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Zusammenarbeit und Integration Wege zur wirtschaftlichen Einigung Europas | APuZ 15/1961 | bpb.de

Archiv Ausgaben ab 1953

APuZ 15/1961 Zusammenarbeit und Integration Wege zur wirtschaftlichen Einigung Europas

Zusammenarbeit und Integration Wege zur wirtschaftlichen Einigung Europas

Die fünfzehn Jahre seit dem Ende des zweiten Weltkrieges werden in der Geschichte der westeuropäischen Länder zweifellos später einmal als die Periode der europäischen Einigungsbestrebungen bezeichnet werden; sie werden aber auch in der Weltgeschichte dadurch charakterisiert sein, daß immer neue Staatenverbindungen und internationale Zusammenschlüsse — auf globaler oder regionaler Basis — für die Weltpolitik bestimmend wurden. Gewiß ist dieses Phänomen zu einem Teil aus dem sich ständig verschärfenden Gegensatz zwischen Ost und West zu erklären, der auf beiden Seiten zu einer Sammlung der wirtschaftlichen, militärischen und moralischen Kräfte drängte, zu einem anderen Teil aus dem rein verkehrstechnisch bedingten Aneinanderrücken der Länder und Erdteile. Aber diese Erklärung allein reicht nicht aus; die Bereitschaft zu Gesprächen zwischen den Völkern und zu Verträgen zwischen den Staaten entspricht offenbar in besonderem Maße der Verstandes-und gefühlsmäßigen Disponiertheit des Menschen des 20. Jahrhunderts, so wie etwa der Mensch des 19. Jahrhunderts in nationalstaatlichen Begriffen zu denken sich gewöhnt hatte und die politischen Vorstellungen des Menschen des 12. Jahrhunderts von der Kreuzzugsidee geprägt waren.

Man sollte es sich versagen, mit ausschließlich rationalen Maßstäben an diese geschichtlichen Phänomene heranzugehen; jedes Zeitalter hat seine vernünftigen und seine unverständlichen Entscheidungen getroffen. Man muß sich jedoch bemühen, über die geschichtsbildenden Kräfte und Ideen der eigenen Zeit Klarheit zu gewinnen, solange sie noch in ihren positiven und negativen Auswirkungen irgendwie kontrollierbar erscheinen; hier muß die politische Arbeit einsetzen. Die fünfzehnjährigen Bemühungen um eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik lassen keineswegs vermuten, daß das 20. Jahrhundert seinen geschichtlichen Auftrag mit mehr Verstand und weniger Rückschlägen ausführen wird als frühere Epochen; trotzdem kann es nur von Nutzen sein, sich Rechenschaft über das Erstrebte und Erreichte zu geben, gerade in einem Augenblick, da sich ernsthafte Komplikationen abzeichnen und der Wille zur Zusammenarbeit nicht mehr von der Begeisterung der ersten Jahre getragen wird.

Europäische Transport-Organisation und Europäische Kohlekommission

Am 8. Mai 1945, dem Waffenstillstandstage, wurde die Unterzeichnung eines Abkommens zwischen den Vereinigten Staaten, Großbritannien, Frankreich, Belgien, Luxemburg, Norwegen bekanntgegeben, das die Neuordnung des innereuropäischen Verkehrs und die Koordinierung des europäischen Transportsystems zum Ziele hatte; die Provisional Organisation for European Inland Transport wurde mit diesen Aufgaben betraut. Einige Tage später wird in London die Europäische Kohlekommission gegründet, die ähnliche Funktionen für den Neuaufbau der europäischen Kohleindustrie erhält.

Mit diesen bescheidenen und kaum beachteten Maßnahmen begann die wirtschaftliche Zusammenarbeit, die für das Nachkriegseuropa zum zentralen Problem seiner Existenz wurde, nach wenigen Jahren schon einen ungeahnten Aufschwung herbeiführte und auch in der Zukunft sein Schicksal bestimmen wird. Damals, als die Jahre des Schreckens mit einem turbulenten Finale ausklangen, die Militärs den Triumph ihres Sieges feierten und die Politiker großartige Programme für eine friedliche und freie Welt zu entwerfen begannen, taten die Wirtschaftler ganz ohne Pathos das einfach Notwendige: sie versuchten, die chaotische Situation, die sie vorgefunden hatten, zu analysieren und die dringendsten Notmaßnahmen durchzusetzen, die in einer verworrenen Zeit und zerrütteten Wirtschaft eben noch durchführbar erschienen.

Kein Zweig der modernen Wirtschaft kann auf die Dauer in nationalen oder regionalen Grenzen existieren, und für eine völlig desorganisierte und isolierte Industrie mußte erst einmal der Zugang zu den noch vorhandenen Grundstoffen geschaffen werden, ehe man an Produktion denken konnte. Es erscheint noch heute besonders überzeugend, daß als erstes internationales Organ die Transportbehörde die blockierten Wege für den internationalen Güteraustausch frei legte, damit dann die Kohlekommission in Aktion treten konnte, um die För 4 derung und Verteilung des ebenso knappen wie unersetzlichen Rohstoffs Kohle international regeln zu können; man dachte immer nur an das Nächstliegende und Erreichbare; niemand sprach von wirtschaftlicher Zusammenarbeit oder In-« tegration, niemand wäre auf den Gedanken gekommen, die Kohle durch Öl zu ersetzen, weil die Kohle ja wenigstens in greifbarer Nähe zu finden war. Von Wirtschaftspolitik in großem Stile und auf lange Sicht konnte unter diesen Verhältnissen nicht die Rede sein; sobald sie sich zu normalisieren begannen, überlegte man auch, wie es weiter gehen könne.

Die nüchterne Bestandsaufnahme der vorhandenen Möglichkeiten führte zu den ersten übernationalen Wirtschaftsplanungen nach dem Krieg; die weiteren Überlegungen ergaben, daß keines der europäischen Länder über ausreichende wirtschaftliche Reserven verfügte, um aus eigener Kraft wieder dahin zu gelangen, wo es zu Beginn des Krieges gestanden hatte; die dritte Erkenntnis aber war die, daß bei der enormen ökonomischen Überlegenheit der beiden eigentlichen Siegerstaaten USA und UdSSR keines der europäischen Länder allein jemals die Chance haben würde, mit diesen in eine aussichtsreiche Konkurrenz treten zu können, Diese Überlegenheit beruhte auf den drei Tatsachen, daß die Vereinigten Staaten und Sowjetrußland über eine gewaltige technische Kapazität und einen fast unerschöpflichen Vorrat an so ziemlich allen wichtigen Rohstoffen verfügten und außerdem bei ihrer Einwohnerzahl einen inneren Markt zu versorgen hatten, der ihre Wirtschaft auf Jahre hinaus krisenfest machen konnte. Alle Versuche, die wirtschaftliche Misere Europas zu überwinden, begannen deshalb nicht mit der Frage, ob eine wirtschaftliche Zusammenarbeit notwendig oder auch nur nützlich sei — ein Blick auf die beiden großen Wirtschaftsmächte hätte darauf eine absolut überzeugende Antwort gegeben.

Gefragt und überlegt wurde aber um so eindringlicher, mit welchen Mitteln und auf welchen Wegen die Zusammenarbeit zu erreichen und durchzuführen sei. Und da ein Problem zum großen Teil schon als selbst gelöst gelten kann, wenn es richtig erkannt und in seinen Voraussetzungen richtig eingeschätzt ist, brauchte man über das Prinzip der wirtschaftlichen Zusammenarbeit weit weniger zu grübeln als über das Für und Wider der politischen Einigung, bei der doch eine Menge nationaler Vorurteile und Ressentiments mit im Spiele waren. Auf ähnliche Erwägungen ist es zurückzuführen, wenn nah Kriegsschluß nicht mehr lange gewisse Pläne diskutiert wurden, die unter Kriegspsychese entstanden waren und die wirtschaftliche Sterilisierung Deutschlands zum Ziele hatten; jedem Einsichtigen mußte es klar sein, daß ein wirtschaftliches Vakuum im Herzen Europas den ganzen Kontinent lahmgelegt hätte. Die nicht ganz unbegründete Meinung, daß die Menschen und Völker selten geneigt seien, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, ist einmal jedenfalls durch die Tatsache widerlegt worden, daß die Sieger von 1945 die Politik der Sieger von 1918 nicht noch einmal zu betreiben versucht haben. Das Tempo, mit dem der wirtschaftliche Aufbau im Mai 1945 begann, wurde allerdings nicht lange durchgehalten; die Notwendigkeit der wirtschaftlichen Einigung Europas ist kaum jemals ernsthaft in Frage gestellt worden; um so umstrittener waren die Mittel und Methoden zu ihrer Verwirklichung. Bis heute ist man sich darüber nicht einig geworden.

Wirtschaftskommission für Europa

Die beiden ersten Fachorganisationen für den . Verkehr und den Bergbau konnten natürlich auch nicht annähernd die Aufgaben bewältigen, die der Aufbau der europäischen Wirtschaft stellte; deren Lage schien so aussichtslos zu sein, daß man von der eigenen Initiative nicht mehr Viel erwarten konnte, und so beschloß die Vollversammlung der Vereinten Nationen im Dezember 1946 die Gründung einer Institution, die entsprechend dem Artikel 55 ihrer Charta den „Aufstieg der Lebenshaltung, Vollbeschäftigung und die Voraussetzungen fortschrittlicher Entfaltung auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet“ in den vom Krieg betroffenen europäischen Ländern untersuchen und fördern sollte.

Im Mai 1947 wurde daraufhin vom Wirtschafts-und Sozialrat der Vereinten Nationen (ECOSOC) die Wirtschaftskommission für Europa (Economic Comission for Europe /ECE — Commission Economique pour 1‘Europe /CEE) ins Leben gerufen, in der heute noch sämtliche west-und osteuropäischen Staaten sowie die USA und die UdSSR gemeinsam über die Probleme der europäischen Wirtschaft und ihr Verhältnis zur Weltwirtschaft diskutieren. Die . Wirtschaftskommission übernahm sofort die Aufgaben der beiden ersten und einzigen Organisationen, die, bis dahin wenn auch in sehr eingeschränktem Sinne, europäische Wirtschaftsfragen zu lösen versuchten.

Der ECE gehören heute sämtliche ost-und westeuropäischen Länder an; einige von ihnen, wie Albanien, Bulgarien, Österreich, Finnland und Portugal sind erst später dazu gekommen; die beiden Teile Deutschlands wurden zunächst durch ihre jeweiligen Besatzungsbehörden vertreten; die Bundesrepublik ist seit 1956 Voll-mitglied, während die Sowjetzone auch heute noch nur indirekt oder gelegentlich an den Arbeiten der ECE teilnimmt. Sie hat ihren Sitz in Genf, unterhält dort ein ständiges Sekretariat und tritt einmal jährlich als Plenarkommission zusammen. In der Plenarkommission, die in 10 ten. Als eine der vier Regionalorganisationen Kohlewirtschaft, Energiewirtschaft usw. gegliedert ist, wird jede Regierung durch einen hohen Beamten und mehrere Sachverständige vertreUnterausschüsse für Verkehr, Landwirtschaft, des Wirtschafts-und Sozialrats der Vereinten Nationen verfügt die Wirtschaftskommission über vielfache Erfahrungen und Beziehungen sowie über einen hochqualifizierten Stab von Mitarbeitern. Das ständige Sekretariat mit 6 Unterabteilungen (Forschung, Planung, Statistik usw.) bereitet die Beratungen der Plenarkommission vor und stellt laufende Untersuchungen über die Wirtschaftlage in Europa an. Die ECE steht in ständigem Kontakt sowohl mit den Regierungen wie mit den wichtigsten internationalen Wirtschaftsorganisationen.

Der Bestand und ein ungestörtes Funktionieren der Wirtschaftskommission, in der die westlichen und östlichen Länder mit ihren oft konträren ökonomischen Theorien und Methoden seit über einem Jahrzehnt Zusammenarbeiten, war nur dadurch gewährleistet, daß man ihr keinerlei Weisungs-und Entscheidungsbefugnis zugeteilt hat; sie untersucht und analysiert die europäische Gesamtwirtschaft und ihre Teilgebiete; ausgehend von der Struktur der Nationalwirtschaften verschafft sie sich eine Über-sicht über das Potential der europäischen Wirtschaft und bringt dieses in Relation zur Weltwirtschaft. Wenn es zunächst ihre Aufgabe war, die spärlich vorhandenen Wirtschaftsgüter so zu erfassen, daß allmählich ein Austausch in die Wege geleitet werden konnte, so bemüht sie sich heute um eine Bestandsaufnahme der ausreichend und teilweise im Überfluß vorhandenen Güter und ermöglicht es damit sowohl der privaten wie der nationalen Wirtschaft entsprechend zu disponieren. Besonders geschätzt wird deshalb ihr statistischer Dienst, der sowohl das Gesamtpotential der Weltwirtschaft wie die Kapazität der einzelnen Nationalwirtschaften registriert und dessen Untersuchungen um so unentbehrlicher werden, je mehr die Wirtschaftspolitik sich darauf einstellen muß, die national-und regionalwirtschaftlichen Möglichkeiten mit den weltwirtschaftlichen Gegebenheiten in Übereinstimmung zu bringen. In vielen Fällen sind die Untersuchungen der Kommission die einzige Quelle für eine einigermaßen zuverlässige Wirtschaftsstatistik der Länder des Ostblocks.

Die von der Plenarkommission auf ihrer jährlichen Frühjahrstagung gefaßten Resolutionen enthalten in der Regel keine allzu revolutionierenden Erkenntnisse und Vorschläge und sind auch nicht immer ganz frei von propagandistischen Anspielungen auf das eine oder andere Wirtschaftssystem, sie stellen aber doch einen Versuch dar, sich auf gewisse Grundregeln eines allgemeinen wirtschaftspolitischen Verhaltens zu einigen und die Handelsbeziehungen der Mitglieder zu normalisieren. Solange der Ost-West-Handel noch so sehr durch die politischen Gegensätze belastet ist, und so lange in der Frage der Hilfe für Entwicklungsländer noch keine Übereinstimmung erwartet werden kann, bietet sich das UNO-Organ immer noch als die Institution an, die ein Minimum an wirtschaftlicher Zusammenarbeit und gewisse Ansätze einer Verständigung gewährleistet. Von Fall zu Fall haben sich daraus bereits ganz normale Handelsbeziehungen ergeben, die besonders im europäischen Raum auf die Dauer ja wohl auch nicht zu entbehren sind.

Die Frühjahrstagung 1960 hat z. B. in zwölf Entschließungen zu Fragen der Zusammenarbeit auf wissenschaftlichem und statistischem Gebiet, zu Fragen der europäischen Energiewirtwirtschaft und einer koordinierten Hilfe für die Entwicklungsländer Stellung genommen; obwohl solche Texte für niemand verbindlich sind und keines der Mitglieder sich zu viel von der Aktionsfähigkeit der ECE verspricht, möchte sie doch auch niemand als Ort der Begegnung und des Gesprächs mit einem Geschäftspartner und P°litischen Gegner entbehren; deshalb hat sie auch in den Augenblicken heftiger ost-westlicher Spannungen immer noch verhältnismäßig reibungslos funktioniert.

Der Europäische Wirtschaftsrat

Sehr bald wurde jedoch deutlich, daß die Sowjetunion keineswegs bereit war, über theoretische Untersuchungen hinaus die wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa so zu unterstützen, wie es beim Emst der Lage damals dringend notwendig war, und daß die ECE niemals das Instrument sein konnte, von dem praktische Hilfe zu erwarten war. Es ist zweifellos das außerordentliche Verdienst Amerikas, daß es in diesem kritischen Augenblick die Maßnahmen ergriff, die die Wendung herbeiführten und nicht ohne Drude auf die europäischen Staatsmänner eine neue Entwicklung in der europäischen Politik einleitete. Am 8. Mai 1947 erklärte Dean Acheson vor dem amerikanischen Senat, daß die Koordinierung der europäischen Wirtschaft eines der Hauptziele der amerikanischen Außenpolitik sein müsse; diesen Gedanken präzisierte einen Monat später Außenminister Marshall in einer grundlegenden Rede an der Havard University, in der er die Gesundung der europäischen Wirtschaft als Voraussetzung einer funktionierenden Weltwirtschaft und eine einheitliche europäische Wirtschaftspolitik als Vorbedingung für die weitere Hilfe Amerikas bezeichnete. Der englische, französische und sowjetische Außenminister berieten daraufhin über das amerikanische Hilfsangebot und die daran geknüpften Bedingungen. Molotow lehnte ab. So trat am 12. Juli 1947 unter dem Vorsitz des britischen Außenministers Bevin eine Konferenz der europäischen Staaten zusammen, die sich im Prinzip mit den amerikanischen Vorschlägen einverstanden erklärte.

