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Der Ostblock und die Entwicklungsländer | APuZ 28/1961 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 28/1961 Der Ostblock und die Entwicklungsländer

Der Ostblock und die Entwicklungsländer

KURT MULLER

I. Rubeloffensive?

I. II. III. IV. V. INHALT Rubeloffensive?

Die Organisationen zur Arbeit in den Entwicklungsländern Institute, Universitäten und Hochschulen Die kulturelle und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit Schlußbetrachtung

In Fachkreisen und in der Öffentlichkeit findet die wachsende Aktivität des Ostblocks in den Entwicklungsländern eine immer größere Beachtung. Seit der Verkündung des sowjetischen Siebenjahresplanes auf dem XXI. Moskauer Parteitag im Februar 1959, mit dem sich die Sowjets die Aufgabe stellen, den Westen wirtschaftlich zu überflügeln und politisch an die Wand zu drücken, wurden deren Bemühungen um die Länder Asiens, Afrikas und LateinAmerikas bedeutend intensiviert.

Der Ostblock will die blockfreien Länder des Entwicklungsraumes für seine sogenannte Koexistenzpolitik gewinnen. Die kommunistischen Politiker glauben, daß die jungen souveränen Staaten auf dem Wege ihrer Industrialisierung, insbesondere durch die Stärkung des staatlichen Wirtschaftssektors, in einen wachsenden Widerspruch zu den westlichen Industriestaaten geraten und so Verbündete des Ostblocks im wirtschaftlichen Wettbewerb mit dem Westen werden. Die Entwicklung und Festigung des Staats-kapitalismus bei der Industrialisierung der jungen Nationalstaaten betrachten die Sowjettheoretiker als Voraussetzung für das Entstehen neuer gesellschaftlicher Verhältnisse, für das Heranwachsen einer neuen Mittelschicht, einer eigenen nationalen Intelligenz und einer modernen Industriearbeiterschaft der Großindustrie in den wichtigsten Entwicklungsländern wo-durch soziale Umgestaltungen in diesen Ländern akut würden. Daher werten sie die nationale Unabhängigkeit der Entwicklungsländer „lediglich als Etappe und erforderliche Voraussetzung für soziale Umgestaltungen .. . sowie für das nachfolgende Hinüberwachsen der nationalen und der kolonialen Revolution in die sozialistische Revolution"

Diesen programmatischen Gesichtspunkten ist auch die als „uneigennützig“ proklamierte Wirtschaftshilfe des Ostblocks untergeordnet.

Wie im Westen, so hat man auch in Moskau, Prag und Ost-Berlin die neuen weltentscheidenden Vorgänge in den Ländern Asiens und Afrikas im wesentlichen erst seit der Bandung-Konferenz im April 195 5 richtig begriffen. Alle Unterlagen weisen darauf hin, daß die Sowjets kaum vor knapp fünf Jahren begannen, sich mit einer Entwicklungshilfe in die genannten Länder einzuschalten. Erst in den letzten 2— 3 Jahren waren die Sowjetunion und einzelne Ostblockländer imstande, ihren Außenhandel mit den Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas — im Austauschvolumen wie in der Anzahl der Beziehungen zu diesen Ländern — stärker zu entfalten.

Obwohl die Sowjets bereits im ersten Jahrzehnt des Bestehens der UdSSR bis 1927 verschiedene Organisationen zur Beeinflussung und Anleitung der nationalen Befreiungsbewegung in den Ländern Asiens und Afrikas aufgezogen hatten, verfügten sie zur Zeit der Bandung-Konferenz, wenn wir von der Tätigkeit kommunistischer Parteien und ihrer Gewerkschaften wie von einigen wenigen Filialen der „Weltfriedensbewegung" in einzelnen Ländern Asiens absehen, über keine nennenswerten politischen Organisationen. Die Orientforschung der UdSSR wurde im Jahre 1956/57 reaktiviert und ein sowjetisches Afrika-Institut sehr spät, Ende 1959, gegründet. An Spezialisten für Latein-Amerika mangelt es dieser Seite auch heute noch.

Auch aus der Erkenntnis, verpaßte Gelegenheiten aufzuholen, sind die erhöhten Anstrengungen und die hektische Aktivität des Ostblocks, besonders in Afrika während der letzten Zeit, zu erklären. Als eine Skala, an der sich die Steigerung der Aktivität gut ablesen läßt, dürfen die Kreditbewilligungen der Sowjetunion an die Entwicklungsländer in jedem einzelnen Jahre von 1954 bis 1960 gelten.

Im Halbjahresbericht der Friedrich Ebert-Stiftung e. V. für das erste Halbjahr 1960 wird diese Skala angeführt. Es heißt dort: „Nadi den vorliegenden überprüften Unterlagen gewährte die UdSSR bisher folgende Hilfssummen an andere Länder: „In den Jahren von 1946 bis Mitte 1960 an die Länder des europäischen Ostblocks rund 20 Mrd. Rubel 3), die Länder des asiatischen Ost-blocks (China, die Mongolei, Nord-Vietnam und Nord-Korea) erhielten im gleichen Zeitraum mehr als 10 Mrd. Rubel, wobei die Volksrepublik China seit dem Jahre 1957 ohne Sowjet-kredite auskommt; den Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas (ohne die Blockländer Asiens) bewilligte die UdSSR in der Zeit vom Jahre 1954 bis Mitte 1960 rund 10 Mrd. Rubel.

Die Kredithilfe, die die UdSSR in 51/, Jahren den Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas gewährte, machte also 50 Prozent der Summe aus, die der europäische Ostblock in 141/2 Jahren bewilligt erhielt, und erreichte die gleiche Höhe, wie die Zusagen an die Block-länder Asiens.

Die UdSSR-Bewilligungen an die Entwicklungsländer (ohne Blockländer Asiens) erreichten in den einzelnen Jahren folgende Summen: 1954 = 14 Mill. Rubel; 195 5 = 500 Mill. Rubel; 1956 = rd. 800 Mill. Rubel; 1957 = mehr als 1 Mrd. Rubel; 1958 = rd. 1, 8 Mrd. Rubel. In den 18 Monaten seit dem X = 500 Mill. Rubel; 1956 = rd. 800 Mill. Rubel; 1957 = mehr als 1 Mrd. Rubel; 1958 = rd. 1, 8 Mrd. Rubel. In den 18 Monaten seit dem XXL Parteitag vom Februar 1959 bis August 1960 sagte die UdSSR den Entwicklungsländern Kredite in einer Gesamthöhe von 5 8 Mrd. Rubel. In den 18 Monaten seit dem XXL Parteitag vom Februar 1959 bis August 1960 sagte die UdSSR den Entwicklungsländern Kredite in einer Gesamthöhe von 5 830 Mill. Rubel zu.“ 4)

Es sei erwähnt, daß die UdSSR allein Indien seit dem Mai 1959 neue Kredite in einer Gesamthöhe von 2 180 Mill. Rubeln bewilligte.

1 Mrd. Rubel wurden Indonesien im ersten Halbjahr 1960 zugesagt und der Vereinigten Arabischen Republik (VAR) neue 900 Mill. Rubel für den Assuan-Damm. Der Irak erhielt im August 1960 einen zweiten Kredit in Höhe von 180 Millionen Rubeln, nachdem die Sowjets dem Irak bereits im März 1959 einen Kredit von 5 50 Millionen Rubeln zugesagt hatten. Audi Kuba und Ghana kamen im Jahre 1960 auf die Kreditliste der UdSSR und im Jahre 1961 die Republik Mali.

Bei diesen Krediten handelt es sich um Zusagen, deren Realisierung im wesentlichen erst in kommenden Jahren erfolgen wird. Die obigen Daten bestätigen auch, daß in den vergangenen Jahren die Hilfspropaganda des Ostblocks im umgekehrten Verhältnis zu den tatsächlichen Leistungen stand. Sie deuten an, daß eine entfaltete Wirtschaftshilfe-Tätigkeit des Ostblocks in den Entwicklungsländern noch bevorsteht.

Von der Durchführung des sowjetischen Siebenjahresplanes (1959— 1965) erhofft der Ostblock eine Steigerung seiner Tätigkeit in den Entwicklungsländern.

In einer sowjetischen Quelle wird gesagt:

„Im Maße der Verwirklichung des Siebenjahresplanes wird die Wirtschaftshilfe der UdSSR an die Länder des Orients immer mehr wachsen.“ 5)

Und eine andere Quelle betont:

„Eine große internationale Bedeutung haben gegenwärtig die Durchführung der Volkswirtschaftspläne der UdSSR, der Volksrepublik China und aller sozialistischen Länder. Im Ergebnis der Verwirklichung dieser Pläne in einer kurzen Zeit (1959— 1965) werden die sozialistischen Länder mehr als die Hälfte der Welt-industrieproduktion erzeugen. Der Siebenjahresplan zur Entwicklung der Volkswirtschaft der UdSSR eröffnete, ebenso wie die Volkswirtschaftspläne aller übrigen sozialistischen Länder, neue Perspektiven für die Entwicklung ihrer wirtschaftlichen und wissenschaftlich-technischen Zusammenarbeit mit allen Ländern, darunter mit den Ländern Asiens, Afrikas und LateinAmerikas." 6)

Mit der obigen Anführung von Kreditziffern wollten wir uns aber keineswegs der bisher in der Bundesrepublik üblichen Praxis anschließen und die Ostblockaktivität in den Entwicklungsländern auf die Wirtschaftshilfe beschränken und allein an Rubelzahlen messen. Eine solche Darstellung wäre allzu einfach und einseitig.

Auch der in der Presse angewandte Begriff einer Rubeloffensive erscheint nur geeignet, die Aktivität des Sowjetblocks in den Entwicklungsländern zu verniedlichen. Der oft angestellte Vergleich östlicher und westlicher Kreditzahlen, der mit der Feststellung der bekannten Tatsache verbunden ist, daß die westliche Kredithilfe der östlichen doch überlegen sei, beruhigt zwar, vermittelt jedoch kein umfassendes Bild von der wirklichen Tätigkeit der Länder des sowjetischen Machtbereichs in den Entwicklungsländern.

Kredit-und Wirtschaftshilfe, Außenhandel, selbst der Bau von Industriewerken und Anlagen, die Entsendung von Spezialisten und die Ausbildung'von Ingenieuren und Technikern aus den afro-asiatischen Ländern sind nur Teile des Ostblockprogrammes. Die organisatorisch-politische und die kulturpolitische Tätigkeit wie auch die politisch-psychologische Einwirkung des Ostblocks im Entwicklungsraum lassen sich nicht in Rubeldaten ausdrücken, auch fehlen bezeichnenderweise für diese Bereiche bis heute jene Vergleiche, wie sie so gern zwischen der östlichen und westlichen Wirtschaftshilfe angestellt werden.

IL Die Organisationen zur Arbeit in den Entwicklungsländern

Land: Afghanistan Äthiopien Argentinien Ceylon Ghana Guinea Indien Indonesien Irak Jemen Kuba Nepal VAR insgesamt: Sowjet-Kredit-Spiegel Kredite der UdSSR: an die Entwicklungsländer von 1954 bis 1960 (in Mill. USA-Dollar) 1954 3, 5 — — — — — — — — — — — — 3, 5 1955 — — — — — — 137, 5 — — — — — — 137, 5 1956 100 — — — — — — 100 — 15 — — — 215 ♦) wurden dem indischen Finanzminister Desai im Juli 1960 zugesagt; über ein entsprechendes Abkommen wird gegenwärtig in Neu-Delhi verhandelt. 1957 15 — — — — — 125 6,

‘ Seit die Entwicklungshilfe zu einem akuten Problem wurde, sind in den westlichen Ländern, einschließlich der Bundesrepublik, eine große Zahl von Organisationen und Einrichtungen entstanden, die sich mit Forschungen und Problemen der Entwicklungsländer befassen. Ähnliche Institute und Organisationen bestehen auch in fast allen Ostblockländern. Aber bedeutungsvoller als diese Art von Organisationen, die im Ostblock ihre besonderen Eigenarten haben, sind jene, die auf Moskauer Initiative als direkte Kontakt-Organisationen zur Durchsetzung der politischen Pläne des Ostblocks im gesamten afro-asiatischen Raum gegründet worden sind.

Die afro-asiatische Solidaritätsorganisation

Land: Nepal Mongolei Guinea Kuba Birma Die Kredite der VR China an andere Entwicklungsländer (im Jahre 1960/61) Art und zinsloser Kredit für drei Jahren Zweck: Ausrüstungslieferung in Kredit für die Jahre 1961— 1965 zum Bau von Industriewerken und Anlagen zinsloser Kredit für die Jahre 1960 bis 1963 zinsloser Kredit für komplette Werkanlagen und techn. Hilfe zinsloser Kredit für techn. Hilfe und Ausrü-stung in den Jahren 1961 bis 1967 bewilligt am: 21. 31. 19. 30. 11. 60 9. 3. 60 5. 60 9. 60 1. 61 Summe: 10?

„Die Solidaritätsbewegung der . Völker Asiens und Afrikas“ ist hier an erster Stelle zu nennen. Sie entstand im April 1955, nicht zufällig wenige Tage vor Beginn der Bandung-Konferenz. Im Gegensatz zu China und Nordvietnam hatte die Sowjetunion nach Bandung keine Einladung erhalten. Um ihre Isolierung von der afro-asiatischen Bewegung zu durchbrechen, inspirierten die Sowjets auf der vom „Weltfriedensrat“ vom 19. bis 23. Juni 1954 nach Stockholm einberufenen „Konferenz für internationale Entspannung“ eine asiatische Sonderberatung, auf welcher aufgrund der damals laufenden Bandungvorbereitungen die Durchführung einer eigenen „Konfe. renz asiatischer Nationen für internationale EntSpannung“ beschlossen wurde. Die Organisatoren waren die indischen „Friedensfreunde" Dr. Anup Singh 7) und Frau Rameshwari Nehru 8).

Wenige Tage vor der Bandung-Konferenz (18. bis 25. April 1955), die eine Regierungskonferenz war, fand diese „Konferenz asiatischer Nationen für internationale Entspannung" vom 6. bis 10. April 1955 in Neu-Delhi statt. Rund 250 Delegierte, entsandt von den verschiedenen Massenorganisationen aus 16 Ländern Asiens, darunter aus den 4 asiatischen Blockländern, waren hier versammelt. Aus Afrika waren 3 Beobachterdelegationen anwesend.

Politisch ging diese Konferenz im Schatten von Bandung unter, nur der „Geist von Bandung“ wird seit dieser Zeit in der UdSSR und im neu aufgezogenen Parallel-Unternehmen gepflegt.

Organisatorisch brachte sie jedoch ein Ständiges Sekretariat unter Leitung von Dr. Anup Singh, mit dem Sitz in Neu-Delhi, hervor. Gleichzeitig beschloß die Konferenz von Neu-Delhi, in allen Ländern Asiens Nationale Solidaritätskomitees als Sektionen des Zentralen Komitees zu gründen, worauf als erste alle asiatischen Blockländer und die Friedensbewegung Indiens schnell reagierten.

Einen Aufschwung und eine größere Bedeutung erhielt die Solidaritätsbewegung im Jahre 1957, als Präsident Nasser ihr seine Unterstützung um den Preis der Verlegung ihrer Führungs-Gremien nach Kairo zusagte. Sie wurde auf Afrika ausgedehnt, und in den Tagen vom 26. Dezember 1957 bis 1. Januar 1958 fand dann in Kairo, unter Teilnahme von rund 500 Delegierten aus 45 Ländern Asiens und Afrikas, die „Erste Solidaritätskonferenz der Völker Asiens und Afrikas“ statt. Die „Zweite Solidaritätskonferenz der Völker Asiens und Afrikas" tagte in der Zeit vom 11. bis 15-April 1960 in Conakry, der Hauptstadt Guineas. Rund 3 50 Delegierte vertraten auf dieser Konferenz die Solidaritätsbewegung und andere Organisationen aus 58 Ländern. Außerdem waren 14 Beobachterdelegationen erschienen.

