5. Spaten und Gefangene, Maschinen und Facharbeiter
Mit dem Spaten begann die Erschließung der Schnee-und Eiswüsten zwischen Petschora und Polarual, zum Spaten kamen Spitzhacke, Keil, Vorlegehammer und Brechstange, und es entstand die mehr als tausend Kilometer lange Bahnlinie der „Toten", die von Kotlas zum ersten Kohlenbergwerk Workutas führte.
Doch ehe etwas über diese primitiven Werkzeuge gesagt wird, laßt mich der Hände gedenken, die sie führten.
Gesicht und Hände sagen über den Menschen, der vor dir steht, manchmal mehr aus, als sein Mund dir erzählen möchte. Wenn die Kolonnen der Strafgefangenen mit den geschulterten Spaten zur Arbeit ziehen, sind auch diese Zeugen ihres Leides stumm: denn alles an ihnen ist mit schmutzigen Lumpen bedeckt. Die Hände sind in unförmigen Schutzhüllen verborgen, sonst würden sie erfroren abfaulen und könnten die Fron bald nicht mehr verrichten. Tuchmasken verhüllen auch die Gesichter, nur unter rauchend aufsteigendem Atem erahnst du ein Paar müde, tränende Augen.
Erst abends kannst du diese Hände sehen. Wie zerquälte, gemarterte Tiere liegen sie da, bis zur Unkenntlichkeit verschwollen oder skelettartig abgemagert, die zersprungene Haut trägt die Schmutzspuren der Arbeit. Manch einer verflucht diese Hände als mitschuldig an der täglich neu beginnenden Qual, verstümmelt sie selbst in seiner Verzweiflung und in der Hoffnung, dann wenigstens nicht mehr arbeiten zu müssen. Anderen werden erfrorene oder bei der Arbeit zerschlagene Gliedmaßen amputiert, und sie lachen. Das dadurch bedingte Befreit-sein von der Fron ist leichter zu ertragen als die Invalidität. Es gibt aber auch solche, die diese Hände pflegen, als zu einem Körper gehörend, der Teil eines großen geheimnisvollen Lebens ist, die diese Hände in Ehrfurcht falten vor dem, das größer ist als der leidvolle Tag.
In der letzten Woche meines Workutaer Aufenthaltes gehe ich abschiednehmend durch die lauten Straßen. Vom Verwaltungsgebäude des Kohlenkombinates prahlt, elektrisch beleuchtet, das Relief der Kohlenmulde: Seht, wie weit wir es gebracht haben! Entlang der Straßen erzählen große Tafeln in Bildern und Statistiken von dem Märchenparadies der Zukunft und den phantastischen Ziffern des Chruschtschowschen Siebenjahresplanes. Wuchtig breit oder mit triumphierend ausholender Geste stehen die aus Gips oder Eisenbeton verfertigten Statuen Lenins, Stalins und Kirows auf den Plätzen und Alleen. Eines vermisse ich, das wirkliche Symbol Workutas: Ein Abbild dieser zerschundenen, blutenden Sklavenhände, die oft auch Hände offiziell nicht anerkannter Spezialisten waren, und die ohne Hilfe von Maschinen mit den primitivsten Werkzeugen die Fundamente für den heutigen Sowjetaufbau gelegt haben.
Wißt ihr, welch gewaltiger Unterschied zwischen Spaten und Spaten besteht? Aus dem Holzschuppen schleppen die Helfer des Brigadiers die Spaten heran und werfen sie in den Schnee. Ein Kampf entsteht. Immer gibt es Kampf! Einmal um den besten Schlafplatz, dann um das bessere Essen oder die bessere Kleidung, und nun auch um den besten Spaten! Manch ein Spaten eignet sich besser zum Schippen von Schnee, ein anderer für Kohle, Erde oder „Grawij* (Schotter). Einer liegt so leicht in deiner Hand, und der Griff hat eben die richtige Länge, ein anderer macht dir mit seiner Schwere die Arbeit doppelt verhaßt. Da ist einer verbeult und verbogen und erfordert zwei Würfe statt einem, dort ist ein Holzgriff gespalten, er wird bei der Arbeit entzweibrechen, deine Hand verletzen, deinen Arm ermüden.
Kennst du die Tücken einer Spitzhacke, die nur große Brocken zu lösen bereit ist und sich weigert, es mit den kleinen aufzunehmen, wie du es möchtest? Kennst du die Härte der ewigen Gefrornis, die dem Keil nur Einlaß gewährt, wenn kräftige Fäuste den Vorleghammer führen? Hast du schon je mit einer Harke, an der von 10 nur 2 Zähne übrig blieben, tagelang unter strömendem Herbstregen das nasse Tundragras zum Heurechen gezerrt? Mit einem Messer, das eigentlich nur ein Blechstück war, Kartoffeln schält?
Nun, das ist schon lange her, sagt man. Ganze fünf Jahre meine ich. Doch gut, heute gibt es bessere Werkzeuge, es gibt Maschinen aller Art. Zuerst waren die Maschinen und Transportfahrzeuge zum größten Teile ausländischer Herkunft. Güterwagen mit den Aufschriften Klagenfurt, Villach, Linz, Hof, Görlitz führten die Kohlen, deutsche Pullmannwagen brachten Zement, Bagger aus Deutschland schürften Kies und Schotter, an amerikanischen und deutschen Maschinen standen die Arbeiter in der Lokomotivfabrik. Facharbeiter unter den deutschen Kriegsgefangenen haben die Ziegel-fabriken Workutas geplant und gebaut. Deutsche und andere ausländische Spezialisten waren in den ersten Jahren führend bei dem Aufbau beschäftigt. Ihre Namen sind vergessen oder werden schamvoll verschwiegen. Auf ihren Leistungen aber bauten die sowjetischen Ingenieure auf, die ab 1950 als Freie freiwillig in den Norden kamen, um des besseren Vorwärtskommens willen, das ihnen hier zugesagt wurde.
Mangel an Facharbeitern
Ungelernte und gelernte Arbeiter sanden sie unter den Gefangenen zahlreich. Es fehlte aber die mittlere Schicht der Facharbeiter in den Bergwerken, die Meister und Handwerker in den Fabriken, Betrieben und beim sonstigen Aufbau. Mit Schnellkursen versuchte man in der ersten Übergangszeit diesem Mangel abzuhelfen. Entlassene Strafgefangene, die sich freiwillig meldeten, erhielten ein Jahr bezahlten Studienurlaub und nach Abschluß des Examens an der Bergakademie den Titel eines „Diplombergtechnikers“ für verschiedene Fachgebiete.
Als durch die Amnestie im Jahre 1955/56 die Straflager aufgelockert wurden, nahm man zuerst die Spezialisten aus dem Lagergewahrsam heraus, gab ihnen größere Freiheit und stellte sie an verantwortungsvollere Posten. Statt der früheren Schnellkurse wurden nun im zweiten Bildungsgang viele der Amnestierten über die Ablegung des ihnen fehlenden Mittelschulexamens zum Besuch von Abendlehrgängen an der Bergakademie geführt. Doch all diese Vorbereitungsarbeiten benötigten Zeit. Die Ausbildung von Fachkräften, das Anlaufen der eigenen Mai schinenproduktion zeitigte in den Bergwerken erst ab 1957, beim Bauwesen ab 1958/59 sichtbare Erfolge. Wie bis dahin und teils auch nachher gearbeitet wurde, veranschaulichen einige Beispiele.
Ungelernte Arbeiter, die nur noch der Meldepflicht des Lagers unterstehen, aber außerhalb desselben wohnen und an verschiedensten Arbeitsplätzen eingesetzt werden können, sowie Sträflingsbrigaden ersetzen auch weiterhin fehlende Maschinen, sowohl in den Bergwerken als beim sonstigen Aufbau. Sie arbeiten beim Straßenbau, planieren das für den Hausbau parzellierte Gelände und setzen die Fundamente für die Neubauten. Sie legen, zuerst innerhalb des Stadtzentrums, das Rohrsystem, durch das von einem Heizhause aus die Häuser des betreffenden Wohnblocks ferngesteuert geheizt werden. Sie führen die Vorarbeiten für die Überlandanschlüsse der von dem zweiten Wärme-kraftwerk ausgehenden Leitungen durch. Schließlich legen sie Wasserleitungen und Kanalisationen in den eingemeindeten Siedlungen rund um die Bergwerke. Sie arbeiten so, wie sie es von früher her gewohnt waren, mit viel Lärm und Krach, mit viel unnötigem Bruch und Vergeudung von Material, bestrebt, das Arbeitssoll zahlenmäßig zu erreichen, wenn darunter auch die Qualität der Arbeit leidet.
Einmal sollte eine Wasserleitung bis zum entferntesten Schacht im Nordrayon gelegt werden. Die Arbeit, verspätet begonnen, da der verantwortliche Chef im Sommerurlaub weilt, und der Stellvertreter sich nicht zuständig fühlt, zögert sich hin, die Sträflinge heben, um ihr Ziel schneller zu erreichen und weil schließlich der Winter drängt, die Gräben weniger tief aus, bedecken die Rohrleitungen mit weniger Kubikraum Erde, als die Vorschrift fordert. Im November bricht dann die Kälte mit Minus 45 Grad ein, es gibt Rohrbrüche am laufenden Band, Millionenschaden . . . und eine Siedlung ohne Wasser.
Eine andere Arbeitsbrigade ist im Stadtzentrum beim Straßenbau beschäftigt. Der obere Teil der Leningradskaja soll neu gepflastert, das für das alte Workuta typische hölzerne Kopfpflaster durch neues ersetzt werden. Das alte Material türmt sich zu Bergen auf beiden Seiten der Straße und stört den Passantenverkehr erheblich. Die Arbeit zieht sich in gemächlichem Tempo bis zum Einbruch der winterlichen Kälte hin, dann bleibt sie halbvollendet liegen. Die Schneemassen erhöhen die Berge der Holzklötzchen noch um ein Beträchtliches und die Anrainer atmen täglich auf, wenn sie wieder einmal mit heiler Haut in ihre Wohnungen geklettert sind. Doch sie müssen sich noch zwei Jahre gedulden; dann sind endlich Maschinen da, und auch die Leningradskaja erhält ihre Asphaltstraße.
Begleiten wir nun gelernte Arbeiter zu ihren Arbeitsplätzen. Da ist der Anstreicher Iwanow, er lebt noch in Zwangssiedlung. Er ist in seinem Fach gut, spart Material ein, denkt selbstständig und hat Geschmack im Aussuchen der Muster und Farben für die innere Ausgestaltung der Räume. Er ist einer der wenigen, die auch ohne Aufsicht gute Arbeit tun. Der Abschnittsleiter seiner Kombinatsabteilung weiß dies, und auch, daß er noch schwer zu ersetzen ist. Darum wird er vom politischen Leiter nicht zur vollkommenen Amnestie vorgeschlagen, trotzdem daß er seine Strafzeit zu zwei Drittel abgebüßt hat. Während des dreizehnjährigen Polaraufenthaltes ist er zu einem fahlen Knochengerippe geworden. Seine Tüchtigkeit ist sein Verhängnis. Das kleine Zimmerchen, das er mit Frau und Töchterchen bewohnt, ist eines unter zehn andern in einer Gemeinschaftsbaracke, die etwa zehn Kilometer weit vom Stadtzentrum entfernt in einer Siedlung liegt, die früher ein Strafarbeitslager war. Um sechs Uhr morgens ist er schon auf den Beinen, um gegen acht Llhr von seinem Kommandanten den Arbeitsauftrag und das notwendige Material zu übernehmen. Nach einer weiteren Stunde erreicht er den Arbeitsplatz. Acht Stunden dauert sein Arbeitstag, sonntags ist frei, sein Monatslohn übersteigt nie 500, — Rubel. Damit kann er die Familie nicht erhalten, darum spart er eisern und kauft als erster unter den Workutaer Anstreichern aus eigenen Ersparnissen einen elektrischen Zerstäuberapparat, mit dem er nah Arbeitsschluß noch Privataufträge übernimmt.
Sonntags sehnt er sich nah seiner sibirischen Heimat. Er ist Sibirjak vom Baikalsee. In Haltung und Aussehen wirkt er wie ein Europäer.
Von den bei der Häuserverwaltung beshäftigten sogenannten gelernten Arbeitern verstehen viele sehr wenig, oft sind sie nur ungelernte Arbeiter, üben aber die Funktionen von Ofensetzern, Malern, Glasern und Shiossern aus. Niht vorhandenes Material hemmt . are Arbeit beträhtlih. Einmal fehlt die Kittmasse zum Verglasen. Weil die kleinen Eisennägel natürlih niht genügen, klirren die losen Sheiben im Winde und haben nah einigen Tagen Sprünge. Die gemauerten Kühenherde sind ein Kapitel für sih, am Tage nah der Reparatur haben sie wieder Risse und Löher, die Töpfe mit Lehmmasse und Kalklösung müssen ständig griffbereit stehen. Erst 1959 werden auh Eisenöfen aufgestellt, die tägliches „Remontieren“ (Ausbessern) erübrigen.
Viel verstehen diese Ofensetzer von ihrer Arbeit niht. Aber seltsame Käuze sind unter ihnen. Da ist der Chinese, der eine Russin zur Frau und ihre Sprahe erlernt hat. Die Kinder sind beide ihm ähnlih. Ih frage ihn, ob er denn niht Sehnsuht nah seiner Heimat habe’ Er shüttelt den Kopf, und ih weiß niht, ob dies ja oder nein bedeutet. Doh dann sagt er mit ganz fremder Stimme: Meine Heimat ist jetzt keine Heimat mehr, es ist dort ganz anders als früher. —
Ein andermal kommt der „Moldowener" ins Haus. Er ist ein Rumäne aus Beßarabien. Ec freut sih, weil ih die Sprahe seiner rumänishen Heimat verstehe und erzählt mir, daß er ein reiher Bauer gewesen aber bei der bessarabishen Bodenenteignung in den vierziger Jahren hierher als „Kulak“ verbannt worden sei. Sein Sohn habe als junger Arbeiter in Bessarabien ein neues Leben begonnen, er aber wolle lieber hier, als in der ganz andern Heimat sterben.
