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Etappen politischer Pädagogik in Deutschland | APuZ 10/1961 | bpb.de

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APuZ 10/1961 Etappen politischer Pädagogik in Deutschland

Etappen politischer Pädagogik in Deutschland

KLAUS HORNUNG

Hans Richert

Einer der engsten Mitarbeiter Beckers, der Leiter der Ministerialabteilung für das höhere Schulwesen in Preußen, Hans Richert, hat diesen Gedanken der nationalen Bildungsund Kultur-einheit vielleicht am konsequentesten verfolgt 112). Die von Bismarck geschaffene Reichs-einheit mußte erst noch geistig und kulturell vollendet werden im Sinne jener umfassenden Synthese der deutschen idealistischen Staats-und Erziehungsphilosophie, der Einheit und gegenseitigen Durchdringung von Macht und Kultur, Volkstum und Staat, Weltbürgertum und Staatsnation, Teilinteresse und Gesamtinteresse, Rationalität und irrationalem Lebensgrund.

Richert kam vom Gymnasium her, ein gebildeter und universaler Kopf mit viel Verständnis für die Zusammenhänge zwischen Kultur, Gesellschaft und Staat. Als Schulmann und Schulpolitiker sah auch er zunächst vor allem die Gefahr der Aufspaltung des Bildungsideals der deutschen Schule, die Tatsache, daß der Pluralismus der Werte und Ideale die Schule in Ge-fahr brachte, zum geistigen, kulturellen, religiösen und kulturpolitischen Kampfplatz zu werden. Die Überwindung diesei tentrifugalen Tendenzen konnte freilich nicht allein von der Schule her möglich werden. Nur eine umfassende geistige Bewegung in allen Gruppen und Schichten des Volkes, eine tiefgreifende Umgestaltung des ganzen Lebens, die Arbeit schließlich an gemeinsamen nationalen Aufgaben und Zielen konnte die bis jetzt unvollendet gebliebene nationale Bildungseinheit schaffen. So galt es mit Schiller, den bisherigen „Notstaat“ des monarchischen Obrigkeitsstaates und der nur äußerlichen Reichseinheit fortzuentwickeln zu einem wirklichen Kulturstaat, zu einem wahren „Staat der Freiheit“ Nur so konnten auch die zentrifugalen Tendenzen gebannt, konnte die Einheit des nationalen Kulturbewußtseins gegenüber der „Vielheit der Interessen und Ideale“ und der Überfülle der modernen Zwecke und Werte bewahrt werden, die nicht mehr harmonisch um einen Mittelpunkt gruppiert waren und die nicht mehr von einem verbindlichen Bildungsideal zusammengehalten wurden

Auch nach 1914 keine „Kultureinheit” in Deutschland

Dieses zentrale geistige und politische Problem der Nation war jedenfalls durch die Niederlage und den Zusammenbruch der Monarchie nur noch dringlicher geworden. Die Hoffnungen des Aufbruchs von 1914, dieses deutschen „Volksfrühlings“, waren ja nicht in Erfüllung gegangen. Aus dem Augusterleben war nicht die innere Einheit des Volkes, nicht der endgültige Sieg der deutschen „Kultureinheit" hervorgegangen Neben der Aufgabe der geistig-kulturellen Gemeinsamkeit der deutschen Stämme war zudem jetzt das Problem der „vertikalen“ Einigung aller sozialen Schichten getreten So wurde von Richert der Fichte der deutschen Nationalerziehung beschworen, nicht zuletzt auch um die Trennung des Volkes in „zwei Nationen“, in Gebildete und Ungebildete, zu überwinden * Und neben Fichte waren es besonders die Kritiker der wilhelminischen Ära, Paul de Lagarde, Friedrich Nietzsche und der „Rembrandtdeutsche“ deren Wirkung um diese Zeit nicht nur bei der Jugendbewegung zu spüren war, sondern auch bei jenen Repräsentanten des nationalliberalen Bürgertums wie Richert, die die Schäden des monarchischen Obrigkeitsstaates heilen wollten durch die Rückkehr zu den Quellen des deutschen liberalen Nationalbewußtseins im 19. Jahrhundert, in der Philosophie des deutschen Idealismus und im Erbe der Goethezeit. So konnte Richert Nietzsches Kritik an der deutschen Kultur als einem „kosmopolitischen Aggregat" ebenso aufnehmen wie Lagardes bekannte beißende Urteile über die „Sekundanerkultur“ seiner Zeit, über den „Harem der Ideale", der jeden Einsatz-und Opferwillen auf die Dauer zerstören mußte, über das „Proviantmagazin“ und den „zähen Schleim der Bildungsbarbarei" des damaligen Schulsystems, über die „Magazinaufseherexistenzen" an den Universitäten Lind Julius Langbehn kritisierte Richert das Alexandriner-und Spezialistentum der Jahrhundertwende Mit seinen Lehrern Wilhelm Dilthey und Heinrich Windelband erkannte er die fortgeschrittene Erschütterung der Kraft zur gesellschaftlichen Ordnung und zur Einheit des Kulturbewußtseins „Heillos“ hatte bereits Friedrich Paulsen diesen Zustand des deutschen Bildungswesens genannt Rudolf Euckens sah, wie schon Goethe, den modernen Menschen-typus dadurch gekennzeichnet, daß er bei vielen Kenntnissen und äußerlicher Gewandtheit innerlich leer, ohne schöpferische Kraft und ohne persönliches Profil war Und der Soziologe Simmel hatte die Tragik jeder fortgeschrittenen Kultur darin gesehen, daß die Kultursteigerung, die Überfülle der Anregungen, geistigen Angebote und möglichen Standorte die Einheit der Kultur und der Werte von innen heraus bedrohen müsse

Die Nation kein „Reich Gottes"

„Nur gcuteinsawe Ideale, nur gemeinsame Ideenwelt schaffen die deutsche Nationalbildung“ Unter dieser Voraussetzung untersuchte Richert die vier Bildungsmächte und Bildungskreise Volk, Staat, Kultur und Menschheit Getreu dem Vermächtnis des deutschen Idealismus sah er die „Nationalität“ eingefügt in die „höhere Idee“ der Menschheit. In solcher einordnenden Synthese hatte dann sowohl die „Individualität“ wie die „Humanität“ ihren Platz. Es gibt keine isolierte Individualität: jede Individualisierung erfolgt vielmehr nur in den sozialen Kreisen und durch sie. So wird die Nationalität zur „mittleren Proportionalen" zwischen der Humanität und dem Egoismus des Einzelwesens Ehe Menschheit ist also nicht als abstrakte menschliche Gleichheit zu verstehen, sondern als erfüllte Einheit in der Vielfalt, in der jedes Volkstum unersetzlich ist. Auch für Richert waren deshalb, in der Nachfolge Fichtes, Volk und Vaterland Träger einer „irdischen Ewigkeit" In ihnen und durch sie wird der Wert des Einzelmenschen gesteigert durch die Erfüllung überindividueller Aufgaben und Zwecke, die auch das Opfer des Lebens rechtfertigen können. Freilich bleibt sich ein Mann wie Richert stets bewußt, daß keine irdische Gemeinshaftsbildung, auch nicht die Nation, das „Reih Gottes“ darstellt oder heraufführen kann Der nationale Gedanke der national-liberalen Tradition war somit weit entfernt von nationalistischer Verengung wie von einer späteren pseudoreligiösen Verabsolutierung des Nationalen. Zudem war sich Richert immer bewußt, daß der nationale Gedanke und die Idee einer nationalen Kultureinheit bereits mitten in der Krise standen: „Unsere Nationalerziehung ist nicht mehr die Gabe eines in sich selbst gesicherten Volksbewufltseins, sondern sie ist die Aufgabe einer weltgeschichtlichen Wende, in der der Bestand der Nation nicht nur in seinen Grundlagen bedroht ist, in der, was furditbarer ist, der Bestand seiner Idealität umstritten ist.“

In welchem Verhältnis stand aber nun der Staat zu Volk, Nation und Vaterland? Er konnte immer nur Hülle, Schutz und Gefäß jenes idealen, sich „unmittelbar zu Gott" befindlichen nationalen Gehalts sein. Und er war vor allem auch in seinen äußeren Formen wandelbar. Wichtiger als die — reaktionäre — Konservierung bestehender politischer Formen schien Richert die Kontinuität und Identität des lebendigen Volks-und Nationalbewußtseins zu sein; jedenfalls war ihm dieses immer die Voraussetzung für die gesunde Entwicklung der staatlichen Formen und Institutionen Nichtsdestoweniger freilich braucht die Nation auf der „Stufe des bewußten Willens" den Staat Neben die Erziehung zur Nationalität trat deshalb die Erziehung zur „Staatsgesinnung“: Kul-tumation und Staatsnation mußten, getreu dem Vermächtnis der deutschen Bewegung, zum Ausgleich und zur Synthese gebracht werden Das war für den Nationalliberalen Richert um so selbstverständlicher, als er die Gefahren sah die entstehen, wenn die Gesellschaft sich des Staates bemächtigt zugunsten ihrer Interessen. Gegenüber dieser „grenzenlosen Pleonexie" der gesellschaftlichen und geistigen Gruppen erinnerte er an die Kantische Unterscheidung von „Pflicht“ und „Begierden“, die zueinander im gleichen Verhältnis stehen wie Staat und Gesellschaft: jener hat den unabdingbaren sittlichen Auftrag, die gesellschaftlichen Begierden und Interessen zu zügeln, zu ordnen, sich dienstbar zu machen „Uns kann nur der Wille zum Staat retten, aber nicht der Gehorsam, nicht die Ruhe als die erste Bürgerpflicht, sondern der Wille zum Staat, der unser eigener Wille ist. Denn der Staat sind wir selbst, der Staat hat nur Leben, das er in unserem Bewußtsein hat." So bekannte sich Richert nicht zuletzt auch zur Fortentwicklung der deutschen Verfassung von der Monarchie zur Republik, zur „Autonomie“ des Volksstaates gegenüber der „Heteronomie“ des monarchischen Herrschaftsstaates Kein äußerliches Gehorsamsprinzip, keine dynastische Loyalität und keine nur historisch oder metaphysisch begründete Autorität vermochten diesen neuen Volksstaat zu rechtfertigen. Diese seine Rechtfertigung fand er vielmehr in der autonomen Souveränität des Gewissens seiner Bürger. Erst in diesem neuen Volksstaat kann erstmals überhaupt echtes Staatsgefühl gedeihen, was in der Zeit des monarchischen Obrigkeitsstaates in sich unmöglich war Erst auf dieser Basis — das war Richerts Hoffnung und Überzeugung -wurde allein die Überwindung des alten Zwiespalts von Staat und Gesellschaft möglich, indem Volk und Gesellschaft den Staat als ihren Staat erkennen; nur hierdurch konnte es auch nicht zuletzt zur Einfügung der Arbeiterschaft in diesen Staat kommen und damit aber zut Lösung eines grundlegenden Problems der alten liberal-bürgerlichen Gesellschaft

Der Staat immer nur Mittel zum Zweck

Aber auch Staat und Kultur kommen in dieser Synthese des nationalen Kuhurstaates erst eigentlich zum Ausgleich Die rechte Staats-gesinnung wird deshalb alle Differenzierungen unserer reichen nationalen Kultur ertragen und schöpferisch zur Einheit gestalten. Dabei bleibt jedoch der Staat immer nur Mittel zum Zweck der Ausbildung des rein Menschlichen in jeder Nation. Ohne diese Beziehung zur Humanitätsidee, zu einem letzten sittlichen „Weltzweck", wäre die Pflege der Staatsgesinnung nach Ri'cherts fester Überzeugung „reiner Götzendienst". Erst durch dieses universale Element in der Staatsidee des deutschen Idealismus wird der Staat eben vom „Staat der Not“ zum „Staat der Freiheit"

Die kulturpolitischen Konzeptionen Heinrich Richters wie auch des Ministers Carl-Heinrich Becker vermögen wir heute als eine letzte, schon sehr späte Ausprägung der Staatsidee der deutschen idealistischen Philosophie zu begreifen. Noch einmal versuchte sich hier die ordnende und gestaltende Kraft des deutschen Idealismus, bereits im Schatten unseres nationalen Schick-sals der „verspäteten Nation“ und angesichts der heraufkommenden demokratischen Massengesellschaft. Dieses Bildungsideal des auf Bewußtsein, Geist, Gesinnung, Kulturwerte und Persönlichkeit gestellten Kulturstaats war zwar auf einer der kühnsten und konsequentesten denkerischen Leistungen in bezug auf die politische und sittliche Natur des Menschen und in bezug auf das Wesen des Politischen begründet. Es war jedoch unter den Bedingungen des neuen Jahrhunderts wenig geeignet, auch politisch derart zum Integrationszentrum zu werden, zur formenden Mitte einer Nationwerdung und einer nationalen Wiedergeburt, wie seine Verkünder sich dies erhofften. Die geistigen Führer der Nation im Jahrzehnt nach dem ersten Weltkrieg wie Becker, Richert, Kerschensteiner und manche anderen sahen sich nicht nur bald getäuscht in ihrer Hoffnung auf die „Flutwelle demokratischen Empfindens" als dem entscheidenden Impuls für den neuen republikanischen Staat. Sie sahen auch nicht, daß die „Ideen“ wie Volk, Kultur, Menschheit usf., verstanden als bloße „Bewußtseinsfunktionen“ der „sittlich-politischen Persönlichkeit“ nicht jene geistig-politische Synthese zu schaffen vermochten, die sie erhofften. Die Beschwörung der großen idealistischen Synthese von Freiheit und Pflicht, Persönlichkeitsbildung und Menschheitskultur, Geist und Macht, Kultur und Staat war nach dem ersten Weltkrieg bereits in der Wurzel ein Produkt des deutschen Bildungsbürgertums, dem durch den Zusammenbruch der alten Führungskräfte die Führung zugefallen war. Diese spätbürgerliche Bildungsideologie ad absurdum zu führen, bedurfte es nicht einmal erst des Nationalsozialismus: sie war schon vor seinem Machtantritt gescheitert und zwar deshalb, weil sie sich nicht von dem Gedanken lösen konnte, daß die Aufgabe der nationalen Integration vor allem eine Frage der „Kultur“ und der „Bildung" sei, und weil sie diese Integration selbst auf der Grundlage einer formal gewordenen Persönlichkeitsund Bewußtseinsphilosophie versuchte, für die die Einheit der Nation vor allem auf der „Einheit in der Weltanschauungs-m e t h o d e“ beruhte und die staatliche Substanz im „staatlichen Gehalt'der sittlichen Persönlichkeit.

Die politische Pädagogik Eduard Sprangers

Neben die neuidealistischen, demokratisch-republikanischen und sozialpädagogisch-humanitären Konzeptionen in der politischen Pädagogik der Weimarer Republik muß dann auch die bei weitem „politischere" Staats-und Erziehungsphilosophie Eduard Sprangers gestellt werden, wenn man ein einigermaßen zutreffendes Bild gewinnen will von der breiten Spannweite des nationalpädagogischen Bildungsgedankens in der Zeit der ersten deutschen Republik.

Auch Spranger kam von der neuhumanistischen Bildungsidee her, die um die Persönlichkeit kreist, und der er 1909 in einer Darstellung von Wilhelm von Humboldts Humanitätsidee seine erste grundlegende Arbeit gewidmet hatte Ähnlich wie Humboldt selbst, hat er dann jedoch die Wendung vom unpolitischen Persönlichkeitsideal zum „Dienst am Staat“ vollzogen. Inmitten des ersten Weltkrieges und unter dem Eindruck des neuen Gesichts des Krieges der „Materialschlachten“ fragte Spranger zum erstenmal, ob das herkömmliche Bildungsideal der „freien, schönen und allseitigen Entfaltung der Individualität zum Menschentum“ noch den Anforderungen dieser neuen Zeit entspreche. Und er stellte bereits jetzt diesem humanistischen ein neues „politisches“ Bildungsideal entgegen, für welches „die Einfügung des Individuums in den sittlichen Geist einer über-individuellen Organisation“ kennzeichnend war Nicht mehr der Mensch Humboldtscher Prägung mit seiner Gestaltung der Individualität „zum vollendeten Kunstwerk“, sondern der Diener am Ganzen, wie er vorbildhaft etwa in der geschichtlichen Gestalt des Großen Preußenkönigs repräsentiert wurde, war der Typus, den diese neue Zeit erforderte. Spranger hielt die neuidealistische Auffassung, wonach der sittliche Mensch zugleich immer auch der „beste Bürger“ sei, nicht mehr für ausreichend. Dieses idealistisch-liberale Staatsideal kannte ja in Wirklichkeit keine politische Erziehung im eigentlichen Sinn, denn „politisch“ war ihm immer schon die allgemeine Menschenbildung an sich Sein Bewußtsein von der „Kultureinheit“ war stärker entwickelt als sein Staatsbewußtsein. Die sittliche Verpflichtung des Einzelnen galt hier immer vor allem dem Kosmos der Kultur in seinen mannigfachen hierarchischen Ordnungen, weniger dem „Notstaat“ einer geschichtlichen Staatsindividualität; sie richtete sich also stets mehr auf das Allgemeine als auf das Besondere, auf das Normative als auf das Historisch-Politische.

Demgegenüber betonte Spranger nun: „Heute gewinnen wir das Verständnis für die Kollektivmadtt des Staates zurück, nackdem lange Zeit nur sein Redttsdiarakter oder seine Wohlfaltrts- bedeutung hervorgehoben war.“ Und ganz hegelisch und „politisch“ kann er fortfahren: „Der Staat ist Sittlichkeit in der Form kollektiver Maditentfaltung.“ Hier kam es also nicht mehr vor allem auf die Aufnahme des vernünftigen und sittlichen Allgemeinen in das individuelle Bewußtsein und Gewissen an. Politische Erziehung hat nun vielmehr zum Ziel das „Dienen und Herrschen in einem überindividuellen Zusammenhang“ Hier waren die „objektiven Mächte“ nicht mehr nur Elemente der sittlichen Innerlichkeit, des individuellen „Bewußtseins“, sondern hier wurden sie wieder erkannt als unentrinnbare historisch-politische Wirklichkeiten des Menschen, denen der politisch erzogene Mensch in der Haltung des Selbstverzichts, der Willensbildung, des Gehorsams und der Hingabe, der Bildung des Willens zur Macht und der Entschlußkraft gegenüberzutreten hat

Vom Ethos der Kollektivverantwortung

Damit ist aber auch der Staat kein bloßer „Notstaat" mehr, kein bloßer administrativer Mechanismus und schon gar kein verabscheuungswürdiger Moloch. „Machtballung“ und „friedliche Dauerordnung“ gehören vielmehr polar zusammen wie Freiheit und Macht. Das hat denn auch Auswirkungen gerade auf die politische Pädagogik: „Erziehung zum Herrsdien, die nicht durdt das Dienen hindurchführt, erzeugt despotische 'Willkür; Erziehung zum Gehorsam ohne Freiheit erzeugt Sklaven-seelen.“ Die Macht findet ihre Legitimation zwar in der Schutzaufgabe für einen sittlichen Gehalt. Aber Sprangers Forderung eines „Ethos der Kollektivverantwortung“ ist eben etwas anderes als der Glaube an die liberale Harmonie des gesellschaftlichen und des politischen Lebens. Dem Ethos der Freiheit und Gleichheit, der Uni-versalität und Individualität der humanistischen Bildung stellt Spranger jetzt das Bildungsziel der neuen politischen Pädagogik entgegen: „Die künftige Teilnahme an einem politisch organisierten Kulturganzen“ Hier ist das Eigen-recht des Politischen gegenüber einem einseitigen Primat der „Kultur“ gewahrt: Kultur und Staat stehen in einem geschichtlichen und sittlichen Bedingungsverhältnis zueinander.