Zunächst wurde das Komitee für wirtschaftliche europäische Zusammenarbeit (Committee for European Economic Cooperation /CEEC) gegründet und erhielt den Auftrag ein Programm auszuarbeiten, nach dem sich der Aufbau der europäischen Wirtschaft vollziehen sollte. Die amerikanische Regierung hatte nämlich darauf bestanden, einen genau ausgearbeiteten Plan für ihr European Recovery Program (ERP) zu erhalten, dessen Durchführung sie der Economic Cooperation Administration (ECA) übertrug; diese war für die Verteilung der zur Verfügung stehenden Mittel (5 Milliarden Dollar für das erste ERP-Jahr 1948/49) verantwortlich. Offenbar war Amerikas Vertrauen in die wirtschaftliche Vernunft der Europäer nicht so groß, daß es auf solche Sicherungen hätte verzichten wollen.

Auf europäischer Seite wurde zur Durchführung des amerikanischen Hilfsprogramms der Europäische Wirtschaftsrat (Organisation for European Economic Cooperation /OEEC) gegründet, der am 16. April 1948 entsprechend der von einer zweiten CEEC-Konferenz ausgearbeiteten „Konvention für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit“ seine Tätigkeit begann. Die von allen westeuropäischen Ländern, ohne Finnland, Spanien und Jugoslawien, unterzeichnete Konvention ist bis heute die Rechtsgrundlage für die Tätigkeit des Europäischen Wirtschaftsrates geblieben, dessen Aufgabe zunächst die geordnete Verteilung der Marshallplan-Hilfe unter die europäischen Länder war und der nach deren Beendigung im Jahre 1952 den umfassenden Auftrag erhielt, alle Möglichkeiten für eine Aktivierung des europäischen Handels-und Zahlungsverkehrs im weitesten Sinne zu prüfen. Für die westdeutschen Besatzungszonen wurde die Konvention zunächst von den Militärgouverneuren ratifiziert. Mit ihrer Gründung wurde die Bundesrepublik sofort Voll-mitglied der OEEC, und die erste Bundesregierung hatte bereits ein eigenes Ministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit unter dem damaligen Vizekanzler Blücher, das auch unter dem Namen ERP-oder Marshallplan-Ministerium alle Fragen bearbeitete, die mit der Eingliederung der deutschen in die europäische und Weltwirtschaft in Zusammenhang standen. Seit der Konsolidierung der deutschen Wirtschaft werden diese Fragen zentral im Bundeswirtschaftsministeriums behandelt, dessen Chef auch die Bundesrepublik im Rat der OEEC vertritt.

Vernünftige Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Volkswirtschaften

Die „Konvention für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit“ geht von der Erkenntnis aus, daß zwar die Wirtschaftssysteme der Unterzeichnerstaaten eng miteinander verflochten sind, die Vielzahl der Handelsschranken und Währungsbeschränkungen aber den Warenaustausch und damit die Produktionsausweitung ernsthaft behindern und daß nur eine enge und dauernde Zusammenarbeit den Wohlstand Europas wiederherstellen kann. Die Unterzeichner ommen überein, eine gesunde europäische Wirt-schaft sowohl durch individuelle Maßnahmen vie durch gegenseitige Abstimmung dieser Maßnahmen herbeizuführen, das heißt durch vernünftige Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Volkswirtschaften ihre Produktivität zu steigern. Das setzt wieder voraus, daß sie bereit sind, in notwendigem Maße die eigenen Bedürfnisse den allgemeinen Notwendigkeiten unterzuordnen und ihre eigene Wirtschaftsplanung nach europäischen Gesichtspunkten zu orientieren. Sie haben hierfür keine Organisation mit außerordentlichen Rechten und Befugnissen vorgesehen, sondern eine Institution, die es den Sachverständigen und Verantwortlichen der beteiligten Regierungen ermöglicht, ihren Standpunkt zu vertreten und eine gemeinsame Haltung den allgemeinen Problemen gegenüber zu erarbeiten.

Die Mitglieder verpflichten sich zur kollektiven Ausnutzung der Kapazität der National-wirtschaften, zur Steigerung ihrer eigenen Produktion, zur Modernisierung ihrer industriellen und landwirtschaftlichen Anlagen, zur Beseitigung der Handelsschranken, zur Erreichung der Vollbeschäftigung und zur Schaffung gesunder, beständiger und austauschbarer Währungen; ihr Ziel ist es, so bald wie möglich ein so hohes wirtschaftliches Niveau zu erreichen, daß die wirtschaftliche Hilfe von außen, die in den Anfangsjahren nicht zu entbehren sein wird, nicht mehr erforderlich ist. Es handelt sich also um Prinzipien und Ziele, die sich mit vernünftigen nationalwirtschaftlichen Grundsätzen durchaus vereinbaren lassen, und dieser vernünftige Ausgleich von nationalen Interessen und europäischen Ansprüchen schuf die Voraussetzungen für die Zusammenarbeit, die zwölf Jahre lang kaum einmal ernsthaft gestört wurde; aber ohne die moralische und finanzielle Unterstützung der Vereinigten Staaten hätte der Europäische Wirtschaftsrat kaum einen glücklichen Start gehabt.

Den 17 europäischen Vollmitgliedern schlossen sich 1950 die USA und Kanada als assoziierte Mitglieder mit nur beratender Funktion an; seit 1955 beteiligen sich Spanien und Jugoslawien, seit 1956 auch Finnland auf Teilgebieten an den Arbeiten der OEEC; Spanien wird 1958 Vollmitglied; damit ist sie die umfassendste westeuropäische Organisation. Als Gegenstück im kommunistischen Teil Europas wurde im Jahre 1949 in Moskau der Rät für gegenseitige Wirtschaftshilfe (COMECON) gegründet, der es in den ersten Jahren nicht zu größerer Bedeutung brachte, seit einiger Zeit aber offenbar im Hinblick auf die Leistungen und Erfolge der westeuropäischen Organisation größere Aktivität entfaltet und seit kurzem auch ein Statut besitzt, das das absolute Übergewicht der Sowjetunion zugunsten der schwächeren Mitgliedstaaten etwas beschränkt hat. Es scheint, daß er im Austausch von Rohstoffen und technischen Ausrüstungen mehr leistet als in einer großzügigen Wirtschaftsplanung.

Zur Durchführung seiner Aufgaben hat sich der Europäische Wirtschaftsrat in Paris einen gut funktionierenden Apparat geschaffen. An der Spitze steht der Ministerrat, in den jeder Mitgliedstaat einen Minister, in der Regel den Wirtschaftsminister entsendet. Er tritt etwa zweimal jährlich zusammen, um sich über die Grundzüge einer europäischen Wirtschaftspoli-tik zu einigen. Seine Beratungen und Entscheidüngen werden von den ständigen Delegationen vorbereitet, die die beteiligten Regierungen in Paris unterhalten und sich aus mehreren Fach-referenten und einem Delegationschef im Range eines Botschafters zusammensetzen; sie stellen die dauernde Verbindung her zwischen den nationalen Regierungen und der internationalen Organisation in Paris, indem sie sowohl die Standpunkte ihrer Regierung vor der Organisation zu vertreten wie die Auffassungen und Vorschläge der OEEC ihrer Regierung darzulegen haben. Auf diese Weise ist ein dauerndes Gespräch zwischen beiden Instanzen im Gange, das in den Ratstagungen zu zusammenfassenden und abschließenden Stellungnahmen führt.

Das Generalsekretariat dagegen ist ein internationales Organ, das sich aus Angehörigen aller Mitgliedstaaten zusammensetzt, die jedoch nicht an die Weisungen ihrer Regierungen gebunden sind. Sämtliche internationalen Organisationen sind auf einen solchen Stab von unabhängigen Mitarbeitern angewiesen, die um der Sache willen sich für Ideen und Ziele ihrer Institution einsetzen. Das Generalsekretariat besteht aus einer Reihe von spezialisierten Abteilungen, die laufende Untersuchungen über allgemeine volkswirtschaftliche Probleme oder besondere aktuelle Fragen auf dem Gebiet der Landwirtschaft, des Bergbaus, der Arbeitskräfte-verteilung usw. durchführen, aber immer unter ausschließlich europäischen Gesichtspunkten, was natürlich keineswegs die Berücksichtigung nationalwirtschaftlicher Standpunkte verbietet, da ja die europäische Wirtschaft nur dann intakt ist, wenn die nationalen Wirtschaften keinen Schaden leiden.

Ein Exekutiv-Ausschuß prüft die Vorlagen, die vom Generalsekretariat ausgearbeitet wurden, ehe sie dem Ministerrat zugeleitet werden, dem allein ein Beschlußrecht zusteht. Seine Beschlüsse sind jedoch auch nur dann für die Regierungen bindend, wenn sie einstimmig angenommen wurden; dagegen ist es durchaus möglich, daß im Rat nur von einem Teil der Mitglieder Entscheidungen und Abkommen getroffen werden, die dann auch nur diese binden, aber von den übrigen Mitgliedern wenigstens insoweit respektiert werden, daß eine gesamteuropäische Wirtschaftspolitik nicht beeinträchtigt wird.

Besondere Verdienste der OEEC

Trotz ihrer lockeren Organisation und ihrer vorwiegend analysierenden und technisch beratenden Tätigkeit hat sich die OEEC um die Wiedergesundung der europäischen Wirtschaft besondere Verdienste erworben, nicht zuletzt deshalb, weil die ihr angeschlossenen Regierungen und deren Vertreter die Überzeugung und den entschiedenen Willen hatten, die Zusammenarbeit auf allen Gebieten und mit allen Mitteln zu fördern; sie wollen sie nicht mit administrativen Maßnahmen erzwingen, sondern aus dem Zwang der Tatsachen entwickeln lassen. In den Fachausschüssen beraten mit den Regierungsvertretern Sachverständige aus der Wirtschaft, Funktionäre der Gewerkschaften, Beobachter der internationalen Organisationen; sie bemühen sich um die technisch besten Lösungen für genau definierte Probleme und verzichten auf die Erörterung politischer Grundsatzfragen; daß solche objektiven wirtschaftswissenschaftlichen und wirtschaftspolitischen Erkenntnisse von Repräsentanten verschiedener nationaler Wirtschaftssysteme und politischer Richtungen, der Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen, der Industrie, der Landwirtschaft, des Handels und der Finanz gemeinsam erarbeitet und als Normen eines allgemeinen europäischen wirtschaftsund gesellschaftspolitischen Verhaltens anerkannt wurden, war das außerordentliche Verdienst der OEEC und zugleich ein Beweis für den geschichtlichen Wandel in der politischen Grundhaltung des europäischen Menschen in diesem Jahrhundert, die nicht mehr von nationalen und sozialen Ideologien, sondern von einem neuen Solidaritätsgefühl der Völker bestimmt wird. Ohne Zweifel hat das gemeinsame Bewußtsein von der kommunistischen Gefahr erheblich zu diesem Wandel beigetragen.

Im Laufe der Jahre hat sich der Europäische Wirtschaftsrat verschiedene Spezialorgane angegliedert, die in gewisser Unabhängigkeit, aber im Rahmen der Gesamtpolitik der OEEC Sonderausgaben übernahmen, wie sie sich aus der jeweiligen wirtschaftlichen Lage Europas ergaben. So wurde im Jahre 1950 die Europäische Zahlungsunion (EZU — European Payments Union — EPU) ins Leben gerufen mit dem Ziele, die bis dahin zweiseitigen Zahlungsabkommen der europäischen Staaten untereinander durch ein gemeinsames multilaterales Zahlungssystem abzulösen. Die Bank für internationalen Zahlungsaustausch in Basel (BIZ) wurde beauftragt, für jedes Land die Abrechnungen mit allen übrigen EZU-Ländern zu tätigen. Die Länder mußten nun nicht mehr ihren Handel mit jedem einzelnen Partner ausgleichen, sondern hatten einen einzigen Saldo gegenüber allen EZU-Partnern, was erheblich zur Liberalisierung des Handels beitrug und die freie Austauschbarkeit der europäischen Währungen in die Wege leitete; diese war 195 5 nahezu vollständig erreicht, weshalb neue Abmachungen im internationalen Zahlungsverkehr notwendig wurden.

An die Stelle der Europäischen Zahlungsunion trat jetzt das Europäische Währungsab-kommen (EWA — European Monetary Agree-ment/EMA), das die Transferierbarkeit der europäischen Währungen auch auf andere Währungen, namentlich den US-Dollar, ausdehnen sollte und so die Zahlungsmodalitäten weiterhin auflockerte. Es dauerte allerdings bis 1958, ehe das Abkommen von 1955 voll in Kraft treten konnte, weil in den Zwischenjahren bei einigen europäischen Staaten erneut Zahlungsbilanz-schwierigkeiten auftauchten, die ein vorsichtiges Taktieren nahelegten. Um für spätere ähnliche Fälle gerüstet zu sein, wurde ein Europäischer Fonds geschaffen, der auf Antrag Kredite gewähren kann, wenn eines der Teilnehmerländer kurzfristige Zahlungsschwierigkeiten zu überbrücken hat. Im Zusammenhang mit der Währungspolitik der OEEC und gleichzeitig mit dem Übergang von der EZU zur EWA erfolgte die Abwertung des französischen Franken, was der Freizügigkeit auf dem Gebiet des europäischen Kapitalverkehrs besonders zustatten kam.

Um eine leistungsfähige europäische Wirtschaft aufzubauen, genügte es jedoch nicht, die vorhandenen Wirtschaftskapazitäten der einzelnen Länder zu koordinieren und die Kriegsschäden zu beseitigen, es kam vielmehr darauf an, die noch unerschlossenen Kräfte nutzbar zu machen; aber gerade hier war es nötig, alle verfügbaren Kräfte zusammenzufassen, weil die finanzielle Substanz keines Landes allein ausreichte, um solche Projekte zu verwirklichen. Die OEEC richtete daher ihre Aufmerksamkeit auf die Erschließung der Überseegebiete, die vor wenigen Jahren ja noch großenteils in Abhängigkeit von europäischen Staaten standen; bevor sie jedoch entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten konnte, haben sich die politischen Verhältnisse grundlegend geändert, das Problem der wirtschaftlichen Hilfe ist jedoch eher noch dringlicher geworden; es soll jetzt von der Nachfolgeorganisation der OEEC entsprechend den geänderten Voraussetzungen neu in Angriff genommen werden.

Wissenschaftliche und technische Koordinierung

In der Erschließung der Atomenergie erkannte der europäische Wirtschaftsrat eine andere entscheidende Zukunftsaufgabe; er beauftragte zunächst eine Studiengruppe mit der Prüfung der Möglichkeiten einer europäischen Zusammenarbeit auf diesem Gebiet, die dann zur Gründung der Europäischen Kernenergie-Agentur (European Nuclear Energy Agency/ENEA) im Jahre 1957 führte. Im Gründungsbeschluß des Ministerrates wird der Agentur die Aufgabe zugewiesen, „im Wege der Zusammenarbeit zwischen den Teilnehmerstaaten und der gegen seitigen Abstimmung ihrer innerstaatlichen Maßnahmen die Erzeugung und Verwendung der Kernenergie für friedliche Zwecke durch diese Staaten zu entwickeln und zu fördern“. Da sowohl aus personellen wie finanziellen Gründen die allerwenigsten europäischen Länder sich einen dem amerikanischen und sowjetischen auch nur halbwegs vergleichbaren Forschungsapparat leisten konnten, war die Koordinierung der nationalen Forschungs-und Investitionsprogramme und die Errichtung gemeinsamer Unternehmen das Gebot der Stunde. Der Besonderheit ihres Auftrages entsprechend, wurden der Agentur mehr interne Selbständigkeiten gewährt als den anderen Organen der OEEC; nur in Grundsatzentscheidungen ist sie vom Rate abhängig; andererseits wurde sie verpflichtet, in engem Kontakt mit den anderen europäischen Atomorganisationen (siehe unten!)

ein abgestimmtes Arbeitsprogramm zu entwerfen. In Verbindung mit der Kernenergie-Agentur wurde die Europäische Gesellschaft für die chemische Aufbereitung bestrahlter Kernbrennstoffe (EUROCHEMIC) gegründet mit dem Auftrag, eine Fabrik für die chemische Entwicklung der Kernbrennstoffe zu errichten und zu betreiben.

