Die Komintern als einheitliche Weltpartei mit Befehlsgewalt gegenüber ihren Sektie--= den nationalen kommunistischen Parteien, gehört ebenso der Vergangenheit an wie die folgende Period der strengen Herrschaft Stalins über die „Bruderparteien", in der das Kominform nur ein Anhängsel der KPdSU mit der Aufgabe war, die Moskauer Linie in aller Welt bekannt zu machen.
Die Lage im internationalen Kommunismus von heute ist gekennzeichnet durch die Probleme der „führenden Rolle der KPdSU", der Gründung einer neuen Internationale, der biund multilateralen Konferenzen, des Verhältnisses zwischen der sowjetischen zur chinesischen Partei und der wahren Bedeutung der Beratungen vom November 1960.
Die führende Rolle der KPdSU und der Sowjetunion
Als Stalin auf dem Gipfel seiner Macht stand, war die Einstellung zur KPdSU und zur Sowjetunion der Prüfstein für den proletarischen Internationalismus genannt worden. Damit hatte Stalin die „führende Rolle“ der KPdSU als ein Dogma durchgesetzt, das dieser Partei die Befugnis verlieh, die nationalen kommunistischen Parteien zu leiten und zu kontrollieren. Noch zur Zeit des XX. Parteitages war die führende Rolle der KPdSU für Chruschtschow so selbstverständlich, daß er Linienänderungen, wie die Herabsetzung Stalins oder die Lehre von der Vermeidbarkeit von Kriegen verkündete, ohne die Bruderparteien zu konsultieren. Nadi dem XX. Parteitag übergingen sowjetische Stellen, insbesondere die Sowjetregierung in ihrer Erklärung vom 30. Oktober 1956 zunächst die Frage, ob die KPdSU die „führende Rolle“ noch einnehme. M. A. Suslow erklärte in seiner Rede zum 39. Jahrestag der Oktoberrevolution ledig-lich, einige Grundzüge der sowjetischen Revolution hätten internationale Bedeutung. Dagegen setzte — offensichtlich auf Kommando — gegen Ende November 1956 in den Satellitenparteien eine Kampagne ein, die dazu dienen sollte, das lädierte Ansehen der KPdSU wiederherzustellen und ihr die führende Rolle zu sichern, die sie nach wie vor beanspruchte. Im Bericht des Politbüros der sowjetzonalen SED an das 29. Plenum des Zentralkomitees dieser Partei (12. bis 14. 11. 1956), der erst am 28. November 1956 im Zuge dieser Kampagne veröffentlicht wurde, hieß es: . Wir anerkennen die führende Rolle der KPdSU unter allen kommunistischen und Arbeiterparteien“
Der französische Kommunist Raymond Guyot bezeichnete in seinem Bericht an das Zentralkomitee des PCF die Haltung zur Sowjetunion und zur KPdSU als eine Prinzipienfrage
Von dem Einfluß dieser widerstrebenden Kräfte zeugt die Erklärung, die im November 1957 von „Vertretern der kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder“ nach den Feiern zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution abgegeben worden ist
Das Problem der führenden Rolle der KPdSU und der Sowjetunion blieb auf der Tagesordnung der internationalen Veranstaltungen des Kommunismus, ein Anzeichen dafür, daß die Auffassungen nicht einhellig waren. Auf dem XXL Parteitag (Januar/Februar 1959) lehnte Chruschtschow mit folgenden Worten ab, für die KPdSU die führende Rolle im alten dogmatischen Sinne in Anspruch zu nehmen
„In den mehr als vierzig Jahren wurde ein großer und schwerer Weg des Kampfes und der Siege zurückgelegt und ein mächtiger Staat geschaffen, der das Bollwerk aller sozialistischen Länder und der kommunistischen Weltbewegung ist.
Für eine solche Anerkennung der historischen Rolle der Sowjetunion und der KPdSU danken wir den Bruderparteien aufrichtig.
Gleichzeitig muß betont werden, daß in der kommunistischen Bewegung wie auch im sozialistischen Lager die volle Gleichberechtigung und Selbständigkeit aller kommunistischen und Arbeiterparteien sowie der sozialistischen Länder bestanden haben und bestehen. In Wirklichkeit werden die anderen Parteien nicht von der Kommunistischen Partei der Sowjetunion und die anderen Länder nicht von der Sowjetunion geleitet.“
Und Gomulka erklärte, seine Partei stimme dieser Erklärung völlig zu.
Otto W. Kuusinen, Kominternveteran und heute Präsidiumsmitglied des ZK der KPdSU bekräftigte
„Unsere Partei erhebt keinen Anspruch auf die führende Rolle gegenüber den anderen kommunistischen und Arbeiterparteien.“
Tschou En-lai aber ging auf Chruschtschows Worte nicht weiter ein, sondern betonte — wie Mao im November 1957: „Die Festigung der Geschlossenheit der Länder des sozialistischen Lagers, das von der Sowjetunion geführt wird, und die Festigung der Einheit der Reihen der internationalen kommunistischen Bewegung, deren Zentrum die KPdSU ist, werden nach wie vor die heiligste Pflicht der Kommunisten aller Länder in ihrer internationalen Tätigkeit sein.“
In die Erklärung der Beratung der 81 Kommunistischen Parteien vom November 1960 ist — wieder auf Drängen der Chinesen — folgender Passus ausgenommen worden
Warum die chinesische Partei derart darauf drängte, daß die führende Stellung der KPdSU hervorgehoben werde, während sie seit dem Frühjahr 1960 die Politik dieser Partei schärfstens auch öffentlich angriff, bleibt unklar. Will Mao Chruschtschow die Führerrolle zuschieben, um ihm beim Scheitern der Koexistenzpolitik, das er kommen sehen mag, mit erhöhter Verantwortung belasten zu können?
Nationalkommunismus
Djilas hat als einer von wenigen in den kommunistisch regierten Staaten auszusprechen gewagt, der Kommunismus existiere nur als nationaler Kommunismus. Nach Djilas sind die Unterschiede zwischen kommunistischen Ländern in der Regel so groß wie das Ausmaß, in dem die Kommunisten in diesen Ländern unabhängig (d. h. ohne Unterstützung durch die Sowjetunion) zur Macht gelangt sind
Die Sowjetunion hat seit 1945 versucht, die osteuropäischen Staaten durch parteiliche, militärische, geheimdienstliche und wirtschaftliche Beziehungen an sich zu fesseln. Auf sowjetische Weisungen ist nach dem Abfall Jugoslawiens in den Volksdemokratien ein Vernichtungsfeldzug gegen alle potentiellen Gegner der sowjetischen Hegemonie geführt worden (Kostoff-, Rajk-, Slansky-Prozeß). Die Einstellung zur Sowjetunion wurde zum Prüfstein für den proletarischen Internationalismus erklärt. Wenn auch sowjetische Funktionäre wortreich die „edlen Prinzipien des proletarischen Internationalismus“ verkünden, so hat doch der sowjetische nationale Kommunismus seit 1925 die internationale kommunistische Bewegung und seit 1945 die osteuropäischen Völker mit einer Strenge beherrscht, die von keinem Imperialismus übertroffen wird.
Neue Formen der Zusammenarbeit -eine neue Internationale?
Nach den Ereignissen des Herbstes 1956 deuteten treue Moskau-Anhänger, indem sie die führende Rolle der Sowjetunion anerkannten, zugleich an, die Zusammenarbeit der Kommunistischen Parteien sei gegenwärtig unbefriedigend. So erklärte das Politbüro der sowjetzonalen SED in seinem Bericht an das 29. Plenum des Zentralkomitees, die gegenwärtige internationale Lage erfordere neue Formen des Zusammentreffens und Konsultierens
Im Novemberheft von Meshdunarod-naja shisn war schon erklärt worden, es sei dringend erforderlich, neue Formen der Verbindungen und Kontakte zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien herzustellen, die der veränderten historischen Situation entsprächen
In der Östereichischen Volks-stimme ist, gleichfalls am 28. November 1956, eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt, die Kommunistische Partei Österreichs habe bereits Schritte unternommen, um „die Schaffung eines internationalen Organs der kommunistischen Parteien“ zu erreichen, das die Aufgabe haben solle, über internationale Fragen zu beraten und Erfahrungen auszutauschen
Solche Meinungsverschiedenheiten zeigten sich kurz darauf, als es in der Resolution des , VIIL Parteitages der KP Italiens hieß, „während die Rückkehr zu einer zentralen Organisierung der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien abgelehnt“ werde, dürfte es nützlich sein, internationale Begegnungen zwischen Vertretern der Arbeiterklasse zu organisieren
Im Novemberheft von Meshdunarod-naja shisn war schon erklärt worden, es sei dringend erforderlich, neue Formen der Verbindungen und Kontakte zwischen den kommunistischen und Arbeiterparteien herzustellen, die der veränderten historischen Situation entsprächen 20).
