Mit freundlicher Genehmigung des Ferdinand Schöningh Verlages, Paderborn, wird nachfolgend ein Kapitel aus dem Buch von Karl Thieme: „DREITAUSEND JAHRE JUDENTUM, Quellen und Darstellungen zur jüdischen Geschichte" zum Abdruck gebracht. Das Buch ist in „Schöninghs Geschichtlicher Reihe", (hrsg. v. Dr. Robert-Hermann Tenbrock) erschienen.
Jüdisches Dasein, sckon als religiös bedingtes Anderssein, provozierte Judenfeindsdtaft wo immer es als stumme oder gar lautwerdende Kritik an den religiösen Überzeugungen der Wirtsvölker erfahren wurde. Die Formen wechselten, die Sache blieb. 1. Die Bösen und das Böse Nicht immer, aber im stets wieder vorkommenden besten Fall erfolgte die jüdische „Antwort“ im Geist der Bergpredigt wie hier im Talmud: In der Nachbarschaft des Rabbi Meir trieben sich Rohlinge umher;
die quälten ihn tüchtig.
Da betete er ihretwegen, auf das sie sterben möchten.
Sprach zu ihm Beruria, seine Frau:
Was ist deine Meinung?
da doch geschrieben ist: „Aufhören mögen Sünden auf der Erde“ — ist denn geschrieben „Sünd e r“?
„Sünd e n“ ist geschrieben!
Und mehr noch:
sieh tiefer, auf den Schluß des Worts: „Und Frevler sind nicht mehr da“: wenn die Sünden aufhören, sind keine Frevler mehr da.
Nein, sondern bete ihretwegen, daß sie sich wenden in Umkehr und keine Frevler mehr sind.
Er betete ihretwegen, und sie wandten sich in Umkehr. 2. Die Gegenseite Welch grober Schmähung seitens übereifriger Seelsorger, die den Einfluß jüdischer Proselytenwerbung auf ihre Herde zu fürchten hatten, die Synagoge ausgesetzt war, das zeigt der folgende Paroxysmus aus der 6.der acht Predigten gegen die Juden, die JohannesChrysostom u s 386/387 gehalten hat. (Hier zitiert aus: K. Thieme, Der religiöse Aspekt der Judenfeindschaft; FREIBURGER RUNDBRIEF X, S. IO). „Nenne einer sie Hurenhaus, Lasterstätte, Teufelsasyl, Satansburg, Seelenverderb, jeden Unheils gähnenden Abgrund oder was immer, so wird er noch weniger sagen, als sie verdient hat.“ 3. Von den Verfolgungen zur Zeit des ersten Kreuzzuges Gefährlidter als im 1. Jahrtausend rhetorische Schmähung und reichs-rechtliche Restriktion, wurde im 2. den Juden der Haß des Pöbels, wenn ihm auch anfangs Mitbürger und Kirchenfürsten mehr (in Speyer) oder minder mannhaft (Worms) entgegentraten.
Es war im Jahre 4856 nach Erschaffung der Welt (1096), ... da trafen uns viele und schwere Leiden, die in diesem Reiche, seitdem es gegründet wurde, bis jetzt noch nicht vorgekommen waren . . . Denn es erhoben sich freche Menschen, fremdländisches Volk, eine grimmige, ungestüme Schar von Franzosen und Deutschen aus allen Ecken und Enden, die sich vorgenommen hatten, nach der heiligen Stadt (Jerusalem) zu ziehen, um dort das Grab ihres Heilandes aufzusuchen, die Ismaeliten von dort auszutreiben und sich des Landes zu bemächtigen. Sie hefteten als ihr Erkennungszeichen ein Kreuz an ihre Kleider, sowohl Mann wie Frau, alle, die sich bereit fanden, dorthin zu ziehen, so daß sie zahlreicher als die Heuschrecken waren, Männer, Frauen und Kinder, und über sie ist das Wort gesagt: „Keinen König haben die Heuschrecken“ (Prov 30, 27).
Als sie nun auf ihrem Zuge durch die Städte kamen, in denen Juden wohnten, sprachen sie in ihrem Herzen: „Sehet, wir ziehen dahin, das heilige Grab aufzusuchen und Rache an den Ismaeliten zu üben; und hier sind die Juden, die ihn umgebracht und gekreuzigt haben ohne Grund. Lasset zuerst an ihnen uns Rache nehmen und sie austilgen, so daß sie kein Volk mehr bilden, daß der Name Israel nicht mehr erwähnt werde; oder sie sollen unseresgleichen werden und zu unserem Glauben sich bekennen.“ Als die Gemeinden solches hörten, da überfiel sie Angst und Zittern und Wehe, und sie griffen zu der Handlungsweise ihrer Väter, nämlich: zum Gebete, zur Wohltätigkeit und zur Buße; sie setzten Fasten ein, einzelne sowohl als drei Tage hintereinanderfolgend, Nacht und Tag, und schrien zum Ewigen auf in ihrer Not . . .; doch ihr Vater antwortete ihnen nicht, er schwelgte ihr Gebet, er hüllte sich in ein Gewölk, daß ihr Gebet nicht hindurchdringe. Verachtet blieb ihr Zelt, und er tat sie von sich fort. Denn verhängt war es von ihm, noch vom Worte her: „Und je am Tage meines Zuordnens werde ich ihnen zuordnen ihre Versündigung“, und dieses Geschlecht ward erwählt von ihm, sein Teil zu sein, denn es hatte Kraft und Stärke in Seiner Halle zu stehn, Sein Wort zu tun und Seinen großen Namen in Seiner Welt zu heiligen. Auf sie sagt David: „Segnet IHN, seine Boten, /starke Helden, /die zur Tat machen sein Wort ..."
Und sie sprachen aus ganzem Herzen und williger Seele: Dies ist der letzte Sinn: nicht nachzugrübeln über die Weise des Heiligen, gesegnet sei Er und gesegnet Sein Name; er hat uns seine Thora gegeben und das Gebot, uns töten zu lassen und zu sterben für die Einzigkeit Seines heiligen Namens. Glückzu, wenn wir Seinen Willen tun, glückzu dem, der umgebracht wird, der geschlachtet wird, der stirbt für die Einzigkeit Seines Namens; für die kommende Welt ist er bestimmt und wird in der Gruppe der Gerechten weilen, bei Rabbi Akiba und seinen Genossen, den Grundfesten der Welt, die umgebracht wurden für Seinen Namen. Und nicht nur dies, sondern: ihm wird getauscht eine Welt der Finsternis um eine Welt des Lichts, eine Welt der Not um eine Welt der Freude, eine Welt, die vorübergeht, um eine Welt, die besteht immerdar und in Dauer . . .
In jenem Jahr fiel das Passahfest auf Donnerstag und der Neumonds-tag Ijar auf Freitag und Sabbat. Am Sabbat, dem 8. Ijar, überfielen die Feinde die Gemeinde Speyer und erschlugen zehn heilige Personen. Diese waren die ersten, die ihren Schöpfer heiligten (durch das Martyrium), und sie taten es am heiligen Sabbattage, da sie sich nicht taufen lassen wollten. Darunter befand sich auch eine fromme Frau, die sich zur Heiligung des göttlichen Namens selbst schlachtete. Sie war die erste von denen, die sich selbst schlachteten oder schlachten ließen. Die übrigen wurden, ohne Taufe, von dem Bischof gerettet.
Am 23. Tage des Ijar überfielen die Wölfe der Wüste (1t. Jeremia 5, 6) die Gemeinde Worms. Die Gemeinde teilte sich in zwei Gruppen; einige blieben in ihren Häusern, andere hielten sich in den Gemächern des Bischofs auf. Da erhoben sich die Feinde und Dränger gegen die Juden, die in ihren Häusern waren, überfielen sie und brachten sie um, Männer, Frauen und Kinder, Jünglinge und Greise; sie rissen die Häuser nieder, stürzten die Treppen um, machten Beute und plünderten. Sie nahmen die heilige Thora, traten sie in den Straßenkot, zerrissen und zerfetzten sie, schändeten sie und trieben Spott und Scherz mit ihr.
Nach sieben Tagen, am Neumondstage des Siwan, am Tage, an dem Israel zum Sinai gekommen war, um die Thora zu empfangen, wurden auch diejenigen, die sich im bischöflichen Palaste befanden, aufgeschreckt. Die Feinde verfuhren mit ihnen, wie sie mit den früheren verfahren hatten, mißhandelten sie und übergaben sie dem Schwerte. Diese, durch das von ihren Brüdern gegebene Beispiel gestärkt, heiligten noch mehr den Namen ihres Schöpfers, sie legten nämlich Hand an sich. Alle nahmen ungeteilten Herzens das himmlische Verhängnis an, und indem sie ihre Seele ihrem Schöpfer übergaben, riefen sie: „Höre Israel, der Ewige ist unser Gott, der Ewige ist einzig!" 4. Im dritten Kreuzzug Wie die rheinischen Bischöfe im
Bloß der alte Kaiser und sein Sohn, der junge Kaiser, die lange leben mögen, waren den Juden gewogen. Mehr als zehntausend der Kreuzgezeichneten zogen nur auf Mord und Raub aus; die Fürsten jedoch hatten jederzeit für das Wohl der Juden geredet, so daß die Feinde sich wandten und beschämt in ihr Land zurückkehrten.
Am Sabbath der Thoravorlesung Hachodesch haseh (26. März) versammelten sich die Kreuzfahrer in unseren Straßen, um uns zu überfallen. Die Sache wurde dem Marschall berichtet. Er nahm seine Diener mit sich und seinen Stock in die Hand und schlug und verwundete sie dermaßen, daß sie sich alle zerstreuten. Wir waren, zu Tode erschrocken, von Freitag bis Dienstag in großer Not.
