Meine Merkliste Geteilte Merkliste PDF oder EPUB erstellen

Dr. Hans Frank Generalgouverneur im besetzten Polen | APuZ 31/1961 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 31/1961 Dr. Hans Frank Generalgouverneur im besetzten Polen

Dr. Hans Frank Generalgouverneur im besetzten Polen

JOSEPH WULF

„Hier haben wir mit 31/2 Millionen Juden begonnen, von denen sind nur noch wenige Arbeitskowpanien vorhanden, alles ist — sagen wir mal — ausgewandert." (Dr. Frank beim Empfang von 30 Reichs-rednern im Kronsaal auf der Burg zu Krakau am 2. August 1943)

Am 4. Mai 1945 fand Lieutenant Walter Stein von der VII. amerikanischen Armee in Dr. Franks Wohnung im Haus „Bergfrieden" bei Neuhaus/Bayern 38 Tagebuchbände des ehemaligen Generalgouverneurs mit mehr als 11 000 Seiten. Am 25. Oktober 1939, als Frank sich bereits in Polen befand, begann er mit den Eintragungen und beendete sie am 17. Januar 1945. An diesem Tage mußte er aus „seiner" Hauptstadt Krakau flüchten. Keine andere Nazi-größe hat weder quantitativ nach qualitativ eine so umfassende Dokumentation der Selbst-anklage hinterlassen wie Dr. Hans Frank.

Fast genau 2t Jahre vor seiner Festnahme 1945 — nämlich am 5. März 1925 — schrieb Frank in München den folgenden Brief: »Hochverehrter Herr Hitler! Seit den Tagen, da ich, das Hakenkreuz am Waffenrock, 1918 zurückzog mit meiner Truppe, habe ich — damals zugleich im Vorstand der Thulegesellschaft, später Mitglied der NSDAP — nur ein Problem gekannt: Nieder mit dem Marxismus — darum war ich still bei Ihnen und zog hinter Ihnen zum Odeonsplatz. In ernster Arbeit habe ich den Sozialismus theoretisch und praktisch — als Syndikus freier Gewerkschaften — erkannt und studiert. Als , Totila‘ gehöre ich zu den Mitarbeitern des Völk. Beobachters — der großdeutschen Ztg. — Völk. Kurier. Geben Sie mir nunmehr Gelegenheit, im Dienste unseres heiligen Zieles zu wirken. Ich bin bereit — und fühle das Muß, Ihnen zu dienen. Bitte gewähren Sie mir Gelegenheit, mich Ihnen vorzustellen. A. Drexler kennt mich. Darf ich hoffen? Mit treuem Heil! Ihr Hans Frank.“

Ihm wurde Antwort. Leider ist die Unterschrift des nachstehenden Schreibens vom 8. April 1925 nicht zu entziffern: „Sehr geehrter Herr! Wir erhilten Ihr an Herrn Hitler gerichtetes Schreiben zugeleitet und ersehen daraus, daß Sie beabsichtigen innerhalb unserer Bewegung tätige Mitarbeit zu leisten. Wir würden Sie daher bitten, einmal mit dem Vorsitzenden der Sektion Schwabing, in dessen Bereich Ihr Wohnung liegt, Herrn Woitereck, Horschel-Straße 2/2 Fühlung zu nehmen. Mit treudeutschem Heilgruß“!

. . . scheide ich in aller Freundschaft aus der Partei

Dr. jur. Hans Frank stieß sich nicht weiter an den orthographischen Fehlern und schloß sich dem Verein an. Ein Jahr später allerdings sagte er der NSDAP München am 10. August 1926 recht unverblümt die Meinung, als er von einer Reise nach Südtirol heimkehrte. Er trennte sich von den Parteigenossen, weil diese letzthin dazu neigten, mit dem italienischen Faschismus gemeinsame Sache zu machen, obwohl — wie Frank festgestellt hatte — dieser Faschismus sich in Südtirol als „schlimmster Kulturzerstörer, nämlich der deutschen, gebärdete". Frank erklärte Hitlers Ansichten und Ausführungen über Südtirol im wesentlichen für „unrichtig“ und meinte: „Der Faschismus Italiens ist eine romanisch -völkische Gewalttat, der sich mit unserem Germanismusnie anders als auf der Schranke der Waffen berühren wird. Es ist ferner das Südtiroler Leid wirklich da, nicht, wie Hitler meint, nur eine Kulisse für jüdische Pressestreiche.“ Frank empfahl der NSDAP, doch selbst einmal nach Südtirol zu fahren, um sich dort durch Augenschein zu überzeugen. Er schloß den Brief mit den Worten: „Seid gewarnt, Freunde! Aus prinzipiellen Erwägungen scheide ich in aller Freundschaft aus der Partei, der ich mit ganzer Seele anhing, deren neueste Tendenzen ich aber nicht mitmachen kann. Meine Karte folgt anbei zurück. Heil! Dr. H. Frank."

Dennoch kehrte er reumütig ein Jahr später wieder zur ihn allein seligmachenden NSDAP zurück, und das Verhängnis nahm seinen Lauf.

Flans Frank wurde am 23. Mai 1900 in Karlsruhe geboren. Nach dem Besuch der Volksschule ging er auf das Max-Gymnasium in München, wurde 1918 zum 1. Bayerischen Infanterie-Regiment eingezogen, kam jedoch nicht mehr an die Front, sondern gehörte nur noch von April bis Oktober 1919 und nochmals von Juni bis Oktober 1920 dem Freikorps Epp an. Dann studierte er Jura und Wirtschaftswissenschaften an den LIniversitäten München und Kiel, wurde 1923 Referendar und unterzeichnete im gleichen Jahr am 28. September das Aufnahmegesuch für die „Sturmabteilung" der NSDAP, Parteihauptgeschäftsstelle München, Corneliusstraße 12. Aus ihm erfährt man, daß Franks zweiter Vorname Michael war. Er gab an, als Infanterist und Reiter ausgebildet zu sein, benannte einen Professor Bauer und Rittmeister Perfall als Bürgen und muß sofort ausgenommen worden sein, denn den Hitler-Putsch im November 1923 machte er bereits mit. 1924 promovierte Frank zum Dr. jur.

Bis 1927 wirkte er als Assessor und ließ sich im Mai dieses Jahres als Anwalt nieder, wurde Mitglied der Reichsleitung der NSDAP und Leiter der Rechtsabteilung in derselben. Im Untersuchungs-und Schlichtungsausschuß der NSDAP (Uschla.) war er neben dem Schlächtermeister Ulrich Graf Beisitzer Hitlers. Graf rühmte sich übrigens stets, Hitler „treu wie ein Hund“ zu sein 1928 gründete Dr. Hans Frank den Bund nationalsozialistischer deutscher Juristen, 1930 wurde er Mitglied des Reichstags und begann dort sofort, im NS-Sinne zu wirken. „Rechtsausschuß wieder aufgeflogen! Nazis ziehen ihren Vorsitzenden Frank II nicht zurück!" So lautete die Überschrift eines Artikels, der besagte, daß das Zentrum sich geweigert habe, unter Vorsitz Franks zu tagen, weil er im Plenum behauptet hatte, das Zentrum mißbrauche den Glauben für seine schmutzigen politischen Geschäfte. Das Zentrum stellte den Antrag, im Ältestenrat darüber zu entscheiden, ob dieser Vorsitzende Dr. Frank II nicht durch Mehrheitsbeschluß des Ausschusses abgesetzt werden könne. Der NSDAP-Abgeordnete Karpenstein bestritt jede Beleidigung des Zentrums durch Frank, während sein Parteigenosse Rupp laut Artikel „die Unverfrorenheit besaß, zu sagen, das Zentrum mißbrauche tatsächlich den Glauben." Der Antrag des Zentrums wurde jedenfalls mit 13: 11 Stimmen angenommen, denn Sozialdemokraten, Staatspartei und Christlich-sozialer Volksdienst standen auf Seiten des Zentrums, während Deutschnationale, Kommunisten und Landvolk mit der NSDAP stimmten. Die Zeitung schreibt: „ ... während sich in dieser Frage des politischen und gesellschaftlichen Anstands unbegreiflicherweise die Volkspartei und die Wirtschaftspartei der Stimme enthielten."

Im gleichen Jahr 1930 hatte Dr. Frank nochmals einen großen Auftritt. Vor dem Reichsgericht in Leipzig verteidigte er die drei Ulmer Reichswehroffiziere, welche der NSDAP-Zellenbildung in ihrer Einheit angeklagt waren. Frank rief Hitler als Zeuge auf, und dieser erklärte unter Eid, „er wolle nur legal zur Macht kommen.“

Ein eitler und gewissenloser Streber

Am 27. März 1931 legte der Preußische Minister des Innern, Berlin NW 7, Unter den Linden 72/74 — II 1420 a 1/303 II — dem Polizeipräsidenten in Berlin, Landeskriminalpolizeiamt IA, die Niederschrift über eine Unterredung vor, welche ein Vertrauensmann der Polizei mit dem Führer der „Kampfgemeinschaft revolutionärer Nationalsozialisten", Dr. Otto Strasser, gehabt hatte. Er bemerkte dazu: „Wie mir von anderer vertrauenswürdiger Seite mitgeteilt wird, soll die Darstellung über die Auffassung des Dr. Strasser im wesentlichen zutreffen.“ In der von einem gewissen Schönner unterzeichneten und dem Ministerial-Kanzleisekretär Kalt-schmidt beglaubigten Niederschrift heißt es über Dr. Hans Frank, er sei „ein eitler und gewissenloser Streber“, der das berüchtigte Rundschreiben an alle NSDAP-Ortsgruppen verfaßte, wonach Wahlschulden nicht bezahlt zu werden brauchten. Frank stand auf dem Standpunkt, keine Ortsgruppe hafte mit ihrem Vermögen dafür, denn sie sei ja kein eingetragener Verein. Der Schuldenmachende hafte persönlich. Der aber „besitze ja wohl in den meisten Fällen nichts!"

Die Definition vom eitlen, gewissenlosen Streber sollte sich später im besetzten Polen als geradezu klassische Charakteristik erweisen, und die Analyse der 38 Tagebuchbände zeigt das ebenso eindeutig.

