmassen, insbesondere auch durch die Streiks der Arbeiter, kann im Bonner Staat eine Anzahl . garantierter Rechte'auch im täglichen Leben durchgesetzt werden. Deshalb sind für die Arbeiter in Westdeutschland die Errungenschaften in der DDR ein Vorbild.“

Presse-Informationen, 24. 7. 1957. „Das neue, bessere Deutschland ist heute in der Deutschen Demokratischen Republik Wirklichkeit geworden. Das Neue und Bessere sind die volkseigenen Betriebe und Güter, die Maschinen-und Traktoren-Stationen, die landwirtschaftlichen und handwerklichen Produktionsgenossenschaften. Das Neue und Bessere sind die FDGB-Ferienheime, Betriebspolikliniken, Nachtsanatorien, die Kur-und Erholungsorte, in denen heute die überwiegende Mehrzahl der Gäste Arbeiter sind. Das Neue und Bessere sind aber auch die Grund, -Zentral-und Mittelschulen, die Arbeiter-und Bauernfakultäten, die Pionierhäuser und Lehrwerkstätten, die Sportstadien und Jugendklubhäuser, wo die Jugend im Geiste der Völkerverständigung und zu allseitig gebildeten Menschen erzogen wird.“

Neues Deutschland, 8. 5. 1958. „Dank der stählernen Einheit der SED auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus wächst das spezifische Gewicht der Arbeiter-und Bauernmacht der Deutschen Demokratischen Republik. Der Plan des Weges zum Sieg des Sozialismus in der Deutschen Demokratischen Republik, den wir dem V. Parteitag vorlegen, bedeutet, daß das spezifische Gewicht der Deutschen Demokratischen Republik größer wird als das des Bonner militaristisch-klerikalen Obrigkeitsstaates. Das spezifische Gewicht wird sich zeigen in der Überlegenheit der sozialistischen Gesellschaftsordnung über die kapitalistische Klassenherrschaft der Atomrüstungspolitiker in Westdeutschland. Das spezifische Gewicht der Deutschen Demokratischen Republik wird bestimmt durch das Tempo und die Erfolge im Aufbau des Sozialismus, durch die feste unverbrüchliche Freundschaft mit der Sowjetunion und den Staaten des sozialistischen Lagers und durch die Verbundenheit mit der Arbeiterklasse und den fortschrittlichen Kräften in Westdeutschland.“

Protokoll des V. Parteitages der SED, S. 221 (W. Ulbricht am 10. 7. 1958). „Je weiter der Aufbau des Sozialismus sich entwickelt, je stärker sich damit die sozialistische Gesellschaftsordnung herausbildet, um so breiter und tiefer entwickelt sich die politisch-moralische Einheit des Volkes, um so aktiver treten die Kräfte des Volkes auf, um so rascher entfaltet sich bei uns die Entwicklung und um so unbesiegbarer ist unsere Sache und strahlt auch auf Westdeutschland aus. Die sich entwickelnde politisch-moralische Einheit unseres Volkes ist eine große Errungenschaft und zugleich eine mächtige Triebkraft der Entwicklung unserer Gesellschaft."

Protokoll des V. Parteitages der SED, S. 50 f. (W. Ulbricht am 10. 7. 1958). „Die Entwicklung des sozialistischen Bewußtseins und einer neuen gesellschaftlichen Moral ist untrennbarer Bestandteil des Prozesses der Entwicklung der politisch-moralischen Einheit unserer Bevölkerung . . . Die sich entwickelnde politisch-moralische Einheit ist. . . eine große, nur im Sozialismus mögliche Errungenschaft. Mit ihr erweist sich einmal mehr die Überlegenheit der sozialistischen über die kapitalistische Ordnung, die Überlegenheit unserer Republik über Westdeutschland."

Einheit, Heft 8/1958. „Den westdeutschen Arbeitern müssen wir bei der Erkenntnis helfen, daß die Deutsche Demokratische Republik und unsere Partei, die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, Errungenschaften der ganzen deutschen Arbeiterklasse sind, und daß jeder Angriff auf die Deutsche Demokratische Republik und unsere Partei ein Angriff auf die Interessen der ganzen deutschen Arbeiterklasse ist.“

Neues Deutschland, 5. 9. 1958 (H. Matern, Grundfragen des Kampfes für Aktionseinheit).