Seit 1953 besteht als ständiges Organ für die Vereinheitlichung und den weiteren Ausbau des europäischen Binnenverkehrs die Europäische Konferenz der Verkehrsminister (Conference Europeehne des Ministres des Transports/CEMT), die zwar eine autonome Einrichtung ist, deren ständiges Verwaltungssekretariat jedoch der OEEC angeschlossen ist. Aus der frühen europäischen Transportbehörde von 1945 hat sich eine Organisation entwickelt, in der die Verkehrsminister der OEEC-Länder sich über die Modernisierung des europäischen Verkehrsapparates und die Vereinheitlichung der Verkehrsbedingungen jährlich einmal beraten; sie werden dabei von einem ständigen Sekretariat unterstützt, das für die vielfältigen Probleme des Verkehrs auf Straße und Schiene, zu Wasser und in der Luft gemeinsame europäische Lösungen sucht. Dem gleichen Zweck dient die von dieser Konferenz gegründete Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahn-material (EUROFIMA).

Außerdem hat der Europäische Wirtschaftsrat sich als besonderes Organ die Europäische Produktions-Zentrale (EPZ — European Productivity Agency/EPA) angegliedert, die in enger Zusammenarbeit mit ähnlichen amerikanischen Institutionen Untersuchungen anstellt und Vorschläge ausarbeitet, wie die europäische Wirtschaft durch modernere und rationellere Methoden ihre Produktion steigern kann.

Die Entwicklung der OEEC seit 1948 entspricht genau dem Weg, den die europäische Wirtschaft aus dem Abgrund der ersten Nachkriegsjahre auf ihr gegenwärtiges Niveau geführt hat. Es war zweifellos ein erfolgreicher Weg; aber eben so sicher ist es, daß die europäische Wirtschaft technisch und organisatorisch ihren optimalen Stand noch nicht erreicht hat. Sie wird ihn nur dann erreichen, wenn sie weiterhin den Weg der Zusammenarbeit zu ge-hen bereit ist. Die Aufgabe der OEEC begann damit, die amerikanischen Subsidien angemessen unter ihre Mitglieder zu verteilen; sie versuchte dann, erste bescheidene Produktions-und Handelspläne aufzustellen und ging schließlich zu einer umfassenden Bestandsaufnahme aller menschlichen, materiellen und finanziellen Reserven des europäischen Wirtschaftsraumes über, aus der sich eine Wirtschaftsplanung großen Stils ableiten ließ.

Klima der Verständigungsbereitschaft und des guten Willens

In zahlreichen Fachausschüssen, Arbeitsteams und Studiengruppen hat man über Koordinierung und Rationalisierung verhandelt, und die von Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxis ausgearbeiteten Richtlinien erschienen sowohl dem privaten Unternehmer wie den staatlichen Wirtschaftsbehörden so überzeugend, daß ganz ohne Zwang und gewaltsame Eingriffe die Grundlagen einer gemeinsamen europäischen Wirtschaftspolitik geschaffen wurden. Diese Tätigkeit war schon deshalb kaum umstritten, weil dabei weder von wirtschaftlicher Integration noch von politischer Supranationalität die Rede war und die technische Zusammenarbeit und Koordinierung um so wünschenswerter erschien, je sichtbarer der Aufschwung war, den die europäischen Wirtschaftsstatistiken der letzten Jahre nachweisen konnten.

In voller Selbständigkeit und aus eigenem Ermessen, jedoch in ständigem Kontakt mit den Regierungen sowie den Praktikern und Theoretikern der Wirtschaft, versuchte der Europäische Wirtschaftsrat klare Vorstellungen vom wirtschaftlich Vernünftigen und für alle Beteiligten Annehmbaren zu gewinnen; und es erwies sich als gar nicht besonders schwierig, für die europäische Gesamtwirtschaft und ihre nationalen Teilwirtschaften gemeinsame Richtlinien aufzustellen. Dem Ministerrat als dem beschließenden und den nationalen Regierungen als den ausführenden Organen gelang es in den meisten Fällen, die von der OEEC entwickelten Vorstellungen mit den Gegebenheiten und Erfordernissen der Nationalwirtschaften in Übereinstimmung zu bringen. Ohne in einen doktrinären Dirigismus zu verfallen, bemühte sich der Wirtschaftsrat mit Erfolg, den Wirtschaftsnationalismus allmählich aufzuweichen, den alle europäischen Staaten seit Jahrzehnten kultiviert hatten.

In diesem Klima der Verständigungsbereitschaft und des guten Willens gediehen bald auch Bestrebungen zu einer völligen Verschmelzung der nationalen Teilwirtschaften zu einer europäischen Gesamtwirtschaft. Eine solche Verschmelzung, für die sich der Begriff der Integrierung allgemein durchgesetzt hat, ließ sich jedoch mit den vom Europäischen Wirtschaftsrat ausgebildeten vorsichtigen Methoden der freiwilligen Zusammenarbeit nicht durchführen. Die Integration setzt eine vertraglich festgelegte und mit echten Vollmachten ausgestattete zentrale Organisation voraus, sie sdhränkt die Souveränität der Staaten ein und wirkt sich deshalb ganz unmittelbar nicht nur auf die wirtschaftliche, sondern auch auf die politische Existenz der Staaten aus. Die OEEC hat sich dieser Entwicklung nicht widersetzt und hat sich zur Mitarbeit bei den neuen Institutionen bereit erklärt, ohne jedoch ihre eigenen Prinzipien und Einrichtungen zu opfern. Die wirtschaftliche Einigung Europas vollzog sich von jetzt an auf zwei Wegen und wie sich zeigen sollte, liefen sie nicht immer in der gleichen Richtung.

Mit einigem Recht glaubte man, daß es dem Europäischen Wirtschaftsrat noch einmal gelingen würde, einen Ausgleich der Auffassungen und Interessen herbeizuführen. Er hatte ja nicht nur siebzehn europäische Staaten zur wirtschaft. liehen Zusammenarbeit überredet, sondern die Staaten, die jetzt auf verschiedenen Wegen das gleiche Ziel der europäischen Wirtschaftseinheit anstrebten, gehörten ausnahmslos zu seinen Mitgliedern. Die Voraussetzungen waren günstig, und er hat seine Vermittleraufgabe zweifellos ernst genug genommen, aber die wirtschaftspolitischen Programme der beiden Gruppen, der zur Integration neigenden und der zur Zusammenarbeit bereiten, waren schwieriger aufeinander abzustimmen als die Wirtschaftspolitik der siebzehn Länder. Bevor noch der oft beschworene „Brückenschlag" vollzogen oder auch nur aussichtsvoll begonnen werden konnte, hat man beschlossen, die OEEC in ihrer bestehenden Form aufzulösen und sie als OECD mit neuen Aufgaben wieder auferstehen zu lassen.

Doch diese Entwicklung ist ganz neuen Datums;

davon wird später in anderem Zusammenhang zu reden sein.

Wirtschaftskonferenzen und Wirtschaftsorganisationen

Der Gedanke, die politische Einigung Europas auf dem Wege über die immer engere Verflechtung der europäischen Wirtschaft zu erreichen, wurde meistens dann besonders aktuell, wenn die Pläne der Politiker und die Begeisterung der Idealisten nicht mehr glaubhaft genug wirkten. Es läßt sich ziemlich leicht nachweisen, wie die wirtschaftliche Neuordnung konstant und einigermaßen konsequent, selten mit Enthusiasmus und nicht ohne gelegentliche Mißverständnisse zum Angelpunkt aller europäischen Einigungsbestrebungen erklärt wurde. Es muß deshalb hier auf einige der wichtigsten privaten oder halboffiziellen Institutionen und Mani-festationen hingewiesen werden, die aus eigener-Initiative den europäischen Gedanken neu belebten, wenn die Politik der Regierungen einfallslos und steril zu werden drohte. Feme Möglichkeiten, die hier in ersten Gesprächen vorsichtig zur Debatte gestellt wurden, verdichteten sich allmählich zu konkreten Vorstellungen und Vorschlägen und wurden schließlich in den späteren Vertragstexten als die gültigen Richtlinien der neuen europäischen Wirtschaftspolitik anerkannt. Hier ist zuerst der Tätigkeit der Europäischen Bewegung zu gedenken, die überall dort die Initiative ergriff, wo sie Ansatzpunkte und Möglichkeiten sah, um die Völker und ihre Regierungen von der Notwendigkeit und Dringlichkeit der europäischen Einigung zu überzeugen. In allen ihren Kongressen, Aufrufen und Veröffentlichungen wurden selbstverständlich die wirtschaftlichen Aspekte des Gesamtproblems von Anfang an angesprochen; sie gewannen jedoch immer mehr an Überzeugungskraft, so daß die Europäische Bewegung im April 1949 und noch einmal im Januar 1954 einen repräsentativen Kongreß nach London einberief, die als sogenannte Westministerkonferenzen für die wirtschaftliche Einigung geschichtliche Bedeutung gewannen. In einem ausgewählten Kreis von Praktikern aus Industrie, Handel und Finanz, Wirtschaftswissenschaftlern, Gewerkschaftlern und Parlamentariern wurde das Problem in seinem ganzen Umfang zur Diskussion gestellt und so überzeugende Übereinstimmung erzielt, daß grundsätzliche Einwände später von keiner Seite mehr erhoben wurden.

Es war nicht zufällig, daß man diese Konferenzen nach London einberief, denn nachdem von Churchill die entscheidenden frühen Aufrufe zur Einigung Europas ausgegangen waren, begann man sich in britischen Regierungs-und Wirtschaftskreisen immer besorgter zu fragen, wie sich Englands Verpflichtungen seinem Commonwealth gegenüber mit den politischen und wirtschaftlichen Bindungen an den Kontinent vereinbaren ließen. Seitdem galt Großbritannien seinen europäischen Nachbarn als unentschlossener Partner, den man immer wieder mit neuen Argumenten zu überzeugen versuchte und dem man auch bei dieser Gelegenheit beweisen wollte, daß seine Bedenken unbegründet seien. Erst in jüngster Zeit beginnt man in England selbst diese Unentschlossenheit zu kritisieren und die Isolierung zu bedauern, der man sich ausgesetzt hat.

Es ist häufig über die zahlreichen europäischen Konferenzen und ihre mehr oder weniger unverbindlichen Entschließungen gelästert worden; aber die moderne Wirtschaft ist ein so komplexes Phänomen, und die Umstellung vom nationalen auf das europäische Wirtschaftsdenken erfordert eine so radikale Preisgabe von Auffassungen und Methoden, die sich jahrzehntelang als richtig erwiesen hatten, daß sich sowohl der Praktiker wie der Theoretiker der Wirtschaft, der einzelne in seinem Betrieb wie die großen Unternehmen zu Überlegungen veranlaßt sahen, die im freien Austausch der Meinungen und in der Auseinandersetzung mit dem Partner von morgen nur an Ausgewogenheit gewinnen konnten. Und diese Klärung der Standpunkte vollzog sich eher im freien Gespräch der im Wirtschaftsleben Tätigen als in den offiziellen Verhandlungen der an die Weisungen ihrer Regierungen gebundenen Beamten und Diplomaten.

Schon auf der ersten Westminsterkonferenz tauchten Vorschläge auf, die wenig später von der Europäischen Zahlungsunion oder der Montanunion verwirklicht werden konnten: die freie Konventierbarkeit der Währungen, freier Markt für die wichtigsten Wirtschaftsgüter, die Freizügigkeit der Personen waren Forderungen, die 1949 noch revolutionär erschienen und heute zum selbstverständlichen Besitz des europäischen Wirtschaftsdenkens gehören. An der zweiten Westministerkonferenz nahmen bereits Vertreter des britischen Commonwealth und der Französischen Union teil; die europäische Wirtschaft hatte 1945 bereits soviel Selbständigkeit gewonnen, daß sie sich auf die Weltwirtschaft hin zu orientieren begann; daß die Überseegebiete in die europäische Wirtschaft mit einbezogen werden müßten, stand außer Frage; da sie sich aber für England und Frankreich mit ihrem großen Überseebesitz natürlich ganz anders stellte als etwa für die deutsche Wirtschaft, bedurfte es eingehender Gespräche, um eine gemeinsame Linie zu finden. Es war allerdings damals nicht vorauszusehen, daß sich die Frage ein halbes Jahrzehnt später wieder anders und noch viel dringender und präziser stellen würde.

Die Idee wenigstens blieb lebendig

So sehr man zur Kritik an den zahlreichen Kongressen und Organisationen neigen mag, die mit erheblichem Aufwand für die wirtschaftliche und politische Einigung Europas geworben haben, ohne daß ihnen ein entscheidender Erfolg beschieden gewesen wäre, so sehr muß man doch anerkennen, daß es zum großen Teil ihnen zu verdanken ist, wenn die Idee immer lebendig erhalten wurde und gerade in den maßgebenden Wirtschaftskreisen entschiedene Unterstützung fand. Der Grund dafür liegt wohl in ihrer glücklichen Beurteilung der jeweiligen Situation und in der richtigen Auswahl der Persönlichkeiten, die etwas zu den aktuellen Fragen zu sagen hatten. Je mehr die Regierungen versuchten, die Einigung Europas durch völkerrechtliche Konstruktionen in äußerster Perfektion zu erreichen, desto wichtiger erschien es, die Momente herauszustellen, die dem Durch-Schnittseuropäer aus eigener Erfahrung verständlich sein mußten; dazu gehört sowohl die ökonomische Erkenntnis, daß ein großes Wirtschaftsgebiet rationeller produzieren kann als ein durch Zoll-und Handelsschranken geteiltes Europa, wie die gefühlsmäßige Einsicht, daß sich Europa nicht ein drittes Mal einen selbstmörderischen Krieg leisten kann, in dem sich alle seine geistigen, physischen und materiellen Kräfte erschöpfen.

Es dürfte schwer zu entscheiden sein, ob die stärkeren Impulse für die wirtschaftliche Einigung von den Regierungen oder von der Wirtschaft selbst ausgegangen sind. Jedenfalls reagiert die Wirtschaft meist schneller auf neue Entwick-Jungenund ist bereit, sich auf eine andere Wirtschaftspolitik umzustellen, sobald sie sich von den gewohnten Methoden nichts mehr verspricht; sie konnte es auch den Regierungen nicht allein überlassen, ihre nationale Wirtschaftspolitik mit europäischem Vorzeichen zu versehen, sondern mußte aus eigener Erfahrung und Verantwortung sich in die neue Entwicklung einschalten. Überall in Europa hatte die Wirtschaft den starken Schutz des Staates genossen, und sie erwartete vom Staat, daß er ihre Interessen vertrete. Es war selbstverständlich, daß in ihren eigenen Reihen eine gewisse Unruhe entstand, der mit sachlichen und psychologischen Argumenten entgegengetreten werden mußte. Diese Aufgabe übernahmen vorausschauende Wirtschaftsplaner, die unabhängig von politischen Doktrinären und gläubigen Schwärmern nüchterne Situationsanalysen und Entwidclungsprognosen aufstellten, die als brauchbare Grundlage einer gesamteuropäischen Wirtschaftspolitik sowohl von den verantwortlichen Regierungen und Parlamenten wie von den einzelnen Wirtschaftsträgern und den Sozialpartnern der verschiedenen Richtungen anerkannt wurden.