Die Spülung im WC mäht vielen gelernten Arbeitern Kopfzerbrehen, wenn sie niht funktionieren will. Der Ukrainer versuht es mit einem Nagel, der Komi mit einem Stück Draht, erst der Meister findet, daß Rost das Kugelgewinde zerstört habe und es durh ein neues ersetzt werden müsse. Der Meister arbeitet langsam, bedähtig, er ist einer der wenigen, die Qualitätsarbeit vorziehen, wenn dies auh auf Kosten der „Norm“ geht. Er hat shon vershiedene Belobigungen für gute Arbeit erhalten und ist „Brigadier", d. i. Vorarbeiter. Er mäht sih über manhes Gedanken; es gibt fahlihe Fragen, auf die er eine Antwort suht. Wie kann man Metall kalt kleben? Hier ginge das niht meint er. Aber im Westen gäbe es bestimmt ein Mittel dazu. Ih sei doh eine Deutshe und die wüßten viel, ob ih niht eine Antwort wisse? Und weiter: Alle elektrishen Geräte arbeiteccn mit viel Lärm und Getöse. Wenn dazu noh der Krah käme, den die Menshen hier bei der Arbeit mähten, wäre es kaum auszuhalten. Ob man diesen Lärm anderswo shon umgenen könnte? Ih muß ihn leider enttäuschen und ihm die Antwort schuldig bleiben. Technisch war ih immer unbegabt und von den Erfindungen der letzten 15 Jahren weiß ih überhaupt nichts.
Verstärkter Einsatz von Maschinen
Ab 1958 sind auf einmal, wieder fast sprunghaft, Maschinen da: in den Bergwerken, in den Fabriken, auf den Straßen.
Die Sträflingsbrigaden rücken aus dem Stadt-zentrum in weiter entfernte Siedlungen, die nun auch an das Wasser-, Kanalisations-und Fernheizungsnetz angeschlossen werden, und in südlich gelegene Gebiete, um nach neuen ergiebigen und hochwertigen Kohlenflözen zu suchen.
Buidogger reinigen die Fahrstraßen nach den Schneestürmen. Ganz neue Schneepflüge, die den Schnee entweder in der Luft zerstäuben oder ihn schlucken und gleich auf Lastwagen verladen, erregen große Bewunderung. Schwere Raupenpflüge stellen im Winter direkte Verbindungslinien durch die schneeverwehte Tundra und über das Eis des Flusses Workuta vom Stadtzentrum zu den Bergwerken her. Ihnen folgen dann die immer zahlreicher auftauchenden Lastkraftwagen, darunter ein neuer Typ aus den Gorkijer Autowerken. Unter den Personenwagen bewährt sich am besten ein ebenfalls aus diesen Werken stammender, auf der Brüsseler Weltausstellung prämiierter Geländewagen, die Gas 52. Dann sieht man noch Po+ beda, Wolga, Moskwitschi, Tschaika und den tschechischen Tatrawagen. Langsam tauchen auch Motorräder auf. Neue Busse nehmen den regelmäßigen Verkehr der Stadt mit den Bergwerken und Siedlungen auf.
Im allgemeinen gilt: Es gibt Spitzenleistungen guter Spezialisten, die fleißig und gewissenhaft Beachtliches zustande bringen, auch vorausschauende durchdachte Planungen. Die mittlere Führungsschicht stört den Erfolg durch mangelhafte Organisation und schlecht koordiniertes Zusammenarbeiten der verschiedensten Verbände und Abteilungen. Die praktische Durchführung aber wird sehr in Frage gestellt durch das Fehlen von guten Handwerkern und Meistern sowie durch das vollständige Fehlen oder nicht zeitgerechte Eintreffen des Materials an den Arbeitsplätzen.
Auch hierzu ein Beispiel. Das Heizhaus neben dem kleinen See im Workutaer Stadtzentrum ist fertiggestellt; die ferngesteuerte Heizung für den Wohnbezirk der Leningradskaja nimmt ihre Arbeit auf. Nach kurzer Zeit schon mehren sich die Klagen wegen schlechter Beheizung. Gründe dafür werden gesucht. Zuerst findet ein Austausch der Nachtheizer statt, sie schliefen, statt zu feuern. Zugleich aber stellt man fest, daß in der Presse und im Rundfunk hauptsächlich der Kumpel mit Belobigungen und Auszeichnungen bedacht wurde, bestimmte Arbeitskategorien aber nie in Erscheinung traten. Man müßte für alle etwas Anspornendes, Belobigendes, den Arbeitseifer Antreibendes suchen! Weiter ergibt sich, daß die aus den Bergwerken Nr. 9 und 10 heran-geholte minderwertige Kohle den notwendigen Heizwert nicht erreicht, es wird bessere bereitgestellt. Ein aus ungenauer Planung sich ergebender Übelstand bleibt vorläufig bestehen. Die Gesamtheizkraft der Anlage ist zu klein, um den großen Wohnblock bis in die entferntesten Enden der Straßenzüge mit Warmwasser zu beliefern.
Doch weiter. Die in den Quartieren aufgestellten Heizkörper und auch die Leitungsrohre sind ganz roh zusammengeschlagen. Schon nach kurzer Zeit tropft es an verschiedensten Stellen. Eine wahre Geschirrausstellung zum Auffangen des unerwünschten Segens verschönert die Wohnungseinrichtung nicht eben. Auch gibt es Überschwemmungen, wenn das rechtzeitige Leeren der Gefäße versäumt wird. Noch unangenehmer aber ist, daß die Ventile dem Drude nicht standhalten. Der so ständig ausströmende Dampf schafft auch in strengster Winterkälte eine schwüle ungesunde Treibhaus-atmosphäre in den Wohnungen. Das unsaubere Wasser setzt sehr schnell an der Innenseite der Heizkörper dicken Belag an, und da die zusändige Verwaltungsstelle die notwendige Säuberung nicht vornimmt, vermindert sich die Heizkraft von Jahr zu Jahr.
Einmal im Monat muß die Heizungsanlage auf dem Dachboden jedes Hauses gereinigt werden Arbeiter, die dies nicht verstehen, verstopfen bei der Reinigung die Zuleitungswege. Es herrschen nachher in den Wohnungen tagelang bittere Kälte und Schmutz, bis alles wieder in Ordnung gebracht wird. Einem Übelstand, durch die Polarwitterung bedingt, kann überhaupt nicht abgeholfen werden: Den Schneestürmen, von denen es im Jahre 20— 30, darunter einige von 6— 9 Tagen Dauer gibt, ist die Wetterseite der Häuser schutzlos preisgegeben. In den Wohnungen gibt es dann Temperaturen um und unter Null Grad, trotz Heizung bei Tag und Nacht.
Wie sieht es in den Bergwerken aus? Im ersten Jahrzehnt des Aufbaues ging die Neugründung von Bergwerken langsam vor sich. Man mußte Eisenbahnlinien, Straßen, Siedlungen bauen. Im zweiten Jahrzehnt wuchsen die Bergwerke rasch an Zahl. Manche Gründungen aber erwiesen sich als unzweckmäßig und wurden aufgegeben. Im letzten Jahrfünft tritt man wieder langsamer. Von zwei dem Plane nach jährlich neuaufzubauenden Bergwerken wird nur eines fertiggestellt. Dafür soll das Vorhandene besser ausgebaut, den neuzeitlichen technischen Anforderungen angepaßt und teilweise automatisiert werden.
Steigende Kohlenförderung
Die Gesamtkapazität des Petschorakohlenvorkommens wird auf 36 Milliarden Tonnen geschätzt. In den ersten Jahren erreichte die Förderung knapp vier Millionen Tonnen, im Jahre 1959 wird sie mit 12— 14 Millionen Tonnen angegeben. Sie soll bis 1965 auf 19 Millionen Tonnen jährlich gesteigert werden.
Zwei Kombinate sind für die Arbeiten in den Kohlenbergwerken Workutas verantwortlich.
Das Kombinat „Petschor-schachto-stroi“
(Petschoraer Bergwerk-und Baugesellschaft)
hat seinen Sitz in der Provinzhauptstadt Syktywkar. Es führt den Aufbau und Ausbau der Bergwerke im gesamten Petschoragebiet sowie den Straßen-und Wohnbau durch. Seiner Workutaer Zweigstelle sind die dortigen Maschinen-, die Zement-und Möbelfabrik, die Sägewerke und die drei Ziegelfabriken angeschlossen. Das Kombinat „Workut-ugol" zeichnet für die Kohleförderung im Kreise Workuta. Die gleichen Aufgaben hat das Kombinat „Intaugol" für das 300 km südlicher bei Inta und das Kombinat „Kisel-ugol" für das mehr als 1 000 km südlicher bei Kisel im Nordural liegende Kohlevorkommen.
Die Hauptforderungen, die an die beiden Kombinate in Workuta in nächster Zeit gestellt werden, sind:
1. Die Produktion zu verbilligen, eine bessere Rentabilität zu ermöglichen und so den Preis der Kohle herabzusetzen. Die Workutkohle ist heute noch viel teurer als die aus Kasachstan, aus dem Don-und Moskauer-becken. 2. Neue Transportmöglichkeiten, entweder über Uchta oder direkte südliche, in den Nord-ural zu erschließen, damit die Workutkohle nicht nur wie bisher für das Leningrader Industriegebiet, sondern auch für die Industriegebiete in Nischnij-Tagil und in Swerdlowsk Verwendung finden kann.
Die Erreichung des Leistungssolls in der Produktion der Workutaer Bergwerke war vor 1957 ein wunder Punkt. Von den etwa dreißig in Betrieb stehenden-Bergwerken, erreichte es knapp ein Drittel. Was mangelnde Technisierung damals noch erschwerte, versuchte man durch Streichung der Arbeitsprämien, durch Absetzen von Bergwerksdirektoren, durch Urlaubsentzug für leitende Beamte zu erzwingen.
Heute arbeitet im ersten Schacht eine neue elektrische Entlüftungsanlage. Viele Bergwerke erhielten moderne technische Einrichtungen. An erster Stelle der 19., der 29. und der 40.
Schacht, und im letzteren wird erstmalig Metangas seiner Verwendung zugeführt. Das 195 9 auf neuzeitlichen Grundlagen fertiggestellte zweite Bergwerk von Chalmerju fördert beste verkokungsfähige Kohle. Im Westen der Kohlenmulde, in Worga-Schor, ist ein weiteres im Aufbau.
50 bis 70 Prozent der Bergwerke erfüllen jetzt ihre Produktionsverpflichtungen. Laufend werden Tabellen mit den jeweiligen Monatsergebnissen der Planerfüllung in der Ortszeitung „Zapolarje" veröffentlicht und im Ortsrundfunk täglich Belobigungen oder Tadel ausgesprochen. Im Sommer 195 8 kamen im Zuge von Gesamtauszeichnungen für die UdSSR auch in Workuta viele Orden, Medaillen und Ehrenzeichen zur Verteilung, einige Kumpel und Brigadiere erhielten den Leninorden.
6. Ärztliche Betreuung im Wandel der Jahre
In den letzten Jahren meines Workutaer Aufenthaltes las ich in der populär-medizinischen Zeitschrift „Sdorowje“ und in der „Gesundheit" betitelten Zeitschrift der Ostzone von großartigen Fortschritten in der sowjetischen ärztlichen Wissenschaft, von phantastisch anmutenden Operationen Professor Demjanows an Versuchstieren, von wunderbaren, mit Erfolg durchgeführten Herz-und Gehirn-operationen. In der „Prawda" und der Monatszeitschrift „Ogonjok“ sah ich Bilder einer jungen Eisenbahnerin, die unter Einsatz des eigenen Lebens einen kleinen Knaben vor dem Tode gerettet, dabei selbst beide Beine verloren und dann — dank ärztlicher Kunst und technisch ausgezeichnet hergestellter Prothesen — das Gehen wieder erlernt hatte.
In der Welt, ganz unten, in der ich fast 15 Jahre gelebt habe, sah und sieht ärztliche Betreuung auch heute noch ganz anders aus. Einiges aus dieser Wirklichkeit möchte ich hier aufzeigen.
Man schrieb das Jahr 1946. Zwei Frauen kauern in einer Zelle des Felsengefängnisses von Odessa, Marioara und ich. Uns beide hatten vorher Krankheitsgeschichten und -Symptome wenig interessiert, Marioara, weil sie so jung und vollauf damit beschäftigt war, ihr Hochschulstudium zu beenden, mich, weil ich bisher Krankheit kaum kannte. Nun standen wir auch ratlos den Veränderungen gegenüber, die sich an uns bemerkbar machten. Leib und Glieder bedeckten sich mit handgroßen schwarzen Flecken, aus deren Mitte Blut-tropfen hervorsickerten. Dann wollten unsere Beine ihren Dienst nicht mehr tun, sie schleiften bloß über den Boden, wir konnten uns nur unter großen Schmerzen, gestützt auf beide Handflächen, an den Wänden entlang schleichen. Die Regel hörte überhaupt nicht mehr auf. Der Feldscher kam einmal täglich in die Zelle, sah uns an und ging wieder.
Wenn wir morgens unter Bewachung hinaus-wankten, um das „Parasch" (Fäkalieneimer) in die Abortgrube zu entleeren, hörten wir die Posten sagen: Die beiden sind schon dem Tode nahe und kein Arzt kümmerte sich um sie. — Einmal wird plötzlich die Tür aufgerissen, der Oberst selbst will sich überzeugen, ob ärztliche Hilfe zugelassen werden soll. Denn auch dies ist ein Politikum bei uns Politischen.
Am nächsten Morgen fährt die schwarze Maschine vor, der Feldscher begleitet uns. Wohin? Wir halten vor einem großen, mehrstöckigen Gebäudekomplex, dem Hauptgefängnis von Odessa. Durch einen breiten Hof schleppen wir uns mühsam bis zur polyklinischen Abteilung. Im Korridor wartend sehen wir noch manche Kranke in ähnlichem, doch weniger schlimi 'm Zustande als dem unsrigen. Der untersuchende Arzt stellt weit fortgeschrittenen Skorbut fest.