Anknüpfend an die Erfahrungen der „Antiimperialistischen Liga" des Jahres 1927, in welcher auch Jawaharlal Nehru und Dr. M. Hatta eine nicht unbedeutende Rolle spielten, ist man bemüht, in dieser Solidaritätsbewegung im „Geiste von Bandung“ und als Beispiel der Koexistenz die verschiedenartigsten Strömungen unter einem Hut zu vereinigen. Neben den 5 Ostblockländern (UdSSR, China, die Mongolei, Nord-Vietnam und Nord-Korea), die in der Zeit der sowjetisch-chinesischen Meinungsverschiedenheiten nicht immer einheitlich auftraten, finden wir hier einen starken panarabischen Flügel und nunmehr auch eine bedeutende pan-afrikanische Gruppe. Auch afrikanische Exilpolitiker, z. B. aus Kamerun und von der Elfenbeinküste, benutzen die Tagungen der Solidaritätsbewegung als Forum für ihre Anklagereden. Die Mehrheit der in dieser Bewegung Mitwirkenden sind keine Kommunisten. In ihr nur Kommunisten zu vereinigen, war auch nicht der Zweck des Aufziehens dieser Organisation. Der Antikolonialismus und der Antiimperialismus dienen als Plattform des Zusammenhalts.

Nach kommunistischer Auffassung entscheidet die Organisation alles. Seit der Gründung der afro-asiatischen Solidaritätsbewegung war der Ostblock daher stets bemüht, diese in eine feste Organisation zu verwandeln, wobei es angesichts der verschiedenen Strömungen in dieser Bewegung nicht ohne Zugeständnisse abging. Schon die Mitarbeit Nassers in der Solidaritätsbewegung mußten die Sowjets im Jahre 1957 — wie gesagt — mit der Etablierung der leitenden Organe in Kairo honorieren. Bis zur zweiten Soildaritätskonferenz in Conakry stellte die VAR auch den Präsidenten des leitenden Organs der Bewegung, des „Solidaritätsrates der Völker Asiens und Afrikas“. Präsident war der Vertrauensmann Nassers, Anwar el Sa-da t, stellvertretender Vorsitzender der „Nationalen Union" der VAR und Präsident der Nationalversammlung der VAR; Vizepräsidenten waren der sowjetische Schriftsteller Muchtar Auesow und Rameshwari Nehru.

Sowjetische Versuche, die zweite Solidaritätskonferenz im Irak, in Bagdad, durchzuführen, scheiterten am Widerstand Nassers. Besonders die Chinesen waren bemüht, den panarabischen Einfluß zu vermindern und das Zentrum der Bewegung von Kairo nach Conakry zu verlegen.

Darüber liegt uns eine Information eines ägyptischen Mitarbeiters des Kairoer Sekretariats vor, die auch die arabische Betrachtungsweise offenbart. In dieser Information wird gesagt:

»Das . Ständige Sekretariat'hat 11 inter-nationale Sekretäre, die im wesentlichen ehrenamtliche Funktionen haben. Wichtig ist das Exekutivkomitee mit 27 Mitgliedern, wobei die Mehrheit von 20 Stimmen den neutralistischen Kurs steuert (einschließlich der Russen) und 7 Pro-Kommunisten sind (Marschrichtung Chinas). Der Streit zwischen den Russen und den Chinesen begann, wie bekannt, in Conakry, um den Standort des Sekretariats. Die Chinesen wollten es von Kairo weghaben, weil Kairo hinter dem neutralistischen Kurs steht. In Conakry erlitten die Chinesen mit 20 zu 7 eine Niederlage hinsichtlich der Sekretariatsverlegung. Seit diesem Zeitpunkt sind die Chinesen zu den Sitzungen des Sekretariats nicht mehr erschienen."

Erst seit der Moskauer Gipfelkonferenz vom November 1960 nehmen die Chinesen an der Arbeit des Kairoer Sekretariats wieder teil.

Um den Preis der Belassung des Sekretariats in Kairo und des Zugeständnisses, daß der ägyptische Schriftsteller Youssef el-Sebai weiterhin Generalsekretär der Bewegung bleibt, konnten die Sowjets in Conakry einen neuen Organisationsaufbau durchsetzen.

Die afro-asiatische Solidaritätsbewegung wurde in „Permanent Organisation for-Afro-Asian Peobles Solidarity“ (POAAPS) umgetauft.

Höchstes Organ der Organisation ist die „Solidaritätskonferenz der Völker Asiens und Afrikas“, die nunmehr alle zwei Jahre stattfinden soll.

Als Zentralkomitee fungiert ein Exekutivkomitee (Comite Directeur; auch noch wie früher oft „Solidaritätsrat“ genannt). Diesem Exekutivkomitee, das zweimal im Jahre zusammentritt, gehören Vertreter aus 27 Ländern, 14 afrikanischen und 13 asiatischen, an. Anstelle des früheren ständigen Präsidenten (An-war el Sadat) wählt nunmehr das Exekutivkomitee auf jeder Tagung seinen Vorsitzenden. Beschlüsse werden in diesem Gremium mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt.

Das Exekutivkomitee übt die politische Anleitung und Kontrolle des „Ständigen Sekretariats" in Kairo aus. Über dieses „Ständige Sekretariat“ und seine Funktionen wird berichtet: „Das . Ständige Sekretariat'besteht aus dem Generalsekretär (Youssef el-Sebai, d. V.) und 11 Sekretären, die von den nationalen Solidaritätskomitees Algeriens, Guineas, Indiens, Indonesiens, des Iraks, Kameruns, der Chinesischen Volksrepublik, des Kongo, der VAR, der UdSSR, Ugandas und Japans ernannt werden. Alle 12 Sekretäre, mit dem Generalsekretär an der Spitze, werden vom Exekutivkomitee bestätigt. Die Arbeit des Sekretariats vollzieht sich auf Grundlage der Kollektivität.

Beschlüsse werden mit Stimmenmehrheit gefaßt. Das Sekretariat tagt regelmäßig, mindestens zweimal in der Woche. Das Ständige Sekretariat verteilt die Pflichten der Sekretäre nach eigenem Ermessen und trägt eine kollektive Verantwortung für alle seine Beschlüsse und Tätigkeit, darunter auch für die Entscheidung administrativer Fragen. Das Ständige Sekretariat unterhält mehrere Abteilungen, darunter eine Propaganda-Abteilung, eine technische und eine administrative. Das technische Personal der Abteilungen wird von Abteilungs-Direktoren geleitet. Die Anleitung der Arbeit der Abteilungen erfolgt durch die Sekretäre. Außerdem sind unter den Sekretären verschiedene Arbeitsgebiete aufgeteilt. So beschäftigen sich z. B. mit den Fragen der Verbindung des Ständigen Sekretariats die Vertreter der VAR, der UdSSR und Kameruns. Die sozialen Fragen werden von den Sekretären aus Ghana und der VAR behandelt, Kulturfragen von den Sekretären aus der UdSSR und der VR China und ökonomische Fragen von dem Sekretär, der von Indien ernannt wird.“

Eine Biographie aller 12 Sekretäre kann hier nicht gegeben werden. Aber Sekretäre kann hier nicht gegeben werden. Aber der ständige Sowjetvertreter in Kairo, Herr Abdurashidow, ist doch zu erwähnen. Über ihn wird berichtet:

„Über G. M. Abdurashidow sind offiziell keine biographischen Angaben veröffentlicht worden. Aufgrund von Informationen von Privatpersonen, die Abdurashidow in Kairo persönlich gesprochen haben, ist bekannt, daß er Usbeke und ca. 40 Jahre alt ist. Er beherrscht die arabische Literatursprache wie Englisch und Französisch perfekt. Im Gegensatz zu den üblichen sowjetischen Funktionären, welche zu ständiger Propaganda neigen, ist Abdurashidow zurückhaltend und demonstriert ständig seine Toleranz gegenüber der Meinung anderer. Er fliegt jeden Monat persönlich nach Moskau zur Berichterstattung. Nach einigen unbestätigten Gerüchten ist er ein Schulkollege Muchitdinows (Hauptverantwortlicher für die gesamte Arbeit in den Entwicklungsländern im Präsidium des ZK der KPdSU, d. V.). Abdurashidow gilt als die graue Eminenz im Kairoer Ständigen Sekretariat." 11)

Das Ständige Sekretariat der POAAPS in Kairo gibt in arabischer, französischer und englischer Sprache die Zeitschriften „AFRO-ASIAN QUARTERLY“, „AFRO-ASIAN BULLETIN" (monatlich), „THE AFRO-ASIAN WOMAN“

(vierteljährlich) und andere Materialien heraus. Bis zum Jahre 1960 war der ehemalige Minister der kommunistischen Regierung des indischen Staates Kerala, Harsh dev Malaviya, für alle Veröffentlichungen zuständig.

Die Finanzierung der gesamten Tätigkeit der POAAPS soll durch Beiträge der angeschlossenen nationalen Solidaritätsorganisationen und durch Spenden anderer Organisationen und Einrichtungen erfolgen. Aus Kairo wurde bekannt, daß bis zur zweiten Solidaritätskonferenz nur die UdSSR, die VAR und die VR China Beiträge entrichteten. Nunmehr sind auch Ghana und Guinea an der Aufbringung der Mittel beteiligt. Auf einer Tagung des Exekutivkomitees der POAAPS, die vom 10. bis 13. November 1960 im UNESCO-Palast in Beirut stattfand, wurde beschlossen, einen „Solidaritätsfond der Völker Asiens und Afrikas“ zu gründen. Hier kam man den Chinesen entgegen. Die Verwaltung des Fonds wurde in Conakry eingerichtet. Vorsitzender des Beirats zur Verwaltung des Fonds ist Ismael Toure, der Halbbruder Sekou Toures. Stellvertretende Vorsitzende wurden: Ben Barka (Marokko), Tschou Tsu-tschu (VR China), B. G. Gafurow (UdSSR) und zwei Vertreter Indonesiens. B. G. Gafurow ist der Direktor des sowjetischen Instituts der Völker Asiens (früheres Institut für Orientalistik der UdSSR).

Die weitreichende organisatorische Verflechtung der Kairoer Solidaritätsorganisation, die im Westen bisher so gut wie unbeachtet blieb, sei nur an einigen Beispielen skizziert. Das „Ständige Sekretariat" in Kairo unterhält enge Beziehungen zur prokommunistischen „Weltfriedensbewegung“. Nach den Berichten des „Bulletins des Weltfriedensrates“ nahmen der Generalsekretär Youssef el-Sebai und Frau Rameshwari Nehru am Stockholmer Weltfriedenskongreß im Mai 1958 teil. Auch zur Stockholmer Tagung des Weltfriedensrates im Mai 1959 entsandte das „Ständige Solidaritätssekretariat“ eine Abordnung. Auf den Konferenzen für das Verbot der Atom-und Nuklear-Waffen, im August 1958 von der Weltfriedensbewegung nach Tokio und im August 1959 und August 1960 nach Hiroshima einberufen, war die Solidaritätsbewegung durch offizielle Delegationen vertreten. Der Weltfriedensrat gestand dem Kairoer „Ständigen Sekretariat" auch das Recht zu, Vorschläge für die Besetzung der leitenden Organe der Weltfriedensbewegung zu unterbreiten. Auch der kommunistische Weltgewerkschaftsbund wirkt in dieser Weise auf die Gestaltung der leitenden Organe der Weltfriedensbewegung mit.

Auf linitiative der Kairoer Solidaritätsbewegung fand in der Zeit vom 8. — 12. XII. 1958 die Erste afro-asiatiscEe WirtscEaftskonferenz (Industrie-und Handelskammern) und vom 30. April bis 3. Mai 1960 die Zweite afro-asiatiscEe WirtscEaftskonferenz, beide in Kairo, statt.

An der 2. Wirtschaftskonferenz nahmen 102 Vertreter von Industrie-und Handelskammern aus 34 Staaten Asiens und Afrikas teil. Pläne, die schon auf der 1. Wirtschaftskonferenz beraten wurden, wurden auf der 2. Wirtschaftskonferenz entschieden.

Darüber wird berichtet: „Ungeachtet der verschiedenartigen Ansichten der Delegierten auf der Konferenz, wurden mehrere Beschlüsse und Empfehlungen ausgearbeitet. Die wichtigsten von ihnen sind: die Gründung einer Organisation für wirtscEaftlicEe Zusammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas' und die Annahme eines Statuts für diese Organisation. Im Statut wird gesagt, daß Mitglieder der Organisation mit beschließender Stimme alle Staaten sein können, die an der Bandung-Konferenz teilnahmen, Länder, die ihre Unabhängigkeit nach Bandung erlangten, wie auch jene unabhängigen Staaten, deren Hauptstadt sich in den Ländern Asiens und Afrikas befindet. (Die UdSSR gehört bezeichnenderweise nicht dazu, d. V.) Nach dem Statut gehören der Organisation 38 Länder an.

Die Konferenz wählte ein führendes Organ der . Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit', den Organisationsrat, der aus Vertretern von 15 Staaten besteht, d. s. Vertreter der Volksrepublik China, der VAR, Japans, Indiens, Indonesiens, des Sudans, Iraks, Ghanas, Guineas und anderer Länder, wie auch der Präsident (Herr Ruschidi aus der VAR, d. V.) una die beiden Vizepräsidenten dieser Organisation (aus Indonesien und Ghana, d. V.).

Außerdem bestätigte die Konferenz die Gründung einer , Afro-asiatisdten Assoziation für Investitionen' und schuf ein Komitee für gegen seitige Hilfe. Die Teilnehmer der Konferenz verpflichteten den , Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas', die Möglichkeit der Schaffung eines , EinkeitlicEen afro-asiatiscEen Marktes' weiterhin zu untersuchen, wie auch den Einfluß des . Europäischen Gemeinsamen Marktes'und der Freihandelszone auf die afro-asiatischen Länder zu studieren, um Maßnahmen zur Verhinderung der verderblichen Folgen dieses Einflusses zu ergreifen." 12)

Man könnte diese Pläne als Zukunftsmusik betrachten. Das sind sie auch. Sie gewinnen Bedeutung, wenn die Industrialisierung einiger Länder Asiens gelingt. Aber sie sind vor allem vom Gesichtspunkt der erwähnten sowjetischen Politik des wirtschaftlichen Wettbewerbs mit dem Westen zu betrachten.

Die Sowjets, die auf beiden Wirtschaftskonferenzen durch Delegationen aus den asiatischen Sowjetrepubliken vertreten waren, nehmen an der Arbeit der neuen afro-asiatischen Wirtschaftsorganisation nur mit beratender Stimme teil. Daß sie aus dieser Mitarbeit wichtige Unterlagen für ihre Wirtschaftshilfepolitik schöpfen und dadurch die afro-asiatischen Pläne beeinflussen, ist nicht zu bezweifeln.

Aufgrund der Beschlüsse der I. Kairoer Solidaritätskonferenz wurde für die Zeit vom 2. bis 8. Februar 1959 die erste afro-asiatiscEe Jugendkonferenz in Kairo abgehalten. Aus dieser Konferenz ging ein „Ständiges Büro der afro-asia-tisdien Jugend“ mit Sitz in Kairo hervor. Auch die Herausgabe einer afro-asiatischen Jugend-zeitung wurde festgelegt. Dem Ständigen Jugendbüro gehören 10 Vertreter Afrikas und 10 Vertreter Asiens, darunter je ein Mitglied des Kommunistischen Jugend-Verbandes der UdSSR und der VR China an. Einerseits besteht allein dadurch schon der Kontakt zum kommunistischen „Weltjugendbund“, andererseits unterstützt das Ständige Jugendbüro die Bestrebungen zur Schaffung einer pan-afrikanischen Jugendbewegung, die von Guinea ausgehen. Das erste pan-afrikaniscEe Jugendfestival soll im Jahre 1961 in Conakry stattfinden. Die UdSSR hat sich verpflichtet, bis zu diesem Zeitpunkt dort ein Sportstadion mit 25 000 Plätzen zu erbauen. Auch in Djakarta (Indonesien) errichtet die UdSSR ein Sportstadion mit 100 000 Plätzen, das mit den „Asiatischen olympischen Spielen im Jahre 1962 eingeweiht werden soll.