In der Östereichischen Volks-stimme ist, gleichfalls am 28. November 1956, eine Erklärung veröffentlicht, in der es heißt, die Kommunistische Partei Österreichs habe bereits Schritte unternommen, um „die Schaffung eines internationalen Organs der kommunistischen Parteien“ zu erreichen, das die Aufgabe haben solle, über internationale Fragen zu beraten und Erfahrungen auszutauschen 21). Die KPÖ fügte hinzu, es gebe über die Durchführung dieses Planes bei den Bruder-parteien noch Meinungsverschiedenheiten.
Solche Meinungsverschiedenheiten zeigten sich kurz darauf, als es in der Resolution des , VIIL Parteitages der KP Italiens hieß, „während die Rückkehr zu einer zentralen Organisierung der Beziehungen zwischen den kommunistischen Parteien abgelehnt“ werde, dürfte es nützlich sein, internationale Begegnungen zwischen Vertretern der Arbeiterklasse zu organisieren 22). Gomulka hatte sich schon 1947 nur sehr widerstrebend an der Gründung des Kominform beteiligt 23). Seine inzwischen gemachten Erfahrungen haben ihn zweifellos dazu bewogen, den Gedanken von sich zu weisen, einer internationalen Organisation beizutreten. Das Schweigen der chinesischen Partei zu dieser Frage zeigte, daß sie damals derartigen Plänen nicht positiv gegenüberstand 24). Für einen engeren Zusammenschluß der kommunistischen Parteien setzte sich dagegen Raymond Guyot ein, der im Februar 1957 nach einem Besuch in Prag vor dem Zentralkomitee des PCF erklärte 25): „Die Auflösung der kommunistischen Internationale und des Informationsbüros kann zu keiner Zeit zur Minderung der internationalen Verpflichtung führen. Im Gegenteil, es kann sich nur um eine Verstärkung handeln . . .
Wir sind entschlossen, die gegenseitigen Beziehungen und Absprachen in größerem Maßstabe zu entwickeln. Jedoch sind wir uns darüber klar, daß das auf lange Sicht nicht genügen wird. Übrigens haben bereits mehrere Bruderparteien diese Frage angeschnitten.“
Die tschechische und rumänische Partei regten nachdrücklich an, eine internationale theoretisch-politische Zeitschrift herauszugeben 26).
Bemerkenswerte Hinweise gibt der Bericht, den der Generalsekretär der britischen Partei, John Gollan, dem außerordentlichen Parteitag im April 1957 vorgetragen hat. Gollan sagte 27):
„Keine kommunistische Partei schlägt jedoch die Bildung einer neuen zentralen oder sonstigen internationalen Organisation vor. Viele Genossen denken allerdings, wir könnten über zweiseitige Besprechungen hinaus Zusammenkünfte mehrerer kommunistischer Parteien herbeiführen. Wir machten diesen Vorschlag, den Togliatti auf dem italienischen Parteitag unterstützte. Die gleiche Ansicht vertraten auf der letzten Sitzung des französischen Zentralkomitees Guyot und bei unseren jüngsten Besprechungen auch die polnischen Genossen.“
Die deutschen und österreichischen Satelliten der KPdSU handeln erfahrungsgemäß in einer derart grundlegenden Frage nicht ohne Weisung aus Moskau. Die Versuchsballons, die sie gleichzeitig Ende November 1956 hatten steigen lassen, sind Anzeihen dafür, daß die leitenden Organe der KPdSU selbst den Gedanken erwogen haben, eine neue internationale Organisation im internationalen Kommunismus zu koordinieren. Gegenüber dem damaligen Nein so einflußreiher Parteien wie der polnishen, italienishen zu gründen, um die divergierenden Tendenzen und jugoslawishen konnte das Präsidium der KPdSU seinen Wunsh niht durhsetzen. Die Zeiten Stalins, der die Führer der kommunistishen Parteien nah Moskau befehlen und „veranlassen“ konnte, den sowjetischen Plänen zuzustimmen, sind vorüber.
Die Opposition dagegen, eine neue internationale Organisation zu gründen, ging überwiegend von solhen Kommunisten aus, die gegen Moskaus Willen an die Mäht gekommen waren oder sih in führender Position behauptet hatten. Für Gomulka und Tito ist das bereits eingehend dargelegt. Die Chinesen hatten ihr Land gleichfalls ohne nennenswerte sowje-tishe Unterstützung erobert.
Die sowjetishe Führung war sih auh nah dem XX. Parteitag offenbar niht im klaren, wie sih die Lage außerhalb der Sowjetunion verändert hatte 28). Sie hätte sonst auf den Versuh verzihtet, eine neue internationale Organisation ins Leben zu rufen. War es niht voraussehbar, daß Polen und Jugoslawien kaum geneigt sein würden, sih zu beteiligen? Weihe Position sollte die KPdSU nah den Vorstellungen ihres Präsidiums in einer derartigen Organisation einnehmen? Wollte man in Moskau sih niht eingestehen, daß die beherrshende Rolle, die die sowjetishe Partei in Komintern und Kominform eingenommen hatte, zu einem erheblihen Teil auf dem von Stalin ausgeübten Terror beruhte, der die Reihen des Weltkommunismus zusammengehalten hatte? Ist man aber in Moskau niht bereit oder hat man niht die Kraft, einen Terror gleihen Grades anzuwenden, so wird man auf die entsprehende beherrshende Stellung verzihten müssen.
Zu dem Problem der internationalen Zusammenarbeit sagt I. Pomelow im Kommunist 29):
„Was die Formen der Zusammenarbeit betrifft, so werden auh sie gefunden: es gibt beispielsweise zweiseitige Verbindungen sowie Begegnungen von Vertretern einiger Parteien."
Zweiseitige Verbindungen und Verhandlungen dürften für die KPdSU damals vorteilhafter gewesen sein als das Zusammentreffen mit zahl-reihen Parteien in einer zentralen Organisation. In einer solhen Organisation konnte die KPdSU nur ein zwar angesehener, aber doh niht mit Sonderrehten ausgestatteter Partner sein. Es hätten Situationen entstehen können, in denen die Mehrheit oder ein erheblicher Teil der Mitglieder der internationalen Organisation gegen die KPdSU aufgetreten wären. Eine vergleichbare Lage bestand, als nach den ungarischen Ereignissen der Weltfriedensrat, eine im internationalen Maßstab arbeitende, von den sowjetischen Kommunisten unterstützte Organisation, am 18. November 1956 in Helsinki zusammentrat. Bei den Besprechungen ergaben sich schwere Gegensätze unter den Delegierten, die in dem Kommunique des Weltfriedensrates folgenden Niederschlag fanden
Meinungsverschiedenheiten über das sowjetische Eingreifen in Ungarn entstanden auch in der kommunistisch beeinflußten „Internationalen Vereinigung Demokratischer Juristen.“
Demgegenüber wirken sich in zweiseitigen Besprechungen der KPdSU mit den „Bruderparteien" das Ansehen und die Macht der Sowjetunion sehr zu ihrem Vorteil aus. Selbst wenn keine Einigung erzielt wird, kann bei zweiseitigen Besprechungen das negative Ergebnis ohne weiteres geheimgehalten werden.