Nur eine Krankenhausbehandlung könnte eine wirkliche Heilung ermöglichen. Doch der Feldscher hat den Auftrag, uns zurückzubringen und das Untersuchungsergebnis zu melden. Beim Hinausgehen hören wir, wie der Arzt auf ihn einredet: Wir könnten den Frauen helfen, und in euren Felsenkellern werden sie zugrunde gehen. — Die Behandlung, die uns dann nach Grad unseres „Verbrechens" von der militärisch-politischen Leitung zugebilligt wurde, war folgende: Für zwei Wochen eine Zelle über der Erde und eine zusätzliche Verpflegung, bestehend aus etwas Brei, Butter, Zwiebeln, Tomaten und Tee, Medikamente erhielten wir keine. Trotzdem besserten sich die Lähmungserscheinungen. Die äußeren sichtbaren Merkmale des Skorbuts verschwanden allmählich, und das „normale" Gefängnisleben konnte von neuem beginnen; ein anfälliger, geschwächter Organismus blieb ein Leben lang zurück.
Ganz so schlimm war die gesundheitliche Betreuung in den Lagerjahren nicht. Da galt der Strafgefangene immerhin als Arbeiter, wenn auch als verfemter, aussätziger. Als Arbeiter hatte er auch Anspruch auf ärztliche Untersuchung, Krankenhausbehandlung und Heilung, aber immer nur soweit, als das Regime dies zuließ. Der Lagerarzt war Gefangener. Er hatte genaue Vorschriften, und seine Hilfe konnte über die ihm gesetzten Grenzen nicht hinausgehen. Trotz allem haben Ärzte mit Mensche-’ nntnis und Herzensbildung viel Leid zu mildern versucht. Die Medikamente waren beschränkt und die guten nur für Auserwählte da.
Leiter der Gesundheitsabteilung des Lagers war größtenteils ein Freier. Seine fachliche Ausbildung blieb weit hinter der der meisten Lagerärzte zurück, trotzdem bestimmte er über Krankenhaus-Aufnahme und -Ausschreibung. Bei den jährlichen Gesundheitskommissionen, welche die Arbeitskategorien der Gefangenen neu festsetzen, hatte er immer das entscheidende Wort mitzureden.
Besondere klimatische Belastungen
Genau so, wie die Zugeständnisse für Verpflegung, Kleidung und Unterkunft des Gefangenen nie die unterste Grenze des eben zum Vegetieren Notwendigen überschritten, ging auch die gesundheitliche Betreuung nie über dieses Minimum hinaus. Nur, wer die erforderlichen 37, 5 Grad Temperatur erreichte, konnte in der Ambulanz vom diensttuenden Arzt von der Arbeit befreit werden. Bei den besonderen Luftdruck-und Witterungsverhältnissen des Nordens und deren Einwirkungen auf die Herztätigkeit war es leider so, daß eine erhöhte Temperatur viel langsamer in Erscheinung trat als anderswo. Wer weder die verlangte Temperatur noch ein äußerlich sichtbares Krankheitsmerkmal aufwies, konnte ohne ärztliche Hilfe einem langsamen Tode entgegengehen. Den typischen durch die Polarzone bedingten Leiden -vor allem der Hypertonie, erhöhtem Blutdruck— schenkte man vor 1950 überhaupt keine Beachtung. Ein Blutdruck-Meßgerät wurde vorher nicht verwendet. Daraus entstand unendliches Leid für viele.
Es war etwa so: In die sommerliche Tundra wird eine Arbeitsbrigade getrieben. Es sollen Rasenplatten für die Grünanlagen innerhalb des Lagers ausgestochen werden, eine der leichtesten Arbeiten, sie wird zusätzlich nach allgemeinem Arbeitsschluß durchgeführt. Ich komme kaum nach, auf dem Heimweg bleibe ich einfach liegen. Ins Lager geschleppt, erhalte ich in der Ambulanz ein Herztränklein, einen „Walerjana". Aus Sommer wird Winter. Die Brigade hat morgens und abends zum und vom Arbeitsplatz eine Stunde Weg. In den Vorratserdhütten müssen Öfen geheizt, Kartoffeln sortiert und geladen werden. Nachmittags kommt eine schlimme Purga auf, auf dem Heimweg reißen mich die Weggefährtinnen aus den Schneewehen hoch, treibt mich der Posten mit Kolben-schlägen vorwärts. Abends in der Ambulanz. Der untersuchende Arzt ist ein russischer Professor, er soll einst als Internist in Moskau eine Kapazität gewesen sein. Nach einfachem Beklopfen und Abhorchen mit dem Hörrohr sagt er: Finden kann ich nichts. Ihr Herz ist vollkommen in Ordnung. Sie wollen bloß nicht arbeiten. —
So geht es dann noch einige Jahre. Schließlich ereignet sich folgendes. An einem glutheißen Julitage sollen Bretter abgeladen und den Hügel hinauf zu einem Bau geschleppt werden. Ab und auf, ab und auf. Um meinen Kopf liegt es wie ein schwerer eiserner Ring, und plötzlich habe ich anscheinend überhaupt keinen Kopf mehr. Was weiter geschah, ist mir nicht bewußt. Ich soll he Arbeit dem Brigadier, dem Posten, dem Desjatnik — „Aufseher" — gegenüber verweigert haben. Schließlich wurde ich ins Lager vor den Lagerleiter geschleppt. In einem klareren Augenblick höre ich diesen sagen: „Fünf Tage Karzer“ und mich antworten: „Danke!“ Aus dem Karzer werde ich in die Ambulanz gebracht. Dort is‘ erstmalig ein Meßapparat da, der stellt Blutdruck 220 fest, und ich werde anschließend ins Krankenhaus eingeliefert. Doch es genügt, wenn solche Erinnerungen die noch Überlebenden sowjetischer Straflager manchmal wie ein Alptraum bedrücken. Schildern wir nun das Gesundheitswesen im Workuta von heute: Wir gehen durch die Straßen und forschen in den Gesichtern der vorübergehenden Menschen, Da sind die vitalen gesunden Typen, voll Lebenskraft und Energie, wie sie auch sonst in der UdSSR zu sehen sind. Diese Menschen kamen als Freie erst nach 1950 in die Polarzone, fahren jährlich für zwei Monate zur Erholung in den Süden, entrinnen zwischendurch noch auf verschiedenen Dienstreisen den Witterungsunbilden des Nordens, haben beste Verpflegung und zusätzliche Vitaminpräparate, wenn letztere als Mangelware nur einem beschränkten Kreise zur Verfügung stehen.
Ein aufmerksamer Beobachter erkennt auch einen zweiten Typ. Es sind die noch gesund aussehenden und auch noch arbeitsfähigen Menschen, ihre Bewegungen sind aber etwas zu gewollt energisch, ihr Gang etwas zu übertrieben forsch, ihr Blick irgendwie gehetzt, ihr Äußeres etwas zu schwammig oder abgemagert. Es sind die Amnestierten und Rehabilitierten der Lager, die nun ihren Urlaub ebenfalls in besseren Klimaten verbringen können, deren Gesundheit aber nie mehr gutzumachende Schäden davongetragen hat. Die dritte Gruppe ist bemitleidenswert. Aus fahlem pergamentähnlichem Gesicht sehen glanzlose Augen, spricht stumpfe Hoffnungslosigkeit, der ganze Mensch schleppt sich sichtlich mit letztem Kraftaufwand vorwärts. Es sind die aus dem Lagergewahrsam Entlassenen, die jedoch innerhalb des Kreises Workuta im Zwangsaufenthalte weiter siedeln müssen und denen seit vielen Jahren Sonne und Wärme fehlen. Alle diese Menschen gehören noch zu den Arbeitenden. Die anerkannt Kranken liegen zu Hause oder in den Krankenhäusern, und die vielen Alten und Gebrechlichen wagen sich nur an den wenigen windstillen Tagen heraus; von den ungezählten Invaliden und Krüppeln entschließt sich auch nicht ein kleiner Teil zum Almosen-Bittgang auf die Straße.
Aufbau des Gesundheitswesens
Die ärztliche Betreuung wird als prophylaktische, als ambulante und als Krankenhausbehandlung durchgeführt.
Die prophylaktische Behandlung kommt vor allem Müttern, Kindern und Arbeitern in Form von billigen oder ganz unentgeltlichen Erholungsaufenthalten in südlicheren Gegenden zugute. Mütter werden in der Zeit der Schwangerschaft und nach der Geburt des Kindes betreut. Die Entbindung erfolgt unentgeltlich in der staatlichen Klinik. Abtreibungen sind gesetzlich erlaubt und werden ebenfalls dort durchgeführt. Die Kinderambulanz betreut Säuglinge und Kleinkinder; Kinderschwestern überprüfen laufend den Gesundheitszustand, machen Hausbesuche und Impfungen.
Für den Arbeiter sind auch innerhalb des Kreises Workuta Erholungsheime eingerichtet, in denen er eine mehrwöchige kostenlose Unterkunft, gute Verpflegung und auch politische Schulung erhält. Einen vierwöchigen Sanatoriumsaufenthalt in südlicheren Gegenden — ausschließlich Reisegeld — kann er für 300, -bis 1600, — Rubel haben. Für den letzteren Preis gibt es Unterkunft in nach neuzeitlichen Anforderungen eingerichteten großen Sanatorien auf der Krim und an der kaukasischen Schwarzmeerküste. Der Gepflogenheit vieler Beamten, diese ermäßigten Erholungsplätze auch für sich in Anspruch zu nehmen, werden in jüngster Zeit die berechtigten Forderungen der Schwerarbeiter entgegengestellt und letztere zuerst berücksichtigt.
Die ambulante Behandlung führen die Polikliniken durch. Jede Siedlung hat ihre Poliklinik, jedes Bergwerk und jede Fabrik ihren „Medizinischen Punkt".
Die Hauptpoliklinik der Stadt Workuta ist in einem zweistöckigen Gebäude in der Komsomolzkaja in rund 50 Räumen untergebracht, dazu gehören noch eine Haut-, Tuberkulosen-und Röntgenabteilung sowie eine Heilstätte für Bestrahlungen, Bäder und Massagen. Um in dringlichen Fällen eine schnellere Behandlung und Einweisung in das Krankenhaus zu ermöglichen, schiebt sich als Verbindung zwischen Patient und Poliklinik die sogenannte „Schnelle Hilfe“ ein, in der mittleres medizinisches Personal, Feldscher und Krankenschwestern, arbeitet. Die ambulante Behandlung ist unentgeltlich für Medikamente muß ein geringes Entgelt gezahlt werden.
Die „Krankenstadt“ wird das mehrere Gebäude umfassende Krankenhau« der Stadt Workuta genannt. In etwa 100 Räumen können rund 500 Patienten ausgenommen werden. Der Aufenthalt muß zum Teil bezahlt werden; es gibt drei verschiedene Preisklassen. Außerhalb der Krankenstadt liegen das Kinder-und das Tuberkulosenkrankenhaus sowie eine Abteilung für Infektionskrankheiten. In einigen der Siedlungen bestehen kleinere Krankenhäuser. Der Ruf der Workutaer Krankenhäuser ist im allgemeinen nicht besonders gut; man entschließt sich schwer, einer Einweisung zuzustimmen. Die Verpflegung ist mangelhaft, das untere Pflegepersonal ungeschult, die Zahl der Ärzte ungenügend.
Seit drei Jahren etwa kann von einer Besserung in der ärztlichen Betreuung gesprochen werden. Trotzdem fehlen auch heute noch 40 bis 50 Ärzte in Workuta. Die Ärzte sind hauptsächlich weiblichen Geschlechtes, das mittlere Lebensalter ist kaum unter ihnen vertreten. Es sind entweder ganz Alte, die noch in Lagern gesessen haben, teilweise eine gute fachliche Ausbildung, den Professorentitel und viel praktische Erfahrung erworben haben. Die ganz jungen Ärzte kommen direkt von den Instituten, ohne Praxis und unsicher in der Menschenbehandlung. Beim Grassieren von Grippeepidemien z. B. ist der Mangel an Ärzten so spürbar, daß Krankenschwestern zu Hausbesuchen eingesetzt werden müssen, was merkliche Unzufriedenheit erregt.
Der Arzt ist Staatsbeamter, er beginnt mit rund 800, — Rubel Monatsgehalt. Durch freiwilligen Inspektionsdienst und Überstunden kann er dieses auf das Doppelte steigern. Die Sprechstundenzeit eines Arztes beträgt in den Ambulanzen täglich drei und eine halbe Stunde, daran schließen sich die Hausbesuche an, die er in dem ihm zugewiesenen Rayon durchführen muß. Der Rayonarzt führt die Überweisungen an die Fachärzte für Nerven, Augen, Ohren, Halz, die Gynäkologen, an die sehr guten Spezialisten für Herz, Lunge und den Stomatolo+ gen für Zahnerkrankungen durch.
Ein Tag in der Ambulanz
Besuchen wir nun die Hauptambulanz an einem Wochentage: Morgens um sechs Uhr eilen, soweit sie nicht zum Humpeln verdammt sind, vermummte Gestalten durch die winterliche Kälte und Nacht zum ehemaligen Bergtechnikum, in dem sich die Hauptambulanz befindet. Eben erst haben die Aufräumerinnen ihr Werk vollendet, und schon füllt sich der Vorraum zum Bersten. Anderthalb Stunden „sitzt“ man Reihe bis zur Eröffnung der Registratur. Dort wird nur nach Vorweisen des Personalausweises eine Nummer für den behandelnden Arzt erteilt. Die Reinheit dieses Personalausweises entscheidet über die Behandlungseinstufung seines Besitzers und die Zuteilung der Medikamente. Bei der Nummernausgabe für den Zahnarzt kommt es zu den gewohnten Streitigkeiten, denn hier ist der Andrang am größten. Noch warten viele vor den Schaltern, da wird die Nummernausgabe geschlossen und alle auf den morgigen Tag vertröstet.
Meine Rayonärztin amtiert heute erst nachmittags. Da ich kein Arbeitsbuch besitze, — meinem Alter und meinem Gesundheitszustand nach bin ich nicht mehr arbeitsverpflichtet und Invalide, erhalte aber weder Rente noch sonstige Unterstützung und muß arbeiten und verdienen, um leben zu können —, trägt meine Nummer keine Zeitangabe. Es heißt also, sich auf vier Stunden Warten einstellen und sich zwischendurch auf gut Glück irgendwo einzuschieben.