Dieses „politisch organisierte Kulturganze''konnte aber nach Sprangers Überzeugung und entsprechend der gegebenen historisch-politischen Bedingungen der Zeit nur der nationale Staat sein. Eine „national bestimmte Allgemeinbildung" sollte deshalb den jungen Menschen „in den nationalen Staat hineinführen", der auch für Spranger „das Gemeinsame über allen sozialen Kampf hinweg“ darstellt „Nur wenn er allen Volksgenossen als ihre Angelegenheit erscheint, als etwas, das für sie geschaffen ist und dem sie durch eigenes Schaffen Tag für Tag höheren Wert geben müssen — erst dann hat die politische Erziehung wirklich Wurzel im Volksleben gefaßt, erst dann ist sie eine Erziehung zur freien Pflicht statt zur blinden Unterwerfung.“

So sah Spranger auf die „athenische" Zeit einer allgemeinen und allseitigen Menschenbildung eine neue, „spartanische“ Zeit folgen die bestimmt wird durch die soziale Verpflichtung des Einzelnen, durch seine „Kollektivverantwortung''. Aber die Stufe der Humboldtschen Humanitätserziehung sollte dadurch nicht rückgängig gemacht, sondern nur „aufgehoben", also gleichermaßen bewahrt wie produktiv fortentwickelt werden: „Es gilt, die Fäden zwischen dem Einzelleben und der überlegenen Organisation neu zu spinnen, damit der reicher und freier gewordene Mensch auf dieser Stufe — einem größeren Welt-und Lebenszusammenhange eingegliedert — noch höher wachse." Das „allgemeine politische Problem unserer Zeit“ spiegelte sich somit in dem pädagogischen Problem: „Wie ist der Reichtum der Persönlichkeit mit dem arbeitsteiligen Gefüge der Kultur zu versöhnen?" Auch für Spranger blieb damit die eigentliche Aufgabe der politischen Pädagogik die Synthese von Staat und „individueller Seele“, die Verwirklichung ihres gegenseitigen „Füreinanderbestimmtseins“

Erziehung zum Volksbewußtsein

Spranger stellte dann die Frage, in welchem Verhältnis Staat und Volkstum zueinander stehen. Im Sinne Hegels war für ihn der Staat in seiner geschichtlichen Tatsächlichkeit das Gefäß der Sittlichkeit. Er wird nicht legitimiert durch „Werte“ außerhalb seiner selbst, durch Wertgebiete und „Ideen" wie „Kultur“ oder „Volk“; von ihnen braucht er seine sittliche Legitimation nicht zu borgen. Andererseits aber war er doch auch nicht denkbar — wenigstens nicht als dauerhaft gegründet und geschichtlich wirksam vorstellbar — ohne ein mit ihm verbundenes Volkstum und dessen geschichtlich-kulturelle Gehalte So konnte Spranger den Staat definieren als den „Wirklichkeit gewordenen echten Wertgehalt eines Volkes“ „Erziehung zum Volksbewußtsein" ist also ein integrierender Teil der politischen Erziehung. Solches Volksbewußtsein ist doch auch wiederum ein wesentliches Element der Selbstachtung des Einzelnen, ohne welches ihm ein vollkommenes und nach Vollkommenheit strebendes Menschentum verwehrt sein müßte Dieses Volksbewußtsein „beruht auf einer Anzahl geistiger Gemeinsamkeiten" wie gemeinsame Sprache, Heimat und Geschichte Im Volk wird dem Einzelnen der „aktuelle Kulturbesitz''gegenwärtig, durch sein Volksbewußtsein gewinnt er seinen Lebensglauben, ein Wissen um seine konkrete Bestimmung in dieserWelt Und allein ein Volk, eine Nation, kann innerhalb der umfassenden Weltkultur seine besondere „Kulturmission" gewinnen, aus der eben jener Zukunftswille des Einzelnen entspringt Spranger entgingen jedoch bei seinen Darlegungen über die „Erziehung zum Volksbewußtsein“ auch nicht die negativen und gefahrvollen Züge im deutschen Volkscharakter: sein Übermaß an Individualismus, Stammespartikularismus und Gruppenegoismus

Spranger warnte auch vor der Überschätzung des Volkgedankens für die staatsbildenden Kräfte Gegenüber den zeitgenössischen Versuchen einer geistig-politischen Regeneration aus dem gemeinsamen Kulturbesitz der Nation ist er immer skeptisch geblieben. Zu sehr sah er in diesen Versuchen einen bloß rückwärtsgerichteten Appell an die Geschichte, statt an die Gegenwart und Zukunft Volksgesinnung dürfe nicht mit staatsbauender Kraft verwechselt werden. Denn diese staatsbauende Kraft war vor allem eine sittliche, weniger eine gefühlsmäßige Qualität Es ist der Ordens-gedanken des freien Dienens, den Spranger vor allem in Gestalt der konkreten Geschichtlichkeit der östlichen Grenzmarken und des Preußentums erblickte. Gerade nach dem Zusammenbruch der Monarchie wollte er auf diese sittlichen Kraftquellen weniger denn je verzichten

Hier eben gewinnt der Staat, auch wo er reichen Nutzen ziehen kann aus der volklichen Erneuerungsbewegung seit der Jahrhundertwende, seine besondere Erziehungsaufgabe als „pflichtgebietende Macht“, als „gemeinsame Idee" Insofern konnte Spranger Erziehung zum Volksbewußtsein nur „politisch“ verstehen, als Teil der auf den Staat gerichteten Erziehung Der Staat ist eben nicht eine Gemeinschaft wie jede andere. Als Gefäß der Sittlichkeit hat er das Recht zu verlangen, daß der „begrenzte Eigenwille“ in seinen „höheren Willen“ aufzugehen bereit ist, daß sich „die enge Seele mit dem weiten Ethos der freien Pflichtübung am Staat“ erfüllt So kann es nie eine Freiheit gegen den Staat als solche geschichtlich und sittlich verstandene Staatsindividualität geben, sondern immer nur eine Freiheit i m Staat Und das im Staatsgedanken enthaltene Allgemeinwohl hat zugleich auch immer die Richtschnur zu sein für alle Bekundungen des demokratischen Volkswillens. Mit solcher Absage an eine atomistisch verstandene demokratische Willensbildung verband Spranger zugleich die Überzeugung, daß politische Erziehung ohnedies weniger eine Angelegenheit der Gemütsbildung oder der Begeisterung ist, als vielmehr „zunächst Disziplin des ganzen Menschen"

Unter den Bedingungen unserer Zeit mußte sich diese staatsbildende Kraft nicht zuletzt in der Welt der modernen Arbeit beweisen und bewähren, wobei unter „Arbeit" nicht nur wirtschaftliche Tätigkeit, sondern „Kulturarbeit“ im weitesten Sinne zu verstehen ist. So fügt sich dem modernen Macht-und Rechtsstaat in seiner geschichtlich gewachsenen preußisch-deutschen Wirklichkeit ein ganz konkret verstandener moderner „Kulturstaat" neuen Typus ein

Damit hat Spranger aber die ganze Spannweite moderner Staatlichkeit in seine Konzeption der politischen Pädagogik ausgenommen. „Politische Volkserziehung“ hat die Bildung des Rechts-und Machtwillens genau so zum Gegenstand wie die Erziehung zu Volks-und Boden-treue und den Willen zu gemeinsamer, in die Zukunft wirkender Kulturarbeit. Steht am An-fang die Erziehung des jungen Menschen zur Ehrfurcht gegenüber dem Staat, so muß aus diesem Beginn die Hingabe an den Staat heraus-wachsen, die — so wenig wie die Ehrfurcht — durch sein Wissen um die Staatsinstitutionen erzeugt und garantiert wird, als vielmehr aus der lebendigen Erkenntnis der sittlichen Bedeutung und Berechtigung des Staates und seines sittlichen Gehalts

Die Erkenntnis und Anerkennung der vollen Realität des Staates setzt freilich eine Reife des Verständnisses und des Charakters voraus, die erst mit zunehmendem Alter zu erwarten ist. Die Schule kann hier nur eine „politische Propädeutik" leisten In ihr ist weniger der „absichtsvolle Wissensstoff“ wichtig — sei es einer allgemeinen Staatsbürgerkunde, sei es eines national-kulturellen Bildungskanons — als vielmehr das Gemeinschaftserlebnis in der „Totalität des Schullebens“ überhaupt Hier decken sich Sprangers Auffassungen weitgehend mit denjenigen Kerschensteiners. Aber auch schon hier, in der Schule, muß jedoch bereits der sozialpädagogischen Gesinnungsmache, jedem „harmoniegläubigen Sozialreformertum“ eine Absage erteilt werden Die Treue im täglichen Dienst und die Leistung für die Gesamtheit sind dagegen diejenigen Tugenden und Werte, die bereits hier gepflegt und geformt werden können

Die Vollendung der politischen Erziehung kann freilich erst in der politischen Wirklichkeit selbst geschehen Gerade auch für die politische Erziehung gilt ja die Erkenntnis, daß der Erziehungsund Bildungsvorgang niemals aufhört. Keine „politische Propädeutik“ im Schulunterricht kann und soll hier etwas vorwegnehmen und erzwingen wollen, was eben erst der geistigen Erfahrung des reiferen Lebens vorbehalten bleiben muß. Aber gerade diese erzieherische Wirksamkeit der politischen Wirklichkeit muß den in ihr Tätigen auch immer wieder deutlich vor Augen geführt werden. Der Auftrag der politischen Pädagogik reicht somit weit hinein in die politische Arena selbst. Wo der Mißbrauch des Staates für wirtschaftliche Twecke, für den Erwerb und den Genuß Einzelner offen-kundig ist, kann von der politischen Erziehung der nachfolgenden Generation wenig erwartet werden. Wo sich die Oligarchien der Funktionäre und Bürokraten ausbreiten, wo das innerparteiliche Leben wenig stilvoll und demokratisch überzeugend wirkt, da ist für die demokratische Reife des Volkes in seiner Gesamtheit wenig zu erwarten

Und schließlich kann die politische Erziehung nicht verzichten auf ein bestimmtes Maß von historischem Bewußtsein in der Breite des Volkes Sprangers politische Pädagogik ist mehr als jede andere in der Zeit der Weimarer Repu-blik an der geschichtlichen preußisch-deutschen Staatsindividualität orientiert. Staat ist ihm nicht nur eine Forderung, sondern zugleich auch immer eine konkrete geschichtliche Wirklichkeit des objektiven Geistes, nicht verflüchtigt in allgemeinen sittlichen Normen und geistig-kulturellen „Ideen“, sondern fest verankert im gewachsenen historischen Grund und nur so unter den Sternenhimmel des Sittengesetzes stehend. Hier ist dann Geschichte immer ein im geistigen Sinne noch Gegenwärtiges, und so sollte sie auch gelehrt und erfaßt werden: „Heldengestalten und Taten der Näter müssen s o vor seinem (des Iteranwadisenden Menschen) Auge stehen: geglaubt, nicht nur gewußt“

Wohlfahrtsethik oder Opferethik?

Für Eduard Spranger spitzt sich die „Welt-entscheidung der Gegenwart“ auf die Alternative „Wohlfahrtsethik“ oder „Opferethik“ zu Das moderne, sich als „vernünftig“ legitimierende Wohlfahrtsdenken geht immer vom Einzelnen und von der reinen Diesseitigkeit aus. Es dringt religiös-philosophisch nicht bis zur eigentlichen Tiefe des Lebens vor, die durch die paradoxe Verschlingung von Leben und Opfer, von Einsatz des Einzelnen und Dauer der Kultur und ihrer Gestaltungen bestimmt wird. In der Gestalt des großen Staatsmannes wird für Spranger diese Polarität von Wohlfahrt und Opfer besonders deutlich. Dessen Arbeit an der Wohlfahrt des eigenen Volkes und an der Völkerverständigung ist genau so „Dienst“ an der real-geistigen Individualität seines Staates wie andererseits auch sein Anspruch an alle Bürger legitim ist, zum Schutz dieses Staates Opfer zu bringen. So wird es für Spranger geradezu zum Signum des sittlichen Menschen, daß er das Überindividuelle in sich aufzunehmen und in seinem Dienst tätig zu werden vermag, während der nur naturhafte, „unpolitische“ Mensch immer nur das Seine sieht Menschenbildung und politische Bildung haben hier in der Tat auf einer neuen, höheren Ebene wieder zueinander gefunden. Für Spranger sind sie nicht ohne einander denkbar: die politische Verantwortung des Menschen besteht nicht nur in der sozial-kulturellen Verantwortung, nicht nur in der Realisierung von „Werten“ und „Ideen“ in seiner „Persönlichkeit“, sondern auch im schlichten und unpathetischen Dienst im konkreten Raum der Polis, in die er nun einmal geschichtlich gestellt ist Seine sittliche Würde entscheidet sich gerade daran, wie er in diesem Dienst mit seinen Pfunden wuchert.

Aus der Praxis der politischen Pädagogik in der Weimarer Zeit

Kehren wir aber zunächst einmal von den grundlegenden bildungs-und kulturpolitischen sowie didaktischen Überlegungen der Weimarer Zeit zurück zur Praxis der politischen Erwachsenenbildung in diesem Zeitraum, denn eben hier — in der Erwachsenenpädagogik — bestand ja eines der charakteristischsten Betätigungsfelder dieser nationalen Kulturpädagogik. Es war ihr die Aufgabe gestellt, daran mitzuwirken, daß wir Deutsche „vom politisierten zum politischen Volk“ heranreifen, daß wir durchstoßen aus der „dumpf-triebhaften Schicht“ politischen Denkens und Handelns, Fühlens und Wollens zur „Helle des Bewußtseins“

Adolf Grimme, der Nachfolger C. H. Beckers als preußischer Kultusminister, faßte diesen Leitgedanken zu einer schon sehr späten geschichtlichen Stunde, im Jahre 1932, nochmals folgendermaßen zusammen: „Erst die Verfassung von Weimar hat das deutsdie Volk in allen seinen Gliedern als Träger der politisdien Verantwortung gefordert. Um die Erfüllung dieser Forderung geht der Kampf, den wir durchleben . . . Wir sind Mitkämpfer in dem großen Drama der Auseinandersetzung zweier staatspolitisdier Ideen. Es streiten miteinander der Wille zur Mitverantwortung jedes Einzelnen ant Gesdtick des Staates und deut der Nation und die traditionsgewohnte Bereitsdtaft zunt Verzicht auf diese Mitverantwortung zugunsten eines allein verantwortlichen . Führers“ oder einer Führungsschicht“ Mit dieser Alternative, „Obrigkeitsstaat oder Volksstaat" wurde hier nochmals auf die Aufgabe der politischen Pädagogik in der Verantwortung gegenüber der Verfassung hingewiesen. Diese nationalpädagogische Erziehung sollte „durch Einsicht zur politischen Reife" führen. Die „Klarheit der politischen Einsicht" und die „Vernunft der Sache“ sollte der Predigt eines „neuen politischen Mythos“ entgegengestellt, die Gefühls-und Triebkräfte sollten in den Dienst „bewußter Überlegung" gestellt werden

Die Reichszentrale für Heimatdienst

Dieser politisch-pädagogischen Zielsetzung diente mit an vorderster Stelle die bereits am 1. März 1918 ins Leben gerufene „Reichszentrale für Heimatdienst". Mit ihrer Gründung waren, noch unter der monarchischen Reichs-führung, erste Folgerungen gezogen worden, „aus der Erkenntnis von dem entscheidenden Einfluß der öffentlidten Meinung auf den Gang der Politik und das Schicksal des Staates wie er gerade im Kriege und in der Nachkriegszeit besonders deutlich geworden war." In der ersten Nachkriegszeit wurde dann die Reichs-zentrale für Heimatdienst zunächst vor allem ein Aufklärungsinstrument der Reichsregierung bei der Vorbereitung der Nationalversammlung und der neuen Reichsverfassung sowie in der Diskussion um die Annahme und die Auswirkungen des Versailler Friedensvertrages Am 5. Juli 1921 umriß der Reichstag ihre Aufgabe durch folgende Richtlinie: „Die Reichszentrale für Heimatdienst dient der sachlichen Aufklärung über außenpolitische, wirtschaftspolitische, soziale und kulturelle Fragen, und zwar nicht im Geiste einzelner Parteien, sondern vom Standpunkt des Staatsganzen.“ Als am 1. April 1927 schließlich die behördliche Eingliederung in die Reichskanzlei erfolgte, brachte dies für die Reichszentrale den Vorteil mit sich, daß ihr nunmehr in weitestgehendem Maße die Informations-und Nachrichtenquellen der Reichskanzlei und der Reichsministerien zur Verfügung standen. Sie sollte nun die staatliche Pressepolitik, wie sie vom Presseamt der Reichs-regierung und den Pressestellen der einzelnen Ministerien getrieben wurde, ergänzen, nicht nur vielseitige Informationen und „Neuigkeiten“ bieten, sondern die Informationen zusammenfassen unter dem Gesichtspunkt der lebensnotwendigen und überparteilichen Interessen des 191

Staates durch die „Darstellung ganzer politischer Gebietskomplexe“, und dies alles mit dem Ziel, die politische Qualität des Staatsbürgers im neuen Volksstaat im Blick auf seine ihm neu zugefallene Aufgabe als „Souverän" Schritt für Schritt durch „Bildung“ zu verbessern

Organisatorisch gliederte sie sich in 18 „Landesabteilungen", die eng mit den Regierungen und vor allem den Kultusministerien der Länder zusammenarbeiteten Ein Netz von „Vertrauensmännern" erstreckte sich über das ganze Reich, die als Redner und Mitarbeiter herangezogen wurden. Sie kamen vor allem aus der staatlichen und kommunalen Verwaltung, aus der Wissenschaft und der Lehrerschaft, aber auch aus den Parteien, Gewerkschaften und Genossenschaften. Die Tätigkeit der Reichszentrale beschritt dabei sowohl den direkten wie den in-direkten Weg. Das heißt, sie bemühte sich einerseits um die Koordination gleichartiger Bestrebungen in der staatsbürgerlichen und staatspolitischen Unterrichtung in den verschiedenen Einrichtungen und Organisationen, nicht zuletzt durch die Bereitstellung von Material wie Lehrbroschüren, Vortragstexten und Rednermappen Lichtbildern und Matern. Zum anderen führte sie bzw. ihre Landesabteilungen in eigener Regie staatspolitische Lehrgänge und „Bildungstagungen“ durch, wobei sie ihr besonderes Augenmerk auf solche Personengruppen richtete, die im öffentlichen Leben eine besondere Bedeutung haben wie Beamte, Lehrer, Bürgermeister, Gewerkschaftsführer, Schutzpolizei usf. Durchschnittlich wurden auf diese Weise im Jahr ca. 60 Lehrgänge und 600 Wochenendtagungen im ganzen Reich durchgeführt. Hinzu kamen jährlich etwa 20— 25 000 Einzelvorträge staatspolitischen Inhalts, teils in eigener Verantwortung durchgeführt, teils als Vermittlung für andere Organisationen, Verbände und Vereine

Strengste Objektivität und parteipolitische Neutralität

Die Tätigkeit der Reichszentrale für Heimat-dienst ging davon aus, daß dem Staatsbürger angesichts seiner „wesentlich erweiterten und gesteigerten Mitwirkung am öffentlichen Leben die objektive Unterrichtung über die Geschehnisse und Zusammenhänge des politischen Lebens zur Vervollkommnung und Vertiefung des politischen Wissens und der politischen Urteils-fähigkeit“ gebühre Das Idealbild des Citoyen erforderte das Postulat, „daß jedem Wahlmündigen die vollkommene Freiheit seiner Informationen und seiner Entscheidung gesichert sein muß“ Sowohl die Verfassung als auch die „realen praktischen Bedürfnisse des Volks-staates“ machten staatsbürgerliche Bildung und Erziehung zu einer Notwendigkeit: „Man wird also ebensowohl aktuelle Ereignisse unter Erläuterung und Erklärung ihrer Beziehungen zu den Vorgängen und Zielen des deutschen öffentlichen Lebens zu beleuchten haben wie insbesondere auch elementare Kenntnisse über die dauernden Grundlagen und Grundfragen der deutschen Politik zu verbreiten suchen.“ In den Vorträgen, Kursen und Tagungen, im gedruckten Vorbereitungsmaterial wie in den regelmäßig erscheinenden „Richtlinien“ der Reichs-zentrale pielten deshalb Stoffe wie die Reichs-* Verfassung, der Aufbau von Reich und Ländern der Gang der Gesetzgebung, der Reichshaushalt, 1 die staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten in Reich, Ländern und Gemeinden eine besondere Rolle Im Mittelpunkt stand dabei die herkömmliche deutsche Staatslehre von dem übet den gesellschaftlichen Gruppen und politischen Parteien stehenden Staat Statt der „Agitation für bestimmte Sonderauffassungen“ sollten „strengste Objektivität und parteipolitische Neutralität“ die Tätigkeit der Reichszentrale bestimmen „Die großen Lebensfragen des Staates und der Nation“, wie die staatliche Einheit und die nationale und demokratische Selbstbestimmung, die Wahrung der verfassungsmäßigen Zustände, die außenpolitische Befreiun aus den Fesseln des Versailler Vertrages, die Besserung der wirtschaftlichen Lage und die soziale Gesundung des Volkes sollten als „nationales Gemeingut“ jenseits der parteipolitischen Auffassungen zur Darstellung gelangen und da

Keine Überzeugungskraft der alten Ideale

mit dem „Gedanken der Volksgemeinschaft" dienen Dabei war man sich — wenigstens theoretisch — durchaus darüber im klaren, daß Objektivität und parteipolitische Neutralität nicht Verzicht auf einen bestimmten politischen Willen und bestimmte politische Standpunkte bedeuten können, weder materiell-politisch noch pädagogisch-methodisch: „Politische Aufklärung ist staatsbürgerliche Volkserziehung. Ihr letztes Ziel kann es nicht sein, totes Wissen zu verbreiten, sondern denkende, wollende und handelnde Staatsbürger mit ausgeprägtem Staatsgefühl heranzubilden. Die Kenntnisse sollen dazu dienen, der vernünftigen, sachkundigen Beurteilung der politischen Verhältnisse gegenüber der Unwissenheit, der Unsachlichkeit, der Phrase und der Verhetzung zum Sieg zu verhelfen."