Am Dienstag (29. März) erging für die Juden das Friedenswort: „Wer einen Juden anrührt und ihn verwundet, dessen Hand wird abgehauen, und wer einen Juden umbringt, wird umgebracht!" Auch die Bischöfe drohten mit dem Banne: „Wer seine Hand gegen die Juden ausstreckt, wird vernichtet, und seine Kreuzfahrt kann ihm nichts nützen!“ Es wurde schriftlich besiegelt und mündlich bekanntgemacht, die Juden in acht zu nehmen wie ihren Augapfel, mehr noch, als sie früher taten. Alles geschah für volles Geld, und der edle Priester R. Mosche ritt neben dem Kaiser mit dem versiegelten Schreiben in Händen, um den Juden Frieden zu verschaffen. Wir zogen wieder aus Münzenberg am 27. Nissan (26. April 1188). 5. „Die Synagoge“
Wie achtungsvoll man doch auch noch im 12. Jahrhundert den jüdischen getrennten Bruder zu sehn vermochte, zeigt die Darstellung der Synagoge an vielen Kirchenportalen und ihr „Selbstzeugnis“ im Tegernseer Lu d u s de Antichristo. „Unser Heil, o Herr, es ist in Dir, Nicht auf einen Menschen hoffen wir. Daß in Christi Namen hoffet ihr, Irrtum ist uns zu betören . . . Diesen nicht, doch den Emmanuel, Gott, sollst du anbeten, Israel.
Jesus und die Götzen von Ismael * Ich heiße dich abschwören.“ 1) 6. Pierre Abelard über die Juden Wie sich trotz aller Retardation durch konservative Kräfte die Lage der Juden vom 12. Jahrhundert an immer mehr entwidcelte, das hat damals der Schöpfer der scholastischen Dialektik, Abelard (1079— 1142) klar und ohne die übliche Vertauschung der Wirkung (Verhafltsein als „Wucherer“) mit der Ursache (Verfemtsein als „Gottesfeinde“) ausgesprochen. (In seinem Dialog zwisdten Jude und Christ; hier zitiert nach Thieme a. a. O. S. 12.)
Keine Nation hat je derartiges für Gott erlitten. Unter alle Nationen zerstreut, ohne König oder weltlichen Fürsten, werden die Juden mit schweren Steuern bedrückt, als ob sie jeden Tag von neuem ihr Leben loskaufen sollten. Die Juden zu mißhandeln hält man für ein Gott wohlgefälliges Werk. Denn eine solche Gefangenschaft, wie sie die Juden erleiden, können sich die Christen nur aus dem höchsten Haß Gottes erklären. Das Leben der Juden ist ihren grimmigsten Feinden anvertraut. Selbst im Schlaf werden sie von Schreckensträumen nicht verlassen. Außer im Himmel haben sie keinen sicheren Zufluchtsort. Wenn sie zum nächstgelegenen Ort reisen wollen, müssen sie mit hohen Geldsummen den Schutz der christlichen Fürsten erkaufen, die in Wahrheit ihren Tod wünschen, um ihren Nachlaß an sich zu reißen. Äcker und Weingärten können die Juden nicht haben, weil niemand da ist, der ihren Besitz garantiert. Also bleibt ihnen als Erwerb nur das Zins-geschäft, und dieses macht sie wieder bei den Christen verhaßt. 7. Das Religionsgespräch zu Tortosa Vom den tatsächlichen Umständen, unter denen iw späten Mittelalter Juden wit Christen disputieren wußten, zeugt der folgende Auszug aus dew Bericht des Salomo ibn Nerga über die 1413/14 von Benedikt XIII. erzwungenen Disputationen.
Ihr Angesehenen unter den Söhnen Jißraels, ihr Edlen Jehudas, die in ihren „Häusern und ihren Mauern Handzeichen und Namensmal haben“, dort wo „sie wechselsagen SEINE Bewährungen“, wo die Stühle für die Thora und das Zeugnis standen, die Stühle für den Talmud von den Tagen der Frühzeit an, lebendig bleibe euer Herzensmut für immer. Was ihr schon von früherher wißt, das mögt ihr auch jetzt wissen: daß „nicht schlummert und nicht schläft" unser Befreier, um uns zu retten vor denen, die unser Böses wollen. Ein Zweig, der aus uns hervorkam, gedachte uns zu vernichten und die Religion der Wahrheit zum Erdboden zu erniedrigen. Der nun, Jehoschua Halorki, erdachte Gedanken uns zu verleiten, um zu zeigen, daß er in Wahrheit Christ sei und den neuen Glauben bewahrt. Er erbat sich beim Papst, daß der gebieten solle, alle Häupter der jüdischen Weisen mögen vor ihn kommen, da sein Wille sei, aus unserem Talmud zu beweisen, daß der Messias bereits gekommen ist. Lind er sagte zum Papste, daß, wenn er dies bewiesen haben werde, es recht wäre, die Juden zur Religion Jesu zu zwingen, da ers doch vor seiner erhabenen Heiligkeit in wahrhaftiger Weise ersichtlich machen werde. — Ich aber komme nun, um euch alles Geschehene wissen zu lassen, und ihr mögt euch daraus Einzelheiten merken, um einem Epikuräer antworten zu können. Wisset es getreulich, daß wir einer Gefahr entronnen sind, einer, die nicht zu ermessen ist, denn wir befanden uns vor zahlreichen Bischöfen und Granden, und viele trachteten nach unserer Schuld.
Alle Abgesandten hatten sich zuvor versammelt, um zu beschließen, wer der erste Sprecher sein solle vor dem Papste und wer mit dem, was in ihrer Sprache arenga heißt, beginnen solle; sie hatten alle beschlossen, daß Don Vidal Benveniste beginnen solle, weil er ein Weiser ist in den Wissenschaften und sich auf die Art der lateinischen Sprache versteht Sie beschlossen auch, daß ihr Benehmen nicht sein solle nach Art der gelehrten Juden in ihren Hochschulen, wo jeder in die Worte des anderen. einfällt und schmäht, wenn er ihm nicht zustimmt, damit sie vor dem Papste nicht in Verachtung kämen; auch, daß sie mit Jehoschua Halorki und ebenso mit den Bischöfen mit Gelassenheit und Anstand verführen, keiner von ihnen solle heftig werden, auch wenn man sie schmähen würde, und jeder solle in Ruhe den Herzensmut des anderen festigen, daß er nicht sinke.
Dann gingen wir, alle Abgesandten, zum Papste, mit der Hilfe Gottes, „der den Gebeugten rettet vor dem, der stärker ist als er“, und der Herr Papst empfing uns mit freundlichem Angesichte . . .
Dann sagte der Papst zu uns; Ihr Angesehenen des jüdischen Volkes, eines Volkes, das erwählt ward von einem Wähler, der in Urzeit schon da war, und wenns verworfen ward, so nur durch eigene Schuld; fürchtet euch nicht vor der. Disputation, denn nicht soll euch vor meinem Angesichte irgend Kränkung oder Unrecht widerfahren; beruhigt eure Gedanken und redet mit festem Herzensmut; fürchtet euch nicht und verzagt nicht. — Maestro Geronimo hat gesagt, er wolle beweisen, daß der Messias bereits gekommen ist, und zwar aus eurem Talmud; vor unserem Angesichte wird sichs zeigen, ob die Wahrheit mit seinem Worte ist oder ob er einen Traum geträumt hat. Ihr aber seid nicht bange vor ihm, denn bei der Disputation gilt gleiches Maß .. .
Dann wandte der Papst sein Angesicht dem Maestro Geronimo zu und sprach: Beginne du zu disputieren, und jene mögen dir erwidern. Da begann Maestro Geronimo: „Geht doch her, wir wollen uns vergleichen, spricht ER; /weigert ihr euch und trotzet, /werdet ihr vom Schwerte verzehrt.“ Darauf begann Don Vidal ben Benveniste die arenga in lateinischer Sprache, und der Papst freute sich sehr über seine Weisheit und seine Sprache; im Laufe der Rede beklagte jener sich über Geronimo: denn es sei nicht richtig, daß einer, der disputieren will, mit einer Gehässigkeit anfängt, da jener gesagt hätte: „Weigert ihr euch und trotzet, werdet ihr vom Schwerte verzehrt“; noch hätte er nichts bewiesen und schon sich zum Richter und Rächer aufgeworfen. Da wandte der Papst ein: Recht habt ihr, aber wundert euch nicht über diese unziemliche Art, denn er war ja einer von euch.
Am dritten Tage war der eigentliche Beginn der Disputation und Maestro Geronimo begann zu sprechen: In eurem Talmud ist geschrieben: „Sechs Jahrtausende währt die Welt: zwei Jahrtausende — Wirrsal, zwei Jahrtausende — Thora, und zwei Jahrtausende— Tage des Messias.“ Nach diesem Spruch ist es klar, daß in den letzten zwei Jahrtausenden der Messias gekommen ist, und wer ist es anders als unser Heiland?
Hierin erging sich Halorki lange und predigte nach seiner Lust, bis der Papst zu ihm sagte: Geronimo, ich weiß schon lange, daß du ein großer Prediger bist, aber nicht deswegen sind wir hergekommen, sondern damit du beweisest, was du versprochen hast; darum gib acht, daß du dich nicht in Predigten verlierst. Dann wandte er sein Angesicht zu den Gesandten und sprach: Erwidert ihr auf jenen Spruch.