Aus der Not, keine internationale Organisation zustande zubringen, konnte die KPdSU insofern eine Tugend machen, als sie seit Herbst 1956 die Zusammenarbeit unter den kommu-nistischen Parteien durch zweiseitige Besprechungen intensiviert hat. „Die Praxis direkter Verbindungen, der Austausch von Delegationen sowie die persönlichen Kontakte zwischen den leitenden Funktionären der Partei sind in der letzten Zeit zu einer der anerkannten Formen des Verkehrs zwischen den kommunistischen Parteien geworden“
Am Ende der Krise, die auf die ungarischen Ereignisse folgte, beurteilten die sowjetischen Kommunisten die Lage optimistisch: „Trotz des Schlages von unerhörter Wucht, den die internationale Reaktion gegen die kommunistische Bewegung geführt hat“, hätten die bis zum Frühjahr 1957 veranstalteten Parteitage der kommunistischen Parteien Dänemarks, Norwegens, der USA, Österreichs, Belgiens und Großbritanniens sowie das Bekenntnis der kommunistischen Parteien von Italien, Frankreich und der SED zu Moskau gezeigt, daß „Die Einheit der kommunistischen Parteien“ nicht erschüttert sei
Die Vierzig) ahrfc'rr der Oktoberrevolution
In den Beratungen, die mit der Feier des 40. Jahrestages der Oktoberrevolution in Moskau verbunden waren, wurde die Situation des internationalen Bolschewismus erkennbar. Die Zustimmung aller Parteien konnte nur für ein farbloses „Friedensmanifest" erreicht werden
In der „Erklärung“ wurde deshalb so nachdrücklich gefordert, die Einheit und brüderliche Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien zu festigen, weil diese Einheit nach dem XX. Parteitag ernstlich bedroht gewesen war. Mao Tse-tung und Walter Ulbricht drängten darauf, auch die „führende Rolle“ der KPdSU ausdrücklich anzuerkennen, weil prominente Kommunisten sich strikt geweigert hatten, der sowjetischen Partei diese Position zuzugestehen. Der Revisionismus wurde als Hauptfeind erklärt,
In der „Erklärung“ wurde deshalb so nachdrücklich gefordert, die Einheit und brüderliche Zusammenarbeit der kommunistischen Parteien zu festigen, weil diese Einheit nach dem XX. Parteitag ernstlich bedroht gewesen war. Mao Tse-tung und Walter Ulbricht drängten darauf, auch die „führende Rolle“ der KPdSU ausdrücklich anzuerkennen, weil prominente Kommunisten sich strikt geweigert hatten, der sowjetischen Partei diese Position zuzugestehen. Der Revisionismus wurde als Hauptfeind erklärt, um den Unabhängigkeitstendenzen Jugoslawiens entgegentreten zu können. Nicht allen Teilnehmern der Moskauer Beratungen war dieser konkrete Hintergrund des beginnenden Kampfes gegen den Revisionismus klar. Zum Beispiel blieb eine Frage der dänischen Delegation unbeantwortet, warum man begonnen habe, gegen den Revisionismus zu argumentieren. Axel Larsen, damals Vorsitzender der Kommunistischen Partei Dänemarks, erklärte seinem Zentralkomitee am 18. Juli 1958, es sei nicht zutreffend, daß jede Partei in den Moskauer Beratungen von sich aus darauf hingewiesen habe, welche Gefahr (Dogmatismus oder Revisionismus) die größte sei 37).
Folgende Ergebnisse der Moskauer Beratungen sind für die internationale Lusammenarbeit der kommunistischen Parteien wesentlich:
Eine neue Internationale ist nicht gegründet worden 38). Auf absehbare Zeit werden nur “ Beratungen" (bilaterale oder umfassendere) stattfinden, auf denen aktuelle Probleme erörtert und Erfahrungen ausgetauscht werden sollen. Die zwölf Parteien haben sich über einige Grundregeln für diese Beratungen geeinigt: Innerpolitische Angelegenheiten der einzelnen Parteien dürfen bei zwischenparteilichen Beratungen nicht entschieden werden. Die Tagesordnung dieser Beratungen muß allen Teilnehmern vorher bekannt sein 39).
Ferner ist von einigen Teilnehmern der Beratungen vereinbart worden, eine internationale marxistisch-leninistische Zeitschrift herauszugeben 40).
In die Beziehungen der „sozialistischen" Länder haben die Unterzeichner die Erklärung vom 14. /16. November 1957 (neben Gleichberechtigung, Achtung von territorialer Integrität, Souveränität und Nichteinmischung) das Element der „brüderlichen gegenseitigen Hilfe“ eingeführt, das für die kommunistischen Parteien aus der Losung des Kommunistischen Manifestes („Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“) entwickelt worden war
Die „Erklärung“ ließ erkennen, daß die zwölf Parteien in wichtigen ideologischen und politischen Fragen übereinstimmten (Kampf gegen den „Revisionismus“, Annahme „brüderlicher gegenseitiger Hilfe“). In dem weit größeren Kreis von kommunistischen Parteien, die das „Friedensmanifest“ gebilligt haben, konnte in gewissen Grundfragen (Kampf gegen die „Kriegsblocks" (NATO) und gegen den „Atom-krieg“) eine gemeinsame Haltung proklamiert werden. Insofern haben die sowjetischen Kommunisten eine gewisse Einheitlichkeit erreicht.
Die Einheit des „Sozialistischen Lagers“ krankte jedoch daran, daß der Bund der Kommunisten Jugoslawiens nicht zu den Unterzeichnern der Erklärung der zwölf Parteien gehörte, daß in dieser Erklärung die „führende Rolle der KPdSU“ und der Sowjetunion nicht uneingeschränkt anerkannt war und daß die Gegner der Neugründung einer straff gegliederten internationalen Organisation sich durchgesetzt hatten
Diese Anhänger des Satzes, daß nicht sein kann, was nicht sein darf, wurden durch die Politik Jugoslawiens, des ersten kommunistischen Staates, der neben der Sowjetunion entstanden ist, ad absurdum geführt
Kampf dem jugoslawischen Revisionismus
Als „Revisionismus“ hatte Lenin schon frühzeitig jede „rechte“ Abweichung von der klassischen Lehre Marx'abgelehnt
Da sich jedoch die Kritik gegen den Widerruf der Lehren von der Diktatur des Proletariats und der führenden Rolle der Arbeiterklasse, gegen di« Abkehr von den Prinzipien des proletarischen Internationalismus und der Einheit des sozialistischen Lagers richtete, war zu erkennen, daß die Angriffe in erster Linie auf die jugoslawische Partei zielten. Hatte doch der Bund der Kommunisten Jugoslawiens seit dem Konflikt von 1948 konsequent abgelehnt, die führende Rolle der KPdSU und der Sowjetunion anzuerkennen. Jugoslawien hatte auch den Riß in der „Einheit des sozialistischen Lagers“ sichtbar werden lassen, als seine Vertreter die Erklärung der zwölf Parteien vom 14. /16. November 1957 nicht unterzeichneten. Der Entwurf eines Programms, den der Bund der Kommunisten Jugoslawiens Ende März 1958 vor seinem VII. Parteitag (22. bis 26. April 1958) veröffentlichte, führte zu Angriffen gegen die jugoslawische Partei selbst. Schon die Tatsache, daß die Jugoslawen ein Programm herausbrachten und sich als getreue Jünger Karl Marx'gebärdeten, mag in Moskau Ärgernis erregt haben, denn weder die KPdSU noch eine der osteuropäischen Parteien hatten in der Nachkriegszeit ein Programm aufgestellt
Die Verfasser haben damit — was heute auf bolschewistischer Seite selten in dieser Klarheit gesagt wird — zugestanden, daß die weltrevolutionäre Bewegung existiert und ein Zentrum hat. Indem sie die Erklärung der zwölf Parteien vom November 1957 im Sinne der sowjetischen Wünsche interpretierten, behaupteten die Autoren des “ K o m m u n i s t“, in ihr sei festgestellt, „daß das unbesiegbare Lager der sozialistischen Staaten von der Sowjetunion geführt“ werde.