Die didaktischen Besinnungen im Umkreis der Reichszentrale für Heimatdienst wiesen immer wieder darauf hin, daß es vor allem gelte, die „Zerrissenheit und Zersplitterung“ des Volkes zu überwinden, was nur „vom Standpunkt des Staatsganzen aus" möglich sei und niemals als bloße Wissensvermittlung, sondern ebensosehr als Gesinnungsund Charakter-pflege im Sinne von Duldsamkeit, Gemeinsinn, politischem Verständnis sowie „Hingabe des Einzelnen an die Ziele des Großen Ganzen“ Wissen, Können und sittliche Norm werden abgeleitet aus dem idealistisch-liberalen Kosmos der „geistig-sittlichen Welt“ mit ihren „objektiven Gütern der Kultur“ „Diese geistig-sittliche Welt trägt in sich den Schatz unseres gesamten Wissens, unseres Könnens, unserer sittlichen Kraft und Gewohnheit."

Immer wieder stoßen wir dabei auf die Über-zeugung, daß Tugend letztlich aus Einsicht komme, daß sittliches Handeln stets „sinngemäßes Handeln“ sei So konnte etwa Friedrich Dessauer in der Jubiläumsschrift zum zehn-zährigen Bestehen der Reichszentrale sagen: »Wir würden uns alle nicht so wehe tun, wenn wir mehr voneinander wüßten.“ Aus Erkenntnis und Einsicht soll auch die Kraft zum »kategorischen Imperativ" erwachsen, der immer wieder beschworen wird.

In soldien Äußerungen vermögen wir die Grenzen dieses epigonenhaft gewordenen Idealismus deutlich zu erkennen, der keine Verbindung mehr besaß zu der menschlich-politischen Wirklichkeit schlechthin wie zu den po-

litisch-gesellschaftlichen Realitäten der Zeit. Er erkannte immer weniger die Diskrepanz zwi-

schen seinen hohen Idealproklamationen und dieser politisch-gesellschaftlichen Wirklichkeit, die sich eben tatsächlich in einer „vortotalitären", mit revolutionärem Sprengstoff geladenen Situation befand und in deren parteipolitischen Auseinandersetzungen in der Tat — entgegen allen Beteuerungen — die Parteiräson eklatant vor die Staatsräson gesetzt wurde Ein idealistisch-demokratischer Perfektionismus, der die Grundwahrheiten des politischen Lebens aus den Augen verloren hatte, mußte sich in einer Lage mehr und mehr im Appellativen erschöpfen, in der die braunen Prätorianergarden bereits zum Sturm antraten. Wer wollte es dieser Jugend verdenken, wenn sie in den abgegriffen und papieren gewordenen Idealen Heuchelei und das Bestreben der an der Macht befindlichen, vorwiegend bürgerlichen Kräfte erblickte, ihrePositionen ohne die notwendigen gesellschaftlichen und ökonomischen Strukturänderungen zu be-wahren? Die Ideale des deutschen Idealismus und der Goethezeit hatten schon zu oft ihre Instrumentalisierung im Dienst gesellschaftlich-politischer Machtkämpfe erleben müssen, als daß sie noch die Kraft gehabt hätten, die junge Generation im Innersten zu erfassen.

In einer reichlich flachen und lebensfremden Vorstellung von politischer „Vernunft“ und „Bildung" wurde die „Entsachlichung der politischen Diskussion", etwa durch die modernen Massenmedien, wurde die „Demagogie politischer Behauptungen", die „Verdrängung kritischer Antriebe“ zwar beklagt Es wurden jedoch keine wirklich gangbaren Wege zur Über-windung dieses Zustandes gewiesen, was letzten Endes darin begründet war, daß man politisch wie geistig in der Defensive focht, daß die Republik selbst keine zukunftweisenden Zielsetzungen mehr zu formulieren vermochte, daß sich staatsbürgerliche Bildung praktisch in der Abschilderung des innenpolitischen Status quo und seiner Institutionen und Funktionen erschöpfte bzw. daß man so tat, als ob es diesen Status quo inmitten einer außerordentlichen innen-wie weltpolitischen Dynamik überhaupt gebe.

Die Erwachsenenbildung

Eine ganz ähnliche Problematik, ja, man wird vielleicht sagen dürfen Tragik, kennzeichnet im übrigen auch die Tätigkeit der Erwachsenenbildung der Weimarer Zeit. Werner Picht hat in einem sehr lesenswerten Buch ihre Geschichte im einzelnen umfassend und tiefdringend geschildert Er hat darin ausführlich dargelegt, wie die Erwachsenenbildung in Deutschland entstand aus dem Eindringen des demokratischen Gedankens auch in den Bereich der Bildung seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts. Das bürgerliche „Bildungszeitalter“, das den Zerfall der „geistigen Volksordnung“ zuerst deutlich'werden ließ, öffnete den „Massen“ unter dem aufklärerischen Schlagwort „Wissen ist Macht" die „Bildungsgüter" und endete dabei schließlich notwendig in jener Halbbildung und „geistigen Unzucht", die die Kritiker der wilhelminischen Ära von Nietzsche über Lagarde bis Langbehn geißelten. Dabei wurde die seit dem Neuhumanismus entstandene Kluft zwischen „Gebildeten“ und „Ungebildeten“ keineswegs geschlossen, sondern im Gegenteil nur noch tiefer. Die Ursache dessen ist nach Picht darin zu suchen, daß in Deutschland Kultur und Staat, Bildung und Herrschaft in wachsendem Maße auseinander-klafften, daß die deutsche Bildung nicht von einer herrschenden Schicht getragen wurde wie etwa in den westlichen Nationalstaaten. Bei uns wurde umgekehrt auch die Bildung nicht von einem in sich gefestigten nationalen Staat getragen und nicht von einer allen Schichten gemeinsamen, fraglosen Kulturtradition, sondern sie entsprang in Deutschland dem Geist der Wissenschaft, war somit vor allem „akademische“ Bildung

Die, wie Picht sie nennt, „vorkritische“ Periode der deutschen Erwachsenenbildung wie sie vor allem durch die „Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung" getragen wurde (weshalb dieser Zeitabschnitt auch als der der „verbreitenden“ Volksbildung bezeichnet wird), forderte zur Wahrnehmung der politischen Rechte seit der Einführung des allgemeinen Wahlrechts die „Hebung des Bildungsniveaus". Mit ihrem leitenden Kopf, Robert von Erdberg, wollte sie den „Einheitsbürger“ war sie doch in ihren soziologischen Grundlagen wie in ihrer politischen Tendenz bürgerlich-liberal-demokratisch gerichtet. Ihre „aufklärerische Kulturgläubigkeit" entsprach dem Geist des positivistischen Wissenschaftszeitalters: der „Schatz“ der bürgerlichen „Bildungsgüter“ sollte verbreitet werden. Politische und gesellschaftliche Grundfragen der Nation wollte man durch Bildung und Bildungsausbreitung lösen.

Schon vor 1914 geriet freilich diese „verbreitende“, extensive Volksbildungsarbeit in die Krise. Ihre bedeutendsten Köpfe wie Robert von Erdberg und Walter Hoffmann, der Gründer des deutschen Volksbüchereiwesens, führten sie langsam auf neue Wege und begannen damit den zweiten Abschnitt der sogenannten „gestaltenden“, intensiven Periode der deutschen Erwachsenenbildung.

Diese „neue Richtung“ der gestaltenden Volksbildung stand bereits im Zeichen der um die Jahrhundertwende begonnenen Kulturkritik und Jugendbewegung Die Diskussion des Bildungszieles kam erneut in Gang. Bildung wurde hier nicht mehr verstanden als ein quantitatives Bildungsgut, das von den Gebildeten als den geistig Reicheren gleichsam den armen Ungebildeten abgegeben wird, sondern Bildung wurde jetzt bestimmt als die organische Form und Gestalt, die der Einzelne als Glied seiner volklichen und kulturellen Gemeinschaft erreichen kann. Der „Volksbildner“ wurde so zum Pfleger dieser Vollgestalt des Menschen und des Volkes. Volksbildung wird hier Teil einer umfassenden Erneuerung der Lebensordnungen des Volkes und der Gesellschaft. Walter Hoffmann gab 1925 in einem progammatischen Aufsatz über „Gestaltende Volksbildung“ diesem Ziel Ausdrude. Aus „Volksbildung“ im Sinne einer aufklärerisch-wissenschaftsgläubigen ato-

mistisch-individualistischen Bildungs-und Kulturausbreitung sollte „Volksbildung“ werden, daß heißt ein neuer Zusammenhang von Überzeugungen und Sitten sollte langsam emporwachsen durch „Laienbildung“ Im soge-nannten „Hohenrodter Bund“ sammelten sich die Vertreter dieser neuen Richtung, unter ihnen Theodor Bäuerle, Robert von Erdberg, Wilhelm Flitner, Werner Picht und Eugen Rosenstock-Huessy Hier war Bildung nicht mehr Bildung der runden, aber selbstgenügsamen Persönlichkeit im Sinne Humboldts, sondern vor allem „Bildung zum Volk“, ein Erwachsen des Einzelnen zur Vollgestalt seiner Möglichkeiten im Rahmen der volklichen Ordnungen und Ränge. Man wollte neue erzieherische und gei-stige Gemeinschaften schaffen als Zellen der Volkserneuerung, als Zentren solcher neuer Lebensgestaltung und — langfristig gesehen und gewollt — auch neuer politischer Ordnung. Die Arbeitslager des Boberhauses in Schlesien, wo Studenten, junge Bauern und Arbeiter zusammen kamen, wurden zum vielleicht sinnfälligsten Ausdrude solcher neuer Volksbildung Als seit der Wirtschaftskrise dann die Arbeitsdienst-und Siedlungsbewegung aufkam, bestand frei-lich für diese neue Formen der Volksbildung die Gefahr des Abgleitens in bloßes sozialpolitisches Wirken, in uferlose Sozialpolitik und Volks-pädagogik, kurz die Gefahren der bildungsideologischen Überspannung jeder pädagogischen Zielsetzung überhaupt

Das „volksbürgerliche" Erziehungsideal

Welche Antriebe und Überlegungen lagen nun dieser neuen Phase der Volksbildung zugrunde? Ein geschichtlicher Überblick muß in diesem Zusammenhang auch von den volksbürgerlichen Erziehungsidealen in der Zeit der Weimarer Republik sprechen. Beide Erziehungsideale dieser Zeit, sowohl das staatsbürgerlich-republikanische Ideal der Erziehung zum Kultur-, Rechts-und Verfassungsstaat wie dieses aus der Jugendbewegung kommende Ideal der volksbürgerlichen Erziehung sind ohne die vorausgegangene Erschütterung der überlieferten preußisch-deutschen Staatlichkeit nicht zu verstehen. Versuchte das eine an die deutsche Kulturstaatstradition der idealistischen Philosophie und der Goethezeit anzuknüpfen, an Wilhelm von Humboldt und Schiller, so erwuchs der Volksgedanke der Jugendbewegung aus der Neu-romantik der Jahrhundertwende mit ihrer Wendung zum „Volksgeist“. Auch diese Jugendbewegung war ein Protest gegen den alten monarchischen Obrigkeitsstaat, genauso wie etwa der politisch-gesellschaftliche Protest der Arbeiterschaft, ein Protest, der freilich zunächst nicht mit politischen Mitteln ausgetragen wurde, sondern als geistig-kulturelle Sezession aus der Welt der Väter erfolgte. Angesichts der Entartungen und Veräußerlichungen der wilhelminischen Ära wurde der bestehende Staat auch von dieser vorwiegend bürgerlichen Jugend keineswegs mehr als eine fraglos zu bejahende Angelegenheit betrachtet, sondern als eine lebens-feindliche, gemeinschaftszerstörende, entseelte, mechanische Konstruktion

So sucht man in der Betroffenheit des neuen glaubenslosen Zeitalters der Massen, der In-dustrie und der Technik, kurz, inmitten der tief-greifenden geistigen und gesellschaftlichen Um-brüche des beginnenden 20. Jahrhunderts, nach neuen Werttafeln und insbesondere nach neuer Gemeinschaft neben dem bestehenden Staat und neben der vorhandenen, tiefkranken Gesellschaft im „Bund": „Die Insel des Bundes“ sollte zur Erneuerungszelle werden. Sie stand unter dem freien, die herkömmlichen sozialen Schranken sprengenden Gebot der Meißnerformel. Das Fernziel war der „Volksbürger“ in einer neuen „Volksgemeinschaft“, die nicht mehr die Trennungen von „Kaste und Geld“ kennt Aus dieser Volksgemeinschaft sollte eines Tages auch ein neuer Volksstaat hervorwachsen, in dem Nationalbewußtsein nicht mehr das Vorrecht der staatstragenden Adelsschicht und des Bürgertums von Bildung und Besitz war, sondern ein innerer, geistiger Besitz aller Volksgenossen. In diesem Sinne war man „volksnational" Lind wenn man von „Volksdemokratie“ sprach (ein Begriff, der im Vokabular der Jugendbewegung und später der hündischen Bewegung recht häufig vorkommt), dann meinte man damit Formen einer unmittelbaren, auf Vertrauensbindungen innerster seelischer und personaler Art gegründeten „aristokratischen Demokratie“, zu deren Verdeutlichung nicht zuletzt das germanische Gefolgschaftsverhältnis beschworen wurde und die nichts zu tun haben sollte mit der apparathaften, „Masse“ statt „Volk“ voraussetzenden und zudem vielfach angeblich „plutokratisch" verzerrten modernen Parteien-demokratie Der Protest gegen die modernen Apparaturen der technischen Welt kündigte sich hier unüberhörbar an, auch wenn er eines Tages selbst in die Fänge der totalitären Techniker der Macht im Nationalsozialismus geraten sollte.

Wilhelm Stapel

Auf diesem geistesgeschichtlichen Hintergrund ist das volksbürgerliche Erziehungsideal zu sehen, denn ohne die Jugendbewegung ist es nicht zu verstehen. Wilhelm Stapel, der selbst aus der Jugendbewegung hervorgegangen ist, hat es in seiner gleichnamigen Schrift zu umreißen versucht Es war dabei kein Zufall, daß er, als er 1917 zum ersten Mal seine Gedanken vortrug, sich vor allem auf Fichte berief. Es war der Fichte der Nationalerziehung, der nun, besonders seit der Wende des Krieges 1916, eine erstaunliche Renaissance erfuhr und von den verschiedensten Seiten in Anspruch genommen wurde Es war Fichte als der leidenschaftliche Patriot, der schon zu seiner Zeit die Schäden des zum Untergang verurteilten monarchischen Obrigkeitsstaates geißelte und der als Kulturkritiker wie als Volkserzieher allein in einem neuen volksverbundenen Staat die Rettung erblickte. So nannte Stapel alsbald auch sein Hamburger Erwachsenen-Bildungszentrum „Fichte-Hochschule“.

Stapel stellte mit Fichte die Frage „Was ein Volk sei?“ und beantwortete sie durch die Unterscheidung von „Geist“ und „Seele“ Ist der Staat bewußter Geist und Wille, so ist das Volk unbewußte, schöpferische Seele. Staat ist ein Stück Geschichte, Volk ist ein Stück Natur. Volk kann deshalb niemals identisch sein mit Staatsbürgerschaft oder mit der Summe der gerade in einem Staat Lebenden. Diesen, wie er sagte, westlich-individualistischen Volksbegriff lehnte Stapel zusammen mit dem ganzen geistig-politischen Erbe der Aufklärung und der bürgerlichen Revolution ab. Das Individuum im westlich-naturrechtlichen Sinne war für ihn eine Abstraktion. Der einzelne ist nur verstehbar im Zusammenhang seines Volkes: „Wir dürfen die Kette der GesMechter (d. i.der Generationen) nicht auseinanderreißen, wenn wir die einzelne Seele erzielten wollen.“ Stapel vergleicht deshalb den Einzelmenschen gern mit einem Kristall, das wohl für sich, andererseits aber auch nicht ohne den Gesamtzusammenhang seiner Kristallstruktur möglich ist

Diese Kristallstruktur im sozialen Leben aber besitzt nur das Volk. Es ist ein Stück „irdischer Ewigkeit“, es stellt sich dar in der Kette der Geschlechter Es hat eine Volksseele“, Diese nennt Stapel „Volkstum“ Es schafft sich Ausdruck in Sprache und Kultur; aus ihm erwachsen die Volksideale, die den Einzelnen binden und prägen. Nicht staatlicher Wille, nicht Institutionen, Gesetze und Pflichtlehren halten ein Volk zusammen, sondern allein diese Volksseele, das „Volkstum“, die sich in den einzelnen Volksgenossen als Liebe zum Volk und zu den Mitgenossen zeigt.

Stapel sieht jedoch durchaus die Gefahren, die einer solchen organologischen Betrachtungsweise der geschichtlich-gesellschaftlichen Gebilde drohen. Der Mensch tritt aber aus dem „Artleben“ heraus durch seinen auswählenden Willen, durch die . Herrscherkraft seiner Person". Seine sittliche Unterscheidungsfähigkeit und Verantwortlichkeit hebt ihn ab von den anderen Lebewesen Es kommt nur darauf an, daß er sich geistig und sittlich nie von seinem Wurzelgrund, seinem Volkstum, trennt in der Überhebung eines individualistischen Intellektualismus. Ein Mensch ohne Volk ist jedenfalls nach Stapels Überzeugung ein brüchiges und krankes Wesen

Der Staat ist gegenüber der „Lebensgemeinschaft“ des Volkes nur eine „Arbeitsgemein-schaft“ Stapel lehnt den hegelianischen Staatsbegriff etwa Sprangers ab. Die kulturelle Gestimmtheit der Jugendbewegung läßt ihn auch die geschichtliche preußisch-deutsche Staatsindividualität so gering achten wie manchen Anhänger des liberalen Kulturstaatideals. Er bekämpft das Ganze aus der westeuropäischen liberal-demokratischen Bewegung kommende Nationalstaatsdenken des 19. Jahrhunderts, dessen Ende er gekommen sieht: Herder tritt gegen Hegel in die Schranken. Nur in der neuen, höheren Gemeinschaftsform des Volkes kann schließlich auch ein erneuerter Staat wachsen als Ausdruck dieses Volkstums. Für ihn ist deshalb nicht der Staat Sinn und Ziel „politischer“ Erziehung, sondern das Volk. Nicht zu den „Staatstugenden“ der Ordnung, Manneszucht und Gerechtigkeit ist vor allem zu erziehen, sondern zur Liebe zum eigenen Volk. Staatliche Pflichterfüllung ist eine kalte und stolze Tugend, meint Stapel. Er will sie, diese angeblich „aufklärerische" Tugend, innerlich erwärmen durch das volle Gefühl der Liebe zum Volk, zu dem man gehört

Abgrenzung zwischen „Volkheit” und „Menschheit"

Allein das Volkstum kann also Ausgangspunkt und Grundlage aller Erziehung sein. Erziehungsziel aber ist die „Volkheit“, wie Stapel, ebenfalls mit Fichte, sagt Wie die „Persönlichkeit“ das Zielbild der Person ist, so ist die „Volkheit“ als Volkspersönlichkeit das Zielbild eines Volkes. Sie ist der „Nationalcharakter“ im Sinne Fichtes, die Möglichkeit und Voraussetzung aller Erziehung, aller Veredlung und „Adelsfähigkeit“ Naturgrundlage und Idealität müssen also zusammenkommen als die beiden Pole, innerhalb derer die Erziehung wirksam werden kann.