Sprach Don Vidal ben Benveniste: Herr Papst! Erwägen wir erst die Wesensmerkmale des Messias, dann wird klar werden, ob er bereits gekommen ist, und wenn auf den, der gekommen ist, die Voraussetzungen des Messias zutreffen, so wollen auch wir uns zu ihm bekennen.
Sprach der Papst: Das ist keine Antwort auf das, was man euch fragte, denn die Ausführungen gingen nicht auf die Merkmale des Messias, sondern darauf, daß jener Spruch sagt, der Messias sei bereits gekommen; ihr tut schon nach der Weise der disputierenden Juden, die man nach einer Sache fragt, sie aber schlüpfen zu einer anderen hinüber. Erwiderte Don Vidal: Herr Papst, unser Beginn war nach Art der Weisen, denn zuerst gehört sichs, von dem Wesen der Sache zu sprechen, und dann von den besonderen Umständen; so schreibt es auch der Naturforscher vor. Wenn aber dieser Weg unserem Herm nicht recht ist, dann werden wir ihn nicht gehen. So wende ich mich dem Spruche selbst zu und sage, daß der weise Geronimo aus ihm das entnommen hat, was ihm zusagt und woran er eine Stütze hat, aber unberücksichtigt ließ das, was ihn widerlegt; denn am Ende des Spruches ist gesagt: „Doch unseres Fehls wegen, der gar groß ward, ist an Zeit vergangen, soviel nun vergangen ist" — und das erweist deutlich, daß er nicht gekommen ist.. .
Erwiderte Geronimo: Elijahu wollte sagen, daß die ganze Dauer der zwei Jahrtausende die Zeit des Messias sein wird, daß aber dann, im siebenten, die Welt zerstört wird.
Sprach Rabbi Josef Albo: Jenen Spruch haben ja die Talmudisten, mit denen du uns widerlegen willst, in den Talmud ausgenommen; doch nichts würden sie ausgenommen haben, was ihrer Ansicht entgegen wäre. Sie glauben also, daß es zweierlei Endzeiten für den Messias gibt: Die Zeit, die Gott zugeschworen hat, oder die Zeit, da Jißrael begnadet wird und sie sich in Umkehr wenden. Darum setzte der Spruch keine befristete Zeit für die Tage des Messias ein, sondern sagte: „Lind zwei Jahrtausende — Tage des Messias", das will sagen: Tage, hergerichtet fürs Kommen des Messias: werden die Juden dessen würdig sein, so wird er zu Beginn kommen, werden sie zu Beginn nicht würdig sein, wohl aber innerhalb des Zeitraumes, so wird dann der Messias kommen; werden sie innerhalb seiner dessen noch nicht würdig sein, wohl aber am Ende, so wird Messias am Ende kommen; nicht aber werden die zwei Jahrtausende vergehn, ohne daß er gekommen ist. Sprach der Papst: Warum sagt ihr nicht, daß wenn die Christen dessen würdig sein wer-den, er sofort kommen werde, wenn aber nicht, werde er bis ans Ende der zwei Jahrtausende säumen?
Sprachen die Gesandten: Wir glauben, daß der Erlöser nur um des-willen kommen wird, der im Exile ist; denn wer in Ruhe lebt, ist dem ein Erlöser nötig? Der Messias aber ist nötig für ein Volk, das in Verbannung und Knechtschaft lebt.
Sprach Rabbi Matatja zu Geronimo: Weiser Herr, du erbringst den Beweis aus dem Talmud, daß der Messias bereits gekommen ist; warum erbringst du nicht an dessen Statt aus eben dem Talmud den Beweis fürs Gegenteil? Denn er sagt: „Es verhauche der Geist derer, die die Endzeiten zu errechnen suchen!“
Da fiel der Papst ein und sprach: Diesen Spruch habe ich schon gehört und möchte gerne seine Deutung wissen. Da sprach Rabbi Matatja: Wir haben da keine Deutung, nur den Wortsinn: Fluch dem, der Berechnungen anstellt und aussagt, wann Messias kommen wird; denn großer Schaden erwächst daraus fürs Volk: Wenn nämlich jene Frist erreicht ist, er aber nicht kommt, da verzweifeln sie, und schlaff wird das Herz derer, die das Heil erhofften und die gebunden waren durch Fesseln und Bande der Hoffnung. Und noch eine Verfehlung: Gott hatte dies Ding vor allen Völkern und allen Kündern verborgen, — jener aber rechnet damit, es zu enthüllen.
Darüber erzürnte sich der Papst gar heftig und sprach: O ihr Volk von Narren, o ihr verabscheuenswerten, o ihr törichten Talmudisten, verdiente etwa Daniel, der die Endzeit errechnete, daß man auf ihn sagen soll: Sein Geist verhauche!? Es zeigt sich wahrhaftig, daß Frevler und Widerspenstige ihr seid wie sie.
Da fiel Don Todros ein und sprach: O Herr Papst, wenn die Talmudisten so töricht sind in seinen Augen, warum bringt er da von ihnen her einen Beweis, um für wahr zu erklären, daß der Messias bereits gekommen ist? „Durch Narren läßt sich nichts erweisen.“ — Da ward der Papst noch zorniger.
Da lenkte Don Vidal wieder ein und sprach: Es entspricht nicht dem Charakter Seiner Heiligkeit, zu zürnen wegen einer Frage, über die disputiert wird, zumal da uns die Freiheit gegeben wurde. Aber gewiß haben wir etwas anderes verschuldet und so strauchelten wir mit unseren Worten. Darum aber hatten wirs ausgesprochen: Erweise uns, o Herr, deine Huld.
Da fiel der Papst eine Glaubt nicht, uns durch bloße Worte abzufertigen; was könnt ihr auf jenen Spruch erwidern, der besagte: „Es verhauche der Geist derer, die die Endzeiten zu errechnen suchen?“
Sprach Don Vidal: Der hebräische Ausdruck für „errechnen“ bezeichnet jemand, der etwas ausrechnet und dem sich ein Ding durch Berechnung ergibt; ein Künder aber, oder wer durch den Geist der Heiligkeit spricht, wird nicht ein Errechner sondern ein Seher genannt, wie es beim Künder gesagt ist: „Wo ist hier das Haus des Sehers“, -dessen, der durch Kündertum das Ding in Wahrheit sieht.
Hierdurch wurde der Papst besänftigt und sagte, daß wirs erreicht haben, das Wahre zu sagen, wie es sich uns erweise und wie es jedem verständigen Herzen eingehen könne.
So gingen wir an jenem Tage von dort weg und am Morgen gingen wir wieder unseren Weg. In unseren Wohnungen aber entspann sich ein heftiger Streit zwischen uns und Rabbi Matatja und Rabbi Todros, weil sie nicht vorsichtiger waren und ihren Mund nicht im Zaume gehalten hatten ...
Am anderen Morgen — es war der Tag des Abschnitts „Gedenke was dir Amalek antat — sagte der Papst: Ihr Juden, schreckliche Sachen redet ihr da; welcher vernünftige Mensch wird sagen, daß der Messias zwar geboren wurde, aber seit langer Zeit im Garten Eden lebe, und daß er schon vierzehnhundert Jahre lebe?
Da sprang Rabbi Astruc auf und sprach: Herr Papst, wie ihr von eurem Messias so viel Unwahrscheinliches glaubt, so laßt uns von unsrem Messias dies eine glauben!
Darüber wurde der Papst sehr erregt, so daß wir bange wurden, aus-fahren würde seine Grimmglut dem Feuer gleich, und wir sprachen zu ihm: Herr, unschön war das Wort unsres Genossen und nicht in Übereinstimmung mit uns allen und nur scherzweise wars gesprochen, ohne daß es sich geziemte, da der Papst ja nicht einer unsresgleichen sei. Und wir wiederholten das, womit wir begonnen hatten, und sprachen: Erweise uns, o Herr, deine Huld.
Wir gingen in unsre Wohnung und schrien alle Rabbi Astruc an und sagten: „Über dich unsre Unbill!“, denn du hast unseren Feinden ein Schwert in die Hand gelegt; nicht sind wir untereinander übereingekommen, in der Weise zu reden, wie du geredet hast; siehe, unsere Sache stand gut beim Papste, und er stand mehr uns als dem Geronimo bei. Nun aber, da der Papst zürnt, wer wird uns beschützen, wenn nicht das Erbarmen des Himmels; doch „nicht darf man sich auf ein Wunder verlassen“ da, wo das eigene Verdienst so zweifelhaft ist.
So waren wir an jenem Tage von dort beschämt und beschimpft fortgeeilt und am nächsten Morgen in großer Sorge und Furcht zurückgekehrt. Gott aber gab es, daß wir in Huld waren, und wir fanden den Papst hellen Angesichtes. 8. Jehuda Halevys Chasaren-Dialog Wo die Juden noch nicht in einer machtntäßig von vornherein aussichtslosen Gesprächs-Situation waren — wie vor der Rekonquista auf der iberischen Halbinsel — da braud'iten sie sich den „Todtterreligionen“ gegenüber durchaus nicht rein defensiv zu äuflern, wie der Dialog zeigt, den ihr damaliger bedeutendster Dichter-Denker zwischen dem Khan der (im Frühmittelalter jüdisch geworden) Krim-Chasaren und einen Rabbi führen läßt. a) Das Samenkorn Al-Chazari : Euer Licht, von dem du sprichst, ist so untergegangen, daß man sich nicht denken kann, es werde wieder erscheinen; es ist so verloren, daß an ein Wiederbringen desselben nicht gedacht werden mag.
Der Rabbi: Untergegangen ist es nur in den Augen derer, die uns nicht mit klaren Augen beschauen und die aus unserer Gedrücktheit, Armut und Zerstreuung Beweise für das Erlöschen unseres Lichts sowie aus der Größe der andern, ihrer weltlichen Macht und Herrschaft über uns, Beweise für das Dasein ihres Lichtes entnehmen.