Bereits am 5. Juni 1931 erkundigte sich die Abteilung IA des Berliner Polizeipräsidiums bei der Polizeidirektion München, Abteilung IV unter dem Vermerk „Geheim!", was dort über den Anwalt und NSDAP-Reichstags-Abgeordneten Dr. Hans Frank bekannt geworden sei, von dem Berlin wußte, daß er ein „demagogischer und gehässiger Versammlungsredner,“ Verteidiger in politischen Prozessen und Sachreferent der NSDAP-Reichstagsfraktion für Rechtsfragen war. Berlin erbat außer politischen auch persönliche Tatsachen, aus denen sich Schlüsse auf die Charakteranlagen ziehen ließen, damit ein möglichst umfassendes Gesamtbild der Persönlichkeit entstehe.

Die Polizeidirektion München antwortete am 27.des gleichen Monats unter der Nummer VI a 1519/31 und dem Betreff: Zur Anfrage vom 5. 6. 1931, Tgb. Nr. I 7 6836/Dr. Hans Frank. Wiederum war das Schreiben „Geheim!" Es lautet: „Außer den in der Anfrage vom 5. 6. 1931 über Rechtsanwalt Dr. Frank genannten Tatsachen ist hier nur bekannt, daß beim Untersuchungsrichter II am Württ. Landgericht Ulm a. D. im Mai 1931 unter J. 7623/30 gegen Frank ein Verfahren wegen Vergehens gegen das Gesetz zum Schutze der Republik anhängig war." Die Unterschrift ist nicht zu entziffern, ebensowenig eine handschriftliche Bemerkung.

Zur Reichstagswähl am 31. Juli 1932 kandidierte Hans Frank erneut. Wie alle übrigen NSDAP-Kandidaten unterzeichnete auch er am 4. Juli die Erklärung, deren erster Punkt heute von besonderer Bedeutung ist, wenn man bedenkt, daß dieser Frank zum Liquidator von Millionen polnischen Juden werden sollte. Punkt 1 lautete nämlich: „Ich versichere, keinerlei Bindungen oder Beziehungen zu Juden zu besitzen.“

Hans Frank gehörte damals zu jenen, von denen Josef Goebbels schrieb „Wir gehen in den Reichstag hinein, um uns im Waffenarsenal der Demokratie mit deren eigenen Waffen zu versorgen. Wir werden Reichstagsabgeordnete, um die Weimarer Gesinnung mit ihrer eigenen LInterstützung lahmzulegen. Wenn die Demokratie so dumm ist, uns für diesen Bärendienst Freifahrkarten und Diäten zu geben, so ist das ihre eigene Sache. ... Wir kommen als Feinde! Wie der Wolf in der Schafherde einbricht, so kommen wir. Jetzt seid Ihr nicht mehr unter euch!"

Am 30. Januar 193 3 war es dann erreicht!

Auch Dr. Frank gelangte stufenweise an sein privates Ziel. Im März 193 3 wurde er bayerischer Staatsminister der Justiz, im April „Reichskommissar für die Gleichschaltung der Justiz in den Ländern und für Erneuerung der Rechtsordnung." Außerdem waren es die beiden Juristen Dr. Hans Frank und Dr. Roland Freisler, unter deren Patronat eine amtliche Strafrechts-kommission entstand, um das gesamte Strafrecht auf nationalsozialistisch-völkischen Vordermann zu bringen. Wenn jene Kommission, die sich volle drei Jahre strebend bemühte, dennoch nichts erreichte, so lag das lediglich an Hitler, der alle Juristerei haßte und sich in dieser Beziehung in keiner Weise binden wollte.

Er verabscheute jedes Gesetz. Noch am 26. April 1942 rief er bei der letzten Reichstags-Sitzung: „Idi werde nidit ruhen, bis jeder Deutsche einsieht, daß es eine Schande ist, Jurist zu sein!“

Dr. Frank jedoch nahm seine Aufgaben wirklich ernst. Allerdings mußte er schwer kämpfen, um an sein Ziel zu gelangen und die Stellung auch zu halten. Immer wieder kam es dabei zu Pannen. So drahtete er am 27. November 1933 an den Staatssekretär in der Reichskanzlei, Dr. Lammers, Berlin, Wilhelmstraße 78, daß ihm ein Schreiben in Sachen Gürtner wegen Unterstellung unter Gürtner-Schlegelberger unverständlich sei und er dieserhalb um Rücksprache mit dem Führer persönlich ersuche. Am gleichen Tage bestätigte er dem Reichsjustizminister telegrafisch den Empfang des betreffenden Schreibens, drückte seine Bereitschaft zur vertrauensvollen Zusammenarbeit aus und stellte fest, daß er ihm jedoch völlig gleichberechtigt sei und nur auf dieser Basis mit ihm gemeinsam die Vorarbeiten für die Deutsche Gesetzgebung leisten werde.

Während Dr. Frank den Text an Staatssekretär Dr. Lammers mit „Heil Hitler! Dr. Frank“ unterzeichnete, lautete die Unterschrift bei Dr. Gürtner: „Heil Hitler! Dr. Frank, Reichsjuristenführer, Mitglied der Reichsleitung der NSDAP.“

Das Glückwunschtelegramm an Reichsschatzmeister Franz Xaver Schwarz, der am selben Tage Geburtstag hatte, wurde wiederum mit „In alter Kampfverbundenheit Ihr ergebenster Dr. Frank“ unterschrieben.

An jenem 27. November erhielt auch der Befehlshaber im Wehrkreis VII, Generalleutnant Adam, in der Münchener Schönfeldstraße 7 ein Telegramm mit dem Inhalt: „Zu dem auf deutschem Boden von Dollfuß-Schützen gegen die deutsche Reichswehr verübten Mordanschlag meine herzliche Teilnahme. Dr. Frank, Reichsjustizkommissar.“

Frank begnügte sich aber nicht damit, im Dritten Reich ausschließlich als Jurist tätig zu werden. 16 Monate bevor Österreichs Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß von Franks Parteigenossen ermordet wurde, hielt Frank im Münchener Sender eine Rede gegen die österreichische Regierung. Über diese Rede am 18. März 193 3 berichtete das Wolff-Büro: „Dr. Frank richtete einen Gruß an seine unterdrückten Volksgenossen in Österreich, die unter der ih ein Telegramm mit dem Inhalt: „Zu dem auf deutschem Boden von Dollfuß-Schützen gegen die deutsche Reichswehr verübten Mordanschlag meine herzliche Teilnahme. Dr. Frank, Reichsjustizkommissar.“

Frank begnügte sich aber nicht damit, im Dritten Reich ausschließlich als Jurist tätig zu werden. 16 Monate bevor Österreichs Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß von Franks Parteigenossen ermordet wurde, hielt Frank im Münchener Sender eine Rede gegen die österreichische Regierung. Über diese Rede am 18. März 193 3 berichtete das Wolff-Büro: „Dr. Frank richtete einen Gruß an seine unterdrückten Volksgenossen in Österreich, die unter der ihm unbegreiflichen Unvernunft ihrer Regierung den letzten Terror und die letzte Unterdrückung auszustehen hätten. Österreich sei jetzt der letzte Teil Deutschlands, in dem man es noch wagen könne, das deutsche nationale Wollen zu unterdrücken. Er möchte die österreichische Regierung in aller Freundschaft und bundesbrüderlicher Zuneigung davor warnen, etwa die Nationalsozialisten im Reiche zu veranlassen, die Sicherung der Freiheit der deutschen Volksgenossen in Österreich zu übernehmen.“

Der österreichische Gesandte Stephan Tauschitz begab sich dieser Rede wegen in Berlin zu Hitler, um gegen den Wortlaut zu protestieren. Aber Hitler lehnte achselzuckend jede Verantwortung für Franks Worte ab und meinte spöttisch, er könne schließlich als Kanzler des Deutschen Reiches unmöglich hinter jedem Redner herlaufen und aufpassen, daß der auch keine unpassenden Äußerungen von sich gebe. Auch in Zukunft unterblieb jegliche Entschuldigung Deutschlands. Trotzdem reiste Frank zwei Monate später ohne Hemmungen nach Österreich. Er war als Reichsjustizkommissar eingeladen worden, dort an einer NS-Juristentagung teilzunehmen. Bevor er die Reise jedoch antrat, unterrichtete er den österreichischen Justizminister Dr. Schuschnigg davon und erinnerte ihn an seinen Berliner Besuch. Wiens Polizeipräsident empfing Frank bei der Ankunft dann zwar auf dem Flugplatz, machte aber kein Hehl daraus, wie unwillkommen sein Besuch in Österreich im Hinblick auf die Radio-Rede sei, wenn auch die Regierung selbstverständlich für Franks Sicherheit Sorge tragen werde.

Frank war beleidigt und drohte bei einem Pressempfang in der deutschen Botschaft abermals unverfroren Zwangsmaßnahmen gegen seinen Gastgeber Österreich an. Ebenso hielt er am 14. Mai in Graz als Vertreter Hitlers auf einer Nazi-Versammlung eine Rede und forderte darin ziemlich unverblümt zum Widerstand gegen Polizei und Staatsgewalt auf. Zu Franks Begleitern gehörten übrigens der preußische Minister Kerri und der von Frank unzertrennliche Staatssekretär Dr. Roland Freisler, welcher später im Volksgerichtshof zu so traurigem Ruhm gelangen sollte.

Die Versammlungsteilnehmer in Graz dürften doch leicht erschrocken gewesen sein, als sie Frank den Bundeskanzler „kleinen Metternich“ nennen hörten. Er behauptete auch, Österreich habe in seiner Person den deutschen Kanzler beleidigt. Daß er mit solchen Tiraden den angeblich rein privaten Charakter seines Besuchs dementierte, ist ihm in seinem Eifer nicht aufgegangen. Jedenfalls war es kein Wunder, wenn es nach solchen Hetzreden des deutschen Reichsjustizkommissars auch in Österreich bald zu Terror und Mord kam. Allein vom Juni bis August jenes Jahres fanden elf schwere Bombenanschläge statt, und wenigstens vier Morde sind verübt worden. Das waren die Folgen des „Falles Frank“ in Österreich 4).

Akademie für deutsches Recht

Das Jahr 1933 verlief für den dynamischen Hans Frank überhaupt recht bewegt. Am 1. Juni gründete er die „Deutsche Rechtsfront“, am 1. Juli die „Akademie für Deutsches Recht". Im § 2 des Gesetzes für diese Akademie steht: „Aufgabe der Akademie ist, die Neugestaltung des deutschen Rechtslebens zu fördern und in enger dauernder Verbindung mit den für die Gesetzgebung zuständigen Stellen das nationalsozialistische Programm auf dem gesamten Gebiet des Rechts zu verwirklichen." 5) Präsident der Akademie wurde natürlich niemand anders als Dr. Hans Frank persönlich und zwar im August 1934. Im gleichen Jahr durfte er sich auch Reichsminister — allerdings ohne Geschäftsbereich — nennen und erhielt zu dieser Ernennung folgendes Telegramm: „Zu Ihrer Ernennung zum Reichsminister herzlichste Glückwünsche. Mit kameradschaftlichen Grüßen und Heil Hitler! Ihr H. Himmler, Reichsführer-SS."