Die Rayonärztin ist noch sehr jung, sie mag theoretisch manches wissen, aber die Menschen-behandlung ist nicht ihre Stärke, auch ist sie nicht robust genug, um dem Sturm auf die Türe standzuhalten. Zuerst geht es noch leidlich, man sitzt und wartet und spricht über seine Leiden.
Einige außerhalb der Reihe vorgenommenen Behandlungen nimmt man stillschweigend in Kauf. Man weiß, daß Kommunisten vorzugsweise bedacht werden, daß sie den ärztlichen Nachweis über die Erkrankung auch erst nach Tagen erbringen können, daß sie von Medika-mentenverknappung am wenigsten betroffen werden, daß sie für sich und ihre Familien billige Aufenthaltsorte in Sanatorien des Südens zugewiesen erhalten.
Einer unter den Wartenden ist an Händen und Beinen von einem streunenden Hunde verletzt worden. Der Hund entwich unbekannten Zieles, man befürchtet Tobsucht. Vielleicht aber war es auch nur eines von jenen unglücklichen herrenlosen Tieren, wie sie in Workuta zu Hunderten herumlaufen, von den auf sie Jagd machenden Polizeiorganen statt tot-nur angeschossen werden und dann irgendwo unbeachtet und unbetreut unter Qualen verenden. Einige sitzen mit hochroten Köpfen, seltsam starren Augen und dem Ausdruck Schwerhöriger, es sind die Hypertonisten mit dem hohen Blutdruck. Andere tragen den Arm in der Binde, es sind Arbeitsunfälle. Verkehrsunfälle gibt es ganz selten, und wenn es dazu kommt, wird der Tote auf einsamer Straße gefunden, der Schuldige aber hat Fahrerflucht begangen. Häufiger kommen Erfrierungen vor und Verletzungen bei Streitigkeiten von Trunksüchtigen. Drüben bei den Spezialisten warten viele mit Mittelohrentzündungen, Augen-und Halserkrankungen. Heiserkeit ist namentlich im Winter weitverbreitet. Nur Neuankömmlinge jammern noch über den sogenannten „Lappenkoller“, die typische Schlafsucht in der Polarnacht und die nervöse Schlaflosigkeit im Sommer zur Zeit der Mitternachtssonne. Ein „alter Workutjaner“ nimmt dies hin als etwas Altgewohntes, er stöhnt mehr unter „Avitaminose“, Herz-, Magen-und Leberleiden.
Bei Schichtschluß um vier Uhr drängen dann die Arbeiter heran, nun herrscht auch hier der stärkere Ellbogen. Im Zimmer der Ärztin sitzen zu gleicher Zeit drei und vier Patienten. Mit hochrotem Kopf und nervös fliegenden Händen kommt sie zu keiner ruhigen, genauen Untersuchung mehr. Das Abhorchen hat ohnehin keinen Zweck, vom Korridor ertönt Lärm, dort klammert der Nächste sich schon an den Türgriff, weil ihm der Nachfolgende zuvorkommen will. Was kann dann auch anderes von einer unter solchen Bedingungen arbeitenden Ärztin verlangt werden, als das Ausschreiben eines Krankenscheines oder die Mitteilung über Laboratoriumsergebnisse?
Wieviele dadurch bedingte Unterlassungen und Ungenauigkeiten rächen sich bitter an den Patienten. Da klagt einer über ständige hartnäckige Verstopfung. Eine auf gründlicher Untersuchung fußende Diagnose hätte ein beginnendes Gallen-oder Leberleiden vielleicht eindämmen können, so erhält der Patient nur ein starkes Abführmittel, und sein Zustand wird langsam chronisch.
Fine ältere Frau wird seit einigen Wochen durch ein Geschwür an der Augenbraue beunruhigt. Wohl ist sie durch manche Gefährdung der Lager gegangen, hat sich aber vor Geschlechtskrankheiten bewahrt und nun schon seit Jahren ein enthaltsames Leben geführt. Die Ärztin betrachtet das Geschwür, die assistierende Schwester flüstert ihr etwas von „Syphilis" zu, die Ärztin ist nicht sehr überzeugt, doch die Schwester läßt nicht locker, und schließlich schreibt die Ärztin der Frau eine Anweisung zum Besuch der Abteilung für Haut-und Geschlechtskrankheiten. Mich interessiert der Fall, und ich lasse mir später darüber berichten. Eine harmlose kleine Verletzung war infiziert worden und hatte sich, auch mitbedingt durch die große Kälte, rasch entzündet. Ein grünes antiseptisches Wasser, eine 20 %ige Penicillinsalbe und ein sauberer Verband brachten in zwei Wochen die gewünschte Heilung. Die Frau erinnerte sich dann nachträglich, daß ihr beim Schüren des Ofens ein Funken in die Augenbraue gelangt war.
Überforderung der Ärzte
Im Jahre 1959 hätten erste Fälle von infektiöser Gelbsucht, hervorgerufen durch schlechtes Trinkwasser, bei geringerer Überforderung der Ärzte schneller eingedämmt werden können. Es entwickelte sich aber eine regelrechte Epidemie, zu deren Bekämpfung eine Moskauer Ärztekommission herbeigerufen werden mußte.
Nach Beendigung der Sprechstunde schließen sich für den Arzt nach kurzer Ruhezeit die Hausbesuche an. Autos stehen nur den in der Abteilung „Schnelle Hilfe“ Beschäftigten zur Verfügung, alle anderen müssen zu Fuß durch kniehohen Schnee oder Morast stampfen. Besonders überfordert sind die Kinderärztinnen, sie beenden oft das tägliche Pensum ihrer Hausbesuche am späten Abend.
Verläßt der Patient die Sprechstunde, sucht er die Apotheke auf. Auf dem Wege dahin erinnere ich mich an eine Anekdote, die ich neulich in der in Moskau erscheinenden satirischen Zeitschrift „Krokodil" gelesen habe. Ein Grippekranker erhält vom Arzt drei Tage arbeitsfrei und ein Rezept. Das Medikament aber liefert die Apotheke nur am vierten Tage, als er schon wieder zur Arbeit gehen muß. In der Workutaer Apotheke gibt es ähnliche Fälle. Periodisch fehlen dort Arzneien auch für längere Zeit. Doch bei mir haben Avitaminose und Erschöpfungserscheinungen wieder einmal einen sehr hohen Grad erreicht, ich erhalte die „Glykose“ — (Traubenzucker) und die „Vitamin-B 2“ -Ampullen. Nun zurück in die Poliklinik, in das „Prozedurenkabinett.“
Auf den Bänken im Korridor sitzen etwa 12 Kranke. Auch bei schnellster Abfertigung bedeutet das eine und eine halbe Stunde Wartezeit. Die hier tätigen Krankenschwestern arbeiten sehr unterschiedlich. Manche finden mit leichter Hand trotz der üblichen sehr stumpfen Nadeln und der ständigen Überforderung die Vene schnell und schmerzlos, bei anderen verwandelt sich die Spritze in ein richtiges Marterinstrument. Bei mir veranlassen die ersten Glykose-Spritzen in die Vene tiefe Ohnmachtsanfälle und die stumpfen Nadeln blutunterlaufene schmerzende Stellen. Seit Winter 1958/59 erhielt ich aus der Bundesrepublik Medikamenten-sendungen, es waren hauptsächlich Vitamin-und Lezithinpräparate. Die schmerzhaften Spritzen erübrigten sich nun und besonders die Multibiotica halfen mir sehr gut. Diese Art von Vitaminen war in den Workutaer Apotheken im freien Verkauf damals nicht erhältlich; ihre saubere, sehr zweckmäßige und schöne Verpackung wurde, allgemein bewundert, ihre gute Wirkung anerkannt. Unter den jüngeren Ärztinnen und Krankenschwestern konnte ich aber auch eine richtig feindliche Haltung gegenüber diesen Medikamenten aus der Bundesrepublik feststellen. Sie entsprang ihrer Gesamthaltung und Anschauung, daß nur Fabrikate der Sowjetunion gut seien, alles andere aber zweitrangig, minderwertig sei.
Die zahnärztliche Betreuung ist ein besonders schwieriges Kapitel. Der Volksmund sagt, daß ein jedes Jahr, im Norden zugebracht, mindestens den Verlust eines Zahnes mit sich bringe. Ganz früh schon treten bei den in der Polarzone geborenen und wohnenden Kindern Zahnschäden auf. Oft sind bei Acht-bis Zehnjährigen bleibende Zähne nicht mehr zu retten und müssen gezogen werden. Die häufigsten Kindertränen haben Zahnschmerzen zur Ursache. Wurzelentzündungen rufen besonders im Winter während der tagelang dauernden Schneestürme gefährliche Geschwülste hervor, und nur das rasche operative Eingreifen durch den Stomatologen rettet manchen sonst dem Tode verfallenen Menschen. Jugendliche haben den Mund voller Plomben, Kronen und Zahnprothesen. Es ist selbstverständlich, daß gerade hier der Ärztemangel schwer ins Gewicht fällt.
Zahnziehen und Plombieren werden in der Klinik unentgeltlich durchgeführt, ebenso unentgeltlich ist die vorher notwendige Röntgenaufnahme oder die anschließende Heilbehandlung. Alle Laborarbeiten (Kronen, Brücken, Prothesen) erledigt eine Sonderabteilung gegen ein mäßiges Honorar. Oft wird die Fertigstellung sehr verzögert, weil Material nicht in ausreichendem Maße vorhanden ist. Natürlich kommt nur das einfachste zur Verwendung, die teuren Edelmetalle muß der Patient selbst und auf eigene Rechnung besorgen; fraglich bleibt nur, ob ihm dies gelingt, denn Gold ist rar, trotzdem es in Jakutien und an der Kolyma reichlich vorhanden sein soll.
Die behandelnden Zahnärzte geben sich je nach Fachwissen und Temperament unterschiedliche Mühe, dem Patienten zu helfen. Manche Schmerzen können sie nicht verhindern, da größtenteils noch mit primitiven Instrumenten und Maschinen gearbeitet wird. Gewöhnliche Kautschukprothesen haben eine Dauer von 2— 3 Jahren.
Kurz die Geschichte einer Workutaer Zahn-behandlung. In 10 Gefängnis-und Lagerjahren ist außer dem Ziehen schon ganz vereiterter Zähne und Wurzeln keine Zahnbehandlung erfolgt. Das erste im Zwangsaufenthalte verdiente Geld wird für Zahnprothesen bestimmt. Drei Monatslöhne zu je 150, — Rubel, rund 50 Besuche und etwa 200 Warte-und Gehstunden sind erforderlich. Die erstbehandelnde Ärztin ist eine Kaukasierin, zwangsverbannt, sie stirbt plötzlich an einem Herzinfakt. Ihr Nachfolger ist ein junger Arzt, der das zahnärztliche Institut in Omsk absolviert hat und zum dreijährigen Arbeitseinsatz in Workuta verpflichtet wurde. Er denkt mit Sehnsucht an seine sibirische Heimat und liebt das internationalisierte Workuta nicht. Sein Fachwissen ist größer als das der schon älteren kaukasischen Ärztin gewesen war, seine praktischen Kenntnisse geringer; sichtlich hörbar atmet er auf, wenn endlich, nach verschiedenen mißglückten Versuchen, aus der Gips-masse ein brauchbarer Modellabzug entstanden ist. Genau nach zweieinhalb Jahren geht dann die Prothese in Stücke.
Früher mähte der Tod die Menschen in Workuta. Im Krankenhause eines verhältnismäßig kleinen Lagers (mit 1500 Menschen) gab es täglich ein bis zwei Tote. Heute stirbt man nicht so schnell. Man schuftet und geht zur „Heilung". Die Sterbeziffern sind viel niedriger ge. worden. Infektionskrankheiten hat es in der Polarzone auch schon früher weniger gegeben als in südlicheren Gegenden. Die Mangelkrankheiten sind jetzt, bedingt durch bessere Verpflegung, sommerlichen Urlaub und bessere ärztliche Behandlung, geringer, die typischen Polarkrankheiten werden gründlicher behandelt, viele der gesundheitlich abgewirtschafteten Alten und Invaliden ziehen ab und sterben anderswo. Der ärztlichen Betreuung von heute sind weitere Grenzen gesetzt als einst, auch in Workuta.
7. Das Schulwesen unter der Devise „lernen, lernen, lernen!
AIs im August 1959 Workuta sein 25jähriges Bestehen feierte, gedachte man in verschiedenen Ansprachen auch der Schule Nr. 1, die als erste errichtet worden war.
Etwa 50 Kinder hatten sich damals in einem ebenerdigen schiefen Holzhäuschen versammelt, das in der Nähe des Kapitalnaja-Schachtes des Bergwerkes Nr. 1 lag. Zwei Lehrkräfte führten sie bis zum Abschluß der siebenten Klasse.
Heute ist die Schule Nr. 1 eine vollausgebaute Mittelschule mit 11 Klassen. Dreißig Lehrkräfte unterrichten in mehreren Parallel-zügen rund tausend Schüler. Das zweistöckige Ziegelgebäude mit breitem Mitteltrakt und zwei langgestreckten Seitenflügeln, jährlich mit neuem Verputz und leuchtendem Anstrich versehen, liegt an der Puschkinstraße, gegenüber den im Sommer gut gepflegten Rasenflächen, bunten Teppichbeeten und Eisbärenspringbrunnen des Kirow-Gartens. Über breite Korridore gelangt man in große helle mit Linoleum belegte und mit neuen Schulmöbeln ausgestattete Klassenräume. An den hohen Fenstern blühen bunte Topfblumen. Eine ferngesteuerte Zentralheizung schafft auch bei eisiger Winterkälte eine noch erträgliche Temperatur.