Al-Chazari: Ich habe davon keinen Beweis bringen wollen, weil ich sehe, daß jede der beiden einander bekämpfenden Nationen groß und mächtig ist und die Wahrheit doch bei einander widerstreitenden Extremen entweder nur bei einem oder bei keinem sein kann. Bei der Erklärung der Stelle „Siehe mein Knecht ist glücklich“ (Jes 52, 13) hast du ja schon nachgewiesen, daß der göttlichen Tätigkeit Armut Und Niedrigkeit mehr zukommt als Größe und Stolz. Und dies wird an jenen zwei Religionsparteien selbst sichtbar. Die Christen rühmen sich nicht der Könige, der Helden, der Reichen, sondern der Männer, die Jesus alle die lange Zeit nachfolgten, ehe der Glaube an ihn fest Wurzel gefaßt; diese Männer gingen in die Verbannung, mußten sich verbergen, den Tod erleiden, wo man sie fand, duldeten für die Befestigung ihres Glaubens unendliche Verachtung und tödliche Leiden; und sie sind es, mit denen sie sich jetzt segnen, deren Aufenthalts-und Leidensort sie verehren, auf deren Namen sie Tempel erbauen. Und so ist es mit denen, welche an dem Aufblühen des ismaelitischen Glaubens halfen; auch sie mußten viel Schmach erleiden, bis sie zu Kräften kamen, und deren rühmen sie sich, deren Niedrigkeit, deren Hingebung des Lebens für Stärkung des Glaubens preisen sie; nicht die Könige, die mit ihrem Gelde und ihrer Macht groß tun, sondern die sich in Lumpen kleiden und Gerste essen, ohne satt zu werden. Und das taten sie alles in vollständiger Hingebung an Gott. Hätte ich gesehen, daß die Juden so im Namen Gottes tun, so hätte ich sie über das Königshaus Davids gestellt, weil ich mich erinnere, was ich über den Satz: „mit dem'Zerschlagenen und Demütigen“ (Jes 57, 15) gelernt habe, nämlich, daß das Gotteslicht nur auf den Seelen der Demütigen ruhe.
D e r R a b b i : Du hast Recht, uns den Vorwurf zu machen, daß wir die Verbannung ohne Frucht tragen. Aber ich denke an die Geachteteren unter uns, die diese Verachtung und Knechtschaft durch ein ohne Mühe gesprochenes Wort abschütteln, plötzlich Freie werden, sich über ihre Bedrücker erheben können und es doch nicht tun, weil sie ihrem Glauben treu bleiben wollen. Ist diese Hingebung nicht genügend, um Fürbitte und Versöhnung für viele Sünden zu erlangen? Fände das, was du von uns verlangst, statt, so würden wir länger nicht in der Verbannung bleiben. Denn du weißt wohl, daß das weise Vorhaben Gottes mit uns der Bestimmung eines Samenkorns zu vergleichen ist. Man legt es in die Erde, wo es sich scheinbar verändert und in Erde, Wasser, Kot übergeht und fast gar nicht mehr wahrzunehmen ist — wie es wenigstens scheint, wenn man darauf hinsieht. Aber gerade dieses ist es, welches Erde und Wasser in seine Natur wandelt und sie von einer Stufe zur anderen erhebt, daß es die Elemente auflöst und in seine eigene Gestalt verwandelt, dann Schalen und Blätter abwirft usw. Wenn nur der Keim geläutert und befähigt ist, seine Tätigkeit anzutreten und die Form des ersten Samens anzunehmen, so bringt der Baum Früchte hervor, gleich denen, von welchen sein Same stammt. So wandelt auch die Lehre Mosis jeden, der nach ihm kommt, in sich um, wenn sie auch scheinbar von jedem verworfen wird. Diese Völker sind die Vorbereitung und Einleitung zu dem erwarteten Messias, der die Frucht ist und dessen Frucht sie alle werden, wenn sie ihn anerkennen und alles ein Baum wird. Dann werden sie die Wurzel hoch ehren und achten, die sie früher geschmäht, wie wir in Betreff des „Siehe, mein Knecht wird glücklich" (Jes 52, 13) erklärt haben. b) Israel, das Herz unter den Völkern DerRabbi: Israel ist unter den Völkern wie das Herz unter den Gliedern, es ist das kränkste von allen und zugleich das gesündeste.
Al-Chazari : Erkläre dich deutlicher.
Der Rabbi: Das Herz ist beständig allerlei Krankheiten ausgesetzt, von denen es oft heimgesucht wird, wie Trauer, Beängstigung, Zorn, Rachsucht, Feindschaft, Liebe, Haß und Furcht: sein Temperament wechselt und verändert sich beständig, je nach dem Zustande von Zuviel oder Zuwenig, obendrein noch durch schlechte Speise, schlechten Trank, Bewegungen, körperlichen Zwang, Schlaf, Wachen; alles das wirkt auf das Herz, während alle übrigen Glieder Ruhe genießen.
Al-Chazari : Jetzt wird mir allerdings klar, wie es das kränkste von allen Gliedern ist, wie nun ist es auch das gesündeste?
DerRabbi: Ist es möglich, daß ein Stoff dort Oberhand gewinnt, aus dem eine Geschwulst, ein Krebs, eine Beule, Wunde, Schwäche, Atemnot entstehen, wie das bei anderen Organen möglich ist?
Al-Chazari : Das ist nicht möglich, denn bei der geringsten Spur würde der Tod eintreten, und das Herz fühlt bei seiner durch die Reinheit seines Blutes hervorgerufenen Feinfühligkeit und seiner Kraft-hülle die kleinste Ursache davon, stößt sie daher von sich ab, solange es abzustoßen die Kraft besitzt. Andere Organe besitzen nicht dieses feine Gefühl, bei ihnen ist demnach ein fremder Stoff möglich, aus welchem allerlei Krankheiten entstehen.
Der Rabbi: Also seine Empfindlichkeit und sein Feingefühl ziehen ihm diese vielen Krankheiten zu, sind gleichzeitg auch die Veranlassung, daß sie sogleich, wenn sie aufzutreten anfangen, von ihm abgestoßen werden, ohne sich festzusetzen.
Al-Chazari: Allerdings!
Der Rabbi: Der göttliche Einfluß verhält sich zu uns wie die Seele zum Herzen, und deswegen heißt es: „Nur euch habe ich erkannt von allen Familien der Erde, darum will ich heimsuchen an euch all eure Sünden.“ Das sind die Krankheiten. Die Gesundheit aber ist ausgesprochen in dem Worte der Weisen, „er vergibt die Sünden seines Volkes, die erste zuerst hinwegführend“. Denn er läßt unsere Sünden nicht über uns anwachsen, bis sie durch ihre Menge unseren völligen Untergang herbeiführen müßten, wie er bei den Amoritern getan hat, da es heißt: „Denn noch ist die Sünde der Amoriter nicht voll“ — er ließ sie, bis ihre Sündenkrankheit sich tödlich in ihnen festgesetz hatte. Wie nun das Herz in Grundwesen und Stoff rein und dermaßen gleichmäßig zusammengesetzt ist, daß die vernünftige Seele an ihm haften kann, ebenso verhält es sich mit Israel von Seiten seiner eigentümlichen wesentlichen Gestaltung. Und wie das Herz von den übrigen Gliedern Krankheiten annehmen kann, von den Begierden der Leber, des Magens, der Zeugungsorgane, wegen ihrer schlechten Beimischungen, ebenso ist Israel, wenn es sich den Völkern zuneigt, allerlei Krankheiten ausgesetzt. So heißt es: „Sie mengten sich unter die Heiden und lernten deren Werke.“ Es kann dir nun nicht fremd vorkommen, wenn in demselben Sinne gesagt wird: „Wahrlich, unsere Krankheiten trägt er und unsere Schmerzen, er nimmt sie auf sich.“ Nun sind wir damit belastet, während die Welt in Ruhe und Frieden lebt. Die Prüfungen, die uns treffen, dienen dazu, unsere Thora zu befestigen, uns zu läutern und die Schlacken auszuscheiden. Denn wenn wir fest und lauter sind, haftet die göttliche Einwirkung an der Welt. Du weißt ja, daß die Urstoffe sich weiter entwickelten, so daß aus ihnen die Mineralien, die Pflanzen, die Tiere, der Mensch, endlich das Kleinod der Menschheit hervorgingen. Alles hat sich wegen dieses Kleihodes fortentwickelt, damit der göttliche Einfluß an ihm hafte; dieses Kleinod entstand aber wegen jenes höheren Kleinodes: der Propheten und Frommen. Dergestalt erhebt sich das Gebet von: „Gib deine Furcht, Herr unser Gott, über alle deine Geschöpfe", über „Gib Herrlichkeit dem Volke“ endlich zu „die Frommen mögen es sehen und sich freuen"; denn sie sind das Kleinod des Kleinodes ... Ps 107, 42. 9. Ausgedehnte Prüfung — Endlicher Triumph Die gleiche Glaubensgewißheit wie aus „Al-Chazari“ spricht aus Maimonides'(Moses ben Maiwon, 1135 bis 1204) Trostbrief an die Jeweniten und seiner Spekulation über den Messias in dem „Gesetzes-Kodex“ (Mischne Thora, vgl. auch Zobel, Gottes Gesalbter, Berlin 1938, S. 181 ff). a) Trostschreiben ... „Die göttliche Lehre“, die wir in Händen haben, hat uns von jeher Feinde erweckt, und man strebte stets danach, uns von ihr abwendig zu machen. Wir haben im Altertum gelitten, und unsere Leiden sind nicht geringer geworden, seitdem zwei neue Religionen entstanden sind, die christliche und die mohammedanische. Weil die unsere eine Lehre der Wahrheit ist, darum müssen wir für sie dulden. Aber die Leiden werden uns nicht erdrücken: so viele Dränger sich gegen uns erhoben haben, sie sind zugrunde gegangen, Israels Name aber wird ewiglich bestehen. Die Leiden sind für uns ein Prüfstein, und es gereicht uns zum Stolz und Ruhme, in ihnen zu bestehen . . . b) Wahrer und falscher Messias Wird einmal ein König aus dem Hause Davids erstehen, der seinen Geist der Thora zuwendet und die Gebote erfüllt, wie der Stammvater gemäß der schriftlichen wie der mündlichen Lehre, auch ganz Israel veranlaßt, nach der Thora zu leben und sie zu befestigen, und wird er die Kriege des Herrn führen, so kann er für den Messias gehalten werden; nimmt seine Wirksamkeit einen glücklichen Verlauf, besiegt er die Nationen der Umgebung, erbaut den Tempel an seiner früheren Stätte und versammelt die Zerstreuten Israels, so ist kein Zweifel mehr, daß es der richtige ist . . . . . ., während jener Mann
Den jetzigen Brauch, Nichtjuden Geld zu verleihen, rechtfertigt R. Tam damit, daß man bei rabbinischen Verboten der erleichternden Ansicht folgt, wonach Zinsen von Nichtjuden niemals verboten wurden. Aber selbst nach der andern Ansicht ist es erlaubt, weil wir Lasten von Königen und Fürsten zu tragen haben und ihnen große Summen geben müssen.