Bereits im Jahre 1946 entstand auf Anregung des früheren belgischen Ministerpräsidenten Paul van Zeeland die Europäische Liga für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Ligue Europeenne de Cooperation Economique/LECE — European Ligue for Economic Cooperation/ELEC); er nahm Verbindung auf mit Sachverständigen der führenden Finanz-und Industriekreise sowie aus den Industriegewerkschaften, um von ihnen konstruktive Vorschläge für den Aufbau der europäischen Wirtschaft ausarbeiten zu lassen. Man hatte 1946 nur höchst unklare Vorstellungen von einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit, aber man erkannte, daß nur die Zusammenfassung aller Kräfte eine Wendung bringen könne. Die Liga suchte wenige aber besonders kompetente Fachleute für ihre Ziele zu interessieren, deren Einfluß in den Organisationen und Verbänden diesen Vorschlägen Resonanz geben würde und deren wissenschaftliche Untersuchungen auch die Praktiker der Politik und Wirtschaft überzeugen müßten. Die Liga hat bis heute an diesem strengen Auswahlprinzip festgehalten; ihre Arbeits-und Studiengruppen sind international zusammengesetzt und ihre Veröffentlichungen erscheinen unter der Verantwortung des internationalen Zentralrats. Ohne vorgefaßte Meinungen und ohne Bindungen an Interessengruppen, mit dem ausschließlichen Ziel, alle bürokratischen und psychologischen Widerstände mit gediegenen volkswirtsachftlichen Argumenten zu überwinden, greift sie die jeweils aktuellsten Fragen der Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik auf, um objektive Maßstäbe für die künftige europäische Wirtschaftseinheit aufzustellen. Ähnliche Ziele verfolgt die Europäische Vereinigung für wirtschaftliche und soziale Entwicklung (Comite Europeen pour le Progres Economique et Social/CEPES), . die jedoch mehr von Unternehmerseite gefördert wird und die Idee der sozialen Marktwirtschaft auf europäischer Ebene zu verwirklichen sucht. Aus einem ursprünglich losen Kontakt europäischer Unternehmer mit Verbindungen zu ähnlichen Wirtschaftskreisen in den USA hat sich die CEPES seit 1952 zu einer Vereinigung mit dem festen Programm entwickelt, die. Prinzipien der freien Unternehmerwirtschaft in einer liberalen Weltwirtschaftsordnung zu verteidigen und einer gesamteuropäischen Wirtschaftspolitik neue Impulse zu geben. In Publikationen ihrer Zentrale in Mailand und auf Tagungen der nationalen Gruppen stellt sie den Regierungen und europäischen Institutionen Material zur Verfügung, das von führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft und Wissenschaft erarbeitet wurde und ihr geeignet erscheint, die Gespräche über grundsätzliche Fragen des europäischen Wirtsdiafts-und Soziallebens zu vertiefen und Mißverständnisse zu beseitigen, die die Durchführung des gemeinsamen europäischen Marktes erschweren.

LECE und CEPES sind nur zwei Namen für eine große Zahl von Wirtschaftsverbänden und Hnternehmenszusammenschlüssen, die sich auf die neue europäische Wirtschaftspolitik einzustellen beginnen und ihre Chancen im gemeinsamen Markt sich auszurechnen versuchen. Wäh-rend die beiden genannten sich vorzüglich um die theoretische und wissenschaftliche Fundierung bemühen, vertreten die meisten anderen vorwiegend berufliche und gesellschaftliche Interessen. Durch die kommerzielle und technische Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg, sammelt sich aber auch bei den europäischen Interessenverbänden eine Fülle von Erfahrungen und Vorstellungen, die sich für die politischen Verhandlungen oft als ausgesprochen nützlich erweisen.

Unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitnehmer

Auch die Organisationen der Arbeitnehmer haben sich von Anfang an sehr lebhaft für alles interessiert, was mit der wirtschaftlichen und politischen Einigung Europas in Zusammenhang stand; zum Europäischen Wirtschaftsrat wurden schon bald nach seiner Gründung offizielle Beziehungen ausgenommen. Der Internationale Bund Freier Gewerkschaften hält sich durch seine Europäische Regionalorganisation (Organisation Regionale Europeenne/ORE) dauernd über alles auf dem laufenden, was in den europäischen Organisationen und Institutionen geschieht; zu dem gleichen Zwecke hat der Internationale Bund der Christlichen Gewerkschaften eine Sektion für europäische Fragen eingerichtet. Beide Gewerkschaften unterhalten bei den europäischen Behörden in Luxemburg und Brüssel ständige Verbindungsstellen und bei allen wichtigen Entscheidungen dieser Behörden sind Gewerkschaftsvertreter mitbeteiligt; denn die europäischen Verträge sehen ja in der Verbesserung der Lebens-und Arbeitsbedingungen eines ihrer Hauptziele.

Die Arbeitnehmerschaft war sich stets durchaus bewußt, daß die Veränderungen, die eine integrierte europäische Wirtschaft bringen würde, sich ganz unmittelbar auf den arbeitenden Menschen auswirken und eine Verbesserung der sozialen Lage herbeiführen würden. Die Gewerkschaften sind daher immer für die europäische Lösung eingetreten, sie verlangen auch heute mehr Kompetenzen für die europäischen Institutionen, damit diese sich gegen die Verzögerungstaktik einzelner Regierungen durchsetzen können; sie sind überzeugt, daß auf die wirtschaftliche Einigung die politische folgen muß. Den nationalen und internationalen Fach-und Berufsorganisationen kommt ein erheblicher Anteil an der Verbreitung des Einigungsgedankens und an der sachlichen Vorbereitung der europäischen Verträge zu; man wird auch auf ihre weitere Unterstützung nicht verzichten können, denn es wäre sicher kein Vorteil für das geeinte Europa, wenn es nur als Produkt von Regierungsentscheidungen und zwischenstaatlichen Verträgen in die Geschichte eingehen würde.

An Institutionen, Organisationen, Verbänden und Vereinen, die sich die Schaffung eines in Freiheit und demokratischer Ordnung geeinten Europa zum Ziel gesetzt haben, hat es in den letzten fünfzehn Jahren wahrhaftig nicht gefehlt; man muß auch zugestehen, daß sich'daraus Unübersichtlichkeit, Doppelarbeit und ziemlich überflüssige Rivalitäten ergaben, andererseits sollte man aber auch die Gründlichkeit und Genauigkeit würdigen, mit der über die nicht ganz einfachen Zusammenhänge nadhgedacht wurde, nachdem sich herausgestellt hatte, daß auch echte Begeisterung nicht immer ausreicht, um einen wirtschaftlichen und sozialen Tatbestand zu ändern, der sich in langer geschichtlicher Entwicklung herausgebildet hat. Die Überlegungen und Verhandlungen der Wirtschafts-und Sozialpolitiker waren weniger von Begeisterung als von der nüchternen Analyse einer gefährlichen Situation bestimmt; und von Jahr zu Jahr wurde es deutlicher, daß die wirtschaftliche Zusammenarbeit den Kern der europäischen Einigungsbestrebungen bilden müßte, weil ein einheitliches Wirtschaftsgebiet ohne gemeinsame Politik, ohne abgestimmte Sozialordnung, ohne angepaßte Gesetzgebung auf die Dauer nicht bestehen könnte.

Der Europarat

Mit der Gründung des Europarates im Jahre 1949 glaubte man die Instanz geschaffen zu haben, die alle Bemühungen um ein gemeinsames europäisches Denken und Handeln auf den verschiedenen Gebieten des öffentlichen Lebens unterstützen, koordinieren und zum gewünschten Ziele führen würde. In ständigem Kontakt mit den offiziellen und privaten Organisationen, mit den Regierungen und Parlamenten, sollte er mit allen Schwierigkeiten und Widerständen fertig werden, die da und dort auftauchen würden. Im Rahmen seines umfangreichen Aufgabengebietes sollten die Wirtschaftsfragen eine bevorzugte Behandlung erfahren. Die großen Erwartungen haben sich nicht erfüllt; seine Befugnisse waren viel zu beschränkt, um prakti-kable politische und wirtschaftspolitische Ent-Scheidungen treffen zu können, und seine gut-gemeinten Empfehlungen blieben häufig ungehört. Trotzdem stellt seine Beratende Versammlung auch heute noch ein ausgezeichnetes parlamentarisches Forum dar, um die Öffentlichkeit über die Fortschritte, Verzögerungen und Aussichten der europäischen Politik zu informieren und die dafür Verantwortlichen kritisch oder ermunternd anzusprechen.

Die zentrale Bedeutung einer gemeinsamen Wirtschaftspolitik und des dafür verantwortlichen Europäischen Wirtschaftsrates veranlaßte den Europarat zur sofortigen Aufnahme von Beziehungen zu der ein Jahr älteren Schwesterorganisation; aber so unbestritten die Gemeinsamkeit ihrer Ziele und die Bereitschaft zu gestrebte Verschmelzung gelang nicht. Es zeigt sich hier an einem Sonderfall, was die Größe und das Verhängnis aller europäischen Einigungsbestrebungen dieses Jahrzehnts gewesen ist und voraussichtlich noch auf Jahre hinaus sein wird: in der Idee und im Willen ist man sich einig, in den Mitteln und im Weg findet man nur schwer zueinander.

Dem Europäischen Wirtschaftsrat erschien es sehr wünschenswert, daß seine Tätigkeit und seine Ziele im Europarat zur Diskussion gestellt und auf diese Weise in Zusammenhang mit der europäischen Politik im weiteren Sinne gebracht würden; es konnte für die Pläne und Richtlinien, die von Wirtschaftswissenschaftlern und Regierungsexperten in den Pariser Büros der OEEC ausgearbeitet wurden, nur von Vorteil sein, wenn sie von den Parlamentariern der Straßburger Versammlung auf ihre politische Zweckmäßigkeit hin geprüft würden. Die OEEC leitet daher dem Europarat ihren jährlichen Tä-tigkeitsbericht zu, der dort von der Wirtschaftskommission eingehend erörtert und dann von der Versammlung in einer großen Debatte über die wirtschaftliche Gesamtsituation Europas behandelt wird. Den Extrakt aus diesen Beratungen und Parlamentsdebatten bildet dann eine Resolution, mit der der Europarat der OEEC antwortet, die Anregung und Kritik enthält und die die OEEC zwar zu nichts verpflichtet, sie aber in der Regel wohl doch veranlaßt, sich mit den Argumenten zu beschäftigen, die ihr aus parlamentarisch-politischer Sicht geliefert werden. Dieses Verfahren mag auf den ersten Blick recht umständlich und unverbindlich erscheinen, trotzdem ist es ein Weg, um die Möglichkeiten und Schwierigkeiten der wirtschaftlichen Zusammenarbeit in aller Offenheit und Öffentlichkeit zu erörtern und über die Delegierten des Europarates sowohl die Parlamente wie die Regierungen der europäischen Staaten auf ihre Verantwortung für die wirtschaftliche Neuordnung Europas hinzuweisen.

Die Politik der britischen Regierung

Der Europäische Wirtschaftsrat hat sich jedoch stets allen Versuchen des Europarats, eine noch engere Zusammenarbeit oder sogar eine Fusion der beiden Organisationen herbeizuführen, zu entziehen vermocht; offenbar war er der Meinung, daß die Arbeit im kleineren Kreis von Sachverständigen fruchtbarer sein könnte als in einer Organisation, für die Wirtschaftsfragen nur einen Teil eines viel umfangreicheren Aufgabengebietes darstellen und deren Mechanismus durch die Zweiteilung in Ministerkomitee und Versammlung auf ein viel langsameres Tempo eingestellt ist als es in einem homogenen Arbeitsgremium von Fachleuten üblich ist. Dazu kommt allerdings ein wichtiges politisches Moment: im Europäischen Wirtschaftsrat hat sich von Anfang an Großbritannien eine einflußreiche Position gesichert, und bei den bekannten Bedenken der britischen Regierung gegenüber allzu stürmischen Integrationstendenzen übte sie äußerste Zurückhaltung, sobald den europäischen Institutionen zu weitgehende Befugnisse eingeräumt werden sollten. Zusammenarbeit ja, Integration nein, OEEC hier, Europarat dort, mit dieser Formel glaubte die britische Regierung ihre europäische Politik bestreiten zu können. Der lockere und für beide Institutionen doch nicht ergebnislose Kontakt, hergestellt durch den jährlichen Tätigkeitsbericht der OEEC an die Beratende Versammlung und die sich daran anschließende große Wirtschaftsdebatte sowie durch einen ständigen Verbindungsausschuß aus Vertretern der beiden Organisationen schien durchaus zu genügen, um ein fruchtbares und doch nicht strapaziöses Verhältnis herzustellen.

Der Europarat hat jedoch die Versuche nicht aufgegeben, sich enger mit dem Europäischen Wirtschaftsrat zu verbinden, obwohl er sich der technischen Schwierigkeiten bewußt sein mußte, die sich daraus ergeben, daß zu den Mitgliedern der OEEC außer sämtlichen Europaratsstaaten auch die Schweiz, Portugal und neuerdings Spanien gehören, von denen nicht anzunehmen ist, daß sie sich der Kontrolle einer ihnen fremden Organisation ausliefern werden. Zweifellos glaubte der Europarat, er würde an Gewicht und Aktionsfähigkeit gewinnen, wenn er einer Organisation verbunden wäre, der für die wirtschaftliche Neuordnung Europas entscheidende Bedeutung zukommt. Die Frage des Zusammenrückens der beiden Organisationen ist in der letzten Zeit wieder besonders aktuell geworden, weil man von der OEEC erwartete, ihr werde der Ausgleich zwischen den beiden europäischen Wirtschaftsblöcken EWG und EFTA gelingen, den der Europarat für ganz besonders dringlich hält.

Der Europarat hat sich aber außerdem unabhängig von der OEEC auf vielen Teilgebieten mit den wirtschaftlichen Fragen beschäftigt, die im Rahmen seiner weiteren politischen Tätigkeit auf ihn zukamen und deren Bereinigung von Wichtigkeit für das Zustandekommen eines geeinten Europa zu sein schien. Das geschah vor allem in der Beratenden Versammlung und ihrem Wirtschaftsausschuß, während das Ministerkomitee sich damit begnügte, die Stellungnahmen und Vorschläge der Versammlung dem Rat der OEEC zur Beratung zu überweisen; dieser war zweifellos sachverständig und zuständig für diese Fragen, aber er beurteilte die Dinge natürlich aus einseitig wirtschaftlicher Sicht, während die Versammlung sie in ihren großen politischen Zusammenhängen gewürdigt wissen wollte. Auch hier erweist sich die Vielzahl der europäischen Institutionen und die komplizierte Verteilung ihrer Kompetenzen als Ursache für manchen Leerlauf und einige ärgerliche Verzögerungen bei der Durchführung dringender Maßnahmen.

Keine Patentlösungen

In jedem Falle sollte man aber der Tatsache Rechnung tragen, daß die wirtschaftliche Struktur Europas und der Unterschied in der wirtschaftlichen Kapazität der einzelnen Länder es von vorneherein als aussichtslos erscheinen ließ, eine Generallösung für alle Probleme zu finden und eine schnelle und vollständige Beseitigung aller Widerstände und Gegensätze zu erreichen. Man konnte nicht erwarten, daß die grundsätzlich verschiedenen Interessen von Industrie-und Agrarnationen sich plötzlich europäisch gleichschalten ließen, und man mußte wissen, daß'für die Wirtschaftspolitik der hochentwikkelten zentraleuropäischen Staaten andere Maßstäbe gültig waren als für die der europäischen Randstaaten Türkei, Griechenland, Island usw.; man muß es auch Großbritannien zubilligen, daß es neben seinen nationalen auch die Interessen der Commonwealth-Länder berücksichtigt und deshalb auf Bindungen verzichten zu müssen glaubt, die seinen Nachbarn weniger bedenklich erscheinen. Im Europarat wurden alle diese Probleme in gemeinsamer Aussprache erörtert, und wenn man auch keine Patentlösungen dafür fand, so erzielte man doch Teilergebnisse, von denen man annehmen konnte, daß sie allmählich zu einer ausgeglichenen und stabilen europäischen Gesamtwirtschaft führen würden.