Entsprechend der Tradition der fichteschen und romantischen Volksgeistlehre versucht Stapel eine Abgrenzung zwischen „Volkheit“ und „Menschheit“ Menschheit ist ein Abstraktum, dem besonders Intellektuelle gern erliegen. Ist aber nicht auch Volkstum eine solche Abstraktion, wo doch nur die „sozial verschränkten Individuen“ das real Faßbare sind? Gegenüber solchem erkenntnistheoretischen „Nominalismus“ weist der „Realist" Stapel auf die Möglichkeit von Kollektiverlebnissen hin, wie sie unter den Deutschen etwa 1813 oder im August 1914 der Fall waren. Solche Kollektiverlebnisse sind ein deutlicher Ausdrude der Wurzelgründe des Volksgeistes, ganz abgesehen von allen anderen kulturell-geistigen Manifestationen des Volkstums.

Ist also die Menschheit immer ein ungeschichtliches Abstraktum, so zieht Stapel jedoch die sittliche Bedeutung der Humanität und ihr Verhältnis zum Volkstum nicht in Zweifel

Humanität ist für ihn zwar nicht „Menschheit-lichkeit" im Sinne des westlich-naturrechtlichen Gleichheitsbegriffs, jedoch die unüberhörbare. Forderung der „Menschlichkeit", die sich aber stets zunächst und vor allem im Volkstum konkretisiert. Während der Wille zur Menschheit bestenfalls ein „technischer“, aber kein „moralischer“ Wille ist, sind andererseits Gottesliebe und Volksliebe immer aufeinander bezogen. Denn Volk ist ein von Gott gesetzter und gewollter Wert, ist die Voraussetzung aller Ratio, nur „erlebbar“, aber nicht logisch beweisbar, die Quelle allen geistigen und kulturellen Lebens.

Stapels Volksbegriff ist somit ein Kernstück seiner an der deutschen Romantik und an Fichte orientierten christlich-idealistischen Metaphysik: „Jede Auflösung überindividueller natürlicher Gebilde“ (wie etwa des Volkes) geht auf Gott-entfremdung zurück. Gottfremdheit aber bedeutet „Aufgehen in den Dingen dieser Welt“ „Eine gottfremde Seele wird nur durch die einzelnen Dinge und Sachen, die einzelnen Vorstellungen und Gedanken bewegt, bald hierhin, bald dorthin getrieben“ Sie wird von den Dingen nur getrieben, das heißt, sie kann sie nicht beherrschen, sie wird stattdessen von ihnen beherrscht. Sie kann deshalb auch „nicht schöpferisch, sondern nur organisatorisch arbeiten“ „Die Tätigkeit des Nur-Individuums . . . bricht nicht aus dem tiefquellenden Gefühl, aus der Erschütterung der ganzen Seele hervor, steigt nicht vom Unbewußten zum Bewußten auf, sondern ist bewußtes Spiel mit Bewußtem, ist Intellekt“

Keine Agitation für den Staat

So kommt Stapel zu dem Ergebnis, daß für die politische Erziehung und Bildung keine „Agitation“ für den Staat, weder in seiner nationalstaatlich konservativen, noch in seiner nationaldemokratischen Form in Betracht kommen kann Hier kann kein „Wissen über deutsche Dinge“ ausreichen, sondern das Wichtigste kann immer nur aus der „Bestimmung des Volkslebens“ selbst, durch große Erlebnisse und Schicksale kommen. Pädagogische Überlegungen und erzieherisches Tun kann nur auf unsere Verantwortung hinweisen, kann Schutt wegräumen, Raum schaffen für Muße und Selbstbesinnung, auf die Voraussetzungen eines gesunden Körpers und gesunder Lebensführung usf. hinweisen: mehr kann sie nicht leisten.

Eben dazu will Stapel in seinen vier Lehrgängen der volksbürgerlichen Erziehung einen Beitrag geben Entsprechend seiner konservativ-kulturellen Grundstimmung, will er auch hier keine pädagogische Programmatik liefern, sondern die Umrisse einer „Schule deutscher Gesinnung“ zeichnen. Mit einem feinen pädagogischen Gespür hat Stapel hier ein Modell moderner gestaltender Volks-und Erwachsenen-pädagogik geliefert, das bis heute manches von seiner Bedeutung und Gültigkeit bewahrt hat. Der „organische“ Aufbau dieser Kurse von der Ausbildung der allgemeinen sinnlichen Fähigkeiten über die Pflege des Sinnes für Farbe, Form und körperliche Bewegung, über die Einführung in die Kultur der Sprache, der Literatur, des Erzählens und des darstellenden Spiels, die Kampfansage gegen Vortragsrummel und „Buchwesen", die Prinzipien des Nachschaffens, des Ausgangs von den Originaltexten und der Arbeitsgemeinschaft — alles das ist zweifellos von einer fortwirkenden pädagogischen Fruchtbarkeit.

Erst der dritte Lehrgang hat es als „Lehrgang der Weltanschauung" mit dem geistig-geschichtlichen Kanon des volksbürgerlichen Lebens zu tun, Und erst der vierte Kurs ist der eigentlich „politische" Er soll der „Pflege des Gemeinschaftssinnes“ dienen durch die Weckung der Kräfte der Ehrfurcht, der Volksliebe und der Hingebung. Das Zentrum solcher gesinnungsbildender Erziehung, die immer im Rahmen einer Heimvolkshochschule von wenigstens mehrwöchiger Kursdauer gedacht ist, ist für Stapel die Vergegenwärtigung der Geschichte als „Volksgedächtnis": “ Welches aber ist die Ceweinsdiaft, in die wir uns —nun nidu hinein . stellen sollen, denn von einem absiditlidten Wollen kann gar nicht die Rede sein, sondern: in die wir uns nach dem Willen des Schicksals hineinfügen müssen? Nach allem, was wir bisher ausgeführt haben: das Volk. Wir müssen uns bewußt werden, daß wir unseres Volkes sind, unabtrennbare Glieder dieses durch die Jahrhunderte lebenden einheitlidten Wesens, aufleuchtende und wieder verdämmernde Erscheinungen dieser durch das Dunkel der Zeiten dahinflutenden, schaffenden Lebenskraft.“ Dieses Bewußtwerden aber geschieht in der geschichtlichen Überlieferung: „In der Geschichte erfassen wir unsern Zusammenhang mit den Vorfahren und unsere Verpflichtung gegen die Nachkommen. In diesem Sinne soll Geschichte getrieben werden: nicht um Bescheid zu wissen über die und die Ereignisse, die sidt dann und dann abgespielt haben, sondern um sich des eigenen, als eines Volksgliedes, Schicksals bewußt zu wer-dem"

Stapel ist der Überzeugung, daß in solcher „ganzheitlicher“ volksbürgerlicher Erziehung alles getan ist, was Erziehung überhaupt tun kann, einschließlich der Erziehung des Willens, der Erziehung zur Sittlichkeit und vor allem auch einschließlich der Volksverantwortung des Einzelnen. Die Gewinnung eines seelisch-geistigen Mittelpunktes ist ihm wichtiger als der Erwerb von Kenntnissen und Fähigkeiten. Dieser Mittelpunkt aber kann für Stapel nur der lebendige „Volksgeist“ sein.

An Stapels volksbürgerlichem Erziehungideal wird nicht zuletzt auch deutlich, wie überdehnt und überbeansprucht eine Bildungsidee werden mußte, wenn einmal die gewachsenen Ordnungen zerfallen sind und wenn der Versuch unternommen wird, die Welt der Technik und Indu-striewirtschaft mit einem bildungs-und kulturpolitischen Programm zu ordnen, anstatt etwas vertrauender auf die Ordnungs-und Binde-kräfte zu achten, die auch in dieser neuen, noch so ungewohnten Welt vorhanden sind, so sicher das Menschliche noch nicht untergegangen ist und noch eine Verheißung hat.

Auf ein Letztes schließlich hat schon Friedrich Oetinger hingewiesen: daß es nämlich Stapels volksbürgerlichem Ideal nicht gelungen ist, die Hypertrophie des „Staatsbürgerlichen“ in der Weimarer Zeit einzudämmen, „dem Staat zu nehmen, was ihm nun einmal nicht zukommt.“ In einer seltsamen Instrumentalisierung des Volksbegriffes diente er schließlich nur dazu, „das etatistische Denken von imteu her auszupolstern. Seine , Volkheit“ wirkte als die Entelechie der Staatsbürgerlichkeit. Und so hat sein Volksbegriff, weit entfernt, der Staats-verherrlichung entgegenzuwirken, schließlich eine Bahn bereitet, auf der auch die konservativen Kreise vollends der nationalsozialistischen Staatsideologie zugeführt werden konnten“. So ist auch die volksbürgerliche Erziehung wie das ganze Gemeinschaftserlebnis der Jugend-bewegung „tragischerweise mit in die Konkursmasse der Staatspädagogik hineingezogen worden“.

Menschenformung und Typenzucht

Geschichtliche Kontinuität und Nationalsozialismus

Wer sich heute Gedanken und Sorgen macht über die Lage der politischen Pädagogik in Deutschland, der muß sich vor allem die Tatsache vergegenwärtigen, daß der von Bismarck geschaffene gesamtdeutsche Staat kaum 75 Jahre Bestand gehabt hat. In dieser kurzen geschichtlichen Zeitspanne erlebten wir zudem drei voneinander völlig verschiedene Leitbilder staatlicher Gestaltung und politischer Willensbildung: den monarchischen Obrigkeitsstaat mit dem „demokratischen Zusatz“ des allgemeinen Wahlrechts den parlamentarischen Verfassungs-und Parteienstaat und schließlich die bisher extremste Form der totalitären Tyrannis des 20. Jahrhunderts, die mit ihren pseudoreligiösen Ansprüchen das wurzellose Seelen-material der modernen Industriegesellschaft zu manipulieren unternahm.

Wenn wir uns nun dieser dritten Etappe in der neueren deutschen Geistes-und Erziehungsgeschichte zuwenden, dann steht auch hier unsere Entwicklungsskizze der politischen Pädagogik unter der Frage nach der Kontinuität des deutschen Volksschicksals im 20. Jahrhundert. Gerade auch die Ära der sogenannten nationalpolitischen Erziehung in der Zeit des Nationalsozialismus können wir bei dem Versuch einer Standortbestimmung der gegenwärtigen Lage und Aufgabe politischer Pädagogik keineswegs ausklammern, nicht nur, weil sie uns Möglichkeiten einer schauerlichen Verirrung in der Auffassung vom Wesen des Menschen, seiner politischen Gemeinschaft und seiner Erziehung in unserer Zeit enthüllt, sondern zugleich auch deshalb, weil sie uns den Umfang der vor sich gegangenen geistig-politischen Zerstörung deutlich werden läßt, die unser heutiges Tun so überaus schwer belastet und die Notwendigkeit einer radikalen Grundlagenbesinnung unumgänglich macht.

Es hieße sich die Dinge zu leicht machen, wollte man die Erscheinung des Nationalsozialismus in unserer Geschichte als einen mehr oder weniger vermeidbaren Zufall deuten, als einen „Betriebsunfall" gleichsam unseres Verfassungslebens, verursacht durch eine Reihe klar angebbarer geschichtlicher, politischer, gesellschaftlicher und geistiger Gründe, durch „personelles Versagen“ leitender Staatsmänner der ersten deutschen Republik etc. Mit einer populären „hegelianischen“ Deutung, wonach die Geschichte verlaufe im Zeichen eines ständigen Fortschritts hin zu immer mehr Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie (zumal im 20. Jahrhundert, das durch den hohen Ausbildungsstand seiner die technische und industrielle Welt tragenden Massen gekennzeichnet wird), kommen wir dem Phänomen des Nationalsozialismus nicht bei. Denn er müßte dann lediglich als eine reichlich unliebsame und unverständliche zeitweiligelinterbrechung dieser Aufstiegs-linie erscheinen, erklärbar aus einer „Verschwörung“ einer kleinen Minderheit von Asozialen und politischen Verbrechern, der die anständigen, friedfertigen, fleißigen, arbeitsamen und freiheitsliebenden Massen unseres Volkes zum Opfer gefallen waren wie eine von Raubtieren überfallene Lämmerherde.

Es wird hier sehr schnell deutlich, daß eine solche Auffassung dem Phänomen des modernen neuheidnischen Totalitarismus inmitten der in-dustriellen Massengesellschaft unseres Jahrhunderts nicht gerecht zu werden vermag. Ein solcher Blick vermöchte nicht bis zu den Tiefen der Erschütterungen unserer Zeit durchzudringen. Seinem vordergründig moralisierenden Urteil müßten weite Bereiche unserer jüngsten Geschichte einfach unerreichbar oder doch wenigstens unerklärlich bleiben. Wer es sich zu leicht macht mit der Deutung des Nationalsozialismus, indem er ihn aus der Kontinuität unserer Geschichte zu verbannen versucht oder ihn allein vordergründig mit selbstgerechtem Moralismus abtut, der wird der politischen Verantwortung nicht gerecht, die doch vor allem darin bestehen muß, das nationalsozialistische Gift in seinen Tiefen aufzusuchen, in seine letzten Entstehungsgründe hinein zu verfolgen und in allen seinen Verkleidungsmöglichkeiten zu erkennen. Man fürchte nicht, daß dadurch unser geistiges und öffentliches Leben wieder zu einer einzigen Hexenjagd entartet und erneut das berüchtigte Suchen und Graben nach den angeblichen „Wurzeln“ des Nationalsozialismus in unserer Geschichte beginnt Es geht hier gerade nicht um die heute so beliebte Selbstrechtfertigung durch die Anklage anderer, sondern es geht um die geistige und geschichtliche kollektive Verantwortung der Deutschen für ihre jüngste Vergangenheit politischer Verantwortlichkeit

Tendenzen in der deutschen Geschichte

Niemand kann leugnen, daß der Nationalsozialismus nicht „voraussetzungslos“ in die deutsche Geschichte eingetreten ist, sondern daß schon lange vor seinem eruptiven und katastrophalen Erscheinen Wege und Tendenzen in unserer Geschichte angelegt waren, die eines Tages auf ihn hinführen konnten. Eben dies machte es ihm ja verhältnismäßig leicht, unter der Tarnkappe der nationalen Kontinuität und Tradition und mit dem Anspruch auf die Verwirklichung legitimer Tendenzen der deutschen geschichtlichen Entwicklung sich in unser geschichtliches Leben einzuschleichen. Wir sind heute leicht geneigt, in der Lage dessen, der als der Klügere „vom Rathaus kommt", darüber zu urteilen, daß man doch viel früher die „wahren Absichten“ der Nationalsozialisten hätte erkennen und bekämpfen müssen. Wir machen uns viel zu wenig klar, daß auch der Nationalsozialismus (und auch die Erscheinung Hitlers) nicht von Anfang an als jener eindeutige, gleichsam „monolithische“ Block in unsere Geschichte eingetreten ist, als welchen ihn eine rückschauende Betrachtung erkennt

Auch er hat — besonders, seitdem er die Macht in Deutschland „ergriffen" hatte — seine Entwicklung gehabt, deren innere Gesetze und Dynamik freilich nicht so ohne weiteres zu durchschauen waren, jedenfalls nicht für ein Volk mit so gering entwickelten politischen Instinkten wie dem deutschen. So konnte es den Nationalsozialisten gelingen, sich dem deutschen —------------

Volk als die Erfüllung seiner alten Sehnsucht nach nationaler und sozialer Einheit und nach neuer innerer Gemeinschaft zu empfehlen und den Anspruch auf eine echte, tiefpflügende geistige und politische Erneuerung im Sinne einer „konservativen Revolution" zu erheben zumal Christentum, Kirche und die neuhumanistische Bildungsreligion als echte Lebenswirklichkeiten weithin nicht mehr trugen. Nur wenn man sich klar macht, wie eng auch die deutsche Erziehungswirklichkeit mit diesen geistesgeschichtlich ableitbaren Sehnsüchten und

Erwartungen verknüpft war, wird man das befreite und erlöste Aufatmen verstehen können, mit dem nicht wenige deutsche Lehrer und ein Großteil gerade auch der akademischen Schicht die Machtübernahme der Nationalsozialisten begrüßten.

Es ging, gerade für die politische Bildung und Erziehung, immer noch um die Vollendung der „Nationwerdung“ der Deutschen. Das Ziel der nationalen Kultur-und Bildungseinheit war ja, wie wir gesehen haben, das zentrale Thema gerade der Weimarer Kultur-und Schulpolitik gewesen, das innerste Anliegen der Männer wie Becker, Richert, Spranger, Litt und anderen. In der Folge des „Kriegserlebnisses“ war neben den neuhumanistischen und neuidealistischen Bildungsgedanken bereits ein neuer, härterer, nicht mehr liberal-individualistischer, sondern „politischer" Staats-und Bildungsbegriff getreten. Die Hegel-und Fichte-Renaissance seit dem Ende des Krieges hatte bereits weithin das Erbe Schillers und Wilhelm von Humboldts zurüde-gedrängt. Nicht nur in der „volksbürgerlichen" Erziehung war der Angriff gegen den „Etatismus" der staatsbürgerlichen Erziehung der Republik eröffnet worden, indem hier Begriffe wie „Volk" und „Reich“ gegen den nationalliberalen und nationaldemokratischen Staatsgedanken ausgespielt wurden. Daneben traten die zum Teil aus der Jugendbewegung und der sogenannten „konservativen Revolution“ kommenden universalistischen Gedankengänge eines Othmar Spann und anderer, die im Staat wieder Gebilde des „objektiven Geistes“, Organismen höherer Ordnung und eigener sittlicher Rechtfertigung erblickten, denen sich der Einzelne „gliedhaft" einzuordnen hatte. Der Kampf mit dem Geistesgut der Aufklärung und mit dem individualistischen „auflösenden“ Liberalismus in Deutschland schien zum Ausgang der zwanziger Jahre in seine letzte Phase getreten zu sein. Die geistigen Wirkungen der Moeller van den Bruck, Oswald Spengler und vieler anderer waren unübersehbar

Bei einem Mann wie Ernst Krieck, dem wohl bedeutsamsten Theoretiker der nationalsozialistischen Pädagogik, wird die Gegnerschaft sowohl gegenüber dem monarchisch-konservativen Staat von „Thron und Altar“ wie gegenüber dem großbürgerlich-liberalen Bildungsbürgertum besonders deutlich. Nicht zufällig kam Krieck aus der süddeutschen Volksschullehrerschaft, in welcher die Rebellion gegen die überkommenen Gesellschafts-und Erziehungsmächte überhaupt vielleicht am stärksten war. Hier hatte früh die antiwilhelminische Kritik der Nietzsche, Lagarde und Langbehn ihre Wirkung getan. Hier war noch aus dem Jahre 1848 „schwarzrotgoldener“, republikanischer und sozialistischer Geist lebendig geblieben. Hier wurde wohl auch das Unvermögen der Republik zur geistigen und gesellschaftlichen Integration der deutschen Gesellschaft am das Kriegserlebnis und die „Kriegspädagogik“, nicht zuletzt jener Fichte der Nationalerziehung, ihre Wirkung getan. Das politische und gesellschaftliche Interesse war in diesen Kreisen immer stark geblieben. Es drückte sich kulturpolitisch in Unkirchlichkeit, wenn nicht Antikirchlichkeit aus, war kulturell zentralistisch und national gestimmt und berief sich auf das Erbe der Goethezeit mit seiner idealistischen Kultur-und Bildungsreligion. Die Einflüsse der volks-bürgerlichen Erziehung wie überhaupt des hündischen Gemeinschaftsund Erziehungsgedankens kamen ebenso hinzu wie der hochgespannte Universalismus Spanns und die geistig-politische Eschatologie vom „Dritten Reich" eines Moeller van den Bruck.