Wie sich dieser Präsident „seine“ Akademie für „deutsches“ Recht vorstellte, geht einwandfrei aus den Leitsätzen hervor, die er am 14. Januar 1936 proklamierte. In ihnen heißt es unter anderem: „Grundlage der Auslegung aller Rechtsquellen ist die nationalsozialistische Weltanschauung, wie sie insbesondere im Parteiprogramm und den Äußerungen unserers Führers Ausdrude findet.“ 6)

Einen Monat nach Bekanntgabe dieser Satzungen besuchte Frank die Stätte seines späteren Wirkens, Polen, um in Warschau einen Vortrag über „Zwischenstaatliche Rechtspolitik“ zu halten. Am Schluß der Rede kam er auf „das ritterlich-heldische Polen“ zu sprechen, das trotz langer Knechtschaft über Gewalt und Unrecht siegte und bis zur endlichen Freiheit ausharrte 7). 1936 gelang es Frank, auch in Italien einige Vorträge zu halten und wurde dabei sogar vom König empfangen.

Die NSDAP-Gauleitung Sachsen, Dresden A 1, Schließfach 119, gedachte schließlich, den Herrn Reichsminister Dr. Frank dadurch zu ehren, daß sie ihm das Ehrenbürgerrecht der Reichsmessestadt Leipzig verlieh. Am 23. Juli 1938 wandte sie sich zwecks Genehmigung dazu an den Stellvertreter des Führers. Die Geschäftsleitung der Reichsleitung-NSDAP antwortete am 20. August, es sei nichts dagegen einzuwenden, wenn „Reichsminister Reichsleiter Dr. Frank zum 10. Gründungstag des NS-Rechtswahrerbundes das Ehrenbürgerrecht erhalte.“ Der Stellvertreter des Führers war also einv Gründungstag des NS-Rechtswahrerbundes das Ehrenbürgerrecht erhalte.“ Der Stellvertreter des Führers war also einverstanden.

Am 25. April 193 8 hatte Frank nämlich in Leipzig die Fachbuchschau „Recht und Buch" eröffnet und eine seiner üblichen Ansprachen gehalten, die so bezeichnend für das damalige Denken des Reichsrechtsführers waren. Der Reichsgerichtspräsident Dr. Bumke persönlich hieß Frank im Festsaal des Reichsgerichts willkommen, bevor er das Wort ergriff 8).

Das „herrliche Rechtsgefühl” des Führers

Die Ausstellung sei ein Appell an das große Erbe des deutschen Rechtskönnens, Rechtswollens, Rechtsfühlens und Rechtsglaubens. All dessen solle man sich stolz bewußt sein, erklärte Dr. Frank. Das Werk eines Ihering und der Sachsenspiegel des Eike von Repkow dürften nicht verstauben. Deshalb liege gerade der Sachsenspiegel in neuer Auflage vor und müsse für das ganze Volk „Wiedererweckung des Volksrechtsgedankens und germanischen Denkens sein.“ Dann kam der „Rechtsführer“ auf die vier großen Ausstrahlungen des Rechts: das Gefühl, die Idee, das Wissen, das Können. Er meinte, vor allem sei das Rechtsgefühl die im Volke unbewußt lebende Kraft, aus der sich jeder Volksführer die Stärke zu seinen Entscheidungen hole. Es stehe auch am Anfang des Werkes vom Führer, denn der Führer habe eben die Kraft seiner politischen Entscheidungen aus dem Empfinden des Unrechts geholt, das seinem Volke angetan wurde. In diesem „herrlichen Rechtsgefühl" hätte der Führer die Waffe gefunden, mit der er seinem Volk den Weg in die Freiheit, in die Gleichberechtigung, in die ehrenhafte Höhe einer Weltmacht wieder erkämpfe, denn das Rechtsgefühl sei psychischer Ausdruck natürlicher Lebensgegebenheiten eines Volkes. Das deutsche Volk, erklärte Frank, habe schon immer ein judengegnerisches Gefühl gehabt, obwohl den Juden in vergangener Zeit die soge-nannte Gleichberechtigung im deutschen Raum zugestanden worden sei. Er rief: „Wehe dem Volk, in dem das Rechtsgefühl, das sittliche Empfinden, nicht mehr so stark ist, daß es lebendige Formen annimmt!“

Zum ersten Male in der deutschen Geschichte war Franks Ansicht nach in Adolf Hitler und seiner Bewegung eine klare Formung der Rechtsidee des Volkes entstanden. Deshalb werde die Rechtsidee des deutschen Volkes für alle Zeiten die nationalsozialistische sein, denn die Gesetze mit Hitlers Unterschrift seien die Marksteine in der Entwicklung des Reiches. Die in alle Zukunft hineinragende grandiose Sendung des deutschen Schrifttums aber bestehe nun darin, die Anwendung jener Gesetze sicherzustellen. Frank schloß mit den Worten: „Ich glaube, daß mit uns auch der Aufstieg des germanischen Rechts deutscher Nation beginnt.“

Im Oktober 1938 besuchte Frank Budapest, denn die neuen Rechtsparolen sollten ja überall ansprechen 9). Er wurde in Ungarns Hauptstadt herzlich ausgenommen. Der Präsident des Abgeordnetenhauses, Komis, vertrat beim Empfang den Ministerpräsidenten, doch der ungarische Justizminister erschien. Selbstverständlich war der deutsche Gesandte in Budapest, von Erdmannsdorf, anwesend und auch der Landeskreisleiter der NSDAP, Gräb, sowie zahlreiche Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Ungarn. Sogar eine Ehrenkompanie des Frontkämpferverbandes war angetreten und eine Abordnung der ungarischen Jugendorganisationen stand ebenfalls zum Empfang bereit. Nachmittags empfing der Reichsverweser Admiral von Horthy dann Dr. Frank in einer Sonderaudienz. Anschießend besuchte der deutsche Gast den Ministerpräsidenten Dr. Imredy sowie den Außenminister von Kanya und den Innenminister Keresztes. Angeblich widmete die gesamte Presse Dr. Frank „herzliche" Artikel, und der „Völkische Beobachter“ behauptete, im „Pester Loyd" habe gestanden: „Wir hoffen, daß unser deutscher Gast in'der ungarischen Hauptstadt am unmittelbaren Erleben die dankbare Wärme der Gefühle kennenlernen wird, die die ganze ungarische Nation dem deutschen Reich und seinem Führer entgegenbringt. Auf diese Weise wird sein Besuch in Budapest in den für Ungarn schicksalhaften Tagen einen weiteren Schritt auf dem Wege der inneren Zusammenarbeit der beiden durch gemeinsame historische Erinnerungen und Ziele verbundenen Völker bedeuten."

Nach Deutschland zurückgekehrt, hielt der aktive Reichsrechtsführer im „Haus der Deutschen Presse“ im November 193 8 bei einer Kundgebung des NS-Lehrerbundes 10) eine Rede über das Thema „Recht und Schule“. Er erklärte, volkstümliches Recht, wie das Dritte Reich es fordere, müsse das ganze Volk bejahen, denn es sei die Grundlage jeder Gemeinschaft. „Keine Gemeinschaft ist auf die Dauer denkbar," sagte Frank wörtlich, „die des Rechts entbehrt!" Deshalb sollte schon in der Volksschule eine gewisse rechtliche Ausbildung stattfinden und alle Studenten — gleich, welcher Fakultät — müßten mindestens einmal in der Woche darüber Spezialvorlesungen hören. Dieser Rechts-unterricht würde auch bei allen Gliederungen der Partei, vor allem in HJ und DAF, stattfinden und bei Wehrmacht sowie Arbeitsdienst eingeführt werden.

Rechtspraxis in Polen

Als das verhängnisvolle Jahr 1939 heraufzog, brachte es Frank die Möglichkeit, seine Rechts-begriffe nicht nur in akademischen Reden, sondern in der Tat zu dokumentieren. Am 15. September 1939 ernannte Hitler den Leutnant im I. R. 9 Potsdam, Dr. Hans Frank, zum „Oberverwaltungschef für die gesamte zivile Verwaltung der besetzten ehemals polnischen Gebiete beim Oberbefehlshaber Ost“. Zunächst waltete Frank in Posen seines Amtes, später in Lodz.

Am 4. Oktober hatte er bereits eine Besprechung mit Hitler persönlich. Laut Protokoll wurden dabei insbesondere „die Niederlegung des Schlosses in Warschau, der Abtransport der Kunstschätze und der Nicht-Wiederaufbau der zerstörten Stadt behandelt."

Am 5. Oktober 1939 schrieb Frank an SS-Obergruppenführer Friedrich-Wilhelm Krüger: „Hiermit bestätige ich Sie als meinen Fachminister auf Ihrem Ressortgebiet." Aus dem Fachmitarbeiter wurde im Generalgouvernement dann schnell der Höhere SS-und Polizeiführer, Staatsminister für Sicherheitswesen und Schrekken der polnischen Bevölkerung sowie Liquidator des polnischen Judentums.

Die Dinge nahmen ihren Lauf!

Am Oktober 1939 war Frank dann schon Generalgouverneur im besetzten Polen 12). Die sein Schicksal bestimmende Ernennungsurkunde ist nicht nur von Hitler, sondern auch von Göring, Frick, Rudolf Heß, dem Chef des Ober-kommandos der Wehrmacht Keitel, dem Ober-befehlshaber des Heeres von Brauchitsch, Ribbentrop, dem Reichsfinanzminister Graf Schwerin von Krosigk und dem Chef der Reichskanzlei, Dr. Lammers, unterzeichnet worden.