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Fussnoten

Fußnoten

  1. Dazu Joachim Peck, Zum völkerrechtlichen Status der Deutschen Demokratischen Republik, Berlin (Ost) 1956.

  2. Vgl. „Neues Deutschland“ vom 21. 9. 1955 (Vertrag der Freundschaft unterzeichnet).

  3. Vgl. oben S. 91 ff.

  4. Vgl. oben S. 116.

  5. Wortlaut in: Chronologische Materialien zur Geschichte der SED, Berlin 1956, S. 576 ff.

  6. „Neues Deutschland'vom 6. 10. 1955 (Albert Norden: Des Volkes Vaterland).

  7. „Notizbuch des Agitators“ Bezirk Groß-Berlin, Heft XIX, S. 16 ff. (G. Eisler, Sechs Jahre Deutsche Demokratische Republik. Die Errungenschaften der ganzen deutschen Arbeiterklasse und Nation).

  8. Vorweggegangen war die Erklärung der Sowjetzonenregierung vor der Volkskammer vom 12. 8. 1955, in der es hieß: „Es kann keine Wiedervereinigung Deutschlands auf Kosten der Werktätigen der Deutschen Demokratischen Republik, auf Kosten ihrer Interessen geben. Die Interessen der Deutschen Demokratischen Republik als auch der Deutschen Bundesrepublik können nur dann berücksichtigt werden, wenn die deutsche Frage unter Beteiligung der Deutschen selbst gelöst wird. Die Aufgabe der friedliebenden Kräfte des deutschen Volkes ist es, die realen Voraussetzungen für die Vereinigung Deutschlands unter Berücksichtigung der entstandenen gesellschaftlichen und politischen Bedingungen in dem einen und dem anderen Teil des Landes vorzubereiten. Dabei vertritt die Deutsche Demokratische Republik den Standpunkt, daß in Westdeutschland die Herrschaft der Monopolkapitalisten und Großgrundbesitzer gebrochen werden muß, wie dies von den Alliierten im Potsdamer Abkommen festgelegt worden ist und den Interessen des deutschen Volkes und der Sicherung des Friedens entspricht.

  9. Die werktätigen Menschen der Deutschen Demokratischen Republik werden niemals die Errungenschaften preisgeben, die sie in zehn Jahren harter Arbeit erworben haben." Vgl. Bemühungen der Bundesregierung II, S. 216.

  10. Neues Deutschland" vom 1. 11. 1955.

  11. „Pravda“ vom 9. 11. 1955 (Erklärung W. M. Molotows über die Fragen der europäischen Sicherheit und Deutschlands vom 8. November); deutsch in: „Ost-Probleme“, Jg. 1955, S. 19261.

  12. . Pravda“ vom 3. 11. 1955 (Erklärung W. M. Molotows über die Frage der europäischen Sicherheit und Deutschlands vom 2. November); deutsch in: . Ost-Probleme“, Jg. 1955, S. 1920. — Die genaue Übersetzung des russischen Textes lautet: .. . . politische und sozialwirtschaftliche Errungenschaften der Werktätigen ; . .“

  13. Daher ließ die Sowjetregierung den Verhandlungen mit dem Bundeskanzler in Moskau (9. - 13. 9. 1955) auch unmittelbar die Verhandlungen mit der Zonenregierung folgen (17. - 20. 9. 1955).

  14. Selbst in der Verfassung der Sowjetzone fanden die Errungenschaften jetzt Eingang. Am 26. 9. 1955 wurde von der Volkskammer ein „Gesetz zur Ergänzung der Verfassung“ angenommen, in dem es hieß: „§ 1 Der Artikel 5 der Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik wird wie folgt ergänzt: Der Dienst zum Schutz des Vater-

  15. Vgl. die von Bundesaußenminister v. Brentano abgegebene Erklärung der Bundesregierung zum Abschluß der Genfer Konferenz vom 1. 12. 1955; Bemühungen der Bundesregierung II, S. 274 ff.

  16. „Neues Deutschland" vom 18. 11. 1955 (Was hat Genf gebracht?).

  17. „Neues Deutschland“ vom 23. 11. 1955 (Ist die Geschichte umkehrbar?).

  18. Charakteristisch die Rede Grotewohls vor dem Parteiaktiv der Akademie der Wissenschaften in Berlin, in der es heißt, eine der wichtigsten Aufgaben der Staatsmacht sei die „wirksame Zerschlagung aller feindlichen Anschläge auf die Errungenschaften der Arbeiter und Bauern, auf die sozialistischen Grundpfeiler unserer volksdemokratischen Ordnung. Der wütende Angriff der Reaktion auf den Gebieten Westdeutschlands und Westberlins erfordert zur Erfüllung dieser Aufgabe besondere Anstrengungen unserer Schutzorgane, die nur unter aktiver Mithilfe der breiten Volks-massen gelöst werden können. Ein Absterben der Funktionen des Staates würde einem Absterben des Sozialismus gleichkommen.“ „Neues Deutschland“ vom 13. 12. 1957 (Stärkung der DDR sichert friedliche Wiedervereinigung, Rede des Genossen Otto Grotewohl . . .).