b) Über die Trachten
Im 14. /15. Jahrhundert stieg rapide auch die Gefährdung im iberischen Bereich; so kam es u. a. zur folgenden jüdischen Selbsteinsdtränkung iw Kastilianischen Gemeinde-Statut von 1432.
Da es hinsichtlich der Kleidertrachten der Frauen und ihrer Schmucksachen in vielen Gemeinden unangemessene und schädliche Bräuche gibt, indem die Frauen kostbare und prunkvolle Gewänder tragen, reiche Stoffe, Schleppen, Schmucksachen von Gold und Silber, seltene Perlen, reichen Besatz und viele andere Dinge, was viel Unheil herbeiführt und Verschwendung erzeugt, auch die Familienväter sich darüber beschweren, daß gerade durch den Luxus der Neid und Haß der Christen neue Nahrung erhalten, und auch meinen, daß diese, im Hinblick auf ihre eigene Armut und Dürftigkeit, durch den großen Reichtum gegen die Juden aufgestachelt und so veranlaßt werden, von Zeit zu Zeit drückende Gesetze gegen uns zu erlassen — sind wir doch von den früheren noch nicht völlig befreit —, so erachten wir es für unsere Pflicht, durch ernste Maßregeln tatkräftig gegen den Luxus einzuschreiten. Wir setzen daher fest, daß außer den Mädchen in der Brautzeit und den jungen Frauen im ersten Jahre ihrer Verehelichung keine Frau prunkvolle Kleider von kostbaren, golddurchwirkten, olivenfarbenen, durchsichtig feinen leinenen, seidenen oder feinen wollenen Stoffen, oder an ihren Roben Besatz von Samt, Brokat oder olivenfarbigen Stoffen trage. Sie sollen ferner keine Agraffen von Gold, Perlen, keine olivenfarbenen Stirnbänder, keine langen Schleppen, keine faltenreichen Kleider, gleich den maurischen Frauen, keine Mäntel mit hochstehendem Kragen, keine Roben von hochroten Stoffen, keine weiten Ärmel und dgl. mehr tragen. Silberne Agraffen, silberne Broschen und dgl. dürfen sie tragen, doch darf keines dieser Schmuckstücke mehr als vier Unzen an Gewicht haben. c) Betrug Das unbeirrte Festhalten der massgebenden Morallehrer am Gottes-gesetz bezeugt iw 16. Jahrhundert u. a. folgende Bestiwmung des Schuldtan Arudt.
Es ist verboten, die Menschen im Kauf und Verkauf zu betrügen oder »ihre Gedanken zu stehlen“. Ist z. B. ein Fehler an der Ware, so muß man dies dem Käufer mitteilen, einerlei, ob dieser ein Jude oder ein Nichtjude ist. d) Über jüdische Sonderabgaben Wie sdtwere Lasten die jüdischen Gemeinden zu tragen hatten, nodt nach dem Ende des eigentlichen Mittelalters, das zeigt u. a. die folgende Kurmainzische Verordnung vom 18. Juli 1724.
Wir wollen drittens, daß unter dem Namen „herrschaftliche Gelder“ folgende ordentlichen und außerordentlichen Anlagen, welche wir oder mit unserer Einwilligung unsere Hofkammer an unsere Judenschaft ausschreiben oder zu fordern haben, verstanden werden sollen:
Neujahrsgelder, Martins-Gans-Gelder, dem Domkapitel zustehende Synagogen-Gelder, dem jeweiligen Erzpriester zustehende Gelder, Armenhausgelder, Glockengelder zur Pfarrei von St. Emmeran, dem jeweiligen Rentmeister gebührende Zapfgelder, Gelder für die armen Studenten bei den Jesuiten, Fischgelder für die Franziskaner, Kapuziner und Jesuiten, Feldschützengelder, Gelder für die Beleuchtung der Judengasse, Kurpfälzische Taschengeleitsgelder, Gehälter des Rabbiners, der Vorsteher, der Armen-Krankenwärter, der Gemeindebediensteten, der Schächter, Gelder für Bau und Unterhaltung der Armen-Herberge und des Juden-kirchhofs, Gelder für die Säuberung der Gassen, der Brunnen und für die Aufrechterhaltung der Feuerordnung, Geld für den Hecht, der in der Karwoche dem Rektor Magnificus der Universität geschenkt wird usw. 11. Lage der Juden in Polen im 18. Jahrhundert Die Sondersituation der Juden Osteuropas, vor allein Polens, wo sie das zwisdten Adel und Bauern fast völlig fehlende „Bürgertum“ ersetzen wufl, ist den untenstehenden Sätzen aus den Lebenserinnerungen des Kantianers Salomon Maimon (1753— 1800) zu entnehmen.
Die Juden können wiederum in drei Klassen eingeteilt werden, nämlich in arbeitsame Ungelehrte, in Gelehrte, die aus ihrer Gelehrsamkeit einen Beruf machen, und in diejenigen, die sich bloß der Gelehrsamkeit widmen, ohne sich mit irgendeinem Erwerbsmittel abzugeben, sondern von der arbeitsamen Klasse erhalten werden. Zur zweiten Klasse gehören die Oberrabbiner, Prediger, Richter, Schulmeister und dgl. Die dritte Klasse besteht aus denjenigen Gelehrten, die wegen ihrer vorzüglichen Talente und Gelehrsamkeit die Aufmerksamkeit der Ungelehrten auf sich ziehen, von diesen in ihre Häuser genommen, mit ihren Töchtern verheiratet und einige Jahre auf eigene Kosten mit Frau und Kindern unterhalten werden. Nachher aber muß die Frau die Ernährung ihres heiligen Müßiggängers und ihrer Kinder (die im allgemeinen bei dieser Klasse sehr zahlreich sind) auf sich nehmen, worauf sie sich billigerweise sehr viel einbildet.
Es gibt vielleicht kein anderes Land, außer Polen, wo Religionsfreiheit und Religionshaß so im gleichen Grade anzutreffen wäre. Die Juden genießen da eine völlig freie Ausübung ihrer Religion und alle übrigen bürgerlichen Freiheiten. Sie haben sogar ihre eigene Gerichtsbarkeit. Andererseits aber geht der Religionshaß so weit, daß der Name Jude zum Abscheu ist und die Wirkung dieses zu den Zeiten der Barbarei eingewurzelten Abscheus noch zu meinen Zeiten, ungefähr vor dreizehn Jahren, fortdauerte . . . 12. Jakob de Bonaventura bittet im Namen der Judenschaft das Tridentinische Konzil, den Talmud nicht gänzlich zu verdammen Höhepunkt und Abschluß des — zeitweise von Reuchlin kräftig unterstützten — Kampfes gegen die Gefahr kirchlicher Suppression des Talmud bildet die nachstehende Petition.
Es ist zu den Ohren vieler Hebräer gelangt, daß in diesem heiligen ökumenischen Konzil zu Trient in Bälde ein Beschluß gefaßt würde, daß Bücher, die dem christlichen Glauben zum Nachteile oder Spott gereichen könnten, durchaus sollten beseitigt und besonders diejenigen unter Zensur gestellt werden, die in dem unter Papst Paul IV. veröffentlichen Index enthalten sind. In diesem Index befindet sich namentlich ein Buch von mehreren Bänden mit dem Titel Talmud, eine ausgezeichnete Auslegung des Gesetzes der Hebräer und eine besondere Richtschnur ihres öffentlichen Lebens. Daher bittet mit tiefster Ehrfurcht im Namen besagter Hebräer Euer Eminenzen untertänigster Knecht Jakob de Bonaventura, daß Dieselben aus lauterer Güte und Gnade jenes Buch von neuem sorgfältig prüfen und es nicht so völlig abschaffen lassen wollen. Die Juden bedürfen seiner, und als ihrer Leitung notwendig, haben es viele Päpste mehrmals erlaubt. Sollten sich aber in diesem Buche Stellen finden, die der christlichen Religion zu widerstreiten scheinen, so können sie völlig ausgemerzt und der Druck des Buches danach erlaubt werden, dergestalt, daß es alle ohne Ärgernis besitzen und lesen können. Und weil zur Ausführung dieser Bitte nicht allein Arbeit, sondern vielleicht auch Kosten nötig sein möchten, so erbietet sich besagter Jakob, sowohl hierfür, als auch für den treulichen Druck des Buches in der Form, die Ew. Eminenzen gütigst erlauben werden, persönlich zu haften unter Erfüllung jeglicher Verpflichtung und Strafe, die ihm auferlegt werden sollten. 13. Moses Mendelssohn nimmt Stellung zu Lavaters Bekehrungsversuch und zur Religionsgesetzgebung Das 18. Jahrhundert brachte mit der Aufklärung auch den Höhepunkt des Pietismus und dieser betrieb mit neuem Eifer „Judenmission".