Frank fuhr sofort nach Warschau und erklärte dort, das Schloß müsse völlig niedergerissen werden. Der Architekt Heidelberg machte sich also an den Abriß des Schlosses, nachdem Frank persönlich den Silberadler vom Königsbalkon entfernt und in die Tasche gesteckt hatte Sämtliche Kunstgegenstände wurden ausnahmslos abtransportiert, denn auch der Warschauer Distriktgouverneur Dr. Ludwig Fischer und der neue Staatspräsident Dr. Dengel erlaubten, daß Behörden und einzelne Funktionäre Kunst-schätze ins Reich schafften. Dr. Dengeis Ehrgeiz bestand darin, möglichst viele Kunstwerke in seine Heimatstadt Würzburg zu verfrachten Auch Hermann Göring war überaus interessiert

Plünderungen und Erschießungen

Kaum war diese erste große Plünderung in die Wege geleitet, begann Frank in hektischem Tempo mit seiner antijüdischen Gesetzgebung. Am 27. Oktober kam der Arbeitszwang für Juden, am 28. November die Gründung der Juden-räte, am 29. November die „Sicherstellung jüdischen Vermögens“, am 2. Dezember die Einführung des Judensterns für alle Juden und Jüdinnen ab 10 Jahren und am gleichen Tage mußten auch die jüdischen Geschäfte als solche gekennzeichnet werden. Ebenso wurde jede Steuerbefreiung oder Steuervergünstigung für jüdische Korporationen aufgehoben. Am 9. Dezember versagte man Juden und jüdischen Witwen das Recht auf ihre Pension, am 11.des Monats durften jüdische Kinder keine Schule mehr besuchen.

Der Jurist Dr. Hans Frank fixierte das alles gesetzlich

Was ihm vom Legationsrat im Auswärtigen Amt Gottfried von Nostiz berichtet wurde, hielt der nach dem 20. Juli 1944 hingerichtete Botschaftsrat Ulrich von Hassel schon am 25. Dezember 1939 fest, denn er notierte: „Gogo (Nostiz—Bemerkung des Herausgebers) erzählte deprimiert von den geradezu schamlos Juli 1944 hingerichtete Botschaftsrat Ulrich von Hassel schon am 25. Dezember 1939 fest, denn er notierte: „Gogo (Nostiz—Bemerkung des Herausgebers) erzählte deprimiert von den geradezu schamlosen Taten, vor allem der SS, in Polen . . . Erschießungen unschuldiger Juden nach Hunderten am laufenden Band.“ 17)

Drei Tage später erzählte Carl Goerdeler, Hitler habe zu Frank gesagt: „Und Sie, mein lieber Frank, müssen inzwischen Ihr Teufels-werk in Polen bis zum Ende führen!“ 18)

Franks nationalsozialistische Besessenheit konzentrierte sich jedoch nicht nur auf die Juden. Das beweist eine Notiz vom 31. Oktober 1939 19). An jenem Tage dozierte der Generalgouverneur im Beisein von Goebbels und anderen NS-Größen: „Den Polen dürfen nur solche Bildungsmöglichkeiten zur Verfügung gestellt werden, die ihnen die Aussichtslosigkeit ihres völkischen Schicksals zeigen. Es können daher höchstens schlechte Filme oder solche, die die Größe und Stärke des Deutschen Reiches vor Augen führen, in Frage kommen. Es wird notwendig sein, daß große Lautsprecheranlagen einen gewissen Nachrichtendienst für die Polen vermitteln.“

So also sahen die ersten Monate Franks im besetzten Polen aus!

In diesen Stil steigerte er sich dann immer noch mehr hinein. Am 6. Februar 1940 gewährte Frank einem Mitarbeiter des „Völkischen Beobachters“ ein Interview, das dann wie folgt veröffentlicht wurde 20): „Frager Kleiss: „Vielleicht wäre es auch interessant, den Unterschied zwischen Protektorat und Generalgouvernement herauszuarbeiten.“

Frank: „Einen plastischen Unterschied kann ich Ihnen sagen. In Prag waren z. B. große, rote Plakate angeschlagen, auf denen zu lesen war, daß heute sieben Tschechen erschossen worden sind. Da sagte ich 1 mir, wenn ich für je sieben erschossene Polen ein Plakat aushängen lassen sollte, dann würden die Wälder Polens nicht ausreichen, das Papier herzustellen für solche Plakate.“

Die Zustände während der ersten Monate unter deutscher Besatzung waren in Polen schon so grausam, daß der Oberbefehlshaber Ost, Generaloberst Johannes Blaskowitz, in einem sorgsam ausgearbeiteten Memorandum bei Hitler dagegen protestierte Es heißt darin: „Es ist abwegig, einige 10 000 Juden und Polen, so wie es augenblicklich geschieht, abzuschlachten. Damit werden angesichts der Masse der Bevölkerung weder die polnische Staatsidee totgeschlagen noch die Juden beseitigt. Im Gegenteil! Die Art und Weise des Abschlachtens bringt größeren Schaden mit sich, kompliziert die Probleme und macht sie viel gefährlicher, als sie bei überlegtem und zielbewußtem Handeln gewesen wären. Die Auswirkungen sind.... b) Die sich in aller Öffentlichkeit abspielenden Gewaltakte gegen Juden erregen bei den religiösen Polen nicht nur tiefsten Abscheu, sondern ebenso großes Mitleid mit der jüdischen Bevölkerung, der der Pole bisher mehr oder weniger feindlich gegenüber stand. In kürzester Zeit wird es dahin kommen, daß unsere Erzfeinde im Ostraum — der Pole und der Jude, dazu noch besonders unterstützt von der katholischen Kirche — sich in ihrem Haß gegen ihre Peiniger auf der ganzen Linie gegen Deutschland zusammenschließen werden. d) Der schlimmste Schaden jedoch, der dem deutschen Volkskörper aus den augenblicklichen Zuständen erwachsen wird, ist die maßlose Verrohung und sittliche Verkommenheit, die sich in kürzester Zeit unter wertvollem deutschen Menschenmaterial wie eine Seuche ausbreiten wird."

Selbstverständlich wurde Blaskowitz kurz darauf abgelöst. Dr. Frank hingegen blieb und wütete weiter.

Am 14. März 1940 stellte Frank in der inneren Verwaltung der Generalgouvernementsregierung einen Spezialisten für Judenfragen an, den Dr. Heinrich Gottong Damals löste man das Judenproblem ja provisorisch noch durch Gesetze, mit denen Dr. Gottong sich dann auch verschiedentlich befaßte.

Frank selbst residierte in der alten gotischen Burg der polnischen Könige zu Krakau, welche auf einem steil zur Weichsel abfallenden Felsplateau steht. Dort befindet sich auch die Dom-kirche. Das Schloß wurde in IV. Jahrhundert vom polnischen König Kasimir dem Großen erbaut. In der Grabkirche aber liegen die polnischen Könige, große Feldherren und berühmte Nationaldichter Polens wie Adam Mickiewitz oder Julius Slowacki. Krakau ist bis 1610 Residenz von Polens Königen gewesen. . Frank fühlte sich dort sehr wohl. Eins störte ihn allerdings: die Juden! Auf einer Abteilungsleitersitzung am 12. April 1940 in Krakau erklärte er denn auch, er beabsichtige, die Stadt Krakau — „soweit irgend möglich, judenfrei zu machen.“ Zur Begründung führte er aus, „es sei absolut unerträglich, wenn in einer Stadt, der der Führer die große Ehre zuteil werden lasse, der Sitz einer hohen Reichsbehörde zu sein, Tausende und aber Tausende von Juden herum-schleichen und Wohnungen innehaben . . . Die Stadt Krakau müsse die judenfreieste Stadt des Generalgouvernements werden!"

Trotzdem beschäftigte sich Franks reger Geist in jenem Monat gar nicht ausschließlich mit den Juden im Generalgouvernement. In einem Vortrag bei der Sicherheitspolizei sagte er beispielsweise: „. . . und die Insel da drüben, diese Piratenheimat des Raubritters Herrn Churchill, werden wir ausräuchern, und den Herrn Churchill können wir dann nach Dachau abführen“ Im Protokoll steht an dieser Stelle in Klammern das Wort „Heiterkeit"!

Am 29. April 1940 mußte Frank für einen Tag Krakau verlassen, um an der Universität Modena die Ehrendoktorwürde in Empfang zu nehmen. Begleitet von seinem Intimus, Dr. Roland Freisler, wurde er vom königlich-italienischen Justizminister Graf Grandi empfangen und hielt eine längere Rede. In ihr sagte er unter anderem: Die beiden genialen Gestalten Adolf Hitler und Benito Mussolini seien nicht nur die größte April 1940 mußte Frank für einen Tag Krakau verlassen, um an der Universität Modena die Ehrendoktorwürde in Empfang zu nehmen. Begleitet von seinem Intimus, Dr. Roland Freisler, wurde er vom königlich-italienischen Justizminister Graf Grandi empfangen und hielt eine längere Rede. In ihr sagte er unter anderem: Die beiden genialen Gestalten Adolf Hitler und Benito Mussolini seien nicht nur die größten staatlichen, sozialen und kulturpolitischen Reformatoren der beiden Nationen, sondern sie seien die größten Gesetzgeber der Geschichte 25).

Die antijüdischen Gesetze kamen weiter am laufenden Band heraus, aber am 23. Juli 1940 befaßte sich Frank außerdem schon mit einem Plan, der seit einiger Zeit in Heinrich Himmlers Kopf herumspukte. Der wollte nämlich im Lubliner Distrikt ein sogenanntes Reservat für alle europäischen Juden schaffen 26). Aber der* Plan scheiterte und am 20. Mai 1940 verfaßte Himmler eine Niederschrift über die „Behandlung der Fremdvölker im Osten“. Er sah eine Deportation der europäischen Juden nach Afrika vor 27). Frank erhielt davon eine Durchschrift und teilte einiges daraus bei einer Ansprache in Krakau am 23. Juli mit 28). Im Protokoll dieser Rede steht unter anderem: „Sobald der Überseeverkehr die Möglichkeit zum Abtransport der Juden (Heiterkeit!) zuläßt, werden die Juden Stück um Stück, Mann um Mann, Frau um Frau, Fräulein um Fräulein, abtransportiert werden. Idi nehme an, daß ich sie darum nicht zu sehr zu beklagen brauche. (Erneute Heiterkeit!)“

In seinen Ausführungen vergaß Frank, auch die jüdischen Kinder zu erwähnen, die später ebenfalls im Vernichtungslager endeten.

Am 2. September 1940 schrieb der Staatsminister und Chef der Präsidialkanzlei des Führes und Reichskanzlers unter RP. O. 11 605/40 an den Generalgouverneur in der Krakauer Burg wie folgt: „Lieber Herr Frank! Der Führer hat Ihnen in Würdigung Ihrer im Generalgouvernement geleisteten Aufbauarbeit mit Erlaß vom heutigen Tage das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse ohne Schwerter verliehen. In der Anlage übersende ich die Auszeichnung und die Urkunde. Da satzungsgemäß in den Ausnahmefällen, in denen das Kriegsverdienstkreuz I. Klasse an Personen verliehen wird, die nicht bereits im Besitz der 2. Klasse dieser Auszeichnung 'sind, das Kriegsverdienstkreuz 2. Klasse gleichzeitig verliehen wird, füge ich auch dieses bei. Mit den besten Wünschen zu dieser hohen Auszeichnung, mit herzlichen Grüßen und den besten Empfehlungen Ihr sehr ergebener Meißner."