Ähnlich wir zur Organisierung der Jugend, ergriff das Kairoer Ständige Sekretariat die Initiative zur Entwicklung einer afro-asiatischen Frauenbewegung. Die erste Frauenkonferenz der Länder Asiens und Afrikas fand im Januar 1961 in Kairo statt. Die erwähnte „THE AFRO-ASIAN WOMAN“ erscheint bereits als Frauen-zeitschrift des Ständigen Solidaritätssekretariats. Bahia Karam ist die Leiterin der Frauensektion. Auch den Ausbau der Gewerksdiaftsbeweguns in Asien und Afrika stellt sich das Ständige Sekretariat in Kairo zur Aufgabe.

Die Durchführung einer Konferenz der Schriftsteller Asiens und Afrikas stand bereits auf dem Arbeitsplan der Kairoer Solidaritätskonferenz des Jahres 1957/58. Nadi einem afro-asiatisdien Film-Festival, im August/September 1958 in Taschkent, wurde diese afro-asiatische Schrift-stellerkonferenz in der gleichen Stadt im Oktober 1958 durchgeführt.

Auf der Schriftsteller-Konferenz in Taschkent wurde ein „Ständiges Büro der Schriftsteller Asiens und Afrikas“ mit Sitz in Colombo (Ceylon) geschaffen. In dem Büro sind die UdSSR, die VR China, Ceylon, Ghana, Indonesien, Indien, Japan, Kamerun, der Sudan und die VAR vertreten. Auch an die Herausgabe eines eigenen afro-asiatisdien Schriftsteller-Organs wurde gedacht. Als sowjetische Kontaktstelle zu dem Ständigen Büro in Colombo rief der sowjetische Schriftstellerverband am 1. Februar 1959 ein Komitee ins Leben, das unter Leitung von Sch. Raschidow, der schon Delegierter auf der 1. Kairoer Solidaritäts-Konferenz war, steht. Ihm gehört auch A. W. Safronow, der Generalsekretär des Sowjetischen Solidaritätskomitees der Länder Asiens und Afrikas, an.

Über das Ständige Sekretariat in Kairo unterhalten die Sowjets und die Volks-Chinesen auch Beziehungen zum Ständigen Sekretariat der Pan-afrikanischen Konferenz in Accra (Generalsekretär Abdoulaye Diallo). Da es in Afrika kein Land des Ostblocks gibt, können sie hier nur beratend wirken.

Mit dieser kurzen Skizze sind die organisatorischen Beziehungen der mit sowjetischer Initiative ins Leben gerufenen afro-asiatischen Bewegung längst nicht restlos aufgezählt. Aus der Sowjetpresse ergibt sich, daß sowohl Herr el-Sebai wie auch andere Mitglieder des Kairoer Ständigen Sekretariats und auch Vertreter einzelner nationaler Solidaritäts-Komitees aus den Ländern Asiens und Afrikas häufige Gäste des „Sowjetischen Solidaritäts-Komitees der Völker Asiens und Afrikas" in Moskau sind.

Es ist uns hier nicht möglich, die nationalen Solidaritäts-Komitees in den verschiedenen Ländern Asiens und Afrikas im einzelnen zu behandeln. Nur ein Beispiel für die Art der Zusammensetzung solcher Komitees in diesen Ländern soll herausgegriffen werden: das „Indonesische Solidaritäts-Komitee der Völker Asiens und Afrikas“. Am 17. Juni 1960 fand eine Tagung dieser indonesischen Solidaritäts-Organisation in Djakarta statt. Auf ihr wurde beschlossen, dieses Komitee in „Indonesian Organization for Afro-Asian People’s Solidarity“ umzubenennen. In die Leitung der indonesischen Solidaritätse ganisation wurden gewählt: je ein Mitglied der Perti Partai (Moslim Partei), der Partai Serikat Islam Indonesia (Islamitische Partei Indonesiens), der Nahdatul-Ulama, der Partai Komunis Indonesia (Kommunistische Partei) und der Partai Nasional Indonesia (National-Partei). Außerdem gehören der Protokoll-Chef des früheren indonesischen Parlaments, die Frau des Stabschefs der indonesischen Luftwaffe und ein Minister dieser Leitung an. Generalsekretär der indonesischen Organisation ist Herr Ibrahim Isa, sein Stellvertreter ist Herr Suroso vom indonesischen Friedenskomitee

Auch am Beispiel Indonesien zeigt sich die Verbindung der Solidaritätsbewegung mit der „Weltfriedensbewegung". Herr Suroso übt leitende Funktionen in der indonesischen Sektion beider Organisationen aus. Auch muß bemerkt werden, daß in der Leitung der indonesischen Solidaritätsorganisation Vertreter jener Parteien und Gruppen sitzen, die Befürworter der „gelenkten Demokratie" Dr. Sukarnos sind.

Besondere Aufmerksamkeit verdient das „Sowjetische Solidaritätskomitee der Völker Asiens und Afrikas“. In Struktur und Aufbau richtet es sich nach dem Kairoer Ständigen Sekretariat und kann als Pendant zu diesem gelten. Über das sowjetische Solidaritätskomitee liegt uns ein Tätigkeitsbericht vom Jahre 1958 vor

Darin wird ausgeführt:

„Das sowjetische Solidaritätskomitee der Länder Asiens und Afrikas. Gegründet im Mai 1956 aufgrund des Beschlusses der . Asiatischen Konferenz zur Minderung der internationalen Spannungen'(die vom 6— 10. April 1955 in Delhi stattfand) als eines der nationalen Ko-mitees der Solidarität der Völker Asiens. Vorsitzender ist der Schriftsteller Mirso Tursun-sade, verantwortlicher Sekretär: A. Sofronow. Das Komitee stellte Kontakte zu den chinesischen, koreanischen, vietnamesischen, indischen und anderen Solidaritätskomitees her und führte mit ihnen den Austausch von Delegationen durch.

Am 20. November 1958 wurden auf einer erweiterten Sitzung des Komitee-Präsidiums Kommissionen für Wirtschaft und wirtschaftliche Zusammenarbeit, für Fragen der Kultur und der kulturellen Zusammenarbeit und für Information und Verbindung mit den Ländern Asiens und Afrikas geschaffen. Das Solidaritätskomitee sah mehrere Maßnahmen in Verbindung mit dem . Kampftag zur Befreiung Afrikas vom Imperialismus'vor, richtete an die japanische Regierung ein Protest-Telegramm gegen die Verurteilung von Arbeitern in der soge-nannten . Sache Mazukawa'und empfing ein Telegramm des Japanischen Solidaritätskomitees der Länder Asiens und Afrikas.'“

Auf der erweiterten Präsidiumssitzung am 20. November 1958 wurde ein Bericht über die Ergebnisse der Taschkenter Konferenz der Schriftsteller Asiens und Afrikas entgegengenommen, es wurden mehrere Kommissionen geschaffen. Am 1. Dezember veröffentlichte das Komitee eine Erklärung, „Raus mit den imperialistischen Kolonisatoren aus Afrika!“. Auf einer erweiterten Sitzung nahm das Komitee am 29. Dezember 1958 einen Bericht der Delegation auf der Accra-Konferenz entgegen, es wurde eine Afrika-Kommission geschaffen (Vorsitzender: I. I. Potechin)

Von den führenden Persönlichkeiten des „Sowjetischen Solidaritätskomitees der Länder Asiens und Afrikas" wollen wir hier nur S. Babachanow erwähnen, der der „Rote Mufti“ genannt wird.

Kurz seine Biographie: „S. Babachanow. 55 Jahre, geboren in Taschkent, besuchte nach Absolvierung einer religiösen Schule die . Universität der Werktätigen des Orients'in Moskau. 1929 versuchte er über den Grenzort Patta-Kesar nach Afghanistan zu flüchten, wurde aber vom sowjetischen Sicherheitsdienst festgenommen. Sein anschließendes Schicksal ist bis heute unbekannt geblieben. 1942 ernannte ihn die Sowjetregierung zum Qadi (Richter) der . Religiösen Verwaltung der Moslems Mittel-asiens und Kasachstans'und betraute ihn mehrfach mit der Vertretung seines Vaters, Eschen Babachan bin Abdul Madschid Chan, der bei den Moslems im Ausland als Mufti ausgegeben wurde. Nadi dem Tode seines Vaters trat der , Rote Mufti'S. Babachanow im Jahre 1957 an dessen Stelle.

S. Babachanow spricht Russisch, Persisch und Arabisch und ist in der kommunistischen Ideologie und der Lehre des Islams gleich gut geschult.“ Über das „Sowjetische Solidaritätskomitee der Länder Asiens und Afrikas" werden auch andere sowjetische Organisationen, die sich mit Entwicklungshilfe befassen, in die afroasiatische Solidaritätsbewegung einbezogen.

Wenn wir die Listen der sowjetischen Delegationsmitglieder nach Kairo, Conakry, Accra und Tunis durchsehen, so finden wir auf diesen neben Mirso Tursan-Sade und Sofronow die Namen des oben genannten „Roten Mufti“, Babadia-now, des Chefs des sowjetischen Afrika-Instituts, I. 1. Potedtin, des sowjetischen Asien-Spezialisten, E. M. Shukow, des Direktors für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen, A. A. Arsumauja und anderer verzeichnet.

Außerhalb der UdSSR und der asiatischen Länder des Ostblocks hatte nur Rumänien im Jahre 1958 versucht, ein afro-asiatisches Solidäritätskomitee auf die Beine zu stellen. In der SBZ wurde am 22. Juli 1960 ein „Solidaritätskomitee für Afrika" gegründet. Dieses Komitee ist berufen, Kontakte zur pan-afrikanischen Bewegung mit dem Ständigen Sekretariat in Accra herzustellen. Generalsekretär dieses Sekretariats in Accra ist der ehemalige Vizepräsident des kommunistischen Weltgewerkschaftsbundes, Abdoulaye Diallo. Im März 1961 wurde außerdem die „Deutsch-Afrikanische Gesellschaft" der SBZ ins Leben gerufen. Erwähnt werden muß, daß sich innerhalb des Ostblocks besonders die SBZ auf Afrika spezialisiert.

Kein Land des europäischen Ostblocks läßt jedoch irgendeine afro-asiatische -oder pan-afrikanische Tagung vorübergehen, ohne sie mit einer Gast-oder Beobachterdelegation zu beschicken. Zur II. Solidaritätskonferenz der Völker Asiens und Afrikas im April 1960 in Conakry entsandte z. B. die SBZ eine Gastdelegation mit dem Vorsitzenden des Ausschusses für Auswärtige Angelegenheiten der Volkskammer, Peter Florin, an der Spitze

Aber auch westliche Beobachterdelegationen sind auf solchen Tagungen immer häufiger anzutreffen.

Bei der Aufziehung solcher Organisationen wie die „Solidaritätsbewegung der Völker Asiens und Afrikas“ können die Sowjets — wie gesagt — an Erfahrungen der Vergangenheit anknüpfen. Es sei nur an den Brüsseler „Kongreß gegen Imperialismus und Kolonialismus“ des Jahres 1927 erinnert, eine Bewegung, an der auch J. Nehru, Dr. M. Hatta und andere nationale Führer mitwirkten. Niemand wird behaupten, daß Nehru und Hatta Kommunisten seien; ebenso unrichtig wäre es, alle Vertreter der Länder Asiens und Afrikas, die in den nationalen Solidaritätskomitees oder in Kairo mitarbeiten, dem Kommunismus zuzuzählen.

In der angeführten Bewegung gibt es oft Meinungsverschiedenheiten und ernste Auseinandersetzungen. Gemeint sind nicht nur Differenzen zwischen Chinesen und den Vertretern Nassers in einigen Fragen, sondern auch solche Ereignisse, bei denen es den Sowjets nicht gelang, ihre Absichten durchzusetzen.

Ihren Plan, eine führende Rolle in der afroasiatischen Wirtschaftsorganisation zu spielen, konnten zum Beispiel die Sowjets — wie die angeführten Entscheidungen in Kairo zeigen — auf der II. afro-asiatischen Wirtschaftskonferenz nicht verwirklichen. Die Delegierten dieser Konferenz lehnten es ab, innerhalb der Organisation den Sowjets das beschließende Stimmrecht zu geben, ebenfalls verweigerten sie den Chinesen den Posten eines Vizepräsidenten im „Rat der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas“.

Dennoch wäre es unrichtig zu verkennen, daß die skizzierte Solidaritätsbewegung dem Ostblock große Einwirkungsmöglichkeiten auf die Völker Asiens und Afrikas verschafft. Insbesondere das durch diese Bewegung aufgezogene Organisationsnetz — Friedensbewegung, Jugend-und Frauenorganisation, Schriftsteller, Gewerkschaften, Zeitschriften — darf nicht unterschätzt werden.

Die Gewerkschaften in Afrika

Im politisch-organisatorischen Plan des Ostblocks für die Arbeit in den Entwicklungsländern spielen heute, besonders in Afrika, auch die Gewerkschaften eine bedeutsame Rolle. Wollten wir über die Tätigkeit des Weltgewerkschaftsbundes und des FDGB der Zone, die auch Entwicklungsarbeit leisten, hier sprechen, so könnten wir wohl deren gesteigerte Aktivität registrieren und mit Fakten belegen. Uns kommt es aber darauf an, die politisch-strategischen Hintergründe und Zweck und Ziel dieser erhöhten Gewerkschaftsaktivität zu ergründen. Und hier lautet die neue Moskauer Konzeption: In Afrika südlich der Sahara, d. h. gerade in den zahlreichen Landein, die iw letzten Jahr ihre Unabhängigkeit erlangten, sind die Gewerkschaften der entscheidende Hebel zur Gestaltung der Gesdiicke dieses Erdteils.

Man erwartet vielleicht, daß wir uns bei der Erklärung dieser Ostblockkonzeption auf die Ausführungen eines kommunistischen Gewerkschaftsführers stützen? Nein! Wir müssen die Gedankengänge eines Afrikanisten und Sowjet-professors in der Zeitschrift für Sowjet-Orientalistik zur Kenntnis nehmen.

I. I. Potechin entwickelt für die Ostblock-Strategie in Afrika folgende Konzeption: 1. In Afrika südlich der Sahara sei die nationale Bourgeoisie noch schwach und hätte sich kaum erst formiert. Sie verfüge nicht über eine solche Tradition wie die nationale Bourgeoisie in Asien. Bürgerliche Parteien mit einer solchen Geschichte und Vergangenheit wie z. B. die Kongreßpartei in Indien beständen in Schwarz-Afrika nicht. 2. Auch der Großgrundbesitz sei auf Grund eines starken Vorherrschens des Stammeseigentums in den meisten Ländern Schwarz-Afrikas nicht zum Zuge gekommen. 3. Die Gewerkschaften aber, wenn auch teilweise noch schwach, seien bereits in der Kolonialzeit auf Grund der ausländischen Tätigkeit in der extraktiven Industrie in allen Ländern Afrikas entstanden. Sie seien in einigen Ländern mit dem Staats-und Regierungsapparat verbunden resp, verwachsen.

Auch einige Führer in Afrika seien gleichzeitig Gewerkschaftsführer oder standen mindestens in der Vergangenheit mit den Gewerkschaften in Verbindung.

Daraus schlußfolgert man im Ostblock, daß in Afrika südlich der Sahara die Gewerkschaften die dort fehlenden kommunistischen Parteien ersetzen könnten und ihre kommunistische Beeinflussung und Stärkung die vordringlichste Aufgabe zur sozialen Umgestaltung Afrikas sei.