Mendels J. K. Lavater, einem ihrer Vorläufer, sandte 1769 Moses -sohn (1729— 1786) den folgenden Offenen Brief. a) Mendelssohn an Lavater Verehrungswerter Menschenfreund!
Sie haben für gut befunden, des Herrn Bonnets „Untersuchung der Beweise für das Christentum“, die Sie aus dem Französischen übersetzt, mir zuzueignen und mich in der Zuschrift vor den Augen des Publikums auf die allerfeierlichste Weise zu beschwören, „diese Schrift zu widerlegen, wofern ich die wesentlichen Argumentationen, womit die Tatsachen des Christentums unterstützt sind, nicht richtig finde; dafern ich aber dieselbe richtig finde, zu tun, was Klugheit, Wahrheitsliebe und Redlichkeit mich tun heißen, — was ein Sokrates getan hätte, wenn er diese Schrift gelesen und unwiderleglich gefunden hätte“, d. i. die Religion meiner Väter zu verlassen und mich zu derjenigen zu bekennen, die Herr Bonnet verteidigt. . .
Ich darf sagen, daß ich meine Religion nicht erst seit gestern zu untersuchen angefangen. Die Pflicht, meine Meinungen und Handlungen zu prüfen, habe ich gar frühzeitig erkannt, und wenn ich, von früher Jugend an, meine Ruh-und Erholungsstunden der Weltweisheit und den schönen Wissenschaften gewidmet habe, so ist es einzig und allein in der Absicht geschehen, mich zu dieser so nötigen Prüfung vorzubereiten . .
Wäre nach diesem vieljährigen Forschen die Entscheidung nicht völlig zum Vorteile meiner Religion ausgefallen, so hätte sie notwendig durch eine öffentliche Handlung bekannt werden müssen. Ich begreife nicht, was midi an eine dem Ansehen nach so überstrenge, so allgemein verachtete Religion fesseln könnte, wenn ich nicht im Herzen von ihrer Wahrheit überzeugt wäre. Das Resultat meiner Untersuchungen mochte sein, welches man wollte, sobald ich die Religion meiner Väter nicht für die wahre erkannte, so mußte ich sie verlassen. Wäre ich im Herzen von einer anderen überführt, so wäre es die verworfenste Niederträchtigkeit, der innerlichen Überzeugung zum Trotz, die Wahrheit nicht bekennen zu wollen. Und was könnte mich zu dieser Niederträchtigkeit verführen? Ich habe schon bekannt, daß in diesem Falle Klugheit, Wahrheitsliebe und Redlichkeit mich denselben Weg führen würden. Wäre ich gegen beide Religionen gleichgültig und verlachte oder verachtete in meinem Sinne alle Offenbarung, so wüßte ich gar wohl, was die Klugheit rät, wenn das Gewissen schweigt. Was könnte mich abhalten? — Furcht vor meinen Glaubensgenossen? Ihre weltliche Macht ist allzu geringe, als daß sie mir fürchterlich sein könnte. Eigensinn? Trägheit? Anhänglichkeit an gewohnte Begriffe? — Da ich den größten Teil meines Lebens der Untersuchung gewidmet, so wird man mir Überlegung genug zutrauen, solchen Schwachheiten nicht die Früchte meiner Untersuchungen aufzuopfern.
Sie sehen also, daß ohne aufrichtige Überzeugung von meiner Religion, der Erfolg meiner Untersuchung sich in einer öffentlichen Tathandlung hätte zeigen müssen. Da sie mich aber in dem bestärkte, was meiner Väter ist (d. i. im Glauben meiner Väter), so konnte ich meinen Weg im stillen fortwandeln, ohne der Welt von meiner Überzeugung Rechenschaft ablegen zu müssen. Ich werde es nicht leugnen, daß ich bei meiner Religion menschliche Zusätze und Mißbräuche wahrgenommen, die ihren Glanz leider nur zu sehr verdunkeln. Welcher Freund der Wahrheit kann sich rühmen, seine Religion von schädlichen Menschensatzungen frei gefunden zu haben? Wir erkennen ihn alle, diesen vergifteten Hauch der Heuchelei und des Aberglaubens, soviel unserer sind, die wir die Wahrheit suchen, und wünschen, ihn ohne Nachteil des Wahren und Guten abwischen zu können. Allein von dem Wesentlichen meiner Religion bin ich so fest, so unwiderleglich versichert, als Sie oder Herr Bonnet nur immer von der Ihrigen sein können, und ich bezeuge hiermit vor dem Gott der Wahrheit, Ihrem und meinem Schöpfer und Erhalter, bei dem Sie mich in Ihrer Zuschrift beschworen haben, daß ich bei meinen Grundsätzen bleiben werde, solange meine ganze Seele nicht eine andere Natur annimmt. . . .
Nach den Grundsätzen meiner Religion soll ich niemand, der nicht nach unserem Gesetz geboren ist, zu bekehren suchen. Dieser Geist der Bekehrung, dessen Ursprung einige so gern der jüdischen Religion auf-bürden möchten, ist ihr gleichwohl schnurstraks zuwider. Alle unsere Rabbiner lehren einmütig, daß die schriftlichen und mündlichen Gesetze, in denen unsere offenbarte Religion besteht, nur für unsere Nation verbindlich sind. Mose hat uns das Gesetz geboten; es ist ein Erbteil der Gemeinde Jakobs.
Allein die feierliche Beschwörung eines Lavater nötigt mich wenigstens, meine Gesinnungen öffentlich an den Tag zu legen, damit niemand ein zu weit getriebenes Stillschweigen für Verachtung oder Geständnis halten möge ... Ich bin mit der vollkommensten Hochachtung Ihr aufrichtiger Verehrer Moses Mendelssohn
Regenten der Erde!
Um eurer und unserer aller Glückseligkeit willen! Glaubensvereinigung ist nicht Toleranz, ist der wahren Duldung gerade entgegen. Um eurer und unserer Glückseligkeit willen: gebt euer vielvermögendes Ansehen nicht her, irgendeine ewige Wahrheit, ohne welche die bürgerliche Glückseligkeit bestehen kann, in ein Gesetz, irgendeine dem Staate gleichgültige Religionsmeinung in eine Landesverordnung zu verwandeln! Haltet auf Tun und Lassen der Menschen, zieht dieses vor den Richterstuhl weiser Gesetze und überlaßt uns das Denken und Reden, wie es unser aller Vater (uns) zum unveräußerlichen Erbgute beschieden, als ein unwandelbares Recht eingegeben hat! . . . 14. Mendelssohn zwischen Verfemtsein und Ehren-rettung seines Volkes Was Mendelssohns — wie vor und nadt ihnen unzählige jüdische — Kinder zu ertragen hatten, zeigt das erste der folgenden Brieffragmente; das zweite, mit welcher überschwenglichen Dankbarkeit die grossartige Rehabilitation in Lessings Nathan-Drama ausgenommen worden ist. a) An Maurus Winkop OSB Berlin, 17. Juli 1780 . . . Allhier in diesem sogenannten duldsamen Lande lebe ich gleichwohl so eingeengt, durch wahre Intoleranz so von allen Seiten beschränkt, daß ich mich meinen Kindern zuliebe den ganzen Tag in einer Seidenfabrik — so wie sie sich in einem Kloster — einsperren muß und den Musen nicht so fleißig opfern darf, als ich es wünsche, weil es mein Prior nicht zugeben will. Ich ergehe mich zuweilen des Abends mit meiner Frau und meinen Kindern. „Papa!“ fragt die Unschuld, „was ruft uns jener Bursche dort nach? Warum werfen sie mit Steinen hinter uns her? Was haben wir ihnen getan?“ — „Ja, liebster Papa!" spricht ein anderes, „sie verfolgen uns immer in den Straßen und schimpfen: Juden! Juden! Ist denn dieses so ein Schimpf bei den Leuten, ein Jude zu sein? und was hindert das andere Leute?“ — Ach, ich schlage die Augen unter (nieder) und seufze mit mir selber: „Menschen! Menschen! wohin habt ihr es kommen lassen? . . .“ b) An Karl Gotthelf Lessing. Februar 1781 Nicht ein Wort, mein Bester, von unserem Verluste, von der großen Niederlage, die unser Herz erlitten! Das Andenken des Mannes, den wir verloren, ist mir jetzt zu heilig, um es durch Klagen zu entweihen... Alles wohl überlegt, mein Lieber, ist Ihr Bruder gerade zur rechten Zeit abgegangen, nicht nur in dem Plane des Weltalls zur rechten Zeit; denn da geschieht eigentlich nichts zur Unzeit; sondern auch in unserer engen Sphäre, die kaum eine Spanne zum Durchmesser hat, zur rechten Zeit. Fontenelle sagt von Kopernikus: „Er machte sein neues System bekannt und starb." Der Biograph Ihres Bruders wird mit eben dem An-stande sagen können: „Er schrieb . Nathan der Weise'und starb.“ Von einem Werke des Geistes, das ebenso sehr über „Nathan“ hervorragte, als dieses Stück in meinen Augen über alles, was er bis dahin geschrieben, kann ich mir keinen Begriff machen. Er konnte nicht höher steigen, ohne in eine Region zu kommen, die sich unseren sinnlichen Augen völlig entzieht; und dies tat er. Nun stehen wir da, wie die Jünger des Propheten, und staunen den Ort an, wo er in die Höhe fuhr und verschwand . . . 