Polen -ein einziges Konzentrationslager

Frank war nur umso eifriger. Im September 1940 gibt es verschiedene Eintragungen im Tagebuch, welche seine Gedanken entlarven. So etwa: „Es muß ein Unterschied zwischen dem Lebensstandard des Herrenvolkes und den Unterworfenen sein. Die Polen müssen die Grenzen ihrer Entwicklungsmöglichkeiten erkennen. Kein Pole soll über den Rang eines Werkmeisters hinauskommen. Ich darf bitten, diese klare Linie einzuhalten 29). Oder da steht: „Was die Behandlung der Juden anlangt, so habe ich genehmigt, daß in Warschau das Ghetto geschlossen wird, vor allem, weil festgestellt ist, daß die Gefahr von den 500 000 Juden so groß ist, daß die Möglichkeiten des Herumtreibens unterbunden werden müssen."

Einen Tag später kam dann auch das Gesetz über Aufenthaltsbeschränkungen für Juden im Generalgouvernement heraus Es bildete die Grundlage überhaupt zur Errichtung der Ghettos im ganzen Generalgouvernement.

Für Frank war Polen ein einziges Konzentrationslager. Auf einer Abteilungsleitersitzung am 6. November 1940 sagte er wörtlich über Polen: „Dieses Gebiet ist dazu berufen, das Arbeiter-Reservoir in großen Sinne zu sein. Wir haben hier lediglich ein gigantisches Arbeitslager, wo alles, was Macht und Selbständigkeit bedeutet, in Händen der Deutschen ist.“

Nach solchen Äußerungen fuhr Frank unbeschwert zu einer Tagung in die „Akademie für Deutsches Recht“ nach Berlin, um dort über „Rechtssendung des Deutschen Reiches“ sowie über „Das Staatsrechtliche Gefüge des Führer-staates“ zu reden. Er schloß seine Ansprache mif der „verpflichtenden Erklärung, weiterhin im Dienste der Rechtsidee tätig zu sein . .

Ausgerechnet der Henker des polnischen Judentums, der grausame Unterdrücker des polnischen Volkes hörte nicht auf, über „Recht“ zu sprechen!

Anfang Dezember 1940 fuhr Frank auf Einladung der Technischen Hochschule nach München, um auf der akademischen Jahresfeier zu sprechen.

Nach dem Einzug der Professoren im Ornat dirigierte Kapellmeister Willi Haenel-Christiansen den ersten Satz der Siebenten Symphonie Beethovens, und dann begrüßte der Rektor der Technischen Hochschule, Prof. Dr. Ing. Pistor, den Generalgouverneur aus Krakau, welcher gleich darauf selbst das Wort ergriff. Frank sagte unter anderem: „Die Grundlagen für eine wahrhafte Rechtsrevolution aller staatstragenden Anschauungen, Wertungen, und Begriffe sind geschaffen.“ Er wies nach, wie sich die „deutsche Technik des Staates“ gerade im Generalgouvernement unter so ungewöhnlich schwierigen Verhältnissen besonders bewährt habe, „denn die Grundsätze der Verwaltungsführung könnten eben sogar auf ein fremdvölkisches Gebilde übertragen werden

Dr. Hans Frank schätzte nichts mehr, als möglichst überall und recht ausgiebig zu reden. Am 19. Dezember 1940 hielt er in Krakau eine lange Rede und meinte: „Von euch hat der eine seine Mutter, seine Eltern, der andere seine Frau, seine Braut, seine Kinder zu Hause. Die werden nun in allen diesen Wochen an euch denken und werden sich sagen: Mein Gott, so sitzt er nun drüben in Polen, wo es so viele Läuse und Juden gibt! Vielleicht hungert und friert er. Er traut sich vielleicht nicht zu schreiben. Da wäre es vielleicht ganz nett, wenn wir den Lieben zu Hause ein Bild schicken und ihnen sagen würden: Nun, es ist hier im Generalgouvernement schon etwas anders und besser geworden. Freilich, in einem Jahr konnte ich weder sämtliche Läuse, noch sämtliche Juden beseitigen.“ Hinter diesem Satz steht im Protokoll in Klammern das Wort „Heiterkeit“.

Seine Tätigkeit für das Jahr 1940 schloß Frank wieder mit einer längeren Rede ab, in der es zum Beispiel hieß: „Aus dem Bewußtsein unserer Verpflichtung gegenüber der Vergangenheit und aus der täglichen Erprobung unserer Kraft an den Aufgaben der Gegenwart, ward in uns die Wirklichkeit dessen lebendig, was uns als deutsche Sendung in diesem Raum theoretisch geläufig war.“ Der Erguß endete mit den Worten: „Das Generalgouvernement wird für alle Zukunft . Nebenland des Reiches'bleiben, ein Name, den der Führer geprägt hat, und der uns heilige Verpflichtung ist"

Wahrscheinlich aus dieser „heiligen Verpflichtung“ heraus prasselten dann auch weiterhin die antijüdischen Gesetze auf die Unschuldigen hernieder. Am 20. Februar 1941 erschien die Verordnung über Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Juden im Generalgouvernement Gerade mit diesem Gesetz muß Frank es sehr eilig gehabt haben, denn er unterzeichnete es nicht in „seiner“ Hauptstadt Krakau, sondern während eines Besuches in Dresden.

Zwei Wochen später kam ihm die Luft auf der Krakauer Burg sicher schon wesentlich sauberer vor, denn am 3. März wurde eine Verordnung des Distriktgouverneurs von Krakau, SS-Gruppenführer und General der Polizei Dr. Karl Otto Gustav Wächter, veröffentlicht, der zufolge die Juden Krakaus in die Vorstadt Podgorze umziehen mußten, wo sie zwei Jahre später — am 13. März 1943 —liquidiert wurden

Am 22. April 1941 sprach Frank auf einer NSDAP-Kundgebung in Lublin und erklärte: „Das kann man von uns nicht verlangen, die wir mit dem Führer seit 20 Jahren in diesem Kampfe stehen, daß wir noch irgendwelche Rücksicht auf die Juden nehmen. Wenn heute die Juden der Welt um Mitleid bitten, so läßt es uns kalt.“

„Schmerzensstunden mit dem Führer"

Niemals versäumte der „Reichsrechtsführer“, in der Öffentlichkeit, wenn nur irgend möglich, zu unterstreichen, daß er ein alter Kämpfer und Blutordensträger war. Überhaupt spielte er gern den Vertrauten des „Führers". So auch am 19. Mai 1941 bei einem Dienstappell der politischen Leiter im Arbeitsbereich Krakau im Parteihaus der NSDAP. Nach der sensationellen Flucht von Hitlers Stellvertreter Rudolf Hess nach England führte Frank in einer Rede aus: »Ich habe nun schon viele Schmerzensstunden mit dem Führer erlebt. Ich als sein Rechtsbeistand weiß viel mehr als viele andere von diesen Dingen. Er ist mir unendlich erschlossen in dem, was er selbst seinen nächsten politischen Mitar-Leitern nicht mitteilt. Diese still fortwirkende Funktion, die ich als sein persönlicher Rechtsberater in seinen persönlichen Dingen ausübe, gibt mir eine ganz besondere Bezogenheit zu diesem Mann.“

Nachdem er so seiner Eitelkeit Genüge getan hatte, kam er auf Rudolf Heß zu sprechen und sagte: »Aber ich glaube, ich werde nicht mehr erleben, was der Erschütterung gleicht, die ich verspürte, als mir der Führer am Dienstag gegenübertrat. Es ist nun einmal so, daß dieser Schlag ein einmaliger ist. Der Führer war so erschüttert, wie ich das eigentlich noch nicht erlebt habe.“

Das alte Schloß der polnischen Könige, das Bewußtsein, in Polen als Herr über Leben und Tod zu herrschen, sein sub speciae aeternitatis geführtes Tagebuch — für seine Eitelkeit war es auch in Kriegszeiten noch nicht genug. Im Mai 1941 ließ er von seinem Rechtsamt „die wichtigsten Daten im Leben des Reichsleiters, Partei-genossen Dr. Hans Frank“ zusammenstellen, um sie zu veröffentlichen. Dieserhalb korrespondierte sein persönlicher Referent im Reichsrechtsamt, Oberreichsleiter Eisenlohr, mit dem Reichsschatzmeister der NSDAP in München, erkundigte sich nach dem genauen Datum der Verleihung des Goldenen Parteiabzeichens an seinen Chef. Schwarz antwortete am 15. Juni, es sei dem Parteigenossen Nr. 40 079 und Reichsminister bereits am 17. November 1933 verliehen worden.

Als Reichsleiter des Reichsrechtsamtes'kam Frank selbstverständlich trotz seiner „Kriegstätigkeit“ als Generalgouverneur auch während des Krieges häufig nach München. Anläßlich eines solchen Besuches sprach er im Juli 1941 über „Das völkische Reichsideal der germanischen Kulturwelt“. Ausgerechnet er, der auf polnischem Boden schaltete und waltete wie es ihm gerade beliebte, erklärte perfiderweise: „Wir wissen als Rechtswahrer, daß ohne Gerechtigkeitsübung auf die Dauer ein Staat nicht existieren kann.“

Obwohl er kurz zuvor selbst eine derartige Äußerung von sich gab, hinderte ihn das schon am 1. August bei einer großen NSDAP-Kundgebung in Lemberg keineswegs, dort zu sagen, Polen würde für alle Zeiten deutsch bleiben

Am 9. September meinte er im Hinblick auf die Juden sogar wörtlich: „Man hat uns in Berlin gesagt: Weshalb macht man die Scherereien? Wir können im Ostland oder im Reichs-kommissariat auch nichts mit ihnen anfangen. Liquidiert sie selbst! Meine Herren, ich muß Sie bitten, sich gegen alle Mitleidserwägungen zu wappnen. Wir müssen die Juden vernichten, wo immer wir sie treffen und es irgend möglich ist!“

Als Frank am 15. Oktober 1941 in Warschau aufmerksam zuhörte, wie der damalige Höhere SS-und Polizeiführer in Warschau, Arpad Wigand, ausführte, die Juden könnten in dem unglaublich großen Hungerzustand unmöglich Widerstand leisten, bedankte er sich nachher äußerst herzlich bei Wigand für diese Feststellung. Im Protokoll der Sitzung ist noch vermerkt worden: „Der Herr Generalgouvemeur ist der Auffassung, daß für die jüdische Bevölkerung weitere Lebensrnittel nicht zur Verfügung gestellt werden können."