Neben dem Typ der sowjetischen vollausgebauten Mittelschule mit 10 beziehungsweise 11 Klassen, besteht der nicht vollausgebaute mit 7 Klassen. Früher, als noch großer Mangel an einigermaßen geschulten Arbeitskräften herrschte, wurden auch die Absolventen der siebenten Klassen in verschiedene mittlere Fach-schulen (Techniken) ausgenommen, um nach dreijährigem Besuch derselben in den Arbeitsprozeß eingegliedert zu werden. Heute geschieht das nicht mehr.
In der, mit den eingemeindeten Siedlungen, rund 300 000 Einwohner zählenden Großstadt Workuta gibt es einige dreißig Schulen, davon etwa ein Viertel vollausgebaute Mittelschulen. In den kleineren Siedlungen wird nur im Vierklassenzug unterrichtet. Im Stadtzentrum befinden sich fünf, davon drei vollausgebaute Mittelschulen.
Die große Bedeutung, die das Sowjetregime der Schulerziehung beimißt, kommt schon in der äußeren Aufmachung der Schulgebäude zum Ausdrude. Sind Staatsgeschäfte noch größtenteils in alten, äußerlich fast baufälligen Baracken untergebracht, beherbergen teils ziemlich unzulängliche Gebäude Verwaltungsstellen von Staat und Sowjetarmee, so machen die zwei-bis dreistockhohen Schulgebäude einen guten Eindruck. Da mit einer jährlichen Durchschnitts-zahl von fast 20 000 Schülern gerechnet werden muß (die Anzahl der Klassenräume einer voll-ausgebauten Mittelschule unter 20, einer nicht vollausgebauten unter 10 liegt), läuft der Unterricht in den meisten Schulen in mehreren Schichten. Die erste von den vier täglichen Schichten der Schule Nr. 1 beginnt morgens acht Uhr und die vierte endet abends 21 Uhr. Das bedeutet, daß Siebenjährige in nachtdunklen Morgenstunden zur Schule eilen und Neun-bis Zehnjährige in späten Abendstunden ihr Schulwerk beschließen. In allen Schulen werden Jungen und Mädchen gemeinsam erfaßt. Die schmucken braunen Schulkleider der Mädchen mit den weißen Fest-und den schwarzen Alltagsschürzen, die grauen, betont uniformierten Anzüge der Jungen sind der Stolz der Schulneulinge. Sie bringen in das Klassenbild eine bestimmte Gepflegtheit und Sauberkeit, di sonst bei den aus unterschiedlichem und teils fast unvorstellbar primitivem häuslichem Milieu kommenden Kindern nicht möglich wäre.
Kein Lehrermangel
In Workuta arbeiten einige Hundert Lehrer, fast ausschließlich weiblichen Geschlechts. Ein Lehrermangel ist nicht spürbar. Die durch die Polarzone bedingten Mehranforderungen an Leistungskraft und Gesundheit werden durch geldliche Zulagen, höhere Pensionssätze und kürzere Dienstzeit ausgeglichen. Nach einer Grundausbildung an einem Pädagogischen Institut ist der Lehrer zum Unterricht in den vier untersten Klassen berechtigt. Er übernimmt jeweils eine erste und führt sie bis zum Abschluß der vierten Klasse. Die ab fünftem Schuljahr unterrichtenden Lehrkräfte werden in zusätzlicher Ausbildung für den dort nach Fächern spezialisierten Unterricht vorbereitet.
Schulbücher, Hefte und Schreibmaterialien erhält der Schüler gegen ein geringes Entgelt aus der Schule. Doch übernehmen in den letzten Jahren immer mehr die Buchhandlungen den direkten Verkauf, weil die Verkaufsstellen der Schulen den Anforderungen nicht nachkommen. Die Schulbücher sind gewöhnlich nach ein bis zwei Jahren schon überholt und müssen durch Neuauflagen ersetzt werden.
Größtes Gewicht wird auf den Unterricht in russischer Sprache und Mathematik gelegt. Nur in diesen Fächern gilt auch der Unterricht in Workuta als wirklich gut. Im russischen Sprachunterricht und in der Literatur wird bewußt eine Erziehung zum Sowjetnationalismus russischer Prägung getrieben. In der Grammatik der russischen Sprache liegen für kleine und große Sowjetbürger manche schwer zu umschiffende Klippen. In der Mathematik bereiten schon auf der Unterstufe schwierigste Textaufgaben den Schülern viel Kopfzerbrechen. Manchmal gewinnt man den Eindruck, daß vieles auch dem unterrichtenden Lehrer unklar ist. Mit Algebra, Erdkunde und Geschichte beginnt man im dritten Schuljahre; im vierten folgen Geometrie und Naturkunde. Auf dieser Stufe lernen die Schüler fast nur schablonenhaft auswendig« da sie für den an sie herangetragenen Wissens-stoff noch nicht reif sind.
Für Erdkunde bringen die aus verschiedenen Teilen dieses großen Landes stammenden Kinder eigene Anschauungen mit, folgen dem Unterricht lebendig und haben viel Interesse. Geschichte gehört, auch nach Aussagen der Lehren zu den „kranken Fächern"; sie kann die Kinder, auch wenn ein guter Lehrer unterrichtet in ihrer doktrinären Art nicht begeistern. Die größeren werden durch die fast von Jahr zu Jahr in entscheidenden Fragen sich ändernde Geschichtsbetrachtung unsicher. An Abendschulen kam es sogar vor, daß Geschichtslehrerinnen ihr Fach nicht weiter vortragen wollten, weil sie sich den Fragen ihrer Schüler, die früher in Lagern gewesen waren und nun Vergleiche zwischen den vorgetragenen Lehrsätzen und ihren praktischen Erfahrungen stellten, nicht gewachsen fühlten und diese nicht beantworten konnten.
Deutscher Sprachunterricht
Vom fünften Schuljahre an wird verpflichtend Fremdsprachenunterricht getrieben. Die einzelnen Mittelschulen erhalten etwa in dem Verhältnis 2: 1 den englischen oder deutschen Sprachkurs zugewiesen. Die Eltern der heutigen Schüler haben in der Schule noch größtenteils deutsch gelernt. Sie erinnern sich an deutsche Kinderlieder und -verse, lesen und verstehen auch manches, sind aber in der deutschen Konversation aus Mangel an Übung gehemmt. Die Kinder wählen heute lieber Englisch. In einer mir bekannten Familie, in der der Vater Pole und die Mutter Sowjetdeutsche waren, besuchte die Tochter den englischen Sprachkurs, während der Sohn die Muttersprache seiner Mutter als Fremdsprache in der Schule lernte. Im allgemeinen sind Sowjetmenschen sehr sprachbegabt, vor allem die Russen erlernen Fremdsprachen mit Leichtigkeit und bringen es auch schnell zu einer guten Aussprache. Die Schule Nr. 1 in Workuta-Stadt und die Schule Nr. 28 in der Gornjazkijer Siedlung, beide mit deutschem Sprachkurs, veranstalten jährlich zum Schulschluß eine Schüleraufführung mit deutschem Programm. Neben der deutschen Ansprache eines Schülers bringt sie einige deutsche Lieder, kleinere Vorlesungen aus den Klassikern, dazu gehört vor allem Heine, mit Abstand auch Goethe und Schiller, und verschiedene Deklamationen.
In der Nähe der Gornjazkijer Siedlung liegt ein deutsches Dorf. Es sind deutsche Sowjetbürger, die in den dreißiger und vierziger Jahren »strafweise" aus ihren früheren Wohngebieten ausgesiedelt worden sind. Ihre Kinder besuchen die Schulen mit russischer Unterrichtssprache, einige von ihnen die vollausgebaute Mittel-schule mit deutschem Sprachkurs. Letzteren erteilen Sowjetbürger verschiedener Nationalität, manche haben sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache.
Zur Verlebendigung des deutschen Sprachunterrichtes liegen in den Mittelschulen verschiedene deutsche Bildzeitschriften aus Ostberlin auf, so „Zeit im Bild", „Neue Berliner Illustriete u. a. Aus den Schulabteilungen der Büchereien können deutsche Bücher entliehen, in einer der drei Buchhandlungen von Workuta-Stadt auch gekauft werden. Es sind dies außer Werken deutscher Klassiker Lebensbeschreibungen, Fachliteratur und Werke des Sowjetkommunismus (ins Deutsche übersetzt), teils in Moskau, teils in der Ostzone gedruckt.
Seit zwei Jahren wird auch in Workuta viel vom polytechnischen Unterricht gesprochen. Praktisch ist er aus Mangel an Werkstätten und Fachkräften nicht überall eingeführt. Die Schule Nr. 5 in Workuta-Stadt (mit englischem Sprachkurs) hatte als ersten den Forderungen dieses Unterrichtes entsprochen und schon 195 8/59 vollausgebaute Schreinereien und Schlossereien eröffnet.
Die Lehrer sind mehr Unterrichtende als Erzieher. Sie suchen nicht nah der besten Methode, um den Lehrstoff anschaulich und verständlich an die Schüler heranzubringen, sie tragen vor, sowohl den Wissensstoff als auch die vorgeschriebenen ideologischen Unterweisungen; beides muß gelernt werden. Jede kleinste Antwort wird mit einer Note belobt oder bestraft.
Diese ausgesprochene Lernschule stellt schon an den Schulneuling hohe Anforderungen. Man sieht es darum recht gerne, wenn dieser bei seinem Eintritt in die Schule Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen mitbringt. Auf Hausaufgaben wird größtes Gewicht gelegt. Für sie benötigt ein Schüler der 1. — 4. Klasse täglich zwei bis vier Stunden. Gewissenhafte Shüler der höheren Klassen, die zu einem Weiter-studium unbedingt gute Noten aufweisen müssen, beenden ihre Hausaufgaben erst in den späten Nahtstunden. Sehr viele Shüler sind niht imstande, ihre Hausaufgaben zu Hause allein zu lösen; die wenigsten Eltern können ihnen dabei helfen. Wer es sih geldlih leisten kann, bezahlt Nahhilfestunden. Immer lauter wird der Ruf nah Hausaufgabenzimmern, wo die Shüler unter fahlicher Leitung nah Shulshluß arbeiten und so das Elternhaus entlasten. Wenn bei einer Kälte von Minus 36 Grad oder. beim Toben der Shneestürme offiziell shulfrei ist, unterrihten die Lehrer für freiwillig zur Shule Kommende weiter, damit nur ja das Klassenziel erreiht werde.
Eine Hälfte des Tages ist zwar shulfrei, doh wird sie vom polytehnishen Unterricht, von Sport-und Musikstunden belegt. Den Sportunterricht erteilen junge Fahkräfte, Absolventen eines Sporttehnikums, meistens weiblihe. Schulturnsäle fehlen noh. Der neugebaute Sportsaal, obwohl er der größte und schönste in der ganzen Komi-Republik ist, kann den Anforderungen, die Jugend und Shule an ihn stellen, niht genügen. Im Winter wird viel Ski-sport getrieben. Fast jeder Shüler besitzt ein Paar Ski, die er jetzt im Sportgeshäft billig erstehen kann.
Eine Musik-und Ballettschule gibt den musik-und tanzbegabten Kindern die Möglihkeit, ihre Fähigkeiten weiter zu entwickeln. Vom vor-schulpflichtigen Kind bis zum Abiturienten sind hier alle Altersklassen vertreten. Chor-und So-logesang, Klavier, Geige und Ziehharmonika werden geübt. Das jährlihe Abshlußfest zeigt selbstsiheres Auftreten der ganz Kleinen und ein beahtlihes Können der Abgangsshüler, die unter anderem Mozart, Chopin und Tshaikowsky vorgetragen.
Auf die Verbindung der Shule mit dem Elternhaus wird großen Wert gelegt. Dies erfordert vom Lehrer viel Mehrarbeit. Er muß Hausbesuhe mähen, Elternabende, shulishe Feiern und Ausstellungen von Kinderarbeiten veranstalten.
Es wird angestrebt, durh täglihe Teilnahme von ein bis zwei Müttern an den Unterrihtsstunden das Interesse der Eltern und ihr Verständnis für die Erzieheraufgaben zu wecken. Praktish wirkt es sih aber gewöhnlih so aus, daß die Eltern der durh gute Noten ausgezeihneten Shüler hier in Ersheinung treten. Diese Eltern helfen auh bei den Shulbesherungen mit. Im Anshluß an die Schulfeiern anläßlih der Staatsfeiertage zum 7. November und zum 1. Mai erhält jeder Shüler eine Tüte mit Süßigkeiten, Keksen und Obst. Die Kosten dafür werden aus Spenden der Elternhäuser gedeckt. An die Eltern der shwererziehbaren Kinder kommt man kaum heran. Die physish und psychisch Verwahrlosten, die geistig Shwerfälligen mähen einen ziemlihen Prozentsatz der Shüler aus. Sie behindern niht nur den Unterrihtserfolg, sondern mähen auh die Fragen der Disziplin zu einem ungeiösten Problem, Mit Shulfragen befaßt sih die in Moskau ersheinende pädagogishe Zeitshrift „Shule und Familie", für deren Bezug von der Shule aus geworben wird. Auch Vorträge im Workutaer Rundfunk haben das gleihe Ziel.
Das Shuljahr beginnt am 1. September, wird von je zehn Ferientagen zu Neujahr und im Frühling unterbrohen und shließt Ende Mai mit Prüfungen der einzelnen Klassen ab. Die Shlußprüfungen der Abiturienten ziehen sih bis in den Juli hin. Besonders gute Absolventen erhalten vom Ministerium für Erziehung aus der Provinzhauptstadt Syktywkar Belobigungsurkunden. In den letzten Jahren mehrten sih Klagen, daß dabei Kinder aus dein Volke der Komi vorzugsweise bedaht würden. Von den rund 20 000 Shülern legen jährlih einige Hundert das Shlußexamen der vollausgebauten Mittelshule ab. Dies berehtigt zum Eintritt in mittlere (Tehniken) oder höhere Fahshulen (Institute). Für beide aber wird seit 1958/59 zuerst das Ableisten einer ein-bis zweijährigen Lehre gefordert. Nur Zeugnisnote Fünf, die beste, kann in Ausnahmefällen von dieser Lehre befreien.