So ist es auch kein Zufall, daß bisher nur vier Länder Schwarz-Afrikas mit sowjetischen Krediten bedacht wurden — Äthiopien, Guinea, Ghana und Mali —, aber Gewerkschaftsfunktionäre des Ostblocks in fast allen Ländern südlich der Sahara anzutreffen sind. Auch Schulen zur Heranbildung von Gewerkschaftsfunktionären aus Afrika sind in vielen europäischen Ländern des Ostblocks gegründet worden.

In der Taktik zur Verwirklichung ihres Ziels, die Gewerkschaften zur führenden Kraft in Schwarz-Afrika zu machen, passen sich die Ostblockpolitiker den pan-afrikanischen Bestrebungen an. Insbesondere Sekou Toure und Kwame Nkrumah sind bemüht, eine pan-afrikanische Gewerkschaftsbewegung ins Leben zu rufen, die weder dem kommunistischen Weltgewerkschaftsbund noch dem Internationalen Bund Freier Gewerkschaften angeschlossen ist. Auf Grund der Erfahrungen in ihrer Arbeit in der Solidaritätsbewegung stimmen die Ostblockstrategen diesen „neutralistischen" Plänen zu, denn sie glauben, auch auf diesem Umweg in dieser Bewegung Einfluß zu erlangen.

Freundschaftsgesellschaften

Line weitere Form zur politischen Durchdringung der Länder Asiens, Afrikas und LateinAmerikas sind die „Gesellschaften für Freundschaft und kulturelle Verbindungen mit dem Ausland“, die in allen Ostblockländern bestehen. In der UdSSR sind diese Gesellschaften seit Februar 1958 im „Verband sowjetischer Gesell-sdtaften für Freundschaft und kulturelle Beziehungen mit dem Ausland“ zusammengeschlossen. Hierbei handelt es sich um ein großes Netz von Organisationen, die sich mit allen Fragen des öffentlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Lebens der Länder befassen, die sie als Partnerorganisationen ansprechen. Die Ostblock-gesellschaften dieser Art haben nämlich in dem Partnerland ein Pendant. So besteht z. B. in China, mit dem Sitz in Peking, die „Gesellschaft für die Freundschaft zwischen China und der Vereinigten Arabischen Republik“, in der VAR aber die „Gemeinschaft für Freundschaft zwischen der Vereinigten Arabischen Republik und China". Jede dieser Gesellschaften hat im Lande zahlreiche Ortsgruppen, Bezirksorganisationen und Sektionen. Für die UdSSR mag verständlich sein, daß insbesondere die mittelasiatischen Republiken solche Freundschaftsgesellschaften mit den Entwicklungsländern unterhalten. Aber auch in Indien z. B. verfügt die „Indische-Sowjetischer Gesellschaft“ über Organisationen in einzelnen Städten und Provinzen.

Diese Freundschaftsgesellschaften mit den Entwicklungsländern wurden erst in den letzten Jahren in stärkerem Maße aufgezogen. Auch hier bestätigt sich unsere Behauptung, daß die erhöhte Tätigkeit des Ostblocks in den Entwicklungsländern erst jüngeren Datums ist. Nehmen wir wieder die UdSSR, die diese Freundschaftsgesellschaften als erste hervorbrachte, als Beispiel:

In der Sowjetunion wurden gegründet: he „Gesellschaft für sowjetisch-indische Freundschaft“ am 25. Januar 1958; die „Gesellschaft für Freundschaft und kulturelle Beziehungen zu den Ländern des arabischen Ostens“ am 21. April 1958; am 4. September 1958 nahm die „Gesellschaft UdSSR-Indonesien" ihre Arbeit auf; seit 24. April 1958; am 4. September 1958 nahm die „Gesellschaft UdSSR-Indonesien" ihre Arbeit auf; seit 24. April 1959 besteht die „Gesellschaft für Freundschaft mit den Völkern Afrikas“; die „Gesellschaft für sowjetisch-irakische Freundschaft“ wurde am 14. Juli 1959 ins Leben gerufen; seit dem 28. Oktober 1959 besteht die »Gesellschaft für Freundschaft und kulturelle Verbindungen mit Afghanistan"; die „Gesellschaft für sowjetisch-ceylonesische Freundschaft“ existiert seit dem 1. Dezember 1959 und am 3. Dezember 1959 wurde die „Gesellschaft für Freundschaft mit den Ländern LateinAmerikas“ gegründet 19).

Auch in der Volksrepublik China wurden wichtige Freundschaftsgesellschaften erst im Jahre 1960 geschaffen. Die „Gesellschaft für Chinesisch-Latein-Amerikanische Freundschaft“ besteht seit dem 16. März 1960, und die „Gesellschaft für Chinesisch-Afrikanische Freundschaft" wurde am 12. April 1960 aus der Taufe gehoben. Wohl hatten einige dieser Gesellschaften schon Vorläufer, dennoch setzte die neue Aktivität auf diesem Gebiet erst — wie obige Daten zeigen — in den Jahren 1958/1959 ein.

Ein Blick auf die Personen der Leitung dieser Gesellschaften, auf die wir hier nicht eingehen können, sowohl im Ostblock wie in den Entwicklungsländern, zeigt, daß die Leitungs-Gremien meist aus Leuten bestehen, die auch in anderen Organisationen für Entwicklungsfragen tätig sind (Personalunion!) — Solidaritätskomitee, Friedensbewegung, Orient-und Afrika-Institute etc.

Da der gegenseitige Delegationsaustausch und Einladungen zum Besuch der sowjetischen Freundschaftsgesellschaften zu den Aufgaben dieser Organisationen gehören, ist es so den Sowjets möglich, auf afro-asiatischen Tagungen breiter zu operieren. Menschen aus Afrika oder Asien, die den Sowjetvertretern auf solchen Tagungen nützlich erscheinen, aber auch solche, die oppositionell auftreten, werden von den Sowjetdelegierten, die auch die Freundschaftsgesellschaft repräsentieren, in die UdSSR eingeladen. So verteilten die Sowjets z. B. auf der pan-afrikanischen Konferenz in Tunis im Jahre 1960, auf welcher sie nicht ganz zum Zuge kamen, 80 solcher Freundschaftseinladungskarten in die Sowjetunion.

Ein Beispiel für die Zusammensetzung der Leitung solcher Gesellschaften sei angeführt. Die Zeitschrift Kultur-Arbeit berichtet: „Als die Gründung der . Sowjetischen Assoziation für Freundschaft und kulturelle Zusammenarbeit mit den Ländern Latein-Amerikas'unter Leitung des in Argentinien bekannten russischen Komponisten und Dirigenten Aram Chatschatu-rian erfolgte, traten als weitere . Initiatoren'hinzu: der Filmregisseur Grigori Alexandrow und der Kameramann Eduard Tisse, die s. Zt. mit Eisenstein den Film , Es lebe Mexiko'gedreht hatten; ferner der Direktor des Instituts für Pflanzenzucht, Pjotr Shukowski, der an wissenschaftlichen Expeditionen in Südamerika teilgenommen hatte, der in Argentinien bekannte Direktor des Instituts für Chirurgie der Akademie der Medizinischen Wissenschaften der UdSSR, Alexander Wischnowski, die Ballerina des Bolschoi-Theaters, Marina Kondratjewa, der Geiger Igor Besrodny, die Filmschauspielerin Isolda Iswizkaja und Vertreter von Jugendorganisationen.“ 20)

Neben der Pflege des Austausches von Delegationen beschäftigen sich diese Gesellschaften mit der Organisierung von Ausstellungen im Ausland, Betreuung von Touristen, Herausgabe von Propaganda-Material, Veranstaltung von Tagungen, z. B. „Sowjetisch-arabische Freundschaft", Filmveranstaltungen usw.

Wie weit das Arbeitsgebiet der Gesellschaften gespannt ist, zeigt der Verband der sowjetischen Gesellschaften, der zu den in Moskau akkreditierten diplomatischen Vertretern aus den Entwicklungsländern Beziehungen unterhält und diese zu Veranstaltungen einlädt. Er verfügt in Moskau über das „Haus der Völkerfreundschaft." Diesem Verband sind Sektionen für Theater, Musik, Architektur, Orientalistik, Literatur, Wirtschaft etc. angegliedert 21).

In der SBZ wurde am 10. Oktober 1958 die „Deutsch-Arabische-Gesellschaft“ gegründet. Über die Aufgaben dieser Gesellschaft wird gesagt: „Sie will die Verbindungen zu den verschiedenen Kreisen des kulturellen, politischen und öffentlichen Lebens in den arabischen Ländern herstellen, Ausstellungen, Filmveranstaltungen, Vorträge durchführen, Delegationen aus den arabischen Ländern zum Besuch der DDR einladen und auch arabischen Bürgern, die sich in der DDR aufhalten, behilflich sein, sich mit speziellen Problemen unseres Staates vertraut zu machen. Ihre praktische Arbeit verwirklicht die Gesellschaft in Zusammenarbeit mit allen Organisationen, Institutionen und Persönlichkeiten der DDR, die Beziehungen zu den arabischen Ländern pflegen ...

Die Gesellschaft gibt die Monatszeitschrift , Al Madschalla' (in arabischer Sprache, d. V.) heraus, die in Wort und Bild über das Leben und den Aufbau in der Deutschen Demokratischen Republik berichtet."

In diesem Zusammenhang sei erwähnt, daß das Ministerium für Information und Tourismus der Republik Guinea jetzt beim Akademie-Verlag der SBZ die „Recherches Africaines — Etudes guineennes", die vom „Institut National de Recherches et de Documentation de la Republique Guinee" redigiert werden, in französischer Sprache herausgibt.

111. Institute, Universitäten und Hochschulen

Wissenschaftliche Institute

Sowjetunion:

Von den Instituten, denen die Aufgabe der Erforschung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Probleme der Entwicklungsländer zur Aufgabe gestellt ist, seien nur genannt: das „Institut für Orientalistik“ der UdSSR, das nach dem XX. Moskauer Parteitag reaktiviert wurde; das „Afrika-Institut“ der UdSSR, gegründet Ende 1959 das „Institut für südawrikani-sche Angelegenheiten beim ZK der KP Chinas“ und die „Abteilung für Afrikanistik ant Orientalischen Institut der Leipziger Universität“. Alle diese Institute arbeiten nach den Direktiven der Partei. Der Charakter ihrer Arbeit läßt sich schon aus der Tagesordnung des ersten Kongresses der Sowjetorientalisten in Taschkent erkennen, des ersten Orientalisten-Kongresses, der nach 40-jährigem Bestehen der Sowjetunion in der Zeit vom 26. August bis 4. September 1957 stattfand. Auf dem Kongreß wurden folgende Themen behandelt: 1. Der Zerfall des Kolonialsy August bis 4. September 1957 stattfand. Auf dem Kongreß wurden folgende Themen behandelt: 1. Der Zerfall des Kolonialsystems, 2.der Stand und die Aufgaben der sowjetischen Orientalistik im Lichte des XX. Parteitages der KPdSU, 3. die internationale Bedeutung des Sieges der Volksrevolution in China und 4. die internationale Bedeutung der Bandung-Konferenz. Ein anderes Beispiel für den Inhalt der Forschungsarbeiten dieser Institute erbrachte der jüngste XXV. Internationale Orientalisten-Kongreß in Moskau. In seinem Schlußwort auf diesem Kongreß führte der Direktor des sowjetischen „Instituts für Orientalistik“, B. G. Gafurow, aus: „Wir Sowjetorientalisten betrachten es als unsere Pflicht gegenüber der Wissenschaft und gegenüber unserem Gewissen, ohne Unterlaß den Völkern des Orients in ihrem Kampf um eine bessere Zukunft zu helfen. Wir sind überzeugt, daß unsere wissenschaftlichen Entdeckungen und Errungenschaften, unsere tief wissenschaftliche, mehrfach bestätigte Praxis der marxistisch-leninistischen Methodologie und die auf die fortschrittlichste wissenschaftliche Theorie begründete Erfahrung unseres Landes beim Aufbau einer neuen Gesellschaft den Völkern Asiens und Afrikas helfen wird, den besten und effektivsten Weg zum Fortschritt zu finden. Das ist unsere tiefste Überzeugung." 24)

Das „Institut für Orientalistik der UdSSR", das sich jetzt „Institut der Völker Asiens“ nennt, ist zweifellos das größte Institut dieser Art in der Welt. Es ist gleichzeitig Koordinierungsorgan für die Orientforschung anderer Institute, Akademien und Universitätsfakultäten der UdSSR. „Die sowjetische Orientalistik ver-fügt über Fachkräfte (Professoren, wissenschaftliche Assistenten, wissenschaftliche Mitarbeiter, Bibliothekare, Übersetzer, Lektoren usw.), deren Zahl auf 18 OOO bis 20 000 geschätzt wird.“ 25) Über die Tätigkeit des Instituts für Orientalistik berichtet eine sowjetische Quelle:

„Orientalistik wird heute nicht nur von den Instituten für Orientalistik und China-Kunde bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und an den Universitäten in Moskau und Leningrad betrieben, sondern auch von den Instituten für Orientalistik bei der Akademie für Wis-senschaften der SSR Usbekistan und Aserbeidshan, von den Orientalistik-Abteilungen der republikanischen Akademien Grusiens, Kasachstans, Tadshikistans, Armeniens und an den Universitätszentren aller Republiken des sowjeti-schen Ostens. Bedeutend wuchsen die Orientalistik-Thematika an den humanitären Instituten der Akademie der Wissenschaften der UdSSR, an den Instituten für Geschichte, für Philosophie, für internationale Literatur und für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen. Auf neuer Grundlage entwickelt sich die Afrikanistik. Außer den zwei Zeitschriften, . Problemy wostokowedenija'(. Probleme der Orientalistik') und . Sowremennij wostok'(. Der gegenwärtige Orient'), erscheinen eine bedeutende Zahl periodischer Veröffentlichungen, die . Kurz-Mitteilungen'des Instituts für Orientalistik der Akademie der Wissenschaften der UdSSR und verschiedene . Wissenschaftliche Aufzeichnungen in Moskau und in den Republiken. Es ist kennzeichnend, daß allein der Spezial-, Verlag für Orientliteratur'jeden 2. -3. Tag eine Orientalisten-Arbeit herausbringt. Der Siebenjahres-Arbeitsplan des Instituts für Orientalistik bei der Akademie der Wissenschaften der UdSSR sieht eine weitere Entwicklung der sowjetischen Orientalistik vor." 26)

Der oben erwähnte Siebenjahres-Arbeitsplan der Sowjet-Orientalisten für die Jahre 1959 bis 1965 liegt uns vor. Aus ihm ist zu entnehmen, daß fast kein Entwicklungsland für die Untersuchung seiner Geschichte, wirtschaftlichen, sozialen und politischen Verhältnisse vergessen ist. Allein 50 Wissenschaftler leiten nach diesem Arbeitsplan verschiedene Forschungs-Teams. In der Zeit vom Januar 1958 bis September 1959 sind von Instituten und Einrichtungen der UdSSR, ohne Veröffentlichungen des Instituts für Orientalistik und anderer Stellen, die sich mit Orientalistik und Afrikanistik befassen, insgesamt 650 Beiträge (ohne Zeitungsartikel) über Probleme der Entwicklungsländer (China nicht eingerechnet) in der UdSSR veröffentlicht worden

Die Gründung eines sowjetischen „Afrika-Instituts“ erfolgte Ende 1959. Es wurde dabei bemängelt, daß die Entwicklung der sowjetischen Afrikanistik durch das Fehlen eines leitenden Zentrums gehemmt wurde Auch diese Bemerkung bestätigt nur unsere Behauptung, daß die sowjetische Tätigkeit auf dem Gebiete der Entwicklungsländer erst in jüngster Zeit intensiviert wurde.