Der Kritik am jugoslawischen Programm schlossen sich zahlreiche kommunistische Parteien an, unter ihnen auch die polnische mit einem maßvollen BeitragB
Jen Min Jih Pao fuhr fort:
„Wir halten die Kritik an den Fehlem der Kommunistischen Partei Jugoslawiens in Form der am 8. Juni 1948 angenommenen „Resolution des Informationsbüros über die Lage in der Kommunistischen Partei Jugoslawiens“ im wesentlichen für richtig, derzufolge die Kommunistische Partei Jugoslawiens von den Grundsätzen des Marxismus-Leninismus abgewichen und auf die Position des bürgerlichen Nationalismus übergewechselt ist."
Diese Wiederaufnahme des von Chruschtschow am 26. Mai 1955 in Belgrad desavouierten Sta-linschen Kurses wurde von der sowjetischen Führung gebilligt. Schon am Tage nach dem Erscheinen des chinesischen Artikels druckte ihn die P r a w d a ab
Bei Wiederaufnahme der Beziehungen zu Tito (26. Mai 1955) hatte Chruschtschow nicht zwischen der Kominformresolution von 1948 und „Fehlern“ unterschieden, die zwischen 1949 und 1955 gemacht worden seien. Seine damalige Erklärung, die sowjetische Führung bedaure aufrichtig, was geschehen sei, und räume entschlossen alles beiseite, was sich in dieser Periode aufgetürmt habe, hatte die Kominformresolution vom Jahre 1948 nicht ausgenommen
Die Widersprüche klären sich, wenn das Ziel der sowjetischen Politik gegenüber Jugoslawien analysiert wird. Seit Stalins Tod hat diese Politik bezweckt, Jugoslawien zur Rückkehr in den Block der kommunistischen Staaten zu bewegen. Dieser Absicht diente der Besuch in Belgrad vom Mai 1955, dienten die Erklärungen, die bei dieser Gelegenheit und auf dem XX.
Parteitag über die Zulassung des besonderen Weges zum Sozialismus abgegeben worden waren
Die sowjetische und chinesische Partei Hat auch Mao Tse-tung eine gewisse Unabhängigkeit erlangt? 1921 war er unter den Gründern der Kommunistischen Partei Chinas, und während deren Zusammenarbeit mit der Kuomintang gehörte er auch der Kuomintang an. 1926/27 organisierte er die Bauernaufstände in Hunan, auf die Stalin verwies, als er seine Chinapolitik verteidigen mußte (XV. Parteitag der KPdSU)
Diese Gleichstellung mit beliebigen anderen kommunistischen Führern überwand Mao durch seinen schnellen und vollständigen Sieg, der ihm die Herrschaft über ganz China einbrachte (November 1949). Schon im Dezember 1949 reiste Mao nach Moskau. Dort wurde ihm bei einer Feier von Stalins 70. Geburtstag der Platz an dessen rechter Seite eingeräumt, ein Anzeichen dafür, daß er in Moskau als der zweite Mann des Weltkommunismus betrachtet wurde. Stalins Tod und die „Entstalinisierung" (XX. Parteitag) erhöhten Mao Tse-tungs Position. Bei den Feiern zum 40. Jahrestag der Oktoberrevolution war er der angesehenste der ausländischen Gäste. Beim XXI. Parteitag erhielt der Sprecher der chinesischen Partei, Tschou En-lai als erster der Vertreter der Bruderparteien das Wort.
Welche Bedeutung hat der Aufstieg der chinesischen Partei? Bildet sich ein neues Zentrum der kommunistischen Bewegung im Fernen Osten? Ist Maos Partei zu einer Konkurrentin der KPdSU um die Pos
Welche Bedeutung hat der Aufstieg der chinesischen Partei? Bildet sich ein neues Zentrum der kommunistischen Bewegung im Fernen Osten? Ist Maos Partei zu einer Konkurrentin der KPdSU um die Position der führenden Kraft im „Friedenslager“ geworden? Wer diese Fragen beantworten will, hat zahlreiche Faktoren zu bewerten. Mao kann die sowjetische Revolution, deren Ausgangspunkt der Kampf der Arbeiter und Soldaten in St. Petersburg war, nicht als Vorbild für China betrachten, denn seine Revolution ist mit Hilfe kämpfender Bauernmassen vollbracht worden. Andererseits ist die Sowjetunion die einzige Macht, die bei der Fortdauer der gegenwärtigen Weltlage die dringend benötigte Hilfe bei der Industrialisierung des riesigen chinesischen Landes leisten könnte. Daraus ergibt sich eine gewisse Abhängigkeit Chinas von der Sowjetunion, die zwar unvermeidlich zu sein scheint, aber doch den Nationalstolz der Chinesen trifft, der in einer jahrtausendealten Kultur wurzelt und durch den Sieg genährt wurde, den die chinesischen Kommunisten ohne fremde Hilfe, ja gegen den sowjetischen Rat, über die Kuomintang errangen. Auch russische Spezialisten, die zu Tausenden nach China gesandt wurden, um bei der Industrialisierung zu helfen, dürften als Symbol dieser Abhängigkeit betrachtet worden sein 66).
Um seine Rückständigkeit zu überwinden, unternahm Rotchina verzweifelte Anstrengun-
gen So sollte der Beschluß des Zentralkomitees er kommunistischen Partei Chinas vom 28.
August 1958 „Über die Bildung von Volkskommunen auf dem Lande“ das Tempo des sozialistischen Aufbaus beschleunigen und „den Über-gang zum Kommunismus aktiv vorbereiten 67). Die Anfangserfolge der Volkskommunen führten in China zu optimistischen Prognosen, deren Enthusiasmus an die Voraussagen Sinowjews über das Herannahen der Weltrevolution im Jahre 1920 erinnert 68): „China bewegt sich mit blitzartiger Geschwindigkeit vorwärts ... Jetzt glauben sogar Acht-zigund Neunzigjährige begeistert und fest daran, daß sie das Glück des Kommunismus noch genießen können.“
Dieser Enthusiasmus wurde von den sowjetischen Kommunisten nicht geteilt. Eigene Erfahrungen aus den ersten Jahren ihrer Herrschaft hatten sie belehrt, daß die Kommunen ohne die Grundlage einer entwickelten Wirtschaft fehlschlagen würden. In den ersten Monaten, nachdem die Volkskommunen errichtet worden waren, wurden sie in der sowjetischen Öffentlichkeit kaum erwähnt. Am 1. Dezember 1958 erklärte jedoch Chruschtschow dem amerikanischen Senator Hubert Humphrey, Volkskommunen zu bilden, sei altmodisch und rückschrittlich. Ein ähnlicher Versuch sei nach der Oktoberrevolution in der Sowjetunion unternommen worden und fehlgeschlagen 69). Besser als die Kommunen sei das sowjetische System der Kolchosen und Sowchosen. Ohne materiellen Anreiz, der in den Kommunen fehle, könne man keine guten Produktionserzeugnisse erzielen. Als der Senator einwarf, diese Auffassung erscheine ihm ziemlichkapitalistisch, antwortete Chruschtschow, der die „Theorie durch viele bedeutsame Gedanken und neue Leitsätze bereichert" hat 70): „Nennen Sie es, wie Sie wollen, es funktioniert"
Die negativen Erfahrungen, die mit dem „Großen Sprung nach vorn“ in der Praxis gemacht wurden, werden die Chinesen mehr als diese und andere kritische Äußerungen veranlaßt haben, „den übereilten Versuch, unter nicht berangereiften Voraussetzungen zum Kommunismus zu gelangen", zu verlangsamen, wie im Dezember 1958 das Zentralkomitee der chinesischen Partei erklärte
Wenn Tschou En-lai auf dem XXL Parteitag versicherte: „Die Sowjetunion und China sind sozialistische Bruderländer ... Die enge Freundschaft unserer beiden Länder ist ewig und unerschütterlich“, so liegt seinem Pathos nicht nur der Glaube an die „edlen Prinzipien des proletarischen Internationalismus“ zugrunde, sondern auch die Einsicht, daß Rotchina seinen industriellen Aufbau ohne sowjetische Hilfe kaum vorantreiben kann.