Der Europarat mußte es als seine Aufgabe betrachten, überall dort einzugreifen und anzuregen, wo es Ansatzpunkte für ein gemeinsames Planen und Handeln gab; er ist wachsam gewesen, wo neue Entwicklungen sich anisahnten, und wer neue Vorschläge anzubieten hatte, der fand in der Beratenden Versammlung bereitwillige und aktive Unterstützung für seine Ideen. Man debattierte dort gleich in den ersten Jahren den Sticker-Plan und den Pella-Plan, die beide die Liberalisierung des Handels und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes forderten, den Pflimlin-und den Mansholt-Plan, die eine europäische Agrarunion anregten. Es gab einen Beyen-Plan für eine Zollunion, einen Bonnefous-Plan für eine europäische Transport-behörde, einen Plan van de Kieft für eine europäische Luft-fahrtorganisation. Es gab ferner den Straßburg-Plan, in dem zum erstenmal mit allem Nachdruck die Verpflichtung Europas für die wirtschaftliche Unterstützung der Überseegebiete hervorgehoben wurde. Über alle diese Pläne gab es ausgiebige Diskussionen; keiner von ihnen wurde in seiner ursprünglichen Form verwirklicht, aber jeder hat eine Entwicklung eingeleitet, die später zu konkreten Ergebnissen führte; es sei nur an die Europäische Verkehrs-

ministerkonferenz und an die Europäische Zivilluftfahrtkommission erinnert, die von diesen Plänen angeregt wurden und nun schon seit Jahren auf ihrem Gebiete eine dauernde nützliche Tätigkeit entfaltet haben.

Von den zahlreichen Plänen zur wirtschaftlichen Neuordnung Europas, die in den fünfziger Jahren aufgestellt wurden, gewann der Schumanplan besondere Bedeutung; er führte zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und leitete eine neue Epoche der wirtschaftlichen Zusammenarbeit ein. Obwohl der Schumann-Plan nicht der unmittelbaren Initiative des Europarats entsprang, fand er doch sofort seine begeisterte Zustimmung und volle Unterstützung; das hatte zur Folge daß die Beziehungen zur Montangemeinschaft von Anfang an besonders eng waren, was darin seinen sichtbaren Ausdruck fand, daß die parlamentarischen Versammlungen der beiden Organisationen in einer jährlichen gemeinsamen Sitzung über die Tätigkeit der Montanunion im Rahmen der gesamteuropäischen Politik diskutierten. Als die Versammlung der Montangemeinschaft den Auftrag erhielt, die Verfassung für eine europäische politische Gemeinschaft vorzubereiten, da wurden selbstverständlich Mitglieder des Europarats zu den Beratungen herangezogen.

Ebenso lebhaft war der Anteil, den der Europarat seit der Messinakonferenz an der Vorbereitung und Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und Atomgemeinschaft nahm. Schon in den Verträgen war die dauernde enge Zusammenarbeit ausdrücklich festgelegt und die jährlichen gemeinsamen Sitzungen des Europäischen Parlaments und der Beratenden Versammlung gehören zu den großen Ereignissen der europäischen Politik. Sie gewinnen mehr und mehr an Bedeutung dadurch, daß sie zur Begegnung der parlamentarischen Vertreter der sechs EWG-und der sieben EFTA-Länder geworden sind, bei der manches geklärt und bereinigt werden kann, was das Verhältnis der beiden Wirtschaftsblöcke belastet. Der Europarat ist sich durchaus bewußt, daß ihm nier eine Aufgabe erwachsen ist, die für die Zukunft Europas entscheidend sein kann.

Erwähnt werden muß außerdem die Tätigkeit des Europarats auf Teilgebieten und Randgebieten des Wirtschaftslebens. Er hat sehr nützliche Vorarbeiten geleistet für ein einheitliches europäisches Kartellrecht und Patentrecht, er hat sich bemerkenswerte Verdienste erworben um die Vereinfachung des Verkehrs über die Grenzen, er hat ferner das Problem der Vollbeschäftigung und der Niederlassungsfreiheit erörtert. Für alle diese Fragen durfte er sich zuständig fühlen, weil sie nicht nur vom Wirtschaftlichen, sondern ebenso vom Politischen, Juristischen oder Sozialen her zu beleuchten sind und ihm in der Versammlung, in den Ausschüssen und Studienabteilungen die entsprechenden Fachleute zur Verfügung stehen.

Die Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl

Die Gründung der europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Communaute Europenne du Charbon et de l’Acier /CECA) hatte eine ganz neue Form des europäischen Wirtschaftsdenkens zur Folge. Es gab von nun an zwei Wege, auf denen man die europäische Wirtschaft zu koordinieren suchte: der Europäische Wirtschaftsrat behielt den Weg der organisierten Zusammenarbeit und der Assoziierung bei, die Montan-und die sich an sie anschließende Wirtschafts-und Atomgemeinschaft entschieden sich für den Weg der Integration, deren Merkmale die Markt-, Preis-und Zahlungsgemeinschaft sind, die durch rationelle Arbeitsteilung die Produktion steigern will und deshalb einer zentralen Leitung unterstehen muß; das hat wiederum zur Folge, daß die beteiligten Länder nicht nur ihre wirtschaftlichen, sondern auch ihre politischen Methoden und Ziele aufeinander abstimmen und deshalb einen Teil ihrer Souveränität auf die neuen Institutionen übertragen müssen.

Begreiflicherweise waren nicht alle Staaten zu einem so entscheidenden Schritt bereit; teilweise hinderte sie auch ihr Neutralitätsprinzip daran, so weitgehende politische Verpflichtungen einzugehen. Damit sind zwei Richtungen in Europa vorhanden, die zunächst zwar noch um einen Ausgleich bemüht waren, allmählich sich über in ihren Auffassungen so versteiften und zwei sich gegenseitig mißtrauende Blöcke bildeten, daß die Gefahr einer echten Spaltung durchaus in Betracht gezogen werden muß, die schlimmstenfalls zu einem für beide Teile ver-hängnisvollen Wirtschaftskrieg führen könnte. Diese gefährliche Entwicklung war allerdings nicht vorauszusehen; in den ersten Jahren betrachtete man innerhalb und außerhalb der Ge-meinschaft die neue Integrationspolitik mit Wohlwollen als ein besonders interessantes Experiment.

Am 9. Mai 1950 machte der damalige französische Außenminister Robert Schuman in einer Regierungserklärung vor dem Parlament den Vorschlag, „die gesamte französische und deutsche Kohle-und Stahlerzeugung einer gemeinsamen Hohen Behörde zu unterstellen und zwar innerhalb einer Organisation, die allen Ländern offen steht.“ Für Robert Schuman hatten schon damals die politischen Aspekte den Vorrang vor den wirtschaftlichen; die enge Verbindung der Schwerindustrie sollte eine Garantie für die Versöhnung der Gegensätze zwischen Frankreich und Deutschland sein und einen neuen Krieg schon materiell unmöglich machen. Am 18. April 1951 wurde der Montanvertrag unterzeichnet, der nach der Ratifizierung durch die Parlamente der sechs Staaten Frankreich, Bundesrepublik, Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg am 23. Juli 19 52 in Kraft trat; am 10. August des gleichen Jahres nahmen die Hohe Behörde in Luxemburg, am 8. September die Gemeinsame Versammlung in Straßburg und am 10. September der Gerichtshof ihre Tätigkeit auf. Es ist in der Geschichte der zwischenstaatlichen Beziehungen selten gewesen, daß ein Vertrag, der so revolutionär in seiner Zielsetzung und so beispiellos in seinen Methoden ist, in so kurzer Zeit ausgearbeitet und in Kraft gesetzt werden konnte.

Mit größeren Befugnissen ausgestattet

Die neue Institution wurde mit Rechten und Organen ausgestattet, wie sie bis dahin für internationale Zusammenschlüsse nicht existierten, die aber notwendig waren, um die Gemeinschaft als politisches Gebilde eigener Art erscheinen zu lassen und sie in ihrer Eigenständigkeit den bestehenden wirtschaftlichen und politischen Instanzen gegenüber funktionsfähig zu erhalten. Sie ist den Staaten übergeordnet, ohne diese in ihrer Souveränität wesentlich zu beeinträchtigen; in ihren Befugnissen entsprechen die Organe denen eines demokratischen Staates. Die Hohe Behörde als Exekutivorgan der Gemeinschaft erläßt die für die Durchführung des gemeinsamen Marktes notwendigen Entscheidungen, die sie nach Befragung der an diesem Markt beteiligten Interessengruppen und unter Berücksichtigung der Wirtschaftspolitik der Regierungen nach eigenem Ermessen trifft. Wenn sie auch ständige Kontakte mit der freien Wirtschaft, den Berufsverbänden und den Regierungen pflegt, so darf sie von diesen keine Weisungen entgegennehmen und einholen; die Entscheidungen der Hohen Behörde werden von den neun Mitgliedern gemeinsam getroffen. Der Ministerrat setzt sich aus je einem Mitglied der sechs Regierungen zusammen. Seine Aufgabe ist es, die Entscheidungen der Hohen Behörde mit der Wirtschaftspolitik der nationalen Regierungen in Übereinstimmung zu bringen. Er kann jedoch nur in bestimmten Fällen und nach einstimmigem Beschluß auf die Politik der Hohen Behörde Einfluß nehmen.

Die Montangemeinschaft ist die erste internationale Institution, die über ein parlamentarisches Organ verfügt, das nicht nur eine beratende Funktion ausübt wie die Versammlung des Europarats, sondern die Hohe Behörde ständig kontrolliert und, wenn nicht unmittelbar, so auf dem Umweg über die nationalen Parlamente, auch auf den Ministerrat Einfluß nehmen kann. In der „Gemeinsamen Versamm-lung" der Montanunion saßen 78 Delegierte, die von den Parlamenten der Mitgliedstaaten abgeordnet waren; inzwischen ist daraus das „Europäische Parlament" der drei Gemeinschaften geworden, das aus 142 Mitgliedern besteht und im übrigen die gleichen Rechte und Funktionen besitzt wie seine Vorgängerin. Die Gemeinsame Versammlung hatte mindestens insofern einen eigenen europäischen Parlamentsstil ausgebildet, als sich ihre Mitglieder schon nach kurzer Zeit nicht mehr in nationalen Delegationen, sondern in politischen Fraktionen zusammenschlossen und als solche eine Politik vertraten, die nicht mehr national, sondern europäisch orientiert war. Der Gerichtshof, den obersten Staatsgerichtshöfen vergleichbar, wacht über die Einhaltung der Vertragsbestimmungen und entscheidet bei Meinungsverschiedenheiten in der Auslegung des Vertrags. Im „Beratenden Ausschuß", der kein selbständiges, sondern der Hohen Behörde beigeordnetes Organ ist, nehmen Vertreter der Erzeuger-, Verbraucher-und Arbeitnehmerorganisationen zur Politik der Gemeinschaft Stellung.

Damit waren die organisatorischen Voraussetzungen für eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik wenigstens auf dem wichtigen Kohle-und Stahl-Sektor geschaffen und alle am politischen und wirtschaftlichen Leben beteiligten Kreise hatten das demokratische Recht, auf diese Politik Einfluß zu nehmen. Das Experiment — und zunächst war es nicht mehr als ein Experiment — hat sich in der Praxis bewährt; nicht so, daß alle Bestimmungen des Vertrages und alle Entscheidungen der Hohen Behörde auf die Dauer als absolut richtig und unabänderlich akzeptiert worden wären und auch nicht so, daß die sechs Regierungen oder die Sozialpartner oder die einzelnen Betriebe der Montanindustrie in jedem Fall mit den Maßnahmen der Hohen Behörde einverstanden gewesen wären, aber doch insoweit, als sich der Montanvertrag als ein Instrument erwies, das einen vernünftigen Ausgleich zwischen den Erfordernissen einer gemeinsamen europäischen und den Notwendigkeiten der nationalen Wirtschaftspolitik einerseits, sowie den Ansprüchen der privaten Wirtschaft und der Sozialpartner andererseits ermöglichte.

Zu einer wirklich bedrohlichen und lang andauernden Krise ist es jedenfalls nicht gekommen, so ernst zeitweise die Lage auf dem europäischen Kohlenmarkt gewesen ist;, das ist vielleicht nicht so sehr das Verdienst der Autoren des Vertrags, der zu Kritik und Revisionsansprüchen wiederholt Anlaß gab, als derer, die den Vertrag mit der nötigen Großzügigkeit und Geschmeidigkeit zu handhaben wußten. Das trifft auf die Organe der Gemeinschaft ebenso zu wie auf die Vertreter der Regierungen und die Funktionäre der Produzenten-und Verbraucherorganisationen, die sich in erster Linie ihrer europäischen Verpflichtungen bewußt waren und erst in zweiter Linie die besonderen Interessen ihres Amtes, ihres Verbandes oder ein vermeintliches Prestige geltend machten. Es gab und gibt natürlich noch überall Menschen, die es nicht verlernt haben, in nationalstaatlichen Kategorien zu denken und deshalb mit Mißvergnügen und Mißtrauen die neue Europapolitik verfolgen. Aber wo und wann immer Fortschritte und Erfolge in der Einigungspolitik erzielt wurden, erreichte man sie durch großzügige Verständigungsbereitschaft; wo man nur auf sein Recht und seinen Vorteil bedacht war, erntete man Enttäuschung und Verdruß.

Vorstufe weiterer Verflechtung

Es hat zweifellos die Durchführung des Vertrages erleichtert, daß er nur auf ein Teilgebiet der Wirtschaft abgestellt war, daß man in allen beteiligten Ländern zwar nicht unter gleichen, aber unter vergleichbaren Produktionsbedingungen arbeitete und kalkulierte. Trotzdem erwies es sich bald — und damit hatten die Urheber des Vertrags gerechnet —, daß bei der Verflochtenheit der modernen Wirtschaft ein einzelner Sektor nicht ausgeklammert und auf die Dauer unter besonderen wirtschaftspolitischen Gesichtspunkten organisiert werden könnte. Das Nebeneinander zweier Marktsysteme erwies sich bald als einigermaßen problematisch, weshalb man sich schnell daran gewöhnte, die Montangemeinschaft als ersten Versuch und Vorstufe für weitere Integrationen zu betrachten.

Im Ministerrat " nd in der Versammlung war die denkbar beste Zusammenarbeit mit den nationalen Regierungen und Parlamenten gewährleistet. Die Hohe Behörde war aber außerdem ständig bemüht, die Verbindungen mit den Ländern außerhalb der Gemeinschaft zu pflegen, die ihrerseits durch die Errichtung eigener Missionen in Luxemburg die Montanunion als eine Institution mit eigenen Hoheitsbefugnissen und als einen bedeutenden Faktor in der Weltwirtschaft anerkannten. Ständige und fruchtbare Beziehungen wurden ferner zu den verwandten Organisationen, namentlich zum Europäischen Wirtschaftsrat und zum Europarat, unterhalten und ebenso zu den Industrieverbänden und Arbeitergewerkschaften. Aus diesem lebendigen Kontakt mit der Weltwirtschaft, den National-wirtschaften und der Privatwirtschaft gewann die EGKS die Maßstäbe für ihr eigenes wirtschaftspolitisches Verhalten, das keinerlei autarkische Neigung erkennen ließ.

Aber sie faßte ihre Aufgabe noch weiter: bereits im Jahre 1952 ersuchte der Ministerrat die Versammlung, die Vorarbeiten für die Gründung einer Europäischen Politischen Gemeinschaft zu übernehmen, die man als die sachliche und logische Konsequenz der wirtschaftlichen Integration ansah. Im März 1953 konnte die Versammlung den Satzungsentwarf für die Politische Gemeinschaft vorlegen. Gleichzeitig entstand aber der Plan für eine Europäische Verteidigungsgemeinschaft, und in der Koppelung der wirtschaftlichen, militärischen und politischen Gemeinschaften glaubte man die endgültige Lösung aller europäischen Probleme gefunden zu haben. Als aber die Verteidigungsgemeinschaft zum Scheitern gebracht wurde, trat eine allgemeine Ernüchterung ein, die dazu führte, daß auch der Plan für die politische Gemeinschaft zu den Akten gelegt wurde. Einige Zeit später entstand aber gerade in den Kreisen der Montanunion der Plan für die Errichtung eines allgemeinen gemeinsamen Marktes; aus den Erfahrungen der ersten echten Teilintegration mußten die Bestrebungen für eine Gesamt-Integration der europäischen Wirtschaft moralisch und organisatorisch ihre stärksten Argumente erhalten.