Zu den Aufgaben dieses Afrika-Instituts heißt es: „Als vordringlichste Aufgabe des Instituts wurde das Studium der gegenwärtigen politischen und wirtschaftlichen Probleme anerkannt: die politische und wirtschaftliche Lage der afrikanischen Kolonien unter den Bedingungen des Zerfalls des Kolonialsystems des Imperialismus und der nationale Befreiungskampf der Völker Afrikas; die Entwicklung der Länder Afrikas, die das Kolonialjoch abwarfen und den Weg einer unabhängigen Entwicklung beschritten, den Weg des Aufbaus einer National-Wirtschäft und einer nationalen Kultur.

Dem Institut wurde auch die Aufgabe des Studiums der Geschichte und Kultur der afrikanischen Völker gestellt. Auf dem Gebiete der Geschichte des Mittelalters soll eine besondere Aufmerksamkeit dem Studium der Geschichte jener Staaten gewidmet werden, deren Bezeichnung auf der politischen Karte erneut in Erscheinung tritt (Ghana, Mali u. a.).“

V R China:

Das „Institut für latein-amerikanische Angelegenheiten beim ZK der KP Chinas“ ist nicht nur eine Forschungsstätte, sondern hat auch den Charakter einer Kominform-Leitung für LateinAmerika. In der Frage der Taktik in LateinAmerika bestehen offensichtlich zwischen Moskau und Peking keine Meinungsverschiedenheiten. Sowjettheoretiker konzipierten: Die Länder Latein-Amerikas hätten ihre politische Unabhängigkeit im wesentlichen bereits in der ersten Hälfte des XIX. Jahrhunderts erlangt, und die kapitalistische Entwicklung sei deshalb hier viel weiter fortgeschritten als in Asien und Afrika; die bürgerlichen Kräfte in den latein-amerikanischen Ländern seien gespalten, in den Teil der „nationalen Bourgeoisie“ und der „KomprodorenBourgeoisie"; — aber die nationale Bourgeoisie hätte ihre nationalrevolutionäre Kraft längst verbraucht und nur die Arbeiterklasse unter Führung der KP, die in allen 20 latein-amerikanischen Staaten existiere, könne daher die führende Rolle im nationalen Befreiungskampf spielen

So schreibt der sowjetische Spezialist für Latein-Amerika, W. G. Spirin: „Deshalb ist es voll verständlich, daß die nationale Bourgeoisie nicht der Führer der Völker Latein-Amerikas im Kampf um die nationale Unabhängigkeit, der fähig ist, diesen Kampf bis zum Siege zu führen, sein kann. Ein solcher Führer, der in der Lage ist, den Befreiungskampf zu führen, kann nur die Arbeiterklasse sein."

In Latein-Amerika soll deshalb die Mao-Strategie, das sogenannte Vierklassenbündnis der Arbeiter, Bauern, Mittelschichten und der nationalen Bourgeoisie unter Führung der Kommunistischen Partei angewandt werden.

So ist es kein Zufall, daß das „Institut für latein-amerikanische Angelegenheiten beim ZK der KP Chinas“ in China gleichzeitg eine Mao-Schule zur Ausbildung von Partei-und Gewerkschaftsfunktionären für Latein-Amerika unterhält. In den Jahren 1959/1960 veranstaltete das Institut allein drei latein-amerikanische Gipfelkonferenzen, an denen die Generalsekretäre der wichtigsten kommunistischen Parteien LateinAmerikas und die Führer der KP Chinas mit Mao Tse-tung an der Spitze teilnahmen.

SBZ:

Die Abteilung für Afrikanistik am Orientalischen Institut der Universität Leipzig wurde in ein selbständiges Afrika-Institut verwandelt. Bis zum Jahre 1965 sollen an diesem Institut 20 Historiker, . 24 Volkswirtschaftler, 10 Juristen, 4 Kunsthistoriker und 2 Philosophen wirken, um SBZ-Fachkräfte für den „Auswärtigen Dienst" in Afrika heranzuschulen.

Aus dem aufgrund der Fluchtbewegung bestehenden Mangel an Afrika-Spezialisten machte man bisher in der SBZ eine Tugend. Um ihn zu beheben, wurden zur Mitarbeit mehrere Afrikaner herangezogen. So sind bereits in der Abteilung für Afrikanistik in Leipzig bisher tätig die Herren.

Modilim Achufusi aus Nigeria, Habib Jenhani aus Tunis, Sid Achmed Nugdalla aus dem Sudan, Maiyereu Kolagbodi aus Nigeria u. a., die jetzt in Leipzig resp. Berlin wohnhaft sind. Kennzeichnend für die Methode ist die Gewinnung des Herrn Modilim Achufusi. Er wurde vor Jahren von einem Gewerkschaftsfunktionär der Zone in Nigeria „entdeckt“ und zum Studium an der Philosophischen Fakultät nach Leipzig geholt. Hier promovierte er mit einer Dissertation über „Die Zerstörung des Sokoto-Reiches durch die europäischen Kolonialmächte" und erwarb den Doktorgrad.

Heute zählt er zu den Afrikanisten der Zone. Auf der Arbeitstagung über neuere und neueste Geschichte Afrikas am 17. /18. April 1959 in Leipzig hielt er eines der Hauptreferate. Im Auftrage der Abteilung für Afrikanistik nahm er an der Afrika-Konferenz in London teil, ebenso an der Tagung der afrikanischen Intelligenz im März/April 1959 in Rom.

Die Völkerfreundschafts-Universität

Ein Vorgang, der in der Bundesrepublik bisher nicht genügend gewertet wurde, verdient besondere Beachtung. Am 1. Oktober 1960 eröffnete in Moskau am Donskoi Projesd Nr. 7 eine Hochschule für Studenten aus den Entwicklungsländern ihre Pforten. Sie trägt den Namen „Völkerfreundsdtafts-Universität“. Gründer und Leiter dieser Universität sind zum Teil jene Organisationen, die schon oben besprochen wurden: das „Sowjetische Solidaritätskomitee der Völker Asiens und Afrikas“, der „Verband der sowjetischen Gesellschaften für Freundschaft und kulturelle Verbindungen mit dem Ausland", das „Komitee der Jugendorganisationen der UdSSR", der „Zentralrat der Gewerkschaften“ und das Ministerium für Hoch-und Ober-schulbildung der UdSSR.

Auch hier zeigt sich, daß die Entwicklungsarbeit der verschiedenen sowjetischen Organisationen straff koordiniert ist.

Rektor der „Völkerfreundschafts-Universität wurde der Doktor der technischen Wissenschaften, Professor Sergej Wassiljewitsch Rum-janzew. »Professor S. W. Rumjanzew war mehrere Jahre Inhaber eines Lehrstuhls und Direktor eines Instituts. Von 1955 bis 1959 war er Minister für Hochschulbildung der UdSSR und in letzter Zeit Minister für Hoch-und Oberschulbildung der UdSSR."

Ende März 1960 wurde aus den Vertretern der obengenannten Gründerorganisationen bei der Völkerfreundschafts-Universität ein Universitätsrat gebildet, dem auch die Prorektoren und Dekane der Fakultäten der Uni und vom Lehrkörper und von den Studenten zu wählende Vertreter angehören. In den für das Studienjahr 1960 erlassenen Aufnahmerichtlinien heißt es: „Die Aufnahme in die Völkerfreundschafts-Universität erfolgt für die Fakultäten:

Ingenieure (für die Fachgebiete: Bau und Inbetriebnahme von Maschinen und Mechanismen); Bauwesen;

Erforschung, Gewinnung und Verwertung von Bodenschätzen;

Landwirtschaft (für die Fachgebiete: Agronomik und Zootechnik);

Medizin (für die Fachgebiete: Heilkunde und Pharmazeutik);

Physik-Mathematik und Naturwissenschaften (für die Fachgebiete: Mathematik, Physik, Chemie und Biologie);

Geschichte-Philologie (für die Fachgebiete: Geschichte, Literatur und russische Sprache);

Wirtschaft und Recht (für die Fachgebiete: Wirtschaft, Planung der Volkswirtschaft und internationales Recht).

In die Universität werden, unabhängig von Rasse, Nationalität und Glaubensbekenntnis, männliche und weibliche Personen im Alter bis zu 3 5 Jahren ausgenommen.

Die Studienzeit an der medizinischen Fakultät der Universität beträgt 5 Jahre, an den übrigen Fakultäten 4 Jahre.

Aufnahmeanträge von Bürgern der Länder Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas können direkt oder über die Botschaften und Konsulate der UdSSR im Ausland an die Universität gerichtet werden.

Die Aufnahme für das Studienjahr 1960 der Völkerfreundschafts-Universität erfolgt durch den Universitätsrat nach Prüfung des Wissens des Bewerbers, der eine höhere Schulbildung des entsprechenden Landes haben muß.

Personen, die nicht die erforderliche Vorbildung haben, können in eine Vorbereitungsfakultät der Universität zur Erlangung der höheren Allgemeinbildung für eine Zeit von 1 bis 3 Jahren ausgenommen werden.

In die Vorbereitungsfakultät der Universität werden auch Personen ausgenommen, die zwar eine höhere Schulbildung haben, aber die russische Sprache nicht beherrschen. Ihre Vorbereitungszeit beträgt ein Jahr.

Aufnahmeanträge werden von der Völkerfreundschafts-Universität bis zum 31. Juli 1960 einschließlich angenommen.

Die Aufnahmeanträge sind an den Rektor der Universität mit folgenden Anfügungen zu richten: 1. Lebenslauf mit zwei Paßbildern, 2. Unterlagen über die Vorbildung und 3. Attest über den Gesundheitszustand.

Zur Prüfung der Aufnahmeanträge ist beim Rektor der Universität und unter seinem Vorsitz eine Aufnahmekommission geschaffen worden, der die Prorektoren für die Studienarbeit, die Dekane der Fakultäten und die Professoren angehören.

Die Aufnahmekommission prüft die Anträge und die Kandidaten und macht ihre Empfehlungen an den Universitätsrat.

Die Prüfung des Wissens der Bewerber kann unmittelbar mit Hilfe der Universitäten und anderer Hoch-und Oberschulen der entsprechenden Länder oder an der Völkerfreundschafts-Universität direkt erfolgen.

Der Aufnahme-oder Abiehnungsbescheid des Universitätsrates ist endgültig. Dem Antragsteller wird eine entsprechende Mitteilung von der Universität zugeleitet.

Die Aufnahme an der Universität erfolgt zum 1. September 1960. Das Studium beginnt am 1. Oktober 1960. Es ist kostenlos Die Universität gewährt allen Studierenden Stipendien, unentgeltliche ärztliche Betreuung und freie Gemeinschaftswohnung (ohne Familie). Sie über-nimmt alle Ausgaben für die Reise der Studenten nach Moskau und für die Rüdereise.“

Zum 1. Oktober 1960 sollten 500 Studenten aus den Ländern Asiens, Afrikas und LateinAmerikas in die Völkerfreundschafts-Universität ausgenommen werden. „In den folgenden Jahren soll die Gesamtzahl der Universitäts-Studenten auf 3 bis 4 000 erhöht werden."

Ob es dabei bleibt, ist sehr fraglich, denn am 1. August 1960 wurde bereits festgestellt: „Um die 500 freien Studienplätze bewarben sich ca. 25 000 Kandidaten aus den Ländern Asiens, /Afrikas und Latein-Amerikas."

Bis Anfang September 1960 gingen bei der „Völkerfreundschafts-Universität" schon mehr als 3 5 000 Schreiben und Anträge aus 70 Ländern ein

Am 17. November 1960 teilte der Direktor der Universität, S. Rumjanzew mit, daß sich um die 500 Plätze nunmehr insgesamt 43 500 Bewerber beworben hättenAnstelle von 500 sind 650 Studenten im Jahre 1960 in die Universität ausgenommen worden. Allerdings waren davon bis Anfang November 1960 nur rund 300 Studenten in Moskau eingetroffen 500 Bewerber beworben hätten 37). Anstelle von 500 sind 650 Studenten im Jahre 1960 in die Universität ausgenommen worden. Allerdings waren davon bis Anfang November 1960 nur rund 300 Studenten in Moskau eingetroffen .

Rumjanzew beklagt sich: „Bedauerliche Schwierigkeiten ergeben sich für die Arbeit der Universität aus dem seltsamen Verhalten einzelner Regierungsorgane einiger Länder zu ihr. So wurden z. B. nach der Überprüfung von 465 Anträgen, die aus Birma eingingen, 19 Bewerbern Einladungen nach Moskau zugesandt. Von 208 Nepalesen die Anträge einreichten, luden wir ebenfalls 8 zur Universität ein. Die Behörden Birmas und Nepals jedoch hinderten die Kandidaten zur Völkerfreundschafts-Universität zu kommen ... Von 376 Kongolesen, die einen Antrag stellten, luden wir 20 nach Moskau ein. Jedoch kein einziger konnte auch nur die Einladung beantworten.“

Die Studenten stammen aus 65 Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas, darunter 145 aus den Ländern Südost-Asiens und des Fernen Ostens, 130 aus Latein-Amerika, 5 aus dem Nahen-und Mittleren Osten und 190 aus Afrika. Dazu kommt eine Neuigkeit: An der Völkerfreundschafts-Universität werden auch 60 Studenten aus den mittelasiatischen Sowjetrepubliken studieren

Allen Bewerbern, die keine Aufnahme in die Universität fanden, ging ein Schreiben des Universitätsrates zu. Man will auch weiterhin — wie verlautbart wurde — mit den zunächst abgelehnten Kandidaten in Verbindung bleiben. Das ist auch sicherlich kein kompliziertes Problem, denn man erfährt, daß bei der Auswahl und Verabschiedung von Kandidaten in den einzelnen Entwicklungsländern die Solidaritätskomitees und Freundschaftsgesellschaften, deren sowjetische Sektion Träger und Organisator der Universität ist, mitwirken. „Die . Gesellschaft für indisch-sowjetische Freundschaft in Neu Delhi mußte hunderte von Schreiben und Anträgen von Personen, die zum Studium nach Moskau reisen wollten, durchsehen. Allein bei der Abteilung der . Gesellschaft für indisch-sowjetische Kulturbeziehungen’ in Baroda gingen 300 Anträge ein."

Einige Unterlagen weisen heute schon darauf hin, daß mit einem vorzeitigen Ausbau der Völkerfreundschafts-Universität über die vorgesehene Kapazität hinaus zu rechnen ist.

Die Zeitschrift der Sowjetorientalisten berichtet: „Seit Beginn des ersten Unterrichts sind die Studenten in Gruppen von je 4— 5 Personen aufgegliedert. Jede Gruppe wird einen besonderen Raum haben, der mit einer Magnetophon-anlage ausgerüstet ist. Dem ist hinzuzufügen, daß das Katheder für russische Sprache eines der größten der Welt sein wird: heute arbeiten hier schon mehr als 120 Lehrkräfte. Der Unterricht in russischer Sprache wird unter Berücksichtigung des künftigen Fachgebietes der Studenten durchgeführt .. . Schon jetzt können hier 2000 Studenten gleichzeitig unterrichtet werden."

Am 5. November 1960 wurde mitgeteilt, daß bereits 160 Lehrkräfte — bei vorgesehenen 650 Studenten! — an der Universität tätig sind, in Kürze soll ihre Zahl auf 210 erhöht werden .

Die Annahme, daß mit der Errichtung der Völkerfreundschafts-Universität das Studium für Studenten aus den Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas in der UdSSR nunmehr zentral und konzentriert nur an dieser neuen Hochschule erfolgen soll, bestätigt sich nicht. Auch die bisher geübte Praxis, bei der sich die UdSSR aufgrund von abgeschlossenen Kulturabkommen zur Ausbildung von Nachwuchskräften an verschiedenen sowjetischen Universitäten und Hochschulen verpflichtete, bleibt weiterhin bestehen. Das wird auch durch die von der UdSSR mit Indien (am 12. Februar 1960), mit Indonesien (am 28. Februar 1960), mit Afghanistan (am 4. März 1960), mit Kuba (am 19. Juli 1960) und mit Ghana (am 25. August 1960) vereinbarten Kulturabkommen bewiesen. Auch in dem mit dem Irak am 20. April 1960 festgelegten „Plan über die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und dem Irak im Jahre 1960“ ist die Ausbildung einer erhöhten Zahl irakischer Studenten an den Hochschulen der UdSSR (außerhalb der Völkerfreundschafts-Universität) vorgesehen.