Von der Nationalpädagogik zur nationalpolitischen Erziehung

Mit welchen aus der Enttäuschung an der Republik stammenden Erwartungen der „Umbruch“ des Jahres 1933 im Raum der Erziehung, und gerade auch im Blick auf die politische Bildung und Erziehung, begrüßt wurde, zeigt das eben in diesem Jahr bei der Hanseatischen Verlagsanstalt erschienene Buch von Gerhardt Giese „Staat und Erziehung — Grundzüge einer politischen Pädagogik und Schulpolitik", das für unseren Zusammenhang den Wert einer Quelle von Rang besitzt. Giese kam — wie Krieck — aus der Lehrerbildung, in der sich die National-pädagogik der Weimarer Republik einen, auch institutionell, beachtlichen Ausdruck geschaffen hatte. Er gehörte den jungnationalen Kreisen um Stapels Fichte-Hochschule in Hamburg an und war als Angehöriger der Jugendbewegung und der Frontgeneration schon 1919 auf dem Lauenstein dabei gewesen, als sich die hündische Jugend ihres Weges nach dem Krieg vergewisserte. Die volksbürgerliche Erziehung, die sich als neue „politische“ Nationalerziehung unter den „großen, dem Menschenleben sinngebenden Wirklichkeiten“ von „Heimat, Volk, Staat und Gott“ verstand, hatte ihre tiefen Wirkungen hinterlassen Hinzu trat der neue politische Hegelianismus seines Lehrers Spranger und der jüngeren Dilthey-Schule, wo entgegen dem liberalen Irrglauben von der pädagogischen „Autonomie" und Neutralität der Anspruch der „objektiven Mächte“ in Volk, Staat und Kultur wieder ernst genommen und der unlösbare Zusammenhang von Politik und Erziehung wieder ans Licht gerückt wurde, ein Zusammenhang, der auch in der Erziehung ein „Existenzial des menschlichen Lebens“ erblickte und der ihr die Aufgabe stellte, die heranwachsende Generation mit diesen objektiven Mächten in innerste geistige und sittliche Berührung zu bringen, also den „politischen Menschen“ zum Ziele hatte.

Die Ursache für die Staatskrise der Weimarer Republik erblickte auch Giese in deren Unvermögen, „die Einheit des Willens und die ständige Integration, die wir als das Wesen des Staates erkannten“, zu gewährleisten, also „die Einheit des geistigen Willens und der Wertgemeinschaft, die den Staat im tiefsten begründet.“ Mit Carl Schmitt beklagt er deshalb die „pluralistische Aufspaltung": „Der Staat erscheint tatsächlich in weitem Maße von den ver- sdtiedeneH sozialen Gruppen abhängig, bald als ein Opfer, bald als Ergebnis ihrer Abmachungen, ein Komprontißobjekt sozialer und wirtsdtaftlicher Machtgruppen, ein Agglomerat heterogener Faktoren, Parteien, Interessenverbände, Konzerne, Gewerkschaften, Kirchen usw., die sich untereinander verständigen. Im Kompromifl der sozialen Mächte ist der Staat geschwächt und relativiert, ja überhaupt problematisch geworden ... Er scheint, wenn nicht geradezu der Diener oder das Instrument einer herrschenden Klasse oder Partei, so doch ein bloßes Produkt des Ausgleichs mehrerer kämpfender Gruppen geworden zu sein . . .“ Das Parlament wurde „ein bloßes Abbild der pluralistischen Aufspaltung des Staates selbst, durch seinen immanenten Pluralismus mehrheits- und handlungsunfähig.“

Giese kommt dann auf die Auswirkungen dieses Pluralismus, auf die deutsche Bildungspolitik zu sprechen, wo sich — bis hinein in die Personalpolitik — „die Schwankungen und Unsachlichkeiten" einer solchen Art von politischer Willensbildung ganz besonders schwerwiegend auswirkten In dieser Situation konnte es keinen allgemein-verbindlichen „Staatsgedanken“ geben, „der stets Dienst, Hingabe und Opfer gegenüber dem Ganzen und vor allem Unterordnung des Einzelnen und der Gruppeninteressen unter das allgemeine Wohl verlangt.“ „Das einzelne Individuum fühlt sich deshalb heute in vielen Staaten tatsächlich in einer Pluralität ethischer Bindungen und ist durch religiöse Gemeinschaften, wirtschaftliche Verbände, kulturelle Gruppen und Parteien gebunden, ohne daß es im Konfliktfalle eine anerkannte Entscheidung über die Reihenfolge der viele Bindungen gäbe.“

Wie konnte man in dieser Lage, so fragte Giese weiter, zu Staatsgesinnung und staatlicher Bindung erziehen? Wie wollte man vor allem Schule und Jugend für den neuen republikanischen Staat innerlich gewinnen? Man machte die Staatsbürgerkunde, die staatbürgerliche Belehrung zu dem „demokratischen Lehrfach“ schlechthin, „mit dessen Durchsetzung und Erteilung die Demokratie steht und fällt“. So hatte es Paul Rühlmann, der unentwegte Vorkämpfer für staatsbürgerlicren Unterricht, formuliert, um dann fortzufahren: „Was für die autokratisch geleiteten Staaten die Staatskirche und der Religionsunterricht war, das ist für alle echten Demokratien der bürgerkundliche Unterricht: er soll die ethischen Massenanschauungen als Staatsgrundlage entwickeln, ohne die auch der freieste demokratische Staat nicht leben kann.“

Mit Recht wies Giese demgegenüber auf den Mangel an politischer und pädagogischer Psychologie hin, wie sie etwa in der Verfassungsbestimmung zutage trat, wonach jeder Schüler bei Beendigung der Schulpflicht einen Abdruck der Verfassung erhielt als „Abschluß und Symbol der durch die Schule vermittelten Staatsbürgerbildung“. Wie matt und kraftlos waren doch einerseits die Formeln von der „Erziehung zur Staatsgesinnung“ und zur „positiven Arbeit am Staat“ angesichts der realen politischen, geistigen und gesellschaftlichen Gegensätze in diesem Volk. Und wie groß war andererseits die Gefahr, daß die „Erziehung zur Republik" und zu „republikanischer Gesinnung" in einer Atmosphäre des Gesinnungszwanges, „republikanischer Treibhausluft“ geschah, die, wie Willy Hellpach warnend sagte, „bei jungen Menschen meist das Gegenteil und jedenfalls keine Innerlichkeit der Gesinnung“ erreichte Giese wies auch darauf hin, daß der Begriff der „Republik" zwar eine Regierungsform, „nicht aber eine geistige Wertrichtung bezeichnete, die einer Erziehung weltanschaulichen Inhalt geben kann“ In Ermangelung anderer inhaltlicher Füllung versuchte man dann nicht selten, den „republikanischen Menschen“ als die „freie Persönlichkeit“ im Gegensatz zum subalternen „Untertan" des monarchischen Obrigkeitsstaates zu definieren, eine „Persönlichkeit", die durch den „Vernunftwillen, der auf dem Wissen beruht“, bestimmt wurde, wodurch die „Veredlung“ und „Hebung“ des „Menschengeschlecht':" möglich wurde

Politische Erziehung im totalen Staat"

In scharfer Antithese zu dieser „republikanischen Erziehung im Geist von Weimar“ arbeitete Giese die neue „politische Erziehung im totalen Staat“ heraus. Es gilt zunächst einmal, so sagt er unter Verwendung von Sprangers Typologie, den politischen Menschentyp zu finden und zu bilden. Gesinnungen und Willens-richtungen lassen sich nicht durch Herbartsche Gedankenkreise erzeugen. Es geht in der politischen Bildung auch nicht um die Einimpfung von Ansichten und Überzeugungen, sondern zentral um die Weckung des «Willens z"" Staat". Sie ist nur einem Erzieher möglich, der selbst ein Organ für das Politische hat, ein politischer Mensch ist. Es geht auch nicht um bloße Begeisterung und vaterländisches Hochgefühl. Politische Erziehung ist überhaupt weniger eine Gefühlssache, sondern zunächst, so sagt Giese mit Spranger, „die Disziplinierung des ganzen Mensdten“, die Bildung seines Staatsethos und Jie Erziehung zum Dienst

Politische Bildung und Erziehung hat es also vor allem mit der Heranführung der Jugend an die objektive Macht und Sittlichkeit des Staates zu tun. Sie ist deshalb ohne Selbstbeschränkung und Opfer nicht möglich und geschieht im Geist des Goetheworts: „Mache ein Organ aus Dir“. Da der Staat hier in der Nachfolge Hegels ein Ausdruck des objektiven Geistes ist, kann er nach Gieses Überzeugung wesensmäßig nicht totalitär werden. Denn seine Begrenzung erfährt er durch die Hierarchie der Schöpfungsordnungen und durch das Reich Gottes, zu dem nur der Einzelne berufen sein kann: Die „Freiheit eines Christenmenschen“ ist es, aus der der Staat nach dieser protestantisch-hegelianischen Über-zeugung eine sicherere Begrenzung erfährt als durch alle aus dem Naturrecht der Aufklärung kommenden liberal-individualistischen Konstruktionen des Verfassungsrechts

Dieser Staat baut sich, so sagt Giese unter Verwendung der Integrationslehre Rudolf Smends, in einem geistigen und sittlichen Integrationsvorgang „aus und in den Einzelnen auf'. Soll er nicht ein toter Mechanismus bleiben, so benötigt er einen „inneren Hintergrund“ in den Seelen seiner Bürger. Eben dieser „innere Staat", diese Hereinnahme des objektiven Geistes staatlichen Wesens in den Willen des Einzelnen, ist nicht nur die Garantie gegen die Entartung des Staates zum „despotischenMachtstaat". Die Bildung dieses „unsichtbaren Staates“ in den Herzen und im Willen der Bürger, die Bildung solcher „Staatsgesinnung“, die Ausdruck der Ordnungen und des Willens des objektiven Geistes selbst ist, ist auch gerade der Auftrag und das Ziel der politischen Pädagogik. Solche Staatsgesinnung ist durch ihre Teilnahme am objektiven Geist in der Gestalt des objektivierten Sinngebildes des Staates aber auch etwas grundsätzlich anderes als eine „Meinung“ über den Staat, als eine unter vielen möglichen »Staatsauffassungen“. Sie steht selbst in den Ordnungen des objektiven Geistes wie der Staatsgedanke, dem sie dient

Es ist deutlich, daß dort, wo Giese in diesem hegelianischen Sinn vom „totalen“ Staat spricht, noch nicht der totalitäre Staat der Nationalsozialisten gemeint sein kann. Der Staat ist für Giese zwar „total“ als die Einheit des allgemeinen und des besonderen individuellen Willens, als „das übergreifende Ganze", als „Scfticksah-, Arbeits-und Kampfgemeinsdiaft des deut^dten Volkes“ Er führt jedoch zu keiner Erziehungsund Gesinnungsdiktatur, sondern ist im Sinne „germanischer Freiheit" auf die freie Gliedschaft gegründet, in der „Freiheit eines Christenmenschen“ begrenzt und kennt keine Verwechslung von politischer Erziehung und Bildung mit totalitärer Politisierung, mit Dressur, Vergewaltigung, Bekehrung oder Demagogie. Der Einzelne geht in diesem hegelschen Staat nicht auf und unter, sondern ist und bleibt als Person sein Gegenüber, das in freier Entscheidung und Einsicht den staatlichen Willen in sich aufnimmt

Den Begriff der politischen Totalität dieses Staates umreißt Giese dabei folgendermaßen: „Dieser Staat ist wieder das Ganze, ist allumfassend, . total“, weil er seiner Souveränität be- wußt geworden ist und als Gestalt und Macht gewordener Wille des Volkes nichts Irdisches als politisch gleidtgültig und . neutral“ aus seinem Hoheitsbereich entläßt. In dieser Not-und Kampfzeit unseres Volkes gibt es wie im Kriege keinen Lebenskreis und keine menschlidte Tätigkeit, die nicht irgendwie wesentlich für das Gesamtwohl staatsbezogen und damit politisch wäre. Abgesehen von der im Ewigen begründeten . Freiheit eines Christenmenschen'und dem innerpersönlichen Bereich, wo auch der totale Staat nodt seine Grenze findet, gibt es heute keinen Bezirk des Lebens mehr, in dem es uns vergönnt wäre, nur Privatleute zu sein.“

Staatspolitische Volksbildung durch die Schule

In diesem staatlichen Rahmen, und nur in ihm, wo der Staat „die Verkörperung des Willens eines Volkes zur geistigen Selbsterhaltung“ darstellt, eine „Willens-und Wertgemeinschaft“ ist, vollzieht sich nun die „staatspolitische Volksbildung". Sie ist natürlich auch für Giese besonders eine Aufgabe der Schule als „staatliche Anstalt“. In der Schule und ihrem täglichen Leben geschieht die immanente Erziehung zu Autorität und Disziplin; hier wird zu allererst der Weg betreten vom Haus zur Welt, von der Familie zum Staat, jener Weg, der für den Hegelianer Giese, in Umformung der Erziehungsgedanken Pestalozzis, das Wesen der Erziehung darstellt. Als Arbeitsgemeinschaft erzieht die Schule immer schon — hier knüpft Giese deutlich an Kerschensteiner an — zum Dienst in und an der Gemeinschaft: „Da wird für den Staat erzogen, wo gemeinsame Arbeit als , Dienst“ getan und erlebt wird “. Der Lehrer ist in dieser Schule nicht nur Anwalt des Kindes, als welchen ihn die autonome und liberale Pädagogik allein gesehen hatte, sondern zugleich auch immer „Diener des Staates". Der Staat macht sein hoheitliches Recht in seiner Schule aber auch dadurch geltend, daß er durch den Lehrplan bestimmt, „was von der gemeinsamen Kultur an das Iterwadtsende GesMedrt vermittelt werden mufl“. Er wirkt somit gerade auch als Staat geistig und kulturell integrierend; das Recht dazu leitet er aber unmittelbar aus der Tatsache ab, daß er eine sittliche Manifestation des objektiven Geistes ist

Auch Giese kennt kein besonderes Unterrichtsfach „politische Bildung" oder „Staatsbürgerkunde". Vielmehr ist für ihn der Geschichtsunterricht das eigentlich politische Fach, weil hier vor allem das historische Bewußtsein der Nation als Volk und Staat gebildet und gepflegt wird. Dabei kommt der geisteswissenschaftliche Standort des Verfassers besonders deutlich zum Ausdruck: Giese spricht von der Pflege des geschichtlichen Sinnes und des historischen Verständnisses als einer eigentümlichen geistigen Haltung, die um die geschichtliche Bedingtheit der Gegenwart weiß und damit zugleich um die Verantwortung vor Ahnen und Enkeln, wodurch jedes geschichtlich-politische Handeln zum Wagnis in der Verantwortung vor der Zukunft des Volkes und Staates wird, damit aber zu einem „politischen" Handeln

Entsprechend seinem „totalen" Staats-und politischen Bildungsbegriff, der den „politisdten Menschen“ zum Ziel hat, „der im Dienst für Volk und Staat, in der unbedingten Hingabe und Verantwortung dem Ganzen gegenüber den hödtsten Sinn seines irdischen Daseins erfaßt und erst aus dieser politisdien, d. h. stets auf das Ganze bezogenen Verpflidttung auch seine sonstige wissenschaftliche oder künstlerische oder wirtschaftliche Arbeit leistet als Dienst an der Nation“ greift die politische Volkserziehung bei Giese selbstverständlich in alle Lebensbereiche ein: als Erwachsenenbildung im Sinne von „Volk-Bildung“, als bewußt national gerichtete Kultur-und Kunstpolitik (einschließlich einer staatlichen „Buchpolitik") usw. Giese anerkennt auch bereits die Notwendigkeit und Berechtigung der staatlichen Jugenderziehung neben der Schule in der neuen Staatsjugend der HJ. Der Vertreter der bündisch-nationalen Kräfte dankt hier vor dem Monopolanspruch der Hitlerjugend ebenso ab wie in der Anerkennung einer allgemeinen Arbeitsdienstpflicht, zu der der bis dahin freiwillige Arbeitsdienst umzuwandeln wäre, auch wenn er noch die eigenständige bündische Wurzel des Arbeitsdienstgedankens hervorhebt. Den Abschluß einer solchen „nationalpolitischen“ Erziehung (Giese gebraucht bereits diesen Begriff, wenn auch noch in seinem eigenen Sinne) bildet schließlich der Wehrdienst und die Erziehung zur Wehrhaftigkeit, nicht zuletzt auch als Mittel für eine Außenpolitik der „Freiheit und Ehre“

Wir haben deshalb bei Giese etwas ausführlicher verweilt, weil sein Buch besonders kennzeichnend erscheint für einen Standort der politischen Pädagogik, wie er damals weithin in Deutschland am Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft geteilt wurde, wenigstens auf der national-konservativen Rechten, aber auch bis weit hinein in die nationalliberale und nationaldemokratische bürgerliche Bildungsschicht, auf die Jugendbewegung und Kriegserlebnis ihre Einflüsse ausgeübt hatten. Wir sehen hier den Übergangs-und Umschlagspunkt der „Nationalpädagogik“ der Weimarer Zeit zur neuen „nationalpolitischen" Erziehung, deren Begriff hier zwar noch staatlich-konservativ und hegelianisch-freiheitlich interpretiert wird im Sinne eines christlich-preußischen „nationalen Sozialismus“, wo sich aber dem rückschauenden Betrachter zugleich auch schon deutlich genug die Gefahren einer solchen christlich-idealistischen Synthese (besonders im protestantischen Bereich) abzeichnen. Der nationale und liberale Kultur-und Machtstaat hegelianischer Prägung ist zwar nicht ein „Vorläufer“ und „Ahnherr“ des totalitären völkischen Gesamtstaates der Nationalsozialisten, wie es eine vereinfachende Deutung nach 1945 nicht selten behauptete. Tatsache bleibt dennoch, daß dieser liberal-idealistische Kultur-und Machtstaat dem nationalsozialistischen völkisch-rassischen Staatskollektiv die Tore weit aufmachte, so weit, daß er von diesem, unversehens und für seine eigenen Vertreter überraschend, auf kaltem Wege unterwandert und schließlich eingenommen werden konnte. Der „totale“ und doch noch freiheitlich (nämlich aus den Grundvoraussetzungen der Hegeischen Philosophie) konzipierte Staatsbegriff suchte den Weg zwischen Scylla und Cha-rybdis, zwischen dem trostlosen Bild einer pluralistischen Aufspaltung der Nation in der Republik und dem neuheidnischen völkischen Kollektiv der Nationalsozialisten. Er hat diesen Weg nicht erfolgreich behaupten können und wurde von der — nicht zuletzt machttechnisch bedingten — Dynamik der eigentlichen nationalsozialistischen Pädagogik überrollt. Auch in der Zeitgeschichte der deutschen Pädagogik kamen die Versuche des „dritten Weges“, wie auf so manchem anderen Gebiet, nicht zum Erfolg.

Gefährlicher Rückgriff auf das Staatsbild des deutschen Idealismus

Was bei Spranger noch rechtsstaatlicher Kultur-und Machtstaat im Sinne Hegels war, verschob sich bei Giese bereits durch den Einzug deutlicher theologischer Anliegen und bündisch-volkhafter Elemente zu einem Begriff vom „totalen Staat“, durch den der geistige Pluralismus der Nation überwunden und die geistig-gesellschaftliche Unordnung in der Wurzel behoben werden sollte. Mochten die Vorwürfe, die hier gegenüber der republikanischen Nationalpädagogik erhoben wurden, alle zu Recht bestehen, so muß doch andererseits auch der Optimismus überraschen, mit dem hier durch den theoretischen Rüdegriff auf das Staatsbild des deutschen Idealismus die konkrete pluralistische Aufspaltung der deutschen Gesellschaft überwuwden werden sollte. Man erkannte nicht, daß die Beschwörung Hegels der reichlich formalistische Versuch war, diese realen gesellschaftlich-geistigen Antagonismen im deutschen Volk einfach wegzudekretieren. In diesem Dekret mußte denn aber auch schließlich ein Adolf Hitler zum „Beauftragten des Weltgeistes“ werden, womit erst recht eigentlich die Tragik dieses letzten hegelianischen Versuchs beginnt.