Diese Argumente lieferte nachträglich nodi besonders eindrucksvoll die Kohlenkrise der Jahre 1958/59, die der Montanunion zunächst gefährlich zu werden schien, dann aber doch nicht zur Krise der Gemeinschaft führte, weil sich schnell herausstellte, daß sie mit der von der EGKS eingeschlagenen Politik kaum etwas zu tun hatte, sondern auf Strukturveränderungen in der Energiewirtschaft, namentlich auf das Vordringen des Heizöls zurüdezuführen war. Die Krise wäre genau so eingetreten, wenn die Kohleindustrie noch national organisiert gewesen wäre, aber die Folgen wären vermutlich verhängnisvoller geworden, wenn es keine Hohe Behörde gegeben hätte, die in der Lage war, die Maßnahmen der nationalen Behörden und des Bergbaus der sechs Länder aufeinander abzustimmen und durch eigene Hilfsmaßnahmen die dringendsten Notstände zu beseitigen. Die Krise zeigte wirtschaftliche Zusammenhänge auf, die keinen Zweifel mehr darüber lassen, daß im Ernstfall eine Teilintegration nicht über die Mittel verfügt, um gesunde Verhältnisse und ein Einverständnis unter den benachbarten und konkurrierenden Industrien herzustellen. Es war in dieser Lage zweifellos ein Vorteil, daß die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft bereits zu funktionieren begonnen hatte und eine einheitliche Energiepolitik in die Wege leiten konnte, die sowohl die Kohle wie das Erdöl und Erdgas, die Atomenergie wie die Wasserkraft einbezog. Da die Ölindustrie wie kaum eine andere internationalen Einflüssen unterliegt, erscheint eine internationale Institution als die gegebene Gesprächspartnerin für die Koordinierung der Energiewirtschaft. Das Gespräch ist bereits in vollem Gange und dürfte in absehbarer Zeit dazu führen, daß die EGKS in ihrer gegenwärtigen Form zu bestehen aufhören wird; es wird dann die Aufgabe der Wirtschaftsgemeinschaft sein, den Energiemarkt so zu ordnen, daß alle Energieträger zu ihrem Rechte kommen.

Die EGKS ist ihrer doppelten Aufgabe, sich mit den Wirtschaftssubjekten der Montanwirtschaft zu verständigen und die Regierungen der Mitgliedstaaten für eine gemeinsame Wirtschaftspolitik zu gewinnen, gerecht geworden. So konnte sie zum Modell für die späteren europäischen Wirtschaftsorganisationen werden, die nicht nur technische Koordinierung und Zusammenarbeit, sondern die Verschmelzung der nationalen Volkswirtschaften zu einer supranational gelenkten und gleichzeitig demokratisch orientierten Wirtschaftseinheit zum Ziele haben.

Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft

Den in seiner Konzeption und Zielsetzung bisher kühnsten Versuch einer solchen internationalen Wirtschaftsorganisation stellt die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG — Communaute Economique Europeenne/CEE) dar. Wie sehr sie zu einem maßgebenden Faktor des politischen und wirtschaftlichen Lebens in Europa geworden ist, erkennt man mit jedem Blick in irgend eine Tageszeitung; es vergeht kaum noch ein Tag, an dem nicht das, was in der Gemeinschaft geschieht, und die Reaktionen, die dieses bei den Nachbarn hervorruft, zu den wichtigen Ereignissen der großen Politik gerechnet wird. Es ist kein Zweifel, daß die neuen europäischen Institutionen sowohl in ihrem organisatorischen Aufbau wie in ihrer politischen Substanz eine für das Nachkriegseuropa typische und gegenüber den vorangehenden national-staatlichen und nationalwirtschaftlichen Vorstellungen sicher auch vernünftigere Ordnung repräsentieren. Das breite Interesse, daß sie findet, gilt daher nicht nur ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit, sondern sehr weitgehend dem neuen politischen Stil, den sie verkörpert.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht uninteressant, daß der erste Anstoß zur Gründung der Wirtschaftsgemeinschaft von einem Ereignis ausging, das wenig mit der Wirtschaft zu tun hatte. Im August 1954 war das Projekt einer europäischen Verteidigungsgemeinschaft vom französischen Parlament abgelehnt worden, und die gesamte europäische Einigungspolitik hatte davon schweren Schaden genommen. Um einen Ausweg aus der deprimierenden Situation zu suchen, trafen sich die Außenminister der sechs Montanunion-Staaten im Juni 1955 in Messina und beauftragten ein Sonderkomitee damit, neue Möglichkeiten für die Wiederbelebung des Einigungsgedankens ausfindig zu machen. Dieses Komitee, unter dem Vorsitz des damaligen belgischen Außenministers Spaak, orientierte sich an der Idee, die Robert Schuman 1950 verkündet hatte und an den Erfahrungen, die von der Montangemeinschaft in den drei Jahren ihres Bestehens gemacht worden waren. Der Bericht des Komitees an die auftraggebenden Außenminister bediente sich rein wirtschaftlicher Argumente und seine konkreten Vorschläge konzentrierten sich auf die Errichtung eines gemeinsamen Marktes. Die wenig glücklichen Ergebnisse, die die Europäer auf dem Gebiet der politischen und militärischen Einigung erzielt hatten, forderten es geradezu heraus, über die wirtschaftliche Integration zu besseren Erfolgen zu kommen, nicht nur weil das Beispiel der Montanunion überzeugend erschien, sondern auch weil das oft wiederholte Argument eines einzigen gemeinsamen Marktes für 170 Millionen Menschen sowohl für die ungeduldigen wie für die zögernden und gleichgültigen Europäer verführerisch erscheinen mußte.

Den Schumanplan nahm man deshalb als Modell für die neuen Verträge, die am 20. Mai 1957 in Rom unterzeichnet wurden und am 1.

Januar 1958 in Kraft traten; daher heißen sie die „Römischen Verträge“. Auch in ihrem organisatorischen Aufbau sind die neuen Gemeinschaften weitgehend nach dem Vorbild der Montanunion eingerichtet worden. Die Wirtschaftsgemeinschaft, die Atomgemeinschaft und die Kohle-und Stahl-Gemeinschaft wurden einander gleichgestellt und erhielten als gemeinsame Organe das Europäische Parlament und den Europäischen Gerichtshof; dagegen hat jede der Gemeinschaften ihren eigenen Ministerrat, in den die sechs Regierungen ihre Außenminister oder auch je einen ihrer Fachminister entsenden, und der infolgedessen meist in gleicher personeller Besetzung, aber mit verschiedener Aufgabenstellung, zusammentritt.

Nach innen wie nach außen treten die Kommissionen der Wirtschafts-und Atomgemeinschaft sowie die Hohe Behörde der Montanunion am stärksten in Erscheinung; sie bestehen aus je neun Mitgliedern, die auf Grund besonderer Qualifikation auf Vorschlag der Regierungen ausgewählt werden und in gewissem Sinne als die Exekutivorgane der Gemeinschaften angesehen werden können, die für die Ausführung der Bestimmungen der Verträge verantwortlich sind und deren Ziele zu verwirklichen haben; sie sind unabhängig und dürfen von den Räten und Regierungen keine Weisungen entgegennehmen, pflegen aber mit ihnen ständige Konsultationen; sie haben Stellungnahmen und Empfehlungen auf den ihnen zugewiesenen Gebieten abzugeben; ihre Beschlüsse und Vorschläge bedürfen jedoch der Zustimmung der Ministerräte, ehe die Regierungen zu ihrer Ausführung verpflichtet werden können. Man wird die Aufgabe der Kommission so definieren können, daß sie zunächst die Voraussetzungen und objektiven Maßstäbe für eine gesamteuropäische Wirtschaftspolitik festzulegen sucht, diese dann den Praktiken und Auffassungen der nationalen Regierungen gegenüberstellt und daraus die Vorschläge ableitet, von denen angenommen werden kann, daß sie sowohl dem gemeinsamen europäischen Ziel wie den nationalen Besonderheiten gerecht werden.

Die Kommissionen unterstehen außerdem der Kontrolle des Europäischen Parlaments, das aber gleichzeitig Konsultativorgan ist und die Kommission unterstützt, wenn der Ministerrat eine schleppende Politik betreibt. Es findet ein regelmäßiger Gedankenaustausch zwischen den Parlamentariern und den Mitgliedern der Kommissionen sowohl in der Plenarversammlung wie in den Ausschüssen statt. Dieses ständige Gespräch mit den Parlamentsmitgliedern einerseits und den Regierungsvertretern andererseits gibt den Kommissionen Rang und Gewicht; sie stehen sowohl in unmittelbarer Verbindung mit der allgemeinen politischen Entwicklung in den Ländern wie sie auch aus eigener Initiative zu handeln vermögen, ohne zu einer allzu doktrinären oder dirigistischen Haltung verführt zu werden. Es kann hier nicht im einzelnen untersucht werden, worin sich die römischen Verträge vom Montanvertrag unterscheiden; interessant ist jedoch, daß die formalen Befugnisse der beiden Kommissionen gegenüber der Hohen Behörde eher eingeschränkt als erweitert wurden; da aber mindestens die Wirtschaftsgemeinschaft gegenüber der Montangemeinschaft ein ungleich umfangreicheres Aufgabengebiet und damit einen viel stärkeren Einfluß auf die Gesamtpolitik besitzt, stellt die Kommission heute einen politischen Faktor ersten Ranges dar.

Gemeinsamer Markt für alle Wirtschaftsgebiete

In den Verträgen wurde der EWG das Ziel gesetzt, den gemeinsamen Markt, der für Kohle und Stahl bereits Wirklichkeit geworden war, allmählich auf alle Wirtschaftsgebiete auszudehnen in der Weise, daß nach Ablauf von 12 bis 15 Jahren Europa ein einheitliches Wirtschaftsgebiet sein würde. Durch etappenweise Annäherung der Wirtschaftspolitik der Mitgliedstaaten sollte allmählich eine gemeinsame Wirtschaftspolitik erreicht werden, die sich am Anfang aber als um so schwieriger erweisen mußte, je mehr sich die wirtschaftlichen und politischen Ausgangspositionen in den einzelnen Ländern voneinander unterschieden. Während für Kohle und Stahl überall in Mitteleuropa ungefähr vergleichbare Produktionsbedingungen gegeben sind, haben andere Märkte, namentlich der landwirtschaftliche, mit so gewaltigen, teils durch das Klima, teils durch die Produktionstechnik oder durch die staatliche Subventionspolitik bedingte Unterschiede zu rechnen, daß die in der Montanunion gesammelten Erfahrungen keineswegs für alle übrigen Märkte anwenbar sind.

Trotzdem hat die EWG seit dem 1. Januar 1958 so unerwartete Fortschritte gemacht, daß der ursprünglich vorgesehene Zeitplan voraussichtlich erheblich abgekürzt werden kann. Vor allem auf dem Gebiete der Zölle — und eine Zollunion mit dem Wegfall sämtlicher Binnenzölle und der Festsetzung gemeinsamer Außenzölle sollte die Grundlage der Gemeinschaft bilden — ist man schnell vorwärts gekommen. Nachdem die Binnenzölle bereits in zwei Stufen herabgesetzt wurden, hat man am 1. Januar 1961 auch mit der Festlegung eines gemeinsamen Außen-zolltarifs begonnen, so daß die Zollunion in absehbarer Zeit verwirklicht sein wird. Weniger schnell war man in der Durchführung einer gemeinsamen Handels-und Finanzpolitik. Aber bereits im Mai 1960 hat der Ministerrat auf Vorschlag der Kommission und mit voller Billigung des Parlaments die Beschleunigung der Durchführung des Vertrags beschlossen, so daß die europäische Wirtschaftsunion weder die ursprünglich angenommenen 12 und noch viel weniger die äußerstenfalls zugestandenen 15 Jahre zu ihrer Verwirklichung brauchen wird. Außer einer mit Energie und Weitblick betriebenen Politik der Kommission ist natürlich die besonders günstige wirtschaftliche Konjunktur der letzten Jahre für diese Erfolge von entscheidender Bedeutung gewesen.

Man kann jedoch leider nicht sagen, daß sich die Errichtung des gemeinsamen Marktes in je-dem Fall so reibungslos vollzog. Da sich die sechs Partner im Prinzipiellen einig waren, konnte für die je nach der Natur oder Struktur der einzelnen Wirtschaftszweige verschieden gelagerten und verschieden akzentuierten Probleme nach gründlichen Untersuchungen und Verhandlungen schließlich doch immer eine technische Lösung gefunden werden. Die Schaffung des gemeinsamen Marktes hat jedoch außerdem eine Reihe von politischen Fragen aufgeworfen, die nicht in internen Absprachen zu klären waren weil die Gesprächspartner außerhalb der Gemeinschaft und ihr mit einigem Mißtrauen gegenüber stehen. Das ist die andere Seite der von der EWG betriebenen Wirtschaftspolitik, die vorerst nur verschiedene Gruppierungen, aber noch keine neuen Lösungen gebracht hat. Hier stehen wir mitten in den Auseinandersetzungen, über die abschließend noch zu reden sein wird.

EURATOM und andere Atomorganisationen

Gleichzeitig, unter den gleichen Voraussetzungen und mit den gleichen Zielen wie die EWG wurde die Europäische Atomgemeinschaft (EAG, EURATOM — Communaute Europeenne de TEnergie Atomique CEEA) gegründet. Obwohl vertragstechnisch und organisatorisch der Wirtschaftsgemeinschaft gleichgestellt, hat man sie doch als eigene Institution geschaffen, in der Überzeugung, daß ein gerade erst entstehender Industriezweig — bis dahin war die Beschäftigung mit Atomenergie vorwiegend eine Angelegenheit der Wissenschaftler — unter anderen wirtschaftlichen und psychologischen Voraussetzungen nach europäischen Gesichtspunkten entwickelt werden müßte als sie für die Überführung der bereits bestehenden Industrien in eine europäische Gesamtwirtschaft gegeben waren.

Dazu kam, daß die wirtschaftliche Nutzung der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse Investierungen von Kapitalien notwendig machten, die keinem der europäischen Länder zur Verfügung standen. Gerade am Beispiel der Atomindustrie zeigt es sich, daß die moderne Wirtschaft finanzielle, technische und personelle Anforderungen stellt, die mit den herkömmlichen Mitteln eines kleinen Landes einfach nicht mehr zu bewältigen sind. Die Zusammenfassung der wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Kräfte der sechs Länder und ihre Zusammenarbeit mit den LISA, Großbritannien und Kanada, die sich zur technischen und materiellen Unterstützung bereit erklärt hatten, ermöglichte der Atomgemeinschaft jedoch einen Start, den keines der sechs Länder allein sich jemals hätte leisten können.

Auf der Messinakonferenz von 1955 hatten die sechs Außenminister aus ihrer Überzeugung, daß die Entwicklung der Atomenergie für friedliche Zwecke binnen kurzem die Aussicht auf eine neue industrielle Revolution von ungleich größerem Ausmaß als jene der letzten hundert Jahre eröffne, den Schluß gezogen, daß zur Bewältigung der neuen Aufgaben eine Institution geschaffen werden müsse mit Mitteln und Kompetenzen, die einer Aufgabe von solchen Dimensionen und Perspektiven entsprechen. Das zusammen mit dem EWG-Vertrag unterzeichnete und teilweise mit diesem gleichlautende Vertragswerk umfaßt 225 Artikel. Die EURATOM-Organisation setzt sich wie die der EWG und EGKS aus dem Ministerrat, der Kommission, dem Parlament, dem Gerichtshof, einem Beratenden Wirtschafts-und Sozialausschuß und einem Beratenden wissenschaftlichen und technischen Ausschuß zusammen; beide Gemeinschaften haben ihren Sitz in Brüssel.

EURATOM verfügt über einen Jahresetat von über 300 Millionen belgischer Franken. Nach dem letzten Jahresbericht sind bereits vier Forschungsstellen mit Sonderausgaben im Aufbau, mit den wissenschaftlichen Organisationen der Mitgliedsländer sind siebzig Forschungsverträge abgeschlossen und die Zusammenarbeit mit wissenschaftlichen und industriellen Atomeinrichtungen außerhalb der Gemeinschaft ist angelaufen. Der atomwissenschaftlichen Forschung widmet die Gemeinschaft ein besoderes Augenmerk; sie bemüht sich um die Gründung einer europäischen Universität, um den Austausch von Lehrern und Studenten und um die wissenschaftliche Zusammenarbeit der nationalen Fachinstitute; sie findet dabei die volle Unterstützung der Schwesterorganisationen und des Europäischen Parlaments, während der Ministerrat sich abwartend verhält.