Im Jahre 195 8 zählte die Shule Nr. 5 rund 20 Abgangsshüler. Der Hälfte von ihnen gelang es noh ohne vorherige Lehrzeit sofort nah abgelegtem Examen ein höheres Studium zu beginnen. Zur Aufnahmeprüfung in die gewählten Fahinstitute durfte das Abgangszeugnis nur die . Noten 4 und 5 aufweisen, doh kamen einige Protektionskinder auh mit der Note 3 an. Die Jungen wählten hauptsählih das Ingenieurstu+ dium, teils in Moskau, teils in Leningrad. Doh ist man von der Zentrale sehr um eine Dezentralisierung bemüht. So erhalten Workutaer Studenten fortan Plätze in Instituten in der Ukraine, im Ural und in Sibirien zugewiesen. Die Mädchen wählten in Leningrad Bücherei-wesen, in Perm Pharmazie, in Swerdlowsk Medizin und in Charkow Veterinärmedizin. Eine Sowjetdeutsche, die das Pädagogische Institut in Leningrad besuchen und sich zum Deutschunterricht an russischen Mittelschulen ausbilden wollte, wurde mangelnder Geschichtskenntnisse wegen zurückgestellt. Die übrigen Absolventen begannen die praktische Lehre, die Jungen in Kohlenbergwerken oder Maschinenfabriken, die Mädchen als Rechnerinnen in Büros, Helferinnen in Apotheken, Verkäuferinnen in Staatsgeschäften. Die Arbeit der Lernschule wird von den Jugendorganisationen unterstützt.
Die Sieben-bis Achtjährigen sind „Oktjaberskinder“ (Revolutionskinder). Die November-feiertage der Revolution fallen dem alten Kalender nach in den Oktober. Die Oktjaberskin-der sind eine Vorstufe der Pionierorganisation, in die die Neun-bis Fünfzehnjährigen ausgenommen werden. Von da ab sind sie Komsomolzen.
Die Leitung der Jugendorganisationen wird von Jugendlichen durchgeführt, von denen manche bei Erkrankung der Lehrkräfte sogar den Unterricht vertretungsweise übernehmen.
Die erste Forderung der Jugendorganisationen an ihre Mitglieder ist, ihre Arbeit in der Schule voll und ganz zu erfüllen. Nur ein ausgezeichneter oder ein guter Schüler wird unter großer Zeremonie aus den Oktjaberskindern in die Pionierorganisation überwiesen und erhält das rote Halstuch. Bei den Oktjaberskindern findet man noch aufrichtige Begeisterung, sie hängen an ihrem „Pionier woshata" (Führer), sie beteiligen sich alle an den gemeinsamen Spaziergängen, sie singen mit Ausdauer, wenn auch mit wenig Verständnis, die Lieder vom „großen Bruder", der als Komsomolze alle Meere durch-fährt, auf allen Straßen marschiert, Herr wird über Nacht und Sturm und über alle Welt.
Starrer Blick in die Zukunft
Wenn die Märchenwelt die Kinder des Westens mit dem „Es war einmal" in ferne Vergangenheit oder in überlebte Indianerromantik führt, wird der junge Pionier mit einem energischen „Es wird einmal" in die Zukunft verwiesen. Reportagen zeigen ihm die große Entwicklung nach Beendigung des Siebenjahresplanes, malen ihm in den leuchtendsten Farben die Zeit nach 10 und 20 Jahren aus. Bewährungen, Leistungen, gute Taten stehen an erster Stelle im Programm der Pioniere: Welcher Pionier sammelt die meisten Altmaterialien? Welcher kennt die Verkehrsregeln am besten? Welches Kollektiv wird bei Auslesespielen und sonstigen Aktionen das schnellste, findigste, klügste und erfolgreichste sein?
Was die Pioniere wirklich gern mögen, sind die regelmäßig im Fernsehen und Rundfunk übertragenen Kinderveranstaltungen. Deren Lieder und Tänze zeigen viel natürliche Begabung. Unkindliche auswendig gelernte Reden ermüden. Alles wird dann schnell zur Gewohnheit und ein Muß, weil der regelmäßige Besuch der Zusammenkünfte auch eine Rolle bei der Beurteilung am Ende des Schuljahres spielt.
Die Komsomolzen sind heute eine Auffangorganisation für alle Jugendlichen. Sie haben nichts mehr von dem revolutionären Schwung der Bürgerkriegsjahre. Die Lieder, welche sie heute bevorzugen, sind Schlager aus neuzeitlichen Operetten und nicht die einer verschworenen Gemeinschaft von anno 1917/18. Der Komsomolze muß seinen Sommereinsatz gegen ein Entgelt auf dem Neuland, in der Industrie oder auf einer Kolchose auf dem ihm vorgeschriebenen Platz ableisten, sonst verliert er die Berechtigung zum weiteren Studium. Auch die besten „Beziehungen" können höchstens zu einer Verkürzung der auf ein bis zwei Monate festgesetzten sommerlichen Arbeitszeit verhelfen.
Sehr stolz sind die Workutjaner auf ihr Berg-technikum, ihre Bergakademie. Sie ist die einzige Bergfachschule der Komi-SSR. Noch vor drei Jahren lag der Gebäudekomplex der Berg-akademie am Rande der Stadt, auf freier Tundra. Heute stellt die Straße des Friedens die Verbindung mit der Stadt und eine Buslinie auch die mit der Gornjazkijer Siedlung her. Rund 2000 Schüler werden in dreijährigem Ausbildungsgang zu Bergfachleuten verschiedenster Aufgabengebiete herangebildet. Ein im letzten Jahre fertiggestelltes Internat beherbergt etwa die Hälfte von ihnen. Das Internat ist ein mehrstöckiges, gut und praktisch eingerichtetes Gebäude aus Betonplatten und wird durch einen überdeckten Wandelgang mit der Berg-akademie verbunden. Geplant ist im Laufe der nächsten Jahre auch die Errichtung einer Berg-hochschule, eines Berginstitutes.
Die Bergakademie nimmt in ihren Räumen auch alle diejenigen auf, die im zweiten Bildungsgang ein Studium durchführen wollen.
Den schon im Arbeitsprozeß stehenden und besonders Begabten wird die Möglichkeit gegeben, sich in Abendkursen auf die Ablegung des Mittelschulexamens vorzubereiten. Die Abnahme dieser Prüfungen findet jeweilig im Sommer vor einer teils auch aus Moskau beschickten Kommission statt. In den Jahren 1958/59 holten hier sogar vierzig-bis fünfzigjährige Eltern ihr Examen nach, während gleichzeitig die Söhne und Töchter diese Prüfung an ihrer ordentlichen Mittelschule ablegten. Es wird erzählt, daß in anderen Städten und besonders in Moskau sich auch Fünfzig-bis Sechzigjährige diesem Examen unterziehen. Die Absolventen erhalten dann Gelegenheit, sich durch gelenkten Fernunterricht vorzubereiten. Eine Unterbrechung der Arbeit ist nur im letzten Semester notwendig, da dies ganz an dem betreffenden Fachinstitut zugebracht werden muß.
Nach dem Besuch eines dreijährigen Abendlehrganges an der Bergakademie hatten erstmalig im Jahre 1959 bisher als Facharbeiter ohne Qualifikation tätige ehemalige Mittelschulabsolventen ihr Fachexamen abgelegt. Von rund 150 Angemeldeten waren im Laufe der Lernzeit etwa zwei Drittel abgefallen. Trotz größtem Entgegenkommen von Seiten der Kursais auch der Parteileitung (Beschaffen eines nahe der Schule gelegenen Arbeitsplatzes, verminderte Arbeits-und verlängerte Urlaubszeit) hielten die Männer die doppelte Belastung, Schule und Arbeit, nicht durch. Die Prüfung legten rund 30 von ihnen ab.
In der Gornjazkijer Siedlung besteht eine mehrere hundert Schüler ausnehmende Gewerbe-und Lehrlingsschule.
Zum zweiten Bildungsgang gehören auch die in den eingemeindeten Siedlungen und in den Straflagern befindlichen Abendschulen, in denen die Besucher von der 1. bis zur 10. Klasse geführt werden, weil es auch heute noch Analphabeten oder solche gibt, die weniger als vier Schulklassen absolviert haben.
In einer Ansprache, die der Politische Leiter an die Abendschülerinnen einer Lagerschule richtete, hieß es: Ihr werdet — und das müßt ihr der Sowjetführung euer Leben lang danken — frei werden, Amnestie erhalten, trotzdem ihr „Verräter der Heimat" wart! Was fangen wir aber mit Menschen in der Freiheit an, die weder lesen noch schreiben können? Also heißt es für euch: lernen, lernen, lernen, wie der große Lenin dies gesagt hat!
Es ist heute ein sehr gelenktes Bemühen in Workuta und in der gesamten UdSSR am Werke, aus Analphabeten Lernende zu machen und diese dann weiter zu einem Fachstudium zu führen. Viel ehrliches, aufrichtiges Streben eines Großteils der Jugendlichen männlichen und weiblichen Geschlechts geht in der gleichen Richtung. Man setzt bewußt all seine Kraft, seine Fähigkeiten und seinen Willen ein, um eine höhere Ausbildung zu erwerben. Denn vor allem diese und nicht so sehr der Reichtum der Eltern, ist Garant, um in die gehobeneren Schichten auch einer sogenannten klassenlosen Gesellschaft zu kommen.
8. Kulturelles Leben einst und jetzt
Man schreibt das Jahr 1956/57.
Wir sahen im Workutaer Stadtkino den neuen Farbfilm „Dalnaja daroga".
Ein „weiter Weg" hatte den ehemaligen Beamten vom Zarenhofe in Petersburg als Strafgefangenen in das ferne Jakutien geführt. Warum auch hatte er auf den alten General geschossen, als dieser ihm seine junge Braut wegheiraten wollte? Die zehntausend Kilometer Osten war später auch seine geliebte Maria nach Paulowna gewandert, weil sie die Frau eines Revolutionärs und nicht die des Generals geworden war. Noch als der Vorhang sich schon geschlossen hatte, spürten wir den Blick des verkommenen zerbrochenen Mannes auf uns gerichtet, der inmitten der Eis-und Schnee-wüsten Sibiriens langsam begreift, daß nun auch sein Liebstes auf dieser Welt hoffnungslos dem gleichen grausamen Schicksal verfallen ist.
Dann treten wir hinaus in die Polarnacht Workutas, in der die Purga ihr unheimliches Lied heult. Eine Stimme sagt aus der Dunkelheit: Hier und dort, einst und jetzt, was ist nun anders geworden?
Später in der Gemeinschaftsbaracke — wir wollen nicht mehr über die Straflager sprechen und doch weist uns alles auf Schritt und Tritt darauf zurück — wirft einer von uns die Frage auf: mit welchem Recht führen uns die, die für gleiche Grausamkeiten zeichnen, diese Scheuß-lichkeiten als nur typisch für das Zarenreich vor? Die beiden Männer unter uns, die nie in einem Lager gesessen haben, versuchen dann, wie schon oft, alle Furchtbarkeiten dem Stalin-regime zuschieben. Schließlich sagt Mischa, Ninas Hand streichelnd: Lind eines müßt ihr zugeben, kulturelle Veranstaltungen und Darbietungen, wie in der Sowjetzeit, gab es früher in den Straflagern nicht. Nina war doch selber Leiter in der Kulturabteilung und weiß, wie sie vielen Gefangenen manch traurige Abendstunden verschönern konnte. Nina aber will sich heute nicht von vagen Gefühlen bestimmen lassen, sie schüttelt den Kopf: Was haben wir auch schon getan? Die Kulturabteilung war ja mehr oder weniger nur die Helferin der politischen Lagerleitung. Wir Erzieher mußten für sie Spitzeldienste verrichten, sonst verloren wir unsere immerhin guten Posten, die uns von den schwersten Arbeiten befreiten. Wohl hat manchmal ein Lied, das uns glückte, Glanz in müde Augen gezaubert, ein Tanz, der mitriß, dumpfe Zerschlagenheit vergessen gemacht, eine Filmvorführung etwas Entspannung gebracht, die Meodien einer singenden Geige aber begleitete die traurige Hoffnungslosigkeit der Zuhörerin-nen gleich einem stummen erschütternden Chor.
Mischa läßt nicht locker: Das war vor Sta-
ins Tod. Nachher ist eure Kulturabteilung eine richtige Erzieherabteilung geworden.
Nun mischt sich auch Tamara in das Gespräch, sie hatte als Lehrerin in der im Jahre 1954 errichteten Lagerschule mitgearbeitet. Die Auflockerung der Straflager und die Überführung eines Großteils der Gefangenen in die freie Siedlung stellte die Lagerleitungen vor neue Aufgaben, sagt sie. Wir waren plötzlich nicht mehr die verfemten „Heimatverräter", sondern standen schon an der Grenze zum „Genossen". Unter diesen neuen „Genossen“ aber waren viele Analphabeten, sehr viele mit vollkommen unzureichender Schulbildung. Man wollte nun arbeitsmäßig das Größtmöglichste aus ihnen herausholen, darum mußte zweckbedingt zur entsprechenden Entlohnung der Arbeit und kulturvollen Gestaltung der Freizeit ein schulischer Unterricht der Analphabeten und der ungelernten Arbeiter kommen.
Das Jahr 1954 hatte ich noch im zweiten Ziegeleilager zugebracht und weiß, wie die neuen Aufgaben, welche der Kulturabteilung zugewiesen wurden und an die Tamara jetzt denkt, aussahen. Die Leiterin derselben, eine freie Frau aus dem Altaier Gau, besann sich plötzlich auf die Menschenwürde auch der Gefangenen, sprach menschlich mit ihnen, bemühte sich, Wünschen bezüglich Freizeitgestaltung möglichst entgegenzukommen und tat dies alles mit viel Charme und Natürlichkeit, daß die Grenze zwischen Handeln im Auftrag und wirklicher Herzlichkeit wie so oft nicht zu erkennen war.