Politisch ist die chinesische Partei dagegen nicht im gleichen Grade von der KPdSU abhängig. Der Kommunismus hat sich in Asien nicht zuletzt deshalb nach Stalins Tod so ungeheuer ausgebreitet, weil Stalins Nachfolger seine doktrinären Ansichten aufgaben und eine flexible, der chinesischen ähnliche Taktik gegenüber der Nationalen Bougeoisie anwandten. Die Erfolge, die den kommunistischen Parteien Asiens dadurch zufielen, erhöhten das chinesische Prestige nicht weniger als das sowjetische. Die chinesische Partei nutzt dieses Prestige, um eine eigene Politik in Asien zu treiben. Dabei entspricht der linken innenpolitischen Linie der chinesischen Partei (Volkskommunen!) eine radikale Außenpolitik (Kämpfe in Tibet, Überfälle auf indisches Gebiet), die zu Konflikten mit der sowjetischen Koexistenzpolitik führt. Chruschtschow mahnte bei den Feiern zum 10. Jahrestag der Volksrepublik China, eine friedliche Politik zu treiben und erklärte am 7. November 1959 in Moskau, der Grenzstreit mit Indien sei eine „dumme Sache“
sowie Verhandlungen zwischen führenden Politikern der sozialistischen und der kapitalistischen Länder für eine Art Abkehr von den Positionen des Marxismus-Leninismus halten.
Matkowski verteidigte also Chruschtschows Koexistenzpolitik und seine Verhandlungsdiplomatie, die von den Chinesen nicht nur in ihrer Presse kritisiert worden waren, sondern z. B.
auch auf einer Tagung des Generalrates des Weltgewerkschaftsbundes, die Anfang Juni 1960 in Peking stattgefunden hatte. Nach einer Veröffentlichung im „L'Avanti“, dem Organ Nennis, vom 15. 6. 1960 haben die chinesischen Vertreter dem Vorschlag des Sekretärs des Weltgewerkschaftsbundes widersprochen, die Thesen Chruschtschows über die Entspannung und die Abrüstung zu unterstützen. Der Bericht von „L'Avanti“ wurde durch das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Italiens „l'Unitä“ am 19. 6. 1960 im wesentlichen bestätigt
Parteitages der Rumänischen Arbeiterpartei (Juni 1960 in Bukarest) in Gegenwart von Spitzenfunktionären aller Kommunistischen Parteien. Als Ergebnis der Besprechungen veröffentlichten 12 Kommunistische Parteien am 24. Juni 1960 ein Kommunique. In ihm wurden die Prinzipien bestätigt, die in der Moskauer Erklärung vom November 1957 enthalten waren und die Chruschtschow als die Grundlage seiner Politik bezeichnet hatte. Der chinesische Standpunkt wurde insofern anerkannt, als es in dem Kommunique hieß, solange der Imperialismus bestehe, sei die Grundlage für Angriffskriege gegeben. Dennoch unterzeichnete Peng Tschen, der chinesische Vertreter, das Kommunique nur unter Protest. Im Anschluß an diesen Parteitag fand eine weitere Konferenz von zahlreichen Vertretern Kommunistischer Parteien statt, auf der Chruschtschow Mao Tse-tung scharf angriff, indem er ihn einen Ultra-Linken, einen Ultra-Dogmatiker nannte und erklärte, die Chinesen wüßten nichts vom modernen Krieg. In einer scharfen Erwiderung beschuldigte. Peng Tschen Chruschtschow, das Bukarester Treffen zu benutzen, um das Ansehen der Chinesischen Partei herabzusetzen
Während die Vorbereitungen für diese Konferenz noch im Gange waren, zogen die Russen im August 1960 ihre Techniker aus China zu-rüde, was — im Falle des jugoslawisch-sowjetischen Konflikts von 1948 — als Zeichen tief-gehender Differenzen gewertet werden konnte. Einen neuen Höhepunkt erreichte die Diskussion, die öffentlich und zwischen den Parteien fortgesetzt wurde, als die Chinesen in einem Brief vom 10. September die Vorwürfe beantwortete, die von der KPdSU in dem erwähnten Rundschreiben vom 21. Juni erhoben worden waren. Die chinesische Antwort wurde auch anderen kommunistischen Parteien zugestellt. In ihr waren bereits die Argumente enthalten, die auf der Moskauer Konferenz vom November 1960 von der chinesischen Delegation vorgebracht werden sollten.
Eine neue internationale Zeitschrift
Die internationale theoretische Zeitschrift (Titel: „Probleme des Friedens und des Sozialismus“), deren Erscheinen seit November 1957 mehrfach angekündigt worden und die im August 1958 herausgekommen ist, wird dazu beitragen, die Moskauer Linie den kommunistishen Parteien bekanntzumachen. Sie wird ihren Anteil an der Aufgabe zu erfüllen haben, die vor den sowjetischen Kommunisten liegt: Die Einheit des „sozialistischen Lagers“ zu festigen. In der Redaktion vertritt Alexej Rumjanzew die KPdSU, der vorher Chefredakteur des Moskauer „Kommunist" war. Für die SED und die KPF sind Lene Berg, vorher Direktorin des Instituts für Gesellschaftswissenschaften im ZK der SED, und Jean Kanapa (Zentralkomiteemitglied) in der Redaktion tätig
Im Mai 1959 referierte der Chefredakteur der Zeitschrift A. Rumjanzew in Leipzig auf einer Tagung von Vertretern 14 europäischer, -asiatischer, afrikanischer und südamerikanischer kommunistischer Parteien „Über die Rolle der Bougeoisie in der nationalen Befreiungsbewevertreten gung
Der proletarische Internationalismus von heute
Die Bewegung, die im internationalen Kommunismus seit Stalins Tod entstanden war, dauert noch an. Jugoslawien befindet sich zwar in einer ähnlichen Position wie in den Konflikts-jahren. Die Stimmen im heutigen „Friedenslager" sind jedoch nicht von der Einheitlichkeit, die Stalin dem „Titoismus" gegenüber erzwungen hatte. Den schärfsten, den chinesischen Kritikern stehen gemäßigte polnische Äußerungen gegenüber. Gomulka wandte sich erst nach langem Zögern gegen die heutige jugoslawische Politik, wobei er, von chinesischen und sowjetischen Äußerungen abweichend, die gesamte Kominformpolitik erneut ablehnte
Da es der sowjetischen Führung zur Zeit aussichtslos erscheinen muß, Jugoslawien dem Ostblock zurückzugewinnen, bemüht sie sich um so mehr die Risse in dem ihr verbleibenden Lager zu kitten, die 1956 entstanden und seit dem wiederholt sichtbar geworden sind.
Die Spaltungserscheinungen wurden in den verschiedensten Parteien sichtbar und hatten keine Verbindung zueinander, ein sicheres Anzeichen dafür, daß eine echte Krise vorlag.