Nun, das war klar und eindeutig!

Frank wußte genau, warum er die 500 000 Juden Warschaus hermetisch im Ghetto einschloß. Um ganz sicher zu gehen, unterzeichnete er noch am gleichen Tage, dem 15. Oktober 1941 die Verordnung, deren § 1 wie folgt lautet: „Juden, die den ihnen zugewiesenen Wohnbezirk unbefugt verlassen, werden mit dem Tode bestraft. Die gleiche Strafe trifft Personen, die solchen Juden wissentlich Unterschlupf gewähren.“

Eigentlich bedeutete so ein Gesetz das Todesurteil für alle Ghetto-Insassen, denn sie wagten kaum noch, das Ghetto zu verlassen. Gelang es einigen dennoch, so traute sich jenseits der Ghettomauer wieder fast niemand, einen jüdischen Flüchtling zu verstecken.

Mitte November fand eine Konferenz führender Persönlichkeiten des Generalgouvernements in Krakau statt, bei der Frank den Vorsitz führte. Die Tagesordnung befaßte sich mit den 500 000 Juden Warschaus deren Golgathaweg vom geschlossenen Ghetto bis zur endgültigen Ausrottung im April 1943 festgelegt wurde.

„Technik des Staates"

Frank schätzte den Ausdruck „Technik des Staates“ außerordentlich und benutzte ihn bei jeder sich nur bietenden Gelegenheit. Anfang Dezember 1941 gründete er in München auch noch das „Institut für Technik des Staates" und bezeichnete das Generalgouvernement in seiner Ansprache als „Schule“ eben dieser Technik In seiner Veröffentlichung mit dem gleichen Titel schreibt er dann: „Weit über den juristischen Bereich des von dem Gesetzgeber Adolf Hitler aufgestellten legislativen Staats-willens ist ja die Persönlichkeit des Führers ganz allgemein auch die sittlich und moralisch jedes öffentliche Handeln bestimmende vorbildliche Persönlichkeit. Der kategorische Imperativ des Handelns im Dritten Reich lautet: Handele so, daß der Führer, wenn er von deinem Handeln Kenntnis hätte, dieses Handeln billigen würde!“

Trotzdem geschah im Generalgouvernement manches, was die Kehrseite der Frankschen Theorie von der „Technik des Staates“ zeigte. Im Januar 1942 passierte sogar etwas recht peinliches, denn in Krakau wurde der Lemberger Distriktgouverneur Dr. Karl Lasch festgenommen, weil entdeckt worden war, daß er für Staatsgelder, aber höchst eigene Zwecke, durch Mittelsmänner Teppiche und Kunstschätze hatte aufkaufen lassen. Ferner „beschlagnahmte“ Dr. Lasch in großem Umfang Teppiche, Gemälde oder Kaffee und hortete alles in seiner Villa. Außer ihm wurde auch SS-Untergruppenführer Loew verhaftet. Die beiden Verhafteten pachten dann auch vieles über den Generalgouverneur und dessen Familie aus

Dr. Lasch behauptete, in Franks Salonwagen seien beispielsweise Pelze, Bettzeug usw., auch 200 000 Eier in die bayerische Heimat geschafft worden. Außerdem pflegte Frank zu lächerlich geringen Preisen vom Krakauer Judenrat zu erstehen, wonach ihm der Sinn gerade stand. Frau Frank hamsterte — hauptsächlich vom Juden Apfelbaum — zu billigsten Preisen kostbare Pelze, und Franks Schwester spezialisierte sich auf den Einkauf von Brillantringen, für die sie den Juden pro Stück 25, — Reichsmark zahlte.

Loew gestand, für den Generalgouverneur im Warschauer Ghetto Pelze und einen goldenen Füllfederhalter für 3 Zloty pro Stück eingehandelt zu haben.

Nachdem man einmal dabei war, die schmutzige Wäsche zu waschen, kam auch heraus, daß der Warschauer Distriktgouverneur, Dr. Ludwig Fischer, Hans Frank einen echten Rembrandt aus den geraubten Warschauer Sammlungen verehrt hatte.

Solcher Behauptungen wegen kam es am 5. März 1942 zu einer Besprechung im Salonwagen des Reichsministers Dr. Lammers. Darüber existiert ein von Himmler persönlich abgezeichneter Aktenvermerk. An der Besprechung nahmen teil Heinrich Himmler und Dr. Lammers, Reichsleiter Martin Bormann und Hans Frank. Himmler stellte fest, daß Frank auf die Vorwürfe „wie ein Schauspieler" reagierte und fuhr fort: „Ich sprach weiterhin über die persönlichen Verhandlungen von Fräulein Frank, der Schwester des Generalgouverneurs, mit Juden, ferner über die willkürliche Schätzung der Preise durch Taxatoren, wenn es im Ghetto hieß, daß die Burg in Krakau dieses oder jenes benötige.“

Der Aktenvermerk zeigt, mit welcher Freude und Ironie Himmler ihn diktierte.

Für die ganzen Zustände und vor allem den moralischen Verfall der damaligen „Herren“ dürfte auch die nachstehende Bemerkung Himmlers ganz aufschlußreich sein: „Nach einer längeren Aussprache darüber, ob einer von uns noch den geringsten Vorbehalt gegen ihn — Frank — hätte, was von mir mit der Begründung verneint wurde, daß wir dann gar nicht mit ihm über diese Dinge gesprochen hätten, sondern sie unmittelbar an den Führer herangetragen hätten, kamen wir auf die Frage von SS und Polizei zu sprechen.“ Der Aktenvermerk endet mit dem Satz: „Auch einen Polizeihauptmann als Adjutant sagte ich Frank zu.“

Damit legte man dann die Geschichte wohl zu den Akten, aber Frank gab seine privaten Raubzüge deswegen keineswegs auf, wie noch Ende Januar 1945 festzustellen war.

Am 14. April 1942 fand um 14. 20 Uhr im Königsaal der Burg zu Krakau eine Presse-besprechung statt, auf der Hans Frank erklärte: „Und wenn, wie behauptet wird, der Katholizismus tatsächlich eine Schande für ein Volk ist, umso mehr Katholizismus muß ich dem Polentum wünschen. Man kann nicht gleichzeitig sagen, der Katholizismus sei die größte Sünde auf der Welt — Gottlob, daß wir Deutschen so vernünftig sind, ihn zu bekämpfen! — und die Polen davor behüten, daß sie ihn nicht bekommen. Deshalb habe ich auch nichts dagegen eingewendet, daß Tschenstochau wieder in Betrieb genommen wurde. Ich habe sogar die Erlaubnis gegeben, einen polnischen katholischen Kalender herauszugeben. Wenn der Katholizismus ein Gift ist, dann kann man dieses Gift nur den Polen wünschen. So geht es mit anderen Dingen auch.“

Trotz seiner mannigfachen Inanspruchnahme, konnte es der Jurist Hans Frank nicht lassen, einem großen Zuhörerkreis immer wieder seine Ideen über Recht und Volksgemeinschaft auseinanderzusetzen. Am 10. Juni 1942 tat er es wieder einmal an der Universität Berlin. Er sprach über „Rechtsidee und Volksgemeinschaft“. Besonders ein Satz — etwas ähnliches durfte bei ihm nie fehlen — wurde in dieser Rede mit großem Beifall ausgenommen: „Diese Tat des Führers als des größten Gesetzgebers der Geschichte ist und bleibt die monumentalste Leistung der deutschen Rechtsgeschichte überhaupt!“ Er meinte die Taten des Nationalsozialismus auf dem Gebiet der Rechtspflege, wie das Erbhofgesetz, das Wehrgesetz, die Arbeitsgesetzgebung sowie das Kultur-und Rassenrecht.

Wer Dr. Franks Aufruf zum neuen Kriegs-Winterhilfswerk aufmerksam durchliest — er veröffentlichte ihn im Herzen des blutenden Polen — spürt genau, daß dieser Mann nur Phrasen drischt. In dem Aufruf steht unter anderem: „Die NSDAP hat das deutsche Herz gereinigt und zu einer ethischen Haltung empor-geführt, wie das bis jetzt noch keine Energie der Weltgeschichte vermocht hat.“

Brücke zum Vorstoß in den Osten

Im gleichen Stil sprach er auch in seiner Eigenschaft als Präsident des Instituts für Ost-arbeit im Oktober 1942 Frank gab in seiner langen Rede einen wahrhaft tiefschürfenden Abriß über die „Epoche des Ostens“, welche das deutsche Volk im Verlauf des Krieges begonnen haben sollte. Frank nannte das eine „Zeit gewaltigster kolonisatorischer und siedlungsmäßiger Neugestaltung“. Das Generalgouvernement sei gewissermaßen die „Brücke beim Vorstoß in die unermeßlichen Weiten des Ostraums.“ Er sagte: „Der Osten ist und bleibt unser deutsches Schicksal und auf der Brücke Generalgouvernement muß ein Treffen stattfinden aller jener gedanklichen Vorstellungen, die zwischen Heimat und Neuland immer und ewig hin und her-spielen und die zwischen Heimat und Front im Kriege den wesentlichen Gedankeninhalt unserer Soldaten erfüllen. Für die aus dem Osten nach dem Reich Reisenden ist das Generalgouvernement bereits ein stark heimatlich anmutendes Gebilde, für die aus dem Reich in den Osten Reisenden aber ist es bereits der Gruß einer östlichen Welt.“

Frank meinte, es habe für das deutsche Volk schon eine Nordepoche, eine Westepoche sowie eine Südepoche gegeben. Nun sei man bei der Ostepoche angelangt, einer Zeit revolutionärer Neuformung auf allen Gebieten.

Wie sich Dr. Frank die Ostpolitik vorstellte, eikennt man an einer Rede bei der Arbeitstagung der politischen Leiter des Arbeitsbereichs Generalgouvernement der NSDAP am 14. Dezember 1942 Er kam dabei mit dem Projekt heraus, 940 000 Polen zur Arbeit ins Reich zu schicken. Schon dabei war ersichtlich, daß er auch längst die physische Vernichtung all dieser Polen im Auge hatte.