15. Johann Gottfried Herder als Vorkämpfer für Recht und Freiheit der Juden Auch noch andere Geister außer Lessing sind zu Ende des 18. Jahrhunderts der Verfemung der Juden entgegengetreten, von denen wir Herder vernehmen: a) Die Pflicht der Europäer Montesquieu hat recht, daß die ehemalige Barbarei in Europa zur Verderbnis des jüdischen Stammes und Charakters durch ein gewalttätiges und häßliches Benehmen gegen das jüdische Volk mit beigetragen, welches wir ihm, der Geschichte zufolge, nicht ableugnen können. Daher ist es der Europäer Pflicht, die Schuld ihrer Vorfahren zu vergüten und, die durch sie ehrlos wurden, der Ehre wieder fähig und wert zu machen. b) Die Juden und ihr Schrifttum Israel war und ist das ausgezeichnetste Volk der Erde; in seinem Ursprung und Fortleben bis auf den heutigen Tag, in seinem Glück und Unglück, in Fehlern und Vorzügen, in‘seiner Niedrigkeit und Hoheit, so einzig, so sonderbar, daß ich die Geschichte, die Art, die Existenz dieses Volkes für den ausgemachtesten Beweis der Wunder und Schriften halte, die wir von ihm haben und wissen. So etwas läßt sich nicht erdichten, solche Geschichte mit allem, was daran hängt und davon abhängt, kurz, ein solches Volk läßt sich nicht erlügen. Seine noch unvollendete Führung ist das größte Poem der Zeiten und geht wahrscheinlich bis zur Entwicklung des letzten noch unberührten Knotens aller Erdnationen hinaus . . . 16. Beginn der Emanzipation — und der Assimilation der Juden Was — nach Josephs 11. Toleranzedikt vor 1783 und der USA-Verfassung von 1787 — die Französische Revolution den Juden gab — und nahm, zeigen die nädtsten beiden Texte. a) Proklamation der Gleichberechtigung der Juden in Frankreich vom 28. September 1791 „In Anbetracht dessen, daß die den Titel eines französischen Bürgers und den Genuß der Rechte aktiver Bürger begründeten Voraussetzungen in der Verfassung festgelegt sind, daß ferner jeder die erwähnten Voraussetzungen in sich vereinigende Mensch, soweit er den Bürgereid geleistet und das Gelöbnis abgelegt hat, alle von der Verfassung auferlegten Pflichten zu erfüllen, ein Anrecht auch auf alle von dieser gewährleisteten Freiheiten hat, setzt die Nationalversammlung sämtliche in die früher ergangenen Dekrete in bezug auf die Juden aufgenommenen Vertagungsbestimmungen, Klauseln und Ausnahmeverfügungen außer Kraft, indem sie zugleich bestimmt, daß der von den Juden zu leistende Bürgereid als Verzicht auf alle ehedem zu ihren Gunsten geltenden Privilegien und Sondergesetze zu betrachten sei.“ b) Aus den Fragen Napoleon Bonapartes an die 1806 von ihm einberufene jüdische Notabeinversammlung in Paris
und aus deren Antworten: 6. Wird Frankreich von den dort geborenen und rechtlich als französische Bürger angesehenen Juden als ihr Vaterland betrachtet? Sind sie zur Verteidigung des Landes verbunden? Sind sie den Gesetzen und allen Vorschriften des Zivilkodex Gehorsam und Folgeleistung schuldig? 6. Menschen, die ein Vaterland erwählt haben, die seit mehreren Jahrhunderten darin leben und selbst unter der Herrschaft ihre bürgerliche Existenz beschränkender Gesetze solche Zuneigung für dieses Land fühlten, daß sie lieber auf den Genuß gewöhnlicher Rechte Verzicht leisten, als daraus weichen wollten — diese können sich in Frankreich wohl nur als Franzosen betrachten, und die Verbindlichkeit, das Vaterland zu verteidigen, ist ihnen eine ebenso ehrenvolle als kostbare Pflicht. 17. Das „Entreebillett zur Europäischen Kultur"
Wie wenig die Gewährung des städtischen Bürgerrechts (1808) und des staatlichen (1812) in Preußen schon mit gesellschaftlich gleichen Chancen des Ungetauften gleichbedeutend war, zeigt u. a. die Entscheidung Heinrich Heines, der im selben Jahre 1825 die juristische Promotion und die Taufe entgegennahm, um nicht nur von Schriftstellerei leben zu müssen, dazu aber seinem Freunde Moses Moser bitter schrieb: a) Die „Begründung“ der Taufe 14. Dezember 1825 „Es wäre mir sehr leid, wenn mein eigenes Getauftsein Dir in einem günstigen Lichte erscheinen könnte. Ich versichere Dich, wenn die Gesetze das Stehlen silberner Löffel erlaubt hätten, so würde ich mich nicht getauft haben.“ b) Der „Erfolg“ der Taufe „Ich bin jetzt bei Christ und Jude verhaßt. Ich bereue sehr, daß ich mich getauft hab', ich seh noch gar nicht ein, daß es mir seitdem besser gegangen sei, im Gegenteil, ich habe seitdem nichts als Unglück.“ 18. Aus dem Ringen um die Glaubensfreiheit für alle deutschen Staatsbürger Während manche den Spuren Heines folgten (weldter für die eigne Person zum Glauben seiner Väter zurückfand) und andere aus innerster Überzeugung Christen wurden (wie der Kirchenliederdichter A. Neander im 19., eine Edith Stein im 20. Jahrhundert), gab es auch jüdische Kämpfer gegen den Taufzwang wie Gabriel R i e ß e r (1806— 1863). a) Gegen den „lukrativen“ Glaubenswechsel . . . Wenn der Teufel ein System der Gesetzgebung zu erfinden gehabt hätte, darauf berechnet, die Menschen zu demoralisieren und eine freche Frivolität, die Gott wie die Wahrheit, den Glauben wie das Recht höhnt und das Heiligste mit Füßen tritt, zum herrschenden Geist zu machen — er hätte fürwahr für unsere Tage kein passenderes erfinden können als das der bürgerlichen Unfähigkeit des Glaubens wegen.
All unser Wille, all unsere Kräfte sollen auf das eine Ziel, die Erringung der uns schmählich vorenthaltenen Menschen-und Bürgerrechte gerichtet sein, ohne sie durch eine Lüge zu erkaufen. b) Über die Stellung der Bekenner des mosaischen Glaubens in Deutschland an die Deutschen aller Konfessionen 1831 Es geziemt dem Schwachen nicht — so meinen viele —, auf die Güte seiner Sache zu trotzen; ihm gezieme Demut und Bescheidenheit. Der Verfasser denkt darüber anders. Bescheidenheit dünkt ihm erhaben, wenn sie dem Auge der Schwachen die Überlegenheit des Starken verhüllt; schön, wenn sie im geselligen Leben über alle inneren und äußeren Unterschiede einen freundlichen Schleier wirft; aber häßlich bis zum Ekel, wenn sie der Übermacht den feigen Tribut der Untertänigkeit zollt. Jene feudale Demut, die der Höhere vom Niederen, der Stärkere vom Schwächeren verlangt, um sie ihm mit Stolz oder höchstens mit Herablassung zu erwidern und sich dann wieder seinerseits vor dem Höheren und Stärkeren zu beugen, sollte man lieber bei ihrem wahren Namen — Niedrigkeit — nennen und nicht den edlen Namen der Bescheidenheit damit entweihen . . .
Der Staat hat das unbestrittene Recht, die Erfüllung aller allgemeinen bürgerlichen Pflichten, das Tragen aller bürgerlichen Lasten als Bedingung an die Erteilung bürgerlicher Rechte zu knüpfen. Es gibt aber keinen Staat in Deutschland, in welchem die Juden nicht zur Übernahme aller Pflichten und Lasten bereit wären: ja es gibt keinen, in welchem sie sie nicht bereits vor der Erlangung bürgerlicher Rechte ohne Einschränkung übernommen hätten. Jedes Einschreiten der Staatsgewalt in das Gewissen und in die religiöse Überzeugung ihrer Untertanen aber über jenes Ziel hinaus ist eine Torheit und eine Ungerechtigkeit. Der Staat hat so wenig das Recht, einen Glauben zu verbieten als ihn zu erzwingen. Freiheit und Wahrheit verlangen, daß für geistige Aufklärung so gut wie für den Glauben mit keinen anderen Waffen als mit denen der Überzeugung gestritten werden . . . 19. Jüdische Reaktionen angesichts des beginnenden „Antisemitismus''a) Berthold Auerbach an Karl Emil Franzos 1879: ... „Das bricht mir das Herz! Ich, dem einst Jakob Grimm gesagt: . Ihre Schriften sind so durch und durch deutsch, als ob sie direkt von Hermann dem Cherusker abstammten’ — ich, der ich mein Leben lang für Deutschland gefühlt, gelitten und gestritten, soll nun plötzlich ein . Fremder'sein? Aber es geht mir ja nicht um mich allein, welches Ende soll diese grenzenlose Verrohung der Gemüter nehmen, welches Ende?“ b) H. Steinthal
Es ist vergeblich, das Volk der Dichter und Denker im Namen seiner Dichter und Denker zu beschwören. Jedes Vorurteil, das man abgetan glaubt, bringt, wie Aas die Würmer, tausend neue zutage.