Noch konnte in Deutschland niemand wissen, wie sehr der Nationalsozialismus und seine Führer Meister darin waren, alle geistigen Gehalte der deutschen Nationalgeschichte für sich zu instrumentalisieren, nötigenfalls auch das Staats-bild Hegels, mit dessen Begriffen sich so herrlich die eigenen Herrschaftsabsichten beschreiben und rechtfertigen ließen. Noch war auch nicht zu erkennen, daß nicht „der Herren eigener Geist“, sondern allein der Wille des Führers den einmal in die Debatte geworfenen Begriff des „totalen Staates" interpretierte. Was aber für Pädagogen und Christen hätte freilich zu erkennen sein müssen, war die Wahrheit, daß eine desintegrierte Gesellschaft nicht vom Staat her gesunden kann, sondern allein aus den Grundzellen personalen und gemeinschaftlichen Lebens. Hier war die bündische Bewegung grundsätzlich auf dem richtigen Weg gewesen, bis sie selbst — ungeduldig geworden — ihre Volks-und Gemeinschaftsmetaphysik der „staatlichen Erneuerung“ zur Verfügung stellte, um sie schließlich nur in der „Revolution des Nihilismus“ pervertiert zu sehen. Aus tiefen geschichtlichen Voraussetzungen verfiel vor allem der deutsche Protestantismus diesem „Starren auf den Staat", von dem schließlich alles seelische und geistige Heil des Volkes erwartet wurde. Hier wurde bereits die unabdingbare Grenze einer freiheitlichen politischen Pädagogik überschritten, deren Pole durch die Person einerseits und die Polis andererseits bezeichnet werden. Hier war die Polarität zugunsten der letzteren aufgegeben. So konnte es kein Wunder sein, daß auf dem einmal beschrittenen Weg kein Halten mehr war: Ein „totaler" Staat ohne die humanen Quellenkräfte der Person mußte als Zwangs-und Ersatzordnung, als Surrogat echter Gemeinschaft wie einer freiheitlichen Gesellschaft notwendig zum totalitären Kollektiv entarten. Hatte die liberale Kulturstaatspädagogik die Verantwortung der Person vor Gott entleert und säkularisiert zur Freiheit des Individuums, so kam es nun im Rückschlag zur Vergötzung der Polis und zur Mißachtung der Person. Weder der liberal-individualistische Verfassungsstaat der Aufklärung noch der Kultur-und Machtstaat in der Tradition der deute sehen idealistischen Philosophie, in allen ihren einzelnen Ausformungen, hatten den Sturz in die neue heidnische Kollektivanbetung aufhalten können. Wenn schon von geschichtlicher Verantwortung gesprochen wird, dann muß von beiden gesprochen werden. Dann ist aber auch gesagt, daß keine dieser vor-nationalsozialistischen Grundlagen politischer Existenzdeutung und Pädagogik heute mehr tragen kann.

Voraussetzungen der nationalpolitischen Erziehung

Es kann hier nicht der Ort sein, im einzelnen die geistesgeschichtlichen Hintergründe des Nationalsozialismus und sein Geschichtsbild nachzuzeichnen. In diesem Zusammenhang kann nur so viel gesagt werden, daß sich die Nationalsozialisten selbst — entsprechend der von ihnen usurpierten Eschatologie vom „Dritten Reich“ — als die Erfüllet und Vollender der deutschen Geschichte betrachteten. Diese geradezu heilsgeschichtliche Vorstellung ist schon sehr früh vorhanden und hat den Unheilsweg des Nationalsozialismus bis zu dem schaurigen Ende in den Kellern der Reichskanzlei begleitet. „Die deutsdte Gesdiidite ist die Cesdiichte der deutschen Volkwerdung“, konnte so Alfred Baeumier sagen Sie ist zugleich die Geschichte des „Reiches“, in welcher Vorstellung ebenfalls politisch-imperialistische und derb säkularisierte heilsgeschichtliche Elemente ununterscheidbar zusammenflossen. Freilich wurde dieses Prinzip des „Reiches" mit dem Untergang der Stauferherr schäft durch das neue territorial-staatliche Prinzip abgelöst. Während das alte Reich langsam zerfiel, mußte ein neuer Kernstaat entstehen eben das war die Sendung Preußens, die im nationalsozialistischen Geschichtsbild ganz ähnlich wie im kleindeutsch-preußischen Geschichts bild der Treitschke und Sybel gesehen wird. Allen dings mit einer bezeichnenden Weiterführung. In der Sendung Preußens wurde zwar staatlich gedacht und gehandelt. Aber, so hören wir etwa von Baeumier, sowohl der Preußenkönig " i der Schöpfer des zweiten preußisch-deutschen Reiches meinten, wenn auch ihnen selbst unbewußt, dennoch immer das „Reich“.

Das nationalstaatlich-etatistische Denken zerschmolz schließlich in der Feueresse des ersten Weltkrieges. Nun zeigte sich, daß Sinn und Sendung der deutschen Geschichte nicht im nationaldemokratischen und nationalliberalen Nationalstaat bestand, sondern eben in diesem „ewigen Reich“, als einer neuen Synthese von Volk und Staat. Diese Synthese, die nun auch den Volksgedanken der Jugendbewegung für sich usurpierte, die selbstverständlich den Weimarer Staat immer nur als eine „Zwischenlösung“ empfand, als ein „Zwischenreich", die in Wahrheit jedoch auf die Spitze getriebener, überhitzter und imperialistisch entarteter Nationalismus war, diese Synthese war eben die eigentliche „Sendung" des Nationalsozialismus: Baeumler nennt sie das „politische Reich“. Nicht zuletzt im bereits begonnenen zweiten Weltkrieg sieht er die geschichtliche Schmiede und große Bewährungsprobe dieses politischen Reichsgedankens. Der von den Nationalsozialisten heraufbeschworene „totale Krieg“, dieses „Zeitalter der totalen Mobilmachung", gewinnt für den Apologeten einer solchen imperialistischen, sich jenseits aller Berechnungen der Staatsräson und der Realpolitik bewegenden Politik somit jene „geschichtliche Größe“, jenen „tragischen“ und „heldischen" Aspekt, an dem sich die Zerstörer Deutschlands üblicherweise berauschten.

Aus dieser „totalen Mobilmachung“ ließ sich nun freilich sehr viel ableiten: aus der „geschichtlichen Prüfung“ sollte ein neuer menschlicher Typus, eben der „politische Mensch“?, der „Mensch der totalen Wehrbereitschaft“ hervorgehen, der „Schicksalsgenosse“, der als Volks-genosse den liberalen „Staatsbürger“ und den „Patrioten" der monarchischen Zeit ablösen sollte. Die „liberale Trennung" von staatlich-öffentlichem und privatem Bereich wurde jetzt endgültig fallengelassen. Für Baeumler gibt es keine eigenständige gesellschaftliche und geistige Sphären mehr. Nicht zuletzt wurde damit auch die „relative Autonomie" von Erziehung und Schule beseitigt: alle Lebensbereiche des Menschen werden „total" politisch

Hier zeigt sich erst recht eigentlich, was der Nationalsozialismus unter seiner „Weltanschauung“ verstand. Geschichtlich mochte sie zwar . ein eklektizistisches Konglomerat verschiedenartiger, bereits vorgefundener philosophischer, biologischer und politischer Theoreme mit willkürlichen Akzentsetzungen“ sein. Als „Weltanschauung“ erhob der Nationalsozialismus jedoch einen radikalen Totalitätsanspruch

Darüber mochte auch nicht hinwegtäuschen, daß die Nationalsozialisten immer wieder betonten, ihre Weltanschauung verharre strikt im „Diesseits", sie habe nur die Ordnung dieses unseres irdischen Lebens zum Ziel. Diese Feststellung, so weit sie nicht bewußt zur Einschläferung gerade auch der christlichen Volkskreise diente, war schon deshalb unerheblich, weil es nach nationalsozialistischer Überzeugung eben keinen „Dualismus" von Diesseits und Jenseits mehr gab. Man lehnte die „christlich-griechische Zweiweltenlehre” ab: aus einer Wurzel, der des „Blutes" und der Rasse, geht alles hervor, einschließlich der Ideen und Werte, des Geistigen, das immer nur „Ausdruck" dieser vergebenen existenziellen biologischen Einheit, des „Lebensgrundes" und „All-Lebens“ ist

Rasse und Staat

Die Entdeckung des Rasseprinzips wird als die „kopernikanische Tat der neuen Zeit“ gefeiert, Rasse ist die „Offenbarung" des „All-Lebens". Sie ist „Entelechie" und „Mythos“ jeder geschichtlichen Gemeinschaft, ihr „Schicksal“ und „Wesen". Sie wird damit auch zum Angelbegriff der Erziehung, die nichts anderes ist als „Rassezucht“. Aufgabe der Erziehung ist, „aus Anlage und Zucht“, „Wirklichkeit, sieghafte Form und Richtung" werden zu lassen

Neben das „Blut" tritt der „Boden". Aus „Blut und Boden“ geht das „Volk“ als leib-seelische Einheit und Ganzheit, geht der „Volksleib" hervor, der von den Nationalsozialisten extrem organizistisch und biologistisch gedeutet wird. Volk wird hier also in einer gewaltsamen Pervertierung des romantischen und hündischen Volksgedankens zur „vollkommensten Ausformung und Inbegriff aller rassischen Wirklidtkeit“, zu einem „Mittler der Erlösung“ und damit tatsächlich in letzter Konsequenz zu einer „göttlichen Hypostase"

Der Staat hat gegenüber dieser religiösen Überhöhung der Volksvorstellung nur den Wert eines Mittels zum Zweck der „Volkswerdung“. Als „Volksstaat“ ist er die äußere Form und der schneidende politische Ausdruck dieses Volkstums nach innen und außen; nach innen vor allem als ein Mittel zur Überwindung des Bösen in der Zucht, als „Zuchtmeister zum Volkstum", wie man in Usurpation Fichtes sagte. Das Menschenbild, welches hinter solcher Volks-und Staatsauffassung steckt, ist zutiefst pessimistisch gestimmt: Die angeblich tragisch-heroische Weltschau des Germanentums soll in ihm wieder Gestalt gewinnen. Geschichtlich gesehen ist es doch nur die leidenschaftlich-krampfhafte Auflehnung gegen die „pluralistische Aufspaltung" unseres Volkes während des „liberalistisehen“ Zeitalters, die nun in einem einzigen ge-waltsamen Anlauf und Zugriff überwunden werden soll

Die reinste Inkarnation der „Volkheit" und des Volkswillens ist der Führer und sein Wille. Unbedingter, „blinder“ Gehorsam ist die einzige Haltung, die dem Volksgenossen ihm gegenüber zukommt, denn „der Führer hat immer recht“. Ausführungsorgan des Führerwillens aber ist die Partei, denn sie ist das „eigentliche" Volk, eine Auslese, in der sich dieses Volk seiner Bestimmung zuerst voll bewußt geworden ist. Sie i s t nicht nur der Staat und befiehlt ihm. Sie hat darüber hinaus auch eine besondere, umfassende und tiefgreifende „nationalpädagogische Funktion". Sie empfängt Ziel und Auftrag ihrer Erziehungsarbeit am deutschen Volk aus dessen „künftiger Selbstvollendung“, denn sie allein weiß um dieses Ziel

Man hat mit Recht darauf aufmerksam gemacht, daß diese nationalsozialistische Weltanschauung voller derb säkularisierter und pervertierter theologischer Gehalte steckt: Wie das „allheitliche Lebensprinzip“ hier an die Stelle Gottes, des Schöpfers und Erhalters der Welt tritt, so wird das Volk zu einer Parodie des Heiligsten als „Mittler“ zwischen diesem göttlichen Lebensprinzip und dem Einzelmenschen. Dieser „völkische Einheitsstaat" wird in solcher jakobinischen Usurpation zur neuen Kirche; der Führer ist als „Werkzeug der Vorsehung“ ihr Ober-priester. Besonders die Erzieher und Jugendführer sind, wie sie Schirach einmal genannt hat, die „Priester des nazionalsozialistischen Glaubens“. Mit den Feier-und Gedenktagen der Partei ist eine neue, psychologisch raffiniert aufgebaute, „Liturgie“, ein neues, nicht mehr christliches „Kirchenjahr“ im Entstehen begriffen. Dieser Glaube steht schließlich unter der messianischen Sendung der germanischen Rasse als des wahren „Adelsvolkes der Weltgeschichte“

Nationalsozialistische Anthropologie und Erziehungslehre

Fritz Stippel hat mit Recht darauf hingewiesen, daß das Thema der nationalsozialistischen Anthropologie und „Erziehungslehre“ nicht der Mensch in seiner Personalität ist, sondern das Volk als die Ganzheit eines überpersönlichen Lebens, als Lebensgrund und Schicksalsraum des Einzelnen. Der „Anruf Gottes" ergeht ja an den Einzelnen nicht als Einzelnen, sondern im „Schicksal", in Geschichte und Blut, d. h. aber, nach nazionalsozialistischer Interpretation, nur im „Volk“: Hier, in der völkischen Gemeinschaft, erfährt der Mensch die Geschichtlichkeit seiner Existenz. Daraus geht der „politische" Grundcharakter seiner Existenz hervor und die Totalität des Politischen, die hier nicht aus dem hegelianischen objektiven Geist des jeweiligen geschichtlichen Staates abgeleitet wird, sondern eben aus dieser völkisch-politischen Existenz-weise des Einzelmenschen, die selbst nur wieder die geschichtliche Ausformung des „ allheitlichen Lebensprinzips" ist

Wenn aber Geist, Person und Gemeinschaft sämtlich nur Ausdruck solchen „All-Lebens“ sind und nicht etwa — wie in der bisherigen abendländisch-christlichen Anthropologie und politischen Philosophie — selbst Wurzeln und Urgrund des Gemeinschaftslebens, dann kann diese neue „politische Anthropologie“, die als umfassende „Wirklichkeitswissenschaft" an die Stelle von Theologie und Metaphysik tritt und damit zum geistigen Instrument der NS-Welt-anschauung wird, mit der Ersetzung der eigentlich „anthropologischen“ Kategorien durch solche aus dem biologisch-organischen Bereich beginnen: Zeugung, Geburt, Wachstum, Entwicklung, Reife, Gestaltung und Tod werden so — etwa bei Ernst Kriech — zu den Schlüsselbegriffen nationalsozialistischer Anthropologie und Erziehungslehre

An die Stelle des „Trugbildes der gebildeten Persönlichkeit" tritt nunmehr, nach den Worten des Kultusministers Rust, die „Formung des nationalsozialistischen Menschen“, der von ihm definiert wird als „der in der völkischen Lebensganzheit gliedhaft gebundene Mensch“ Daraus folgt alles weitere mit Zwangsläufigkeit: ein Ethos des „rückhaltlosen Einsatzes“, des „Dienstes , des Gehorsams, der Treue, der Opferbereitschaft und der Willenskraft. Aber alle diese Begriffe, die nun als neue zentrale Tugenden auf das Erziehungsgeschehen ange-setzt werden, sind keineswegs mehr personale Tugenden und Werte, sondern sie sind sämtlich kollektiviert und im Dienst der völkischen Gemeinschaft, neben der die Person „nichts" ist, funktionalisiert. Treue und Gehorsam werden deshalb praktisch verstanden als Kadavergehorsam gegenüber dem Führer, der doch die Inkarnation des Volkswillens und damit des absolut Guten und Notwendigen darstellt. Die Ehre, die bekanntlich vor allem von Alfred Rosenberg als die deutsch-germanische Haupttugend gegen das christliche Liebesideal ausgespielt wurde, wird deshalb verstanden als die Ehre des Ganzen, an welcher der Einzelne nur als Glied dieses Ganzen Anteil hat. Es gibt nur noch eine Ehre des Volkes, nicht mehr der Person, die damit zum willenlosen Werkzeug der Führung und der Partei gemacht wird. Nicht umsonst hieß das Losungswort der SS „Meine Ehre heißt Treue“. Das konnte man gefahrlos sagen, wenn dafür gesorgt war, daß solche Ehre und Treue nur noch funktional im Dienst der Volksgemeinschaft verstanden wurde

Die nationalsozialistische Kritik an der „libe-ralistischen" Erziehung und Schule der Weimarer Zeit hatte sich vor allem gegen deren Intellektualismus, gegen ihre Überbewertung des Wissens und einer theoretisch-kontemplativen Haltung gerichtet. Demgegenüber entwarf die nationalpolitische Erziehung der Baeumler, Krieck u. a. ein „ganzheitliches“ Menschenbild und Erziehungsideal, das Bild eines Menschen „gesund an Leib, Seele und Geist“ Baeumler stellte dem kontemplativ-theoretischen Menschen des Neuhumanismus einen „homo activus“ gegenüber, einen Menschen der freien, heroischen Tat, eines „kämpferischen Voluntarismus“ im Sinne Fichtes und Nietzsches und des „ghibellinischen Kampfethos der deutschen Seele“ Dieses neue Erziehungsideal, weil auch bereits in manchen Stücken vorgeformt im Menschenbild der hündischen Jugend, hatte der nationalpolitischen Erziehung nicht wenige Freunde und Anhänger gewonnen. Diese sich nicht selten auf die hellenische Kalokagathie berufende ganzheitliche, antiintellektuelle Er-

Ziehung zum Aktivismus und zur freien verantwortlichen Tat endete freilich theoretisch und praktisch bald in jenem „aktiven Gehorsam“

gegenüber Führer und Partei, von dem Baeumler sagen konnte: „Auf den Führer blicken, der hier undjetzt vor uns steht, heißt fort und fort teilhaben an der Spannung seines Willens und an der Größe seines Kampfes" Wenn Politik „auf die Herstellung der Volksordnung geridttetes Handeln des Führers“ war, „an dem jeder Einzelne in Treue gegen den Führer an seiner Stelle aus eigener Verantwortung teilnimmt“ und wenn die Erziehung hierzu nur eine, freilich nicht unwesentliche Hilfsund Unterstützungs-funktion zuerkannt wurde in ihrer Form als „politische" Erziehung, die sich weder institutionell noch theoretisch aus solcher Totalität des Politischen ausgliedern konnte, dann freilich war, wie Friedrich Oetinger gesagt hat, unter der Hand aus einer Erziehungsordnung der Ganzheit, des Willens und der Aktivität ein „Befehlssystem“ geworden

Diese Deutung der nationalpolitischen Erziehung läßt sich in der Tat auf Grund ihrer eigenen Voraussetzungen und ihres theoretischen Selbstverständnisses unterbauen. Erziehung ist nach Ernst Krieck eine „Grundfunktion der Volksgemeinschaft“ und als solche eine „biologische Funktion höherer Ordnung“, ein „organisches Geschehen“, ein „Assimilationsbzw. typenbestimmter Eingliederungsprozeß“, ein „Wachstumsprozeß“. Diese nationalsozialistische Auffassung von der Erziehung wird deshalb von Stippel mit Recht als „organologische Entwicklungslehre“ charakterisiert Da bei Krieck das Subjekt der Erziehung die völkische Gemeinschaft ist, ihr Objekt aber ausschließlich der einzelne Mensch, da Erziehung hier also keineswegs mehr ein „personaler Akt“ ist, etwa in dem Sinne, daß der heranwachsende Mensch den Willen und den Geist der politischen Gemeinschaft in zunehmend freier Entscheidung in sich aufnimmt (wobei ihm stets auch die Freiheit der Ablehnung, der Rebellion oder der produktiven Fortentwicklung des Überkommenen gesichert bleibt), deshalb richtet Krieck seine besondere Aufmerksamkeit auf die „erzieherische Wirkung“: „Eine Wirkung ist für ihn dann als erzieherisdt anzusprechen, wenn sie , die Gemeinschaft im Generationswechsel fortsetzt' und damit die Stetigkeit und Tradition wahrt, wenn sie dazu führt, , den Nachwuchs der Gemeinschaft einzugliedern'. Selbsterhaltung und Selbstentfaltung der völkischen Gemeinschaft durch Einformung ihrer Glieder in sie ist also der Sinn alles erzieherischen Wirkgeschehens: , Assimilation ist das Grundgesetz der Gemeinschaft, darum auch das Prinzip der Erziehung . .