Während aber die Studenten, die aufgrund eines Kulturabkommens in der UdSSR studieren, von ihrer Regierung resp, den dazu berufenen Stellen des Entwicklungslandes ausgewählt werden, liegt die Auswahl der Studenten für die Völkerfreundschafts-Universität einzig und allein in sowjetischen Händen unter Einschaltung der Organisationen, die unter sowjetischem Einfluß stehen (Solidaritätsbewegung, Freundschaftsgesellschaften). Dadurch schufen sich die Sowjets bei der Auswahl und Heranbildung von Nachwuchskräften, d. h. einer neuen Intelligenz in den Entwicklungsländern, neue Einwirkungsmöglichkeiten. Ihre erwähnten theoretischen Gesichtspunkte, daß die sozialen Umgestaltungen in diesen Ländern noch bevorstehen, mögen dabei eine wichtige Rolle gespielt haben.

Auch die Gründung der Völkerfreundschafts-Universität in Moskau steht also im Zeichen der Aktivierung der Entwicklungsarbeit des Ost-Blckes.

Weitere Hochschulen des Ostblocks

Aber auch andere Ostblock-Länder unterhalten ähnliche Hochschulen wie die Völkerfreundschafts-Universität. Hier sei zunächst das „Institut für Ausländerstudium" der Universität Leipzig erwähnt, das seit dem Jahre 1956 besteht. Dieses Institut, an welchem rund 450 Studenten vornehmlich aus den Ländern Afrikas immatrikuliert sein sollen (die Gesamtzahl der ausländischen Studenten an den Hochschulen der SBZ soll rund 2000 betragen), ist eine Vorbereitungsanstalt. Auf diesem politischen Quarantäne-Institut werden die Studenten ideologisch und sprachlich in Neun-Monatskursen auf ihr Fachstudium an anderen SBZ-Lehranstalten vorbereitet: „Am Leipziger-Institut für Ausländerstudium bereiten sich zur Zeit Studenten und Aspiranten aus 16 Ländern Afrikas auf das Fachstudium vor, andere studieren bereits an den Fach-Fakultäten. 1959 beendeten Sportlehrer aus der VAR ihre Ausbildung an der Deutschen Hochschule für Körperkultur."

Im Jahre 1958 begann auch das erste Semester am „Institut für Wirtschafts-Studien" in der Wocelowastraße in Prag. Hier sollen rund 200 Studenten aus den Ländern Asiens und Afrikas studieren. Die Studienzeit beträgt drei Jahre. Die Studenten dieses Instituts, die politisch, ideologisch und fachlich ihre Prüfung mit gut bestehen, werden zur Absolvierung der höchsten Laufbahn von Prag zur Fortsetzung des Studiums nach Moskau entsandt.

In der VR China sollen in jüngster Zeit 2 Afrika-Schulen neben der lateinamerikanischen Parteihochschule und eine Schule für Studenten aus Latein-Amerika eingerichtet worden sein. Über diese Schulen liegen aber ebenso wie von der afro-asiatischen Spezialschule in Bulgarien und der Hochschule für afro-asiatische Erdöl-Spezialisten in Rumänien keine LInterlagen vor.

Auch die verschiedenen Organisationen des Ostblocks, „Weltgewerkschaftsbund“, „Internationaler Studentenbund", „Weltbund der De-mokratischen Jugend“ u. a. beschäftigen sich mit der Ausbildung von Nachwuchskräften aus den Entwicklungsländern, wobei die Regierungen der jungen Nationalstaaten auf die Auswahl der Studierenden keinen Einfluß haben.

Die „Gewerkschaftsschule des WGB“ in Budapest zur Ausbildung von Gewerkschaftsfunktionären aus Asien und Afrika ist mehr oder weniger bekannt. In den Jahren 1953 bis 1955 erhielten hier schon 140 Gewerkschaftsfunktionäre aus den Entwicklungsländern eine Ausbildung. Am 26. September 1959 wurde auf der Budapester Gewerkschaftshochschule ein kurzfristiger Lehrgang für 38 führende Gewerkschaftsfunktionäre aus 11 afrikanischen Ländern beendet.

In der SBZ wurden bisher laufend 50 Gewerkschaftsfunktionäre vornehmlich für Afrika in der „FDGB-Hodisdiule Fritz Heckert“ am Bogensee bei Bernau geschult. Auch der FDGB will die Ausbildung afrikanischer Gewerkschaftsfunktionäre intensivieren. Deshalb wurde am 22. September 1960 in Leipzig das „Ausländer-Institut des FDGB“ eingeweiht Über dieses Ausländer-Institut heißt es: „Im Leipziger Institut beispielsweise begann am 1. September v. J. ein Lehrgang von achtmonatiger Dauer für Gewerkschaftsfunktionäre aus fast allen afrikanischen Staaten. Nach den Plänen der kommunistischen Funktionäre soll das Institut bis 1963 über 300 Plätze verfügen. Die Seminare, von Propagandisten, Wissenschaftlern und Praktikern des FDGB geleitet, werden in englischer und französischer Sprache abgehalten.“

Im Rahmen eines Programmes zur Aktivierung der Arbeit unter der afrikanischen Jugend beschloß die kommunistische FDJ der Zone am 11. Mai 1960 folgende Maßnahme:

Zur Ausbildung von Studenten aus Afrika will die FDJ im Jahre 1960 dem „Internationalen Studentenbund“ 40 und dem „Weltbund der Demokratischen Jugend“ 15 Stipendienplätze zur Verfügung stellen. Direkt sollen außerdem noch 25 Stipendien zum Studium in der SBZ von der FDJ an afrikanische Jugendorganisationen vergeben werden. Auch an der „Jugend-hodtsdiule der FDJ — Wilhelm Pieck" soll zur Ausbildung afrikanischer Jugendleiter eine Afrika-Klasse im Jahre 1960 eröffnet werden

IV. Die kulturelle und wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit

Im Westen wie im Osten, in den USA sowohl wie auch in der UdSSR setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß Ingenieure, Techniker und Facharbeiter in den Ländern Asiens und Afrikas das Gelingen der Entwicklungspläne und das Schicksal der jungen Nationalstaaten selbst entscheidend bestimmen.

Die von uns angeführten Universitäten und Hochschulen des Ostblocks, auf welchen Fachkräfte für die Entwicklungsländer ausgebildet werden, sind nur ein Teil des Schulungsprogramms. Die Ausbildung hochqualifizierter Fachkräfte für die Entwicklungsländer, von Wissenschaftlern, Ingenieuren und Technikern ist audi in den Kulturabkommen der Ostblockländer mit den einzelnen Ländern Asiens und Afrikas vereinbart. Man schätzt, daß gegenwärtig an den Universitäten und Hochschulen der UdSSR, einschließlich der Völkerfreundschaftsuniversität, etwa 7000— 8000 Studenten aus den Ländern Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas studieren.

Aber diese Zahl charakterisiert nur das Ausbildungsprogramm für eine Elite. Gerade in jüngster Zeit entwickelt der Ostblock, insbesondere die UdSSR, neue Formen und Metho-den, durch welche zehntausende von Menschen aus den Entwicklungsländern erfaßt und geschult werden sollen.

Mittels der technischen Hilfe, d. h. im Rahmen von Abkommen über die wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit, Kreditabkommen und Abkommen über die Errichtung kompletter Werke in den Entwicklungsländern werden: a) Schulen und Ausbildungsstätten bei den zu errichtenden Werken in den jungen Nationalstaaten errichtet; b) Fachkräfte aus den Entwicklungsländern auf dem Wege der Absolvierung einer Produktionspraxis in den Industriewerken der UdSSR und einzelner Ostblockländer herangebildet; c) Technische Hochschulen und technologische Institute von der UdSSR in den Ländern Asiens und Afrikas — teilweise als Geschenk — gegründet; d) soll nach den neuesten Plänen auch der Export von Maschinen und Ausrüstungen durch die UdSSR in die Entwicklungsländer dem Zwecke der Stärkung des sowjetischen Einflusses und der Ausbildung von Fachkräften dienen.

Kulturabkommen

Abgesehen . von Albanien, der SBZ, NordVietnam und der Mongolei ist es allen übrigen Ostblockländern in den letzten Jahren gelungen, Kulturabkommen mit den Ländern Asiens und Afrikas in erhöhter Zahl zu vereinbaren, sogar Nordkorea schloß mit der VAR und mit dem Irak solche Abkommen ab.

Der allgemeine Inhalt dieser Kulturabkommen ist wohl mehr oder weniger bekannt. Hierfür deshalb nur ein Beispiel: Im Kommunique zum „Abkommen über die kulturelle und technische Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und der Indischen Union“ vom 12. Februar 1960 heißt es: „Am 12. Februar 1960 fand in Neu-Delhi die Unterzeichnung eines Abkommens über die kulturelle und technische Zusammenarbeit zwischen der UdSSR und Indien statt. Das Abkommen sieht die weitere Festigung der sowjetisch-indischen Zusammenarbeit auf dem Gebiete der Bildung, Kunst, Wissenschaft und Technik vor. Beide Seiten drücken den Wunsch aus, zum gegenseitigen Kulturaustausch beizutragen und die Entwicklung der Beziehungen zwischen den Erziehungs-, wissenschaftlichen-, Sport-und Forschungseinrichtungen beider Länder zu fördern. Insbesondere ist die Durchführung gegenseitiger Besuchsreisen von Wissenschaftlern, Bildungsfachleuten und Künstlern, die gegenseitige Einladung von Professoren und Dozenten zum Lesen von Lektionen, die Durchführung gemeinsamer Forschungsarbeiten und die Förderung des Touristenaustausches vorgesehen.

Die Seiten vereinbarten auch, die Übersetzung von Literaturerzeugnissen beider Länder zu fördern, Bücher und Periodika über Bildungs-, Kultur-, wissenschaftliche und technische Fragen auszutauschen, Kunst-, Bildungs-, wissenschaftliche und technische Ausstellungen durchzuführen, Filme aufzuführen und auch Radio-und Fernsehprogramme auf dem Gebiete der Bildung, Kultur, Wissenschaft und Technik auszutauschen.

Es wird eine gemischt sowjetisch-indische Kommission geschaffen, die beauftragt ist, für die reguläre Erfüllung des Programms zu sorgen, die auch den Regierungen Empfehlungen über die konkrete Form der Durchführung des Abkommens zu geben hat.

Die Kommission wird abwechselnd in Moskau und Neu-Delhi zusammentreten.“

Uns interessieren in erster Linie die Abmachungen über die Ausbildung von Nachwuchskräften für die Entwicklungsländer im Rahmen solcher Kulturabkommen.

Dafür zwei Beispiele:

Am 28. Februar 1960 wurde in Bogor ein indonesisch-sowjetisches Kulturabkommen vereinbart. Artikel IV dieses Abkommens besagt: „Die vertragschließenden Parteien werden nach ihren Möglichkeiten und Bedürfnissen Bürgern der anderen Partei, die von ihren Regierungen benannt werden (im Gegensatz zu den Studenten an der Völkerfreundschafts-Universität, die von ihren Regierungen nicht ausgewählt werden! d. V.), das Recht zum Studium an den wissenschaftlichen, technischen und industriellen Anstalten, die in jedem der Länder bestehen, gewähren. Beide Parteien vereinbarten, daß indonesischen Schülern, die eine abgeschlossene Ober-schulbildung in Indonesien erhielten, die ihnen aufgrund der entsprechenden Zeugnisse das Recht des Eintritts in eine Staats-Universität Indonesiens gibt, erlaubt wird, in Übereinstimmung mit den geltenden Gesetzen und Verordnungen der UdSSR in eine Hochschule der Sowjetunion einzutreten. Sowjetischen Schülern, die das Recht des Eintritts in eine Hochschule ihres Landes besitzen, wird gestattet, entsprechend den geltenden indonesischen Gesetzen und Verordnungen, auf einer Universität in Indonesien zu studieren."

Wie solche Abkommen realisiert werden, zeigt das andere Beispiel, Irak, mit dem die UdSSR am 5. Mai 1959 ein Kulturabkommen vereinbarte. Zur Realisierung dieses Abkommens wird berichtet: „Gegenwärtig (1959!) studieren an den Hochschulen Moskaus und unserer anderen Städte mehr als 3 50 irakische Studenten und Aspiranten . ..

Im Ergebnis v irakische Studenten und Aspiranten . ..

Im Ergebnis von Verhandlungen, die in einer Atmosphäre gegenseitigen Verständnisses und der Freundschaft verliefen, wurde am 20. April 1960 im . Staatskomitee für kulturelle Beziehungen mit dem Ausland beim Ministerrat der UdSSR'in Moskau ein , Plan über die kulturelle und wissenschaftliche Zusammenarbeit zwi-sehen der UdSSR und dem Irak im Jahre 1960'unterzeichnet. Darin ist eine weitere Ausdehnung des Austausches von Wissenschaftlern, Dozenten, Studenten, Schauspielern, Sportlern und Touristen, wie auch von Filmen, Büchern, Radio-und Fernsehprogrammen etc. vorgesehen. Insbesondere werden die sowjetischen Hochschulen im Studienjahr 1960/61 noch zusätzlich 400 Studenten, Aspiranten und Dozenten aus der Republik Irak aufnehmen. An die Abteilungen für Philologie der Lehranstalten des Irak werden 10 sowjetische Studenten und Aspiranten entsandt. Drei Lehrer der russischen Sprache reisen nach Bagdad zur Tätigkeit am Sprachinstitut. In die UdSSR kommen Lehrer der arabischen Sprache.“ 49)

Am 26. Januar 1961 wurde zwischen der UdSSR und dem Irak ein neuer Jahresplan zum Kulturabkommen vom 5. Mai 1959 vereinbart 50). In diesem neuen Jahresplan für 1961 ist vorgesehen, daß der Irak weitere 470 Studenten und Aspiranten zum Studium in die UdSSR entsendet.

Es wurden also aus dem Irak zum Studium in die Sowjetunion entsandt: 1959 = 350 Studenten und Aspiranten, 1960 = 400 und 1961 sollen noch weitere 470 irakische Studenten in die Hochschulen der UdSSR eintreten.

Ausbildung bei zu errichtenden Werken und Produktionspraxis in Sowjet-Unternehmen

Nach dem Stand von Ende des Jahres 1960 hat sich die UdSSR zum Bau von „mehr als 300 kompletten Industriewerken in 14 Entwicklungsländern“ verpflichtet Andere Ostblockländer wollen in diesen Ländern insgesamt 60 komplette Werke errichten. In der Mehrzahl stehen diese Werke allerdings noch auf dem Projektionspapier.

Doch ist in den Abkommen über die Errichtung dieser Werke in den meisten Fällen auch die Schulung von Ingenieuren, Technikern und Facharbeitern vorgesehen.

Die Ausbildung soll mit Hilfe von Spezialisten des Ostblocks sowohl beim zu entrichtenden Werk selbst, wie auch in einem analogen Werk eines Blocklandes erfolgen.

Zweck der Übung: Einer großen Anzahl von Menschen aus den Entwicklungsländern wird eine Produktionsausbildung ermöglicht, aber gleichzeitig werden Ingenieure, Techniker und Facharbeiter aus den Entwicklungsländern auf die sowjetische Technik orientiert, an die Verwendung sowjetischer Ausrüstung gewöhnt, mit sowjetischen Maßeinheiten und technischen Normen vertraut gemacht und so deren Eindringen in die Partnerländer beschleunigt.

Das Hüttenwerk Bhilai in Indien, das nahezu fertiggestellt ist, kann als Beispiel angeführt werden. Es wird auch in der sowjetischen Wirtschaftshilfepropaganda herausgestellt.