So entstand in der Kommunistischen Partei der USA nach dem XX. Parteitag eine rechte Gruppe, geführt von John Gates, dem Herausgeber des „Daily Worker“ (New York). Ihr standen die moskautreuen Anhänger des Veteranen William Z. Foster gegenüber. Die pro-sowjetische Fraktion der Partei benutzte die Erklärung der 12 Parteien vom November 1957, um gegen John Gates vorzugehen, der im »Daily Worker“ ein wertvolles Instrument besaß, um seine Gedankengänge zu verbreiten. Daher beschlossen die führenden Parteiorgane, die Veröffentlichung des „Daily Worker" vorübergehend einzustellen. Im Januar 1958 verließ Gates die Partei
In der Labor Progressive Party (LPP) Canadas entwickelte sich nach dem Moskauer XX. Parteitag eine akute Krise, die auf dem 6. Nationalkonvent der LPP (April 1957) kulminierte und zum Rücktritt I. B. Salsbergs und anderer Parteifunktionäre führte. Eine andere Gruppe unabhängiger kanadischer Marxisten, geführt von enry Gagnon, setzte die Opposition gegen die moskautreue Majorität der LPP fort. In Mont-Teal gründeten Gagnons Anhänger den „CounC of Socialist Clubs“, dessen Mitglieder Anang 1958 aus der LPP ausgeschlossen wurden. Aon den europäischen Parteiführern hatte p Se: Larsen, der Vorsitzende der dänischen artei, im Sommer 1958 vor seinem Zentralomitee eine Erklärung abgegeben, die Unab-
angigkeitsregungen gegenüber Moskau und eine positive Bewertung des jugoslawischen Programms erkennen ließ. Er wurde nicht nur von der Moskauer „Prawda", sondern auch von treuen Parteigängern der KPdSU, z. B. von Paul de Groot, dem Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Niederlande, und Hermann Matern, Politbüromitglied der SED, heftig angegriffen
Auch in den Niederlanden wurde die Kommunistische Partei gespalten, weil oppositionelle Kommunisten, geführt von dem früheren Parteivorsitzenden Gerben Wagenaar und dem Gewerkschaftsführer Bertus Brandsen, sich nach dem XX. Parteitag der KPdSU nicht damit abfinden konnten, daß durch den Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Niederlande, Paul de Groot, der alte Kurs weiterverfolgt wurde. Anfang 1958 wurde von Brandsen eine neue holländische Gewerkschaft, die EVC, gegründet und im April 1958 bildeten die Oppositionellen die sogenannte „Brug" (Brücke) -Gruppe, aus der im Juli 1959 die Socialistische Werkers Partij (Sozialistische Arbeiter-Partei) hervorging
Chruschtschow reagierte auf diese und ähnliche Spaltungserscheinungen gut stalinistisch, indem er die Oppositionellen auf dem XXL Parteitag der KPdSU (27. Januar bis 5. Februar 1959) als „Abschaum" bezeichnete, „der die reine Quelle der kommunistischen Bewegung verschmutzte
Dieser „Abschaum“ deutete auf eine gewisse Schwäche der kommunistischen Bewegung in den westlichen Ländern, die nach Stalins Tod eingetreten war. In den unterentwickelten Gebieten, insbesondere Asien, verlief die Entwicklung dagegen anders. Der Kommunismus in Asien hatte einmal einen Machtzuwachs durch Mao Tse-tungs Sieg errungen. Zum anderen aber profitierten die Kommunistischen Parteien Asiens davon, daß sich Stalins Nachfolger entschlossen, mit der Nationalen Bougeoisie der Entwicklungsländer (Ägypten, Indien, Indonesien) zusammenzuarbeiten. Die Mitgliederzahl der indischen Partei stieg von etwa 50 000 im Jahre 1953 auf 230 000 im Jahre 1958
Wenngleich der XXL Parteitag hauptsächlich wirtschaftliche Fragen zum Gegenstand hatte, so nahmen doch — anders als noch beim XX.
Parteitag — sowohl Chruschtschow als auch die wichtigsten Gäste zu den inzwiscien so brennend gewordenen Fragen des proletarischen Internationalismus Stellung. Die Debatte befaßte sich insbesondere mit der „führenden Rolle“ der KPdSU bzw.der Sowjetunion, die nach der Erklärung der 12 Parteien vom November 1957 viel diskutiert worden war. Ohne hier auf die Nuancen einzugehen, in denen sich die Äußerungen führender Kommunisten zur Frage der „führenden Rolle" der KPdSU unterscheiden, ist hervorz”heben, was sich seit Stalins Herrschaft gewandelt hat
An dieser Beschränkung wird ebenso wie an den Spaltungstendenzen kenntlich: die kommunistische Weltbewegung hat nicht mehr die starre Geschlossenheit wie unter Stalin. Regionale Konferenzen von kommunistischen Parteien, die im Gegensatz zur Kominternpraxis in den Moskauer Beratungen vom November 1957 und 1960 zugelassen worden sind, haben inzwischen mehrfach stattgefunden, z. B. im März 1958 eine Konferenz der kommunistischen Parteien Frankreichs und der Beneluxstaaten, im Juni 1958 eine Konferenz von 15 Parteien in Berlin, am 1. April 1959 eine Beratung westeuropäischer Parteien, Ende Mai 1959 eine Konferenz von Vertretern kommunistischer Parteien in Leipzig und im November 1959 in Rom eine Konferenz von europäischen kommunistischen Parteien. Diese Konferenzen befaßten sich überwiegend mit dem Kampf der Kommunisten gegen die deutsche Wiederbewaffnung und gegen die europäische Wirtschaftgemeinschaft, jedoch wurde auch die Rolle der Nationalen Bourgeoisie in den Entwicklungsländern erörtert
Andererseits lädt die Ausbreitung des Kommunismus über große Teile der Erde, in denen ganz verschiedene Bedingungen herrschen, dazu ein, regionale Zentren zu bilden. In über 80 Ländern der Erde bestehen kommunistische Parteien, von denen 13 Regierungsparteien sind. Zu diesen 13 Parteien gehören etwa 80 Prozent der kommunistischen Parteimitglieder in der Welt (80 Prozent von insgesamt 30— 3 5 Mil-lionen). 4/5 der 4 Millionen Mitglieder, die außerhalb des kommunistischen Blocks leben, verteilen sich auf die Kommunistischen Parteien Indiens, Italiens, Frankreichs und Indonesiens. 26 Prozent der Erdoberfläche und 35 Prozent der Weltbevölkerung sowie ein Drittel der Weltindustrieproduktion nehmen die Kommunisten für sich in Anspruch
In Asien hat der Kommunismus große Anhängerschaft gev innen, soweit er sich mit der Nationalen Bourgeoisie verbündete. Da dieses Bündnis taktischer Natur ist, wird es kaum von Dauer sein.
Bei Beratungen der sowjetischen Partei mit den Bruderparteien haben deren Funktionäre unmittelbaren Kontakt mit der KPdSU. Die Verbindung zu ihnen wird aber auch durch Mitglieder des sowjetischen Staatssicherheitsdienstes gehalten, die den Botschaften der Sowjetunion zugeteilt sind
versieht, indem er durch seine Vertreter in den sowjetischen Botschaften derartige Dienste leistet, gewisse Funktionen der früheren Kominternabteilung OMS
Die Zentralkomitees der kommunistischen Parteien haben schon in verschiedenen Fällen geheime Rundschreiben des ZK der KPdSU erhalten, die sie über bestimmte Fälle unterrichten oder die sowjetische Linie zu bestimmten Problemen enthielten. So sind derartige Rundschreiben im Herbst 1953 versandt worden, um die Beseitigung Berijas zu begründen. Im Februar 1955 erläuterte ein ähnliches Rundschreiben, warum Malenkow zurückgetreten sei
Große internationale Veranstaltungen der kommunistisch gelenkten Organisationen, z. B.der Völkerkongreß für den Frieden, der im Dezember 1952 in Wien stattfand, oder die Kongresse des Weltgewerkschaftsbundes, bieten den international arbeitenden Funktionären weitere Gelegenheiten, abseits vom Getriebe der Massenkundgebungen zusammenzutreffen und die Moskauer Linie zu übernehmen.
Das wichtigste Mittel aber, die Einheit des Weltkommunismus zu gewährleisten, sind heute die großen Konferenzen geworden, zu denen die Spitzen der kommunistischen Parteien sich vereinigten (1957: 40 Jahrfeier der Oktoberrevolution, 1960: Novemberberatungen in Moskau) und die an Bedeutung den Kominternkongressen gleichkommen.
Einzelne prominente Kommunisten werden auch heute noch (zu Erholungsaufenthalten, zur Behandlung von Krankheiten) in die Sowjetunion eingeladen. Eine größere Zahl von kommunistischen Funktionären aus aller Welt hat in den letzten Jahren die „Höhere Parteischule“ in der Sowjetunion besucht. Auf diese Weise werden Bindungen an die KPdSU und an die Sowjetunion geschaffen, die einen nicht'unerheblichen Faktor bei der Leitung der kommunistischen Weltbewegung darstellen.