Typenpädagogik

Die letzte Konsequenz dieser Erziehungslehre wird dort gezogen, wo Erziehung in folgerichtiger Anwendung des Rasseprinzips als „Typenprägung“ und „Typenzucht" definiert und be-

schrieben wird. Es ist das Verdienst Fritz Stippels, in seiner hier mehrfach mit Gewinn herangezogenen Untersuchung, über die nationalsozialistische Pädagogik auf die besondere Bedeutung dieser „Typenpädagogik“ (Oswald Kroh) aufmerksam gemacht zu haben Er weist zunächst darauf hin, daß der Typusbegriff ursprünglich ein Ordnungsbegriff der Philosophie und Anthropologie, nicht zuletzt aber auch der psychologischen und soziologischen Wissenschaften gewesen ist, also auf einer „isolierenden und idealisierenden Methode“, vor allem in den Geisteswissenschaften, beruht und damit gleichsam eine Art „Zwischenwesen“ zwischen Individuum und Allgemeinbegriff darstellt. „Dorf aber, wo Crenzüberschreitungen Vorkommen, dahmgehend, daß aus dem Typus als einem 0 r d n u n g s prinzip ein Norm prinzip wird, das fordernd an die individuale Wirklichkeit — gemeint ist in unserem Zusammenhang damit immer der Mensch — herantritt mit dem Anspruch auf Ausrichtung nach ihm, verliert er seinen Sinn und wird zu einer . ganz großen Gefahr'(Bollnow).“ Hier wird dann der Begriff des Typus zu einem „auswechselbaren Exemplar einer gleichförmigen Reihe“ (Bollnow). Damit ist aber die Personalität des Menschen schon in der Norm ausgelöscht. Die moderne „Tendenz zum Typus" entspricht in der Tat, wie Bollnow aufgezeigt hat, „einer existenziellen Unsicherheit und einem Ungeborgenheitsgefühl" An diese Unbehaustheit und Ungeborgenheit des Menschen unserer Tage hat der Nationalsozialismus mit seinem außerordentli-dien Instinkt für die gefährdete Lage dieses Menschen angeknüpft. Seine „Formationserziehung“ in „Tuchfühlung" und „in Reih und Glied", die den Menschen bewußt zum Befehlsempfänger und zum Befehlsausführungsautomaten degradiert, bringt ihm zugleich in der Typisierung durch die Uniform den fehlenden inneren „Halt"

und die äußere „Haltung" bei aller innerer Formlosigkeit Insofern ist Erziehung als Typenzucht immer die Konsequenz der personalen Schwäche des Menschen in der modernen Gesellschaft und seiner stets vorhandenen Bereitschaft zur Anpassung. Typenzucht ist die Form der Anpassung im totalitären System mit 'lern Ziele einer Stabilisierung der bestehenden Herrschafts-und Befehlsverhältnisse.

Denn als Typus — hier kann man Stippel nur beipflichten — ist der Mensch im totalitären System zugleich Funktionär, homo fungens des Kollektivs. Kroh hat nicht umsonst die typisie-

rende Anthropologie zur „normgebenden pädogogischen Zentralwissenschaft“ erklärt, und Krieck konnte ganz entsprechend Erziehung auch definieren als „Einpflanzung eines objektiven, in der Gemeinsdiaftsform verwirklichten Typus in die subjektive Bildung der Glieder"

Es ist nur folgerichtig, wenn in einer solchermaßen funktionalistischen und materialistischen Sicht von Erziehung nicht nur der Zögling, sondern auch der Erzieher selbst seine Würde verliert, zum „Erziehungsfunktionär“ im Dienste solcher „Volksgemeinschaft" herabsinkt mit dem Ethos eines „Blumenzüchters" Gerade diese Konsequenz hat jedoch die nationalpolitische Erziehungslehre gezogen. Schule, Erziehung und Erzieher werden in der nationalsozialistischen „Erziehungsordnung" aus ihrer Autonomie her-ausgeholt. So kann Baeumler sagen: „Die pädagogische Tat hat die politische Tat zur Voraussetzung“ Deshalb aber ist der Anspruch der Volksordnung an Schule und Erziehung „total“. Beide sind Teile der nationalsozialistischen Erziehungsordnung. In ihr hat die Schule lediglich „die Aufgabe, im Verein mit den anderen Erziehungsmächten des Volkes, aber mit den ihr eigenen Erziehungsmitteln, den nationalsozialistischen Menschen zu formen“ Jede auch noch so bescheidene und relative „Autonomie“ der „pädagogischen Provinz" ist schon deshalb ausgeschlossen, weil alle Wert-gebiete, kulturellen Inhalte und geistigen Über-lieferungen nach der nationalsozialistischen „politischen Anthropologie" allein aus der völkischen Gemeinschaft hervorgehen und in der politischen Tat ihres Führers hervorgebracht werden. Gerade die Annahme „allgemeiner“ (in nationalsozialistischer Terminologie also „unpolitischer“) Werte, Ideen und Maßstäbe, die nicht aus der völkisch-politischen Existenzgemeinschaft entspringen, würde ja die Erziehung wenigstens im Ansatz außerhalb der Volksordnung und der sie erst konstituierenden Wertgemeinschaft stellen. Kein Glied dieser Gemein-schaft kann bzw. darf sich aber in Erkenntnis und Wertung außerhalb dieser totalen Gemein-schaft stellen — auf -die Gefahr seiner geistigen und physischen Vernichtung hin Eben deshalb kann und muß auch die Erziehung nur „politisch" sein. Die Logik dieser politischen Anthropologie ist hier nur folgerichtig und unerbittlich. Ihren Vertretern wäre es niemals eingefallen, sie gerade von der Seite der Erziehung her in Frage stellen zu lassen.

Diese Pseudoerziehung soll den Leistungsmenschen für die Gemeinschaft als rassisch hochwertigen Typus „formen", indem sie ihn der Gemeinschaft „gliedhaft einformt". Es gibt hier keine Bildung und Erziehung des Einzelnen außerhalb dieser politischen Formung: Alles erzieherische Geschehen und Tun ist von vornherein und wesensmäßig „politisch", und umgekehrt ist nationalpolitische Erziehung d i e Erziehung schlechthin, die die Aufgaben und Ziele aller Erziehung bestimmt, natürlich bis hinein in die Stoffauswahl, Didaktik und Methodik des Einzelfaches Das Kollektiv, in dem sich solche „Erziehung“ abspielt, ist „total", d. h. es erscheint in sich ungegliedert und spannungslos, völlig unstrukturiert. Die einzige Spannung, die hier möglich ist, ist die „Magnetisierung“ auf den Führer und die „Fanatisierung" auf die „Fahne“, die „Idee“ hin. Jede Spannung zwischen Einzelwillen und Gesamtwillen, dieses Grundthema aller eigentlichen politischen Pädagogik, ist in der nationalsozialistischen „Volksordnung" beseitigt. Der Einzelne ist als Funktions-und Leistungsträger nur noch Glied und Rädchen. Mitten im europäischen Kulturraum hat sich damit eine „Ordnung“ etabliert, die in ihrer reinen Modellhaftigkeit mehr der eingeebneten Kollektivordnung einer orientalischen Despotie gleicht als einem Staat, deren funktionalistische Leistungsforderung sie freilich als Ausdruck der technologisch-technokratischen Welt entlarvt.

Nationalpolitische Erziehung als technokratisches Instrument

Die nationalpolitische Erziehungsidee erweist sich damit aber im höchsten Grad als eine autoritär-statische Pädagogik, die zu ihrem Teil durch die totale Einformung der heranwachsenden Generation in die bestehende völkische Gemeinschaft dieser Gemeinschaft selbst alle Wachstums-und Entwicklungstriebe von vornherein radikal beschneidet. Was hier als „Erziehung“ deklariert wird, als ein funktionaler Teil und Vorgang innerhalb des Bildungsprozesses der Wirklichkeit „allheitlichen" und völkischen Lebens, enthüllt sich schließlich als der Versuch, gerade die lebendige Prozeßhaftigkeit dieses völkischen Lebens zu beseitigen zugunsten einer Zementierung bestehender Herr-schafts-und Ordnungsverhältnisse. Politische Erziehung wird hier in einem besonderen krassen Maße Instrument einer Herrschaftsordnung:

Nationalpolitische Erziehung ist totalitäre Men-

schenbeherrschung.

Damit aber erweist sich die nationalpolitische Erziehungsiehre in ihrer Definition als „allheitlich-lebensorganischer Bildungs-und Wachstumsprozeß“, für den angeblich die gleichen „Assimilationsgesetze“ gelten wie für den „völkischen Gesamtorganismus“, als pädagogische Ideologie im Dienste der bestehenden Herrschaftsverhältnisse. So geistesgeschichtlich aufschlußreich die politische Anthropologie und der theoretische Aufwand bei der Begründung dieser „Erziehungslehre“ sein mögen, so hat sich unsere Aufmerksamkeit doch nicht zuletzt auf die Verkleidungsfunktion dieser „Pädagogik" für die nationalsozialistische Herrschaftswirklichkeit zu richten. Es muß klar erkannt werden, daß totalitäre Systeme niemals eine theoretische und pädagogische Bemühung an sich kennen, sondern vor allem an der instrumentalen Ver--wendung derselben interessiert sein müssen

Nicht zuletzt dies zeigt freilich auch ihre innere Brüchigkeit und Schwäche.

Anmerkung:

Klaus Hornung, Dr. phil„ Studienassessor, geb. 1927. Studium der Geschichte, Politik, Philosophie, Germanistik und Anglistik in Tübingen. Z. Zt. für die politische Bildungsarbeit in der Arbeitsgemeinschaft „Der Bürger im Staat“ vom Schuldienst beurlaubt Lehrauftrag für Staats-und Gesellschaftslehre am Berufspädagogischen Institut Stuttgart.

Veröffentlichungen: Soldat und Staat — Gerechte Maßstäbe gegen alte Vorurteile. Stuttgart, Friedrich Vorwerk-Verlag 1956. Der Jungdeutsche Orden. Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 14. Dorste-Verlag, Düsseldorf 1958.

Fussnoten

Fußnoten

  1. Richert, Einleitung S. 1 ff., S. 44 ff., S. 82 ff.

  2. Richert S. 3 ff.

  3. Richert S. 12, S. 39 u. a.

  4. Richert S. 140 ff. (Kapitel „Die Bildung zur sozialen Einheit"), ferner S. 120 ff.

  5. Richert S. 12.

  6. Richert S. 3 ff.

  7. Richert S. 4.

  8. Richert S. 5, S. 10 f.

  9. Richert S. 6.

  10. Richert S. 10.

  11. Richert S. II.

  12. Richert S. 11.

  13. Richert S. 8.

  14. Richert, vgl. das Kapi el . Nationalerziehung?"), S. 72 ff.

  15. Richert S. 16 ff.

  16. Die Darlegungen R. stellen eine klassische Blütenlese der politischen und kulturellen Vorstellungen des deutschen protestantischen und nationalliberalen Bildungsbürgertums dar. R. nennt die Philosophie des deutschen Idealismus schlechthin die . klassische Formation des deutschen Geistes“ (S. 59 ff.), aus der schließlich auch die Überwindung der konfessionellen Gegensätze in einer neuen „Einheit der Religion“ hervorgehen könne („gemeinsamer Religionsbezirk im deutschen Idealismus"). In solcher „Einheit des deutschen Geistes“ könnten sich aber auch sozialdemokratische Arbeiterschaft und Bürgertum finden, wenn erst einmal „die soziale Frage als Bildungsfrage" erkannt und die Wirklichkeitsfremdheit des „sozialistischen Dogmas“ durchschaut sei (S. 140 ff.). Hier zeigt sich die Schwäche der Kultur-und National-pädagogik der Weimarer Zeit mit wünschenswerter Deutlichkeit: die nationale Integration wird als . Bildungsfrage" mißverstanden und nicht in ihrer eigentlichen politischen Dimension gesehen als der Anspruch der Arbeiterschaft auf die Mitgestaltung der Herrschaftsausübung. Vgl. dazu auch Julius Leber: Ein Mann geht seinen Weg, bes.der darin enthaltene Aufsatz „Gedanken zum Verbot der deutschen Sozialdemokratie" vom Juni 1933, S. 185 ff.

  17. Richert S. 20 ff.

  18. Richert S. 86 ff., S. 45 f.

  19. Richert S. 36.

  20. Richert S. 38: „Der Staat ist nicht der Inbegriff. sondern nur die Form des Lebens der Nation"

  21. Richert S. 42 ff.

  22. Richert ebda.

  23. Richert S. 40 ff.

  24. Richert S. 42.

  25. Richert ebda.

  26. Richert S. 42 f. ferner S. 68 f.

  27. Richert S. 125 („Die Bildung zur Einheit i» der Lebensgemeinschaft") und S. 140 ff-CrP" Bildung zur sozialen Einheit“).

  28. Richert S. 39 f., S. 51 ff.

  29. Richert S. 30 ff., S. 45 ff.

  30. Richert ebda.

  31. über die rationalistisch-idealistische Reduktion des Politischen auf „Bewußtseinsfunktionen" s. jetzt auch Hannah Arendt, Vita Activa, S. 272 ff.

  32. Richert S. 113. Vgl. das ganze Kapitel „Die Bildung zur Einheit in der Weltanschauung“, S. 108 ff. R. weist hier natürlich auf die „zentrale Stellung Kants" (S. 115) hin mit ihrer „Abkehr von der dogmatischen Denkweise'und der „Anerkennung der kritischen Geistesart", ohne freilich das Unpolitische in der kantschen Ethik zu erkennen. Vgl. dazu Hannah Arendt: Vita Activa S. 267 ff. und S. 272 ff. („Der Zweifel des Descartes" und „Selbstreflexion und der Verlust des Gemein, sinns"). übrig bleibt für R. die „Einigkeit in der erkenntnistheoretischen Selbstbesinnung“, entleert von allen Inhalten des politischen Gemeinwesens, der geschichtlichen Situation und des politischen Wollens.

  33. Eduard Spranger: Wilhelm von Humboldt und die Humanitätsidee. 1909.

  34. Grundlegend die gesammelten Reden und u Satze: Volk-Staat-Erziehung. Leipzig 1932. Hier zunashst der Aufsatz . Das humanistische und das P c rP S. 1 ff. Bildungsideal im heutigen Deutschland,

  35. Spranger S. 9 ff.

  36. Spranger S. 14.

  37. Spranger S. 14.

  38. Spranger S. 14.

  39. Spranger S. 14 ff.

  40. Die Polarität von „Machtballung und friedlicher Dauerordnung" bei Gerhard Ritter: Das Problem des Militarismus in Deutschland. Schriftenreihe der Bundeszentrale für Heimatdienst.

  41. Spranger S. 15.

  42. Spranger S. 16 ff.

  43. Spranger S. 30 ff.

  44. Spranger S. 30.

  45. Spranger S. 30 ff.

  46. Spranger S. 31.

  47. Spranger S. 32.

  48. Spranger S. 32 f.

  49. Das Verhältnis zwischen Staat und Volkstum behandeln die Aufsätze . über Erziehung zum deutschen Volksbewußtsein', S. 57 ff. und . Probleme der politischen Volkserziehung', S. 77 ff.

  50. Spranger S. 57.

  51. Spranger S. 57 ff.

  52. Spranger S. 58 ff.

  53. Spranger S. 59 ff.

  54. Spranger S. 60 ff.

  55. Spranger S. 69 ff.

  56. Spranger S. 86 f. z. B.

  57. Spranger S. 97 f.

  58. Wenn der Hegelianer Spranger den Staat ein . geistiges Gebilde“ nennt, so ist damit immer die Einheit von sittlicher Idee und geschichtlicher Wirklichkeit gemeint.

  59. Spranger S. 92, 97, 68.

  60. Spranger S. 68 ff.

  61. Dem Nachweis dieser Auffassung dient vor allem der Aufsatz . Probleme der politischen Volkst erziehung“, S. 77 ff.

  62. Spranger S. 78.

  63. Spranger S. 67 ff. Spr. nennt „das freie Dienen', die Synthese von Freiheit und Pflicht in diesem Sinne den den Deutschen eigentümlichen politischen Stil, der eben nur im freien Dienst am und im Staat seinen Ort finden kann. Was heute etwa Oetinger gegen die Staats-und Pflichtethik vorzubringen hat, richtet sich deshalb nicht zuletzt auch gegen die Position Sprangers, ohne daß dies bei Oe. allerdings besonders hervorgehoben wird.

  64. Spranger S. 79.

  65. Spranger S. 88: »Am stärksten bindet ein Staatsvolk unter den gegenwärtigen Verhältnissen die gemeinsame Welt der Arbeit.'

  66. Vgl. über das Problem der „politischen Volkserziehung" heute S. 138 ff. dieser Beilage.

  67. Spranger S. 93 ff. „Zur vollen Reife in dieser Hinsicht gelangen nur wenige. Ganz junge Menschen können hier gleichsam nur die ersten Stufen hinangeführt werden. Vielleicht ist es schon ein großes Ziel, sie mit Ehrfurcht vor dem Staat zu erfüllen, dessen volles Wesen ihnen notwendig noch verschlossen bleiben muß“ (S. 78).

  68. Spranger S. 93 f.

  69. Spranger S. 93 f.

  70. Spranger S. 93 f. Neben die Schule tritt dann aber die Jugendgruppe als „eine zweite Stätte der politischen Propädeutik" (S. 94). Spr. wendet sich in diesem Zusammenhang auch mit wünschenswerter Deutlichkeit gegen die gerade in er Weimarer Zeit verbreitete Überschätzung intellektueller Belehrung in der Staatsbürgerkunde: cs hängt mit dem Ursprung der modernen Demosratie aus der Aufklärungsepoche zusammen, daß ie die Belehrung unter den Mitteln politischer Erzehung überschätzt und die Staatsbürgerkunde an non. schulen für beinahe wundertätig hält ... Das p rusche Wissen hat genau so viel Wert wie hin-sernohm. das politische Gewissen steht, das von Senen. Pflichten weiß; dies, zur Dauereinstellung neworden, begründet die echte politische GesinwoAund aus der Gesinnung wieder muß verantdie whe Tat und Opferwille folgen. Erst wenn Sin aten Paragraphen der Rechtssätze in diesem ronne. beseelt werden, gewinnt der Staat selber l-eben“ (S. 103),

  71. Spranger S. 95 f., S. 104 ff..

  72. Spranger S. 104 ff.

  73. Spranger S. 103 f., 96 ff.

  74. Spranger S. 97 f.: „Ein Volk, das ein tiefes und gesundes Verhältnis zu seiner Geschichte hat, braucht den Mythos auch für sein Staatsleben. Heldengestalten und Taten der Väter müssen so vor seinem Auge stehen: geglaubt, nicht nur gewußt ... Aber uns Deutschen als Volk fehlt eben die Gemeinsamkeit des Geschichtsglaubens ... Jede Gruppe möchte ihr historisches Bewußtsein in der Jugenderziehung zur Herrschaft bringen.“

  75. S.den Aufsatz „Wohlfahrtsethik und Opfer-ethik in den Weltentscheidungen der Gegenwart" (S. 107 ff.).

  76. Spranger S. 116 ff.

  77. Spranger S. 132 ff. Vgl. zu diesen tiefdringenden Ausführungen Sprangers jetzt etwa Hannah Arendt in: Vita Activa, insbesondere die beiden letzten Abschnitte „Das Leben als der Güter höchstes" und „Der Sieg des ‘animal lborans" (S. 306 ff.). c .

  78. Kultur und Politik. Schriftenreihe zur politischen Propädeutik. Im Auftrag der Deutschen Hochschule für Politik herausgegeben von Dr. Johann Strunz. Band 4 (Leipzig und Berlin 1932). Dort das Geleitwort des damaligen preußischen Kultusministers Adolf Grimme: Vom politisierten zum politischen Volk, S. 5 ff.

  79. Ebda, S. 6.

  80. Ebda.

  81. Eba.

  82. Uber die Reichszentrale für Heimatdienst s.: Zehn Jahre Reichsheimatdienst. Rückblick und Ausblick, Berlin 1928; Richard Strahl: Aufgaben und Ziele der staatspolitischen Aufklärungsarbeit, Berlin 1928 sowie der Aufsatz von Richard Strahl: Die Reichszentrale für Heimatdienst in: Kultur und Politik, S. 184 ff. Dieser kurzen Darstellung lagen ferner zugrunde die . Richtlinien'der R. f. H. und ihre Halbmonatsschrift . Der Heimatdienst'. Eine eingehende Darstellung der Tätigkeit der R. f. H. und deren Problematik wäre sehr wünschenswert. Zitat bei R. Strahl in Kultur und Politik, S. 184.

  83. Hierzu bes.der Aufsatz von Reichskanzler a. D. Dr. Marx in: Zehn Jahre Reichsheimatdienst, S. 21 ff., S. 29.

  84. Ebda. S. 22. " -‘U «s • --N-. " RiS

  85. Ebda, S. 12 ff.

  86. Zum folgenden ebda. S. 12 ff.

  87. Ebda. S. 18. Strahl spricht an anderer Stele von 20- 50 „Lehrgängen“ und 400- 600 „Bildungstagungen“ (also Wochenendtagungen) im labt, wozu noch Kurse für einzelne Berufsgattungen (wie Lehrer, Polizeioffiziere, Bürgermeister, Gewerkschaftler etc.) und etwa 11- 12 000 Lichtbilc vorträge kamen (Kultur und Politik, S. 87).