  19. Unter dem Titel „Unsere Menschen ringen um Klarheit“.

  20. Zitiert nach dem von ADN am 9. 7. 1958 verbreiteten Wortlaut (vgl. „Ost-Informationen“ des Presse-und Informationsamtes der Bundesregierung, Nr. 153, 10. 7. 1958, Anhang).

  21. Vgl. in diesem Zusammenhang auch folgenden Passus aus der in Anm. 24 zitierten Rede Grotewohls: „Die im Kapitalismus unterdrückten Volksmassen nehmen beim sozialistischen Aufbau ihre Zukunft in die eigenen Hände. Das ist natürlich mit einem langwierigen Umerziehungsprozeß verbunden. Von der Errichtung einer sozialistischen Staatsmacht über die Erkenntnis der Werktätigen, daß der Arbeiter-und Bauernstaat ihr Staat ist, bis zur umfassenden Verwaltung des ganzen Landes durch die Werktätigen selbst ist ein langer Weg." Grotewohl gibt also unumwunden zu, daß die „unterdrückten Volksmassen“, die ihre Zukunft „in die eigenen Hände" nehmen, erst mühsam dazu erzogen werden müssen, den oktroyierten „Arbeiter-und Bauernstaat“ als „ihren Staat'anzuerkennen. — Eine Meisterleistung kommunistischer „Dialektik", die an logischer Konfusion nichts zu wünschen übrig läßt.

  22. „Neues Deutschland“ vom 2. 1. 1957 (Ausblick am Jahresbeginn. Walter Ulbricht am 1. Januar 1957 im Demokratischen Rundfunk).

  23. Ähnlich auch Ulbricht in seinem Parteitags-referat („Neues Deutschland" vom 11. und 12. 7. 1958): „Wir sprechen offen aus, daß mit der Wiedervereinigung weder solche Forderungen verbunden werden können, die die DDR auf die Bundesrepublik ausdehnen noch die Bundesrepublik auf die DDR." In dem gleichen Referat der Passus: „Je weiter der Aufbau des Sozialismus sich entwickelt, je stärker sich damit die sozialistische Gesellschaftsordnung herausbildet, um so breiter und tiefer entwickelt sich die politisch-moralische Einheit des Volkes, um so aktiver treten die Kräfte des Volkes auf, um so rascher entfaltet sich bei uns die Entwicklung und um so unbesiegbarer ist unsere Sache und strahlt auch nach Westdeutschland aus. Die sich entwickelnde politisch-moralische Einheit unseres Volkes ist eine große Errungenschaft und zugleich eine mächtige Triebkraft der Entwicklung unserer Gesellschaft."

  24. So Ulbricht in seiner Rede: „Grundfragen der Politik der SED“, gehalten auf der 30. Tagung des ZK der SED. Abgedruckt in „Neues Deutschland“ vom 4. und 5. 1. 1957.

  25. „Neues Deutschland" vom 10. 7. 1958 (Die unbesiegbare Kraft unserer Partei).

  26. Wortlaut in: „Neues Deutschland" vom 28. 11. 1958.

  27. Zitiert nach „Neues Deutschland" vom 27. 3. 1959. Russischer Text in „Pravda“ vom 27. 3. 1959.

  28. Dazu u. a. Otto Stammer, Der kleine Mann in der Sowjetzone (Schriftenreihe der deutschen Hochschule für Politik Berlin), Berlin 1953.

  29. Arbeiterschaft in der Volkseigenen Industrie der SBZ, Teil I—III, infratest-Untersuchung, Hamburg/München 1956 (hekt). Eine überarbeitete und gekürzte Fassung der Arbeiterstudie ist im Druck erschienen: Viggo Graf Blücher, Industriearbeiterschaft in der Sowjetzone, Eine Untersuchung der Arbeiterschaft in der volkseigenen Industrie der SBZ (Veröffentlichung des Institutes infratest München), Stuttgart 1959.

  30. Angestellte in der Sowjetzone Deutschlands, Verhaltensweise und gesellschaftliche Einordnung der mitteldeutschen Angestellten, infratest-Untersuchung, o. O. Mai 1958 (hekt.).