Die Kulturabteilung erhielt innerhalb des Lagers eine Sonderbaracke zugewiesen. Der große Saal diente als Klub-und Schulraum, in den Nebenräumlichkeiten waren die Bücherei, das Künstlerzimmer und der Arbeitsraum der Malerin untergebracht. Einen Teil des Hauptraumes nahm die „Schöne Ecke" ein. Sie war der Propaganda bestimmt: Eine Ehrentafel zeigte die Fotos der besten Arbeiterinnen, die Wandzeitung karikierte das Lagerleben in dem von oben gewünschten Sinne, Zeitungen und Zeitschriften lagen auf. Die Bücherei wurde von 2000 auf 5000 Bände ergänzt. Die Malerin war vollauf mit dem Anfertigen von Spruchbändern, Losungen, Statistiken und der Wandzeitung beschäftigt. Die Künstler übten ein von einer Gefangen nach einem russischen Märchen selbst komponiertes „Opernballet" ein, das dann mit gutem Erfolg auch als Gastspiel in anderen Lagern über die Bühne lief. Ein ganz großes Ereignis war der Besuch einer Aufführung im Workutaer Stadttheater durch die besten Arbeitsbrigaden. Etwa 200 Strafgefangene besuchten die Schule und bereiteten sich auf die Prüfungen der Klassen 1— 10 einer Mittelschule vor. Außerdem gab es Fachkurse für Chauffeure, Monteure und Schlosser. Die Lehrerinnen, die Strafgefangene waren, wurden von der Schulleiterin täglich für ihr nächstfolgendes Pensum vorgedrillt.
Inzwischen hat der Lautsprecher schon lange Tamaras Stimme übertönt, einschmeichelnd erklingen die Sewastopoler Walzermelodien, Nina, die dunkle Schönheit von der Krim, will nicht länger über vergangenes Leid nachdenken und wiegt sich zu den Walzerklängen ihrer Heimat. Dann ertönen vom Korridor Stimmen, wir sind in der Schauspielerbaracke, und das temperamentvolle Völkchen kommt aus der Vorstellung nach Hause. Auf dem großen Herd, der die kleine Gemeinschaftsküche fast ganz ausfüllt, bereite ich für alle Tee, wer noch hungrig ist, ißt Schwarzbrotschnitten mit Margarine. Nun wollen wir hören, ob das „Konzert“ Erfolg hatte. Es war die Aufführung einer Gasttruppe aus Syktywkar, die anschließend auch in den Klubräumen der Bergwerkssiedlungen gastieren wollte. Die einheimischen Schauspieler hatten bloß im Chor mitgewirkt. „Konzert“ wird ein bunter Abend genannt, der Musikstücke, Arien aus Opern und Operetten, Deklamationen und Sketche bringt. Im Erinnerungsjahr Mozarts und Schillers widmete man ihrem Gedenken einige Lieder aus der „Kleinen Nachtmusik" und den Vortrag des „Taucher", natürlich in russischer Übersetzung.
Ira sagt: Geiger und Pianistin wollen wir an erster Stelle mit Lob erwähnen, sie zeigten gute Schule und ein beachtliches Können. Das gleiche kann auch von der Deklamatorin der Schillerballade und der Sängerin der russischen Volkslieder gesagt werden. Wie schön sang die dunkle Altstimme im „Lied vom Kranich" von der Unendlichkeit unserer russischen Erde und der weiten Seele ihrer Menschen. — Boris aber fügt hinzu: Nun ja, bloß die Augen schloß ich dabei, um die beiden guten, doch allzu korpulenten und für die Bühne schon zu bejahrten Damen dabei nicht sehen zu müssen. — Ein anderer meint: Die junge Komi-Sängerin stand wohl zum ersten Male auf der Bühne: ein ganz schöner Sopran, doch noch viel Unsicherheit und das Auftreten einer Kolchosenfrau. — Ira widerspricht: Du meinst die ständig niedergeschlagenen Augen. Das ist jetzt Mode, so vor das Publikum zu treten. — Von den Straußmelodien und den Liedern aus Kaimanoperetten sind alle begeistert, nur der Tenor wird noch schnell mit einer Liebenswürdigkeit bedacht: Er stirbt ja fast auf der Bühne! Die Polarluft behindert uns alle bei der Durchführung unserer Aufgaben, man darf es aber nicht so sichtbar zur Schau tragen.
Plötzlich tönt Lärm von der Straße, durch das geöffnete Fenster ruft man uns zu: Das Theatergebäude brennt! — Gut bloß, daß die Purga verstummt ist. Ob man noch einiges von der Garderobe retten kann? Das Holzgebäude steht in hellen Flammen, als wir auf dem Theaterplatz anlangen. Die Feuerwehr ist bemüht, wenigstens die benachbarten Blockhäuser vor dem Übergreifen des Feuers zu schützen. Durch dunkle Straßen, in den weichen Schnee-wehen fast versinkend und doch seltsam beruhigt von der Lautlosigkeit der Luft nach dem plötzlichen Abzüge der Purga, gehe ich allein in mein Quartier.
Dem Theatergebäude wird niemand nachtrauern, es war nur ein alter häßlicher Kasten, denke ich. Die Inneneinrichtung mit Plüschportieren, tiefen Plüschsesseln und Teppichen im „Foyer“ und neuen Klappsitzen im Parkett aber war für Wokutaer Begriffe ganz komfortabel und hat allerei gekostet. Nun, bald wird das neue Klubhaus des ersten Schachtes fertiggestellt, und dann steht dessen große Bühne bestimmt der Schauspieltruppe zur Verfügung. Die Aufführungen in der Stadt sind ohnehin immer schwach besucht. Liegt es an den Stücken, die zu konstruiert sind und stur auf ihre Tendenz losschreiten, oder an den Schauspielern, die sich wohl Mühe geben, aber doch sehr mittelmäßig sind? Wenn man sich nicht von der Partei aus verpflichtet fühlte, das Theater durch häufigeren Besuch zu unterstützen, wenn nicht Ehren-karten an gute Arbeiter verteilt würden, es herrschte oft gähnende Leere. Dafür ist das einzige Kino in Workuta Stadt immer überfüllt. Mit seinen 400 Plätzen ist es viel zu klein, trotzdem von neun Uhr morgens bis 24 Uhr acht Vorstellungen laufen. Das Eintrittsgeld von 3— 5 Rubel ist niedrig, und die vielen aus den Lagern entlassenen Menschen möchten gerne nach Arbeitsschluß etwas ausspannen, irgendwohin aus der drückenden Enge ihrer Wohnungen entrinnen. Freilich läßt die Programmauswahl auch hier selten ein wirkliches harmloses Vergnügen zu, denn das Kino ist mit eines der Erziehungs-und Propagandamittel in der Hand des Sowjetstaates, der einen zwingt, sich mit den von ihm gewollten Problemen — wo er es will — auseinanderzusetzen.
Unersättlicher Lesehunger
Drei Jahre sind seither verflossen.
Die alljährliche große Instandsetzung einer Workutaer Wohnung ist wieder einmal im Gange. Der Radiomonteur aus dem Volke der Komi bringt den Lautsprecher für die Stadt-zentrale in Ordnung und schielt dabei bewundernd auf die Bücher, die ich Stück für Stück abstaube und in drei Schränke einordne. Wie groß die Bücherei sei, möchte er wissen, und wem sie gehöre? Es mögen wohl an die 2 000 Stück sein, antworte ich, und sie gehören der Hausfrau. Ja, es sei ihre Privatbücherei, jeden Monat kämen rund 30 neue Bände dazu, das mache 150— 200 Rubel monatliche Ausgaben. Der Monteur entdeckt ein ihm bekanntes Buch und ist ganz elektrisiert: Das ist ja Alexander Dumas. Eben lese ich „Die drei Musketiere“. Ganz groß! Auf meine weitere Frage zeigt sich, daß er die französischen, überhaupt die ausländischen Schriftsteller bevorzugt; er kennt Jules Verne, Jack London und natürlich Sherlok Holmes. Das ist mir nichts Neues. Auch von den 2 000 Bänden dieser Privatbücherei sind mehr als ein Drittel Übersetzungen. Natürlich werden in der Sowjetunion nur solche Werke zur Übersetzung freigegeben, die sozialistische Tendenzen oder die Minderwertigkeit, Korruptheit und Dekadenz der bürgerlichen Gesellschaft zeigen. Dabei wird das Bild der bürgerlichen Gesellschaft aus vergangenen Jahrhunderten so gezeigt, als ob es auch heute noch für die Völker des Westens Gültigkeit habe.
Theodor Dreisers sämtliche Romane schildern das kapitalistische Amerika der Monopolherrschaft, in dem Financier zu Titanen aufsteigen, in dem sich das Genie dem Reichtum verkauft, in dem harmlose junge Menschen zu Verbrechern werden, weil Geld und Gold sie locken. Daneben steht Michel Wilsons Roman „Mein Bruder mein Feind , mit der Geschichte der beiden amerikanischen Brüder, die Elektronen-lehre studieren und das Fernsehen erfinden.
Erst kürzlich hatte dieser Schriftsteller Moskau besucht. Sowjetische Studenten sprachen den Wunsch aus, er möchte nun sein nächstes Buch dem Zeitalter der Sputniks und den Großtaten sowjetischer Forscher und Erfinder widmen.
Die französischen Schriftsteller werden sehr geliebt, irgendwie spricht ihre Mentalität auch den Sowjetbürger von heute an. Neben Jules Verne, A. Dumas, Henry Stendhal, Balzac und Flaubert findet sich Guy de Maupassant, dessen Werke mehr geschätzt werden als an seinem Vaterland. Von den Engländern sind Dickens und Shakespeare in Gesamtausgabe vertreten, dann Galsworthy mit seiner Forsyte Saga, ein Roman aus der Zeit nach 1945 „Diplomaten“
und Reisebeschreibungen. Wer das England der letzten fünfzehn Jahre nur aus der Sowjet-presse und diesen Büchern kennt, erhält den Eindruck, daß dies Land nicht nur auf seiner Insel ein elendes jämmerliches Leben führt, nicht nur sein Weltreich verloren hat, sondern auch im Begriffe ist, sein Commonwealth zu verspielen. Über seine Vorliebe für Geschichte und Philosophie wird nur leise gelächelt. Von den Deutschen fehlen Goethe und Schiller vollständig, es sind aber da: Heinrich Heine und Lion Feuchtwanger, Thomas und Heinrich Mann, Stefan und Arnold Zweig.
Inzwischen hat der Komi-Monteur seine Arbeit beendet, er blättert noch schnell einige von den Ogonjoknummern durch. Eigentlich müßte er schon längst seinem Dienstauftrag gemäß an einer anderen Arbeitsstelle sein, doch die schönen Farbaufnahmen haben es ihm angetan! Wie erbärmlich die Ausgestaltung dieser führenden illustrierten Sowjetzeitschrift noch vor einigen Jahren war, weiß er nicht. Er will mir rasch noch irgendwie imponieren und erzählt vor seinem Fortgehen: Mein Freund hat das Abitur der Mittelschule, arbeitet jetzt zwei Jahre im Bergwerk und will dann im Fernstudium Bergingenieur werden. Er bezieht für 200 Rubel im Jahre Zeitschriften, wirtschaftliche, technische, politische. Jeden Tag arbeitet er nach Schichtschluß zwei bis drei Stunden in der Puschkinbücherei, wo er aus den vielen zehntausenden von Büchern diejenigen aussuchen kann, die er zum Studium braucht. — Dann ordne ich die beiden Bücherschränke mit der einheimischen Literatur. Einer nimmt die allgemein-wissenschaftliche, der zweite die Fach-und Parteiliteratur auf: viele Bände der Sowjetischen Großen Enzyklopädie, Lexikas für Gesundheitswesen, für Fremdwörter, Grundfragen des Sowjetstaates, Atlanten, Bücher für Wirtschaft für Hauswirtschaft, für Leibesübungen und Sport, Geschichte der Kommunistischen Partei, marxistische Philosophie, Berichte über die letzten Parteitage. Große Bildwerke zeigen in farbigen Kunstdrucken die Gemälde aus der Eremitage in Leningrad und der Tretjakowskajer Galerie aus Moskau. Deutlich wird hier das Bestreben des Sowjetmenschen klar, das, was ihm an sogenannter allgemeiner Bildung aus der Schulzeit her fehlt, sich nach Möglichkeit durch zähe Ausdauer auch in späteren Jahren anzueignen. Ganz fehlen in dieser Bücherei die Standardwerke von Lenin, Stalin, Marx, Engels. Die könnten, wenn sie zur Ausarbeitung von Vorträgen und Referaten gebraucht würden, aus der Stadt-oder der Parteibücherei ausgeliehen werden, meint die Besitzerin.
Der dritte Schrank umfaßt die Unterhaltungslektüre. Neben den Russen Turgenjew, Lermontow, Puschkin, Tolstoj, Tschechow, Dostojewskij und Gorkij stehen die Ukrainer Schewtschenko, Gogol und Franko und noch viele andere. Die neuere sowjetische Unterhaltungsliteratur ist hier in Buchausgabe noch spärlich vertreten, sie kommt in den zahlreichen Zeitschriften zu Wort und in dem Sammelband „Literaturnaja Moskwa". Was am Abend wirklich gelesen wird, um von des Tages Last zu entspannen, sind Detektiv-, Spionage-und Abenteurergeschichten, technische Phantasie-und Zukunftsromane. Ganz merkwürdige Gewächse gibt es unter letzteren. Die beiden Mars-monde seien künstliche Sputniks, das erste Weltraumschiff sei vor einigen Jahrzehnten in Sibirien niedergegangen aber bei der Landung explodiert und irrtümlich für den Fall eines großen Meteoriten angesehen worden. Kallisto nennt sich eine Erzählung und behandelt die erste geglückte Landung eines Weltraumschiffes auf unserer Erde. Natürlich landete es auf sowjetischem Boden, natürlich intrigierte der Westen und versuchte sich einzumischen, und selbstverständlich werden nur sowjetische Wissenschaftler auf dem Rüdeflug zum Siriusplaneten mitgenommen. Wenn sich dann aber Phantasien um Tatsachen ranken und diese verfälschen und verzerren, wird es ganz gefährlich. Da ist die Erzählung von der Asche Bikinis, die japanische Fischer einem langsamen Tode anheimgibt und eine einzige Hetze gegen die LISA ist, da ist der Roman „Die goldene Medaille“ von Lew Owalow, der die Verbindung zwischen amerikanischem und deutschem Geheimdienst in der Hitlerzeit zum Thema hat und der Beginn einer sowjetischen Sherlok Holmes-Reihe zu werden verspricht.