  88. Strahl in: Zehn Jahre Reichsheimatdienst, S. 7.

  89. Strahl zitiert hier Willy Hellpach aus „Politische Prognose für Deutschland", ebda. S. 7.

  90. Strahl ebda. S. 10. ‘ .

  91. Strahl ebda. S. 14 ff. und Marx ebda S. 27 ff.

  92. Die Äußerungen aus dem Umkreis de R. f. H. zeigen, daß die herkömmliche deutsaan konstitutionelle Staatslehre des „Staates übera Parteien“ hier noch unangefochten in Geltung Wa Die Parteien — nach Heinrich Triepels bekannt, Definition noch „extrakens itutionelle" Faktoren spielen in der Unterrichtung und Bewußtseins düng noch kaum eine Rolle.

  93. So etwa Strahl ebda. S. 11.

  94. Vgl. dazu den Aufsatz von Marx ebda., besonders S. 26 ff.

  95. So Strahl ebda. S. 10.

  96. Strahl ebda. S. 11 ff., Marx ebda. S. 23 f.

  97. Vgl. dazu den aufschlußreichen Aufsatz von Friedrich Dessauer: Wissenschaft und Volkser-Ziehung in: Zehn Jahre Reichsheimatdienst, S. 54 ff.

  98. Ebda. S. 55.

  99. Ebda. S. Dessauer ist mit Sokrates der Überzeugung, daß die Tugend lehrbar sei, „daß die Einsicht in die objektiven Gegebenheiten von Relationen auf die Dauer zum sinngemäßen Handeln zwingt (!) Das sinngemäße Handeln fällt weitgehend mit dem sittlichen Handeln zusammen“. ,

  100. Dessauer ebda. S. 58. Dessauer meint deshalb, daß „gesellschaftliche Vorurteile" aus dem „Nichtwissen voneinander“ kommen: „Sie haben jahrhundertelang in den Völkern und zwischen den Völkern Flüsse von Blut und Tränen hervorgebracht. Lebendiges Wissen voneinander in der Gesellschaft ist schon ein großer, ja auf die Dauer der entscheidende Schritt zur Herstellung der rechan, der beglückenden Relationen" (!) (S. 56) D. führt hnkämpfe als Beispiel an und meint, daß es miglich sei, sie „nicht im aufspaltenden Augenblicksinteresse Kämpfender, sondern von der sach-

  101. Die zeitgeschichtliche Forschung spricht in diesem Zusammenhang neuerdings von der „Selbstausschaltung" der demokratisch-republikanischen Kräfte. Vgl. hierzu Karl Dietrich Erdmann: Die Geschichte der Weimarer Republik als Problem der Wissenschaft, in: Vierteljahrshefte für Zeit-geschichte, 3. Jahrgang/1953.

  102. Dazu der Aufsatz von Gerhard Schultze-Pfaelzer: Volkserziehung und Massenpsychologie in: Zehn Jahre Reichsheimatdienst, S. 61 ff., besonders S. 64 f.

  103. Werner Picht: Das Schicksal der Volksbildung in Deutschland. Braunschweig—Berlin—Hamburg 1950 (2. Ausl.).

  104. Zum vorausgehenden s.: Picht, besonders s. S. 15 ff. (Der Verfall der geistigen Volksordnung im Bildungszeitalter).

  105. Picht ebda. S. 39 ff.

  106. Der nationale „Einheitsbürger" ist die grundlegende kulturpolitische Forderung sowohl des nationalliberalen wie des liberal-demokratischen Lagers schon in der Zeit der Monarchie.

  107. Picht S. 53 ff.

  108. Der Begriff wurde geprägt von Wilhelm Flitner: Laienbildung. Langensalza 1931 (2. Ausl.) (Kl. Pädagog. Texte. Heft 13). (Erste Ausl. 1921).

  109. Dazu jetzt die Monographie von Jürgen Henningsen: Der Hohenrodter Bund. Zur Erwachsenenbildung in der Weimarer Zeit. Heidelberg 1958, bes. Teil 3, S. 94 ff.

  110. Aus der umfangreichen Literatur über den FAD sind zu erwähnen: Eugen Rosenstock und Carl Dietrich von Trotha: Das Arbeitslager. Berichte von Arbeitern, Bauern, Studenten (Jena 1932), und Georg Keil: Vormarsch der Arbeitslagerbewegung. Berlin 1932.

  111. Vgl. dazu auch die Kritik von Henningsen a. a. O. S. 105 ff., 110 f.

  112. Aus der Literatur über die Jugendbewegung: Günther Ehrental: Die deutschen Jugendbünde. Ein Handbuch ihrer Organisation und ihrer Bestrebungen. Berlin 1929; Ernst Günther Gründel: Die Sendung der jungen Generation. Versuch einer umfassenden revolutionären Sinndeutung der Krise. München 1932; Charlotte Lütkens: Die deutsche Jugendbewegung. Ein soziologischer Versuch. Frankfurt am Main 1925; Max Nietzsche: Bund und Staat. Wesen und Formen der hündischen Ideologie. Würzburg 1942 (Kulturphilosophische, philosophische und erziehungswissenschaftliche Studien, Heft 18); Harry Pross: Nationale und soziale Prinzipien in der hündischen Jugend. Phil. Diss. (Masch.) 1949; Klaus Hornung: Der Jungdeutsche Orden. Beiträge zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 14. Düsseldorf 1958.

  113. „Volk gegen Kaste und Geld" ist der Unertitel des „Jungdeutschen Manifestes“ von 1927. Vgl. Klaus Hornung, Der Jungdeutsche Orden, S. 77 ff.

  114. Uber die „Volksnationale Bewegung“ vgl. Hornung, Der Jungdeutsche Orden S. 87 ff. Der Begriff wird aber über den Jungdeutschen Orden hinaus immer wieder in der politischen Diskussion der hündischen Gruppen der Weimarer Zeit verwendet und bezeichnet ein ganzes politisches Programm der betreffenden gesellschaftlichen Schichten.

  115. Die Kritik an der „Plutokratie" des Parteien-staates ist gleichfalls ein durchgehendes Motiv der hündischen und national-revolutionären jungen Kräfte in der Weimarer Republik.

  116. Wilhelm Stapel, Volksbürgerliche Erziehung n eiträge der Fichte-Hochschule, Heft 4) Hamburg 0300hier zitiert nach der 2. Ausl.).

  117. Uber die Fichte-Hochschule in Hamburg, Stadens Monatsschrift „Das deutsche Volkstum" und nn. 1919 gegründeten . Jungdeutschen Bund" (der sein • mit dem Jungdeutschen Orden zu verwech-sn. st s'Stapel, Volksbürgerl. Erziehung S. 141 ff. " Mitteilungen an die Leser)

  118. um folgenden Volksbürgerliche Erziehung 01 Abschnitt: Was ein Volk sei).

  119. Ebda. S. 29.

  120. Ebda. S. 31.

  121. EEbbddaa.. S-31 ff-253343))

  122. Ebda.

  123. Ebda. S. 33.

  124. Ebda. S. 35.

  125. Ebda. S. 37 ff.

  126. Ebda. S. 44. /243) Ebda. S. 103 f.

  127. Ebda. S. 46 ff.

  128. Ebda. S. 48.

  129. Ebda. S. 80 ff. (Abschnitt . Volkheit und Menschheit“).

  130. Ebda. S. 95 ff.

  131. Ebda. S. 103 f.

  132. Ebda. S. 104.

  133. Ebda.

  134. Ebda. S. 106 f.

  135. Ebda. s. 111.

  136. Ebda. S. 118 ff.

  137. Ebda. S. 136 f., S. 10 (Vorwort), S. 131 f. (Ausgang von den Quellentexten).

  138. Ebda. S. 130 f.

  139. Ebda. S. 133 ff. („Pflege des Gemeinschaftssinnes“).

  140. Ebda. S. 133 f.

  141. Ebda. S. 134.

  142. Ebda. S. 12 f. (Vorwort zur 2. Ausl.)

  143. Friedrich Oetinger: Partnerschaft S. 67.

  144. Werner Näf: Die Epochen der neuen Geschichte, Bd. 2. S. 266 ff.

  145. Gerhard Rif er hat in seinem Buch „Europa und die deutsche Frage — Betrachtungen über die geschichtliche Eigenart des deutschen Staatsdenkens“, München 1948, eine eindringende und abgewogene Beurteilung dieser Problematik gegeben, die mir bis heute noch nicht überholt zu sein scheint. Ebenso hat in der jüngsten „Bewältiqung der Vergangenheit“ die überlegene Darstellung Friedrich Meineckes: Die deutsche Katastrophe. Betrachtungen und Erinnerungen, Wiesbaden 1949, le’der kaum mehr Beachtung gefunden. Man hätte sich manche laute Polemik ersparen können, hätte man solche Deutungen zu Rate gezogen.

  146. Den Begriff der geschichtlich-politischen „Kollektivverantwortung" gegenüber einer allzu moralistisch-vordergründigen „Kollektiv-Schuld“ hat m. W. Eugen Gerstenmaier geprägt anläßlich einer Rede auf dem Deutschen Evangelischen Jungmännertaq in Stuttgart 1959 Ähnlich hatte sich schon vorher mehrfach Altbundespräsident Theodor Heuss geäußert.

  147. Dazu jetzt auch: Waldemar Besson: Würt-Emberg und die deutsche Staatskrise 1928- 1933. Stuttgardizur Auflösung der Weimarer Republik.

  148. über die Sehnsucht nach nationaler Einheit und Gemeinschaft vgl. Friedrich Oetinger: Partnerschaft, bes. S 6 ff., S. 60 ff. sowie auch M. G. Lange: Totalitäre Erziehung, S. 28 ff.

  149. über das Verhältnis der „Konservativen Revolution" zum Nationalsozialismus zuerst Armin Mohler: Die Konservative Revolution in Deutschland 1918— 1933, bes. S. 11 ff. Aus der zeitgenössischen Sicht vor der nationalsozialistischen Machtergreifung Waldemar Gurian: Um des Reiches Zukunft. Nationale Widergeburt oder politische Reaktion. Freiburg 1932.

  150. Vgl. Mohler sowie jetzt auch: Jean Neu-rohr: Der Mythos vom Dritten Reich. Zur Geistesgeschichte des Nationalsozialismus. Stuttgart 1957.

  151. Gerhardt Giese: Staat und Erziehung. Grundzüge einer politischen Pädagogik und Schulpolitik. Hamburg 1933, S. 280.

  152. Giese S. 97 (Giese zitiert hier Carl Schmitt: Der Hüter der Verfassung, S. 71 ff.).

  153. Giese S, 97 f. (nach Carl Schmitt: Kantstudien, 35. Jahrgang. 1930, S. 31).

  154. Giese S. 101 (nach Carl Schmitt, Der Hüter der Verfassung, S. 39).

  155. Giese S. 105 f.

  156. Giese S. 98.

  157. Ebda.

  158. Zitiert bei Giese S. 138.

  159. Zitiert bei Giese S. 138 ff

  160. Giese S. 143.

  161. Giese ebda.

  162. Giese s-85 fr., S. 150 ff.

  163. Geese S. 82 ff.

  164. Giese S. 85 ff., S. 150 ff.

  165. Giese S. 152.

  166. Diese „Erziehung im Geist des nationalen Sozialismus" setzt sich deutlich ab gegen „das uns Fremde, aus südlichem, romanischem Geist geborene Uniforme und Zentralistische, vor dem uns schon die Idee des Reiches bewalren muß". Die Ablehnung des „romanischen Faschismus" ist auch ein Grundthema der hündischen Jugend. Vgl. Klaus Hornung: Der Jungdeutsche Orden S. 123 f., S. 127 ff.

  167. Giese S. 147.

  168. Giese S. 153 ff.

  169. Giese S. 161 ff. In solchem politischen Geschichtsunterricht ist „der Staat selbst Gegenstand der Lehre“. Von ihm erwartet der Staat deshalb besonders „eine geschichtliche Rechtfertigung seiner selbst und eine tiefere geistige Verwurzelung und Stärkung des Staatsbewußtseins seiner werdenden Bürger . . . Kein Staat ist lebensfähig ohne echtes historisches Bewußtsein seiner Bürger.“ Giese betont die Notwendigkeit einer „gesamtdeutschen Geschichtsauffassung“, „die wir als Volk im mitteleuropäischen Raum und um der Sendung des Reiches willen so notwendig brauchen". Die Gegensätze der „pluralistischen Aufspaltung“ der Deutschen in Nord und Süd, preußisch und österreichisch, protestantisch und katholisch, bürgerlich und sozialistisch etc. sollen eben durch das geschichtlich „Gemeinsame“ überwunden werden.

  170. Giese S. 286.

  171. Dazu bes. die Kapitel bei Giese über „Staatspolitische Volksbildung” und . Staatliche Jugenderziehung” S. 153 ff. und S. 168 ff.

  172. Zum folgenden der Aufsatz Alfred Baeumlers . Das politische Reich” in: Bildung und Gemeinschaft. Berlin 1942, S. 7 ff.

  173. Alfred Baeumler: Die deutsche Schule im tejtalter der totalen Mobilmachung, ebda. S. 17 ff.

  174. Fritz Stippel: Die Zerstörung der Person. Kritische Studie zur nationalsozialistischen Päd-agogik. Donauwörth 1957, S. 36.

  175. Die Stippel, S. 38, weist darauf hin, daß der von r f° Dietrich verwendete Begriff der „universaistschen Idee", den dieser für den Nationalsoziassmus beansprucht, frühzeitig den „totalen“ An- Pruch des Regimes bloßlegt (Otto Dietrich: Die P ilosophischen Grundlagen des Nationalsozialismus S. 27, zitiert bei Stipel, S. 36).

  176. Alfred Baeumler will seine Erziehungslehre aufbauen auf einer diesen Dualismus überwindenden „wissenschaftlichen Menschenkunde“ mit der Rasse als Grundbegriff (Rasse als Grundbegriff der Erziehungswissenschaft in Bildung und Gemeinschaft S. 81 ff.). Diese „wissenschaftliche Menschen-kunde“ ist dasselbe wie Ernst Kriecks „universelle Biologie" bzw. „politische Anthropologie“ (Emst Krieck: Völkisch-politische Anthropologie, Band 1- 3, Leipzig 1936'38). Die Ablehnung des „christlich-idealistischen Spiritualismus und Supranaturalismus" auch bei Rudolf Benze: Nationalpolitische Erziehung im Dritten Reich. Schriften der Deutschen Hochschule für Politik. Heft 22, Berlin 1936. Das Ziel der nationalpolitischen Erziehung ist nach Benze die „Wesensharmonie" von Körper, Seele und Geist, die „Formung von Gesinnung und Haltung“ nicht durch Belehrung, sondern durch Erleben und Vorbild aus rassischem Erbe. Die Ablehnung der „Diesseitsfeindlichkeit" des „kirchlichen Dogmas“ mit seiner „europafremden, orientalischen Askese“ und die Ablehnung der „Vernünftelei“ des „individualistischen Liberalismus" liefert die geistesgeschichtliche Ableitung dieser Position.

  177. Ernst Krieck: Nationalpolitische Erziehung S. 120 ff., S. 128 ff. Vgl. Stippel S. 40 ff.

  178. Stippel S. 48 ff Benze sieht im Nationalsozialismus einen „unbedingten Nationalismus“, der durch die Unterbauung durch die Rassenlehre zum neuen „ganzheitlichen Nationalismus“ werde, für den der Verfasser sodann die beliebten organologischen Vergleiche aus der Romantik und der Jugendbewegung heranzieht: „Wie die Zelle im Körper oder das Blatt am Baume dienendes Glied im ganzen Lebewesen ist und kein Sonderleben ohne Schaden des Ganzen beanspruchen kann, so ist auch der Volksgenosse nicht um seiner selbst willen da, sondern hat sich dienerd ins Volks-ganze einzufügen“ (S. 6 f.).

  179. Alfred Baeumler: Das Reich als Tat (S. 7 ff.) und Der politische Volksbegriff (S. 43 ff.) in: Bildung und Gemeinschaft. Ernst Krieck: National-politische Erziehung, bes. die Abschni te Politische Wissenschaft (S. 1 ff.), Die deutsche Revolution (S. 13 ff. und Die gegenwärtige Lage der Kultur und Bildung (S. 103 ff.) Stippet S. 49 ff

  180. Stippel S. 52 ft.

  181. Stippel S. 58 ff.

  182. Ernst Krieck: Völk -politische Anthropologie, Band 1, S. 20 ff. Stippel S. 117 ff.

  183. Krieck: Völk. -polit. Anthropologie Band 1 S. 7 ff., S. 20 ff. Stippel S. 127 ff.

  184. Stippel S. 129... ,

  185. Stippel S. 129 ff.

  186. Alfred Baeumler: Bildung und Gemeinschaft (Die Grenzen der formalen Bildung, eine Auseinandersetzung mit Herbart), S. 67 ff. Vgl. Oetinger: Wendepunkt, S. 81 ff. und Partnerschaft, S. 69 ff. Benze a. a. O. stellt der „liberalistischen Lernschule“ die Grundsätze der körperlichen Gesundheit, des Charak ers, der Willenskraft und der „völkischen . Gemeinschaftsgesinnung" entgegen.

  187. Baeumler über Fichte und das „ghibellini-sehe Kampfethos" in: Bildung und Gemeinschaft S. 183 ff.

  188. Baeumler: Politik und Erziehung S. 14.

  189. Baeumler: Politik und Erziehung (Der politische Volksbegriff), S. 43 ff.

  190. Oetinger: Wendepunkt S. 86.

  191. Krieck: Völk. -polit. Anthropologie, Band 1, S. 7 ff., S. 20 ff., ders.: Nationalpolitische Erziehung S. 98 ff., 111 ff., 125 ff.

  192. Stippel S. 151. Ganz ähnlich ist heute in der Sowjetzone die Pädagogik „Technik des Erziehungszieles" (M. G. Lange: Totalitäre Erziehung, S. 342). . ;

  193. Stippel S. 169 ft.

  194. Stippel S. 171.

  195. Stippel ebda.

  196. Stippel S. 173.

  197. Stippel S. 173 ff„ Zitat S. 179.

  198. Stippel S. 183 ff.

  199. Baeumler: Politik und Erziehung (Das Reich als Tat), S. 7 ff.: „Die Tat folgt nicht dem vorweg-nehmenden Gedanken — der Gedanke zeigt nur eine Möglichkeit — vielmehr muß die Tat selber in einem Entschluß von unbegreiflicher Tiefe vorweggenommen werden'(ebda. S. 11). Vgl.ders.: Bildung und Gemeinschaft S. 57.

  200. Baeumler: Bildung und Gemeinschaft S. 57.

  201. Ein nationalsozialistischer Staatslehrer, Reinhard Höhn, hat die Frage nach dem Verhältnis zwischen den „Werten" und „Ideen“ einerseits und der „Volksordnung“ andererseits dahingehend beantwortet, daß Volksgemeinschaft keine „Kulturnorm“ sei, sondern eine „Gemeinschaft der Tat“, „ein unmittelbarer Ausdruck der Blutsgemeinschaft eines Volkes", die alle Sachgebiete, einschließlich der „Werte“ als ihre „Erscheinungen“ umfaßt. Die Werte seien also keine Maßstäbe, an denen diese Gemeinschaft gemessen werden könne. Die Volks-gemeinschaft bringt vielmehr selbst alle Werte und Sachbereiche erst hervor sie erfasse den Menschen ganz, sie werde „in den Ordnungen des Volkes gelebt" (in: Rechtsgemeinschaft und Volks-gemeinschaft, Hamburg 1935, S. 47 ff., 51 f., 74, 79, 82 f.).

  202. Baeumler: Bildung und Gemeinschaft S. 57 f.

  203. Baeumler: „Die Pädagogik des Individualismus hat in der Bildung das Ziel gesehen; die nationalistische Erziehungsordnung erkennt in der Bildung den Weg zur Leistung" (Bildung und Gemeinschaft S. 115).

  204. M. G. Lange hat diesen Weg zur Leistung aufgezeigt, geschärft durch die Analyse des kommunistischen Erziehungssystems in der Zone: Erziehung zur Aktivität bedeutet Mobilisierung der Jugend für die bestehende Ordnung und deren Funktionäre {Totalitäre Erziehung S. 28 ff., S. 346). Es ist die Erziehungstheorie des totalitären Apparats.

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