Schon vor Baubeginn errichteten die Sowjets für dieses Werk das sogenannte „Technologische Institut Bhilai“. Im März 1956 begannen hier sowjetische Ingenieure 4 500 ungelernte und angelernte indische Arbeiter auszubilden. Die Ausbildung dauerte 2 bis 9 Monate. 300 indische Facharbeiter wurden ein Jahr lang von sowjetischen Kräften in Bhilai für ihre spätere Tätigkeit im Hüttenwerk geschult. Außerdem erhielten 500 indische Ingenieure und Techniker durch Sowjetexperten an Ort und Stelle in Bhilai eine Spezialausbildung „Jetzt sind in Bhilai die ersten leistungsfähigen staatlichen Montageorganisationen für elektrotechnische und technologische Ausrüstung, wie auch für die Hütten-Konstruktionen und für feuerfeste Mauerung geschaffen. In diesen Organisationen arbeiten 18 000 qualifizierte (indische) Monteure, die eine gute Schule für Montagearbeiten im Hüttenwerk absolvierten."

Anzumerken ist, daß der Bau des Werkes Bhilai am 2. Februar 1955 vereinbart, das sowjetische Bauprojekt von der indischen Regierung am 8. März 1955 genehmigt wurde. Zu dieser Zeit begannen schon die Schulungsarbeiten, während erst Ende 1956 die ersten Ausrüstungen für Bhilai aus der UdSSR nach Indien verschifft wurden.

Nach dem Abkommen über den Bau des Hüttenwerkes Bhilai hatte sich die UdSSR auch verpflichtet, 686 indische Ingenieure und Techniker in analogen Werken der UdSSR auszubilden Die indischen Fachleute wurden zur Absolvierung einer Produktionspraxis in solche sowjetische Werke wie „Asowstahl“, „Uralmasch“, „Magnitogrosk“ u. a. entsandt. Zweck dieser Übung und der sowjetischen Bemühungen bei der Ausbildung indischer Fachkräfte und Arbeiter für das Werk Bhilai war: indische Fachkräfte sollten schon frühzeitig zur Verfügung stehen und im Werk in Erscheinung treten, um das Selbstbewußtsein der Inder zu heben. Beim indischen Volk und darüber hinaus für die Propaganda in Asien und Afrika wollte man den Eindruck hervorrufen, daß die Inder das Werk selbst erbauen, die Sowjets hingegen nur planen, beraten und die Ausrüstung liefern. So trat auch nicht zufällig recht bald ein Inder, Herr N. Schriwastawa, als Direktor des Hütten-werkes Bhilai in Erscheinung.

Schrieb die „Prawda“: „Der erste Hochofen wurde hauptsächlich von russischen Spezialisten erbaut . .. Den zweiten Hochofen bauten die Russen schon mit großer Beteiligung der Inder ... Der dritte Hochofen wird völlig von indischen Ingenieuren gebaut. Die Russen werden nur ihre Tätigkeit beaufsichtigen."

Selbstverständlich hatten die Sowjetspezialisten den Bau des Werkes von Anfang an fest in der Hand. Aber ihre Methode, die Inder als die Herren und Leiter des Werkes in den Vordergrund zu rücken, ist beachtenswert. Es ist zu bemerken, daß die Sowjets dabei weniger auf ihre Erfahrungen in der SBZ in den Jahren nach 1945 zurückgreifen konnten: die Methoden, sich zurückzuhalten, wurden ihnen vielmehr in den Jahren nach 1950 in der Volksrepublik China beigebracht!

Ein Blick in die Sowjetpresse verrät aber, daß die indischen Fachleute nicht nur die sowjetische Technik meistern lernten, sondern sich auch Übung in der Propagierung des sowjetischen Wirtschaftshilfe-Beispiels aneigneten. Einige erlernten auch die russische Sprache.

In Afghanistan wurden „mehr als 250 afghanische Spezialisten“ beim Bau des Flußhafens Kysyl-Kala, der mit Sowjethilfe errichtet wird, von Sowjet-Spezialisten ausgebildet. „Hunderte afghanische Spezialisten werden auf anderen Bauten des Landes, die mit Hilfe der Sowjetunion ausgeführt werden, herangebildet. In Baku war eine Gruppe künftiger afghanischer Erdöl-fachleute, die eine Produktionspraxis in der Industrie Aserbaidshans absolvierten.“

Auch im zweiten Generalabkommen mit Indonesien vom 28. Februar 1960 ist vorgesehen: „Die sowjetischen Organisationen erklären sich bereit, Hilfe bei der Heranbildung indonesischer Spezialisten für die Arbeit in den Werken, die mit Hilfe der UdSSR erbaut werden, auf dem Wege ihrer Ausbildung an Ort und Stelle, wie auch in analogen Werken der UdSSR zu leisten.

Wir könnten noch 12 weitere Abkommen der UdSSR mit Entwicklungsländern anführen, in welchen eine Ausbildung von Fachleuten nach dem Vorbild von Bhilai vorgesehen ist. Jedoch steht in den meisten Fällen die Realisierung dieser Ausbildungsvorhaben noch bevor. Auch übrige Ostblockländer, vor allem die CSR und SBZ, wenden diese Form der Massenausbildung von Menschen aus den Entwicklungsländern, die diese technisch und auch ideologisch an den Ostblock binden soll, an.

Sowjet-Schulen in den Entwicklungsländern

Eine weitere Methode des Eindringens in die Entwicklungsländer, die ebenfalls erst seit dem Jahre 1955 praktiziert wird, ist die Errichtung von Schulen und Lehranstalten, vor allem durch die UdSSR, in den Ländern Asiens und Afrikas. Nach sowjetischem System, mit sowjetischen Lehrbüchern sollen in diesen Schulen, die mit sowjetischen Geräten und Apparaten ausgerüstet werden, ein weiterer Kreis von Menschen erfaßt und nach sowjetischen Lehrplänen geschult werden.

Das erste Beispiel dieser Art wurde wiederum in Indien exerziert. Das „Technologische Institut“ in der Nähe von Bombay war zunächst ein UNESCO-Projekt, das der UdSSR übertragen wurde. Die UdSSR bewilligte zunächst für dieses Institut als UNO-Beitrag 10 Millionen Rubel und sollte dafür die Ausrüstung für dieses Institut liefern und im Laufe von 5 Jahren 15 Sowjetprofessoren zur Betreuung der Instituts-Lehrstühle nach Bombay entsenden.

Im Dezember 1958 traf jedoch die UdSSR mit Indien ein zweiseitiges Abkommen über dieses Institut. Sie bewilligte weitere 3 Millionen Rubel für die kostenlose Lieferung von Ausrüstung für die Laboratorien für Physik, für Elektrotechnik, für Radiotechnik und Television. Kostenlos sollten auch Elektronengeräte für ein wissenschaftlich-technologisches Laboratorium geliefert, sowjetische Lehr-und Fachbücher in die englische Sprache übersetzt und die Zahl der Sowjet-Professoren am „Technologischen Institut“ erhöht werden. 1200 indische Studenten und Aspiranten erhalten in diesem „Technologischen Institut“ eine Ausbildung. Um auch für die späteren Jahre die Anwendung so-wjetischer Lehrmethoden und Verwendung sowjetischer Lehrpläne zu sichern, übernahm die UdSSR in einem Abkommen vom 12. Dezember 1958 die Ausbildung von 50 indischen Wissenschaftlern an Hochschulen der UdSSR, die nach der Beendigung ihres Studiums die Lehraufgaben im „Technologischen Institut" Bombay übernehmen sollen

Nach diesem Muster errichtete die UdSSR auch in Rangun (Birma) auf dem Wege eines Geschenks ein Technologisches Institut für 1000 Studenten und 100 Aspiranten. Laboratorien, Studentenwohnheime und Wohnhäuser für das Lehrpersonal wurden von der UdSSR erstellt.

Eine Technologische Fakultät stattet die UdSSR nach einem der jüngsten Abkommen in Ambon in Indonesien aus. Das „Polytechnische Institut Guineas“, das die UdSSR diesem Lande erbaut, ist für 1500 Studenten bestimmt. 1000 Studenten soll die „Technische Hodischule“, die die Sowjets Äthiopien zusagten, aufnehmen. Mit der Errichtung von 15 Studienzentren hat die UdSSR in der VAR begonnen. „Mehrere tausend irakischer Jungen und Mädchen“ sollen später in den Studienzentren, die von den Sowjets im Irak errichtet werden, studieren.

Auch die Universitäten in Kabul und Damaskus wurden mit sowjetischer Ausrüstung ausgestattet.

Sowjetischerseits ist man also bemüht, ständig neue Formen und Methoden zur Durchdringung der Entwicklungsländer zu entwickeln und einen größeren Kreis von Menschen in diesen zu beeinflussen. Eine neue Rolle spielt dabei nunmehr auch der Ausrüstungs-Export.

Der Maschinen-Export als Mittel zur sowjetischen Massenschulung

In einer der letzten Nummern der sowjetischen Außenhandelszeitschrift machte man die Entdeckung, daß der Export von Maschinen und Ausrüstungen besonders günstige Eigenarten habe. Gemeint ist der Export im gewöhnlichen Außenhandel. Über die Lieferung kompletter Werkanlagen und den damit verbundenen Ausbildungsmaßnahmen sprachen wir bereits, sie fallen nicht unter das Kapitel der neuen Erkenntnisse.

Ein Sowjetverfasser schreibt: „Eine der Besonderheiten von Maschinen und Ausrüstung als Ware im Unterschied von Rohstoffen und Lebensmitteln ist, daß sie nach ihrem Verkauf noch lange Zeit bestehen bleiben, mehr noch, daß sie vom Käufer verwandt, in Betrieb genommen werden."

Nun meint der Verfasser keineswegs nur, daß die exportierten Maschinen und Ausrüstungen als propagandistisch auszuwertende Industrie-denkmäler erhalten bleiben, sondern will mit diesem Export neue Formen der Einflußnahme in den Entwicklungsländern schaffen.

Gedacht ist an folgende Maßnahmen: a) Jedes Werk der UdSSR, das Maschinen und Ausrüstungen für den Export herstellt, soll Gruppen von Spezialisten, die Fremdsprachen erlernen, zum Einsatz in den Entwicklungsländern heranbilden; b) Alle Außenhandelsorganisationender UdSSR, denen der Maschinen-und Ausrüstungsexport obliegt, wird zur Aufgabe gestellt, in jedem Entwicklungslande ein Agentenfirmen-Netz aufzuziehen. Diese Agenten-Firmen sind private Vermittler-Firmen (im sowjetischen Sprachgebrauch Kompradoren), die auf vertraglicher Basis von den Außenhandelsvereinigungen der UdSSR in den Entwicklungsländern angeworben werden und sich mit dem Verkauf wie auch mit der Marktforschung für den sowjetischen Auftraggeber zu befassen haben. Unter sowjetischer Anleitung sollen diese Agenten-Firmen selbst Spezialisten zur Ausbildung in die UdSSR schicken und am Orte ihres Sitzes Schulungskurse für Fachkräfte aus den Entwicklungsländern organisiere auf weldte die Werke der UdSSR ihre Spezialisten als Lehrer entsenden. Über das bisherige Agenten-Firmen-Netz wird berichtet: „In den letzten Jahren erweitreten die Maschinen-Technischen Vereinigungen der UdSSR bedeutend den Ring der Agenten-Firmen und aktivierten die Arbeit mit ihnen. Gegenwärtig benutzen sie die Dienste von mehr als 140 Agentenfirmen in 23 Entwicklungsländern. In der Mehrzahl der Fälle spezialisieren sich solche Firmen auf den Handel mit bestimmten Maschinen-und Ausrüstungsarten und kennen sehr gut den örtlichen Markt und die Formen und Methoden des Handels mit diesen Waren. Auftretend als Vermittler der Unionsvereinigungen für den Verkauf sowjetischer Maschinen und Ausrüstungen, organisieren diese Firmen gleichzeitig an Ort und Stelle die ordnungsgemäße Wartung und Versorgung mit Ersatzteilen für die durch sie verkauften Maschinen und Ausrüstungen."

Für die Wartung der Maschinen und Ausrüstung und für die Versorgung mit Ersatzteilen will man mit Hilfe der Agenten-Firmen neue Sowjetstützpunkte in den Entwicklungsländern schaffen: „Reparatur-TechnischeBasen“, das sind Reparaturwerkstätten, „Stationen des Technischen Dienstes" und Ersatzteillager. „Um den Agentenfirmen und Käufern unmittelbare Hilfe bei der Organisierung der technischen Wartung und der Reparatur von Maschinen und Ausrüstung an Ort und Stelle zu erweisen, wie auch zur Ausbildung der örtlichen Kader, entsenden die Lieferwerke (der UdSSR) ihre Spezialisten.“ (Hervorhebung d. V.).

Zur Schulung nationaler Fachkräfte mit Hilfe der Agentenfirmen ist geplant: „Was die Ausbildung der nationalen Fachkräfte betrifft, so vird diese sowohl im Ausland wie auch in der UdSSR erfolgen. Im ersten Fall erfolgt die Ausbildung durch sowjetische Spezialisten auf besonderen Kursen, die von den Agentenfirmen oder von den Käufern, die sowjetische Ausrüstung in Betrieb nehmen, direkt organisiert werden; im zweiten Falle in sowjetischen Werken, die jene Maschinenarten, die in das Ausland geliefert werden, herstellen. Zur Ausbildung der Spezialisten der Agentenfirmen oder der Käufer, die in die UdSSR kommen, werden die erforderlichen Bedingungen geschaffen.“

Schon heute wird dieses neue Schulungssystem angewandt. Dafür die ersten Beispiele: Die Unionsvereinigung „Awtoexport" der UdSSR, die sich mit dem Absatz von Traktoren beschäftigt, warb vertraglich die ägyptische Agentenfirma „Saad el-Agisi" an. Es wurde vereinbart, daß diese Agentenfirma in allen wichtigen landwirtschaftlichen Zentren Ägyptens Unter-agenten anstellt, was inzwischen geschehen ist. Mit Hilfe von Sowjetspezialisten werden jetzt durch die Unteragenturen ägyptische Traktoristen ausgebildet. An der landwirtschaftlichen Fakultät der Kairoer Universität richtete die Agentenfirma „Saad el-Agisi“ ein Lehrzentrum ein, auf welchem sowjetische Spezialisten Lektionen abhalten.

Die Autowerke Uljanowsk und Gorki entsandten in Verbindung mit einer sowjetischen Autolieferung nach Indonesien 8 Spezialisten in das Land, die 150 indonesische Fachkräfte auszubilden hatten.

Die sowjetische Unionsvereinigung „Awtoexport“ schlug indischen Firmen vor, „um Devisen zu sparen" nach Indien keine Traktoren auszuführen, sondern nur Traktorenteile und im Lande selbst mit sowjetischer Hilfe Montage-Betriebe einzurichten.

Auch diese Beispiele signalisieren die neue Aktivität, die — wie gesagt — an Rubelzahlen nicht zu messen ist.

V. Schlußbetrachtung

Zum Abschluß sollen noch einige oft gestellte Fragen beantwortet werden: Welche menschlichen Ressourcen stehen dem Ostblock zum Einsatz in den Entwicklungsländern zur Verfügung? Auf welche Erfahrungen kann er bei der Arbeit in den Ländern Asiens und Afrikas zurückgreifen? Und wie ist das System der Wirtschaftshilfetätigkeit aufgebaut?

Bei Beantwortung dieser Fragen müssen wir von der Sowjetunion sprechen, denn die Tschechoslowakei, Polen, China und die SBZ bemühen sich noch in gesteigertem Maße, die inneren Voraussetzungen für die Entwicklungstätigkeit zu schaffen.