Die Notwendigkeit, „die Reihen der kommunistischen Parteien zu festigen“, ist, wie schon erwähnt wurde, auch im ZK der KPdSU eingesehen worden. Allerdings legen die führenden sowjetischen Funktionäre keinen Wert darauf, die führende Position offen hervorzuheben. Die Präsidiumsmitglieder M. A. Suslow und Otto W. Kuusinen, die beide auch dem Sekretariat angehören, befassen sich intensiver als vor 1956 mit den Problemen der Bruder-parteien, wobei Suslow, der auf dem XIV. und XV. Parteitag der KPF (Juli 1956 in Le Havre und Juni 1959 in Paris) erschien, für Westeuropa und Kuusinen für Skandinavien und Deutschland zuständig zu sein scheinen. Auch Parteitage kleinerer Parteien werden durch Besuche sowjetischer Delegationen ausgezeichnet. So besuchte, erstmalig seit 1945, eine Delegation der KPdSU, der O. W. Kuusinen und Boris Ponomarjew angehörten, den Parteitag der illegalen KPD, der im Juni 19-57 in der Sowjetzone stattfand
Aus allem, was angeführt worden ist, geht hervor, daß sich das Verhältnis zwischen der KPdSU und den Bruderparteien heute anders gestaltet als in den Zeiten von Komintern und Kominform. Zwar bestehen weder internationale Apparate der OMS, noch herrscht die strikte Disziplin, die Stalin auch nach Auflösung der Komintern bis zu seinem Lebensende verlangte, aber im ZK der KPdSU werden die Angelegenheiten der kommunistischen Parteien intensiv im sowjetischen Sinne bearbeitet. Zwei Abteilungen im Apparat ches Zentralkomitees befassen sich mit der Verbindung zu anderen kommunistischen Parteien. Dazu gehört die „Abteilung für Verbindungen mit den Kommunistischen und Arbeiterparteien der sozialistischen Länder“, in der auch die Angelegenheiten der europäischen kommunistischen Parteien behandelt wurden, soweit sie dem Ostblock angehören, also auch die Verbindung zur sowjetischen „Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands“. Abteilungsleiter ist Juri Wladimirowitsch Andropow, der zur Zeit des ungarischen Austandes sowjetischer Bot-schafter in Budapest war. Er wird vertreten von I. N. Medwedejew. Die Angelegenheiten der SED bearbeitet P. F. Ryzhkow.
Die andere Abteilung heißt „Internationale Abteilung“. Sie hat sich mit den kommunisti-schen Parteien der freien Welt zu befassen und ist in den Gruppen unterteilt, zu denen jeweils mehrere Kommunistische Parteien gehören. Eine dieser Gruppen ist für die westdeutsche KPD zuständig. Wie schon erwähnt, werden außerdem von der KPdSU gewisse staatliche Institutionen der Sowjetunion (z. B. Vertreter der KGB im Ausland) gelegentlich benutzt, um die Verbindung zu ausländischen Kommunistischen Parteien zu halten und ihnen finanzielle Mittel zu überbringen. Dadurch hat jedoch nicht der Prestigeverlust wettgemacht werden können, den die KPdSU durch die Krise des Internationalismus erlitten hat, die nach den Ereignissen des Jahres 1956 eintrat und im Jahre 1960 durch den öffentlich ausgetragenen sowjetisch-chinesischen Disput neu belebt wurde. Das wurde nicht nur den Führern der Kommunistischen Parteien, sondern auch der Weltöffentlichkeit nach Abschluß der Beratungen klar, die im November 1960 in Moskau stattfanden.
Die Beratungen vom November 1960 in Moskau
Schon im Oktober 1960 kamen Vertreter von 26 kommunistischen Parteien in Moskau zusammen, um unter dem Vorsitz von M. A. Suslow eine Erklärung zu redigieren, die der kommenden Diskussion zugrundegelegt werden sollte. Diese Redaktionskommission, so nannte sie Hermann Matern
In den Novemberberatungen aller Parteien kam es zum Entsetzen der Führer insbesondere der westeuropäischen Kommunisten zu schärfsten Auseinandersetzungen zwischen der sowjetischen und der chinesischen Partei
Persönlich Angriffe gegen Mao Tse-tung:
Chruschtschow warf ihm vor, a) er sei ein zweiter Stalin und lasse Personen-kult mit sich treiben, b) er vergesse alle Interessen außer den eigenen, c) er ignoriere die Realitäten der modernen Welt, insbesondere die Gefahren des Atom-krieges, d) er betreibe eine Aggressionspolitik gegenüber Indien.
Persönliche Angriffe gegen Chruschtschow:
Für die chinesische Partei gab Generalsekretär Tseng Hsiaoping die Vorwürfe zurück.
a) Er habe auf dem XX. Parteitag Stalin herabgesetzt und eine neue politische Linie eingeführt, ohne die Bruderparteien zu befragen. b) Er habe im Oktober 1956 zu Unrecht gegen Polen mobilgemacht, aus Ungarn habe er sich aber zurückziehen wollen, was von China verhindert worden sei.
c) Er habe an der Spitze der sowjetischen Partei eine revisionistische Politik gemacht.
d) Die sowjetische Hilfe für Indien und Ägypten sei ein opportunistischer Fehler gewesen. e) Um der Entspannung mit Amerika willen habe er Interessen Chinas geopfert.
f) Die von ihm geleitete KPdSU habe ihre Verantwortlichkeit als führende Partei außer acht gelassen.
Ideologische Gegensätze Die in den letzten Jahren aufgetauchten Streitfragen ideologischer Art wurden erneut behandelt, aber nicht gelöst:
a) die Frage, ob Kriege in der modernen Welt unvermeidbar sind, wurde von den Chinesen unter Berufung auf Lenin bejaht, von den Russen aber verneint.
b) Die russische Ansicht, daß lokale Kriege zu allgemeinen Kriegen führen müßten, wurde von den Chinesen — unter Hinweis auf das nach ihrer Darstellung erfolgreiche sowjetische Eingreifen im Suez-Konflikt von 1956 — bestritten.
c) Die Politik der friedlichen Koexistenz wurde von den Russen als dauernd zu befolgende Linie bezeichnet, während die Chinesen sie nur als vorübergehende Taktik anerkennen wollten.
d) Die Chinesen erklärten — gegen die Russen — eine Fraktionsbildung für zulässig, indem sie daran erinnerten, daß Lenin die Sozialdemokratische Arbeiterpartei Rußlands gespalten und schließlich doch die Mehrheit errungen habe.
Angriffe der Chinesen richteten sich auch gegen die kommunistischen Parteien in den westlichen Industrieländern, deren magere Arbeitsergebnisse sie kritisierten und von denen sie Kampfmaßnahmen gegen die Kapitalisten forderten.
Die wahren Gründe des Konflikts Der Kernpunkt des Streits in ideologischen Differenzen zu sehen, würde ebenso verfehlt sein wie zu übersehen, daß durch die persönlichen Angriffe die Risse noch vertieft worden sind. Die wahren Gründe des Konflikts liegen in einem Widerstreit der nationalen Interessen Chinas und der Sowjetunion.
Die Sowjetunion hat ein gewisses Niveau des wirtschaftlichen Aufbaus, der Industrialisierung erreicht, das durch einen Krieg aufs höchste gefährdet wäre. In dieser Situation stellt sie gegen ihre Nachbarn keine territorialen Ansprüche, erwartet dagegen, daß die Herrschaft des Kommunismus durch innere Zersetzung der kapitalistischen Länder ausgedehnt werden könne.
China dagegen ist weder hoch industrialisiert, noch saturiert, wie allein seine Ansprüche auf Formosa und auf indisches Gebiet zeigen, die kaum realisiert werden können, solange die gegegenwärtige sowjetische Friedenspolitik andauert. Die ideologisch verbrämten chinesischen Proteste gegen die sowjetische Hilfe für Indien und Ägypten beruhen auf dem Wunsch der Chinesen, mehr sowjetische Unterstützung für den Aufbau des eigenen Landes zu erhalten.
Von diesem Interessenkonflikt her sind zu verstehen: die chinesische Haltung in der Frage des Atomkrieges und der Kriege überhaupt, der Widerspruch gegen die Politik der Friedlichen Koexistenz und der chinesische Protest gegen die sowjetische Hilfe für Indien und Ägypten.