Durch wirtschaftliche Zusammenarbeit politische Gefahren neutralisieren

Wie kein anderes Ereignis der Weltgeschichte, der Wissenschaft und Technik ist die Entwicklung der Atomforschung schon in einem ganz frühen Stadium zu einem eminent politischen Problem geworden; zweifellos deshalb, weil man leider zuerst ihre furchtbaren zerstörerischen Möglichkeiten erkannt und genutzt hat bevor man an den unendlichen Nutzen dachte, den sie der Menschheit bringen konnte. Beide Erwägungen jedoch, die Furcht vor einer totalen Weltkatastrophe und die Erwartung eines noch nicht übersehbaren Segens haben zur Gründung einer Reihe von anderen internationalen Organisationen geführt, die für die wissenschaftliche Forschung und industrielle Nutzung der Kernenergie alle Kräfte zu mobilisieren suchen, die in den ihnen angeschlossenen Ländern verfügbar sind; nicht nur um deren wissenschaftliche, technische und finanzielle Kapazitäten zu koordinieren, sondern auch um Rivalitäten zu verhindern und den möglichen machtpolitischen Mißbrauch eines erst in seinen Anfängen erkennbaren wirtschaftlichen und technischen Faktors rechtzeitig auszuschließen. Wir begegnen hier wieder dem Gedanken, den die Gründer der Montangemeinschaft bereits 1952 sich zu eigen machten und der zu einem Leitgedanken der zweiten Jahrhunderthälfte werden dürfte: durch wirtschaftliche Zusammenarbeit die politischen Gefahren zu neutralisieren, die jeder Machtkonzentration immanent sind; eine Zeit die so entscheidende wirtschaftliche und technische Umwälzungen erlebt, muß zwangsläufig auch neue politische Vorstellungen und Formen entwickeln.

Es soll in diesem Zusammenhang wenigstens kurz auf diese Organisationen hingewiesen werden, die man zwar nicht als eigentliche Wirtshaftsorganisationen bezeichnen kann, die aber doch die Aufgaben und Absicht haben, durch internationale Absprachen die Atomkraft aus der Gefahrenzone politischer und militärischer Überlegungen in den Bereich wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Denkens zu führen. Alle internationalen Atomorganisationen verpflichten sich ausdrücklich, nur für die friedliche Anwendung der Atomenergie tätig zu werden.

Von der Europäischen Kernenergie-Agentur ein-(ENEA), weihe die OEEC 1958 in Paris gerihtet hat, wurde shon gesprohen. Seit 1954 besteht in Genf die Europäishe Organisation für kernphysikalishe Forshung (Organisation Europeenne pour la Reherhe Nucleaire/CERN) ’ der zwölf europäishe Staaten angehören; S 15 dient der kernphysikalishen Grundlagenfor shung und unterhält ein eigenes ForshungS'institut. 81 Mitgliedstaaten westliher und öst liher Prägung gehören der Internationalen Atomenergie-Organisation (International Atomic Energy Agency/IAEA) an, die 1956 in Wien gegründet wurde und unter dem Protektorat der Vereinten Nationen steht; sie hat die wissenschaftliche und materielle Förderung der friedlichen Ausnützung der Atomenergie in der ganzen Welt, die technische Hilfe für Entwicklungsländer, die Ausarbeitung von Sicherheitsmaßnahmen und Gesundheitsvorschriften zum Ziele.

Schließlich ist die Europäische Atomenergie-Gesellschaft (European Atomic Energy So-ciety /EAES) zu erwähnen, in der die Atombehörden von zwölf europäischen Ländern zusammengeschlossen sind, um den ständigen Gedanken-und Erfahrungsaustausch der Wissenschaftler und Techniker zu pflegen; ihr Sitz ist seit 1954 in London.

Das Europa der Sechs und der Sieben

Noch bevor die erste Etappe der von den drei Gemeinschaften getragenen europäischen Wirtschaftspolitik abgelaufen ist, hat man begonnen, ihre Ziele höher zu stecken als sie in den Verträgen festgelegt waren. Dabei geht es nicht nur um die Beschleunigung in der Herabsetzung von Zöllen und im Abbau der anderen Handelsbeschränkungen innerhalb der Gemeinschaft, sondern auch um die Überlegung, ob die Aufgabenverteilung auf die drei Organisationen der EWG, EAG und EGKS, die man ursprünglich vorsichtshalber vorgenommen hatte, bei dem über Erwarten glücklichen Start der neuen Institutionen, bei ihrer fast ungestörten Zusammenarbeit untereinander und mit den sechs Regierungen noch als sinnvoll betrachtet werden kann oder ob nicht jetzt schon der Augenblick gekommen ist, die drei Exekutiven ebenso zusammenzulegen, wie man schon von Anfang an ein gemeinsames Parlament und einen gemeinsamen Gerichtshof geschaffen hatte. Die Erfahrungen und Überlegungen von 1960 rechtfertigen eindrucksvoll das Experiment, das mit dem Montanvertrag von 1952 begonnen wurde und mit dem EWG/EAG-Vertrag von 195 8 seine erste Bewährung bestanden hatte. Aber damit ist nicht nur eine Konzentration wirtschaftlicher Macht gegeben, wie sie Europa noch nie gekannt hatte, sondern zugleich eine Verlagerung der politischen Gewichte, die außerhalb der Gemeinschaft mit geteilten Gefühlen zur Kenntnis genommen werden mußte.

Dieser imposante europäische Wirtschaftsorganismus, der in den Verträgen noch als ein mit aller Vorsicht zu behandelndes Fernziel erschien, war vom Augenblick seiner Entstehung an entschlossen, alle Möglichkeiten des Vertrags auszunützen und sich ein ausgeprägtes Eigenleben zu sichern und war außerdem dynamisch genug, um über die unmittelbaren Vertragsziele hinaus seinen eigenen Auffassungen über eine europäische Wirtschaftsunion Anerkennung zu verschaffen und mit seinen eigentlichen wirtschaftlichen Aufgaben ganz bestimmte politische Integrationsziele zu verbinden. Diese Eigenständigkeit und Eigenwilligkeit der neuen Institutionen war zweifellos ein großer Sieg der europäischen Idee in den sechs Ländern Klein-oder Kerneuropas, wie man es je nach dem Standpunkt des Betrachters zu nennen pflegt, sie war aber gleichzeitig eine Quelle des Mißtrauens und Unbehagens bei ihren europäischen Nachbarn, die aus irgendwelchen Gründen sich der Gemeinschaft nicht anschließen wollten oder konnten.

Die Gefahr einer Spaltung Europas in zwei Lager, in das integrierte und assoziierte, tauchte bald auf; sie beherrscht seit längerem die Gespräche nicht nur der europäischen Wirtschaftler, sondern mehr noch der Politiker, und sie besteht in diesem Augenblick noch unvermindert fort, so sehr beide Seiten versichern, es dürfe und werde keine zwei sich beargwöhnende und befehdende Blöcke in Europa geben. Es wäre wenig klug, diese Gefahr zu bagatellisieren, an die zunächst allerdings niemand gedacht hatte, denn nicht nur die sechs beteiligten Länder, sondern auch ihre europäischen Nachbarstaaten und ganz besonders die USA begrüßten und unterstützten diese wirtschaftliche Konzentration, bis es sich zeigte, daß sie Marktverschiebungen zur Folge haben würde, die tief in das Wirtschaftsleben ganz Europas eingreifen und auch für die Weltwirtschaft unvorhergesehene Folgen haben könnten.

Verwirrung nicht nur in der Terminologie ....

Bis jetzt ist der Wirtschaftskrieg zwar noch vermieden worden, aber es haben sich doch immer wieder Zusammenschlüsse vollzogen und Gruppen zwar nicht mit aggressiven, aber mit eindeutig defensiven Absichten gebildet, deren Unübersichtlichkeit und Kurzlebigkeit ein deutlicher Ausdruck für die peinlich verworrene Lage ist, in der wir uns jetzt befinden. Um einige Ordnung in das Durcheinander zu bringen, hat man sich auf eine vereinfachende Terminologie insofern geeinigt, als man die jeweiligen Gruppierungen nach der Zahl ihrer Mitglieder zu bezeichnen und sie mit oder ohne änsefüßchen als halbwegs feststehende Gro-

en gelten zu lassen pflegt. Die „Sechs“ sind die Gemeinschaftsländer Bundesrepublik, Frankreich, Italien, Belgien, Niederlande, Luxemburg; zu den „Sieben" gehören die Länder der Kleinen Freihandelszone, nämlich Großbritannien, Dänemark, Norwegen, Schweden, Österreich, Schweiz und Portugal (als „Sieben" bezeichnet man gelegentlich auch die in der Westeuropäischen Union zusammengeschlossenen „Sechs“ plus Großbritannien, die eigentlich eine Verteidigungsorganisation ist, aber ganz neuerdings auch mit der Frage des „Brückenschlags" in Zusammenhang gebracht wird). Die Große Freihandelszone besteht aus den „siebzehn" Ländern der OEEC, nämlich den „Sechs“ plus „Sieben" plus Griechenland, Türkei, Irland, Island und, wenn man von den „Achtzehn" spricht rechnet man noch Spanien hinzu, das seit 1958 Voll-mitglied der OEEC ist. Unter den „Einundzwanzig“ versteht man die „Achtzehn" plus USA, Kanada und EWG, der damit als Institution die gleichen Rechte und Befugnisse zuerkannt werden wie den übrigen zwanzig souveränen Staaten; sie haben ein Arbeitsteam gebildet, um die wirtschaftliche Zusammenarbeit aller Länder des Westens organisatorisch vorzubereiten; da das Ergebnis nicht sehr befriedigend war, schränkte man die Zahl wieder ein und berief eine Wirtschaftskonferenz der „Dreizehn" ein, bestehend aus fünf EWG-Ländern, fünf Freihandelszone-Ländern, dem neutralen Griechenland sowie den USA und Kanada, die ihrerseits den „Rat der vier Weisen“ einsetzte (je ein leitender Beamter der USA, Großbritanniens, Frankreichs und Griechenlands), um im kleinsten Kreise noch einmal zu versuchen, was den „ 6“, den „ 7“, den „ 18", den „ 21“, und den „ 13“ nicht gelungen war. Das Ergebnis aller dieser Bemühungen ist nun die vertraglich, aber noch nicht organisatorisch existierende Nachfolgerin der OEEC, nämlich die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die zwanzig Mitglieder haben und aus den „Achtzehn“ plus USA und Kanada bestehen wird.

Ähnlich verwirrend wie die zahlenmäßige Zusammensetzung der verschiedenen Gruppen, die sich die wirtschaftliche Verständigung Gesamt-europas nach der Gründung der kleineuropäischen Wirtschaftsgemeinschaft zum Ziele gesetzt haben, ist der Ablauf ihrer Begegnungen und die Austragung ihrer Kontroversen. Sich im einzelnen mit ihnen zu beschäftigen, ginge weit über den Rahmen dieser Übersicht hinaus, zumal dabei keineswegs nur wirtschafts-oder handelspolitische Gegensätze sich geltend machten, sondern rein politische Überlegungen schon deshalb an Einfluß gewannen, weil der EWG vom Vertrag her starke politische Impulse mitgegeben waren, die dadurch noch besonders aktiviert wurden, daß in die Spitzenstellungen der Gemeinschaften Männer mit ausgeprägten politischen Neigungen und Begabungen berufen wurden. Dazu kommt, daß in den Vorstellungen des französischen Staatschefs de Gaulle die europäischen Wirtschaftsinstitutionen solange von begrenztem Wert bleiben, bis ein starker politischer Wille hinter ihnen steht; bei der Rolle, die Frankreich in der Gemeinschaft der Sechs spielt, können solche Vorstellungen natürlich nicht unberücksichtigt bleiben. Wenn auch das Auf und Ab und Hin und Her in den Begegnungen und Auseinandersetzungen der Sechs mit den anderen europäischen Ländern nicht in allen seinen Phasen hier erörtert werden kann, so muß doch auf die großen Zusammenhänge hingewiesen werden, um einigermaßen die zwar nicht bedrohliche aber doch unbehagliche Lage zu erklären, in der sich Westeuropa seit etwa zwei Jahren befindet. Daß man sich dieser unerfreulichen Situation bewußt war, zeigen die zahllosen Konferenzen, die sich mit dem Dilemma befaßt haben, zeigen die Bemühungen der Regierungen und Parlamente, der Wirtschaftsverbände und Wirtschaftsführer, der europäischen und internationalen Organisationen um eine Verständigung; der Begriff des „Brückenschlags“ ist zum meistgehörten Schlagwort in der europäischen Politik geworden. Man ist sich allenthalben bewußt, daß nicht nur die Wirtschaft auf beiden Seiten zu Schaden kommen würde, sondern die gesamte europäische Einigungspolitik, wie sie seit der Gründung des Europäischen Wirtschaftsrates und des Europa-rates betrieben worden war, ernsthaft in Frage gestellt würde.

Die große und die kleine Freihandelszone

Bereits seit der Konferenz von Messina im Jahre 195 5, auf der die Integrationspläne ihre erste, noch vorsichtige Formulierung fanden, stellte man vor allem in Großbritannien Überlegungen an, wie man eine Isolierung von dem neu entstehenden europäischen Markt vermeiden könne. Je konkreter die Ergebnisse wurden, die man bei den darauf folgenden Verhandlungen um den gemeinsamen Markt erzielte, desto beunruhigter zeigten sich die übrigen europäischen Länder, die einerseits nicht bereit waren, einen Teil ihrer Souveränitätsrechte auf eine internationale Institution zu übertragen, zumal diese mit der wirtschaftlichen Integration sehr ausgeprägte politische Ziele verfolgte, und andererseits sich nicht von einem Markt verdrängen lassen wollten, der für sie lebenswichtig war. Deshalb wurde schon im Juli 1956 — acht Monate vor Unterzeichnung der römischen Verträge — eine Arbeitgruppe der OEEC beauftragt, die Frage einer europäischen Freihandelszone zu studieren.

Der Begriff der Freihandelszone war damals nichts absolut Neues, aber in den Gesprächen um die Neuordnung der europäischen Wirtschaft war er kaum ernsthaft diskutiert worden. Die einfachste und etwas vereinfachende Definition des Begriffs ist die, daß die Mitglieder einer Freihandelszone sich verpflichten, ihre Zölle untereinander aufzuheben aber in der Festsetzung der Zolltarife gegenüber dritten Staaten ihre volle Freiheit behalten; in einer Wirtschaftsund Zollunion verschwinden die Binnenzölle gleichfalls, die Außenzölle unterliegen jedoch einer gemeinsamen Regelung. Die Mitglieder einer Freihandelszone werden natürlich auch bemüht sein müssen, sich in ihrer Wirtschaftspolitik gegenseitig abzustimmen, aber sie müssen nicht mit so entscheidenden Eingriffen in ihre Nationalwirtschaft rechnen wie die Mitglieder einer Wirtschaftsunion, die ja auf der Unterordnung der Teile unter das Ganze beruht. In beiden Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit gibt es keine absoluten Normen rechtlicher oder organisatorischer Art, es hängt vielmehr von den Verträgen der jeweiligen Partner ab, in welchem Umfang und mit welcher Beschleunigung sie ihre gegenseitigen Beziehungen und Abhängigkeiten ordnen und ihre Nationalwirtschaft dem Gesetz der übernationalen Organisation unterordnen wollen.