Es ist vergeblich, die rechte Wange hinzuhalten, wenn die linke geschlagen worden ist. Es macht sie nicht im mindesten bedenklich, es rührt sie nicht, es entwaffnet sie nicht; sie schlagen auch die rechte.
Es ist vergeblich, in das tobsüchtige Geschrei Worte der Vernunft zu werfen. Sie sagen: was, er wagt es aufzumucken? Stopft ihm das Maul.
Es ist vergeblich, beispielschaffend zu wirken. Sie sagen: wir wissen nichts, wir haben nichts gesehen, wir haben nichts gehört.
Es ist vergeblich, die Verborgenheit zu suchen. Sie sagen: der Feigling, er verkriecht sich, sein schlechtes Gewissen treibt ihn dazu.
Es ist vergeblich, unter sie zu gehen und ihnen die Hand zu bieten. Sie sagen: was nimmt er sich heraus mit seiner jüdischen Aufdringlichkeit?
Es ist vergeblich, ihnen Treue zu halten, sei es als Mitkämpfer, sei es als Mitbürger. Sie sagen: er ist der Proteus, er kann eben alles.
Es ist vergeblich, ihnen zu helfen, Sklavenketten von den Gliedern zu streifen. Sie sagen: er wird seinen Profit schon dabei gemacht haben.
Es ist vergeblich, das Gift zu entgiften. Sie brauen frisches. Es ist vergeblich, für sie zu leben und für sie zu sterben. Sie sagen: er ist ein Jude. 20. Das Volk des Herrn Bekümmert und voll Zweifels bleib'ich stehn:
Hier führt der eine Weg und dort der andre.
Von oben hör'ich eine Stimme schallen: „Wandre!" — „Wie du befiehlst, mein Herr — doch wo — wo soll ich gehn? Ich weiß nicht, welcher Weg mich führt dahin, Wo endlich meine Sonne hell wird scheinen, Wo sich in Liebe die Getreuen alle einen, Ich weiß nicht, welcher Weg mich führt dahin.
Es klopft mein Herz, ich bin so zweifelsbang.
Kaum trag'ich mehr die Fährnis und Beschwerde, Kaum hebt mein wandermüder Fuß sich von der Erde, Und beide Wege künden schweren Gang.“ . . .
Doch: „Wandre!“ ruft's. Da hab'ich mich ermannt:
„Geh'ich zum Ziel? Werd'ich im Wege irren?
So magst du, Vater, denn die Pfade mir entwirren — Ich gebe mich, mein Gott, in deine Hand.
Du führtest mich dereinst durch Meeresflut Und bahntest mir durch Wüsteneien Straßen, Du wirst auch jetzt mich nicht am Wege sterben lassen, Du nimmst den Wanderer in deine Hut.
Und so, mein Gott, getreu zu dir gewandt, Nehm'ich getrost den alten Wanderstecken.
Und mögen Stein und Dorn die Wege mir bedecken.
Mein Herr und Gott, ich bin in deiner Hand.“
Die vorstehenden Verse aus „Lieder des Ghetto“ von dem in Amerika lebenden yiddischen Dichter Morris Rosenfeld (deutsch von B. Feiwel) dienen als Probe für das Werk eines Autors, der vor allem durch seine leidensdraftlichen Klagen über das Schicksal der Industrie-Arbeiterschaft im früh-kapitalistischen Zeitalter allgemeines Aufsehen erregt hat. Der Eindruck, den er auf den großen französischen Katholiken Leon B l o y gemacht hat, ist in den folgenden Sätzen aus dessen „Blut des Armen“ festgehalten:
Er war der Dichter der Armen und selbt ein Armer, der die Sprache der Armen sprach. „Zerstört und erschöpft von der langen Verbannung, verjagt und umhergetrieben in fremden Ländern, haben wir unsere heilige Sprache und unsere alte Würde verloren, und heute müssen wir zufrieden sein mit Klageliedern in einem armseligen und lächerlichen Dialekt, den wir aufgegriffen haben, als wir unter den Völkern umher-zögert“ Doch die Dichter tun, was sie wollen. Aus diesem kosmopolitischen Jargon, der aus den Fetzen aller Sprachen gebildet war, hat er Musik gemacht wie auf klagenden Harfen.
Morris (Moses Jakob) Rosenfeld wurde in Russisch-Polen geboren. Dort am Ufer eines bald ruhigen, bald wildbrausenden Stromes erzählte ihm sein Vater, ein armer Fischer, Geschichten von Aufständen und Leiden, um sein Herz zu stählen. „Wir sind nicht immer ein Volk gewesen, das nur weinen konnte . . ." Da Rosenfeld dazu berufen war, die Reihe der Leidenden fortzusetzen und noch ärmer zu sein als seine Väter, war ihm die Erinnerung an seine armselige Kindheit in der Nähe des Flusses, der Hügel und der Wälder sein ganzes Leben lang ein Trost . . .
Wie verschiedenartig auch das Werk Rosenfelds ist, über ihn ist alles gesagt, wenn man ihn den Dichter der Proletarier nennt. Das ist er vor allem deshalb, weil er ein Jude ist, und weil der Jude von Natur Proletarier ist. Aber das Proletariat gehört wie die Tränen allen Völkern und allen Zeiten. Nur sind die jüdischen Tränen die schwersten.
Sie haben das Gewicht vieler Jahrhunderte. Die Tränen dieses Dichters wurden freigebig über eine große Anzahl von Unglücklichen vergossen, die nicht zu seinem Volke gehörten, und das sind die kostbarsten auf der Waage des Richters der menschlichen Schmerzen, vor dem es kein Ansehen der Völker und Personen gibt. Wenn der Vater will, daß der Erstgeborene seinen Platz wieder einnimmt, dann — glaube ich — wird die strahlende Nacht über dem festlichen Mahl aufleuchten, während die liebliche Sichel des Mondes die Stelle des Heiligen Grabes anzeigt und die Tränen aller Armen unvorstellbar schön am Himmel leuchten. 21. Jetzt und immer Die jüdischen Leiden, zu denen sich Rosenfeld und Bloy äußern, waren bei aller Bitterkeit noch poetischer Verklärung fähig; unverklärbar für dichterische Phantasie sollte jedoch sein, was wenig später den luden durch Hitler und seine Helfershelfer geschah — und was andererseits die fundamentalste jüdische Wiedergeburt einleitete: „Zu bekennenden Juden wurden wir gesdtlagen“, berichtet einer aus dem KZ. In dieser Auswahl, die eine dreitausendjährige, nicht die „Zeit“ -Geschidite zu Worte kommen lassen will, beschränken wir uns zu dieser letzten Phase einerseits auf ein kleines Volkslied, das im Warschauer Ghetto bis zum Aufstand oft gesungen wurde (laut: J. Wulf, Vom Leben, Kampf und Tod im Ghetto Warschau, Bonn 1958, S. 40), andererseits auf eine Tagebuchstelle von Anne Frank, welche die doppelte Verbundenheit eindrucksvoll bezeugt: Zum eigenen und zum „Wirtsvolke“. a) Ich glaube . ..
Ich glaube, ich glaube, ich glaube ehrlich, unerschütterlich und fromm, daß der Messias komm':
An den Messias glaube ich und wenn er auf sich warten läßt, glaub ich darum nicht weniger fest. Selbst wenn er länger zögert noch, an den Messias glaub'ich doch.
Ich glaube, ich glaube, ich glaube. b) Jude und Mitbürger (Aus Anne Franks Tagebuch)
Dienstag, 11. April 1944 ... Wir sind stark daran erinnert worden, daß wir Untergetauchte sind, gefesselte Juden, gefesselt an einen Fleck, ohne Rechte, aber mit tausend Pflichten. Wir Juden dürfen unser Gefühl nicht gelten lassen, müssen mutig und stark sein, müssen unser Schicksal ohne Murren auf uns nehmen, müssen tun, was in unserer Macht liegt und auf Gott vertrauen. Einmal wird dieser schreckliche Krieg doch wohl aufhören, einmal werden wir auch wieder Menschen und nicht allein Juden sein.
Wer hat uns das auferlegt? Wer hat uns Juden diese Ausnahme-stellung unter den Völkern gegeben? Wer hat uns bisher so leiden lassen? Es ist Gott, der uns so gemacht hat, und es wird auch Gott sein, der uns erlöst. Wenn wir all dies Leid tragen und dann immer noch Juden übrig bleiben, könnten sie einmal von Verdammten zu Vorbildern werden. Wer weiß, vielleicht wird es noch unser Glaube sein, durch den die Welt und alle Völker das Gute lernen, und dafür, dafür allein müssen wir auch leiden. Wir können nicht allein Niederländer, Engländer oder Vertreter welchen Landes auch sein, wir sollen dabei immer Juden bleiben und wir wollen es auch bleiben.
In dieser Nacht dachte ich eigentlich, daß ich sterben müßte. Ich wartete auf die Polizei, war bereit wie die Soldaten auf dem Schlachtfeld. Ich wollte mich gern opfern für das Vaterland, aber nun, nachdem ich gerettet bin, ist mein erster Wunsch nach dem Krieg, Niederländerin zu werden.
Ich liebe die Niederländer, liebe unser Land, ich liebe die Sprache und möchte hier arbeiten. Und wenn ich an die Königin selbst schreiben müßte, ich würde nicht weichen, ehe ich mein Ziel erreicht hätte!