Rundfunk
Ich schließe die Bücherschränke. Die beiden Handwerker, die nun nebenan Tapeten kleben, haben kein Interesse an Büchern. Sie möchten gerne Fernsehen und bedauern, daß die Sendung nur am Abend läuft. Zu Hause gibt es kein Fernsehgerät, und in den Klub gehen bloß die Jungen. Doch sie drehen das Radio an. Mit einem bestimmten Lokalpatriotismus hört man die Workutaer Ortsnachrichten, nickt dazu Anerkennung oder brummt köpfschüttelnde Verneinung, wenn die Schönfärberei wieder einmal gar zu dick ist. Die Sendung in der Komi-Sprache übertönt dann lautes Hämmern, die Operettenmelodien summt man leise mit. Dann „spricht Moskau“ die täglichen Nachrichten. Ein neuer Gesundheitsminister, ein neuer Vorsitzender des Komitees für Staatssicherheit ist ernannt; man nimmt es zur Kenntnis. Die kosmische Rakete hat den Mond verfehlt und zieht nun als Sonnenplanet ihre Bahnen. Das ist viel, obwohl man es nicht recht versteht. Wieviel Geld mag es gekostet haben? Ob Amerika wirklich auf diesem Gebiet so weit zurück ist? Im Kriege imponierten die amerikanischen Lieferungen und zeugten von einem kaum einzuholenden Fortschritt. Nach zehn Jahren hieß es dann plötzlich: Nun sind uns die Amerikaner nur noch zehn Jahre voraus. Und sollten wir sie jetzt tatsächlich schon überholt haben? — Anastas Mikojan ist von seiner Fahrt durch die Vereinigten Staaten zurückgekehrt. — Der könnte unsere Fragen beantworten, meint man, aber die Wahrheit ist nur für das ZK-Sekretariat. — In der Prawda hatte ich über diese Reise schon manches gelesen, zwischen den Zeilen noch mehr. Am aufschlußreichsten wohl war der Telegrammwechsel zwischen Dulles, dem amerikanischen Außenminister, und Mikojan beim Abfluge des letzteren aus den USA. Neben den üblichen Abschieds-wünschen und -grüßen meinte Dulles, wenn in der USA vom „Privatkapitalismus“ geredet würde, müßte man vom „Staatskapitalismus in der UdSSR" sprechen. Die darauffolgenden Entgegnungen Mikojans waren lahm und hinkend. Doch die beiden Handwerker lesen nur die Workutaer Ortszeitung Zapolarje, und die veröffentlicht solche Äußerungen nicht. Ende Januar findet der XXL Parteitag der KPdSU statt. Schluß der Nachrichten. — Stillschweigen. — Schlag zehn Uhr beginnt die tägliche Kinderstunde. „Guten Tag, liebe Kinder“, ertönt die helle Kinderstimme aus dem Lautsprecher. Alle wissen, daß dies in Wirklichkeit die Stimme einer jungen Schauspielerin ist und daß größtenteils Erwachsene mit verstellten Stimmen diese Kindersendung bestreiten. Trotzdem erfreut sich das bunte Programm mit seinen Liedern, Erzählungen, Märchen, kindlichen Theaterstücken und -opern bei alt und jung großer Beliebtheit. „Hört den Gruß der Pioniere", sagt die Stimme weiter, und mit Märschen und Darbietungen geht die Erziehung zum kommenden Sowjetbürger Hand in Hand.
Der Lautsprecher der Workutaer Radiozen-trale fehlt auch in der ärmlichsten Einzimmerwohnung kaum, seine Anschaffung kostet 20 bis 50, das Jahresabonnement 60, — Rubel. Für den einfachen Sowjetmenschen ist er Zeitung und Vergnügen zugleich. Die teuren Rundfunk-empfänger im Preise von 2 000— 3 000 Rubel (mit Plattenspieler und allen Sendestationen) beschäftigen, des gewöhnlich schlechten Empfanges wegen, ein Familienmitglied vollauf mit der Regulierung. Den Lautsprecher stellt die Zentrale ein, ein Druck auf den Knopf, und du bist von morgens bis Mitternacht nicht allein. Ob es interessant ist oder nicht, einerlei, aber zu denken brauchst du nicht, das tun andere für dich. Ein Viertel der Workutaer Rundfunkhörer ist dieser Meinung und stellt den Lautsprecher überhaupt nie ab, ein Viertel etwa dreht ihn nie auf, die übrigen sind Normalverbraucher. Musik liebt man vor allem, die „Einheimischen" Tschaikowskij, Rimskij-Korsakow, Glinka, Schostakowitsch, Dunajewskij gehen voran, wobei unter „einheimisch“ hauptsächlich russische, dann noch ukrainische und bjelorussische Musiker zu verstehen sind. Erklingen die folkloristischen Gesänge der anderen Völker und Volkssplitter aus der UdSSR, besonders aus deren asiatischem Teile, hört man sich das unverständliche Gezirpse, Klagen oder Johlen mit leisem Lächeln an, wie etwas ganz Fremdes, doch mit bereitwilligem Verständnis für die Eigenart jedes einzelnen. Sehr beliebt sind der Omsker, Uralsker und Pjadnizkajer Volkschor. Immer, wenn ich diese Volksweisen und -tanze höre und dazu im Fernsehen auch die bunten Trachten gezeigt werden, erinnere ich mich an das Volkstum meiner Siebenbürger Heimat, und manche Ähnlichkeit auf der alten Grundlage germanischen und indogermanischen Brauchtums wird mir bewußt. Und ich freue mich über das gesunde Empfinden der einfachen Menschen hier, die das große Gemeinsame, Völkerverbindende bejahen. Zugleich aber wird mir die gespreizte Unnatürlichkeit und reine Agitation der führenden Kreise um so klarer, die ähnliche folkloristische Darbietungen, wenn sie beispielsweise von den Vertriebenen in der Bundesrepublik gezeigt werden, als bloßen „Neofaschismus" abtun.
Inzwischen kommen die Wohnungsinhaber zum Mittagessen nach Hause und teilen mit, daß abends philosophisches Seminar sei und anschließend eine Filmvorführung stattfinde, die Reparatur also gut beendet werden könne. Während das Streichen und Hämmern seine Fortsetzung findet, während ich Schrubber und Bürste und Aufwaschlappen in Tätigkeit setze, schwelge ich im kulturellen Leben Workutas.
Theaterleben in Workuta
Wollen wir zuerst das Theater besuchen — oder eine sonstige Veranstaltung? Das neue Theatergebäude wird erst in einigen Jahren vollendet. Die Vorstellungen in einem Saale des Kulturpalastes beginnen auch nur im Herbste. Wir müssen uns schon mit dem Klubraum des Kapitalnaja-Schachtes begnügen. Die Schauspiel-truppe ist verjüngt, einige Lieblinge des Publikums sind dazugekommen, in der Wintersaison wird es etwa ein Dutzend Premieren geben. Von den älteren Autoren ist Ostroswkij beliebt, meistens aber behandeln sowjetische Autoren Gegenwarts-und auch Zukunftsfragen. Eine bestimmte Kritik am Bestehenden innerhalb vorgeschriebener Grenzen ist erlaubt. Einige Stücke zeigen Ausschnitte aus Lenins Leben, die im Fernsehen übertragen werden. Im Sommer zieht die Workutaer Schauspieltruppe in die Provinz, in Workuta gibt es dann Gastspiele. Wenn die Tundra blüht und die Mitternachtssonne scheint, finden auch die Leningrader und Moskauer den Weg hierher. Sogar das Opernballet des Moskauer Großen Theaters zeigte in diesem Jahre Auszüge aus Tschaikowskijs „Schwanensee“ und aus „Shysell", — Kabarettvorführungen sind gut besucht und belustigen. Die Abende guter Künstler mit klassischer Musik jedoch ziehen nur ein auserwähltes musikverständiges Publikum an.
Die Arbeiterjugend bevorzugt den Klub, jedes Bergwerk besitzt einen, ebenso das Elektrizitätswerk und andere größere Betriebe. Die allabendlich dort stattfindende Kinovorstellung ist am wichtigsten, die Tanzvergnügungen sind oft sehr laut, der Alkoholkonsum zu groß. An den Staatsfeiertagen finden besondere Veranstaltungen mit einem offiziellen und einem Unterhaltungsprogramm statt. Von einer Intensivierung der Klubarbeit und einer Hebung des allgemeinen Unterhaltungsniveaus wird viel geschrieben und gesprochen. An Sommerabenden tanzt die Jugend nach Schallplattenmusik auf einem überdeckten Bretterpodium der Stadtpromenade; es ist das billigste Vergnügen, auch einfachster Anzug möglich, allein erscheinende Frauen und Mädchen finden rasch einen Partner, und man tanzt und vergnügt sich.
Wer nach eines Tages Müh und Last noch Zeit und Energie dazu aufbringt, besucht die Musikschule, nimmt an Kursen für Zeichnen und Malerei teil oder macht einen Lehrgang an der Kulturuniversität mit. Hier geben ihm Vorträge und Referate mit anschließenden Film-und Musikvorführungen und Besuchen von Ausstellungen Einblick in die verschiedensten Gebiete der Musik, Malerei, Bildhauerei, Graphik und Literatur.
Wie eh und je ist aber auch heute das Kino das Allheilmittel für Bildung, Unterhaltung und Langeweile. Im letzten Jahre — seit man einen Teil der ausgesprochenen Parteipropaganda für das Fernsehen reserviert hat — trägt es etwas mehr der lauter werdenden Forderung vieler Menschen nach Entspannung Rechnung. Jugendliche und Studenten besonders ziehen auslän-dische Unterhaltungsfilme tendenziösen Sowjet-filmen vor. Als im November 195 8, zum vierzigjährigen Bestehen der UdSSR, ein Festprogramm fast zwei Wochen lang nur Filme aus dem Kriege und dem Parteileben zeigte, waren die Kinosäle halbleer, auch die in der Ostzone vielgerühmten „Fliegenden Kraniche'zogen nicht. haupt schwach. Am schlimmsten ist es mit den tschechischen Filmen. Historische Themen, von den Tschechen todernst gemeint, wurden mit der Bemerkung. „Wie im Zirkus“ quittiert. Auch der offiziell als hervorragend beurteilte tschechische Film „Die Schöpfung“ — eine Parodie auf die biblische Legende — erregte nur Gelächter und wurde in seiner Tendenz nicht einmal von intellektuellen Kreisen verstanden, sondern mit den Worten abgetan: Für solchen Schund gibt man unseren guten Devisen aus.
Kino
Ausländische Filme treten in den letzten zwei bis drei Jahren immer mehr in Erscheinung. Trotzdem ihre Auswahl bewußt einseitig ist, sieht man genug von dem ganz anderen Lebensstandard, dieser erregt Bewunderung und auch Neid. Manches aber, was im Ausland ganz ernst gemeint ist, wirkt in Workuta komisch, ja lächerlich. So gab es einmal bei der Vorführung von Demonstrationen gelegentlich eines Arbeiterstreiks in den USA helles Gelächter, ein westdeutscher Garten mit Gnomen und Zwergengrotte wurde verständnislos betrachtet und mitleidig belächelt ob so viel Spießbürgerlichkeit. Die neuen sozialistisch sein wollenden italienischen Filme findet man langweilig, die konstruierten, gestellten politischen Defa-Filme der Ostzone gelten als schlecht. Wenn einer dieser ostdeutschen Schauspieler um seine richtige Einstellung zu beweisen sogar ein russisches Revolutionslied anstimmt, empfindet man beinahe Unbehagen. Die Filme aus den Satellitenländern sind über-NachhaltigenEindruck erweckte der amerikanische Film „Krieg und Frieden“, der die Kriege Napoleons gegen Rußland nach dem Roman Tolstojs schildert, und ebenso einige französische Unterhaltungsfilme. An deutschen Filmen aus der Bundesrepublik zeigte man nur leichte Ware, jedoch mit gutem Erfolg. Die „Liebesfanfaren“ zogen genau so wie die österreichische „Goldene Symphonie“. Westliche Musikfilme haben es überhaupt in sich. Jugoslawien hat eine eigene beachtenswerte Note in seinen Filmen.
Was die Menge der Workutaer Kinobesucher aber wirklich liebt, mit tosendem Jubel und ständig ausverkauften Häusern lohnt, sind die Filmerzeugnisse der Länder, die am Anfang einer selbständigen Entwicklung stehen und viel Primitivität, Sentimentalität und Naivität zeigen, es sind dies vor allem Indien und Ägypten. Gar kein Verständnis hat man für chinesische Filme.
Wenn man von einer bestimmten fast zu simplen Einfachheit und Primitivität sowie von der immer gegebenen Tendenz absieht, muß vom sowjetischen Film gesagt werden, daß er gut und wirksam ist. Das Entscheidende wird lebenswahr, zügig und packend dargestellt. Bei einem Versuch, die nun etwa 30 Jahre alten Stummfilme aus ihrer Mottenkiste zu ziehen, erlebte man ein glänzendes Fiasko. Viele behaupten, am besten seien die vor einem Jahrzehnt hergestellten Filme, und erinnern sich mit besonderer Freude an den Film die „Dorfschullehrerin". Zu den heutigen besten Filmen werden „Der stille Don“ und „Ein Menschenschicksal“ gezählt, beide nach Themen von Michail Schocholow.
Der heutige sowjetische Film ist hauptsächlich russischer Film. Produktionsstätte für den „Lenfilm“ ist Leningrad, für den „Mosfilm“ Moskau. Dann gibt es noch das Kiewer Studio für ukrainische, teils ganz beachtliche Filme, deren historische Darstellungen von glühendem Nationalismus erfüllt sind. Letztlich treten auch asiatische Sowjetrepubliken mit eigenen Film-erzeugnissen auf; von ihnen haben die armenischen die Kinderschuhe am stärksten abgestreift.
Wer heute in Workuta lebt, hat Brot zum Leben und — wenn Geld und Zeit ausreichen — auch „Spiele“ aller Art zum Vergnügen. (wird fortgesetzt)