Der Verlauf der Konferenz Obwohl Chruschtschows massive Methode zu argumentieren bei zahlreichen Delegierten anfänglich wenig Gegenliebe fand, wurde die Mehrheit der Konferenzteilnehmer doch weit mehr schockiert durch den Zynismus, mit dem die Chinesen die Frage des Atomkrieges behandelten. Er werde kommen, sagten sie, und daher sei es besser, sich an den Gedanken zu gewöhnen. Auch wenn von den 650 Millionen Chinesen nur die Hälfte den Atomkrieg überlebe, so werde doch der Sozialismus siegen. An diesem Standpunkt hielten die Chinesen selbst gegenüber Chruschtschows Argument fest, daß die Vernichtung der Arbeiterklasse kein Weg sei, den Sozialismus aufzubauen. Hierfür fand Chruschtschow bei der überwiegenden Mehrheit der Kommunisten Verständnis, die sich nicht zutrauten, ihre Genossen davon zu überzeugen, daß die Kommunisten über den Atomkrieg zum Sozialismus gelangen könnten. So entschieden sich die meisten Konferenzteilnehmer schließlich für den sowjetischen Standpunkt, obwohl anfänglich viele den Chinesen zugeneigt gewesen waren, die sich in ideologischen Fragen vielfach auf Lenin berufen konnten. Bis zum Schluß und in vollem Umfang wurde der chinesische Standpunkt aber von dem albanischen Delegierten Enver Hodscha vertreten, der die von der Sowjetunion seit Stalins Tod verfolgte Politik völlig ablehnte und scharf verurteilte, daß versucht worden war, Jugoslawien für den Ostblock zurückzugewinnen.
Obwohl die überwiegende Mehrheit der Delegierten sich für den sowjetischen Standpunkt aussprach, unterzeichnete der Führer der chinesischen Delegation, Staatsoberhaupt Liu Schao-tschi, nur unter der Bedingung, daß innerhalb von zwei Jahren eine neue Beratung stattfinden sollte, und außerdem erhielt er einige seiner abweichenden Ansichten ausdrücklich aufrecht.
Die Erklärung der 81 Parteien Angesichts der tiefgehenden Differenzen zwischen den mächtigsten kommunsitischen Parteien, die fortbestehen werden, solange der Konflikt zwischen den Nationalstaaten Sowjetunion und China andauert, wird eine Interpretation des Wortlauts der Erklärung allein nicht zu befriedigenden Ergebnissen führen. Wenn in der Erklärung die Einheit und Geschlossenheit der kommunistischen Parteien übermäßig betont sind, so sollen die tiefen Risse verdeckt werden, die im „Friedenslager“ aufgetreten sind und die das Ansehen der sowjetischen Partei schmälerten. Dieses Ansehen wurde weiter ramponiert durch die Tatsache, daß eine kleine Partei wie die Albanische sich erlaubte, die Politik der großen KPdSU in Grund und Boden zu verdammen.
Die Erklärung spiegelt einerseits wieder, daß der sowjetische Standpunkt vor allem in den Fragen der Unvermeidlichkeit des Krieges und des Atomkrieges von der überwältigenden Mehrheit der Delegierten unterstützt worden ist.
Gegen die chinesische Praxis, Differenzen mit der KPdSU öffentlich oder auf Tagungen der Massenorganisationen (z. B.des Weltgewerkschaftsbundes im Juni 1960) zu erörtern, richtet sich der Passus: „Falls bei dieser oder jener Partei Fragen auftauchen, die sich auf die Tätigkeit einer Bruderpartei beziehen, so wendet sich ihre Führung an die Führung der betreffenden Partei.“
Ebenso werden alle Handlungen verurteilt, die die Einheit der kommunistischen Weltbewegung untergraben könnten, womit die chinesische Fraktionstätigkeit abgelehnt worden ist.
Andererseits ist der Erklärung zu entnehmen, daß den Chinesen einige Konzessionen gemacht worden sind. Darauf deuten z. B. die scharfe Sprache gegenüber den Vereinigten Staaten von Amerika und Jugoslawien, das Fehlen eines Hinweises auf Verhandlungen mit den Vertretern des Kapitalismus und die Betonung des Kampfeswillens der kommunistischen Parteien hin, die zum Ausdrude kommt in Wendungen wie: „Der Kurs auf die friedliche Koexistenz bedeutet Mobilisierung der Massen, tatkräftige Aktionen gegen die Feinde des Friedens“
oder “ Bei friedlicher Koexistenz entstehen günstige Möglichkeiten zur Entfaltung des Klassenkampfes in den kapitalistischen Ländern und der nationalen Befreiungsbewegung der Völker in den kolonialen und abhängigen Ländern.“
Einig geworden sind sich die kommunistischen Parteien in der Definition eines neues Staats-typs, des „unabhängigen Staates nationaler Demokratie“, der als Übergangsform ehemaliger Kolonialländer zu einer nicht-kapitalistischen Entwicklung gedacht ist. Diese Staaten der nationalen Demokratie sollen materiell und moralisch unterstützt werden.
Was in der Erklärung nicht erscheint, ist der chinesische Protest gegen die unbegrenzte Fort-dauer der Koexistenzpolitik sowie ihre Forderung, innerhalb von zwei Jahren auf einer neuen Konferenz die Ergebnisse dieser Politik zu überprüfen. Welche Ergebnisse der Koexistenzpolitik sind zu erwarten? Die Kommunisten werden versuchen, die Entwicklungsländer in den „Völkerkampf für den Frieden“ einzuspannen, d. h. für die kommunistische Front gegen den Westen zu gewinnen. Im Westen selbst haben die Kommunistischen Parteien allerdings nur geringe Aussichten mit der Volksfrontlinie, die innenpolitisch der Politik der friedlichen Koexistenz entspricht, innerhalb der beiden nächsten Jahre nennenswerte Erfolge zu erzielen. Daher ist zu erwarten, daß die sowjetische Politik, um den Forderungen der Chinesen nach einer aggressiveren Linie zu genügen, auf ein Gebiet ausweichen wird, wo die Kommunisten ein wertvolles Faustpfand besitzen: Berlin.
Zusammenfassung
Dem Wortlaut nach sind die Prinzipien des proletarischen Internationalismus seit Stalins Tod unverändert geblieben. Sie haben jedoch dazu dienen müssen, sowohl die Versöhnungsschritte gegenüber Jugoslawien zu begründen als auch die militärische Intervention in Ungarn zu rechtfertigen. Im Namen des proletarischen Internationalismus haben die Kommunisten sowohl die jugoslawischen Führer wieder als Verräter an der Arbeiterklasse verdammt, als auch die Risse zu verdecken versucht, die der bisher ungelöste sowjetisch-chinesische Konflikt hervorgerufen hat.
Die Prinzipien des proletarischen Internationalismus haben sich damit als biegsame Werkzeuge der sowjetischen Außenpolitik erwiesen. Das Zentralkomitee der KPdSU wird sie auch künftig benutzen müssen, wenn es die sowjetische Hegemonie im Weltkommunismus wiederherstellen will, als deren wirksamster Opponent innerhalb des sowjetischen Machtbereichs sich Gomulka noch auf der 40. Jahrfeier der Oktoberrevolution erwiesen hat, der jedoch inzwischen einem größeren — Mao Tse-tung — Platz gemacht hat.
Die sowjetische Politik wird ihre Tendenzen, die Einheit des „sozialistischen Lagers“ zu festigen, in der nächsten Zeit beibehalten. Ob es ihr aber gelingt, im Weltkommunismus den Grad der Einheitlichkeit herzustellen, den Stalin erzwungen hatte, scheint zweifelhaft. Sowohl die Ereignisse der Jahre 1953 bis 1956 als auch die erniedrigenden Angriffe aus den eigenen Reihen, denen sich die KPdSU im Jahre 1960 ausgesetzt sah, stehen einer den Russen günstigen Prognose entgegen.
In Osteuropa konnte die sowjetische Hegemonie nur durch Eingreifen der Roten Armee wiederhergestellt werden. In anderen westlichen Ländern drohte die Einheit der kommunistischen Bewegung zu zerbrechen. In Asien hat zwar die Anhängerschaft des Kommunismus bedeutend zugenommen, aber es entstand zugleich ein Faktor, der die sowjetische Position im proletarischen Internationalismus schwer bedroht: das kommunistische China. Die Ereignisse des Jahres 1960 und Chruschtschows verhülltes Geständnis vom Januar 1961, „Es gibt zwischen sozialistischen Ländern keine unlösbaren Widersprüche", haben Bucharins Satz, nationale Rivalitäten seien zwischen kommunistischen Staaten unmöglich, erneut ad absurdum geführt