Einige Tage später notierte Ulrich von Hassell in seinem Tagebuch, was ihm Max Frauendorfer -1931 war er Referent in der Reichsleitung der NSDAP, 1934 Reichsschulungsleiter der NSDAP sowie SS-Obersturmbannführer, 1939— 1942 Hauptamtsleiter der Abteilung Arbeit im Generalgouvernement, also ein recht gut orientierter Zeuge! — berichtet hatte Ulrich von Hassell schrieb: „Frauendorfer, SS-Mann und Inhaber des Goldenen Parteiabzeichens, war im übrigen höchst beeindruckend durch seine unbegrenzte Verzweiflung über das, was er stündlich und täglich in Polen erlebt und das so fürchterlich st, daß er es nicht mehr aushält und als einfacher Soldat an die Front will. (Frauendorfer ging wirklich an die Front — Bemerkung des Herausgebers) Dauernde unaussprechliche Judenmorde! SS-Leute fahren mit Maschinenpistolen nach der Stunde, die als Aufhören der Ausgehfreiheit festgesetzt ist, durchs Ghetto und schießen auf alles, was sich zeigt, zum Beispiel spielende Kinder, die sich unglücklicherweise etwas länger auf der Straße befinden."

Anfang Januar 1943 läßt Frank seine Frau Brigitte auf der Krakauer Burg zurück und macht eine Erholungsreise.

Außer den dicken Tagebuchbänden, in die er alles für die Nachwelt Bestimmte diktierte oder Mitstenographiertes übertragen ließ, führte Hans Frank noch ein kleines Büchlein mit rein privaten Notizen selbst. Zwischen dem 1. und 7. Januar 1943 — zu jener Zeit tobte gerade der Kampf um Stalingrad — notierte er wie folgt: „ 1. Januar: Schoberhof. (bei Neuhaus/Bayern — Bemerkung des Herausgebers) Schwere Sorgen liegen über dir, Deutschland! Und über mir. Ich denke an meinen Lebenskampf und an meine Probleme.

Montag, 4. Januar: Schoberhof — 11. 16 Uhr Abfahrt im Zug wie in die Freiheit aus Trubel und Tumult. 15. 50 Ankunft Garmisch. Endlich wieder bei Lilly.

Dienstag, 5. Januar: Garmisch. Unsagbar schön mit Lilli. (Der Name ist manchmal mit y, manchmal mit i geschrieben — Bemerkung des Herausgebers) Ich kann nichts ändern. Natur hat uns für einander bestimmt. Gott möge es gnädig gestalten zu einer guten Lösung für alle. Mittwoch, 6. Januar : Garmisch. Mit Lilli. Wir leben und lieben. Ich werde endlich geheilt. Fühle, meine Lungen fangen an, besser zu werden.

Donnerstag, 7. Januar: Garmisch. Mit Lilli im Glück und Segen. Schnee, Sonne. Wir sind allein und die Welt leuchtet.“

Für den Generalgouverneur leuchtete also die Welt am 7. Januar 1943, aber einen Tag später forderten die Sowjets in Stalingrad die 6. Armee zur Kapitulation auf.

Allmähliche Ernüchterung

Doch auch im Generalgouvernement hatten die Polen längst eine strafforganisierte Untergrundbewegung und machten der deutschen Besatzung oft schwer zu schaffen. Ebenso bestand in Warschau schon die Jüdische Kampforganisation und selbst in den Ghettos von Bialystok, Krakau oder Wilna war man inzwischen mit großen Schwierigkeiten in den Besitz von einigen Waffen gelangt. In Krakau hatte die Jüdische Kampforganisation sogar am 22. Dezember 1942 bereits einen bewaffneten Überfall auf das Cafe „Cyganeria“ durchgeführt, bei dem viele Deutsche ums Leben gekommen waren

Am 18. Januar 1943 organisierte die Jüdische Kampf-Organisation im Warschauer Ghetto den ersten bewaffneten Widerstand, bei dem allerdings ein großer Teil der jüdischen Kämpfer fiel Der Kommandant Mordechai Anielewicz überlebte nur wie durch ein Wunder, leitete im April 1943 den großen Aufstand im War-schauer Ghetto und kam dabei selbst ebenfalls um.

Dr. Frank sah sich wohl durch die Ereignisse veranlaßt, seine „leuchtende Welt“ bei Lilli zu verlassen. Er kam zurück und erschien am 25.

Januar in Warschau, um an einer Polizeisitzung teilzunehmen. Im Protokoll über die Sitzung, das als „Geheime Reichssache!" bezeichnet ist, steht, daß Frank sagte: „Wir wollen uns daran erinnern, daß wir alle miteinander, die wir hier versammelt sind, in der Kriegsverbrecherliste des Herrn Roosevelt figurieren.“ Das war ein ganz neuer Ton bei ihm. Vielleicht dämmerte ihm etwas wie Erkenntnis der Lage, und er wurde ein wenig nüchterner. Aber er fuhr fort: „Ich habe die Ehre, Nummer 1 zu sein. Wir sind also sozusagen Komplizen im welt-historischen Sinne geworden.“

Am nächsten Tage fanden in Warschau Beratungen über die Lage und vor allem die Zeichen des Aufruhrs statt. Frank muß längst innerlich von Unruhe beherrscht gewesen sein und steigerte sich wahrscheinlich deshalb nach außen in eine krampfhafte Zuversicht hinein So auch am Sonntag, dem 31. Januar 1943 bei einer Kundgebung im Warschauer Haus Roma zur Feier des 10. Jahrestages der „Machtergreifung“, als er rief: „Wir werden siegen, weil wir einen Adolf Hitler haben. Er ist ein Mann, der in der Geschichte alle zehntausend lahre einmal kommt. Adolf Hitler ist eine einmalige Gestalt. Er ist kcin Gajus Julius Caesar, kein Napoleon Bonaparte, und es ist falsch, ihn überhaupt mit einem historischen Vorbild vergleichen zu wollen. Adolf Hitler ist Adolf Hitler! Er ist einmalig! Er hat keine Ahnen unter den Staatsmännern der Welt!"

Welch Untergrund-Kampf in Polen bereits schwelte, geht eindeutig aus einer Blitzvorlage des Leiters Pro., Chef des Propagandastabes — Ref.: RR Schäffer, datiert Berlin, den 6. März 1943 — Pro. Pa. 2060/6. 3. 43/7 — 3. 13 -über die Lage in Warschau hervor. Da steht: „Nadi den letzten Ereignissen scheint Warschau einer neuen terroristischen Welle entgegenzugehen. Nadi der Zustellung von Höllenmaschinen in das Archivamt des Palais Brühl, in dem das Amt des Gouverneurs und die Distriktregierung untergebracht sind, sowie in das Arbeitsamt, wurden in den Vororten Warschaus Plakate angeklebt, die ungefähr folgendes besagten: Die illegale polnische Regierung habe beschlossen, erstens den Leiter der polnischen Polizei, einen Oberstleutnant, und zweitens einen polnischen Angestellten des Arbeitsamtes durch Erschießen der gerechten Strafe auszuliefern. Der polnische Oberstleutnant, Leiter der polnischen Polizei, ist in der Nacht zum 5. März daraufhin tatsächlich ermordet worden. Der polnische Angestellte des Arbeitsamtes konnte von den Terroristen anscheinend nicht erreicht werden, denn er ist jedenfalls noch am Leben.

In der gleichen Nacht wurde in die Amts-garage der Ostbahndirektion ein Einbruch verübt. Die offenbar sehr ortskundigen Banditen entwendeten die drei besten Personenkraftwagen und die gesamten Fahrerausrüstungen. Sie sind unerkannt entkommen. Wenige Stunden darauf wurde in der gleichen Nacht ein Eisenbahnzug angehalten. Bei diesem Überfall wurden von den Banditen drei Wehrmachtangehörige überwältigt und lebend entführt.

Der in der Abteilung Propaganda in Warschau angestellten Frau Bielmann wurde am 4. März gegen 20 Uhr von unbekannten Tätern eine Handvoll Pulver in die Augen gestreut. Frau Bielmann befindet sich in ärztlicher Behandlung. Heil Hitler!"

Zwischen Unsicherheit und Großsprecherei

Am 19. April 1943 brach der Aufstand im Ghetto Warschau aus, dem die totale Liquidation des Ghettos folgte. Am nächsten Tag schrieb Dr. Frank an den Chef der Reichskanzlei, Dr. Lammers, folgenden Brief: „Sehr verehrter Herr Reichsminister Dr. Lammers! In der heutigen, aus Anlaß des Führergeburtstags abgehaltenen Sitzung der Regierung des Generalgouvernements, beherrschte die Entwicklung der Sicherheitslage das Bild. In der Tat entwickelt sich diese unter dem Einfluß verschiedenster Umstände in geradezu gefährlichster Weise. Seit gestern haben wir in Warschau einen bereits mit Einsatz von Geschützen zu bekämpfenden wohlorganisierten Aufstand im Ghetto. Die Morde an den Deutschen nehmen in furchtbarer Weise zu. Züge werden überfallen, Transportwege völlig unsicher gemacht. Die Bandenbildung entwickelt sich in grassierender Weise. Ich sehe zur Zeit die Verantwortung für das Leben der Deutschen im Generalgouvernement Gott allein anvertraut."

Das ist für Frank eine ganz neue Sprache. Nichts ist von dem sonst so überheblichen Ton übriggeblieben. Der „Techniker des Staates" kam sich auf einmal etwas blamiert vor, möchte man meinen.

Am 10. Mai 1943 wurde Frank zu seinem „Führer" nach Berlin befohlen. Es ist anzunehmen, daß die neue Situation besprochen werden sollte.

Ulrich von Hassell vertraute am 15. Mai seinem Tagebuch an: „Inzwischen setzt sich der unglückliche Judenrest in Warschau zur Wehr, und es kam zu schweren Kämpfen, die wohl zur völligen Ausrottung durch die SS führen werden. Hitler hat den Deutschen zum verabscheuten wilden Tier in der ganzen Welt gemacht."

In dieser für die Laufbahn des Dr. Frank recht kritischen Zeit klaffte ein Abgrund zwischen seinem demütigen Ton im Brief an Dr. Lammers und allem, was er in der Öffentlichkeit von sich gibt. So sagte er auch Mitte August 1943 auf einer NSDAP-Versammlung in Krakau: „Wir sind hier entschlossen, immer die Groß-deutschesten zu sein, die es gibt. Kein Sturm kann das Deutschtum im Generalgouvernement erschüttern."