Uber das Reservoir von Ingenieuren, Technikern und Wissenschaftlern, aus dem die UdSSR bei der Auswahl von Spezialisten für die Entwicklungsländer schöpfen kann, berichtet die Statistische Zentralverwaltung der UdSSR: „Die Hochschulen der UdSSR entließen im verflossenen Jahr (1959, d. V.) mehr als 330 000 junge Spezialisten und die höheren Fachschulen rund 530 000. Insgesamt wurden in diesem Jahr mehr als 860 000 junge Spezialisten aus den Hochschulen entlassen, darunter 106 000 Ingenieure (für das Jahr 1960 laut Plan 119 000 Ingenieure, d. V.) und 260 000 Techniker für die Industrie, für das Bau-, Transport-und Verbindungswesen, 125 000 Spezialisten für die Landwirtschaft, rund 200 000 Pädagogen und mehr als 100 000 Mediziner.

Die Zahl der Wissenschaftler erhöhte sich im Vergleich zum Jahre 1958 und betrug 310 000, darunter befanden sich mehr als 104 000 Doktoren und Kandidaten der Wissenschaften. Die Zahl der Wissenschaftler auf den Gebieten der Technik, der Physik-Mathematik und chemischen Wissenschaften erhöhte sich um 14 Prozent.“

Allerdings muß betont werden, daß bis zum XX. Parteitag der KPdSU (1956) die besondere sprachliche und psychologische Vorbildung von Ingenieuren und Technikern für die Arbeit in den Entwicklungsländern in der Sowjetunion vernachlässigt worden war, was auch in der Kritik von Mikojan zum Ausdruck kam. Erst in den letzten Jahren wurden in der LIdSSR, insbesondere in den mittelasiatischen Republiken, einige Einrichtungen zur Vorbereitung von Spezialisten für die Tätigkeit in den Ländern des Entwicklungsraumes geschaffen. Eine zentrale Lenkung und Kontrolle der im Ausland tätigen Sowjetspezialisten erfolgt durch Unionsvereinigungen wie „Technopromexport“, eine Organisation für technische Hilfe. Daß sich auch das ZK der KPdSU mit dem Einsatz und der Kontrolle der Sowjetspezialisten im Entwicklungsraum befaßt (Sekretariat Muchitdinow beim Präsidium des ZK und Kaderabteilung des ZK), ist bekannt.

Es darf aber nicht unterschätzt werden: die Sowjetunion verfügt heute über einen Staww von einigen zehntausend Entwiddungspeziali-sten, die zum Teil schon in den mittelasiatischen Sowjetrepubliken, später in den Ostblockländern, tätig waren und nun auch in den Entwicklungsländern eingesetzt werden. Die geschätzte Zahl von 30 000 sowjetischen Spezialisten mit Entwicklungserfahrungen ist, weil keine Unterlagen vorliegen, nicht zu überprüfen.

Allein in China waren in den 10 Jahren von 1950 bis 1959 10 800 Sowjetspezialisten auf dem Gebiete der Wirtschaft, der Kultur und der Erziehung tätig. Der übrige Ostblock entsandte im gleichen Zeitraum insgesamt 1500 Spezialisten in die Chinesische Volksrepublik

Wenn die Presse berichtet, daß die VR China die Sowjetspezialisten nach Hause geschickt hätte, so ist dem hinzuzufügen: der große Boom der Entsendung von Sowjetspezialisten in die Länder des Ostblocks ist überhaupt vorüber. Mit Ausnahme der Mongolei zeigt sich hier eine rückläufige Tendenz. Die freiwerdenden Sowjetspezialisten stehen für die Entwicklungsländer zur Verfügung.

An welche Erfahrungen können die Sowjets anknüpfen? Das oben angeführte Beispiel des Hüttenwerkes in Bhilai zeigt, daß die Sowjets in der Schulung von Werkmeistern und Arbeitern an Ort und Stelle auf die eigenen Erfahrungen bei der Industrialisierung ihres Landes zurückgreifen. Damals, in den Jahren des ersten sowjetischen Fünfjahresplanes, als der Industrie-aufbau in der UdSSR begann, kamen tausende russische Bauern, die im Umgang mit modernen Industriewerkzeugen keine Erfahrung hatten, in die neuen Werke. Ihre Schulung in täglichen Kursen und Ausbildungsstätten beim neuen Werk erfolgte in ähnlicher Weise, wie die heutige Heranbildung von Arbeitskräften im indischen Bhilai-Werk. Diese Ausbildung war und ist heute bei den von den Sowjets zu erbauenden Werken in den Entwicklungsländern zwar sehr einseitig und elementar, bringt aber die ersten Kenntnisse zur Tätigkeit im modernen Großbetrieb.

Bei der Industrialisierung der mittelasiatischen Sowjetrepubliken spielten die Russen lange Jahre die leitende Rolle und sammelten hier, wie auch später in den Ostblockländern, wertvolle Erfahrungen. Erst seit wenigen Jahren hat die technische Intelligenz der mittelasiatischen Sowjetrepubliken den ihr gebührenden Platz in der Industrie ihrer Länder einnehmen können. Seit dieser Zeit treten nun auch Ingenieure, Techniker und Funktionäre Usbekistans, Turkmenistans, Kirgisiens, Kasachstans und Tadshikistans als Vertreter der Sowjetunion in den Entwicklungsländern immer stärker in Erscheinung.

Die sowjetische Wirtschaftshilfetätigkeit in den Entwicklungsländern ist streng zentralisiert. Ihr führendes und zentrales Organ ist das „Staatskotnitee für Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland beim Ministerrat der UdSSR“, das besondere Abteilungen für die Entwicklungsländer unterhält. Chef dieses Staatskomitees ist Semen Andrejewitsch Skatschkow, ein Maschinenbau-spezialist und Ingenieurtechnologe.

Das Staatskomitee für Wirtschaftsbeziehungen mit dem Ausland schließt die Hilfsabkommen oder Abkommen über wirtschaftliche und technische Zusammenarbeit — wie sie im sowjetischen Sprachgebrauch heißen — mit den Entwicklungsländern ab. Es prüft alle Bauvorhaben in den jungen Nationalstaaten und entscheidet über sie, bearbeitet Vorschläge für die Kreditbewilligung und legt die Pläne für den Einsatz von Spezialisten fest. Das Komitee hat die Verantwortung für alle Bauten und Vorhaben der UdSSR im Ausland und übt eine koordinierende und kontrollierende Funktion gegenüber den verschiedenen sowjetischen Stellen und Außenhandelsorganisationen aus, die in die Ausrüstungslieferungen etc. eingeschaltet sind.

Das Staatskomitee beeinflußt die gesamte Entwicklungstätigkeit des übrigen Ostblocks, direkt oder indirekt, weil es auch die Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern des Ostblocks kontrolliert und enge Beziehungen zum „Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe" („COMECON") unterhält, dessen Zentrale ebenfalls in Moskau ihren Sitz hat.

Zwei der Hilfsorganisationen zur Abwicklung der Entwicklungshilfe müssen hier noch genannt werden: Die Unionsvereinigung „Technoexport“ und die Unionsvereinigung „Tedtnoprow-export“, die eng miteinander zusammenarbeiten und sicherlich nicht zufällig beide in einem Hause, in der Bolschoi Kosichinskij 32 in Moskau (Tel.: D. 0— 96— 15 und D. 0— 97—47), ihre Büros haben. „Technoexport" ist für die Ausrüstungslieferungen zuständig. Über „Technopromexport“ wird berichtet: „Die Unionsvereinigung . Technopromexport'ist eine Organisation für technische Hilfe. Sie bewerkstelligt: Arbeiten zur Ermittlung von Ausgangsdaten für die Projektierung von Betrieben und Bauten, geologischen Schürfungen, Luft-aufnahmen und Forschungsarbeiten: Projektionsarbeiten für die im Auslande zu errichtenden Betriebe und Anlagen; Beaufsichtigung von Bau-und Montagearbeiten zwecks Gewährleistung ihrer Übereinstimmung mit den Projektionszeichnungen und Unterlagen; Ausrüstungsmontageleitung und Inbetriebsetzung von industriellen und anderen Anlagen; die Ausbildung nationaler Fachkräfte (für die Industrie und andere Unternehmen) sowohl in der UdSSR wie auch im Ausland.“ Über einen erfahrenen Stamm von Entwicklungsspezialisten und die straffe Zentralisierung der Wirtschaftshilfe hinaus hat sich die UdSSR noch andere Voraussetzungen für eine erhöhte Wirtschaftsaktivität in den Entwicklungsländern geschaffen.

Es wäre heute möglich, eine Liste von einigen hundert Industriewerken der UdSSR aufzuführen, die auf den Bau von Ausrüstungen und" Anlagen für die in den Entwicklungsländern zu erstellenden Werke spezialisiert sind. Es sind im wesentlichen jene Werke, die einst mit der Fabrikation von Werkanlagen für die Ostblockländer begannen. Eine solche Spezialisierung bringt natürlich viele Vorteile, vor allem aber eine schnellere Dispositionsmöglichkeit und größere Ausnutzung von Erfahrungen.

Wenn in der Sowjetpresse Berichte über die Lieferung von Ausschußware und Ausrüstungen minderer Qualitäten innerhalb der Sowjetunion auch noch heute anzutreffen sind, so ist doch diese Erscheinung bei Lieferungen an die Entwicklungsländer fast ausgeschaltet. Im Zeichen der sowjetischen Herausforderung des Westens zum Wettbewerb kann sich die UdSSR nicht erlauben, Ausrüstungen und Anlagen in die Entwicklungsländer auszuführen, die nicht der vorgeschriebenen Qualität entsprechen. Deshalb wurde für alle Exporte in die Entwicklungsländer die Gütekontrolle eingeführt, die auch aufgrund der Spezialisierung von Industriewerken auf die Ausführungen von Entwicklungsaufträgen leichter auszuüben ist.

Politik und Zeitgeschichte

AUS DEM INHALT DERNÄCHSTEN BEILAGEN:

Oskar Anweiler: „Gesellschaftliche Probleme der sowjetischen Erziehung"

Walter Bußmann: „Der deutsche Reichs-und Nationsgedanke im 19. und 20. Jahrhundert"

Indira Gandhi: „Indien heute"

Harald v. Königswald: „Die Gewaltlosen"

Helmut Krausnick und Hermann Graml: „Der deutsche Widerstand und die Alliierten"

Hans Friedrich Reck: „Die indischen Parteien"

Karl C. Thalheim: „Die Wachstumsproblematik der Sowjetwirtschaft"

Josef Wulf: „Dr. Hans Frank"

Egmont Zechlin: „Friedensbestrebungen und Revolutionierungsversuche (IV. Teil)

Fussnoten

Fußnoten

  1. Unter dem Begriff „Entwicklungsländer" sind die Länder Asiens, Afrikas und Latein-Amerikas ohne die asiatischen Länder des Ostblocks erfaßt.

  2. Sowjetorientalist A. A. Gruber in „Meshdunarodnaja shisn“, Nr. 3/1959.

  3. 4 Rubel = 1 USA-Dollar - nach dem bis 31. XII. 1960 gültigen offiziellen Kurs.

  4. „Sowremennij wostok” Nr. 3/1959, S. 3.

  5. Nach indischen und amerikanischen Quellen ist Rameshwari Nehru keine Verwandte des Ministerpräsidenten, doch nach einem Bericht der deutschen Botschaft Neu-Delhi eine Kusine Nehrus. Im April 1961 wurde Rameshwari Nehru der „Leninfriedenspreis" 1960 zugesprochen, wobei sie in einem Teil der deutschen Presse zur »älteren Schwester Nehms” erhoben wurde.

  6. Archiv der Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn.

  7. „Internationale Wirtschaftsorganisationen* Moskau 1960, S. 888.

  8. „Sowremennij wostok“, Nr. 6/1960, S. 11 siehe auch: „Conference des Peuples Afro-Asiati ques“, Kairo 1959; G. Mirskij und L. S. Stepanow, „Uber die Perspektiven der wirtschaftlichen -u sammenarbeit der Länder Asiens und Afrikas , Moskau 1958 und Pressekonferenz des indonesischen Wiederaufbauministers Chaerul Saleh ® Bonn in „Indonesien", Bulletin der Botschaft de Republik Indonesien, Nr. VIII/7 — 8/1960.

  9. „Hsinhua“ vom 21. Juni 1960.

  10. Vom 10. bis 13. Oktober 1960 fand in Stalinabad die „Erste sowjetische Solidaritätskonferenz der Völker Asiens und Afrikas" statt. Das Ständige Kairoer Sekretariat war auf dieser Konferenz durch eine Delegation unter Führung von Frau Bahia Karam vertreten.

  11. „Jahrbuch 1959 der Großen Sowjet-Enzyklopädie", Moskau 1959, S. 18.

  12. Archiv B. Lewytzkyj, München.

  13. . Neues Deutschland“ vom 14. April 1960.

  14. I. I. Potechin, »Charakterzüge des Zerfalls des Kolonialsystems des Imperialismus“ in „Problemy wostokowedenija", Nr. 1/1960, S. 12— 29.

  15. „Jahrbuch 1959 der Großen Sowjet-Enzyklopädie* a. a. O. S. 11.

  16. „Geschichte und Geschichtsbild Afrikas", Berlin 1960, S. 227/228.

  17. „Problemy wostokowedenija", Nr. 6/1959, S. 221.

  18. . Problemy wostokowedenija', Nr. 4/1959, S. 3/4.

  19. Liste in „Problemy wostokowedenija“, Nr. 3/1960.

  20. . Problemy wostokowedenija', Nr. 6/1960, S. 221.

  21. Ebenda.

  22. . Latein-Amerika in der Vergangenheit und In der Gegenwart', Moskau 1960, S. 18— 20.

  23. Als offizieller Eröffnungstag gilt der 1. Oker 1960, die feierliche Eröffnung fand jedoch erst am 17. November 1960 statt.

  24. „Prawda“ vom 24. März 1960.

  25. „Prawda" vom 24. März 1960.

  26. „Prawda" vom 24. Februar 1960.

  27. „Sowjetskaja Rossija" vom 2. August 1960.

  28. „Sowremennij wostok", Nr. 9/1959, S. 59.

  29. „Polityka", Nr. 45 vom 5. November 1960.

  30. „Prawda" vom 17. November 1960.

  31. „Polityka”, Nr. 45 vom 5. November 1960.

  32. „Sowremennij wostok”, Nr. 9/1960, S. 59.

  33. Ebenda.

  34. „Sowremennij wostok”, Nr. 9/1960, S. 59.

  35. „Geschichte und Geschichtsbild Afrikas", a. a. O., S. 179.

  36. „ADN“ vom 22. September 1960

  37. „Der Arbeitgeber“ vom 5. März 1961.

  38. „Junge Welt“ vom 13. Mai 1960.

  39. „Iswestija" vom 13. Februar 1960.

  40. „Prawda" vom 1. März 1960.

  41. „Tass“ vom 26. Januar 1961.

  42. „Prawda" vom 4. November 1960.

  43. „Woprossi ekonomiki", Nr. 6/1957, S. 25.

  44. „Zur Frage der Hilfe an die Entwicklungsländer“, Moskau 1960, S. 73/74.

  45. „Indien. Wirtschaft und Außenhandel', Moskau 1959, S. 323.

  46. „Prawda* vom 24. Dezember 1959.

  47. „Zur Frage der Hilfe an die Entwicklungsländer“, a. a. O., S. 73/74.

  48. -Wadomosti Werchownogo Sowjeta“, Nr. 27/

  49. „Prawda“ vom 13. Dezember 1958.

  50. „Wneschnjaja torgowlja", Nr. 12/1960, S. 35.

  51. „Wneschnjaja torgowlja", Nr. 12/1960, S. 31.

  52. „Wneschnjaja torgowlja“, Nr. 12/1960, S. 36.

  53. Ebenda, S. 35.

  54. „Prawda" vom 22. Januar 1960

  55. Tschou En-lai, . Das große Jahrzehnt*, Peking 1959, S. 40/41.

  56. „Archiv B. Lewytzkyj, München*,

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