  31. Jugendliche Flüchtlinge aus der SBZ, Die menschlich-soziale, geistige und materiell-berufliche Eingliederung jugendlicher Sowjetzonen-Flüchtlinge, infratest-Untersuchung, o. O. Mai 1957 (hekt.). — Druckausgabe: Gerhart Schröter, Jugendliche Flüchtlinge aus der SBZ (Schriftenreihe zur empirischen Sozialforschung), München 1958.

  32. Analyse der sowjetzonalen Presse, Teil IV: Die Berichterstattung über die „Errungenschaften“, infratest-Untersuchung, München/Hamburg 1957.

  33. »Der Spiegel", 11. Jg., Nr. 39, 25. 9. 1957, S. 24 ff.

  34. A. a. O. S. 30.

  35. A. a. O. S. 31 f.

  36. Vgl. bes. Blücher S. 63.

  37. Vgl. oben S. 90 ff.

  38. Hermann Matern, nach „Sächsische Zeitung", 17. 2. 1958; ähnlich auch in dem Artikel Materns: „Zwei Jahre nach dem XX. Parteitag der KPdSU“, „Neuer Weg", Jg. 1958, Nr. 6, S. 518. Vgl. das im Anhang wiedergegebene Zitat, unten S. 188.

  39. Blücher S. 63.

  40. . Neues Deutschland", 5. 1. 1957; zitiert in: Die Berichterstattung, S. 29.

  41. Vgl. a. a. O. S. 18.

  42. Vgl a. a. O. S. 10 ff.

  43. . Neues Deutschland*, 29. 5. 1955 (Nicht auf Kosten unserer Errungenschaften. Aussprache in allen Gewerkschaftsgruppen des RAW Stendal).

  44. „Mitteldeutsche Volkszeitung", 28. 1. 1956 (Zweierlei Errungenschaften).

  45. . Junge Welt", 22. 5. 1957 (In Westdeutschland Errungenschaften?)

  46. Uberschrift des im folgenden zitierten Artikels aus der . Tribüne“ vom 8. 8. 1958.

  47. Die Berichterstattung, S 10.

  48. Vgl. Chronologische Materialien, S. 553.

  49. Auf welche Weise eine derartige ideologische Usurpierung erfolgt, zeigt beispielsweise das folgende Zitat aus einer Rede Ulbrichts vom 5. Mai 1953 („Neues Deutschland", 7. 5. 1953): „Erst indem in der Landwirtschaft die Grundlagen des Sozialismus geschaffen werden, wird ein dauerndes festes Bündnis zwischen der Arbeiterklasse und den werktätigen Bauern geschmiedet, werden die Bedingungen geschaffen für die Anwendung der Errungenschaften der fortschrittlichen Agrarwissenschaft und der modernen Technik in der Landwirtschaft. .

  50. Die Berichterstattung, S. 35 ff.

  51. Blücher S. 63 ff. (Zitat auf Seite 64).

  52. Angestellte in der Sowjetzone, S. 205 ff.

  53. Schröter S. 33 ff. (Zitate auf S. 36).

  54. Vgl. bes. Blücher S. 67, 97.

  55. Vgl. Die Berichterstattung, S. 33.

  56. Die Berichterstattung, S. 33.

  57. Vgl. Blücher S. 66; Schröter S. 36; Angestellte in der Sowjetzone, S. 197.

  58. Vgl. Blücher S. 66; Schröter S. 35 f., 38 f.; Angestellte in der Sowjetzone, S. 214.

  59. Vgl. Blücher S. 67, der ein Beispiel für eine derartige verfehlte propagandistische Aktivität angibt („Die sozialen Errungenschaften der sogenannten DDR“, Rednerdienst des Deutschen Industrie-instituts, Mai 1956).

  60. Vgl. Blücher S. 66 f„ 92 f., 98 ff.

  61. Vgl. Angestellte in der Sowjetzone, S. 197 ff., 208 ff., 212 ff.

  62. Vgl. Schröter S. 47 ff.

  63. Vgl. Schröter S. 44 f.; Blücher S. 58; Angestellte in der Sowjetzone, S. 204.

  64. Vgl die in: Die Berichterstattung, S. 5 ff. angestellten Berechnungen über den Anteil der Errungenschaftspropaganda am Zeitungsinhalt.

  65. So im Wortlaut der „Freiwilligen Verpflichtung'.

  66. Vgl. z. B. „Neuer Tag', 24. 5. 1958; der Wortlaut des Ehegelöbnisses ist auch in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung'vom 25. 8. 1958 abgedruckt.

  67. Vgl. Schröter S. 28 ff., 33 f., 37 ff., 42.

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