Auch vor seinen eigenen Mitarbeitern redete er immer noch im gleichen Stil. Auf einer Regierungssitzung am 26. Oktober in Krakau erklärte Frank, daß nur Verrückte an ein Wieder-auferstehen Polens glauben könnten. Für das Großdeutsche Reich sei das Problem Polen bereits für alle Zeiten gelöst. 1944 ist dann seinen Ergüssen allerdings doch schon die innere Unruhe und manchmal eine gewisse Unsicherheit anzumerken, wenn Frank das innere Zagen auch durch besonders viel äußere Kraftmeierei auszugleichen trachtete. Am 14. Januar 1944 um 15 Uhr hielt er eine Ansprache, um den neuen Krakauer Distrikt-gouverneur, Dr. Burgdorf, in sein Amt einzuführen, und sagte: „Ich bin kein schwacher Mann! Ich weiß sehr wohl, meine Stärke zu erkennen. . .. Man soll daran nicht zweifeln.“ Später fuhr er fort: „Nun bin ich ein Kerl der sich leider Gottes nur im Kampfe wohlfühlt. Deshalb habe ich auch immer einen Kampf. Bei anderen rührt sich überhaupt nichts; die anderen leben dahin, biedermeierlich, devot, demütig; sie fallen nicht auf, wie man beim Militär sagt..." dann im richtigen NS-Jargon hinter-drein: „Wenn wir den Krieg gewonnen haben, dann kann meinetwegen aus den Polen und den Ukrainern und dem, was sich sonst hier herumtreibt, Hackfleisch gemacht werden. Es kann gemacht werden was will!“

Am 30. Januar 1944 hielt Frank in Krakau eine Rede über das Thema „Die symbolische Kraft der Machtergreifung". In ihr erklärte er in ausnahmsweise völlig richtiger Erkenntnis der Lage: „Und diese deutsche Flagge, sie ist nicht zum Vergnügen der Welt"

Es ließe sich unendlich viel aus seinen Tage-büchern zitieren, denn er wetterte ja nicht nur gegen die Juden und „Pfaffen" oder das „Gift der Kirche". Immer aber geschieht es im typischen Tenor des alten, bewährten Kämpfers der Partei, des Blutordenträgers, selbst als der Untergang seiner NS-Welt mit Riesenschritten nahte.

Am 17. Januar 1945 mußte er aus Krakau flüchten. Über diese letzte Zeit im Leben des Dr. Hans Frank sollte man vielleicht etwas vorsichtiger urteilen, obwohl viele seiner Mitmenschen behaupten, er sei immer noch der Verschwender, Egozentriker und auf Raub von Kunstschätzen bedacht gewesen. Andererseits liegt seine Niederschrift aus dem Nürnberger Kriegsverbrecher-gefängnis vor, die von Demut und innerer Umkehr zeugt Natürlich darf man da nicht übersehen, daß er sie schließlich erst im Gefängnis schrieb. Die Verhaftung mag ihm einen schlimmen Schock versetzt haben. Außerdem wußte er, daß sich seine umfangreichen Tagebücher in den Händen der Alliierten befanden.

Es könnte aber sein, daß er wirklich a posteriori Reue und Scham verspürte. Wenn ein Mensch jedoch bereut und sich seiner Taten schämt — selbst wenn dies reichlich spät geschieht — muß dem Rechnung getragen werden.

Verhaftung in „Haus Bergfrieden"

Am 18. Januar 1945 traf Dr. Frank mit seinem Gefolge beim Baron von Richthofen auf Schloß Seichau in Schlesien ein und feierte dort rauschende Feste mit Unmengen von Lebensmitteln und Alkohol. Martin Bormann fühlte sich durch sein Treiben veranlaßt, eine Beschwerde darüber bei Reichsminister Dr. Lammers einzureichen

Am 25. Januar verließ Dr. Frank Schloß Seichau und traf am nächsten Tage in Bad Aibling/Bayern ein, von wo er am 13. Februar nach Neuhaus aufbrach, um dort im Haus „Bergfrieden“ in der Josefstaler-Straße 12 weiter zu „amtieren". Nicht weit von Neuhaus liegt der Schobernhof, wo Franks Familie untergebracht war.

Als er im Haus „Bergfrieden" verhaftet wurde, fand man außer den Tagebüchern auch Kunstwerke, die in Polen geraubt worden waren. Unter ihnen Bilder von Leonardo da Vinci und Rembrandt. Sogar ein goldener Kelch der gotischen Marienkirche Krakaus fand sich bei Dr.

Franks Besitztümern wieder. Dieser Kelch stammt aus dem 13. oder 14. Jahrhundert.

Auf der Nürnberger Anklagebank trug Dr. Frank dann stets eine dunkle Sonnenbrille.. Weshalb blieb unerfindlich, aber man könnte sich vorstellen, daß es aus Scham geschah. Falls dem tatsächlich so war, dürften es zwar die beschämendsten, aber auch erhabensten und größten Tage seines Lebens gewesen sein.

Am 18. April 1946 vormittags stellte sein Verteidiger Dr. Alfred Seidel ihm im Saal des Internationalen Militärgerichtshofes die Frage: . Haben Sie sich jemals irgendwie an der Vernichtung von Juden beteiligt?"

Dr. Hans Frank antwortete: „Wenn Adolf Hitler persönlich diese furchtbare Verantwortung auf sein Volk gewälzt hat, dann trifft sie auch mich, denn wir haben den Kampf gegen das Judentum jahrelang geführt und wir haben uns in Äußerungen ergangen — und mein Tagebuch ist mir selbst als Zeuge gegenübergetreten — die furchtbar sind. Und ich habe daher nur die Pflicht, Ihre Frage in diesem Sinne und in diesem Zusammenhang mit „Ja“ zu beantworten. Tausend Jahre werden vergehen und diese Schuld von Deutschland nicht wegnehmen.“

Politik und Zeitgeschichte

AUS DEM INHALT DER NÄCHSTEN BEILAGEN:

Oskar Anweiler: „Gesellschaftliche Probleme der sowjetischen Erziehung“

Edward Crankshaw: „Chruschtschow und China"

Indira Gandhi: „Indien heute"

George F. Kennan: „Stalin und China"

Hans Friedrich Reck: „Die indischen Parteien"

Karl C. Thalheim: „Die Wachstumsproblematik der Sowjetwirtschaft"

Egmont Zechlin: „Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche (IV. Teil)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Konrad Heiden „Geschichte des Nationalsozialismus“, Berlin 1932, Seite 186.

  2. 8-Uhr-Abendblatt, Berlin, vom 12. 12. 1930 (Nr. 291).

  3. „Der Angriff", vom 30. 4. 1928.

  4. „Warschauer Gerichtszeitung" (polnisch) LXIII, Seiten 111— 112.

  5. Völkischer Beobachter vom 19. 11. 1938.

  6. Franks Tagebücher.

  7. Reichsgesetzblatt 1939, Teil I, vom 24. 10. 1939.

  8. Stanilaw Piotrowski „Dziennik Hansa Franka" (polnisch), Warschau 1956, Seite 124.

  9. ebendort, Seiten 125— 126.

  10. ebendort, Seiten 126— 127.

  11. Alle Gesetze im «Verordnungsblatt des Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete"; ab 1. 1. 1940 hieß es «Verordnungsblatt für das Generalgouvernement”.

  12. Franks Tagebücher.

  13. Poliakov-Wulf „Das Dritte Reich und seine Diener", Berlin 1956, Seiten 516— 518.

  14. Autor von „Volk und Rasse“, „Die Judenfrage und die Anfänge ihrer Lösung im Generab gouvernement" usw.

  15. Franks Tagebücher.

  16. Franks Tagebücher, Band IV, Blatt 1170— 1174.

  17. Abteilungsleitersitzung am 12. 9. 1940.

  18. ebendort.

  19. Verordnungblatt für das Generalgouvernement 1940, Nr. 55.

  20. Franks Tagebücher.

  21. Völkischer Beobachter vom 23. 11. 1940.

  22. Völkischer Beobachter vom 7. 12. 1940.

  23. Franks Tagebücher.

  24. Hamburger Fremdenblatt am 31. 12. 1940 — Im Aufsatz . Vom besetzten Gebiet bis zum Neben-land des Reiches".

  25. Verordnungsblatt f. d. GG. Nr. 14, Seite 69.

  26. „Zum 3. Jahrestag der Auflösung des Ghettos Krakau" (polnisch), Krakau 1947, Seiten 30- 40 und 120- 135.

  27. Franks Tagebücher.

  28. Franks Tagebücher.

  29. Völkischer Beobachter vom 16. 7. 1941.

  30. Franks Tagebücher.

  31. Franks Tagebücher.

  32. Franks Tagebücher.

  33. Verordnungsblatt f. d Generalgouvernement Nr. 99, Seite 595.

  34. Krakauer Zeitung vom 18. 11. 1941.

  35. Völkischer Beobachter vom 7. 12. 1941.

  36. Hans Frank „Die Technik des Staates’ mit Geleitwort v. Prof. Dr. Ernst Letzgauß, Berlin— Leipzig—Wien 1942, Seiten 15— 16.

  37. Ausführlich im Buch v. Stanislaw Piotrowski a. a. O. S. 20— 25.

  38. Franks Tagebücher.

  39. Völkischer Beobachter vom 11. 6. 1942.

  40. Krakauer Zeitung vom 7. 10. 1942.

  41. ebendort am 24. 10. 1942.

  42. Franks Tagebücher.

  43. Ulridi von Hassel a. a. O., Seite 232.

  44. Stanislaw Piotrowski a a. O., Seite 195.

  45. Siehe “ Pamietnik Justyny* (polnisch), eingeleitet u. kommentiert v. Josef Wulf, Krakau 1946, Seiten 10— 19.

  46. Wulf 1, Seiten 71— 74 und 88.

  47. Franks Tagebücher.

  48. Franks Tagebücher.

  49. Franks Tagebücher.

  50. Archiv der Hauptkommission zur Erforschung der Hitlerverbrechen in Polen, Warschau. Akte der Kanzlei Bühler, Band XI, Seiten 33— 35.

  51. Franks Tagebücher.

  52. „Vom anderen Deutschland'a. a. O., Seite 252.

  53. Krakauer Zeitung vom 16. 8. 1943.

  54. Franks Tagebücher.

  55. Franks Tagebücher.

  56. „Im Schatten des Galgens'— Deutung Hitler und seiner Zeit auf Grund eigener Erlebnisse und Erkenntnisse, München-Gräfelfing 1953.

  57. Krakauer Zeitung vom 1. 2. 1944.

  58. Dokument PS — 3814.

Weitere Inhalte