Die Arbeitsgruppe der OEEC kam jedenfalls relativ schnell zu der Feststellung, daß es durchaus möglich sein müsse, eine Freihandelszone zu bilden, bestehend aus einer Reihe von Einzelstaaten und der in sich geschlossenen Staaten-gruppe der Sechs. Es galt daher eine Zeitlang als ausgemacht, daß zwischen der sich allmählich konsolidierenden Wirtschaftsgemeinschaft und den übrigen Einzelstaaten der OEEC ein beide Teile befriedigendes Abkommen erzielt würde, das die Arbeitsgruppe bereits in seinen Einzelheiten zu fixieren suchte. Als sich deren Tempo jedoch merklich verlangsamte, wurde im Oktober 1957 — die römischen Verträge waren im April unterzeichnet worden und sollten am 1. 1. 58 in Kraft treten — ein Regierungsausschuß gebildet, dem alle OEEC-Länder, die USA und Kanada sowie zunächst die Hohe Behörde der EGKS und ab Januar 1958 die eben arbeitsfähig gewordene Kommission der EWG angehörten und der unter Leitung des britischen Generalzahlmeisters Maudling den Weg für einen Ausgleich finden sollte. Im Frühjahr 1958 mußte aber auch er seine Tätigkeit unterbrechen, weil er auf neue Schwierigkeiten stieß, für die vor allem Frankreich verantwortlich gemacht wurde.

Inzwischen war jedoch die Wirtschaftsgemeinschaft in Aktion getreten und am 1. Januar 1959 sollte die erste Zollsenkung vorgenommen werden; die OEEC-Länder drängten auf Verständigung bevor von der Wirtschaftsgemeinschaft endgültige Tatsachen geschaffen würden; die Kommission der EWG legte ihrerseits in einer Denkschrift ihre Einstellung zu einer Europäischen Wirtschaftsassoziation, wie sie die Freihandelszone zu nennen wünschte, dar, in der zwar Bereitschaft zu sie ihre grundsätzliche einem Abkommen mit den übrigen OEEC-Ländern erklärte, aber für die bestehenden Schwierigkeiten auch keine konstruktiven Lösungen anzubieten hatte. Der Maudling-Ausschuß trat noch einmal zusammen, um über die Denkschrift zu diskutieren, als aber wieder keine Einigung erzielt wurde und Frankreich neue Bedenken angemeldet hatte, brach er die Verhandlungen im November 1958 endgültig ab.

Suche nach neuen Formen der Zusammenarbeit

Nun nahmen sich die Ministerräte sowohl der EWG wie der OEEC der ziemlich verfahrenen Angelegenheit an, weil es ja beide Teile nicht zum Bruch kommen lassen wollten. Obwohl sich im Rat der OEEC unter den 17 Ministern auch die sechs der EWG-Staaten befanden, kam es zu keinem anderen Beschluß, als die EWG-Kommission zu einer erneuten Stellungnahme aufzufordern. Diese fühlte sich offenbar in der besseren Verhandlungsposition, und ihr Memorandum vom Frühjahr 1959 fiel eher noch negativer aus als das erste. Damit schienen die Pläne für eine große Freihandelszone zwischen den EWG-Ländern und dem Rest der OEEC endgültig gescheitert zu sein und man begann, nach neuen Formen der Zusammenarbeit zu suchen.

Schon in den bisherigen Verhandlungen hatte sich aus der Sachlage heraus zwischen den Vertretern der besonders interessierten Länder Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Österreich, Schweiz und Portugal ein gewisses Einverständnis ergeben, um dem Block der Sechs gegenüber einen gemeinsamen Standpunkt einnehmen zu können. Als dann die Bemühungen um die große Freihandelszone aufgegeben werden mußten, begannen im März 1959 zunächst vertrauliche Verhandlungen zwischen den Regierungen dieser sieben Länder in Stockholm und am 1. Juni 1959 wurden dort auf einer neuen Konferenz offizielle Verhandlungen über ein regionales Freihandelsabkommen eröffnet, dessen endgültiger Text bereits am 20. November von den sieben Außenministern unterzeichnet werden konnte. Damit war eine neue europäische Wirtschaftsorganisation entstanden, die unter dem Namen Kleine Freihandelszone oder Europäische Freihandelsorganisation (European Free Trade Area/EFTA -Association Europeenne de Libre Echange/AELE) nach Ratifizierung des Abkommens am 1. Jul* 1960 in Genf ihre Tätigkeit aufnahm.

Verglichen mit dem gewaltigen Apparat, den sich die EWG, EAG und EGKS in Brüssel und Luxemburg geschaffen hatten, und dem recht ansehnlichen der OEEC in Paris ist das EFTA-Sekretariat in Genf von einer geradezu überwältigenden Bescheidenheit, was auch darauf zurückgeführt werden kann, daß es sich heute immer noch im Aufbau befindet, seinen tieferen Grund aber wohl darin hat, daß es die EFTA-Länder ganz im Gegensatz zu den EWG'Mitgliedern offenbar gar nicht eilig haben, voll endete Tatsachen zu schaffen, weil sie einen erträglichen Kompromiß immer noch einer eindeutigen Rivalität vorziehen würden. Sowohl nach dem Wortlaut des Abkommens wie nach den wiederholten und glaubwürdigen Versicherungen ihrer maßgebenden Vertreter soll die EFTA eine Staatenverbindung mit ausschließlich kommerziellen aber nicht mit politischen Zielen sein; sie war auch nicht als defensives Zweck-bündnis gegen die EWG gedacht, sondern als ein Gegengewicht zu ihr in der begründeten Annahme, daß sich zwei wirtschaftlich etwa gleich starke Partner leichter über eine ausgeglichene gesamteuropäische Wirtschaftspolitik verständigen können als wenn der sich besonders stark fühlende Wirtschaftsblock der EWG mit mehr als einem halben Dutzend Wirtschaftseinheiten von doch recht unterschiedlicher Kapazität verhandeln muß. Immerhin muß nun mit der Tatsache von zwei Wirtschaftsblöcken gerechnet werden, die nur dann keine Gefahr für die Einheit und den wirtschaftlichen Fortschritt Europas darstellen, wenn auf beiden Seiten die äußerste Bereitschaft zum Einlenken vorhanden ist.

Im Augenblick läßt sich nicht mehr sagen, als daß die beiden Partner sich sehr nachdrücklich in diesem Sinne ausgesprochen haben; ob, wann und wie der vielberufene „Brückenschlag“ gelingen wird, ist vorerst noch ungewiß; man weiß auch noch nicht, ob die EFTA ein Assoziierungsabkommen mit der EWG treffen oder ob sich die EWG als achter Partner in die EFTA inkorporieren soll; von anderer Seite wird wiederum der Vorschlag gemacht, Großbritannien der Gemeinschaft anzugliedern, wofür auf der Insel selbst offenbar einige Neigung bestünde, wenn man wüßte, wie sich ein solcher Schritt mit der Verpflichtung den EFTA-Partnern gegenüber vereinbaren ließe. Beide Gruppen sind jedenfalls zu weiterer Expansion bereit, wofür gerade in diesen Tagen die Angliederung Griechenlands an die EWG und die Assoziierung Finnlands an die EFTA zeugt. Die Dinge sind offenbar noch so in der Schwebe, daß täglich mit neuen Überraschungen gerechnet werden kann und weiterhin Konferenzen auf allen Ebenen stattfinden werden, die die Brücke zu schlagen versuchen.

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Die Gefahr einer Aufspaltung Europas in zwei rivalisierende Wirtschaftsblöcke erschien jedenfalls auch der amerikanischen Regierung so ernsthaft, daß sie von sich aus die Initiative für eine Bereinigung der beunruhigenden Situation ergreifen zu müssen glaubte. Die Frage wurde erstmals auf der Konferenz der vier Regierungschefs im Dezember 1959 erörtert, die das Special Economic Committee beauftragte, geeignete Vorschläge auszuarbeiten. Auf der daraufhin im Januar 1960 einberufenen Konferenz der „Dreizehn“ vertrat der amerikanische Staatssekretär Dillon den Vorschlag seiner Regierung, die OEEC so umzubilden, daß ihr die USA und Kanada nicht mehr wie bisher als assoziierte sondern als Vollmitglieder angehörten und ihr neue Aufgaben zugewiesen würden. Als Dachorganisation für die beiden europäischen Wirtschaftsblöcke und als Organ für eine vermehrte und koordinierte Hilfe für die Entwicklungsländer hätte sie ein umfangreiches und zeitgemäßes Arbeitsfeld. Begründet wurde die Umbildung damit, daß der wirtschaftliche Aufbau Europas, der die eigentliche Aufgabe der OEEC gewesen sei, als abgeschlossen betrachtet werden könne und daß es jetzt die politische und wirtschaftliche Hauptaufgabe aller Länder des Westens sei, den Entwicklungsländern in Afrika, Asien und Südamerika die bestmögliche Unterstützung zuteil werden zu lassen.

Die Ausarbeitung des Plans für die Reorganisation der OEEC wurde dem „Rat der Vier Weisen“ übertragen, der ihn nach Konsultation der beteiligten Regierungen sowie der interessierten europäischen Wirtschaftsorganisationen der Konferenz der „Einundzwanzig" im Mai 1960 vorlegte. Er führte zur Konvention über die »Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung" (Organisation for Economic Cooperation and Development/OECD), die am 14. Dezember 1960 in Paris unterzeichnet wurde und nach der Ratifizierung durch die 20 Parlamente vielleicht noch in diesem Jahr in Kraft treten wird. Damit aber befinden wir uns bereits auf dem Weg in die unbekannte Zukunft.

Die Mitglieder der OEEC haben mit einigem Zögern und nicht ohne Korrekturen die amerikanischen Vorschläge akzeptiert, weil sie nicht unwesentliche Aufgaben und Befugnisse des Europäischen Wirtschaftsrates preisgeben, dessen Tätigkeit von allen Beteiligten als besonders nützlich anerkannt wurde. Bei der Verschieden-artigkeit der europäischen und amerikanischen Wirtschaftsstruktur dürfte es vermutlich Schwierigkeiten bereiten, eine einheitliche Wirtschaftspolitik durchzusetzen, und deshalb wird die OECD auch kein Lenkungsinstrument mehr sein, sondern sich auf den Erfahrungsaustausch und auf gegenseitige Konsultationen beschränken. Bei ihrer lockeren Organisation kann man sie auch nur annähernd als das westliche Gegenstück zum Wirtschaftsblock des Ostens, dem COMECON, betrachten. Nicht ganz ohne Grund argwöhnte man, daß die Vereinigten Staaten mehr darauf bedacht waren, ihre eigene Wirtschafts-und Finanzpolitik, die etwas in Bedrängnis gekommen war, zu stützen, als sich für die Zusammenführung der beiden europäischen Wirtschaftsblöcke einzusetzen.

Die andere Aufgabe der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, nämlich die Koordinierung der Hilfsmaßnahmen für die Entwicklungsgebiete in aller Welt, muß sowohl in ihren politischen wie ökonomischen Zusammenhängen verstanden werden; in jeder Hinsicht erscheint es unerläßlich, die westlichen Länder zu einer gemeinsamen Aktion zu verbinden; auf die massive Einflußnahme des Ostblocks kann der Westen nur mit konzentrierter Geschicklichkeit antworten; und wirksame Hilfe kann nur erwartet werden, wenn die westlichen Länder gemeinsam die Mittel aufbringen, die für die Entwicklungsländer gebraucht werden; auch ohne ihr gegenwärtiges Defizit hätten die LISA Anspruch auf eine Verteilung der Lasten.

In die OECD wird die seit etwa einem Jahr bestehende Organisation für Entwicklungshilfe (Development Assistance Group/DAG) eingegliedert werden, der außer mehreren europäischen Ländern auch die Vereinigten Staaten, Kanada und Japan angehören. Natürlich überlegt man sich, ob diese Erweiterung einer ursprünglich europäischen Institution nicht zu Komplikationen führen wird. In dem Sonderfall Japan braucht man vielleicht keine Bedenken zu haben, weil es ja nur auf einem Teilgebiet zur Mitarbeit herangezogen wird und die OECD ja über keine bedeutenden Kompetenzen verfügen wird; trotzdem wird man hierin ein Symptom sehen müssen für gewisse Bestrebungen diesseits und jenseits des Ozeans.

Niemand wird sich der Einsicht verschließen wollen, daß die europäische Wirtschaft als Ganzes und in ihren verschiedenen nationalen Komponenten heute mit anderen Maßstäben gemessen werden muß als zu der Zeit, da die OEEC ihre Tätigkeit aufnahm, und daß deshalb eine Revision der Konvention von 1948 durchaus vertretbar erscheint. Vor allem kann man kaum der Argumentation widersprechen, daß das mit großzügiger amerikanischer Hilfe in den 50er Jahren wiederhergestellte Europa verpflichtet ist, die entscheidende Aufgabe der 60er Jahre, nämlich die Unterstützung der Entwicklungsländer gemeinsam mit dem bewährten Freund und Helfer von damals in Angriff zu nehmen.

Man wird dennoch mit einiger Aufmerksamkeit die Übertragung von Aufgaben der europäischen Institutionen auf atlantische beobachten, vor allem deshalb, weil Amerika und Kanada noch wenig von dieser Form der internationalen Zusammenarbeit wissen und beide nicht leicht zu überreden sein werden, ihre Wirtschaft nach internationalen Gesichtspunkten auszurichten. Der Ablösung der OEEC durch die OECD kann aus mehreren Gründen mit einiger Besorgnis entgegengesehen werden: zunächst weil letztere erheblich weniger Befugnisse haben wird als ihre Vorgängerin, dann weil das ökonomische Potential der 20 Mitglieder so verschieden ist, daß eine gemeinsame Wirtschaftspolitik schwer vorstellbar erscheint und schließlich weil das amerikanische Übergewicht in dieser atlantischen Gemeinschaft so fühlbar und angreifbar werden könnte, wie es von manchen NATO-Partnern bereits empfunden wird. Aber es ist der Vorteil der ziemlich unpräzisen Formulierungen in der OECD-Konvention, daß sie für mancherlei Interpretierungen Raum läßt und es wird von der Organisation selbst abhängen, ob sie so aktiv werden wird wie die OEEC, deren Gründungsurkunde auch auf detaillierte Anweisungen verzichtet hatte.

Auch von anderer Seite wurde und wird für eine atlantische Wirtschaftspolitik geworben. Die Londoner Konferenz der NATO-Parlamentarier hatte bereits im Juni 1959 eine atlantische Wirtschaftsorganisation nach dem Muster der OEEC vorgeschlagen; aus amerikanischen Parlamentarierkreisen kam etwas später die Anregung, mit der OEEC als Kern, den USA, Kanada, Japan, Indien und einem südamerikanischen Staat als ständigen nichteuropäischen Mitgliedern, sowie mit der EWG, EFTA und anderen regionalen Wirtschaftsorganisationen eine Institution zu schaffen, die einer globalen Wirtschaftsordnung den Weg bereiten soll. Obwohl das seit 1948 bestehende Allgemeine Abkommen für Tarife und Handel (General Agreement on Tariffs and Trade/GATT), dem 37 Staaten aller Erdteile angehören und das für die Herabsetzung der Zolltarife und die Beseitigung der Handelsbeschränkungen sich als nützlich erwiesen hat, denkt man nicht daran, die Weltwirtschaft nach dem Vorbild der europäischen Wirtschaftsorganisation zu ordnen, weil die politischen Konsequenzen, die man in Europa zu übernehmen bereit war, im atlantischen Raume völlig irreal wären.

Auch in Europa wäre der Wirtschaftsnationalismus nicht so schnell überwunden worden, wenn nicht die wirtschaftliche Lage der europäischen Länder nach dem Kriege so katastrophal gewesen wäre, daß jeder Weg recht sein mußte, der aus der Katastrophe herauszuführen versprach und wenn man nicht überall von vorne hätte beginnen müssen. Da außerdem die Amerikaner, die in anderen geographischen und ökonomischen Dimensionen zu denken gewöhnt sind, ihre Hilfeleistung von einer fundamentalen Reorganisierung der europäischen Wirtschaft abhängig machten, waren die Regierungen gezwungen, auf ihren nationalen Egoismus zu verzichten. Nachdem einmal der erste Schritt getan war, bereiteten die nächsten keine allzugroßen Schwierigkeiten mehr und heute kann von grundsätzlichem Widerstand nirgendwo mehr die Rede sein; womit nicht gesagt sein soll, daß schon alle Hürden genommen wären. Die Spaltung des wirtschaftlichen Europa in die EWG und EFTA ist ein sehr ernsthafter Zwischenfall, der vieles von dem in Frage stellt, was schon einmal als sicherer Besitz der Europäer gegolten hatte. Vielleicht ist der Zwischenfall zur rechten Zeit gekommen, um noch gefährlichere Entwicklungen in der Zukunft zu verhindern.

Fussnoten

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